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Dr. Klaus Volland „Es ist nicht ohne meine Arbeit, Kenntnis und große Ausgaben zur Hochkultur geworden.“ – Zur Geschichte der jüdischen Familie Salom...
Author: Sophia Sommer
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Dr. Klaus Volland

„Es ist nicht ohne meine Arbeit, Kenntnis und große Ausgaben zur Hochkultur geworden.“ – Zur Geschichte der jüdischen Familie Salomon in Engeo und Bremervörde (1909 bis 1941) von Dr. Klaus Volland Einleitung Die tragische Auseinandersetzung des Bremervörder Viehhändlers und Landwirts Joseph Salomon mit den Vertretern des NS-Staats hat zuerst die Regionalhistorikerin Dr. Elfriede Bachmann in ihrem 1991 erschienenen grundlegenden Aufsatz über die Bremervörder Juden im 20. Jahrhundert beleuchtet.1 Die Agrarhistorikerin Beatrix Herlemann stellte Joseph Salomon 1993 in eine Reihe mit den todesmutigen jüdischen Männern und Frauen, denen der Auschwitz-Überlebende Hermann Langbein durch sein Werk „...nicht wie die Schafe zur Schlachtbank“ ein Denkmal gesetzt hat: „Doch wehrhaftes Verhalten war nicht erst in den Todeslagern zu beobachten, vereinzelte Beispiele finden sich (...) lange vor 1933 und waren auch nach 1933 zu beobachten. Allerdings handelte es sich dabei stets um individuelle Selbstbehauptungen, die in der Summe kaum das Bild vom duldsamen, gesetzesund obrigkeitstreuen deutschen Staatbürger jüdischen Glaubens beeinträchtigt haben dürften.“ Als eines dieser Beispiele wehrhaften Verhaltens von Juden gegenüber der nationalsozialistischen Verfolgung und Entrechtung im Raum Niedersachsen würdigte Beatrix Herlemann den Bremervörder Joseph Salomon.2 Das Schicksal Salomons verdient es so nicht nur aus aktuellem lokalpolitischem Anlass,3 näher betrachtet zu werden. Dies soll im folgenden Beitrag versucht werden, auch wenn die knapp bemessene Seitenzahl dieses Aufsatzes das nur eingeschränkt zulässt. Die eingehende Darstellung des Kampfes der in den USA lebenden Erben Joseph Salomons um die Rückerstattung des Eigentums der Familie soll im nächsten Jahrbuch erfolgen. I 1909 bis 1936 Am 25. März 1909 meldeten sich der 71-jährige Altenteiler Heinrich Salomon und sein 31-jähriger lediger Sohn „Julius“ im Meldeamt der Stadt Bremervörde an. Beide hatten bis dahin in dem nahe gelegenen Dorf Nieder Ochtenhausen gelebt. Als Beruf gaben sie „Schlachter“ an, als Religion „mosaisch“. Ihre Wohnungen bezogen sie in der Fluthstraße 71.4

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Joseph Salomon mit seinem Vater Heinrich 1910 vor den Häusern Fluthstraße 70/71. Foto: Bildarchiv Eberhard Geßler Über den von Joseph Salomon erworbenen Hauskomplex Fluthstraße 70/71 (später Bremer Straße 14) erzählt der Färbereibesitzer Georg Dauber (1899 – 1984) in seinen Kindheitserinnerungen: „Ein Haus weiter kam ein rotes Backsteinhaus. Es sah aus, als wenn es aus drei Teilen zusammengesetzt war. Ein Mittelbau mit zwei angeklebten Seiten. (…) Zu unserer Jungenszeit war es die Schlachterei und Gastwirtschaft von v. d. Lieth (…). Als der Tod dem kleinen, flinken Schlachter das Hackebeil aus der Hand nahm, kaufte Viehhändler Julius Salomon das Gewese.“5 Julius Joseph Salomon,6 der am 29. November 1909 den Bürgereid der Stadt Bremervörde leistete,7 verpachtete sowohl die Schlachterei als auch die Gastwirtschaft und widmete sich wie schon in Nieder Ochtenhausen dem Viehhandel und alsbald auch wieder der Landwirtschaft. An dem verschachtelten Hauskomplex in der Fluthstraße nahm Joseph Salomon im Laufe der Jahre zahlreiche Aus- und Umbauten vor, so etwa 1913 den Einbau des markanten Zwerchhauses (Dachaufbaus) an der Frontseite nach Zeichnungen des Bremervörder Baumeisters Ernst Weber.8 Am 14. Juli 1913 heiratete Joseph Salomon in Landau in der Pfalz die aus Eisenach stammende Emma Dessauer. Am nächsten Tag erfolgte die Trau96

Dr. Klaus Volland ung des Paares nach jüdischem Ritus in der Synagoge von Neustadt an der Haardt durch den angesehenen Rabbiner Dr. Ernst Steckelmacher.9 Am 12. Mai 1914 wurde der erste Sohn Walter in Bremervörde geboren.10 Nach Ausbruch des Krieges im August 1914 kämpfte Joseph Salomon dreieinhalb Jahre lang als Freiwilliger in einer Pioniereinheit, die an der West- und an der Ostfront zum Einsatz kam.11 Am 1. Juli 1935 nahm Joseph Salomon dafür im Bremervörder Rathaus das „Ehrenkreuz für Frontkämpfer“ entgegen, das ihm „im Namen des Führers und Reichskanzlers“ verliehen worden war.12 Der jüngere seiner beiden Söhne, der 1924 geborene John Henry (vormals HansHeinrich) Salomon, kommentierte dies in einem Brief an Elfriede Bachmann 2005 mit bitterem Sarkasmus: „Mein Bruder und ich selbst dienten in der US-Armee im Zweiten Weltkrieg, dreieinhalb Jahre lang. Mein Vater diente in der deutschen Armee im Ersten Weltkrieg und erhielt das Ehrenkreuz für Frontsoldaten. Was für eine Schmach!!“13 Im Dezember 1918 kehrte Joseph Salomon nach Hause zurück. Am 9. März 1919 beteiligte er sich an der Wahl von Siegfried Heyn zum Vorsteher der Bremervörder Synagogengemeinde.14 1910 hatte Joseph Salomon in Engeo ein größeres Heidegrundstück gekauft, das zwischen dem „Oereler Schiff-Kanal“ und dem Kirchweg nach Oerel lag, um es urbar zu machen, darauf Vieh zu halten und Ackerbau zu treiben. Über dieses Grundstück schrieb Joseph Salomon 1938 in einem Schriftsatz zu seiner Verteidigung: „Ich habe in der Gemeinde Engeo eine Landwirtschaft von 14 Hektar, 24 Ar, welche im Jahre 1910 erworben ist. (…) Das Land war beim Kauf besonders hoch bezahlt, da es Heide und Sümpfe war, außerdem war in dem Grundstück ein mehrere Morgen großer See.“15 Heinrich Essen berichtete 1975 in einer Jubiläumsschrift des Engeoer Clubs Tingo: „Um die Jahrhundertwende bilden noch die 4 Vollhöfe den Kern des Dorfes: Rademacher, Wülbern, Steffens, Hinck. 1911 (sic) wird der Hinck’sche Hof aufgeteilt und verkauft an den Viertelhöfner J. Oetjen und verschiedene Ansiedler, u. a. Diederici, Heins, Meyer, Buck, Salomon und Steffens. Dem ‚Landhunger‘ dieser strebsamen Siedler muß viel Heideland weichen.“16 In dieser Darstellung des Chronisten ist der durch den NS-Staat gedemütigte und verstoßene Joseph Salomon wie selbstverständlich in die Engeoer (Erinnerungs-) Gemeinschaft integriert. Zunächst errichtete Joseph Salomon auf seinem Grundstück in Engeo 1911 ein Haus mit Hartdach für 70 Schweine, drei Pferde und 150 Hühner. Nach der Unterbrechung durch die Kriegsteilnahme folgte1920 ein reetgedecktes Fachwerk-Wohnhaus, das drei Wohnräume, eine Küche, einen Keller sowie eine Stallung für vier Kühe und drei Pferde aufwies. In den Jahren 1926 und 1927 kamen ein massives Viehhaus hinzu mit Hartdach für 27 Stück 97

Auszug Maßstab : 5000 Arbeit, ... „Es ist nicht ohne1 meine

Erstellt am: 06.10.2015 E 32 508 983

E 32 508 061

N 5926 447

Flurstücke im Besitz von Joseph Salomon mit heutiger Bebauung: Flurstück 17 (14,2403 ha) in Engeo (südlich des Oereler Kanals) und FlurN 5925 239 stücke 554/89,und556/90, 558/91, 560/92 (insgesamt 1,2829 ha) in BremerHerausgeber: Landesamt für Geoinformation Landesvermessung Niedersachsen - Katasteramt Bremervörde vörde (nördlich des Oereler Kanals). Diese amtliche Karte und die ihr zugrunde liegenden Angaben des amtlichen Vermessungswesens sind geschützt durch das Niedersächsische Gesetz über das amtliche Vermessungswesen (NVermG) sowie durch das Gesetz über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (Urheberrechtsgesetz) in der jeweils gültigen Fassung. Die Verwertung für nichteigene oder wirtschaftliche Zwecke und die öffentliche Wiedergabe sind nur mit Erlaubnis des LGLN zulässig.

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© 2015

 

Dr. Klaus Volland Großvieh, 10 Kälberboxen, eine Selbsttränke und eine Miete mit Jauchegrube, 1927 außerdem eine Scheune mit Blechbedachung. 1934 wurden zwei Silos gebaut, 1936 ein dreiteiliger Silo und im gleichen Jahr ein Backhaus. Abschließend vermerkt die von dem im Sommer 1938 eingesetzten Treuhänder erstellte Inventarliste: „Ein Weideschuppen, 1 Feldscheune mit Blechdach.“17 Die Kultivierung seines Grundstücks in Engeo war so intensiv und effizient, dass Joseph Salomon in einem Schriftsatz 1938 auf die besondere Bodenqualität seines Grundstücks verweisen konnte: „Eine Bodenuntersuchung, die 1937 stattfand, erbrachte das Ergebnis, dass mein Grundbesitz von besonderer Güte und auf der Karte besonders bezeichnet war. Es ist nicht ohne meine Arbeit, Kenntnis und große Ausgaben zur Hochkultur geworden.“18 II 1937 bis 1941 Die Ausgrenzungs-, Boykott- und Repressionsmaßnahmen gegen die Juden setzten schon bald nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten ein. Massiver bekam dies Joseph Salomon ab 1937 zu spüren, als ihm die Mitgliedschaft in der Ein- und Verkaufsgenossenschaft gekündigt wurde. Im September 1937 musste er sein Viehhandelsgewerbe abmelden und sich fortan auf seine Tätigkeit als Landwirt beschränken.19 Im Februar 1938 wurde Joseph Salomons Klage gegen einen Bauern, der sich nicht an vertragliche Abmachungen bezüglich einer verliehenen Kuh halten wollte, vom Amtsrichter in Bremervörde abgewiesen. Die von einem NS-Propagandisten geleitete Bremervörder Zeitung schmähte Joseph Salomon daraufhin wegen angeblicher Übervorteilung in einem verleumderischen Bericht.20 Am 23. März 1937 war im Anschluss an den im Oktober 1936 von Hermann Göring verkündeten Vierjahresplan, der der Kriegsvorbereitung diente, das „Gesetz zur Sicherung der Landbewirtschaftung“ verabschiedet worden. Dieses Gesetz ermöglichte auch bei Nichterbhöfen, zu denen die wenigen jüdischen Höfe gehörten, staatliche Eingriffe und Sanktionsmaßnahmen, wenn die Wirtschaftsführung eines landwirtschaftlichen Betriebes als mangelhaft betrachtet wurde.21 Am 22. April 1938 fand auf Veranlassung der Kreisbauernschaft Bremervörde eine nicht angekündigte Besichtigung des Betriebes von Joseph Salomon statt, an der der Bezirksbauernführer Lührs, der Ortsbauernführer Jordan, der Stabsleiter der Bremervörder Kreisbauernschaft, Dr. Tietje, und der Gendarm Warncke teilnahmen.22 Die Bremervörder Zeitung berichtete am 30. April: „Dieser Tage wurde bei dem in Engeo bei Bremervörde als Landwirt lebenden Juden Joseph Salo99

„Es ist nicht ohne meine Arbeit, ... mon eine plötzliche Betriebsüberholung durchgeführt, nach der Salomon verhaftet und dem Amtsgerichtsgefängnis zugeführt wurde, da Verdunkelungsgefahr besteht. Es wird ihm zur Last gelegt, in kaum glaublicher Weise zum Nachteil leichtgläubiger Bauern, Landwirte und anderer Volksgenossen Sachwucher verübt und gegen das Preisstoppgesetz (Höchstpreisgesetz - K.V.) verstoßen zu haben. Weiter wird ihm vorgeworfen, das Gesetz zur Förderung der Tierzucht missachtet und übertreten zu haben.“ Abschließend kommentierte die dem „Stürmer“ nacheifernde Bremervörder Zeitung, der gegen Salomon eingeleitete Prozess dürfte „beweisen, wie notwendig die Judengesetzgebung war und dass gegen jüdische Ausbeuter mit aller Strenge eingeschritten wird.“23 Joseph Salomon war am 25. April vorläufig festgenommen und am 28. April in Haft genommen worden. Auf die am 2. Mai eingelegte Haftbeschwerde des von ihm eingeschalteten Bremerhavener Rechtsanwalts Dr. Neumann bei der Staatsanwaltschaft beim Landgericht in Stade hin wurde Joseph Salomon am 6. Mai aus der Haft entlassen. Dr. Neumann hatte in der Haftbeschwerde die Ansicht vertreten, dass Verdunkelungsgefahr nicht mehr vorliege, und ergänzt: „Fluchtgefahr liegt ebenfalls nicht vor, da der Beschuldigte Familie hat und darüber hinaus landwirtschaftlichen Grundbesitz. Es erscheint mir zweckmäßiger, daß der Beschuldigte als Landwirt jetzt im Frühjahr seine Aufgabe erfüllt und aus seinem landwirtschaftlichen Besitz das herausarbeitet, was für die deutsche Volkswirtschaft notwendig ist.“24 Der Prozess gegen Joseph Salomon wurde danach über ein Jahr lang am Landgericht in Stade verhandelt, bis er schließlich, wie noch zu zeigen sein wird, Ende Mai 1939 eingestellt wurde. Am 12. Mai wandte sich der Reichsnährstand, vertreten durch die Landesbauernschaft Hannover-Braunschweig, in einem Schreiben an das Amtsgericht Bremervörde: „Gemäß § 12 der DVO zur VO zur Sicherung der Landbewirtschaftung vom 22. April 1937 beantrage ich, 1. anzuordnen, dass ein Treuhänder die Verwaltung des dem Juden Salomon gehörigen in Engeo, Kreis Bremervörde, gelegenen Betriebes übernimmt, 2. den Landwirt Wilhelm Seevogel in Zeven, Kreishaus, zum Treuhänder zu bestellen.“25 Diese Anordnung der Treuhänderschaft über den Betrieb von Joseph Salomon wurde am 30. Juni 1938 auf Beschluss des Anerbengerichts, das unter der Leitung des Gerichtsassessors Daub im Amtsgericht Bremervörde tagte, gegen den Willen von Joseph Salomon für die gesetzlich vorgesehene Dauer von drei Jahren beschlossen. Beisitzer waren der Landwirt Korte aus Hesedorf und der Bauer Ropers aus Bevern. Als Antragsteller trat der Stabsleiter der Bremervörder Kreisbauernschaft, Dr. Heinrich Tietje, auf, als Zeugen der 59-jährige Gendarmeriemeister Max Warncke, der 46-jährige Ortsbau100

Dr. Klaus Volland ernführer von Engeo, Wilhelm Jordan, und der 65-jährige Arbeiter Heinrich Dreyer. Warncke und Jordan bekräftigten vehement ihre bei der überraschenden Besichtigung des Hofes von Joseph Salomon am 22. April gewonnenen negativen Eindrücke. Warncke sagte aus: „Der gesamte Betrieb machte einen unbeschreiblich unsauberen Eindruck, die Wohn- und Wirtschaftsräume zeigten keine Spur von irgendwelchem Ordnungssinn.“ Jordan assistierte: „Ich habe selten einen so verwahrlosten Hof gesehen. Auf dem Hofe selbst standen Maschinen und Geräte alle wild durcheinander. Es war eine geradezu katastrophale Unordnung. Die Wohnräume strotzten vor Schmutz und Dreck. Auch in den Stallungen sah es nicht anders aus. Die Kühe standen nahezu auf Düngerhaufen, so dass die Unterbringung als Tierquälerei bezeichnet werden muss. Dieses war wenigstens bei einer Kuh der Fall und auch bei den Pferden. Einige Kühe waren in einem leidlichen Futterzustand, andere machten jedoch einen sehr schlechten Eindruck. Zusammenfassend ist mein Eindruck der, dass ein solcher Betrieb innerhalb des Vierjahresplans völlig untragbar ist.“ Auch der Gelegenheitsarbeiter Heinrich Dreyer aus Bremervörde, den Joseph Salomon neben drei jüdischen Arbeitskräften, unter ihnen sein Sohn Walter, seit Jahren beschäftigt hatte,26 trat am 30. Juni als Zeuge auf, allerdings viel vorsichtiger im Ton: „Ich habe im Jahre 1936 so ziemlich das ganze Jahr über auf dem Hofe des Salomon gearbeitet. Auch im Jahre 1937 habe ich vom Frühjahr bis zum Herbst sehr viel dort gearbeitet, ich habe früher auch das Vieh mit gefüttert. In den letzten beiden Jahren habe ich mich aber nur um die Landbewirtschaftung gekümmert. (...) Ich habe außer meinem Lohn von Salomon kein Deputat erhalten. Er hat mir lediglich einmal 1000 Pfund Steckrüben geschenkt. Soziale Leistungen hat Salomon auch nicht für mich bezahlt. Ich bin nicht in der Invalidenversicherung. Die Krankenkassenbeiträge habe ich selbst bezahlt.“27 Bereits in seiner Verteidigungsschrift vom 18. Juni hatte Salomon die von seinen nationalsozialistischen Gegenspielern erhobenen Vorwürfe nachdrücklich bestritten: „Die Beschuldigung, dass mein Vieh bei der Hofbesichtigung einen jammervollen Eindruck gemacht hat, muss ich entschieden zurückweisen. Auch stimmt es nicht, dass Pferdedünger längere Zeit nicht in Ordnung gebracht wurde, am 20. April habe ich den Pferdedünger verebnet, dieses kann ich durch Zeugen beweisen. Ebenso kann ich beweisen, dass es an der Pflege meiner Pferde und meines Viehes nicht gefehlt hat. Ich habe ein altes Kriegspferd seit 1919, welches jetzt 25 Jahre alt ist, das andere Pferd, eine Zuchtstute, ist 18 Jahre alt. Wenn ich die Tiere vernachlässigt oder schlecht behandelt hätte, wären die Pferde wohl nicht mehr da. Hinzu101

„Es ist nicht ohne meine Arbeit, ... fügen muss ich noch, dass mir sehr wenig Kraftfutter zur Verfügung steht. Eine Bitte, die ich im März an den Reichsnährstand gerichtet habe, mir für mein altes Kriegspferd eine Bescheinigung für Kraftfutter auszustellen, ist mir nicht gewährt worden. Daher war ich gezwungen, für meine ordnungsgemäße Frühjahrsbestellung ein Lohnfuhrwerk zu nehmen.“ In ähnlicher Weise wies Joseph Salomon entschieden die Anschuldigungen zurück, nicht genügend Milch abgeliefert zu haben, Roggen verderben haben zu lassen oder gegen das Tierschutzgesetz verstoßen zu haben. Zu dem letztgenannten Punkt schrieb er: „Ich habe bis Dezember 37 einen nichtgekörten Bullen in einzelnen Fällen bei meinen Kühen decken lassen. Ich kann beweisen, dass ich kein Vieh zur Zucht, sondern nur zu Schlachtzwecken aufziehe. Der Deckbulle der Gemeinde befindet sich beim Ortsbauernführer (Wilhelm Jordan – K.V.), ich weiß bestimmt, dass ich nicht auf dessen Hof kommen kann. Aus wirtschaftlichen Gründen müssen die Kühe wieder gedeckt werden und befand ich mich (sic) in der größten Notlage.“ Salomon führte ferner aus: „Ich stelle auch in Abrede, dass ich mich mit wucherischem Viehhandel befasst habe. Ich habe verschiedenen Bauern auf deren Wunsch leihweise Milchkühe überlassen. In einigen Fällen habe ich angemessene Vergütung für das Leihen bekommen, in den weitmeisten Fällen habe ich den Leuten die Kühe ohne Vergütung gegeben. Die Leute brauchten die Kühe, um ihren wirtschaftlichen Betrieb aufrechtzuerhalten, wollten aber das Risiko, welches sie bei einer gekauften Kuh gehabt hätten, nicht übernehmen. Meine Angaben kann ich mit Zeugen beweisen. Meine Bücher sind von der Finanzbehörde im Januar ds. J. geprüft worden. Die zuständige Behörde wird es nun wohl nicht für erforderlich halten, einen Treuhänder in meinem landwirtschaftlichen Betrieb einzustellen.“ Als Nachsatz zu diesem Schreiben folgte der handschriftliche Zusatz: „Ich beabsichtige jetzt, meine Landstelle zu verpachten, und stehe bereits mit einem Pächter in Verbindung.28 Diese Bemühungen scheiterten jedoch. Nach der Anordnung der Wirtschaftstreuhänderschaft über seinen Betrieb schloss Joseph Salomon deshalb bei dem Notar Hermann Nitschke am 4. Juli 1938 einen Kaufvertrag mit dem Bremervörder Landwirt Wilhelm Rotermund ab und verkaufte seinen gesamten Grundbesitz in Engeo samt Inventar sowie die benachbarten jenseits des Oereler Kanals gelegenen Grundstücke zum Preis von 25 000 Reichsmark. In einem Begleitschreiben an das Amtsgericht Bremervörde betonte Nitschke: „An der landrätlichen Genehmigung wird, wenn nicht Einzelheiten zur Beanstandung Anlass geben sollten, kaum zu zweifeln sein - wird doch durch den Verkauf Deutscher Grund und Boden in Deutsche Hand überführt.“ Der Notar setzte hinzu: „Nach der landrätlichen Genehmigung wird 102

Dr. Klaus Volland die Aufhebung der Treuhänderschaft wegen Wegfalls des Grundes beantragt werden.“29 Am 6. Juli 1938 wurde die Übergabe des Betriebes vollzogen. Der Treuhänder Seevogel berichtete: „Salomon wurde angetroffen und von dem Vorhaben in Kenntnis gesetzt. Da inzwischen ein Verkauf des Betriebes erfolgt war, wurde Salomon unterrichtet, dass die zu dem Vertrage erforderlichen Genehmigungen voraussichtlich nicht erteilt werden würden. Die Treuhänderschaft bliebe also bestehen.“30 Joseph Salomon schaltete daraufhin am 8. Juli die Stader Rechtsanwälte und Notare Scheele und Dr. Jürgens ein und erteilte diesen eine Vollmacht zur Rechtsvertretung. Dr. Jürgens legte Beschwerde gegen den Treuhandbeschluss des Amtsgerichts bei der Zivilkammer des Landgerichts Stade ein, um den Kaufvertrag von Joseph Salomon mit dem Bauern Rotermund durchzusetzen. Das Landgericht lehnte jedoch diese Beschwerde am 18. August ab und bestätigte das Urteil des Amtsgerichts Bremervörde. Dr. Jürgens legte wenige Tage später die rechtliche Vertretung Joseph Salomons nieder, was er wie folgt begründete: „Durch den Landwirt Eckhoff in Bevern hatte ich erfahren, dass voraussichtlich der Vertrag zwischen Salomon und Rotermund nicht genehmigt werden würde. Jedenfalls hatte mir die Hannoversche Siedlungs-Gesellschaft eine entsprechende Nachricht zukommen lassen. Da Eckhoff mir erklärt hatte, dass der Kreisbauernführer und auch die Hannoversche Siedlungs-Gesellschaft damit einverstanden seien, dass er den Besitz von Salomon zu einem näher noch zu bestimmenden Preis (…) übernehme, so hatte ich Salomon dringend anheim gegeben, sich darauf zu erklären, Eckhoff seinen Besitz zu überlassen und die näheren Bedingungen festzulegen. Salomon hat mir erklärt, dass er dies nicht könne, da er an Rotermund verkauft hätte. Ich sehe mich deshalb veranlasst, da Salomon meinem Rat nicht folgen will, seine Vertretung niederzulegen.“31 Nach der Reichspogromnacht vom 9. November 1938 wurde Joseph Salomon in Hamburg, wo er sich wahrscheinlich im Hause seiner Schwester Rebecka und ihres Mannes Max Lichtenstein aufgehalten und wo er dem jüdischen Rechtsanwalt Dr. Julius Jonas eine Prozessvollmacht erteilt hatte,32 ein zweites Mal verhaftet. Die Bremervörder Zeitung berichtete unter der Überschrift „Vergeltung“ über „Judenfeindliche Kundgebungen in Bremervörde und Zeven“ u. a.: „Der jüdische Viehhändler Leeser wurde in Haft genommen. Sein Rassegenosse Salomon weilt z. Zt. in Hamburg (…).“33 „Der Jude Joseph Salomon wurde am 10. 11. 1938 in Schutzhaft genommen, am gleichen Tage jedoch wegen seines Alters wieder nach Bremervörde entlassen“, teilte die Gestapo der Staatsanwaltschaft in Stade später mit.34 Kurz vor dem vorgesehenen Verhandlungstermin des Schöffengerichts in 103

„Es ist nicht ohne meine Arbeit, ... Stade am 6. Januar 1939 nahm Joseph Salomon in einem klug formulierten Schriftsatz zu der gegen ihn erhobenen Anklage Stellung und führte dabei zu dem Kernvorwurf aus: „Man kann aber nun nicht mir den Vorwurf machen, Wucher getrieben zu haben, wenn eine große Anzahl angesehener Bauern und Viehhändler in der gleichen Weise wie ich Kühe verliehen hat.“35 Die Eingabe Salomons zeitigte offensichtlich Wirkung: Das Schöffengericht Stade verschob den vorgesehenen Verhandlungstermin. In einem Vermerk des damit befassten Gerichtsassessors heißt es dazu: Das von Dr. Tietje erstellte Gutachten der Kreisbauernschaft Bremervörde gegen Joseph Salomon „weist m. E. in wesentlichen Punkten entscheidende Unrichtigkeiten auf. (…) Es sei noch darauf hingewiesen, dass auch die Angriffe des Angeklagten gegen das Gutachten in seinem Schriftsatz bei der ersten Prüfung zum Teil nicht als ganz unbeachtlich erscheinen.“36 Dieses Zitat macht deutlich, dass es im Justizapparat des NS-Staats damals auch Funktionsträger gab, die nicht von einem brutalen, verblendeten Antisemitismus erfüllt waren. Die Repression des Regimes gegen die Juden ging gleichwohl auf allen Ebenen weiter. So forderte die Gestapo Wesermünde die Stadt Bremervörde als Polizeidienststelle am 6. Februar 1939 auf, den Buchbestand in jüdischen Haushaltungen zu überprüfen. Am 15. Februar meldete Hauptwachtmeister Karl Möller Vollzug und berichtete, er habe „bei Joseph Israel Salomo (sic), Fluthstraße 71“ die Bücher „Im Westen nichts Neues“ von Erich Maria Remarque und „Lassalles letzte Tage“ von Ina Britschgi-Schimmer „für die Gestapo sichergestellt.“37 Nach der Reichspogromnacht war am 3. Dezember 1938 die „Verordnung über den Einsatz des jüdischen Vermögens“ verabschiedet worden. Darin wurde den Juden u.a. auferlegt, ihre Gewerbebetriebe zu verkaufen oder abzuwickeln, ihren Grundbesitz zu veräußern und ihre Wertpapiere bei einer Devisenbank zu hinterlegen.38 Am 6. März 1939 musste Joseph Salomon sein Grundstück in Engeo an die Hannoversche Siedlungsgesellschaft zu einem niedrigen Preis verkaufen. Die Hannoversche Siedlungsgesellschaft beantragte daraufhin, „die angeordnete treuhänderische Verwaltung des Besitzes mit Wirkung vom 1. April 1939 aufzuheben.“39 Ebenso sah Joseph Salomon sich gezwungen, am 10. März 1939 zwei weitere Grundstücke im Gebiet „Im Sicken“ (zwischen dem Oereler Kanal und dem Gartenweg parallel zur heutigen Straße Am Kanal in dem Bereich gegenüber der Grundschule Engeo) in der Größe von 0,6027 ha an die Stadt Bremervörde, vertreten durch Bürgermeister Lührs, zu verkaufen.40 Am 20. März 1939 fasste Joseph Salomon in einem bewegenden Brief an 104

Dr. Klaus Volland den Vorsitzenden des Stader Schöffengerichts, Amtsgerichtsrat von Hörsten, seine verzweifelte Situation zusammen und bat inständig darum, das gegen ihn anhängige Verfahren einzustellen, um das Land verlassen zu können: „Wie ich in meinem Schreiben an das Schöffengericht Stade berichtet (habe), habe ich mich in der mir zur Last gelegten Strafsache nicht gegen die Gesetze vergangen und bitte ich, wenn möglich, von einer Verhandlung abzusehen, da ich durch die schwebende Sache in meiner Auswanderung gehemmt bin. Nach meiner Vermögenserklärung, welche ich laut Verfügung am 26. April 38 bei der Regierung abzugeben hatte, war mein Vermögen RM 104 000. Am 30. Juni l. Js. (1938 - K.V.) musste ich meinen unbelasteten landwirtschaftlichen Betrieb einem Treuhänder übergeben, obgleich nach wirtschaftlichem Standpunkt keine Veranlassung dazu vorlag. Der Betrieb war 16 ha und unterlag dem Einkommenssteuersatz 4180 RM und hatte am 26. 4. 38 den angegebenen Wert von RM 65 072. Diesen Betrieb musste ich jetzt der Siedlungsgesellschaft für 18 000 RM verkaufen. Im Oktober wurde ich verpflichtet, der Verwaltung 7000 RM zu bewilligen. Dem Finanzamt muss ich für Judenvermögensabgabe und Reichsfluchtsteuer 29 600 RM bezahlen, so dass mir von meinem Vermögen nur noch die Außenstände, welche zum größten Teil langfristige Entschuldungen sind, bleiben. Vom Reichsnährstand ist meinen Schuldnern, welchen ich Beträge und Vieh leihweise überlassen habe, verboten worden, mir mein Guthaben zurückzugeben. Außerdem bin ich vom Reichsnährstand in mehreren Fällen zu Unrecht beschuldigt worden. Mein Mieter, welcher die Geschäftsräume und eine Wohnung bei mir gemietet hat, bezahlt schon seit April keine Miete mehr. Da ich in Kürze ganz verarmt bin, bin ich gezwungen, mit meiner Familie auszuwandern. Ich bitte um Ihren Bescheid. Hochachtungsvoll Yulius Joseph Israel Salomon.“41 In einem Brief an seine ehemalige Bremervörder Klassenkameradin Charlotte Burczynski vom 19. Februar 1998 machte Hans-Heinrich, nun John Henry Salomon deutlich, in welcher entsetzlichen Verfassung sich seine Eltern in den Jahren 1938 und 1939 befanden. Er bezog sich dabei auf einen Besuch, den er seiner Heimatstadt mit einer Gruppe ehemaliger Bremervörder Juden 1980 abgestattet hatte: „Es war gut, das Haus zu sehen, wo ich geboren wurde, und auch die Farm, wo mein lieber Vater so viele Jahre geschuftet hat, aber es war auch eine sehr schmerzvolle Erfahrung für mich; nicht so sehr für mich selbst, weil wir damals (1938) Kinder waren, aber für unsere Eltern, die in einer schrecklichen Verfassung waren. Alles zu verlieren war nicht einfach und in ihrem Alter in ein anderes Land gehen zu müssen war noch schlimmer (...).“42 Um seine Auswanderung voranzutreiben, wagte sich Joseph Salomon am 105

„Es ist nicht ohne meine Arbeit, ... 13. Mai 1939 in die Höhle des Löwen und besuchte die Gestapostelle in Wesermünde. Dort gab er zu Protokoll: „Am 3. Mai bin ich persönlich nach Stade gefahren und habe mich nach dem Stand meines Verfahrens erkundigt. Ich sprach mit dem Vorsitzenden des Schöffengerichts, Herrn Amtsgerichtsrat von Hörsten. Dieser nahm zunächst fernmündlich mit dem Herrn Oberstaatsanwalt Rücksprache. Mir wurde darauf gesagt, falls ich bis zu dem von mir angesagten Termin, dem 31. 5. 39, auswandern würde, würde das Verfahren wegen Geringfügigkeit niedergeschlagen werden.“ Die Gestapo Wesermünde bekundete daraufhin gegenüber dem Oberstaatsanwalt in Stade ihr „Interesse (an) einer beschleunigten Auswanderung des Juden Salomon.“43 Am 19. Mai gelang es Joseph Salomon in Stade, sein Haus in der Fluthstraße 70/71 in Bremervörde an den pensionierten Lehrer Karl Kruse und die Ehefrau des mit Salomon bekannten Bankiers Johann Stehr, Maria Stehr, zum festgelegten Preis von 15 000 RM zu verkaufen. Ihm wurden davon allerdings nur 5000 RM durch Überweisung auf sein Konto bei der Kreissparkasse Bremervörde zur Verfügung gestellt. In dem von dem Notar Dr. Friedrich Jürgens abgeschlossenen Kaufvertrag heißt es dazu: „Dem Verkäufer soll dadurch die Möglichkeit gegeben werden, von diesem Konto gemäß Genehmigung der Devisenstelle vom 9. Mai 1939 (…) diesen Betrag auf ein neu zu errichtendes Auswanderungssonderkonto zu übertragen, damit er rechtzeitig zu dem von ihm beabsichtigten Zeitpunkt auswandern kann.“44 Am 27. Mai, wenige Tage vor der Ausreise von Joseph und Emma Salomon, stellte der Vorsitzende des Schöffengerichts in Stade, von Hörsten, das Verfahren gegen Salomon mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft ein.45 „Salomon hat nachgewiesen, daß er auf dem Dampfer „Washington“ die Kabine D-110, Touristenklasse, belegt hat und die Ausreise am 31. Mai 1939 erfolgen wird“, hatte der Bürgermeister von Bremervörde der Staatsanwaltschaft am 10. Mai mitgeteilt.46 Tatsächlich verließen Joseph und Emma Salomon am 31. Mai 1939 Bremervörde und bestiegen den Passagierdampfer der „United States Lines“, der noch bis zum Kriegsbeginn im September 1939 auf der Linie Hamburg – Southampton – New York verkehrte.47 Am 19. Oktober 1940 wurde ein Beschluss des Amtsgerichts Bremervörde vom 7. Oktober veröffentlicht: „Die Wirtschaftsführung durch einen Treuhänder über den Betrieb des dem Landwirt Josef Julius Salomon gehörigen Grundbesitzes ist aufgehoben.“48 Am 13. November 1941 schließlich verkaufte die Hannoversche Siedlungsgesellschaft in einer Verhandlung, die in Gnarrenburg unter Vermittlung des Kulturamts Wesermünde stattfand, das Grundstück, das Joseph Salomon gehört hatte, an den Landwirt Heinrich Bohlmann, „jetzt in Rhadereistedt, Hs. Nr. 19, demnächst in Engeo, Hs. Nr. 20.“49 106

Dr. Klaus Volland Am 3. Februar 1946 starb Joseph Salomon mit nur 68 Jahren im Jewish Hospital in Philadelphia an einer Lungenentzündung und wurde zwei Tage später auf dem Mount Sharon Cemetery in Springfield beerdigt.50 John Henry Salomon bekundete bei seinem Besuch 1980 in Bremervörde, eigentlich sei sein Vater „am gebrochenen Herzen“ gestorben.51 Joseph Salomon, der mutige jüdische Kämpfer für sein Eigentum, seine Ehre und das Überleben seiner Familie, starb fern seiner norddeutschen Heimat, deren nationalsozialistische Machthaber ihn verachtet, ausgeraubt und schließlich vertrieben hatten. Spuren: Aufnahmen (Klaus Volland) vom 31. August 2015:

Grabstein der Eltern Heinrich und Rebecka Salomon auf dem Jüdischen Friedhof an der Höhne. Rechts: Grabstein des jüngeren Bruders Siegfried, ebenda. 107

„Es ist nicht ohne meine Arbeit, ...

Das Wohnhaus der Familie Salomon in Bremervörde, ehemals Fluthstraße 70/71. Anmerkungen: 1 Dr. Elfriede Bachmann: Zur Ge schichte der Juden in der Stadt Bremervörde insbesondere im 20. Jahrhundert, in: Rotenburger Schrif ten, H. 74/75 (1991), S. 129-200; darin zur Geschichte der Familie Salomon S. 173-178. Eine Über blicksinformation bietet der von ei nem Projektkurs unter der Leitung von Petra Fischer 2005 erstellte Flyer „Juden in Bremervörde“ (www. gymbrv.de/index.php/informati onen/unterrichtsfaecher/ev-religion/ 1 8 - j u d e n - i n - b r e m e r v o e r d e ) . Eisenring an der ehemaligen Speziell zur Verfolgungsgeschich- Viehscheune am Haus in der te vgl. den 2011 gehaltenen Fluthstraße 70/71. 108

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Vortrag des Verfassers „Vertrieben, deportiert, ermordet. Schicksalswege der Zevener und Bremervörder Juden in der NS-Zeit“ (www.gedenkstaettenverein-sandbostel.de/text_pdf/Vortrag Volland Juden.pdf). Beatrix Herlemann: „Der Bauer klebt am Hergebrachten“. Bäuerliche Verhaltensweisen unterm Nationalsozialismus auf dem Gebiet des heutigen Landes Niedersachsen, Hannover 1993, S. 202ff.; Hermann Langbein: ...nicht wie die Schafe zur Schlachtbank. Widerstand in den nationalsozialistischen Konzentrationslagern, Frankfurt am Main 1980. Siehe https://groups.google.com/d/forum/rettetdasalt. Stadt Bremervörde, Melderegister 1906-1913, Nr. 269 und 270. Georg Dauber: Die Erinnerungen eines Bremervörder Bürgers, Bremervörde 1986, S. 26. Die Bremervörder Zeitung machte sich am 17. Februar 1938 in einem Bericht über eine Amtsgerichtsverhandlung über Salomons Vornamen lustig: „Eine humorvolle Note bekam die Verhandlung bei der Feststellung der Personalien des Juden Salomon. Nach seinem Vornamen gefragt, musste er nämlich erklären, dass er gar nicht Julius, sondern Josef heiße, dass man ihn aus unbekannten Gründen ‚Julius‘ nenne.“ Julius war der Rufname von Joseph Salomon. Zwei andere Bremervörder Juden, Julius Adler und Julius Leeser, trugen diesen Vornamen. Julius war bei den Juden der Geburtsjahrgänge 1871 bis 1939 in Hamburg der am zweithäufigsten gegebene Vorname. Vgl. Thomas Brechenmacher: Zur Vornamensgebung der Juden zwischen Emanzipation und Vernichtung, in: Jürgen Eichhoff, Wilfried Seibicke und Michael Wolffsohn (Hgg.): Name und Gesellschaft. Soziale und historische Aspekte der Namengebung und Namenentwicklung, Mannheim u. a. 2001, S. 42. Kreisarchiv Rotenburg-Bremervörde (KA), Stadt Bremervörde, Nr. 3545; vgl. auch Bachmann 1991, S. 173. Bauanträge des Viehhändlers und Schlachters Julius Salomon (1913 bis 1934). KA, Stadt Bremervörde, Nr. 3963. Kopie der Trauungsurkunde. Niedersächsisches Landesarchiv – Standort Stade (NLA Stade), Rep. 171 Stade Rückerstattung, Nr. 4. Neustadt an der Haardt ist das spätere Neustadt an der Weinstraße. Ernst Steckelmacher wurde am 6. März 1943 von Drancy in das Vernichtungslager Majdanek transportiert. Bachmann 1991, S. 178. Angaben zur Person Joseph Salomons bei der polizeilichen Vorladung am 26. 4. 1938. NLA Stade, Rep. 171a Stade, Staatsanwaltschaft Stade, Nr. 873. 109

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Vgl. Bachmann 1991, S. 174ff. Ablichtung des Briefs von John H. Salomon, Philadelphia, vom 19. 3. 2005 an Dr. Elfriede Bachmann, Bremervörde. Im Original „What a shame!!” Protokoll der außerordentlichen Mitgliederversammlung der Synagogengemeinde in Bremervörde vom 9. 3. 1919. KA, Landratsamt Bremervörde, Jüdische Staatsangehörige, Nr. 304-1; Bachmann 1991, S. 141. Joseph Salomon, Schreiben an das Amtsgericht Bremervörde vom 18. Juni 1938. NLA Stade, Rep. 72/172 Bremervörde, Nr. 4381, Zwangsbewirtschaftung des Hofes des jüdischen Viehhändlers Josef Julius Salomon zu Engeo durch den zum Treuhänder bestellten Landwirt Wilhelm Seevogel. Heinrich Essen: Engeo im 20. Jahrhundert, in: Club Tingo Interessengemeinschaft (Hrsg.): Vereinsfestschrift mit Chronik 25 Jahre Club Tingo 1950 - 1975, Bremervörde 1975, S. 30 – 36, hier S. 30. Wilfried Bischof berichtet in seinem Buch „Damals an der Fluthstraße und umzu – Erinnerungen an eine Kindheit in Bremervörde 1944 – 1954“ (Selbstverlag Minden 2013, S. 29) über das gutnachbarschaftliche Verhältnis seines Großvaters Johann Buck zu Joseph Salomon. Buck bewirtschaftete in Engeo den sich östlich der heutigen Dürerstraße anschließenden Streifen Land. Inventarliste des Betriebes Joseph Salomon, Engeo b. Bremervörde, vom 22. September 1938, erstellt durch den Treuhänder Wilhelm Seevogel. NLA Stade, Rep. 72/172 Bremervörde, Nr. 4381. Schreiben Salomon an Amtsgericht Bremervörde vom 18. 6. 1938. NLA Stade, Rep. 72/172 Bremervörde, Nr. 4381. Vgl. Bachmann 1991, S. 175. Bremervörder Zeitung vom 17. 2. 1938; vgl. oben Anm. 6. Vgl. Daniela Münkel: Nationalsozialistische Agrarpolitik und Bauernalltag, Frankfurt am Main/New York 1996, S. 120ff. Antrag Reichsnährstand Hannover-Braunschweig vom 12. 5. 1938 an das Amtsgericht Bremervörde. NLA Stade, Rep. 72/172 Bremervörde, Nr. 4381. „Ein Beispiel für viele. Der Jude Joseph Salomon verhaftet“, Artikel in der Bremervörder Zeitung vom 30. 4. 1938. Haftmerkzettel, Haftbefehl, Haftbeschwerde und Gerichtsbeschluss zur Haftentlassung Joseph Salomons (25. 4. bis 6. 5. 1938). NLA Stade, Rep. 171a Stade, Nr. 873. Wie Anm. 22. NLA Stade, Rep. 72/172 Bremervörde, Nr. 4381. Vgl. hierzu Bachmann 1991, S. 177. Beschluss des Anerbengerichts beim Amtsgericht Bremervörde vom 30. 6.

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1938 mit Anlagen. NLA Stade, Rep. 72/172 Bremervörde, Nr. 4381. Wilhelm Ernst Seevogel, geboren 1898, stammte aus Ahnsbeck bei Celle (siehe www.genealogy.net). Schreiben Joseph Salomons an das Amtsgericht Bremervörde vom 18. 6. 1938. NLA Stade, Rep. 72/172 Bremervörde, Nr. 4381. Abschrift des Kaufvertrags Salomon/Rotermund und Schreiben von Rechtsanwalt Nitschke, Bremervörde, an das Amtsgericht Bremervörde vom 4. 7. 1938. NLA Stade, Rep. 72/172 Bremervörde, Nr. 4381. Schreiben von Wilhelm Seevogel, Landwirt, Treuhänder für Salomon in Engeo, vom 12. 7. 1938 an das Amtsgericht Bremervörde. NLA Stade, Rep. 72/172 Bremervörde, Nr. 4381. Prozessvollmacht von Joseph Salomon und Schriftverkehr Rechtsanwalt Dr. Jürgens, Stade, mit dem Landgericht Stade, 6. 7. bis 24. 8. 1938. NLA Stade, Rep. 72/172 Bremervörde, Nr. 4381. Mitteilung von Rechtsanwalt Dr. Jonas an das Schöffengericht Stade bez. Prozessvollmacht zur Vertretung von Joseph Salomon vom 27. 10. 1938. NLA Stade, Rep. 171a Stade, Nr. 873. Joseph Salomon unternahm mehrere Anläufe, einen (jüdischen) Verteidiger zu beauftragen. Da dies immer wieder scheiterte, verteidigte er sich weitgehend selbst. Bremervörder Zeitung vom 11. 11. 1938. Mitteilung der Gestapo Wesermünde an die Oberstaatsanwaltschaft Stade vom 30. 11. 38. NLA Stade, Rep 171a Stade, Nr. 873. Schreiben Salomon an Schöffengericht Stade vom 3. 1. 1939. NLA Stade, Rep. 171a Stade, Nr. 873. Verfügung des Gerichtsassessors beim Schöffengericht Stade und Mitteilung an den Oberstaatsanwalt vom 5. 1. 1939. NLA Stade, Rep. 171a Stade, Nr. 873. KA, Stadt BRV, Nr. 3340, Akten des Magistrats Bremervörde, Festnahmen wegen politischer Vergehen staatsfeindlich eingestellter Personen. Vgl. Konrad Kwiet: Nach dem Pogrom. Stufen der Ausgrenzung, in: Wolfgang Benz (Hrsg.): Die Juden in Deutschland 1933 - 1945. Leben unter nationalsozialistischer Herrschaft, München 1988, S. 545–659. Schreiben der Hannoverschen Siedlungsgesellschaft an das Amtsgericht Bremervörde vom 14. 3. 1939. NLA Stade, Rep. 72/172, Nr. 4381. In ihrem Rückerstattungsantrag vom 9. 2. 1948 vermerkte die Witwe Emma Salomon zu dem Verkauf des Grundstücks in Engeo: „Aus Angst um unser Leben schlossen wir diesen Verkauf ab, und von den 18 000 Mark erhielten wir nicht eine einzige Mark.“ NLA Stade, Rep. 171 Stade, Nr. 324. Abschrift Kaufvertrag Salomon mit der Stadt Bremervörde (Bürgermeister Lührs) vom 10. 3. 1939 vor dem Notar Nitschke. KA, Stadt Bre111

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mervörde, Nr. 5452, Grundvermögen: Wiedergutmachungsanträge der Juden Emma Salomon, geb. Dessauer, Pennsylvania/USA und des Metzgers Julius Leeser, New York. Schreiben von Joseph Salomon an das Schöffengericht in Stade vom 20. 3. 1938. NLA Stade. Rep. 171a Stade, Nr. 873. Auffällig ist die Schreibweise „Yulius“, vielleicht ein Beleg für den Widerstandsgeist Salomons. Den zusätzlichen Vornamen „Israel“ musste er wie alle im Reich verbliebenen männlichen Juden vom 1. 1. 1939 an führen. Brief von John Henry Salomon an Charlotte Burczynski vom 19. 2. 1998. Nachlass Charlotte Burczynski. Schreiben der Gestapo Wesermünde an den Oberstaatsanwalt in Stade vom 13. 5. 39. NLA Stade, Rep. 171a Stade, Nr. 873. Abschrift des Kaufvertrags zwischen dem früheren Viehhändler Julius Joseph Israel Salomon und den Käufern Kruse/Stehr vom 19. 5. 1939. NLA Stade, Rep. 171 Stade Rückerstattung, Nr. 324. Vermerk von Hörsten, Schöffengericht Stade, vom 27. 5. 39. NLA Stade, Rep. 171a Stade, Nr. 873. Bescheinigung des Bürgermeisters als Ortspolizeibehörde, Bremervörde, vom 10. 5. 1939. NLA Stade, Rep. 171a Stade, Nr. 873. Die drei Kinder von Joseph und Emma Salomon hatten Bremervörde schon zuvor verlassen: der erstgeborene Sohn Walter bereits 1937, Hans-Heinrich im Januar 1939 und zuletzt die 1921 geborene Tochter Gertrud („Trude“) am 10. Mai 1939. Vgl. Bachmann 1991, S. 176. Mitteilung des Bürgermeisters als Ortspolizeibehörde, Bremervörde, vom 31. 5. 1939 an den Oberstaatsanwalt in Stade. NLA Stade, Rep. 171a Stade, Nr. 873. – Über den Passagierdampfer „Washington“ vgl. wikipedia.org/wiki/Washington_(Schiff,_1933). Öffentlicher Anzeiger zum Amtsblatt der Regierung zu Stade, Stück 42 vom 19. 10. 1940. Die Amtsführung des Treuhänders, der während des Krieges nach Wongrowitz/Eichenbrück im damaligen „Reichsgau Wartheland“ verzog, wurde nicht nur vom Reichsnährstand, der seine Einsetzung beantragt hatte, bemängelt. NLA Stade, Rep. 72/172 Bremervörde, Nr. 4381. Vgl. hierzu auch Bachmann 1991, S. 176. Abschrift Lfd. Nr. 213 des Urkundenverzeichnisses 1941, S. 1559 Engeo. NLA Stade, Rep. 171 Stade Rückerstattung, Nr. 324. Abschrift der Sterbeurkunde von Joseph Salomon. NLA Stade, Rep. 171 Stade Rückerstattung, Nr. 323. Rainer Brandt: Zwei alte Häuser in der Fluthstraße. In: Bremervörder Zeitung vom 23. 3. 2008.