Dr. habil. Clemens Alexander Wimmer

Dr. habil. Clemens Alexander Wimmer Gartengeschichte . Gartenkunst Dr. C. A. Wimmer . Potsdamer Str. 187 . 14469 Potsdam . Tel. (0331) 50 24 71 . e-M...
Author: Bertold Schulze
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Dr. habil. Clemens Alexander Wimmer Gartengeschichte . Gartenkunst

Dr. C. A. Wimmer . Potsdamer Str. 187 . 14469 Potsdam . Tel. (0331) 50 24 71 . e-Mail

Die Gartenanlage Mathildenhof in Nierstein Gartendenkmalpflegerische Vertiefungsstudie Stand 13. Dezember 2007

Auszug II: Zum Gartenarchitekten Heinrich Siesmayer (1817-1900) war ein international bekannter Landschaftsgärtner, der zusammen mit seinem Bruder Nikolaus (1815-1898) 1842 die Fa. Gebrüder Siesmayer in Bockenheim gegründet hatte. Nach Heinrichs Entwürfen schufen sie zahlreiche Anlagen. Die Zuschreibung des Gartens stützt sich hauptsächlich auf eine undatierte Referenzliste der Gebr. Siesmayer, in der „Lauteren, Commerzienrath in Nierstein“ als Auftraggeber genannt wird. Junker -Mielke erwähnt diese Liste ohne nähere Angaben über Art und Standort des Dokuments. Von Vogt erfuhren wir, dass es sich um einen 16seitigen Werbeprospekt handelt, der in der Landesbibliothek Wiesbaden unter der Signatur 4 Wf 8577 aufbewahrt wird und von späterer Hand auf um 1895 datiert wurde. Es konnte eine Kopie beschafft werden. Diese Datierung des Heftes auf um 1895 erscheint zunächst zu spät, da sich Gebr. Siesmayer als Hoflieferanten des Königs von Preußen (seit 1871 Kaiser) und des Prinzen Carl von Preußen (gestorben 1883) bezeichnen. Dieselbe Bezeichnung findet sich aber auch auf dem noch zu behandelnden Katalog von 1885. Stichproben zur Datierung der aufgeführten Anlagen ergaben, dass hierunter zahlreiche Anlagen aus den 70er und 80er Jahren sind, zum Beispiel die erst 1888 begonnene Villa Rothschild auf dem Raufenberg in Königstein/Taunus. Als Auftraggeber genannt werden übrigens auch „Freiherr Heyl zu Herrnsheim, Geh. Commerzienrath in Worms“ und „Rittmeister Freiherr Heyl zu Herrnsheim in Worms.“ Es handelt sich um Cornelius Wilhelm Heyl, der Herrnsheim 1883 erwarb, 1886 geadelt wurde und der seit 1909 Eigentümer des Lauterenschen Gutes war, sowie um dessen Sohn. So mag die Datierung der Referenzliste auf 1890-1900 (Todesjahr Siesmayers) zutreffend sein. Die Liste umfasst 2 Seiten und ist gefolgt von 8 Blatt undatierten und unsignierten Entwürfen: Schlosspark Langenzell bei Heidelberg [1881-1893], Wintergarten Duderstadt in Wiesbaden, Obstgarten Stern in Frankfurt, Schmuckplatz vor dem Kurhaus Wiesbaden, Blumenparterre im Palmengarten, Rosengarten im Kurpark Homburg [1886], Zoologischer Garten Elberfeld [1879-81] und Elisabethenhain in Vilbel [1867]. Ein weiterer Anhaltspunkt für die Beteiligung der Firma Siesmayer sind die teilweise erhaltenen Treillagearbeiten am Haus und im Garten, auf die die Firma spezialisiert war.

C.A.Wimmer: Die Gartenanlage Mathildenhof in Nierstein

Siesmayer, Entwurf zum Garten Stern In der Bibliothek des Historischen Museums Frankfurt befindet sich ein weiterer SiesmayerKatalog von 1885 mit Gartengebäuden, Signatur D 429. Dieser außer mit dem Firmennamen nicht weiter bezeichnete Katalog enthält 71 lithografierte Tafeln mit Gartengebäuden, vornehmlich in Treillagearbeit. Die Tafeln tragen nur Nummern, keine weitere Beschriftung. Sie sind wahrscheinlich überwiegend nicht erst 1885, sondern schon früher entstanden. Hierzu gehört ein Werbetext mit Preisverzeichnis in Mark auf 4 Seiten. Hier sind die 71 Tafeln aufgeführt und mit Titeln und Preisen in Mark versehen. Es wird erwähnt, dass die Firma seit 1840 Spalierarbeiten fertigt und auch Gartenplanungen, Gartenausführung und Gehölze anbietet. Die in Nierstein verwendeten Modelle finden sich nicht direkt in dem Katalog. Tafel 43 besitzt jedoch große Ähnlichkeiten mit dem achteckigen (nicht sechseckigen, wie JunkerMielke schreibt) Pavillon in Nierstein, bei dem das Dach eine „orientalische“ Form hat, die sich bei zahlreichen anderen Gebäuden des Katalogs findet. Die Wände des viereckigen Pavillon in Nierstein sind in gleicher Weise gestaltet wie bei dem achteckigen. Der Vergleich der Niersteiner Treillagegebäude mit dem Katalog erlaubt eine zweifelsfreie Zuschreibung an Siesmayer.1

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Leider fehlen in der vorliegenden Kopie des Katalogs die Blätter 1 (?) und 42. Es wird noch ermittelt, ob möglicherweise hier weitere Vorbilder enthalten sind.

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Katalog aus dem Siesmayer-Katalog Nr. 43 Siesmayers Werk ist bislang unzureichend erforscht. Die Forschung erweist sich als besonders schwierig, weil die Unterlagen über sein Werk verschollen bzw. sehr zerstreut sind. Auch seine Schrift Siesmayer, Heinrich: Aus meinem Leben, 1892 hilft wenig weiter. Es werden zwar zahlreiche Arbeiten beschrieben. Nierstein aber wird nicht erwähnt. Es liegen nur einige zeitgenössische Würdigungen sowie zwei neuere Aufsätze vor: Caspary, Eugen ; Spitzlay, Robert: Franz Heinrich Siesmayer 1817 - 1900 : d. Lebenswege. grossen Kunst- u. Handelsgärtners an d. Wende zwischen feudalprivatwirtschaftl. u. bürgerl.-kommunalwirtschaftl. Zeitalter, in: Nassauische Annalen 94 [1983], S. 222 - 244) Vogt, Barbara: Franz Heinrich Siesmayer (1817 - 1900) : Biographien europäischer Gartenkünstler, in: Stadt und Grün, 48 (1999), Nr. 2, S. 105 – 113 Barbara Vogt plant eine Dissertation über Siesmayer. Von den wohl jährlich erschienenen Baumschulkatalogen der Firma Siesmayer ist zur Zeit nur noch einer im Landeshauptarchiv Potsdam nachweisbar. 3

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Siesmayer, Gebr.: Preis-Verzeichniss 1889/90. 74 S. - BLHA: Pr.Br. Rep. 37 Branitz 195/1 Entwurfszeichnungen von Heinrich Siesmayer sind bisher kaum bekannt. Vogt bildet lediglich einen schlechten Foto überlieferten Entwurf für Bad Nauheim um 1855 ab. Die übrigen abgebildeten Zeichnungen sind nicht von Siesmayer selbst.2 Weiter wurden zwei undatierte Entwürfe für den Kurpark Bad Homburg veröffentlicht. (NahtEsser, Martina: Gartenzauber : Geschichte des Homburger Kurparks anläßlich des 200. Geburtstages von Peter Joseph Lenné. Bad Homburg, 1989, S. 138; Modrow, Bernd: Gartenkunst in Hessen, S. 50) Der eine Entwurf zeigt einen Teil der Brunnenallee mit Umgebung. Er wurde von Nath auf 1876 datiert, muss aber aus der Zeit zwischen 1883 und 1888 stammen und ist dem jungen Philipp Siesmayer zuzuschreiben, der 1881-83 an der Potsdamer Gärtnerlehranstalt gelernt hatte (Peter Joseph Lenné : Volkspark und Arkadien, Berlin 1989, S. 238). Der andere Plan, der einen großen Schmuckplatz im Park betrifft, wurde von Nath ebenfalls auf 1876, von Modrow auf 1862 datiert. Er ist ebenfalls auf 1883-88 zu datieren und Philipp Siesmayer zuzuschreiben. Dessen Potsdamer Lehrer waren Gustav Fintelmann und Hans Jancke, die beide selbst Schüler von Gustav Meyer gewesen waren. (Preußisch Grün, Potsdam 2004) In diesen vier Fällen handelt es sich um große öffentliche Anlagen, die mit dem Niersteiner Hausgarten schwer vergleichbar sind. Eher mit Nierstein vergleichbar ist Siesmayers Garten der Geisenheimer Anstalt von 1872/73, der Villengartencharakter hat und von dem ein Zustandsplan nach einer 1879 erfolgten Veränderung ermittelt werden konnte (Bericht der Lehranstalt für Wein-, Obst- und Gartenbau 1881/83). In der äußersten Ecke des Parks stand 1881 wie in Nierstein ein achteckiger Aussichtspavillon. Vogt machte uns ferner auf einen nicht ausgeführten Siesmayer-Entwurf in Bad Schwalbach für den dortigen Kurpark aufmerksam, den sie auf um 1872 datiert. Er enthält zwei sehr bunte Beetanlagen und wirkt künstlerisch unbeholfen.

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Artikel Siesmayer in: Neue Deutsche Biographie Bd. 24, 2008

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Vogelschau des Geisenheimer Anstaltsgartens Bisher wurde eine stilistische Nähe der Heinrich Siesmayerschen Entwürfe zur LennéMeyerschen Schule angenommen. Da zwar Philipp, aber nicht Heinrich Siesmayer, in Potsdam ausgebildet war, bedarf dies einer näheren Beweisführung. Möglich wäre auch eine Orientierung an der französischen Schule, besonders an Edouard André (1840-1911), an dessen Wegeführung Siesmayers Entwürfe erinnern. 1868 gründeten Frankfurter Bürger eine Aktiengesellschaft zum Bau eines Wintergartens, des Palmengartens, den Siesmayer entwarf und der 1871 eröffnet wurde. Der Palmengarten gilt als Siesmayers Hauptwerk. In den Veröffentlichungen über den Palmengarten kursieren aber nur Pläne aus späterer Zeit. Es gelang uns, zumindest einen Plan Siesmayers für das Parterre von 1872 zu finden, den Hermann Jäger 1873 in der Gartenflora veröffentlichte. Die dort 5

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verwendeten Schmuckformen haben keinerlei Ähnlichkeit mit denen der Lenné-Meyerschen Schule.

Entwurf Siesmayers für das Parterre des Palmengartens

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