Tierisch musikalisch – Bremen und sein Weltkulturerbe

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Michaela Gericke Tierisch musikalisch – Bremen und sein Weltkulturerbe Deutschlandrundfahrt / Deutschlandradio Kultur Red. Claus Bredel / Sonja Scholz ......................................20. Januar 2007

REGIE

Jingle und Kennmusik

TAKE O-TON 1: Konrad Elmshäuser Der Markt war immer die gute Stube und die obere Halle ist schon immer die Festhalle Bremer Bürgerstolzes gewesen und der Roland war schon immer ’ne Identifikationsfigur - wie man sie sich besser für so ne Stadt kaum denken kann. Und das ist dann noch mal getoppt worden durch die Auszeichnung. REGIE

Kennmusik

TAKE O-TON 2: Ratskellermeister der Ratskeller selbst wird ja als köstliches Fundament des Bremer Rathauses bezeichnet und sein Ruf ist durch die Jahrhunderte hindurch gewachsen. der Bremer Ratskeller ist die Institution für den Wein schlechthin. Es ist so bisschen die Kultstätte für den deutschen Wein. REGIE

Kennmusik

TAKE O-TON 3: Henning Scherf wir sind, ohne, dass es das Feuilleton richtig wahrgenommen hat: wir sind zu einer Musikstadt geworden. REGIE ATMO Kindergesang an den O-Ton: wir sind die Bremer Stadtmusikanten .... REGIE Kennmusik

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TAKE O-TON 4: Claudia Dappen die tauchen überall mal auf, die sind ja, ich glaub, so um die Jahrhundertwende wurden sie so langsam zum Bremer Wahrzeichen und dann in den 50er Jahren wurde diese Skulptur neben dem Rathaus aufgestellt und jetzt sind sie das Bremer Wahrzeichen, wo auch öfter schon Touristen gefragt haben: wo stehen die denn eigentlich, die Bremer Stadtmusikanten, und: „huch, die sind ja klein!“ (lacht!)

REGIE

Kennmusik (darüber)

SPRECHER

Tierisch musikalisch – Bremen und sein Weltkulturerbe. Eine Deutschlandrundfahrt mit Michaela Gericke

TAKE ATMO 1: Kinder singen sich ein (unter Autorin legen .....) blabla bla bla ...Tonleitern .... Kanon ....

AUTORIN:

Etwa 60 Kinder haben sich in der Aula der Bremer Obervieland - Schule versammelt, um gemeinsam zu singen. Es hat bereits zur Pause geklingelt, vom Schulhof aus fliegen Bälle gegen die großen Fensterscheiben. Während die 12 und 13 jährigen Schüler und Schülerinnen auf die Einsätze ihres Lehrers Rainer Cibulka schauen, übertönen sie den Lärm von Draußen locker mit ihren Liedern.

TAKE ATMO 2 Kinder singen: wir sind die wohl bekannten Bremer Stadtmusikanten .... musizieren und marschieren .... in die große Stadt hinein ... denn in Bremen soll das Leben lustig sein ia wau wau miau kikeriki ...

AUTORIN

Die echten Bremer Stadtmusikanten stehen an der Nordseite des Alten Bremer Rathauses. Das ist den Kindern der Obervieland – Schule schon vertraut. Nicht nur, weil es einmal im Jahr eine Nacht der Jugend im oberen Saal gibt. Sie wissen, dass Rathaus und Roland seit 2004 zum „Weltkulturerbe“ gehören.

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TAKE O-TON 1 Kinder: das Bremer Rathaus ist über 600 Jahre alt. Werder war da, als sie Meister geworden sind. die obere Rathaushalle - die ist sehr schön, mit vielen Verzierungen - da haben wir ja vorgesungen. In der oberen Rathaushalle sind an der Decke auch mehrere Könige drauf, die in Deutschland gelebt haben. und an der Decke, da hängen auch Schiffe von oben runter. die Schiffe sind da, damit man weiß, dass Bremen eine Hansestadt ist, die über Wasserwege handelt. ... AUTORIN

Und der Roland? Der steinern, zwischen dem Rathaus und dem Petri Dom steht, mit gelocktem Haar, einem Schwert in der Hand, dem Schild vor der Brust, und einem Gürtel, an dessen Schnalle ein Engel – von Rosen umrankt - zu erkennen ist. Dieser Roland steht dort, als verteidige er siegesgewiss die Bremer Bürger gegen den Erzbischof:

TAKE O-TON 2 Kinder: der Roland ist auch ziemlich ziemlich groß.

AUTORIN:

so kann man dessen Höhe von fünfeinhalb Metern durchaus beschreiben. Die Kinder reichen dem Ritter gerade mal bis ans Knie.

TAKE O-TON 3 Kinder: der Kopf ist, glaub ich nicht echt – der echte Kopf ist in einem Museum ausgestellt. Der Roland ist auch das Zeichen für die Bremer Freiheit! Zwischen den Füßen vom Roland ist ein Bild von einem alten Mann, von einem Krüppel. TAKE O-TON 4 Henning Scherf: der Roland ist das Symbol unserer Stadtfreiheit - da sind die Bremer ganz stolz drauf. AUTORIN:

Henning Scherf, 28 Jahre im Bremer Senat, viele Jahre Bremer Bürgermeister. Seit knapp zwei Jahren nicht mehr im Amt, engagiert er sich aber weiterhin in höchstem Maß für die Stadt, in der er vor 69 Jahren geboren wurde. Unweit des Bahnhofs, im Haus, das er und seine Frau Luise mit anderen Menschen teilen – Scherf nennt das

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„Alten - WG“ – , empfängt er gern Gäste, wenn’s sein muss sogar morgens um acht zum Frühstück, bevor er davon eilt, um für den Kirchentag in Bremen zu werben, im Chor zu singen, oder Kindern das Weltkulturerbe zu erklären. Das Alte Rathaus und gern auch das Standbild des „Roland“: TAKE O-TON 5 Henning Scherf: Otto I hat das der Stadt verliehen, um ein Symbol für Stadtfreiheit zu geben, für Marktfreiheit – ich sag dann auch immer: für Redefreiheit und weil zwischen den Füßen ein Krüppel liegt, hab ich denn auch noch eine dritte Funktion da reingedichtet, dass er nämlich auch ein Schutzpatron für die Behinderten, für die Gehandicapten ist. Is’ ne gelungene Plastik, .... frei stehend, seit 600 Jahren – gibt’s ganz wenige! – Napoleon wollte sie klauen; haben die Ratsherren gesagt, die kann man nicht transportieren, die zerbricht, das hat irgendwie geklappt (lacht) die steht also immer noch; sie hat den Krieg überstanden, war im Krieg eingemauert - das erinnere ich noch genau - so ein mit Backstein gebautes Haus war drum herum - ganz spitz oben, damit die Bomben links und rechts zur Seite fielen, das hat geklappt, der hat wirklich gehalten und nun steht er da und ist das Symbol unserer Selbstständigkeit, das Symbol unserer Stadt-Staat-Identität – das sitzt sehr tief emotional. AUTORIN:

Henning Scherf hatte noch fleißig daran mitgewirkt, Rathaus und Roland auf die Liste des Weltkulturerbes setzen zu lassen. Und damit Bremen aufzuwerten. Gutachter führte er über den großen Marktplatz, zeigte ihnen, wie – auch schon ohne den Eintrag in die Liste der Weltkulturerbestätten – behutsam saniert wird. Den Antrag aber formulierte maßgeblich Konrad Elmshäuser: Er ist Direktor des Bremer Staatsarchivs. Der 47 jährige, promovierte Historiker war zuvor im niedersächsischen Staatsarchiv Stade beschäftigt, wo er auch die Überlieferung der Bremer Erzbischöfe entdeckte. So wurde der Archivar mit Bremens Geschichte immer vertrauter. Der erste Antrag war von der UNESCO abgelehnt worden – immerhin: das Komitee aus 21 Staaten hatte diese gemeinsame Entscheidung im ostchinesischen Suzhou

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getroffen – für Konrad Elmshäuser bedeutete das eine besondere Herausforderung.

REGIE MUSIK aus der Weser-Renaissance

1’14

Interpret:

Weser Renaissance Manfred Cordes

Titel:

Ey wie so gar freundtlich lieblich

CD:

Newe Teutsche Lieder

Track:

7

Komponist:

Leonhard Lechner

Text: LC/Best.-Nr.: 8492 DLR-Archiv:

AUTORIN:

5004548

Das 600 Jahre alte Bremer Rathaus, nie zerstört und gerade mit historischen Materialen so saniert, dass niemand es bemerkte. Es ist so einzigartig und so authentisch, dass es zusammen mit dem Roland die Kriterien der Weltkulturerbe-Kommission erfüllen müsste, davon war Konrad Elmshäuser, der Direktor des Staatsarchivs, überzeugt:

TAKE O-TON 7 Konrad Elmshäuser: wir haben dann auf die Welterbeliste geschaut und gesagt: Was fehlt denn da eigentlich. Da ist mir aufgefallen, da sind Dutzende Schlösser, Kirchen, Burgen, Klöster drin, nicht ein Rathaus. Das ist ja ein architektonischer Bautyp. Das ist dann wirklich von universaler Bedeutung – für die Entwicklung der Menschheit ganz epochale Bedeutung. Weil ganz anders als in einem Kloster, in einem Schloss, in einer Burg oder Kathedrale bestimmen dort nicht nur Leute, die qua Geblüt da drin sind, oder qua Weihegrad, sondern Menschen, die schon im Mittelalter als Rat demokratische Abstimmungsverfahren entwickelt haben. AUTORIN

Der Backsteinbau aus abwechselnd rohen roten und schwarz glasierten Steinen nimmt die gesamte Nordseite des Marktplatzes ein und rückt

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den einst bestimmenden Petri-Dom in den Hintergrund. Seit Anfang des 17. Jahrhunderts hat das zweigeschossige Rathaus seine berühmte „Weser - Renaissance“ - Fassade. Der Architekt Lüder von Bentheim ließ spitzbogige Fenster in rechteckige umbauen, dem Arkadengang nahm er ebenfalls die spitzen Bögen und ersetzte sie durch runde. Den kleinen Erker in der Mittelachse – zuvor eher eine Art Laube – verdoppelte er. Über zwei Geschosse reicht er seitdem, bis unters Dach. Die allegorischen Darstellungen von Tugenden und Lastern, den fünf Sinnen und antiken Gottheiten sowie der Jahreszeiten gelten als einmalig für die Architektur der Weserrenaissance: Bau-Schmuck, Reliefs und Plastiken als moralischer Appell an die Regierenden und das Volk. TAKE O-TON 8 Konrad Elmshäuser: Es sind zwar in vielen mittelalterlichen Städten, die als Stadtensemble eingetragen wurden, dann auch Rathäuser drin, aber es ist auf der gesamten Liste bis zur Bremer Eintragung nicht ein Rathaus gewesen. und in keiner andern Gegend der Welt sind die Rathäuser eben so wichtig wie im alten deutschen Reich. Weil sie in den Ländern wie Frankreich, England, früh ’ne Zentralgewalt hatten, nie autonome Entwicklungen hinter sich gebracht haben und nie Regierungszentren von freien Städten war’ n, und in der restlichen Welt es so was sowieso nicht gab. Stadtrepubliken in diesem Sinne.

AUTORIN:

Im Juli 2004 stand endlich fest: Rathaus und Roland gehören zum Weltkulturerbe.

SPRECHER:

„Das Rathaus und der Roland zu Bremen sind ein einzigartiges Zeugnis für bürgerliche Autonomie und Souveränität, wie diese sich im Heiligen Römischen Reich entwickelten“

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AUTORIN:

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heißt es in der Begründung des Gutachtens. Bremen jubelte selbstbewusst über den Prestigegewinn.

TAKE O-TON 9 Konrad Elmshäuser: Im Bereich von Kultur, Kunstdenkmälern, Geschichte, hat es schon was von ’nem Adelsprädikat. ich glaube den Bremern ist das wichtig, die wissen das zu schätzen. Aber ich glaube, den Roland und das Rathaus haben die auch vorher schon geliebt. Hier ist ja nicht irgendwie ’ne Sache auf die Landkarte gesetzt worden, wo man vorher gar nicht wusste, ob das schön ist – der Markt war immer die gute Stube und die obere Halle ist schon immer die Festhalle Bremer Bürgerstolzes gewesen und der Roland war schon immer ’ne Identifikationsfigur - wie man sie sich besser für so ne Stadt kaum denken kann. Und das ist dann noch mal getoppt worden durch die Auszeichnung. Aber ich würde nicht glauben, dass die Bremer nun Rathaus und Roland mehr schätzen - weil sie es schon vorher im richtigen Maß getan haben - also die neigen auch nicht zu Überschwang. (lacht!)

MUSIK

Keith Jarrett

1’45

Interpret:

Keith Jarrett

Titel:

Bremen Lausanne Soloconcerts

CD 1:

Bremen, July 12, 1973 Part II

Track:

2

Komponist:

Keith Jarrett

Text: LC/Best.-Nr.: 02516/ EMI 1035-37 DLR-Archiv:

AUTORIN

1953 wurden „Die Bremer Stadtmusikanten“, also Esel, Hund, Katze und Hahn an der Westseite des Rathauses aufgestellt. Das Wahrzeichen bekam seinen angemessenen Platz:

TAKE ATMO Kinder singen: wir sind die wohlbekannten .... muss mich plagen, sehr viel tragen und darf nienmals müßig sein ... doch in Bremen soll das Leben lustig sein ia wau wau ia wau wau miau, kikeriki -

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TAKE O TON Henning Scherf liest aus „Die Bremer Stadtmusikanten“ (HÖRBUCH) 0’30 Interpret:

Henning Scherf

Titel:

Die Bremer Stadtmusikanten

CD:

Henning Scherf liest „Die Bremer Stadtmusikanten“

Track: Komponist: Text: LC/Best.-Nr.: o.A. id Werk Bremen/ Radio Bremen DLR-Archiv: TAKE O-TON 11 Kind: man sieht ja total die Stellen, wo die Besucher die immer anfassen, z.B. die Beine vom Esel. ich weiß nicht, wer die gemacht hat, aber ich finde die schön.

AUTORIN:

Gerhard Marcks hatte die Skulptur zwei Jahre aus Bronze geschaffen. Manchmal steht der Stadtführer Armin Wahl mit einer Traube von Kindern davor:

TAKE O-TON 12 Armin Wahl: das Märchen kennt jeder noch - geh ich einfach mal von aus - die groben Züge? (ja) / weil wir nie ein Symbol hier in Bremen hatten - es gab das Märchen Anfang des 19. Jahrhunderts von den Brüdern Grimm erstmals publiziert in Göttingen, damals in einem Sammelbuch der deutschen Märchen - aber es gab in Bremen nie eine Statue und es wurde immer darum gerungen: stellen wir mal eine auf und Anfang der 50er Jahre endlich haben wir büschen Geld gesammelt und hier diese Stadtmusikanten aus Bronze hingestellt - und wie man sieht: die

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Vorderbeine des Esels sind eben sehr blank poliert und das liegt daran, dass das ganze heute eine Wunschmaschine ist: .... und damit eure Wünsche jetzt gleich in Erfüllung gehen, solltet Ihr drei kleine Regeln beachten: bitte sehr genau beachten, dass es in Erfüllung geht: ... erste: nie den Esel mit nur einer Hand berühren... dann die Augen schließen und ganz konzentriert etwas wünschen etwa so: .... die dritte wichtige Regel: die Wünsche nie verraten - auf geht’s wünscht euch was!

AUTORIN:

Keineswegs waren alle Bremerinnen und Bremer gleich begeistert von der kleinen Tier-Pyramide, die mit Sockel etwa 2 Meter misst. Als humorlos und "starr“ empfanden Kritiker sie, manche bezeichneten das Werk des Bildhauers Gerhard Marcks gar als "Ohrfeige" für die Stadt. Inzwischen sind die anmutigen Tiergestalten beliebtes Ziel für Besucher:

TAKE O-TON 13 Henning Scherf: viele sind ganz enttäuscht, dass sie so klein sind und so leicht übersehen werden – ich finde sie sehr gelungen, Gerhard Marcks hat da eine wunderschöne Skulptur entwickelt. Finde auch das Format sehr gelungen, es passt, ... zu diesem kleinen Kirchhof - das war ja der frühere Ratskirchhof Unser Lieben Frauen – ... und wenn der Baum grün ausschlägt, dann passt das wirklich wie ein Gemälde von Caspar David Friedrich oder anderen wunderbaren 19. Jahrhundertmalern zusammen. Gerhard Marcks hat sich in Bremen verkuckt.

AUTORIN

Gerhard Marcks, geboren 1889 in Berlin - Lehrer am Bauhaus in Weimar und an der Burg Giebichenstein in Halle, wurde von den Nationalsozialisten verfemt, bekam Arbeits- und Ausstellungsverbot. Seine Arbeiten standen im Zeichen der klassischen Moderne, seine Formen waren nie pathetisch, sondern eher zurückhaltend, minimalistisch, ja verhalten wirken seine Figuren gelegentlich: Menschen und Tiere. Das Atelier des Bildhauers wurde im Zweiten Weltkrieg durch Bomben zerstört, er zog sich nach Mecklenburg zurück. Nach Kriegsende lehrte

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er an der Landeskunstschule in Hamburg, ließ sich in Köln nieder und liebte das Reisen in südliche Länder: Italien, Griechenland, Südafrika, Mexiko. Ein Haus auf einer griechischen Insel wurde im Alter zum Lebensort – ebenso wie sein letztes Domizil in der Eifel, – wo er – 92jährig starb. Trotz der Liebe zu warmen Gefilden aber pflegte Gerhard Marcks den Kontakt zum norddeutschen Bremen. Denn die Stadt schätzte den Künstler und beauftragte ihn mit Plastiken für den Öffentlichen Raum. TAKE O-TON Gerhard Marcks (Archiv Radio Bremen) 0’14 AUTORIN

Gerhard Marcks in einem Inerview 1967, als er die Skulptur der Rufer enthüllte. Der öffentlich rechtliche Sender Radio Bremen hatte sie für sein neues Fernsehstudio bei ihm in Auftrag gegeben. "Der Rufer": eine mönchsähnliche Gestalt, die beide Hände an den Mund legt – man glaubt beinah sein Rufen zu hören. Die Figur im Hof des Senders gilt als Mahnender für Demokratie und Freiheit. „Kein Bildhauer in der Stadt ist so präsent wie Gerhard Marcks“ heißt es. Schon 1971 hat Bremen dem Bildhauer ein Museum gewidmet, das Gerhard-Marcks-Haus. Hier wird sein Nachlass aufbewahrt: 400 Skulpturen, 12.000 Handzeichnungen und über 1000 Blätter Druckgraphik. Das Gerhard-Marcks-Haus – gleich neben der Bremer Kunsthalle – erinnert aber nicht nur an den Bildhauer, es ist inzwischen auch ein Forum für zeitgenössische Bildhauerei. Marcks’ Bremer Stadtmusikanten gelten als dessen populärste Plastik in der Stadt und inzwischen schönste Gestaltung der Grimmschen Märchenfiguren.

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TAKE O-TON 15 Claudia Dappen: die tauchen überall mal auf, ich glaub, so um die Jahrhundertwende wurden sie so langsam zum Bremer Wahrzeichen, .... wo auch öfter schon Touristen gefragt haben: wo stehen die denn eigentlich, die Bremer Stadtmusikanten, und huch, die sind ja klein (lacht).

AUTORIN

Claudia Dappen, Mitte 30, eine zierliche Frau mit dunklem Haar, kam als Stadtplanerin vor drei Jahren nach Bremen. Die gebürtige Rheinländerin machte zunächst eine Ausbildung als Buchhändlerin, studierte dann Geographie in Paris. Nach Lebensstationen in Bonn, Hamburg und Berlin landete sie in der Hansestadt an der Weser. Und ist hier inzwischen auch als Buch-Autorin bekannt geworden. Zusammen mit dem Illustrator Peter Fischer hat sie für die Edition Temmen in Bremen einen Stadtführer für Kinder herausgebracht. In dem fehlen die Stadtmusikanten natürlich auch nicht. Ihnen ist ein eigenes Kapitel gewidmet; denn zu finden sind sie gleich zweimal im Bremer Ratskeller, im Schnoor – dem Altstadt-Viertel mit engen Gassen und Winkeln – und in der bekannten Böttcherstraße, einer expressionistisch gebauten schmalen Straße, in die man gleich vom Marktplatz aus abbiegen kann. Als einzelne Protagonisten sind Hund, Katze, Esel und Hahn ein roter Faden im gut 100 Seiten starken „Lese – Erlebnis - Mitmachbuch für Kinder und Eltern“. Sie stellen Fragen, geben Tipps und Hinweise. Inspiriert durch einen Kinderstadtführer für Berlin – nach Themen geordnet – wollte Claudia Dappen etwas ähnliches für Bremen entwickeln. Denn Bremen, sagt die Mutter eines 4jährigen Jungen, ist eine sehr kinderfreundliche Stadt:

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TAKE O-TON 16 Claudia Dappen: Es gibt viele Grünflächen für Kinder, es gibt relativ viele Kinderspielplätze, also insgesamt ist die Lebensqualität recht hoch, weil die Wege sehr kurz sind, man kann auf einem Weg eigentlich alles machen und mit dem Fahrrad erledigen.

AUTORIN:

Beim Verleger Horst Temmen rannte sie mit ihrer Kinderbuch-Idee offene Türen ein. Der wusste gleich, wer als Illustrator in Frage kommen konnte. Peter Fischer. Und der war ebenfalls sofort begeistert:

TAKE O-TON 17 Peter Fischer: ich bin Illustrator schon seit 25 Jahren, ... ich komm so vom Grafik – Design-Studium, in Wuppertal, ... hab anfangs für Zeitschriften gearbeitet, Titelbilder für Stern, Spiegel, damals gab es ja noch das Zeitmagazin, und dann gab es ’ne Zeit, hab ich dann sehr viel für Verpackungen und Werbeagenturen gezeichnet. ich hab ein Katzenbuch gemacht, ich hab ein plattdeutsches Märchenbuch gemacht, ... also ich finde, Bremen hat so ne Proportion, die noch sehr menschlich ist - man merkt das auch beim Zeichnen - wenn ich ein Haus gezeichnet hab, dann konnt ich immer noch ein Menschlein davor zeichnen - wo ich jetzt in Hamburg arbeite, da kann man die lebte immer nur ganz klein zeichnen - ich finde das in allem: Bremen hat irgendwie ’ne menschliche Proportion - in der Entfernung der Dinge zueinander. Und ich wohn hier in der Nähe von Bremen und Bremen ist für mich die Stadt! Ich bin eigentlich so seit 25 Jahren in Bremen auch verliebt, ich bin zum ersten Mal nach Bremen gekommen und dachte: wie schön ist es in Bremen! und das hat sich eigentlich nicht verändert seitdem. AUTORIN

Seine Liebe zu Bremen ist im Buch für Kinder und Eltern wieder zu finden, sehr genau zeichnete er mit feiner Feder für die vielen einzelnen Kapitel: Rathaus, Roland, Stadtmusikanten, Dom, diverse Stadtviertel und bekannte Straßen.

TAKE O-TON 18 Peter Fischer: Ich gehe rum und entwerf’ die Zeichnungen an Ort und Stelle und mach natürlich Fotos und nach den Fotos arbeite ich dann - mach mir Vergrößerungen - entweder zeichne ich das frei Hand ab - oder, wenn es ganz viele Details sind, mach ich das auf dem Leuchtkasten, dann zeichne ich das durch, die vielen Details und koloriere das dann.

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AUTORIN:

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Immerhin wurden innerhalb von wenigen Monaten Tausende Exemplare des Buches verkauft. Es kommt also an. Mit „Bremen erleben und entdecken“ schicken Claudia Dappen und Peter Fischer BremenNeugierige auf eine Art Schnitzeljagd durch Geschichte und Gegenwart der Hansestadt. Unter oder neben Peter Fischers Illustrationen stehen in schwarzer Schrift kurze, erklärende Texte von Claudia Dappen. Die rot abgesetzten Passagen beinhalten Fragen, die Kinder beantworten können, wenn sie mit dem Buch aufmerksam durch die Stadt gehen. Im Kapitel über den Roland beispielsweise möchte die Autorin wissen, was die Worte auf seinem Schild in Hochdeutsch heißen: „Vryheit do ik ju openbar“. Des Rätsels Lösung finden die Kinder, wenn sie es selbst nicht herausfinden, hinten im Buch.

SPRECHER:

Die Freiheit, die ich Euch bringe.

AUTORIN:

Die Beschäftigung mit der Stadt hat auch Claudia Dappen selbst viel Neues erfahren lassen. Und drei Jahre, nachdem sie in die Hansestadt gezogen ist, gerät die Stadtplanerin fast ins Schwärmen, wenn sie über das Bremer Lebensgefühl spricht.

TAKE O-TON 19 Claudia Dappen: Die Weser fließt mitten durch die Stadt und an der Weser liegt ein wunderschöner Grünraum, wo man herrlich Fahrradfahren kann, wo es ein Schwimmbad gibt, einen Badesee, Naherholungsflächen. auch der Bürgerpark beginnt fast hinter dem Bahnhof, also auch in der Innenstadt und das find ich so toll an Bremen: diese Verknüpfung von Stadt und Landschaft. AUTORIN:

Und sowohl die Stadtplanerin als auch der Illustrator fanden während ihrer Arbeit am Buch „Bremen entdecken und erleben“ Orte, die sie bis

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dahin selbst noch nicht gesehen hatten. Den Bremer Ratskeller kannten sie natürlich schon vorher: jenen riesigen Raum unterhalb des alten Rathauses, mit seinen hohen weißen Gewölben und den alten großen Weinfässern neben den langen schmalen, rustikalen Tischen. REGIE ATMO WEINSTUBE ..... AUTORIN:

Im Wilhelm Hauff-Saal, dort, wo der Dichter seine Weinnovelle geschrieben hat, standen sie vor den Fresken des Max Slevogt, der Anfang des 20. Jahrhunderts – wie kann es anders sein? – auch die Bremer Stadtmusikanten als Gemälde verewigt hat – als zechende Gesellschaft bei Tisch. Und Claudia Dappen schwärmt von den Flüstersäulen.

TAKE O TON 20 Claudia Dappen: Bei den diagonal gegenüberstehenden Säulen ist es so, wenn einer Richtung Säule spricht, und der andere hält sein Ohr in Richtung diagonal gegenüber stehenden Säule, dann versteht der jedes Wort, obwohl dazwischen 5 oder 6 Meter liegen - da findet so ne Schallübertragung statt - dieser Ratskeller ist einfach faszinierend auch durch seine Architektur: diese Höhe des Gewölbes, die fand ich so beeindruckend, dass unter dem Rathaus so ein hoher Raum sich befindet. Ist schon sehr schön. Trenner TAKE O TON 21 Fischer: Das war für mich das Spannendste da unten - diese Vorstellung: hier hat der Wilhelm Hauff gesessen und sein Weinchen getrunken und .... ich hab das fotografiert und gezeichnet da unten; mich hat sehr beeindruckt diese Kellergewölbe und dieser alte Rosekeller - da steht ein Fass von 16hundert so und so viel, das ist immer noch gefüllt mit Wein ..... was mich so beeindruckt hat, war dieser unwahrscheinlich schöne Geruch da unten .... nach Wein - es muss der Wein sein, der diesen Geruch verbreitet in Verbindung mit dem Gewölbe .....

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REGIE MUSIK Interpret:

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1’38 Weser Renaissance Manfred Cordes

Titel:

Ohn ehr und gunst jetzt lebt der glert

CD:

Newe Teutsche Lieder

Track:

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Komponist: Text: LC/Best.-Nr.: 8492 DLR-Archiv:

AUTORIN:

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Wilhelm Hauff schrieb seine Phantasien im Bremer Ratskeller 1827 im hinteren Raum des langen Gewölbekellers, der seit 2004 mit zum Weltkulturerbe gehört.

SPRECHER

(aus Wilhelm Hauffs Phantasien im Bremer Rathskeller) Es schlug zehn Uhr, als ich die breiten Stufen des Rathskellers hinab stieg ... Es ging zuerst wieder durch den großen Keller, dann durch kleinere, bis der Weg in einen schmalen Gang zusammenlief. .... Endliich standen wir vor einer Thüre, die Schlüssel rasselten, sie gähnte ächzend auf, der Schein der Lichter fiel in das Gewölbe, mir gegenüber saß Freund Bacchus auf einem mächtigen Weinfaß. Erquickender Anblick! Sie hatten ihn nicht zart und fein dargestellt, die alten Bremer Künstler, nicht zierlich als einen griechischen Jüngling; sie hatten ihn nicht alt und trunken sich gedacht, mit gräßlichem Bauch, verdrehten Augen und hängender Zunge, wie ihn gemein gewordene Mythe hin und wieder gotteslästerlich abconterfeit. ..... Wie fröhlich und

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munter reitet der Knabe auf dem Fass! Das runde blühende Gesicht, die kleinen muntern Weinäuglein, die so klug und neckend herabsehen, der breite lächelnd Mund, der sich an mancher Kanne schon versuchte; der kurze, kräftige Hals, das ganze Körperchen von behaglichem gutem Leben strotzend! AUTORIN:

Gelegentlich führt der Ratskellermeister selbst Gäste in den einstigen Dichterraum und in das geheimnisvoll anmutende Weinlager mit uralten Fässern und Flaschen.

TAKE O-TON 22 Kroetz: der Ratskeller selbst wird ja als köstliches Fundament des Bremer Rathauses bezeichnet und sein Ruf ist durch die Jahrhunderte hindurch gewachsen - ... und das beton ich gern, dass wir hier ausschließlich deutsche Weine geführt haben und weiterhin auch tun und gelten so bisschen auf Grund der Größe und Bedeutung als 14. deutsches Weinbaugebiet. Der Bremer Ratskeller ist die Institution für den Wein schlechthin. Es ist so bisschen die Kultstätte für den deutschen Wein.

AUTORIN:

Seit 1989 ist Karl-Josef Kroetz, ein diplomierter Weinbau-Ingenieur, Ratskellermeister in Bremen. Ein geselliger Mann, der weiß, was zum guten Leben gehört. Die freundlichen Augen verraten, dass ihm sein Beruf Freude macht. Hier – im 14. Anbaugebiet – sind die Bedingungen grundweg anders als an der unteren, der so genannten „unbekannten Mosel“. Von dort kommt er. Schon seine Eltern brachten ihm bei, dass Wein ein Kulturgut ist, das es zu schützen gilt, und sei es unter Einsatz des eigenen Lebens:

TAKE O-TON 23 Kroetz: Man kraxelt dort praktisch unter alpinen Bedingungen wie die Bergziegen an der Steilwand und versucht dem kargen Boden dieses edle Gold abzuringen - aber letztendlich im Herbst entschädigt dann das berühmte Goldtröpfchen, dieses Glück im Glase, diesen Schweiß des Winzers doch für vieles - von klein auf hab ich mitbekommen auch die

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Sorgen und Nöte um den Winzerstand, das hab ich selbst auch gemacht, bin dort groß geworden und weiß letztendlich um die mühseligen Arbeiten in diesen steilen Hängen und für mich und viele andere auch sind letztendlich die Steillagenwinzer noch die letzten Helden. Heute ist er gewissermaßen Held unter Tage, im Ratskeller, als Mundschenk für 1150 Sorten Wein, die hier lagern. Und immer wieder müssen neue in Kommission kommen.

REGIE ATMO RATSKELLER unter Text AUTORIN:

Die Gaststube mit etwa 800 Plätzen ist an diesem frühen Abend schon gut besetzt, Kroetz führt in die Bacchus-Stube, an deren Ende der Weingott auf einem Fass thront, und den Gästen zuprostet. An den Wänden bacchantische Malereien: mit Weinteufeln und Wein-Göttinnen, Szenen von der Heimkehr nach einem Weinfest. Weiter geht es in die kleinere Zunftstube und eine Schatzkammer, in der früher etliche edle Weine lagerten, dann führt Karl-Josef Kroetz in einen Raum, der beinah sakral anmutet: 12 Fässer sind nach den Aposteln benannt, der Wein darin ist bis zu 350 Jahre alt. Nicht nach feuchtem Keller riecht es hier, sondern nach einer Mischung aus süßem Wein, Weihrauch und Holzfass.

TAKE O-TON 24 Kroetz: Hier lagern die ältesten Fassweine Deutschlands, die liegen nicht in Trier, Würzburg, Freiburg oder in einer anderen Weinmetropole sondern die haben wir hier in Bremen und sind stumme Zeugen für lange Weintradition und n Schuss Weinkompetenz. - mit dem ältesten Fasswein auf’m Sockel erhöht von 1653. und Sie haben hier ne gewisse Ehrwürdigkeit in der Nase, die Sie sonst nirgendwo in Deutschland erfahren dürfen, diese Weine yu verkosten, das wäre zu schade, sie mit dem jungen Gemüse zu vergleichen. ich hab einmal den ältesten Fasswein probiert den 1653er Rüdesheimer Rose-Wein, unter der Rose gelagert, das war anlässlich der vielleicht legendärsten Edel-Süß-Verkostung, die jemals mit deutschen Weinen

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abgehandelt worden ist, das war am 1. Juni 1996 gewesen, es wurde bei dieser Verkostung nichts gesprochen.

AUTORIN:

Für die Kommission testet der Ratskellermeister selbst. Wein für Wein, im Jahr etwa 3000. Natürlich nicht, ohne jeden Schluck wieder auszuspucken, sonst wird’s kriminell, sagt Kroetz. Das dann von ihm ausgewählte – um mit seinen eigenen Worten zu sprechen – „junge Gemüse“ wagt er sogar zu beschreiben:

TAKE O-TON 25 Kroetz: der Weißwein soll schmecken: modern, frisch, fruchtig, von der Säure etwas betont, aber immer mit fruchtiger Säure unterlegt, soll hell und klar sein, geschliffen wie ein Diamant, und klar und hell wie ein Gebirgsquell. Der Rotwein soll von der Farbe her auch dort ne gewisse Animation, was Magisches mit sich bringen, es soll die Farbe dementsprechend kräftig sein, dann von der Aromatik haben wir die dunklen, schwarzen Beeren, die dann dort durch die Nase ziehen und ... das Tannin und Gerbstoff-Management soll so ausbalanciert sein, dass ’ne Woge von Wein über die Zunge streichelt, als würde man auch über eine rote Robe fühlen: weich cremig und anschmiegsam. Dann gibt es die Barrique - Weine, die vom Holzfass geküsst sind, bissel Mokka-Noten, Kaffee-Noten, Tabak-Noten sich verbinden mit den Fruchtkomponenten des Weines. REGIE MUSIK Interpret:

3’37 Deutsche Kammerphilharmonie Bremen

Titel:

Violinkonzert a - moll BWV 1041

CD:

Die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen Daniel Sepec Leitung und Violine

Track:

1

Komponist:

Johann Sebastian Bach

Text: LC/Best.-Nr.: 08987 DLR-Archiv: TAKE O-TON 26 Henning Scherf: wir sind, ohne dass es das Feuilleton richtig wahrgenommen hat: wir sind zu einer Musikstadt geworden.

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AUTORIN:

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Henning Scherf, war nicht nur jahrelang Bremens Bürgermeister sondern ist begeisterter Sänger und inzwischen Präsident des Deutschen Chorverbands, der im Mai 2005 aus dem Deutschen Sängerbund und dem Arbeitersängerbund entstand. Henning Scherf spielt auch Klavier und manchmal Orgel und ist stolz auf das Bremer Musikleben.

TAKE O TON 27 Henning Scherf: wir haben eine ganz große kirchenmusikalische Tradition - die Kaufleute hatten wenig Sinn für Pastoren, aber viel Sinn für Musik und haben immer immer große Kantoren hier gehabt, Brahms hat sein Requiem welturaufgeführt in Bremen. Nicht in Hamburg, nicht in Wien! und Rheintaler war ein großer Kantor am Dom oder später Heinze ist von Leipzig nach Bremen gekommen. Das ist ein Bein der Musik. Dann haben wir eine sehr ehrgeizige Philharmonie. Dann haben wir die Deutsche Kammerphilharmonie hier, die ein phantastisches Orchester ist, ein Weltorchester die gewinnen alle Preise auf allen Wettbewerben der Welt. REGIE:

ATMO PROBE

AUTORIN:

41 Musiker der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen bei der Probe mit dem Gastdirigenten Jason Lai, für ein Konzert in der Glocke, dem Musik-Saal in Bremens Altstadt. Ulrike Rüben, Cellistin im Orchester, erinnert an die Anfänge, als die heutigen Profimusiker noch in verschiedenen Städten studierten und im Bundesstudentenorchester spielten. Das war vor 25 Jahren:

TAKE O-TON 28 Ulrike Rüben: unsere erste Arbeitsphase war in Wieck auf Föhr, ... das war sehr sehr anregend, und dann haben wir nach der Arbeitsphase auf der Nordseeinsel kräftig geübt, .... wir waren nur Streicher, mein ich, hatten ein kleines Abschiedskonzertchen in der Stadthalle - und die Enten haben immer gequakt und gelacht (quakt und lacht)

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Heute gibt es keine Lacher, sondern jede Menge Respekt dem Orchester gegenüber. Applaus und hymnische Kritiken ernten die Musiker; in jüngster Zeit für die Konzerte mit Paavo Järvi, ihrem künstlerischen Leiter seit 2004. Den Namen „Kammerphilharmonie“ haben sie bewusst gewählt, denn die Größe des Ensembles variiert vom kleinen Kammerorchester bis zur großen sinfonischen Besetzung. Seit den Anfängen als Studentenorchester ist das Ensemble stetig gewachsen, wenngleich zwei tragende Säulen aus der Gründungszeit inzwischen bei den Berliner Philharmonikern gelandet sind. Zunächst etablierten sich die jungen Musiker als festes Orchester in Frankfurt, wechselten aber 1992 nach Bremen.

TAKE O-TON 29 Ulrike Rüben: es gab finanzielle Gründe. Ich glaube, Bremen wollte gern seinen Wirtschaftsstandort aufwerten, und da gab es einen Topf für uns: Auf nach Bremen! Deutsche Kammerphilharmonie Bremen – sollte dann auch im Namen sein. Den Namen sollten wir schließlich um die Welt tragen. AUTORIN:

Das haben sie inzwischen getan und damit das Image Bremens als Stätte des Weltkulturerbes längst auch musikalisch bestätigt: Mit Barockstücken auf historischen Instrumenten ebenso wie mit moderner und so genannter Cross – Over - Musik, aber auch mit Heroen der Klassik:

SPRECHER:

ZITAT: An diesen drei Tagen haben wir den wahren Schlüssel zu Beethovens Musik entdeckt.

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hieß es in einer japanischen Zeitung im Mai 2006. Und die New York Times schwärmte schon im August 2005 über das Beethoven-Projekt mit dem in Estland geborenen Paavo Järvi:

SPRECHER:

ZITAT: “The event of the Summer“

REGIE: MUSIK BEETHOVEN 3’50 Die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen Interpret: Titel:

II. Allegretto scherzando

CD:

paavo järvi beethoven

Track:

6

Komponist:

Ludwig van Beethoven

Text: LC/Best.-Nr.: 00316 DLR-Archiv:

AUTORIN:

Noch vor ein paar Jahren bangte die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen gelegentlich um ihre Existenz. Inzwischen haben die Musiker ihren Kollegen Albert Schmitt, zuvor am Kontrabass, zum Geschäftsführer gemacht und tragen die finanzielle Verantwortung für ihr Unternehmen mit, indem sie Sponsoren suchen und finden. Dass sie trotz ihrer Leistungen noch immer weniger verdienen als manche ihrer Kollegen in anderen Orchestern, beunruhigt sie keineswegs. Ulrich König, seit 20 Jahren Oboist im Orchester und Vorstand:

TAKE O-TON 30 Ulrich König: Das hängt immer noch mit dem Gründungsidealismus zusammen: Hauptsache die Musik ist gut und jetzt wächst das langsam und dieser Idealismus trägt eigentlich immer noch und es riecht immer so ein bisschen nach Selbstausbeuterei, was wir hier betreiben, aber auf der

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andern Seite ist es der Stoff, aus dem man glücklich werden kann.

REGIE MUSIK PINK PANTHER 2’30 Interpret: International Youth Symphony Orchestra Bremen Titel:

Pink Panther

CD:

International Youth Symphony Orchestra Bremen

Track:

6

Komponist:

Henry Mancini

Text: LC/Best.-Nr.: o.A. DLR-Archiv: Regie Musik bitte blenden unter Text: AUTORIN:

„Neue Stadtmusikanten gesucht“ - steht auf einem Plakat im Erdgeschoss der Bremer Musikschule. Die hellen freundlichen Farben der Prospekte finden sich im Gebäude der Schule wieder. Im Büro des Musikschulleiters Heiner Buhlmann sitzen drei Jugendliche.

TAKE O-TON 31 Nils: ich hab die Bremer Stadtmusikanten als kleines Kind vorgelesen bekommen, aber weiß nicht, ob wir jetzt so die Musikstadt sind .... wenn, dann sind wir ein großer Teil davon, denk ich mal.

AUTORIN:

Nils ist 18, geht aufs Gymnasium und spielt seit 1 ½ Jahren Geige im Jugend Symphonie Orchester Bremen. Ihm gegenüber sitzen in der Musikschule der gleichaltrige Abiturient Matti Wiemers, und die etwas schüchterne, 15 jährige Sarah. Die beiden spielen Trompete.

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Matti ist inzwischen ein so ernst zu nehmender Trompeter im Orchester, dass er dem Vorstand angehört und mit entscheiden kann, wer als neues Mitglied aufgenommen wird. Und fast klingt es nach ProfiOrchester, wenn er über die Musik-Projekte erzählt: TAKE O-TON 34 Matti: wir fahren einmal im Jahr in den Sommerferien durch Europa, und in den letzten 25 Jahren fährt das JSO einmal weg: Schottland, Skandinavien, Osteuropa, Italien bis zur Türkei, ... dann sind nebenbei noch so kleine Produktionen, die entweder mit den Bremer Philharmonikern zusammen als Jugendkonzert gelten ... im Goethetheater, im größten Theater in Bremen, werden immer Jugendund Kinderkonzerte organisiert. AUTORIN:

Aber der Höhepunkt findet draußen statt: im Sommer – am See in Bremen:

TAKE O-TON 35 Matti: wir spielen einmal im Jahr dieses Konzert am Holler See, das heißt Musik und Licht am Holler See und da steht die Bühne an einem Ende und drum herum sitzen Leute mit Fackeln und da kommen so zwischen 20 000 bis 30 000 Leute; das heißt also: ganz schlecht können wir nicht sein, aber wir üben auch relativ lange darauf hin und ... da arbeiten wir knapp über ’n halbes Jahr drauf hin, um da eine Sinfonie und ein Solokonzert zu spielen: ganz so gut sind wir denn auch wieder nicht. AUTORIN:

Auf den Fotos im Büro von Heiner Buhlmann, dem Leiter der Musikschule und Gründer des Orchesters, sieht man prominente Menschen, die sich ihm und den Jugendlichen zuwenden. Papst Johannes Paul begrüßt Heiner Buhlmann mit Handschlag, auf einem anderen Bild sitzt Henning Scherf mit seiner Frau am Flügel. Auch er also ein Fan der jungen Musiker. Zwei Mal hat das junge Orchester mit den Scherfs zusammen gespielt. Engagiert für die Kultur und besonders für die Jugend: das ist Henning Scherf auch, wenn er zum Vorleser wird, nicht nur für Hörbücher.

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TAKE O-TON aus Bremer Stadtmusikanten ....

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0’30

Interpret:

Henning Scherf

Titel:

Die Bremer Stadtmusikanten

CD:

Henning Scherf liest „Die Bremer Stadtmusikanten“

Track: Komponist: Text: LC/Best.-Nr.: o.A. id Werk Bremen/ Radio Bremen DLR-Archiv:

TAKE O-TON 36 Ulrike Hövelmann: bei der Katze steht Lesen macht neugierig, beim Hahn steht Lesen weckt auf, beim Esel steht: auch Esel lesen und unser normales Logo: Lesen ist tierisch gut. wir haben das auch mit: Lesen ist bremisch. AUTORIN:

Ulrike Hövelmann, groß, kräftiger Händedruck, präsentiert die neuesten Postkartenentwürfe der „Bremer Leselust“. Eine dicke Tasche mit Büchern hat die bildungspolitische Sprecherin der SPD immer dabei. Oft ist sie in der Bremer Weser-Zeitung abgebildet: umgeben von Kindern. Es sind Kinder, die zuhören, während sie vorliest. Vor 5 Jahren gründete sie die Initiative „Bremer Leselust“.

TAKE O-TON 37 Hövelmann: Wir sind hier in Bremen auf einem wunderbaren Weg, die letzten Untersuchungen, die letzten Pisa-Untersuchungen haben gezeigt, dass der Fortschritt bei der Lesekompetenz in Bremen am größten ist in der ganzen Republik, und da sind wir stolz drauf.

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Mit einem Bücherpaket unterm Arm werden Journalisten, Schauspieler und Fußballer zu Lesebotschaftern. 150 gibt es bereits in Bremen. Sie sind ehrenamtlich unterwegs, um in Schulen und Kindergärten vorzulesen. Ein paar Schulklassen der Obervieland Schule in Bremen haben sich nicht nur vorlesen lassen, sie haben auch an einem der besonderen Projekte mitgemacht:

TAKE O-TON 38 Kinder: eine Woche haben wir kein Fernsehen gekuckt und - flimmerfasten gemacht und stattdessen haben wir ein Buch gelesen: „Die Outsider“ und dann haben wir darüber berichtet und so Jetzt diskutieren wir im Unterricht, über die Unterschiede, wie es ist, ob man ’nen Film kuckt oder ein Buch liest. ... Ich les’ lieber Bücher, dann kann man sich das selber vorstellen. AUTORIN:

Auf der letzten Frankfurter Buchmesse hat die Bremer Leselust einen Preis bekommen: als beste und kreativste Vorleseaktion Deutschlands. Und die Kinder, die inbrünstig das Lied der Stadtmusikanten singen können, haben noch eines für die Leselust auf Lager:

REGIE ATMO KINDER singen “Wir sind die vier von Bremen .... Leselust“ REGIE ATMO Kinder singen bis Schluss: REGIE

Kennmusik (darüber)

Sprecher

Tierisch musikalisch - Bremen und sein Weltkulturerbe Eine Deutschlandrundfahrt mit Michaela Gericke