SchulVerwaltung Zeitschrift für Schulentwicklung und Schulmanagement

1 . 2013 1. Jg., SchVw aktuell ISSN 2195-335X Art.-Nr. 69820 301 SchVw aktuell SchulVerwaltung Zeitschrift für Schulentwicklung und Schulmanagement ...
Author: Gregor Bergmann
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1 . 2013 1. Jg., SchVw aktuell ISSN 2195-335X Art.-Nr. 69820 301

SchVw aktuell

SchulVerwaltung Zeitschrift für Schulentwicklung und Schulmanagement

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www.schulverwaltung-aktuell.at

Thema des monats

Bildungsstandards implementieren Erster Bildungsstandards-Test – das war´s dann, oder?

qualität

Die Initiative SQA – Schulqualität Allgemeinbildung

schulentwicklung

Unterstützungssysteme zur Weiterentwicklung schulischer Innovationen an Volksschulen

personal Die Fürsorgepflicht der Schulleitung schulmanagement

Die modulare Oberstufe in Österreich

Gewaltprävention an Schulen

Balser/Hölzer/Schulz

Huber (Hrsg.)

Knapp/Neubauer/Gampe (Hrsg.)

Gewaltfreie Schule

Anti-Mobbing-Strategien für die Schule

Schulische Konflikte bewältigen

Praxisratgeber zur erfolgreichen und nachhaltigen Intervention 2012, 180 Seiten, A4, inkl. CD-ROM mit Arbeitshilfen, kartoniert, € 34,90 ISBN 978-3-556-06381-1

Grundlagen und Praxisorientierungen 2008, 196 Seiten, kartoniert plus CD-ROM, € 34,– ISBN 978-3-556-06384-2

Im Durchschnitt sind in jeder Schulklasse ein bis drei Kinder Opfer von Mobbing. Diese Kinder werden von ihren Mitschülern gequält, ohne dass sie Hilfe erfahren. Wenn Pädagoginnen und Pädagogen das Leiden der Opfer mitbekommen, dann verfügen sie selten über das richtige Instrumentarium, um effektiv dagegen vorzugehen. Hilfen bietet das neue Standardwerk, das über wichtige Erkenntnisse zum Mobbing in Schulklassen informiert und erfolgreich praktizierte Interventionskonzepte gegen Mobbing vorstellt.

Konflikte sind Teil des schulischen Alltags. Damit sie aber nicht das Arbeits- und Beziehungsklima belasten oder gar die Vertrauensbasis zerstören, müssen sie möglichst konstruktiv bewältigt werden. Für ein angemessenes Konfliktmanagement sind Schulleitung sowie Lehrerinnen und Lehrer maßgeblich verantwortlich. Dabei geht es nicht allein darum, aktuell auftretende Konflikte zu lösen, sondern auch präventiv tätig zu werden. Dazu gehört vor allem das Vorbildverhalten der Erwachsenen gegenüber den Kindern und Jugendlichen. Eine gezielte Elternarbeit wirkt hier unterstützend. Schülerinnen und Schüler sollten aber auch angeleitet werden, ihre Konflikte selbst zu regeln. Alle Autoren dieses Buches können beim Thema „Konflikte bewältigen“ auf eigene Erfahrungen und Konzepte zurückgreifen. Sie bieten in übersichtlicher Form theoretische Orientierungen und praktische Hilfen im Buch und auf einer beiliegenden CD an.

Praxisbausteine der Gewaltprävention für eine handlungsorientierte Schulentwicklung 2009, 168 Seiten, kartoniert, € 32,– ISBN 978-3-556-06380-4

Schulen ohne Gewalt ist ein Handbuch zur Gewaltprävention an Schulen. Das Buch soll aufzeigen, wie Schulen aus dem Erfahrungsschatz der erarbeiteten Projekte schöpfen können. Alle Projekte sind in enger Zusammenarbeit mit Schulen entwickelt worden. 20 Jahre Gewaltpräventionserfahrung durch Zusammenarbeit mit Schulen, Regionen und vielen europäischen Ländern hat das Herausgeberteam genutzt, um diese Erfahrungen in einem Handbuch zusammenzufassen. Die Ergebnisse folgen einem systemischen Ansatz und wurden bereits auf der Weltkonferenz zur Gewaltprävention vorgestellt. Alle vorgestellten Programme und Maßnahmen wurden langfristig angelegt. Für die Durchführung des Projektes FAST erhielt die Koordinierungsstelle desn deutsch-amerikanischen Förderpreis der Körber-Stiftung und für das Projekt Trouble-Line/AGGAS 2007 den Deutschen Kriminal-Präventionspreis. Herausgeber: Hartmut Balser, Lehrer und Schulpsychologe a.D.; Walter Hölzer, Leiter der Koordinierungsstelle Gewaltprävention; Carlo Schulz, Lehrer und Schulleiter a.D.

Der Praxisratgeber hilft Schulleitungen, Beratungslehrern, Schulpsychologen, Schulsozialarbeitern und weiteren Interessierten, eine sichere Entscheidung zu treffen, die geeigneten Instrumente zu finden und diese wirksam anzuwenden. Autorin: Dr. Anne A. Huber ist erfahrene Schulpsychologin in Karlsruhe und arbeitet seit mehreren Jahren u.a. in der Beratung und Fortbildung von Schulleitungen und Lehrkräften im Bereich Mobbing und in der Krisenintervention.

Herausgeber: Dr. Rudolf Knapp, Professor für Erziehungswissenschaft an der Kath. Hochschule Köln; Dr. Walter Neubauer, emeritierter Professor für Psychologie an der Universität Bonn; Dr. Harald Gampe, Schulamtsdirektor in Meschede

www.schulverwaltung-aktuell.at

Tel.: 0800 293153 Fax.: 0800 293163 [email protected]

Redaktionsbüro SchulVerwaltung aktuell Sulzengasse 2 A-1230 Wien

editorial

Dr. Anton Dobart Sektionschef im Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur

Liebe Leserinnen und Leser, Wer kennt sie nicht, die vielfältigen Mühen und Herausforderungen des Schulalltags, die Widersprüchlichkeiten und unterschiedlichen Interessenlage, die oftmals auf einander prallen, die rasche Lösungen erfordern, entsprechende Prozesse abzustimmen oder in Gang zu bringen sind. Zentral in diesem Geschehen ist die Schulleiterin/der Schulleiter, der die selbstständigere Schule behutsam führen, den Ausgleich der verschiedenen Interessen zwischen den Schulpartnern finden und die Außenwirkung der Schule insgesamt im Auge haben muss. Eine Arbeit, die die ganze Persönlichkeit erfordert und fordert. Management und Führung sind dabei zentrale Dimension, die in der Praxis konkretisiert und mit denen Entwicklung gestaltet werden. Die Schulleiterin/der Schulleiter bedarf dazu einer breiten Klaviatur an Fähigkeiten, um die Umsetzung dieser hochkomplexen systemischen Prozesse zu initiieren und zu leiten. Dabei soll die Zeitschrift »SchulVerwaltung« Hilfe und Unterstützung sein. Sie ist als Forum gedacht, in dem reflektierte Praxiserfahrungen, relevante wissenschaftliche Informationen und Präsentationen gelunge-

ner Führungspraxis ausgetauscht und so in einer offenen vertrauensvollen Atmosphäre eine »Community of Practice« wächst. Die innovative Führung einer Schule ist eine herausfordernde Arbeit, sie erfordert sowohl stete Arbeit an sich selbst, als auch am professionellen Selbstverständnis. Sie verlangt ein Klima des Vertrauens, in dem die Vielfalt der Fähigkeiten und Profile der Lehrerpersönlichkeiten im Team zum Klingen gebracht werden und in produktiver Kommunikation zwischen den verschiedenen Gruppen und Akteuren ein pädagogischen Klima wächst, das die entsprechende Qualität am Standort sichert und Schülerinnen und Schülern eine fundierte Basis für ihren weiteren Lernund Lebensweg mitgibt. Wenn die Zeitschrift als Ort des Austausches, der Kritik und Anregung angenommen wird, dann hat sie ihr Ziel erreicht und kann zur Weiterentwicklung der Professionalisierung von Führung im Bildungsbereich einen wichtigen Beitrag leisten. Ich wünsche Ihnen mit der Zeitschrift viele wertvolle Informationen, gute Anregungen für Ihre tägliche Arbeit und viel Freude beim Lesen. Ihr Herausgeber

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INHALT

inhalt

Das Lernen in den Mittelpunkt stellen 4 Qualitätsmanagement ist angesagt. Man hat es (zu haben), das gilt nun auch für die Schule. Wie aber soll ein QM-System aussehen, das tatsächlich bei den Schülerinnen und Schülern ankommt? SQA – Schulqualität Allgemeinbildung, die neue Initiative des Bundesministeriums für Unterricht, Kunst und Kultur, hat sich anspruchsvolle Ziele gesetzt.

Was tun mit den Auswertungen des ersten Bildungsstandard-Test? 18 Der erste Bildungsstandard-Test ist ausgewertet, die Ergenbnisse liegen vor. Diese soll jede Schule nutzen um Schulentwickung zu betreiben. Der Beitrag zeigt auf, welche Rolle und Aufgaben dabei die Schulleitung hat.

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Thema des monats

Josef Lucyshyn Bildungsstandards implementieren Erster Bildungsstandards-Test – das war´s dann, oder? 4

Qualität

Edwin Radnitzky Das Lernen in den Mittelpunkt stellen Die Initiative SQA – Schulqualität Allgemeinbildung 6 Dr. Marlies Krainz-Dürr Was tun mit den Auswertungen des ersten Bildungsstandard-Test? Aufgabe der Schulleitung beim Umgang mit den Ergebnissen 8

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Dr. Franz Gramlinger Qualitätsmanagement in berufsbildenden Schulen – Was kann ein nationales Unterstützungssystem leisten? ARQA-VET stellt sich, ihre Arbeit und einige Angebote vor 8 Dr. Karl Blüml Kriterien von Schulqualität und ihre Indikatoren (Teil 1) Eine Handreichung für Schulen als Hilfestellung bei der Selbstevaluierung 12

Schulmanagement Norbert Kraker Führung heißt Veränderungen positiv anzunehmen Führen unter neuen Rahmenbedingungen 16

inhalt

Die modulare Oberstufe in Österreich 6 Im Beitrag werden die Voraussetzungen und Entwicklungsschritte bei der Umsetzung der modularen Oberstufe in Österreich beschrieben. Die gesetzlich verankerte Reform wird sukzessive in die Schulrealität umgesetzt.

Mag. Dr. Christian Dorninger Die modulare Oberstufe in Österreich Ein Projekt mit vielen Erwartungen 18

unterricht & erziehung Univ.-Prof. Dr. Michael Schratz »Lernen ist das Persönlichste auf der Welt …« Plädoyer für eine lernseitige Orientierung in Schule und Unterricht 20 Mag.a Silke Rogl Schulentwicklung durch Begabungs- und Exzellenzförderung Ein Bericht aus der Praxis 22 Rupert Corrazza Leseförderung Lesefähigkeiten sind das A und O der Schullaufbahn eines Kindes 22

»Lernen ist das Persönlichste auf der Welt …« 16 Im täglichen Alltag ist vielerorts – vom Handel bis zur Medizin – von »Personalisierung« die Rede. Dahinter steht die Annahme, dass einzelne Menschen ganz unterschiedliche Dispositionen, Motivlagen, Bedürfnisse etc. haben, die als solche wahrgenommen werden müssen. Die Schule findet es noch schwierig, dem Anspruch personalisierten Lernens gerecht zu werden: Unterricht wird von der Lehrperson her gedacht und geführt, viel zu selten aber »lernseits« aufgesetzt.

Christine Schörg Gesucht: Kulturprofil Gelingensbedingungen für schulische Initiativen und Projekte im Kulturbereich Wie erhalten diese nachhaltige – profilgebende – Bedeutung? 22

Organisation & Verwaltung Mag.a Ulrike Hofmeister Ganztägige Schulen Hinweise und Empfehlungen für einen guten Ganztagsbetrieb 24 Dr. Klaus Satzke / Dr. Kral Schule im Wandel – Neue Aufgaben für die Schulleitungen Orientierungsangebote und Hilfen zu modernen Informations- und Kommunikationstechnologien für Schulleitung 28

Die neue Rolle der Schulaufsicht durch die Novelle des Schulaufsichtsgesetzes 12 Die Novelle zum Bundes-Schulaufsichtsgesetz BGBl. Nr. 28. V. 20.5.2011, besitzt ein beachtliches Veränderungspotential für das gesamte österreichische Schulwesen und führt darüber hinaus zu tiefgreifenden Veränderungen bei der Schulaufsicht.

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personal HR Mag. Hermann Stockinger Burnout im Kollegium Die Führsorgepflicht des Schulleiters

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Recht Dr. Klaus Satzke Die neue Rolle der Schulaufsicht durch die Novelle des Schulaufsichtsgesetzes Die Einführung des Qualitäts­ managements 24

Schulentwicklung Petra Heißenberger Schulleitung wirkt! Unterstützungssysteme zur Weiterentwicklung schulischer Innovationen an Volksschulen 24

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qualität

Das Lernen in den Mittelpunkt stellen Die Initiative SQA – Schulqualität Allgemeinbildung Qualitätsmanagement ist angesagt. Man hat es (zu haben), das gilt nun auch für die Schule. Wie aber soll ein QM-System aussehen, das tatsächlich bei den Schülerinnen und Schülern ankommt? SQA – Schulqualität Allgemeinbildung, die neue Initiative des Bundesministeriums für Unterricht, Kunst und Kultur, hat sich anspruchsvolle Ziele gesetzt.

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Wenn sich eine Gruppe von Personen zusammensetzt, um gemeinsam Aktivitäten zu einem bestimmten Thema zu planen, die Hand und Fuß haben sollen, wird sie nicht umhin können, sich mit ein paar grundlegenden Fragen zu beschäftigen: Wo stehen wir in Bezug auf unser Thema? Wo wollen wir hin, mittel- und langfristig? Welche Schritte setzen wir im kommenden Jahr? Was brauchen wir dafür? Wer macht was, und woran werden wir den Erfolg erkennen? Wenn es diese Personen ernst meinen, werden sie sich einige Notizen machen, damit ihre Überlegungen und Vorhaben im Alltag nicht untergehen. Sie brauchen einen Plan. In SQA heißt er »Entwicklungsplan« und ist eines der beiden zentralen Elemente der Initiative. Der Plan So ein Plan hat auf wenigen Seiten Platz, er blickt zurück und analysiert den IstStand auf der Basis möglichst verlässlicher Daten, er blickt in die Zukunft, formuliert Perspektiven und konkrete Maßnahmen zur Umsetzung im kommenden Schuljahr. Von Beginn an mit im Spiel: die Erfolgsindikatoren und auch die Art und Weise, wie und von wem sie überprüft werden sollen. Man will sich ja nicht in die Tasche lügen. Damit die Schülerinnen und Schüler in den österreichischen Schulen, in diesem Fall den allgemein bildenden, wirksam und nachhaltig lernen können, bedarf es letztlich der AnSchVw aktuell ÖSTERREICH

strengungen vieler Beteiligter, nicht nur der Lehrer/innen und der Schüler/innen selbst. Sie sitzen in Pädagogischen Hochschulen, Universitäten, Landesschulräten, Instituten und Ministerien. Sie alle brauchen einen Plan. Und wohl auch jemanden, der/ die darauf schaut, ob der Plan auch wirksam umgesetzt wird. Das kann zu einem Papierkrieg ausarten, muss es aber nicht. »Bericht« und »Formular« sind Unworte bei SQA. »Entwicklungspläne« genügen, auf allen Ebenen, kurz, prägnant, funktional. Wenn sie gut gemacht sind und auch tatsächlich zu besseren Lernbedingungen für die Schülerinnen und Schüler führen, ist das allemal hinreichend als Beleg für qualitätsvolle Arbeit im Schulwesen – zur Beruhigung und Freude der Steuerzahler/ innen. Ihr gutes Recht, solange wir ein öffentliches Schulwesen haben. Die Vereinbarung Wodurch entsteht also Verbindlichkeit? Hier kommt das zweite Kernelement von SQA ins Spiel: die Bilanz- und Zielvereinbarungsgespräche (BZG) zwischen den Ebenen Schulleitung, Schulaufsicht und Unterrichtsministerium. Sie sind ein, vielleicht das wichtigste Führungsinstrument der Zukunft. In ihnen manifestiert sich die angestrebte neue Führungskultur von SQA: »Dialogische Führung« statt »Inspektion«, »Vereinbarung« statt »Anordnung«, »Information« statt »Erlass«. Führungspersonen spre-

chen miteinander auf Augenhöhe, sie haben Respekt für ihr Gegenüber und Wertschätzung für seine/ihre Expertise. Sie sind bereit, Verantwortung zu übernehmen, für den eigenen Wirkungskreis und damit auch für einen Teil des Ganzen, indem sie anerkennen, dass es übergeordnete Interessen und Rahmensetzungen gibt, deren kreative, ergebnisorientierte Umsetzung ihre Aufgabe ist. Und dass es auch die Aufgabe der nächsthöheren Ebene ist, die Umsetzung nötigenfalls zu überprüfen. Die Richtung Was braucht es noch? Orientierung, Zielvorgaben. Aus der Vogelperspektive betrachtet, ist das die Aufgabe des Unterrichtsministeriums. Und die dort Verantwortlichen kommen ihr auch nach, indem sie für die Jahre 2012–16 eine strategische Rahmenzielvorgabe für das allgemein bildende Schulwesen formuliert haben, nämlich die »Weiterentwicklung des Lernens und Lehrens in Richtung Individualisierung und Kompetenzorientierung«. Diese Vorgabe bildet das Fundament für die meisten aktuellen bildungspolitischen Initiativen des BMUKK, von der Neuen Mittelschule über die teilzentralisierte Reife- und Diplomprüfung bis hin zu den Bildungsstandards und ihrer Überprüfung. Alle diese Initiativen haben einen gemeinsamen Kern, indem sie… JJ Schülerinnen und Schüler ganzheitlich, als eigenständige Persönlichkeiten wahrnehmen, deren Entwicklung als Individuen und Mitglieder der Gesellschaft das zentrale Anliegen von Schule darstellt JJ die Unterschiedlichkeit von Schülerinnen und Schülern in Lerngruppen als Normalfall und Chance zugleich betrachten

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80609557 / thinkstockphotos.de JJ

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die Lerngemeinschaft für die Entwicklung der/des Einzelnen für unverzichtbar halten das Lernen als immerwährende, eigenständige, höchst persönliche Aktivität jedes Menschen sehen, deren Erfolg und Nachhaltigkeit maßgeblich von »Ownership« und gelingenden Beziehungen abhängen möglichst vielfältige Lernangebote für alle Schülerinnen und Schüler fordern, im Sinne der Chancengerechtigkeit möglichst unter einem Dach sich dabei zweckentsprechend und verantwortungsbewusst der Möglichkeiten neuer Informationstechnologien bedienen aus all dem die Notwendigkeit einer Akzentverschiebung im Spektrum der Lehrer/innenrollen und der Lehrer/innenbildung ableiten, indem sie der aktiven, fördernden und fordernden »Lernbegleitung« mehr Gewicht zuweisen als bisher.

All das lässt sich mit einer einzigen Frage auf den Punkt bringen, die für alle handelnden Personen im Schulsystem gilt: »Was tue ich / Was tun wir, um dafür zu sorgen, dass die Schülerinnen und Schüler an unseren Schulen möglichst wirksam und nachhaltig lernen können?« Die Qualität Zum Thema Lernen hat das BMUKK einen Leittext (»Über das Lernen«) formuliert, der den aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand zusammenfasst. »Individualisierung« und »Kompetenzorientierung« spie-

len darin eine zentrale Rolle. – Wer es umfassender haben möchte, wird sich mit den sechs Dimensionen von Schulqualität auseinandersetzen, die SQA als Ganzem zugrunde liegen: 1. Lernerfahrungen und Ergebnisse 2. Lernen und Lehren 3. Lebensraum Klasse und Schule 4. Führung und Schulmanagement 5. Professionalität und Personalentwicklung sowie 6. Schulpartnerschaft und Außenbeziehungen. Mit SQA online steht den allgemein bildenden Schulen erstmals bundesweit ein Instrument auf elektronischer Basis zur Verfügung, mit dem sie sich einen Überblick darüber verschaffen können, wie ihre Schülerinnen und Schüler des 8. Jahrgangs die Qualität ihres Unterrichts und ihrer Schule erleben. Es ist auf jene Qualitätsdimensionen abgestimmt, die Schülerinnen und Schüler auch tatsächlich einschätzen können. Die Teilnahme ist freiwillig. Die Ergebnisrückmeldung erfolgt automatisiert. In übersichtlicher Form werden die Antwortverteilungen und Mittelwerte überblicksweise und pro Item dargestellt; bei ausreichender Beteiligung der Schulen werden auch »faire« Vergleiche möglich sein. Die Ergebnisse stehen (nur) den Schulen zur Verfügung; die Antworten sind auch technisch nicht auf einzelne Schüler/ innen rückführbar. Die Unterstützung Unterrichts- und Schulentwicklung beruht auf anspruchsvollen Konzep-

ten und Prozessen. Das einschlägige Knowhow in österreichischen Schulen ist noch nicht allzu weit entwickelt, weil nur selten Teil der Grundausbildung. Beraterinnen und Berater können da hilfreich sein. Um ihre Anzahl und Expertise zu erhöhen, hat das BMUKK die Initiative EBIS – Entwicklungsberatung in Schulen ins Leben gerufen. Interessierte Berater/ innen können sich auf Basis eines neu erarbeiteten Kompetenzprofils für die Aufnahme in die EBIS-Berater/ innenliste bewerben, abrufbar unter www.sqa.at im Internet. Gleichzeitig werden die Pädagogischen Hochschulen verstärkt Angebote setzen, die eine Weiterqualifizierung bereits tätiger Berater/innen in einzelnen Kompetenzbereichen möglich machen. Wer sich ein Bild davon machen möchte, wie Schule gelingen kann, kann ruhig auch einmal über den Zaun blicken. Reinhard Kahl hat mit »Individualisierung – das Geheimnis guter Schulen« eine DVD aus all seinen Filmen zusammengestellt, die Lust auf mehr macht – ebenfalls zu finden auf der Website von SQA, zusammen mit vielen anderen Materialien. Fazit Qualitätsmanagement ist nichts wirklich Neues. Aber das Zeitalter der Aufklärung ist wohl noch nicht ganz abgeschlossen…

Praxis-Tipp: Information Schauen Sie einfach vorbei auf www.sqa.at!

Edwin Radnitzky, Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur, Leiter der Abteilung für Schul- und Qualitäts­ entwicklung im allgemein bildenden Schulwesen, Wien

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Schulmanagement

Die modulare Oberstufe in Österreich Ein Projekt mit vielen Erwartungen Im Beitrag werden die Voraussetzungen und Entwicklungsschritte bei der Umsetzung der modularen Oberstufe in Österreich beschrieben. Die nun gesetzlich verankerte Reform wird ab 2012/13 sukzessive in die Schulrealität umgesetzt.

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»Genau so wenig wie die Ehrenrunde dem Sportler etwas bringt, gewinnt der Schüler dabei. Es ist wissenschaftlich klar belegt, dass Sitzenbleiben für den einzelnen Schüler keinen Leistungsgewinn bringt, sondern die Probleme nur um ein Jahr verschiebt«, so Andreas Schleicher, OECD – Bildungsexperte und Pisa-Entwickler im Dezember 2008. Bildungswissenschaftler/innen sind sich seit längerer Zeit einig, dass die in deutschsprachigen Ländern praktizierte Variante der »Nichtversetzung« bzw. Schulstufenwiederholung mit demselben Fachinhalten wie im Vorjahr die schlechtest mögliche Variante unter allen denkbaren ist. Im Regierungsprogramm der österreichischen Koalitionsregierung vom Jänner 2009 stand, dass »Schulstufenwiederholungen zu reduzieren seien«. Es war der Beginn einer Reform, die im Endeffekt viel umfangreicher ausfallen sollte, als dieser eine Befund nahelegt. Die zwei Jahre früher an Schulen für Berufstätige eingeführte Modularisierung von Lehrinhalten, die seit 1989 erprobt und 2007 ins Schulgesetz aufgenommen wurde, stand Pate für eine völlig neue Form der Schullaufbahngestaltung. »Kompetenzmodule«, »Semesterprüfung«, »individuelle Lernbegleitung«, »verkürzte Wege für begabte Schüler/innen« und »Transparenz bei der Semesterbeurteilung« wurden zu Schlüsselworten der neuen Reform. Bei allen Betrachtungen von Schulversagen sollte man drei Varianten unterscheiden: SchVw aktuell ÖSTERREICH

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Die echten »Drop-outs«, in den OECD-Statistiken als »Early School Leaver« (ESL) geführt, die nach der Schulpflicht das System verlassen und sich mit Hilfsarbeiten verdingen. Die Schüler/innen, die derzeit Klassen wiederholen müssen und länger im Bildungssystem bleiben. Und schließlich die »Systemwechsler«, die von angestammten in andere Schultypen wechseln und in schlecht geführten Statistiker als »Drop-out« und daher zu Unrecht als »Schulversager« geführt werden.

Der erstgenannte Bereich ist schwer in den Griff zu bekommen, beim zweitgenannten besteht Handlungsbedarf und beim dritten sollte die Schulstatistik nachgeführt werden. Einige Zahlen zur Schullaufbahn in Österreich Studiert man den Nationalen Bildungsbericht 2009 (der neue wird demnächst vorgestellt; Zahlen aus 2006/07), fällt auf, dass die Schulstufenwiederholung in Österreich ein Phänomen der schulischen Oberstufe ist. Von den 337.934 Volkschülern im Jahr 2008 haben 2.279 nach der 2., 3. oder 4. Klasse die Schulstufe wiederholt, das sind 0,67%; diese wenigen Fälle treten gehäuft nach der 3. Klasse auf und können mit einigen Umstrukturierungen in den Griff gebracht werden. An den Hauptschulen sind 1,6% der Jugendlichen nicht aufstiegsbe-

rechtigt, also etwa 3.960 mit Schwerpunkt in der 4. Klasse/8. Schulstufe und an der AHS – Unterstufe sind es 4% (absolut etwa 4.660 Schüler/ innen) – ebenfalls mit Schwerpunkt in der 8. Schulstufe. An den Oberstufenformen sind etwa 10% der Schüler/innen nicht aufstiegsberechtigt, eine hohe Zahl, die sich vor allem um die 9. und 10. Schulstufe gruppiert. Bei den echten Drop-outs, den »Early school leavers«, liegt der EUBenchmark bei weniger als 10% der Jahrgangskohorte der 15-Jährigen. In Österreich wurde diese Maßzahl 2007 mit 10,7% deutlich überstiegen, könnte aber in der Zwischenzeit auf 8,3% herunter geführt werden. Dies aus zwei Gründen: JJ Die »Behaltequote« der Oberstufenformen, die nach der Schulpflicht beginnen, konnte durch Qualitätsmaßnahmen leicht um bis zu 2 Prozentpunkten erhöht werden – d.h., mehr als 72% Schüler/ innen bleiben von der ersten bis zur letzten Klasse länger im System. JJ Viel erfolgreicher war, Anwärtern auf die duale berufliche Bildung, die keine Lehrstelle in Betrieben bekommen, eine überbetriebliche Lehrausbildung anzubieten. Diese Maßnahmen, in Österreich als §30 Berufsausbildungsgesetz – Maßnahmen bezeichnet, haben hauptsächlich zur Senkung der »Early school leavers« bei Mädchen und Burschen gleichermaßen beigetragen! Zurück zu den Lösungsansätzen zur Verringerung der Zahl der Repetenten: Durch die Teilungen von großen Klassen bis 36 Schüler/innen in zwei Gruppen in spezifischen Gegenständen sind die Schulstufenwiederholun-

Schulmanagement

Schulstufe

AHS

BMS

BHS

BAKIP

10

1.231

943

1.781

66

11

1.267

331

1.272

58

12

438

1.328

34

13 Summen

Summe

645 2.936

1.274

5.026

158

9.394

Abb. 1: Repetenten ab der 10. Schulstufe / Zahlen: Mario Steiner, IHS, 2009 AHS – Oberstufe der allgemeinbildenden Schule BMS – berufsbildende mittlere Schulen (Handelsschule, technische und gewerbliche Fachschulen) BHS – berufsbildende höhere Schulen (kaufmännische, technische, gewerbliche u.a. Schulen) BAKIP – Bildungsanstalten für Kindergarten- und Sozialpädagogik

gen in den der 9. Schulstufen leicht rückläufig. Für die 10. und weiteren Schulstufen soll nun ein modulares Kurssystem eingeführt werden. Dabei geht man von folgenden Zahlen aus. Repetenten ab der 10. Schulstufe (ohne Berufsschulen): Volkswirtschaftlich betrachtet, geht es also um etwa .9400 Schüler/innen und einige Drop-outs, die mit modernen pädagogischen Maßnahmen im System gehalten und es dann auch effizient absolvieren sollen. Zauberwort »Individualisierung« Sozialwissenschaftler wie Norbert Elias, Ulrich Beck oder Anthony Giddens haben Bildungsavancen in postmodernen westlichen Gesellschaften analysiert und Trends zur Individualisierung attestiert. Da Stand und Klasse obsolet werden, ergeben sich verstärkte Zwänge zur reflexiven Lebensführung und eine Zunahme des Pluralismus unterschiedlicher Lebensstile. Die Identitäts- und Sinnfindung verläuft über individuelle Leistung, der Weg geht von der »Wir-Ich-Balance« zur »Ich-Identität« (Elias, 1976). Das Bildungssystem muss die »Potentiale der Heterogenität« (Brügelmann, 2001) erkennen und innere Differenzierungen fördern. »Individualisierung bedingt lernorganisatorische Maßnahmen, da Lernen eine persönliche Eigenaktivität ist«, so Hans Brügelmann. Dieses weite Feld der Individualisierung bedeutet eine Vielfalt der Lernorte (nicht

nur in Schulklassen!), Instrumente wie individuelle Lernaufträge (Assignments, Wikis, Portfolios, Blogs), veränderte Lehrerrollen, die Neugestaltung von Lerngemeinschaften (»Copying other work is welcome«, Fehlertoleranz) und eine Möglichkeit, individuell gestaltbare Bildungspfade organisieren zu können. Genau hier setzt die Reform an, modular gestaltete Bildungslaufbahnen vorzusehen. Jürgen Oelkers in einer Expertise für die Bildungsdirektion des Kantons Zürich (Oelkers, 2006): »Generell sind die Schulen im deutschen Sprachraum typische Lektionenschulen: Die Ressourcen werden für den Unterricht eingesetzt; für die Förderung der Schüler/innen stehen entweder zu wenig Mittel zur Verfügung oder an sich ausreichende Mittel werden nicht gezielt eingesetzt […] Nur eine integrative Förderung hat aber Auswirkungen auf das Leistungsverhalten«. Mit einer Neugestaltung der Schullaufbahn mit flexiblen Settings und Sozialformen lässt sich der Anspruch auf individuelle Bildungspfade für Schüler/innen gut umsetzen, durch Modulsysteme mit unterschiedlichsten, den Interessen entsprechenden Angeboten rund um einen Kernbereich, der dem Bildungsziel entspricht, umso besser. Allein die Investition in Fördermodelle, Coachings und Lerntutoren gestaltet die Schulumgebung persönlich ansprechender und pädagogisch/didaktisch gezielter. Genau diese Motive traten 2010 deutlicher in den Vordergrund.

Modellversuche in Österreich Seit 2004/05 erproben AHS – Schulstandorte das Modell einer modularen Oberstufe (»MOST« abgekürzt), eines in Modulen geführten Gegenstandsspektrums, das den Schüler/innen angeboten wird. Die Neugestaltung der Schullaufbahn mit einer Reduktion der Schulstufenwiederholung ist Teil des Modells. Dabei wird von guten Erfolgen bei der Stärkung der Schülermotivation und niedrigen Repetentenquoten berichtet. 2007/08 schlossen sich erste Handelsakademien (höhere kaufmännische Schulen) mit ähnlichen Modellen an, seit 2009/10 auch technisch-gewerbliche Schulen (HTLs). Die Evaluierung der österreichischen AHS-Schulversuche zwischen 2007 und 2010 ergab, dass die Anzahl der Schulstufenwiederholungen durchaus unterschiedlich nach Standorten von etwa 21% bis 12% auf 10% bis 5% zurückgegangen ist. Als eindeutige Erkenntnis aus den Schulversuchen kann festgehalten werden, dass bei mehr als 60% der Schüler/innen eine Schulstufenwiederholung (die ja in den Schulversuchen freiwillig ist), nicht mehr notwendig ist. Genau so wesentlich ist, dass sich die Schüler/innen während des Jahres negative Beurteilungen durch »Kolloquien« im nächsten Semester rasch ausbessern und damit ein Versagen in einem Gegenstand im Semester ungehindert aufholen können. Die dichte Lernatmosphäre durch den Semesterabschluss bewirkt aber offensichtlich auch eine Reduktion der mitgeschleppten negativen Beurteilungen. Die oben angesprochenen Wahlmöglichkeit im Gegenstandsspektrum (Maturafächer könnten nicht abgewählt werden) führten zur besseren Verfolgung der persönlichen Interessen und damit zu einer langsam ansteigenden höheren Zufriedenheit der Schüler/innen an den Standorten. SchVw aktuell ÖSTERREICH

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Schulmanagement

Typische Themen für Wahlmodule sind: Spezielle Formen des Religionsunterrichts, »Troja – Fiktion oder Wirklichkeit«, ein Schulradio, Sozialkapital-Studien, Chaos- und Quantenphänomene, eine Vorbereitung für die Medizin-Aufnahmsprüfung an Österreichs Universitäten bis zu vielen Sprach- und Informatikmodulen.

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Die allgemeine, rechtsverbindliche Umsetzung der modularen Oberstufe Mit der Neugestaltung der Schullaufbahn an den Oberstufenformen ab der 10. Schulstufe (Gesetzesänderungen, 2012) werden eine Reihe wichtiger Maßnahmen gesetzt, die diese Schulformen lernintensiver, individueller und bereits auf die Hochschule vorbereitend, gestalten. 1. Die modulare Oberstufe bereitet durch eine Semestergliederung der Bildungs- und Lehraufgaben und des Lehrstoffes auf die Hochschulen, Universitäten und auch das Beschäftigungssystem vor; der Rhythmus der Leistungserbringung in Semestern ist ab der 10. Schulstufe für Schüler und Studenten an Sekundarstufen und nachfolgenden Bildungsgängen gleich. 2. Die semestrierte Oberstufe führt auch zu einer »Verdichtung der Lernatmosphäre« – sowohl im Winter- als auch im Sommersemester müssen in allen Gegenständen positive Leistungen erbracht werden – ein »Durchhängen« und »Nachlernen ab Ostern«, um das Schuljahr doch noch zu schaffen, ist in Zukunft nicht mehr möglich. Allerdings werden auch Teilleistungen (= einzelne Kompetenzen) in einem Gegenstand im Semester anerkannt, wenn dieser in Summe negativ beurteilt wurde. Es ist dann nur der fehlende Teil der Bildungsaufgabe und des Lehrstoffs nachzulernen, der auf einem Zeugnisbeiblatt ausgewiesen ist. SchVw aktuell ÖSTERREICH

3. Die modulare Oberstufe schafft mit der Abfolge von Fachunterricht, Förderunterricht und Lernbegleitung bei Leistungsschwächen und persönlichen Krisen die Möglichkeit, auf Schüler/innen individuell eingehen zu können. Negativ zurückgelegte Pflichtgegenstände im Semester können durch Semesterprüfungen, die zweimal wiederholt werden können, positiv gestellt werden. 4. Die modulare Oberstufe stärkt die Eigenverantwortung der Schüler/innen – sie sind für ihren Lernfortschritt in der Oberstufe stärker verantwortlich, werden aber bei schwächeren Leistungen durch eine individuelle Lernbegleitung unterstützt – und können damit ein persönlich abgestimmtes Angebot in Anspruch nehmen, das es bisher nicht gab. 5. Schüler/innen haben an den Oberstufenformen deutlich mehr Wahlmöglichkeiten wie bisher – Wahlpflichtgegenstände können als Module verstärkt gewählt werden. Schließlich gibt es noch die Wahl des Prüfers bei der zweiten Wiederholung der Semesterprüfung, eine Möglichkeit, die Leistung bei einem anderen Lehrer zu erbringen, wenn man sich mit den einen persönlich nicht mehr versteht. 6. Die Frühwarnung während des Semesters wird für alle Schulformen ausgebaut – mit einer Vereinbarung klar definierter Fördermaßnahmen – und der Möglichkeit, auf die Lernbetreuung bereits während des laufenden Semesters, in dem Lernschwächen auftreten, zurückgreifen zu können. 7. Die neue Oberstufe enthält ein ausführliches Paket zur Förderung von Schüler/innen mit besonderen Begabungen – und zwar nicht nur das Überspringen von Schulstufen – sondern auch die Möglichkeiten vorgezogener Prüfungen in Einzelfächern bis hin zur vorgezogenen Teilprüfung der Reifeprüfung.

8. Eine »Schulstufe wiederholen« müssen nur Schüler/innen, die entweder mehr als zwei »Nicht Genügend« in den Semesterzeugnissen am Ende des Schuljahres aufweisen – oder einmal im Oberstufenverlauf auch mit drei »Nicht Genügend« von der Klassenkonferenz ein Aufsteigen ermöglicht erhalten. Im Wiederholungsjahr bleiben die bisher erbrachten positiven Leistungen erhalten. Umsetzung Die modulare Oberstufe kann ab dem Schuljahr 2012/13 mit dem beginnenden 9. Schuljahr (Vorbereitungsjahr ohne Semesterierung) in »Schulversuchspaketen« bis 2017/18

Schulmanagement

bringen gute Ergebnisse der pädagogischen Kennwerte. Bald wird sich zeigen, wie viel Spannung das österreichische Oberstufenschulwesen aufbringen kann, um umfangreiche Change-Prozesse abzuwickeln. n

Mag. DI Dr Christian Dorninger, Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur, Stellv. Sektionsleiter, Sektion II, Berufsbildendes Schulwesen; Erwachsenenbildung; Schulsport

Literatur-Tipp: ■■

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jahrgangsweise umgesetzt werden. Die oben beschriebenen Maßnahmen beginnen dann jeweils ein Jahr später zu wirken. Dieser lange Einführungszeitraum schafft genügend Zeit für organisatorische Dispositionen und eine gute »mentale« Vorbereitung. Die Vorbereitungsarbeiten betreffen JJ die Neugestaltung der Lehrpläne durch Einteilung in »Kompetenzmodule«, die die Bildungs- und Lehraufgabe (=«Kompetenzdeskriptoren«) und den Lehrstoff eines Semesters enthalten; JJ die Lehrerausbildung zur »individuellen Lernbegleitung« als neue

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Funktion der Lehrenden an die Schulen in pädagogischer Psychologie, Gesprächsführung etc. und die Neugestaltung von Softwaresystemen, die die Entwicklung der Schullaufbahn, den Aufbau der Lehrpläne, die Semesterprüfungen und die Lernbegleitungen EDVtechnisch begleiten.

Fazit In den nächsten beiden Schuljahren wird sich entscheiden, mit welcher Erwartung und Unterstützung an den Schulstandorten diese Reform umgesetzt werden wird. Die Vorarbeiten haben planmäßig begonnen, die Schulversuche laufen weiter und

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Änderung des Schulorganisationsgesetzes (SchOG), Schulunterrichtsgesetzes (SchUG) und weiterer Schulgesetze (2012): Bundesgesetzblatt BGBl.Nr.9/2012 vom Jänner 2012 Brügelmann, Hans (2001): Heterogenität, Integration, Differenzierung, Befunde der pädagogischen Forschung, Einführungsvortrag zur Jahrestagung der DGfE im Jänner 2001 Uni Halle/Wittenberg Elias, Norbert (1976): Über den Prozess der Zivilisation, Frankfurt am Main: Suhrkamp, Band 158 / 159. Oelkers, Jürgen (2006): Expertise gymnasiale Mittelschulen, Pädagogisches Institut, Universität Zürich für die Bildungsdirektion des Kanton Zürich Steiner, Mario (2009): Early School Leaving in Österreich 2008, Projektbericht Arbeiterkammer Wien, S 25 Weitere Informationen unter www.schulverwaltung-online.at

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Unterricht & Erziehung

»Lernen ist das Persönlichste auf der Welt…« Plädoyer für eine lernseitige Orientierung in Schule und Unterricht Im täglichen Alltag ist vielerorts – vom Handel bis zur Medizin – von »Personalisierung« die Rede. In dieser Entwicklung spiegelt sich eine gesellschaftliche Tendenz wider, die Bedürfnisse der einzelnen Kunden, Patienten etc. zum Ausgangspunkt für professionelles Handeln zu nehmen. Dahinter steht die Annahme, dass einzelne Menschen ganz unterschiedliche Dispositionen, Motivlagen, Bedürfnisse etc. haben, die als solche wahrgenommen werden müssen. Die Schule findet es noch schwierig, dem Anspruch personalisierten Lernens gerecht zu werden, was nicht zuletzt in der Natur des Unterrichtens liegt: Unterricht wird von der Lehrperson her gedacht und geführt, viel zu selten aber »lernseits« aufgesetzt.

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Das Zitat im Titel wird Heinz von Förster zugeschrieben, der damit die Einmaligkeit jedes Menschen aufgrund seiner jeweiligen (Lern-)Biografie betonen wollte. »Bildung heißt sich bilden«, plädiert Hartmut von Hentig, wobei das Reflexive »sich bilden« in seinem Plädoyer impliziert, dass die Lernenden als Subjekte von Bildungsprozessen agieren. Nicht das didaktische Konstrukt eines Individuums in der Unterrichtsplanung, sondern die Bildung der (jungen) Menschen, die es in ihrer Beziehung zur Welt zu stärken gilt, steht im Mittelpunkt. Die Frage nach dem »bildenden Sinn« beantwortet sich dadurch, wie Schule den Menschen in seiner Beziehung zur Welt stärken kann. Dahinter steht die Frage, soll die Person sich an das System anpassen und umgekehrt das System sich an die Person? Diese Kernfrage der Personalisierung von Lernen ist das Herzstück aller Bildungsfragen. Was macht Personalisierung des Lernens aus? Das, was Lernende zu »ihrer« Sache machen, personalisieren sie selbst - ist selbstbestimmt. Es gehört ihnen und SchVw aktuell ÖSTERREICH

gehört zu ihnen. Der Aspekt der Urheberschaft unterscheidet Personalisierung von Individualisierung und Differenzierung, die weitgehend von der Lehrperson gesteuert werden und damit den didaktischen Fingerabdruck der Lehrperson tragen. Bei Personalisierung ist der/die Lernende in den Prozess zwischen Mensch und Sache verstrickt und macht es zu Seinem, es trägt den Fingerabdruck des Lernenden. Personalisiertes Lernen setzt folglich einen entsprechenden Freiraum für den persönlichen Anschluss zu den Lerninhalten und zur Erschließung der Bedeutung von Lernerfahrungen für das eigene Leben voraus. Da Lernen stark personbezogen ist, richtet sich unsere Aufmerksamkeit insbesondere auf das, was »lernseits« des Unterrichts erfolgt. Die Unterscheidung zwischen »lernseits« und »lehrseits« im Unterricht liegt in der Urheberschaft über den Lernprozess. Bestimmt und kontrolliert die Lehrperson Raum und Zeit sowie Inhalte und Methoden des Lernens, steht das Lehren im Vordergrund, d.h. Lernen wird »lehrseits« von Unterricht be-

trachtet. Liegt die Entscheidungsmacht über diese Dimensionen bei den Lernenden, steht das Lernen der Schüler/ innen im Vordergrund, was für mich »lernseits« von Unterricht ansetzt. »Lernseitige« Perspektive Eine Perspektive »lernseits« von Unterricht orientiert sich konsequent an der Einzigartigkeit, d.h. an den Lernerfahrungen der Schülerinnen und Schüler, denen wir in einem aktuellen Forschungsprojekt zu personalen Bildungsprozessen« (Schratz, Schwarz & Westfall-Greiter, 2012) nachgespürt haben. »Lernseits« setzt ein »lehrseits« voraus, denn sie sind wie zwei Seiten einer Medaille. Werden durch das Wörtchen »lernseits« die Scheinwerfer auf der Unterrichtsbühne auf das Lernen gerichtet, bleibt das Lehren im Schatten – und umgekehrt. Lehrerinnen und Lehrer können sich ihrer Lehrerrolle im Unterricht nicht entledigen, soll die Wirksamkeit ihrer Professionalität nicht auf der Strecke bleiben. Während es sich in der lehrseitigen Perspektive um Individuen, Lehrplan und Lernfragen geht, stehen lernseits Persönlichkeiten mit Lebensplänen auf dem Spiel, die Lebensfragen zu beantworten haben (Schratz & Westfall-Greiter 2010). Eine lernseitige Orientierung blendet Lernschwierigkeiten und brüchige Lernerfahrungen nicht zugunsten optimierender Interventionen aus oder sucht sie zu vermeiden, sondern die Aneignung von Kompetenz baut auf einen proaktiven und reflexiven Umgang mit diesen auf und zielt da-

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zess eines meisterlichen Verhaltens. Es geht um die Erfahrung einer persönlichen Könnerschaft, die den meisterlichen Umgang des einzelnen Menschen mit der Sache charakterisiert. Dieser Aneignungsprozess setzt einen ästhetischen Sinn voraus, der dessen Güte ausmacht. Für diese Güte steht die ganze Zunft, die professionelle Gemeinschaft (am Spiel).

Abb. 1: Unterrichten im Modus des Lehrens und Lernens

rauf ab, neue Möglichkeiten pädagogischer Praxis zu eröffnen. Lehren im Modus des Lernens betrachtet meint, taktvoll und responsiv handeln und in Beziehung zur Sache und zueinander sein (vgl. Abb. 1). Die Beantwortung der Fragen im Modus des Lernens lässt erwarten, dass beim Stellen von Aufgaben im Unterricht nicht das didaktische Konstrukt eines Individuums als Adressat im Mittelpunkt steht, sondern die Erschließung von Weltbezügen, in welche die Schülerinnen und Schüler hineinwachsen sollen. Die Seinsweisen, die in der Schule im Sinne von Bildung angestrebt werden, gründen in den fachlichen Dispositionen der Disziplinen. Diszipliniert zu sein bedeutet in der Lage zu sein, bestimmte fachliche Dispositionen einzunehmen, die die Erschließung der Welt ermöglichen. Wirkmächtige Lernerfahrungen Diese fachlichen Dispositionen bauen auf wirkmächtige Erfahrungen, für die Responsivität in der Beziehung zwischen Lehrenden und Lernenden Voraussetzung ist. Die größte Herausforderung liegt möglicherweise darin, ein Grundvertrauen gegenüber der Lernbereitschaft der Schüler/innen und deren Dispositionen aufzubauen,

denn Lehrer/innen, die sich lernseits von Unterricht orientieren, »vertrauen darauf, dass alle Kinder und Jugendlichen fähig und bereit sind zu lernen und planen und gestalten ihren Unterricht auf diese Vielfalt hin ...« (Schratz u.a. 2011, 34). Dies setzt eine Unterrichtstheorie voraus, die Lernen aus pädagogischer Perspektive in den Blick nimmt und wirkmächtige Lernerfahrungen zwischen den Lernenden, der Sache und den Lehrenden ermöglicht. Wirkmächtige Lernerfahrungen lassen sich am ehesten dann erzielen, wenn im Unterricht respektvolle Aufgaben gestellt werden. Wie sieht eine Aufgabe aus, die mehr bewirkt als eine zu erledigende Aktivität mit Übungscharakter am Arbeitsblatt? Im deutschen Wort »Üben« geht der Unterschied verloren, den es im Englischen gibt zwischen »exercise« schulisches Üben und »practice« Einübung in eine (handwerkliche, berufliche) Tätigkeit als Teil eines Professionalisierungsprozesses. Am ehesten entspricht diesem Einüben in die berufliche Tätigkeit »praktizieren«. Im Spruch »Übung macht den Meister«, ist dieser Aspekt enthalten. Gemeint ist: Die Übung macht den Meister, d.h. es geht um den Aneignungspro-

Fazit Am Weg vom Novizen zum Experten ist eine Aufgabe nicht nur ein zu erfüllender Auftrag, sondern eine Aufgabe, an der man in die (berufliche) Tätigkeit hinein wächst, zum Profi in der Sache wird. Carol Ann Tomlinson, eine Forschungspartnerin aus den USA, spricht von respektvollen Aufgaben. Wäre es nicht eine reizvolle Aufgabe, die zahlreichen Aufgaben, die Schülerinnen und Schüler tagtäglich zu erfüllen haben, im Hinblick auf ihren Respektgehalt zu untersuchen? Wir alle, die im Schul«betrieb« auf allen Ebenen des Bildungssystems damit befasst sind, sollten dafür sensibel werden. n

Literatur-Tipp: ■■

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Schratz, M., Paseka, A. & Schrittesser, I. (Hg.) (2011): Pädagogische Professionalität: quer denken – umdenken – neu denken. Wien: Facultas-Verlag. Schratz, M., Schwarz, J. F., Westfall-Greiter, T. (2012). Lernen als bildende Erfahrung. Innsbruck: StudienVerlag. Weitere Informationen unter www.schulverwaltung-online.at Univ.-Prof. Dr. Michael Schratz, Institut für Lehrer­ Innenbildung und Schulforschung, Fakultät für Bildungs­ wissenschaften Leopold-FranzensUniversität, Innsbruck

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Recht

Die Einführung des Qualitätsmanagements Viele Fragen – einige Antworten! Die Novelle zum Bundes-Schulaufsichtsgesetz BGBl. Nr. 28. V. 20.5.2011, besitzt ein beachtliches Veränderungspotential für das gesamte österreichische Schulwesen und führt darüber hinaus zu tiefgreifenden Veränderungen bei der Schulaufsicht.

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In einem einzigen Paragraphen, es ist der § 18 dieses Gesetzes, soll lt. den Erläuterungen zum Gesetz »durch einen Paradigmenwechsel von der Inputsteuerung und der damit verbundenen Anordnungs- und Erlasskultur hin zu einer Output- und Prozesssteuerung mit entsprechender Verantwortungs- und Ergebniskultur« umgestellt und die Effizienz der Schulen gesteigert werden. Bei einer ersten Durchsicht ist es zunächst einmal der hohe Komprimierungsgrad des Textes, der ins Auge springt. Ob ein derartiges komplexes Vorhaben tatsächlich ohne Einbeziehung anderer Schulgesetze und ohne eine Verordnungsermächtigung, die eine weiterführende Konkretisierung und Spezifizierung erlauben würde, in dieser Form umgesetzt werden kann, das ist eine naheliegende Frage, die allerdings derzeit nicht schlüssig beantwortet werden. Dies soll aber der Wichtigkeit der Materie, die auf eine Systemumstellung ersten Ranges hinausläuft, keinen Abbruch tun. § 18 alte Fassung Bis zur gegenständlichen Novellierung war der § 18 des Schulaufsichtsgesetzes von einer geradezu frappierenden Schlichtheit. § 18 Schulinspektion [alte Fassung] (1) Die Schulinspektion ist von den Landesschulräten und Bezirksschulräten durch die Beamten des Schulaufsichtsdienstes und Lehrer, die mit Schul­aufsichts­ funktionen betraut sind, auszuüben. SchVw aktuell ÖSTERREICH

(2) Andere Organe der Landes­ schulräte und Bezirksschulräte dürfen, abgesehen vom Präsidenten des Landesschulrates, dem Unter­richt an einer Schule nur in Anwesenheit eines Beamten des Schulaufsichtsdienstes oder eines Lehrers, der mit Schulaufsichtsfunktionen betraut ist, beiwohnen. Es ging also konkret und sehr begrenzt um die Schulinspektion, und zu dieser Materie wollte man wohl damals, zum Zeitpunkt der Formulierung im Zuge des SchulgesetzePaketes 1962 nicht mehr sagen. Das blieb den Geschäftsordnungen und wohl auch den internen Interessenlagen in den 9 Landesschulräten überlassen. Es hat dann auch Jahrzehnte gebraucht, bis dann 1999 durch eine »Dienstanweisung für die Schulaufsicht« erstmalig ein zeitgemäßes Aufgabenprofil der Schulaufsicht geschaffen wurde, das nun, knapp 12 Jahre später durch die vorliegende Novelle wieder verloren geht. Dennoch, es steht aber wohl außer Streit, dass die Aufgaben der Schulaufsicht für die Schule der Gegenwart unter dem Titel der Schulinspektion nicht mehr hinreichend beschrieben werden können. Dem trägt das neue Gesetz Rechnung, indem es die Schulinspektion in das sogen, Qualitätsmanagement einbindet. § 18 neue Fassung Mit dem neuen Paragraphen wird zum einen der zuständige Bundes-

minister beauftragt, »ein alle Ebenen des Schulwesens umfassendes Qualitätsmanagement einzurichten«, zum anderen erfolgt eine ausdrückliche Einbindung der Beamten der Schulaufsicht in einer durchaus verantwortlichen Position (»An den Landes- und Bezirksschulräten ist das Regionale Qualitätsmanagement durch die Beamten der Schulaufsicht und durch Lehrer, die mit Schulaufsichtsfunktionen betraut sind, auszuüben.«). Eine Anmerkung erscheinen in diesem Zusammenhang notwendig. Die gesamte Novelle ist in einem hohen Maß »operativ« formuliert. Im Vordergrund steht die »Einrichtung« eines Qualitätsmanagements), und es geht um dessen »Ausübung«. Auch die in den folgenden beiden Absätzen enthaltenen Konkretisierungen können eigentlich die Erwartung einer klaren Beschreibung der neuen Systemkomponente im Sinne eines Planungs-, Entwicklungs- und Kontrollsystems nicht erfüllen. Das wird höchstwahrscheinlich nicht nur am natürlichen Widerstand erfahrener Gesetzesformulierer gegenüber Begriffen der Organisationssoziologie liegen, sondern auch daran, dass das Qualitätsmanagement als Teilaspekt der Organisationsentwicklung ein weites Feld mit keinem einheitlichen Begriffsverständnis repräsentiert. Das alles mag verständlich, ja unvermeidlich sein, ist aber jedenfalls nicht folgenlos für die Gesamtkonstruktion der vorliegenden Novelle. Diese Konstruktion sieht als obere Ebene des Qualitätsmanagements im Abs. 2 des § 18 einen Nationalen Qualitätsrahmen vor. Leider ist eben dieser Absatz – vornehm ausgedrückt – sprachlich nicht sehr geglückt und

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soll daher – um Missverständnisse im Rahmen der vorliegenden Analyse zu vermeiden – vollständig wiedergegeben werden: »In dem gemäß Abs. 1 einzu­richtenden Qualitäts­ management ist ein Nationaler Qualitätsrahmen vorzusehen, der nach wissen­schaftlichen Kriterien und unter Anhörung der Beamten des Qualitätsmanagements, von durch diese beizuziehenden Schulleitern sowie der Schulpartner (Lehrer, Erziehungsberechtigte, Schüler) zu erstellen und in der Umsetzung unter Mitbefassung von Vertretern der Personalvertretung der Lehrer zu begleiten ist.« Nationaler Qualitätsrahmen Zunächst einmal geht aus obigen Text klar hervor, dass der Nationale

Qualitätsrahmen (NQR) nach wissenschaftlichen Kriterien zu erstellen ist, beim Prozess der Erstellung die Beamten des Qualitätsmanagements (=Schulaufsicht) zu hören sind und dass beim Prozess der Umsetzung Vertretern der Personalvertretung der Lehrer begleitende Funktion zukommt. Ob die von den Beamten des Regionalen Qualitätsmanagements beizuziehenden Schulleiter und Schulpartner am Prozess der Erstellung des NQR direkt beteiligt sind (»von durch diese … zu erstellen«) oder nur mittelbar im Wege der Schulaufsicht Teil der Anhörung« sind, das ist der überkomplizierten Textierung nicht eindeutig zu entnehmen. Das mag ein Detail sein, aber leider bleibt damit auch die wesentliche Frage offen, von wem nun eigentlich der NQR erstellt wird.

Im weiteren Text des BundesSchulaufsichtsgesetzes wird dann die Aufgabenstellung operationalisiert. Es geht um eine Definition und Beschreibung von Schulqualität sowie drei Verpflichtungen, die nachfolgend gekürzt wiedergegeben werden: JJ Periodisches Planungs- und Berichtswesen JJ periodische Zielvereinbarungen auf allen Ebenen der Schulverwaltung und der Schulen JJ Bereitstellung von Instrumenten für die Steuerung und Evaluation Wenn man so will übernimmt der NQR damit eigentlich das, was bislang die Funktion einer Verordnung war: Eine Spezifizierung der Ziele und Auflagen, wie diese Ziele erreicht werden sollen.

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Organisation & Verwaltung

Verpflichtungen der Schulen Im Absatz 3 des § 18 des BundesSchulaufsichtsgesetzes wird dann klar, welche unmittelbaren Verpflichtungen sich für die einzelnen Schulen ergeben: Die Entwicklungspläne der Schulen (= periodische Zielvereinbarungen, siehe oben, zweiter Spiegelstrich) haben zu enthalten: 1. Schwerpunktthemen, 2. Zielsetzungen in Hinblick auf die Schwerpunktthemen, 3. Rückblick und Ist-Stand-Analysen zu den Schwerpunktthemen, 4. Maßnahmen zur Umsetzung der Zielsetzungen, 5. Maßnahmen zur Überprüfung der Zielerreichung, 6. Fortbildungspläne sowie 7. Angaben zum strategischen und operativen Qualitätsmanagement der Schule. 14

Es handelt sich somit nicht nur um die Erstellung eines Produktes, also eines Planungspapieres, sondern auch um die mit der Vorbereitung und Umsetzung verbundenen vorausgehenden, begleitenden und nachgehenden Prozesse. Paradigmenwechsel Mit diesen Ausführungen in insgesamt 3 Absätzen des § 18 sind die Zielsetzungen und Prozesse zur Einführung einer völlig neuen Systemkomponente des österreichischen Schulwesens abgeschlossen. In den diesem Gesetz angeschlossenen Erläuterungen wird ausgeführt, dass es sich bei der Novellierung um einen Paradigmenwechsel von einer inputorientierten Steuerung zu einer output-orientierten Prozessteuerung handelt. In diesem Zusammenhang wird die Erwartung formuliert, dass es damit zu einer Qualitätssteigerung kommt, die sich auch in besseren Ergebnissen bei internationalen VergleichsstuSchVw aktuell ÖSTERREICH

dien (Stichwort PISA) niederschlagen sollte. In diesem Rahmen sollen auch die Organe der Schulaufsicht als »Regionale Qualitätsmanagerinnen und -manager« neu positioniert werden. Novellierung des Schulunterrichtsgesetzes Zeitgleich und in ein gemeinsames Gesetzespaket eingebunden erfolgte auch eine Novellierung des Schulunterrichtsgesetzes (BGBl. I Nr. 29/2011) mit dem Ziel (lt. Parl. Erläuterungen), »die Rollen, Aufgaben und Verantwortlichkeiten der maßgeblichen Funktionsträgerinnen und –träger, nämlich der Schulleiterinnen und Schulleiter, detailliert« darzustellen. In diesem Zusammenhang wurde der § 56 Abs.2 um einen Satz erweitert. Unverändert blieben die ersten beiden Sätze dieses Absatzes, die weiterhin wie folgt lauten: »Der Schulleiter ist der unmittel­ bare Vorgesetzte aller an der Schule tätigen Lehrer und sonstigen Bediensteten. Ihm obliegt die Leitung der Schule und die Pflege der Verbindung zwischen der Schule, den Schülern und den Erziehungsberechtigten, bei Berufsschulen auch den Lehrberechtigten.« Die Erweiterung dieses Absatzes lautet: »Seine Aufgaben umfassen ins­be­sondere Schulleitung und -management, Schul- und Unter­richtsentwicklung, Führung und Personalentwicklung sowie Außen­beziehungen und Öffnung der Schule.« Wer jemals erlebt hat, wie schwierig es ist, Veränderungen dieser Art in die bestehenden schulgesetzlichen Regelungen einzufügen, insbesondere dann, wenn es sich um eine für den bisherigen Text neue Terminologie

handelt, der wird das Ergebnis der Bemühungen trotz der offensichtlichen Kürze der Ausführungen relativ hoch einschätzen. Aufgabenerweiterung Allerdings handelt es sich hier ausschließlich um eine – durchaus sinnvolle, ja notwendige – Aufgabenerweiterung, die nichts an der Position der Schulleitungen im rechtlichen Gesamtgefüge ändert und daher auch nicht mit einer Erweiterung der Kompetenzlage bzw. der Entscheidungsspielräume einhergeht. Eine Schule, die nach dem klassischen Verwaltungsmodell »funktionieren« soll, kennt eben nur Verwaltungsakte, die sich von übergeordneten Grundsätzen ableiten lassen. Das steht dann im Gegensatz zur Notwendigkeit, dass Schulleitungen Entscheidungen treffen müssen, die sich aus einer schulstandortspezifischen Bedürfnislage (die manchmal auch eine Notlage ist) ergeben. Es wäre allerdings unrealistisch, von einem einzigen Paragraphen des Schulunterrichtsgesetzes Klärungen in diese Richtung zu erwarten. Andererseits muss im Zusammenhang mit den weitreichenden Konsequenzen, wie sie sich aus dem Projekt »Qualitätsentwicklung und Qualitätsmanagement« – insbesondere unter Berücksichtigung der parl. Erläuterungen – ergeben, doch angemerkt werden, dass mit ein paar kleineren Änderungen im Gesetz mittelfristig nicht das Auslangen gefunden werden kann. Umsetzung Auch wenn es sich im gegenständlichen Fall nicht um einen Entwurf, sondern um ein bereits vor mehr als einem Jahr beschlossenes Gesetz handelt, wird es wohl vom Beginn der ersten Umsetzungsschritte zu Diskussionen und zu Klärungsbedarf kommen. Die Abschließenden An-

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merkungen sind als Beitrag für eine solche konstruktive Auseinandersetzung zu verstehen: JJ Es ist verständlich, dass die Steuerungsphilosophie nur in den Erläuterungen, nicht aber im Gesetz explizit formuliert wird. Die Klarstellungen im Anhang zum Gesetz zeigen allerdings auch eine gewisse enge bzw. Tendenz zur Absolutierung einer bestimmten Systemkonzeption. Ist das schon lange zur Diskussion stehende Regelkreismodell wirklich der letzte Stand der Wissenschaft für Qualitätsentwicklungsfragen? JJ Qualitätsentwicklung hat auch einen heuristischen Aspekt, soll heißen, Qualität ist nicht ausschließlich planbar, sie ist auch aufzuspüren, zu verbreitern und zu unterstützen. Das kann im simplen Regelkreismodell verloren gehen, das sich oftmals auf das Messen und Zählen von Daten beschränkt. JJ Output-Orientierung bedarf auch gegenläufiger Elemente, die sicherstellen, dass sich Schule nicht im Prozess des Definierens von Zielen, der Evaluierung und der Re-Definition erschöpft. Solche Elemente fehlen, zumindest in den Erläuterungen wären sie aber sinnvoll gewesen. JJ Das österreichische Schulwesen hat eine – mangels entsprechender Freiräume – kaum entwickelte Schulautonomie. Bleibt im vorliegenden Systemkonzept noch Platz für Freiräume, die nicht im Nationalen Bildungsplan enthalten sind? JJ Die Einbindung der Schulaufsicht als Teil eines Qualitätsmanagement ist zu begrüßen. Allerdings wird ihr damit – folgt man dem Buchstaben des Gesetzes – ein riesiges Aufgabengebiet »umgehängt«. Ist das unter den

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gegebenen strukturellen Bedingungen (einer nicht geleisteten Reform der Schulverwaltung) wirklich leistbar? Oder ist primär an eine zentrale Steuerung gedacht, die mit der Überforderung spekuliert? Für die Schulaufsicht wurde mit der sog. Dienstanweisung (Allgemeine Weisung gemäß § 18 Abs. 3 Bundes-Schulaufsichtsgesetz, Rundschreiben Nr. 64/1999) ein umfassendes Aufgabenprofil erstellt, das bewusst auf eine Vielfalt der Aufgabenstellungen setzt. Mit der gegenständlichen Novelle ging dieses Aufgabenprofil verloren. Konkret genannt wird lediglich die Schulinspektion und der Globalauftrag zum Qualitätsmanagement. Durchgängig stellt sich die Frage, ob es nicht auch bei anderen Funktionsträgern, insbesondere bei den Schulleitungen, einer umfassenden Klärung jener Aufgaben bedarf, die nachgerade zu Voraussetzung für die Erfüllung neuen Zielsetzungen wäre.

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Auch die schulpartnerschaftlichen Aufgaben (Entscheidung- und Mitwirkungsbereiche) sind im österreichischen Schulwesen stiefmütterlich behandelt. Die im vorliegenden Gesetz enthalten Hinweise wirken allerdings oft nur alibiartig und visionslos. Es erscheint schwer erklärlich, dass das Projekt der Bildungsstandards nicht – zumindest in den Erläuterungen – ausdrücklich in die vorliegende Systemkonzeption einbezogen wird.

Fazit Mit einem einzigen Paragraphen, soll ein Paradigmenwechsel von der hin zu einer Output- und Prozesssteuerung umgestellt und die Effizienz der Schulen gesteigert werden. Ob dies gelingt wird es nun die Umsetzung des Gesetzes im Schulalltag zeigen. n 15

Dr. Klaus Satzke, Ministerialrat a. D., Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur, Wien

i i Praxis-Tipp

Checkliste zum Inhalt von schulischen Entwicklungsplänen: ■■

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Schwerpunktthemen,

Zielsetzungen in Hinblick auf die Schwerpunktthemen,

Rückblick und Ist-Stand-Analysen zu den Schwerpunktthemen, Maßnahmen zur Umsetzung der Zielsetzungen,

Maßnahmen zur Überprüfung der Zielerreichung, Fortbildungspläne sowie

Angaben zum strategischen und operativen Qualitätsmanagement der Schule.

Weitere Informationen unter www.schulverwaltung-aktuell.at.

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zu guter letzt | Vorschau

Zitat des Monats

Es ist nicht genug zu wissen – man muss auch anwenden. Es ist nicht genug zu wollen – man muss auch tun. Johann Wolfgang von Goethe

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Vorschau

Vorschau SchulVerwaltung aktuell ÖSTERREICH 2 | 2013 (Erscheinungstermin März 2013) erscheint mit folgenden Themen: thema des monats Ein Weg zum inklusiven Unterricht

personal Integration neuer Lehrer an der Schule Karl-Friedrich Baetz

Unterricht & Erziehung Funktionierende Konzepte: Präventionsarbeit in der Schule

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Schulmanagement Schulführung und Gesundheitsförderung MinR Mag. Juergen Horschinegg

Qualität Schulentwicklungsberatung Edwin Radnitzky Kriterien und Indikatoren für Schulqualität (Teil 2) Dr. Karl Blüml Dialogische Führung Edwin Radnitzky



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Ganztägige Schulen Mag.a Ulrike Hofmeister Schulleitung und Web 2.0 (Teil 2) Dr. Klaus Satzke, Dr. Kral Änderungen vorbehalten!

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