Praxisbuch Kirchenvorstand Gemeindeleitung im Blick

Praxisbuch Kirchenvorstand Gemeindeleitung im Blick Herausgeber: Amt für Gemeindedienst Nürnberg, August 2006 Überarbeitete Fassung 2007 Gemeindeleit...
Author: Krista Böhmer
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Praxisbuch Kirchenvorstand Gemeindeleitung im Blick Herausgeber: Amt für Gemeindedienst Nürnberg, August 2006 Überarbeitete Fassung 2007 Gemeindeleitung und Kirchenvorstandsarbeit Autoren: Harald Wildfeuer, Dr. Thomas Popp, Johanna Beyer, Horst Bracks, Thomas Roßmerkel, Herbert Kirchmeyer Auflage: 16.000 Stück Titel und Satz: Herbert Kirchmeyer Druck: Rotabene Medienhaus, Rothenburg o.d.T. Gemeindedienste Partnerschaft, die wachsen lässt

Inhalt Aufkreuzen für einen guten Anfang: Die ersten Sitzungen...............................6 Sitzung 1....................................................................................................................11 Sitzung 2....................................................................................................................16 Sitzung 3....................................................................................................................18 Wo und wie Sie in der Startphase Unterstützung finden.................................20 Neue Bestimmungen in der Kirchengemeindeordnung.....................................22 Wahlen der Dekanatsfrauenbeauftragten.............................................................24 Der neue innerkirchliche Finanzausgleich..............................................................27

Die Bedingungen, die uns prägen.............................................................................31 1. Welche Kultur prägt uns im Kirchenvorstand?.........................................32 2. Welche Geschäftsordnung ist für uns sinnvoll?.......................................52 3. Welche Möglichkeiten der Sitzungsgestaltung nutzen wir?................81

Die Beziehungen, in denen wir stehen..................................................................111 1. Was sind unsere Themen?..............................................................................111 2. Was sind unsere Spielregeln?....................................................................... 153

Die Bilder, die uns leiten............................................................................................ 172 1. Unsere Selbstbilder: Wie sehen wir uns selbst?..................................... 182 2. Unsere Wunschbilder: Wie wollen wir gesehen werden?................... 201 3. Unsere Vorbilder: Was bestimmt uns?.......................................................213 4. Unsere Fremdbilder: Wie sehen uns die anderen?................................ 224 5. Wie kommen wir vom Leitbild zum Programm?................................... 233

Infopool.......................................................................................................................... 243 Rechtliche Grundlagen für die Arbeit im Kirchenvorstand........................... 267 Stichwortregister..........................................................................................................311



Grußwort Landesbischof Dr. Johannes Friedrich Liebe Schwestern und Brüder, als Kirchenvorsteherinnen und Kirchenvorsteher haben Sie ein wichtiges und unverzichtbares Amt für unsere Kirche übernommen. Ich danke Ihnen herzlich, dass Sie bereit sind, Zeit und Engagement für dieses Ehrenamt in Ihrer Kirchengemeinde aufzubringen. Die Aufgaben, die Sie dort zu bewältigen haben, sind ebenso vielseitig wie anspruchsvoll. Von der Entscheidung über das Gottesdienstangebot über Baufragen bis zum Finanzhaushalt werden Sie eine bunte Palette an Themen zu erörtern haben. Dass dies auch mit Mühe verbunden sein wird, ist unausweichlich. Andererseits sind diese Aufgaben auch reizvoll– geht es doch darum, das Leben Ihrer Kirchengemeinde einladend und authentisch zu gestalten. Um Ihnen für Ihre Arbeit eine Hilfestellung an die Hand zu geben, wurde das neu aufgelegte „Praxisbuch Kirchenvorstand“ erarbeitet. Sie können darin viele wertvolle Anregungen für Ihre Arbeit finden. Die Überarbeitung des Praxisbuches wurde nötig, weil es einschneidende rechtliche Veränderungen gab, die das Gemeindeleben und die Finanzen der Gemeinde betreffen. Letztendlich ist der Verantwortungsraum, der dem Kirchenvorstand nun zugedacht ist, erweitert worden. Die Übernahme dieser Verantwortung erfordert besondere Sorgfalt, bedeutet aber auch einen erweiterten Gestaltungsraum, der Ihnen nun zur Verfügung steht. Als Kirchenvorsteherinnen und Kirchenvorsteher leiten Sie gemeinsam mit den Pfarrerinnen und Pfarrern vor Ort Ihre Kirchengemeinde. Für diesen umfassenden Dienst wünsche ich Ihnen viel Freude und Gottes reichen Segen! Mit den besten Wünschen, Ihr Dr. Johannes Friedrich Landesbischof



Sehr geehrte, liebe Kirchenvorsteherin, sehr geehrter, lieber Kirchenvorsteher, Sie sind in den Kirchenvorstand Ihrer Gemeinde gewählt oder berufen worden. Dazu erst einmal unseren herzlichen Glückwunsch! Gemeinsam mit anderen werden Sie in den kommenden sechs Jahren die Geschicke Ihrer Kirchengemeinde verantwortlich mitprägen. Wenn Sie neu im Kirchenvorstand sind, werden Sie vermutlich viele Fragen und ein großes Informationsbedürfnis mitbringen. Neben dem Gespräch mit Ihren Kolleginnen und Kollegen im Kirchenvorstand, die schon mehr Erfahrung haben, möchte Ihnen das vorliegende Praxisbuch ein erster Ratgeber sein. Wenn Sie schon länger im Kirchenvorstand mitgearbeitet haben, kennen Sie es vermutlich bereits. Wir freuen uns, Ihnen dieses Arbeitsbuch jetzt gleich zu Ihrer Einführung in einer aktualisierten Ausgabe überreichen zu können. Schön, dass die Landeskirche auch in Zeiten erhöhter Sparsamkeit diese wichtige Arbeitshilfe weiterhin finanzieren kann. „Gemeindeleitung im Blick“ – der Titel ist Programm. Wir lassen uns bei dem Blick auf die Gemeindeleitung von der Einsicht leiten, dass die Arbeit im Kirchenvorstand von drei Kräften geprägt ist, die wir die „drei B’s“ nennen: B 1 steht für die „Bedingungen, die uns prägen“ B 2 steht für die „Beziehungen, in denen wir stehen“ B 3 steht für die „Bilder, die uns leiten“ Vielleicht finden Sie diese Begriffe auf den ersten Blick etwas überraschend. Bei näherer Betrachtung verbergen sich dahinter grundlegende Einsichten in das, was Gruppen und ihr Miteinander bestimmt. Unter den „Bedingungen“ verstehen wir die Strukturen und Rahmenbedingungen, die im Kirchenvorstand eine Rolle spielen. Die „Beziehungen“ tragen dem Gedanken Rechnung, dass im Kirchenvorstand Menschen miteinander zu tun haben und ihr Miteinander einem bestimmten Zweck dient, nämlich der Leitung einer Kirchengemeinde. Und mit den „Bildern“ sind schließlich die leitenden Vorstellungen, Visionen und Leitbilder gemeint, an denen sich Einzelne im Kirchenvorstand und der Kirchenvorstand als Ganzes ausrichten. Natürlich stehen die „drei B’s“ in einem inneren Zusammenhang. Wer sie kennt und wer mit ihnen umgehen kann, der beherrscht die Kunst der Organisationsentwicklung. So nennen Fachleute das, was Sie im Kirchenvorstand tun, wenn Sie Verantwortung für die Leitung und Entwicklung Ihrer Gemeinde übernehmen. Das Konzept, das wir Ihnen vorstel-



len, versteht Leitung weniger als Anordnen und Bestimmen, sondern mehr als Steuern und Führen; weniger als „den Weg vorgeben“ und mehr als „auf dem Weg begleiten“, damit Entwicklungen in der Gemeinde möglich werden und eine gute Richtung nehmen. Dahinter steht die Einsicht, dass jede Gemeinde „ihre“ eigene Gemeindepersönlichkeit hat und „ihren“ Weg geht. Das Konzept hat Harald Wildfeuer erarbeitet. Einzelne Beiträge stammen von Horst Bracks (Gemeindeakademie Rummelsberg), Dr. Jürgen Körnlein (Nürnberg), Hans Löhr (ehemals eMp), Dr. Thomas Popp (Amt für Gemeindedienst) und Thomas Roßmerkel (Landeskirchenamt). Um das Layout hat sich Herbert Kirchmeyer (Amt für Gemeindedienst) gekümmert. An dieser Neuausgabe waren Mitarbeitende der Kirchenvorstands-Fachberatung (KVFB) beteiligt. Ohne ihr Engagement wäre manches so nicht möglich gewesen. Zu danken ist deshalb Dr. Eberhard Kluge, Karin Paulus, Brigitte Rapp und Gudrun Willbold für ihre Anregungen. Wir hoffen, dass Ihnen die Lektüre Freude macht und den nötigen Schwung für Ihre Mitarbeit im Kirchenvorstand gibt. Natürlich freuen wir uns auch über Ihre Rückmeldungen: Bestätigungen, Ergänzungen, Korrekturen, Kritik – alles ist uns willkommen. Sagen, schreiben, faxen oder mailen Sie uns. Dann können wir darauf reagieren und mit Ihnen im Gespräch bleiben – ganz im Sinne partnerschaftlichen Lernens. Die Kontaktadresse lautet: Gemeindeleitung und Kirchenvorstandsarbeit Pfarrer Harald Wildfeuer Telefon 0911 4316-261 Telefax 0911 4316 296 [email protected]

Postanschrift: Amt für Gemeindedienst Gemeindeleitung und Kirchenvorstandsarbeit Postfach 440465 90209 Nürnberg



Noch zwei Anmerkungen, bevor Sie „loslegen“ können: Vielleicht vermissen Sie eine Übersicht über wichtige rechtliche Bestimmungen für den Kirchenvorstand. Gerade in diesem Bereich hat die Landessynode zahlreiche Änderungen beschlossen, die neben der Kirchengemeindeordnung auch die Dekanatsbezirksordnung u.a. betreffen. Die entsprechenden Neufassungen müssen erst noch in der Rechtsabteilung im Landeskirchenamt erstellt werden. Sie werden voraussichtlich Anfang 2007 als Ergänzungslieferung nachgereicht. Bereits jetzt finden Sie in Ihrem Praxisbuch die neu gefasste Kirchengemeindeordnung abgedruckt. Das landeskirchliche Intranet hat sich in den letzten Jahren als Informationsplattform immer mehr durchgesetzt. Unter der Adresse: www.elkb.de finden Sie eine Reihe wichtiger Informationen für Ihre Arbeit im Kirchenvorstand. – Übrigens: Wer im Kirchenvorstand noch keinen Zugang hat, kann ihn jederzeit beantragen. Einfach auf der Startseite das Formular ausdrucken, ausfüllen und mit Bestätigung des Pfarramtes an die angegebene Adresse der „Vernetzten Kirche“ faxen. Eine gewinnende Lektüre wünscht Ihnen im Namen aller Beteiligten Ihr Harald Wildfeuer



Aufkreuzen für einen guten Anfang Die ersten Sitzungen Nach der Wahl heißt es nun „Leinen los“ für den neuen Kirchenvorstand. Frauen und Männer, die in den Kirchenvorstand gewählt oder berufen wurden, bringen dabei oft frischen Wind mit. Sie sind aufgekreuzt, um ihre Gemeinde zu gestalten und sich mit ihren Fähigkeiten einzubringen. Sie möchten für Aktivität und Leben sorgen, etwas für die Ausstrahlungskraft des christlichen Glaubens in der heutigen Welt tun.

siehe Seite 27ff.

siehe Seite 20ff.

„Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne.“ Dieses schöne Wort von Herrmann Hesse möge Ihren Kurs recht lange begleiten. Der Anfang ist aber nicht nur zauberhaft. Aller Anfang ist sprichwörtlich auch schwer. Schon die ersten Sitzungen wirken gerade auf „die Neuen“ ernüchternd. Es scheint im Kirchenvorstand „nur um Verwaltung“ zu gehen, wie immer wieder zu hören ist: Geld, Vergabe von Reparaturen, Personalquerelen im Kindergarten, Friedhofsgebühren. Und es zeichnet sich jetzt schon ab, dass die Frage der Ressourcen nicht zuletzt durch den neu geregelten „innerkirchlichen Finanzausgleich“ auch in der neuen Kirchenvorstandsperiode eine wichtige Rolle spielen wird. Die Anfangsphase ist also durchaus ambivalent und die Steuerungsaufgabe dementsprechend anspruchsvoll. Mit diesem „Logbuch“ für die ersten 100 Tage – und weiteren Angeboten – wollen wir Sie in Ihren Aufgaben im Kirchenvorstand unterstützen. Denn ein gelingender Anfang und eine gut eingespielte Crew sind für den weiteren Kurs von unschätzbarem Wert.

Grundfragen Der Kirchenvorstand ist Gremium: zustande gekommen durch Wahl und Berufung, nicht durch Neigung, Nähe, geistlichen Gleichklang. Im Anfangsstadium eines Gremiums stellen sich daher für die Mitglieder folgende Grundfragen: Als wer bin ich hier? Wer sind die anderen? Welche Spielregeln gelten hier? Was soll/will/muss ich hier? Wieviel zeige ich von mir? Woran kann ich mich orientieren? Solange eine neue Orientierung fehlt, halte ich mich an das, was ich aus anderen Gremien kenne. Oder ich schaue, wie es die „alten Hasen“ machen.



Grundbedürfnisse Vertrauen wächst, wenn folgende Grundbedürfnisse respektiert und bei Bedarf geschützt werden (B. Langmaack/M. BrauneKrickau): - Zugehörigkeit: Jede/r möchte beachtet werden, auch wenn sie/er sich anders verhält. - Wertschätzung und Zuneigung finden: Alle wollen mit ihrer Art und ihren Grenzen respektiert werden. - Einflussnahme: Jede/r möchte mitbestimmen können, wohin die Reise geht. Er/sie will Störungen und Wünsche äußern dürfen und damit gehört werden. Er/sie will selbst entscheiden, was er/sie tun oder lassen soll. -Spielraum haben: Jede/r möchte experimentieren können, sich verändern dürfen und nicht frühzeitig festgelegt werden.

Unterschiede im Anfangstempo Der eine braucht viel Zeit, um Beziehungen aufzunehmen, die andere will gleich „zur Sache“ kommen. Aus diesen Unterschiedlichkeiten ergeben sich unvermeidlich Spannungen. Es braucht die Bereitschaft, sich aufeinander einzustellen, sich gegenseitig zu akzeptieren und eine gemeinsame Sprache zu finden. Oft sind es nicht die Sachthemen, die blockieren, sondern die Beziehungen zwischen den Personen und ihren unterschiedlichen Interessen. Kommen sie am Anfang nicht genügend zur Sprache, tauchen sie später immer wieder störend auf. Der Satz „Wenn du wenig Zeit hast, dann nimm dir viel davon am Anfang“ stimmt also auch für den Anfang der Arbeit im Kirchenvorstand.

Steuerungsaufgaben für einen guten Anfang In dieser Phase sind von Leitung und Mitgliedern unterschiedliche Steuerungsaufgaben zu lösen, damit daraus ein arbeitsfähiges Ganzes werden kann. In der Anfangsphase steht der Orientierungs- und Sicherheitsbedarf der Mitglieder im Vordergrund. Die Leitung ist hier gefragt, klare Strukturen zu setzen (z.B. Spielregel-Vorschläge, Tagesordnung, Zeitbegrenzung) und einzuhalten. Dazu kommt die Förderung des Informationsflusses und vor allem von Zeiten zum Kennenlernen ohne Erfolgs- und Entscheidungsdruck (z.B. in einer Anfangsklausur). Das stärkt das Selbstbewusstsein und ermutigt die Kirchenvor-



steherinnen und Kirchenvorsteher, ihre Ziele für die Gemeinde und ihre eigenen Fähigkeiten und Potenziale auch bei ungünstigen Windverhältnissen nicht aus dem Blick zu verlieren. Partnerschaftlich und effektiv nach Kursen zu suchen, die mit Rückenwind zum Ziel führen. Perspektiven zu entwickeln, Kräfte und Mittel zu konzentrieren, orientiert am Auftrag unserer Kirche nahe bei den Menschen.

Gesichtspunkte der Sitzungsgestaltung Die ersten Sitzungen sind für alle Beteiligten eine große Herausforderung. Es stehen bereits Aufgaben an. Zugleich braucht es Zeit, um eine Kultur des Miteinanders zu entwickeln. Aufgabe der Leitung ist, eine Atmosphäre zu schaffen, in der eine konstruktive und befriedigende Zusammenarbeit aller möglich wird. Es gilt, Vertrauen aufzubauen und ergebnisorientiert zu leiten. Die Qualität einer Sitzung hängt jedoch nicht nur von der Sitzungsleitung ab. Alle Mitglieder tragen zu gelingender und wirkungsvoller Kirchenvorstandsarbeit bei.

„Die Neuen“ Besondere Aufmerksamkeit verdienen in der Startphase die „Neuen“: - Viele Neue kommen mit hochgespannten Erwartungen und großer Bereitschaft. Wie lässt sich dieser Schwung so aufnehmen, dass er nicht durch die enttäuschende Erfahrung „Die Wirklichkeit ist ganz anders“ abgebremst wird? - Welche Rollenverteilungen bilden sich unversehens heraus und müssen unter Umständen korrigiert werden? Wer nimmt sich das Wort? Wer zieht sich schnell zurück? Wie gleichberechtigt reden Frauen und Männer? - In eine neue Aufgabe darf man hineinwachsen. Was lässt sich tun, damit alle Mitglieder des Gremiums zu motivierender Sicherheit im Umgang miteinander und mit den noch neuen Rechten und Pflichten finden?

siehe Seite 22ff.



Nicht nur die neuen Kirchenvorsteherinnen und Kirchenvorsteher wissen manches nicht. Hilfreich ist, wenn unbefangen gefragt werden kann. Vielleicht empfiehlt sich eine förmliche Frage- und Informationsrunde über die bisherige Arbeit des Kirchenvorstands (Stil und Inhalte) und über die Möglichkeiten der Kirchengemeindeordnung (KGO). Die Neufassung betont u.a. die Zusammenarbeit mit benachbarten Kirchengemeinden

und die gemeinsame Beratung mehrerer Kirchenvorstände (§ 26). Für das Gelingen der Kooperation sind Vertrauen und Offenheit entscheidend. Zu den neuen Herausforderungen zählt vor allem der „Innerkirchliche Finanzausgleich“. Die Übersicht im Anhang eignet sich als Diskussionsgrundlage, um für die Situation am Ort und in der Region die passenden Entscheidungen zu treffen.

Gottes guter Geist „Leinen los“ – der neue Kirchenvorstand setzt die Segel und nimmt Fahrt auf. Er bricht auf zu neuen Ufern. Mut zu Neuem bedeutet immer auch Mut zum Loslassen, Bekanntes zu verlassen und sich auf Unbekanntes einzulassen. Dazu braucht es frischen Wind: Kraft, Atem, Geist. Mit Worten aus dem Lied „Ein Schiff, das sich Gemeinde nennt“ formuliert (EG 589,3): „Und was die Mannschaft auf dem Schiff ganz fest zusammenschweißt in Glaube, Hoffnung, Zuversicht, ist Gottes guter Geist.“ Vielleicht passt dieses Lied an den Schluss der ersten Sitzung – verbunden mit folgendem Gebet, das sich ebenfalls im Gesangbuch findet (S.1517): Geist Gottes, leiser, zärtlicher Atem und starker, kräftiger Sturmwind, komm und belebe uns neu. Geist Gottes, fege hinein in unser Leben und unsere Kirche, fege hinweg, was darin falsch und verlogen ist. Geist Gottes, kehre in uns ein, damit wir einsehen, wo wir umkehren und neu anfangen müssen. Geist Gottes, leuchte uns, damit wir klar sehen, wo unser Licht und unser Dunkel ist. Geist Gottes, entzünde uns neu, damit das Feuer in uns wieder brennen kann und der Funke überspringt, auf den es ankommt. Geist Gottes, berate uns gut, damit wir erkennen, was zu tun und zu lassen ist. Geist Gottes, heile uns, damit wir gesund werden und ganze Menschen, mit Leib und Seele. Geist Gottes, steck uns an, damit wir Feuer und Flamme werden für dich. Geist Gottes, treib uns an, damit wir einen neuen Antrieb haben in uns. Geist Gottes, beflügele uns, damit wir es wagen zu träumen und uns trauen zu kämpfen. Geist Gottes, reinige uns, damit wir ein aufrichtiges und lauteres Herz bekommen. Amen.



Die ersten Sitzungen Für die ersten Sitzungen ist es erforderlich, dass eine Reihe von Tagesordnungspunkten vorgegeben wird, die für die Arbeitsfähigkeit notwendig sind. Es geht um Menschen (Vertrauensleute, Vorsitzende, Ersatzleute, Delegierte) und um Vereinbarungen (Andacht, Protokoll, Termine usw.).

Grundaufgaben Einen Überblick über das, was – teilweise termingebunden – in der Startphase des Kirchenvorstands zu erledigen ist, gibt folgender Katalog der Grundaufgaben: - Einführung in die Arbeit des Kirchenvorstands: Vorstellung - Einladung und Protokollführung - Sitzungsund Gesprächsregeln – Terminvereinbarungen - Praxisbuch Kirchenvorstand - Wahl Vertrauensmann/-frau und Stellvertreter/in - Wahl Vorsitzende/r und Stellvertreter/in - Ersatzleute: Entscheidung über Art der Beteiligung - Ausschüsse: Neubesetzung der laufenden Ausschüsse/Bildung neuer Ausschüsse - Beauftragte des Kirchenvorstands (Jugend, Umwelt, Frauen, Männer u.a.) - Dekanatssynode: Wahl der Delegierten

Die ersten drei Sitzungen Wir haben die Startphase auf mindestens drei Sitzungen angelegt. Denn ein guter Start braucht Zeit. Die Wahl der Vorsitzenden, der Vertrauensleute und die Delegation in die Dekanatssynode setzen ein Mindestmaß an Kennenlernen und gemeinsamer Arbeit voraus. Zugleich muss sich der neue Kirchenvorstand vom Start weg auch mit „Tagesaufgaben“ befassen. Im Folgenden erhalten Sie einen Vorschlag, wie Sie die ersten Sitzungen gestalten können.

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Sitzung 1 Tagesordnung 1. Kennenlernen 2. Spielregeln: Wir informieren uns in einem ersten Durchgang über Verfahrensweisen und Gesprächsregeln und treffen Absprachen. 1.1 Abstimmung 1.2 Einladung 1.3 Protokoll 1.4 Sitzungstermine 3. Arbeitsbedingungen: Gestalt des Gremiums. Wir besprechen den inneren und äußeren Rahmen unseres Gremiums und treffen Entscheidungen: 1.1 Beteiligung der Ersatzleute 1.2 Öffentlichkeit der Sitzungen 4. Informationen und Arbeitshilfen: Wo finden sich Informationen zur Arbeit im Kirchenvorstand? Was muss innerhalb der Sitzung geklärt werden? Information und Vereinbarung: Vorsitz und Ausschüsse Fragerunde 5. Wahl der Vertrauensleute: Jeder Kirchenvorstand wählt aus den gewählten und berufenen Mitgliedern einen Vertrauensmann/eine Vertrauensfrau (und Stellvertreter/in). Aufgaben und Rechte werden in der Sitzung dargestellt.

Eine gute Übersicht bietet z.B. der „Info­ pool“ ab Seite 243

6. Wahl der Dekanatsfrauenbeauftragten: Benennung der Wahlfrauen (siehe Seite 24ff.) 7. Weitere Tagesordnungspunkte: Aktuelle Erfordernisse

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Kennenlernen Wie gut sich die Mitglieder des Kirchenvorstands bereits kennen, hängt von der Gemeindegröße, bisherigen Kontakten usw. ab. Überflüssig ist eine Kennenlern-Runde nirgends - wenn es nicht nur um Namen und Berufe geht, sondern wenn auch in der gebotenen Kürze Persönliches angesprochen werden darf: Mit welchen Erwartungen und Befürchtungen sitze ich in dieser ersten Sitzung? Welche Wünsche und Sorgen beschäftigen mich im Blick auf die Gemeinde? Was sitzt mir beruflich, familiär im Nacken? Was gibt mir Schwung?

siehe Seite 81ff.

Spielregeln: Abstimmung - Einladung - Protokoll - Sitzungstermine Manche Mitglieder des Kirchenvorstands waren/sind auch in anderen Gremien tätig. Andere haben damit keine Erfahrung. Die vorerst wichtigsten Regeln und Vereinbarungen zur Geschäftsordnung und zur praktischen Organisation werden deshalb durchgesprochen. Der Blick ist besonders zu richten auf

Abstimmung

Gremien bringen ihre Willensbildung durch Abstimmung verbindlich auf den Punkt (mit unterschiedlichen Regelungen zu Stimmenverhältnis usw.). Wie anderswo auch, kann im Kirchenvorstand vieles nach dem Mehrheitsprinzip entschieden werden. Häufiger als anderswo gibt es Themen, denen „einmütige Willensbildung" angemessen ist - nicht erzwungene Einstimmigkeit also, aber Gespräche bis zu dem Punkt, an dem eine Entscheidung von allen akzeptiert werden kann.

Einladung

Die Einladung zu den Kirchenvorstandssitzungen muss die Mitglieder mindestens acht Tage vorher erreichen und eine aussagekräftige Tagesordnung enthalten (§ 38 Abs. 3 KGO). - Die Information: Wie waren Form, Inhalt und Zustellung bisher? Wurden Unzulänglichkeiten festgestellt? Gab es Wünsche dazu? - Der Blick nach vorn: Haben sich Bedingungen geändert? Gibt es erste Veränderungsvorschläge?

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- Die Vereinbarung: Der Zeitraum wird festgelegt, nach dem gegebenenfalls das Thema „Einladung“ beraten wird. Über jede Sitzung ist ein Protokoll zu führen (§ 48 KGO). Zwischen reinem „Beschlussprotokoll“ einerseits und „Wortprotokoll“ andererseits gibt es Variationen. Für Kirchenvorstände empfiehlt sich der mittlere Weg des „Verlaufsprotokolls“. Beschlüsse sind knapp zu fassen und wörtlich und klar festzuhalten.

Protokoll

Oft eine schwierige Frage: Wer führt Protokoll? Möglichst nicht die Person, die mit Vorsitz und/oder Gesprächsleitung beschäftigt ist. Jedes Protokoll muss vom Gremium gebilligt werden und von den Gremiumsmitgliedern eingesehen werden können. Auch dazu gibt es unterschiedliche Verfahrensweisen. - Die Information: Wer führte das Protokoll bisher? Wie bekamen es die Kirchenvorstands-Mitglieder in die Hand? - Der Blick nach vorn: Gibt es erste Wünsche und Änderungsvorschläge? - Die Vereinbarung: Regelung für die heutige oder grundsätzliche Protokollführung/Form (inhaltlich wie technisch). Oder: In welcher Sitzung werden Protokoll und Protokollführung zum Tagesordnungspunkt gemacht? Die Sitzungen müssen mindestens vierteljährlich stattfinden (§ 38 Abs. 1 KGO). Bewährt: etwa monatliche Sitzungen. Chance: Außer den „laufenden Geschäften“ bleibt Raum für Thematisches (Entwicklungen in der Gemeinde; theologische Fragen). Die Mitarbeit im Kirchenvorstand kollidiert nicht selten mit anderen Verpflichtungen und Vorhaben. Deshalb legen sich ein regelmäßiger Sitzungstag und eine mittelfristige Terminplanung (6 - 12 Monate) nahe.

Sitzungstermine siehe Seite 32ff.

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Arbeitsbedingungen Gestalt des Gremiums: Hier sind besonders die Themen „Ersatzleute“ und „Öffentlichkeit der Sitzungen“ zu klären.

Beteiligung der Ersatzleute

- Die Information: Viele Kirchenvorstände laden die Ersatzleute zu allen oder zu bestimmten Sitzungen ein (§ 40 Abs. 3a KGO). Sie können beratend an den Sitzungen mitwirken, haben allerdings kein Stimmrecht. Der Gewinn: Weiteres Spektrum an Erfahrung und Meinungen. Breitere Basis für die Umsetzung von Beschlüssen. Informierte Nachrücker/innen. - Wie es bisher war: Überlegungen des letzten Kirchenvorstands dazu und die Erfahrungen. - Die Vereinbarung: Ein Beschluss kann mit Rücksicht auf die „Ersatzleute“ nicht lange aufgeschoben werden. Deshalb: Eine Entscheidung wird jetzt diskutiert und getroffen. Oder: Sie wird nach Gelegenheit zur Abwägung in der nächsten Sitzung gefällt. - Zu beachten: Werden die „Ersatzleute“ regelmäßig mit eingeladen, so sind auch sie zur Verschwiegenheit verpflichtet (§ 28 Abs. 3 KGO). Und: Sie werden entsprechend bei der Einführung des neuen Kirchenvorstands berücksichtigt (§ 31 Abs. 2 KGO).

Öffentlichkeit der Sitzungen

Kirchenvorstandssitzungen sind in der Regel öffentlich (§ 40 Abs. 1 KGO). Bestimmte Tagesordnungspunkte (z.B. Personalangelegenheiten) bleiben davon immer ausgenommen. Gute Erfahrungen mit öffentlichen Sitzungen: Gemeindeglieder zeigen höheres Interesse an der Arbeit des Kirchenvorstands. Betroffene oder Gesprächspartner/innen lassen sich leichter einbinden. - Die Information: Wie der Kirchenvorstand bisher getagt hat. Welche Erfahrungen er gemacht und wie er sie bewertet hat. - Der Blick nach vorn: Wie lassen sich öffentliche Sitzungen attraktiv gestalten?

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Informationen und Arbeitshilfen In dieser Runde wird dafür gesorgt, dass sich die „Neuen“ noch besser einarbeiten können und mit den „Alten“ über die Möglichkeiten wie Wahl-Vorsitz und beschließende Ausschüsse informiert werden. - Praxisbuch Kirchenvorstand: Kirchenvorsteher/innen haben einen Anspruch auf Information, Fortbildung, Begleitung. Das Praxisbuch Kirchenvorstand bietet Grundkenntnisse. - Vorsitz: Vorsitzende/r des Kirchenvorstandes ist der bzw. die mit der pfarramtlichen Geschäftsführung Beauftragte (§ 35 Abs. 1 KGO). Auch andere Vorsitzformen sind möglich (§ 35 Abs. 3 KGO). Der bzw. die stellvertretende Vorsitzende ist nicht – wie früher – automatisch der Vertrauensmann bzw. die Vertrauensfrau, sondern muss in jedem Fall gewählt werden (§ 35 Abs. 3 KGO). Der Zeitraum wird festgelegt, nach dem gegebenenfalls das Thema „Vorsitz“ beraten und entschieden wird. - Ausschüsse: Der Kirchenvorstand kann für bestimmte Angelegenheiten beratende und beschließende Ausschüsse bilden (§ 46 Abs. 1 KGO). Der Zeitraum wird festgelegt, nach dem gegebenenfalls das Thema „Ausschüsse“ beraten und entschieden wird.

siehe Seite 72ff.

- Fragerunde: Einfache Sach- und Verständnisfragen werden beantwortet. Für Umfänglicheres werden Rahmen und Termin ausgemacht.

Wahl der Vertrauensleute Innerhalb von drei Monaten sind die Vertrauensleute zu wählen (§ 36 Abs. 1 KGO). Wenn es der Sitzungsrhythmus zulässt, empfehlen sich die zweite oder dritte Sitzung. Alle haben dann ein deutlicheres Bild von den Aufgaben und Anforderungen gewonnen. Vorsitzende/r und Vertrauensmann bzw. Vertrauensfrau haben eine gemeinsame Verantwortung dafür, dass der Kirchenvorstand seine Aufgaben erledigt. Das Zusammenwirken bei der Vorbereitung der Sitzungen drückt diese Verantwortung aus (§ 39 Abs. 1 KGO).

Termin: 26.01.2007

Für die Vertrauensleute bietet das Amt für Gemeindedienst regelmäßig Begleitung und Fortbildung an.

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Sitzung 2 Tagesordnung 1. Gestaltung und innere Organisation unserer Sitzungen 1.1 Andachten: Die Andachten können zu gemeinsamer geistlicher Entwicklung helfen. Wir informieren uns und beschließen das weitere Vorgehen. 1.2 Spielregeln: Weitere Verfahrensweisen wie Gesprächsleitung, Anträge, Diskussionsformen. 1.3 Zeitlicher Rahmen der Sitzungen 2. Standort und Ziele: Wir informieren uns über den Stand der laufenden Aufgaben und setzen erste Ziele fest. 3. Wahl der Vertrauensleute (s. Sitzung 1) 4. Vorsitz (s. Sitzung 1) 5. Ausschüsse (s. Sitzung 1) 6. Weitere Tagesordnungspunkte: Aktuelle Erfordernisse

siehe Seite 48ff.

Andachten Die KGO sieht am Anfang jeder Sitzung eine Andacht vor (§ 39 Abs. 2 KGO). Dafür haben Kirchenvorstände Formen entwickelt, die die gemeinsame Spiritualität wachsen und den Alltagsglauben der gewählten und berufenen Mitglieder zunehmend selbstverständlicher zur Sprache kommen lassen. - Die Information: Wie wir es bisher mit der Andacht gehalten haben und die Erfahrungen damit. - Der Blick nach vorn: Welche Wünsche, Erwartungen, Erfahrungen sind da? Was könnte sich der neue Kirchenvorstand vornehmen? - Die Vereinbarung: Nach angemessener Zeit (der Monat der Sitzung wird am besten gleich festgelegt) beraten wir über die Gestaltung unserer Andachten. Jemand aus dem Gremium könnte sich dafür besonders kundig machen.

siehe Seite 81ff.

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Spielregeln Die Informationen über Geschäftsordnung und innere Organisation des Kirchenvorstands sind mit Leben zu füllen: Begriffe können erklärt, ihre Bedeutung für die eigene Sitzungspraxis beschrieben werden.

Beispiele: - die Möglichkeit wechselnder Gesprächsführung - die besonderen Antragsformen „auf Abstimmung“ und „zur Geschäftsordnung“ - Vereinbarungen über die zeitliche Strukturierung der Tagesordnung und/oder die Begrenzung der Sitzungsdauer.

Standort und Ziele Der neue Kirchenvorstand knüpft an die Arbeit des bisherigen an und steckt sich eigene Ziele. Dazu braucht er Informationen und Raum zur Zielentwicklung.

siehe Seite 124ff.

Was wir übernehmen: Grundlage ist eine (wenn es geht schriftliche) Übersicht: - Schwerpunkte, die die „Vorgänger“ im letzten Jahr beschäftigt haben - laufende Projekte und Vorhaben - Zahl, Arbeitsfelder und Art der Begleitung der Ehrenamtlichen und der Haupt-/Nebenamtlichen - die finanzielle Grundstruktur der Gemeinde. Was auf uns zukommt: Der Kirchenvorstand stellt sich einer ersten Sichtung neuer Aufgaben. Hilfreich ist es, wenn er sich auf die Bilanz des bisherigen Gremiums stützen kann. Als Einstieg dienen Fragen wie: - Was hat der letzte Kirchenvorstand nicht mehr anpacken können? Welche Themen sind in der Übergangszeit aufgekommen? - Welche Aufgaben und Anforderungen bringt die neue Zusammensetzung des Kirchenvorstands in den Blick? Was wir erreichen wollen: Ziele zu bestimmen braucht Zeit. Eine eigene Sitzung oder ein erstes Kirchenvorstands-Wochenende sind durchaus angemessen. Für heute: Die Mitglieder machen sich mit der Aufgabe einer ausdrücklichen Zielbeschreibung vertraut. Dazu könnten sie füreinander konkret formulieren, was sie über die Tagesentscheidungen hinaus erreichen möchten.

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Sitzung 3 Tagesordnung 1. Dekanatssynode: Die Dekanatssynode wird neu gebildet. Wir informieren uns über ihre Aufgaben und bestimmen unsere Vertreter/innen. 2. Beauftragte: Zu bestimmten Themen und Arbeitsbereichen gibt es Beauftragte im Kirchenvorstand. Wir informieren uns und sprechen Beauftragungen aus. 3. Kirchliche Strukturen: Unsere Kirchengemeinde ist in andere Leitungs- und Organisationsebenen eingebunden. Wir machen uns über die wichtigsten Beziehungen kundig. 4. Vorsitz (s. Sitzung 1) 5. Ausschüsse (s. Sitzung 1) 6. Weitere Tagesordnungspunkte: nach aktuellem Bedarf

Bildung der Dekanatssynode Der Termin für die Bildung der Dekanatssynode und der Schlüssel für die Zahl der Vertreter/innen aus den Kirchengemeinden wurden vom Dekanat mitgeteilt. Nach der Beschreibung der Aufgaben (KGO + DBO) und des Zeitaufwands wählt der Kirchenvorstand seine Vertretung für dieses Gremium.

siehe Seite 75ff.

Beauftragte Die Information: Für bestimmte Arbeitsfelder (z.B. für Jugend, Schöpfung und Umwelt, Ökumene) oder Aufgabenstellungen werden Beauftragte gebeten, - die Entwicklung (in der Gemeinde, in der Landeskirche) zu beobachten - sich Sachkenntnisse und Erfahrungen anderer zugänglich zu machen - den Kirchenvorstand zu vereinbarten Terminen oder Tagesordnungspunkten zu informieren und zu beraten - die Gemeinde nach außen hin zu vertreten (z.B. bei Mitgliederversammlungen).

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Die Praxis bisher: - Erfahrungen und Bewertung: Welche Beauftragungen muss es (wieder) geben? Welche sind wünschenswert? Welche Beauftragung kann sinnvollerweise auch jemand außerhalb des Kirchenvorstands wahrnehmen? Wer wird angefragt? - Beauftragungen werden ausgesprochen, Zeiträume und Form der Rückmeldungen festgelegt. Bestimmt findet sich jemand, der regelmäßig das landeskirchliche Intranet (www.elkb.de) auf wichtige Informationen für den Kirchenvorstand überprüft. Er oder sie könnte zum oder zur „Intranetbeauftragten“ des Kirchenvorstandes berufen werden.

Kirchliche Strukturen Die Stichworte „Dekanatssynode“ oder „Jugendbeauftragte“ geben spätestens Anlass, über die Organisations- und Zuständigkeitsstruktur der Landeskirche und ihre Bedeutung für den Kirchenvorstand zu informieren: - Kirchenleitung: Landesbischof/bischöfin, Regionalbischof/bischöfin, Landeskirchenrat, Landessynode, Landessynodalausschuss - Verwaltung: Landeskirchenamt, Landeskirchenstelle, Gesamtkirchenverwaltung, Verwaltungsstelle - Mittlere Ebene: Dekan/in, Dekanat, Dekanatssynode, Dekanatsausschuss

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Wo und wie Sie in der Startphase Unterstützung finden Das Amt für Gemeindedienst und andere kirchliche Einrichtungen bieten Ihnen (nicht nur in der Startphase) Unterstützung an. Hier ein Überblick:

Beratung

Kirchenvorstandsfachbegleitung (AfG) Gemeindeberatung (GA)

Fortbildung

Impulstage „Im neuen Kirchenvorstand“ (AfG + FW) Kirchenvorstandswochenenden mit Begleitung (GA + AfG) Kirchenvorstandsseminar „Neu im Kirchenvorstand“ (HB + AfG) Training für Kirchenvorstände „Rückenwind“ (Regionale EBWs) GET – Training für Gemeindeentwicklungsteams (AfG)

Arbeitshilfen

„Gemeindeleitung im Blick – Praxisbuch für den Kirchenvorstand“ (Neuausgabe) „Rückenwind“ – Neuausgabe der Fortbildung für Kirchenvorsteher/innen „Gemeinde leiten“- Das Magazin für Kirchenvorstände Dieter Pohl, Aktiv im Kirchenvorstand, Luth. Verlagshaus 2000 Ernst Georg Gäde, Kirchenvorstand konkret, Spener – Verlag 2001

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AfG Amt für Gemeindedienst Nürnberg

Erklärungen

Infos unter: www.afg-elkb.de Kontakt: [email protected] GA Gemeindeakademie Rummelsberg Infos unter: www.gemeindeakademie-rummelsberg.de Kontakt: [email protected] FW Frauenwerk Stein Infos unter: www.fachstelle-frauenarbeit.de Kontakt: [email protected] HB Evang. Bildungszentrum Hesselberg Infos unter: www.ebz-hesselberg.de Kontakt: [email protected] EBW Evang. Bildungswerke in den Dekanatsbezirken Adressen bitte über das Dekanat erfragen

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Neue Bestimmungen in der Kirchengemeindeordnung Die Kirchengemeindeordnung ist die rechtliche Grundlage für die Kirchenvorstandsarbeit. Sie wurde in einigen Punkten geändert. Dabei lassen sich zwei wichtige Intentionen ausmachen: Den vollen Wortlaut der geänderten KGO finden Sie im Praxisbuch ab Seite 257

1. Die Zusammenarbeit zwischen Kirchengemeinden soll verbessert werden. 2. Die Eigenverantwortung des Kirchenvorstandes im Umgang mit Personal, Finanzen und Immobilien der Kirchengemeinde soll gestärkt werden. Die folgende Übersicht verschafft Ihnen einen ersten Überblick über die wichtigsten Änderungen für Ihre Arbeit im Kirchenvorstand: • Die Kirchengemeinden, die zu einer Pfarrei zusammengeschlossen sind, sollen einen gemeinsamen Kirchenvorstand bilden, wenn dies der besseren Entfaltung des örtlichen Gemeindelebens dient (§ 18a KGO). • Benachbarte Kirchengemeinden sind zur Zusammenarbeit verpflichtet. Sie können Arbeitsgemeinschaften bilden und Kooperationsvereinbarungen abschließen. Oder sie delegieren gemeinsame Aufgaben an den Dekanatsbezirk (§ 26 KGO). • Hauptamtliche theologisch-pädagogisch Mitarbeitende (z.B. Diakone bzw. Diakoninnen und Religionspädagogen bzw. Religionspädagoginnen) sowie hauptamtliche Kirchenmusiker und Kirchenmusikerinnen gehören als beratende Mitglieder auf ihren Antrag hin dem Kirchenvorstand an (§ 27 KGO). • Der Kirchenvorstand hat in Gemeinden bis 1000 Gemeindemitgliedern sechs Kirchenvorsteher bzw. Kirchenvorsteherinnen. Kleinere Kirchenvorstände mit mindestens vier Mitgliedern sind nur noch als Ausnahmeregelung möglich und müssen vom Dekan bzw. der Dekanin genehmigt werden (§ 28 KGO).

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• Bei beschließenden Ausschüssen werden der bzw. die Vorsitzende und der bzw. die stellvertretende Vorsitzende direkt vom Ausschuss bestimmt (§ 46 Abs. 4 KGO). • Der Kirchenpfleger bzw. die Kirchenpflegerin muss nicht Mitglied des Kirchenvorstandes sein. Er bzw. sie kann auch ein zum Kirchenvorstand wählbares Gemeindemitglied – auch einer anderen Kirchengemeinde – sein. Die Aufgaben des Kirchenpflegers bzw. der Kirchenpflegerin können auch der Verwaltungsstelle oder dem Kirchengemeindeamt übertragen werden (§ 53 KGO). • Der Kirchenvorstand beschließt selbst einen Stellenplan für die Angestellten der Kirchengemeinde (z.B. Mesner/in, Sekretär/ in, Hausmeister/in). Er trägt die Verantwortung dafür, dass die Finanzierung der Stellen gesichert ist (§ 56 KGO). • Die Kirchengemeinden erhalten Schlüsselzuweisungen und Bedarfszuweisungen nach dem neuen innerkirchlichen Finanzausgleich (§ 81 Abs. 3 KGO) als Budget. • Stärker als bisher liegen Entscheidungen, die die Finanzen und das Vermögen der Kirchengemeinde (§ 104) oder Baumaßnahmen der Kirchengemeinde (§ 105) betreffen, in der direkten Verantwortung des Kirchenvorstandes, sofern sie bestimmte Freigrenzen nicht übersteigen. Näheres regeln Verordnungen. Grundsätzlich gilt der Grundsatz: Die Kirchengemeinde hat das Recht und die Pflicht, Beratung durch die Aufsicht in Anspruch zu nehmen (§ 100 Abs. 2 KGO). Deshalb sind auch nicht genehmigungspflichtige Entscheidungen in jedem Fall der kirchlichen Aufsichtsbehörde so rechtzeitig mitzuteilen, dass deren Anregungen vor einer endgültigen Beschlussfassung berücksichtigt werden können (§ 104 ff. KGO).

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Wahlen der Dekanatsfrauenbeauftragten Materialien und Informationen zur Wahl der Dekanatsfrauenbeauftragten finden Sie im Intranet.

Ende 2006/Anfang 2007 werden die Dekanatsfrauenbeauftragten und Stellvertreterinnen neu gewählt. (Wahlordnung für die Wahl der Dekanatsfrauenbeauftragten KABl12/2005 Seite 315 ff.)

Die Dekanatsfrauenbeauftragten haben die Aufgabe, für die gerechte Gemeinschaft von Frauen und Männern gemäß Art. 11 Kirchenverfassung und für die Belange der Frauenarbeit bei den Organen des Dekanatsbezirks einzutreten. Sie stehen in Kontakt zur Frauengleichstellungsstelle der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern (fgs), der Fachstelle für Frauenarbeit der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern (Fachstelle für Frauenarbeit) und zu den Frauenbeauftragten des Kirchenvorstands. Sie halten Kontakt zu den Vertrauenspersonen für Ehrenamtliche. Die Dekanatsfrauenbeauftragten arbeiten mit verantwortlichen Frauen der Frauenarbeit im Dekanatsbezirk zusammen. Sie sind Ansprechstellen für die Frauen des Dekanatsbezirks, auch im Sinne der Ordnung zum Beschäftigtenschutz, und vermitteln Kontakte zwischen diesen und der Frauengleichstellungsstelle. In nahezu allen Dekanatsbezirken sind seit 1989 Dekanatsfrauenbeauftragte und deren Stellvertreterinnen tätig. Zusammen mit Frauenbeauftragten der Kirchenvorstände engagieren sich in diesem Bereich ca. 700 Frauen. Es werden zwei Dekanatsfrauenbeauftragte und bis zu drei Stellvertreterinnen gewählt, die für die Belange der Gleichstellungs- und Frauenarbeit auf Dekanatsebene eintreten. Sie werden für sechs Jahre gewählt, damit die Amtszeit mit der Amtszeit der Dekanatsgremien übereinstimmt. Wählbar sind alle evangelischen Frauen eines Dekanatsbezirks, die zum Kirchenvorstand wählbar sind. Dabei gelten die besonderen Ausnahmen nicht, die für die Wahl als Kirchenvorstand gelten (Familienangehörige von Mitgliedern des Kirchenvorstands und Angestellte der Gemeinde); § 27 Abs. 3 der KGO findet keine Anwendung.

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Wahlberechtigt sind alle Kirchenvorsteherinnen und Ersatzkirchenvorsteherinnen der neu konstituierten Kirchenvorstände und in jeder Gemeinde bis 1.000 Gemeindeglieder 3 – 5, ab 1000 Gemeindeglieder 5 – 10 Wahlfrauen. Diese werden vom neuen Kirchenvorstand benannt. Gewählt wird in einer Wahlversammlung. Hierzu werden alle Wahlberechtigten mindestens 14 Tage vorher schriftlich eingeladen. Briefwahl ist zu ermöglichen. Verantwortlich für die Durchführung der Wahl sind die bisherigen Dekanatsfrauenbeauftragten und der Dekan oder die Dekanin bzw. ein/e vom ihm bzw. ihr Beauftragte/r. Wir würden uns freuen, wenn der neue Kirchenvorstand für seine Arbeit eine Frauenbeauftragte benennt, und so ein guter Kontakt der Kirchenvorstände zu den Dekanatsfrauenbeauftragten entsteht bzw. gesichert wird. Wir danken allen, die zur Umsetzung des Gleichstellungsartikels 11 der Kirchenverfassung zu einer gerechten Gemeinschaft von Frauen und Männern und zur Stärkung der Frauenarbeit beitragen.

Aufgaben der Frauenbeauftragten im Dekanatsbezirk Die Dekanatsfrauenbeauftragten haben die Aufgabe, für die gerechte Gemeinschaft von Frauen und Männern gemäß Art. 11 Kirchenverfassung und für die Belange der Frauenarbeit im Dekanatsbezirk einzutreten. Je Dekanatsbezirk bzw. Prodekanatsbezirk gibt es zwei gleichberechtigte Dekanatsfrauenbeauftragte und bis zu drei Stellvertreterinnen. Die Tätigkeit ist ehrenamtlich. Die beiden Dekanatsfrauenbeauftragten vereinbaren im gegenseitigen Einvernehmen eine Aufgabenteilung. Dabei können sie die Stellvertreterinnen einbeziehen. • Sie sind Ansprechpartnerinnen für die Frauen des Dekanatsbezirks. Sie beobachten, fördern und begleiten die Frauenarbeit

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und die Gleichstellung von Frauen und Männern im Dekanatsbezirk. Sie setzen sich für Frauen, die direkt oder indirekt benachteiligt werden, auch im Sinne der Ordnung zum Beschäftigtenschutz (RS 803), ein. • Sie vertreten die Interessen und Belange der Gleichstellungsund Frauenarbeit im Dekanatsbezirk, indem sie sich in den Entscheidungsgremien des Dekanatsbezirks (Dekanatssynode bzw. Dekanatsausschuss) beteiligen. Dies gilt auch für die Mitarbeit in beratenden und beschließenden Ausschüssen der Dekanatsgremien. • Sie führen regelmäßige Informationsgespräche mit dem Dekan/der Dekanin. • Sie halten den Kontakt zu den Vertrauenspersonen für Ehrenamtliche (Nr. V der Ausführungsbestimmungen zum Ehrenamtsgesetz RS 802). • Sie halten Kontakt zur gemeindlichen Frauenarbeit und zu den Frauenbeauftragten des Kirchenvorstandes. • Sie setzen sich dafür ein, dass die veränderten Rollen von Frau und Mann bewusst werden, um dadurch zu einer gerechten Gemeinschaft von Frauen und Männern in der Kirche beizutragen. Dazu halten sie auch Kontakte mit der Männerarbeit. • Sie tragen dazu bei, dass die Lebenswirklichkeit, die Erfahrungen und die Arbeit von Frauen auf allen Ebenen der Kirche sichtbar gemacht und gewürdigt werden. Dies geschieht auch durch Rückmeldungen (z.B. Problem- und Bedarfsanzeigen der Frauen vor Ort) an die Fachstelle für Frauenarbeit und die Frauengleichstellungsstelle. • Sie nutzen die Informationen über die verbandliche evangelische Frauenarbeit, z.B. Deutscher Evangelischer Frauenbund (DEF), Evangelische Frauenarbeit in Bayern (EFB), über Fortbildungsmöglichkeiten (Fachstelle für Frauenarbeit, Bildungswerke und Bildungszentren), für Kooperationen und Informationsweitergabe. • Sie machen kirchliche Gleichstellungs- und Frauenarbeit öffentlich, insbesondere durch eigene Projekte (beispielsweise Durchführung von Veranstaltungen von und für Frauen, Öffentlichkeitsarbeit) und die Mitarbeit in Frauen- und Gleichstellungsgremien vor Ort.

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Der neue innerkirchliche Finanzausgleich Der neue innerkirchliche Finanzausgleich stellt die neuen Kirchenvorstände in eine Situation, für die es bisher wenig Erfahrungen gibt: Die Steuerung der Gemeindefinanzen als permanenten Anpassungsprozess an die Entwicklung der Gemeindegliederzahl. In der Regel ist die Gemeindegliederzahl der Hauptfaktor für die Berechnung der Schlüsselzuweisung. Aufgeteilt in eine Grund- und Ergänzungszuweisung hat die Gemeinde ein Budget, aus dem sie alle Sach- und Personalausgaben tätigen muss. Ausgenommen sind davon die Gehälter der Pfarrer/innen, theologisch-pädagogisch Mitarbeitenden und 90% des Gehalts der Kirchenmusiker/innen (A- und B-Stellen). Es geht um treue und vorausblickende Haushalterschaft ohne den bisher gerne praktizierten „Gang nach München“, wenn man sich verkalkuliert hat. In einem Zeitraum von fünf Jahren werden die Finanzzuweisungen für alle Kirchengemeinden und Dekanatsbezirke in jährlichen Schritten um jeweils 20% dem errechneten Endzustand angepasst. Er muss im Jahr 2011 erreicht sein. In diesen fünf Jahren haben die Kirchenvorstände Zeit, in einem geordneten Verfahren die jeweilige Anpassung des Haushalts entsprechend der Zuweisung für ihre Gemeinde vorzunehmen.

Eine gut verständliche Einführung in den neuen innerkirchlichen Finanzausgleich finden Sie im Intranet

Dies kann gelingen, wenn man heute die Perspektive „Gemeinde 2012“ einnimmt. 2012 deshalb, weil ab diesem Jahr der fünfjährige Übergangs- und Anpassungsprozess des neuen innerkirchlichen Finanzausgleichs vollzogen ist. Die Kirchenvorstände haben Erfahrungen gewonnen, was es bedeutet, wenn die Gemeindegliederzahl als Berechnungsgrundlage für die Schlüsselzuweisung herangezogen wird. Für die Gemeindegliederzahl ist ausschließlich der Stand des landeskirchlichen Meldewesens zum 31.07. des dem Haushaltsjahr vorangehenden Jahres maßgeblich. Dabei werden nur Gemeindeglieder mit Hauptwohnsitz berücksichtigt. Für die Berechnung 2012 gilt also die Gemeindegliederzahl-Zahl 2011. Es lohnt sich also, schon heute die prognostische Perspektive einzunehmen.

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Folgende Schritte sind deshalb für eine relativ gesicherte Prognose zu empfehlen: 1. Lassen Sie sich von Ihrem Kirchengemeindeamt bzw. Ihrer Verwaltungsstelle die Grundzuweisung für Ihre Kirchengemeinde für die Jahre 2007 – 2011 berechnen (Schlüsselzuweisung - Ergänzungszuweisung = Grundzuweisung). Die Höhe der Ergänzungszuweisung ergibt sich aus einem jährlich von der Dekanatssynode festzulegenden Prozentwert zwischen 5% und 15% der Schlüsselzuweisung. 2. Erstellen Sie eine relativ gesicherte Prognose über die demographische Entwicklung der Gemeindegliederzahl Ihrer Kirchengemeinde. Eine sehr gute Quelle für Orte ab fünftausend Einwohner finden Sie im Internet unter www. wegweiserdemographie.de

• Dabei können Sie im Intranet der ELKB die aktuellen Zahlen abrufen und mit den Zahlen der Jahre 2004 – 2006 vergleichen (Suchbegriff „Statistik“). • Ihre Gemeinde- oder Stadtverwaltung kann Ihnen Auskunft geben über die demographische Entwicklung an Ihrem Ort. • Vergleichen Sie, ob sich die kommunalen und kirchlichen Entwicklungen ähnlich sind und sich damit auf kirchlicher Ebene bestätigt, was sich auf kommunaler Ebene abzeichnet. Oder stellt die kirchliche Entwicklung ein Phänomen dar, das sich von der demographischen Entwicklung des gesellschaftlichen Umfeldes unterscheidet? Eine erste noch unvollständige Prognose kann man nun erstellen, indem man die sich in den letzten drei Jahren abzeichnende Entwicklung auf das Jahr 2011 hochrechnet. • Die Ausweisung von Baugebieten ist ein wichtiger Faktor für eine genauere Prognose. Größere Städte stellen im Intranet alle Informationen darüber zur Verfügung. Auch diese Frage kann durch Auskünfte bei den Stadt- und Gemeindeverwaltungen geklärt werden: Wie viele Wohneinheiten sind bis wann geplant? Wie viele Neuzuzüge werden erwartet? Und dann prüfen Sie kritisch, wie viel Prozent davon vermutlich evangelisch sein werden. • Erstellen Sie nun drei Szenarien für die Entwicklung Ihrer Gemeindegliederzahlen: negative, mittlere und positive Annahme.

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3. Lassen Sie sich auf der Grundlage dieser Szenarien von Ihrem Kirchengemeindeamt oder Ihrer Verwaltungsstelle die Höhe der Finanzzuweisung berechnen. Achtung: Diese Berechnung ist nur auf der Basis des zurzeit gültigen Punktwertes pro Gemeindeglied möglich. Dieser Punktwert ist jedoch variabel und bestimmt sich aus den Kirchensteuereinnahmen. Sind diese rückläufig, wird auch der Punktwert niedriger ausfallen. Die Entscheidung über die Höhe des gesamten Zuweisungsbudgets und damit auch den Punktwert stehen wegen der Haushaltshoheit der Landessynode zu. 4. Der Dekanatsausschuss entscheidet über Gelder, die er aus dem Topf der Ergänzungszuweisung an die Kirchengemeinden ausbezahlt, nach Antrag durch die Kirchengemeinde. Nach welchen inhaltlichen Kriterien er dies tut, erfahren Sie bei Ihrem/r Dekan/in. Klären Sie also, für welche besonderen Maßnahmen, Projekte, Umstände oder Härtefälle Sie Finanzmittel in welcher Höhe beantragen können. Dies setzt zum einen eine inhaltliche Prioritätenplanung voraus, zum anderen einen Fünf-JahresPlan. 5. Der Fünf-Jahres-Plan ist besonders den Gemeinden ans Herz zu legen, die Reduktionen hinnehmen und umsetzen müssen. Ist das Reduktionsziel nur durch Personalabbau zu erreichen, sollten Sie diesen Plan zusammen mit Ihrem Kirchengemeindeamt oder der Verwaltungsstelle entwickeln. Diese Dienstleister haben in der Regel einen guten Überblick, wo sich durch natürliche Fluktuation im Personalbereich der Gemeinden des Dekanatsbezirks evtl. berufliche Alternativen abzeichnen. 6. Ab 1. Januar 2007 sieht die neue Kirchengemeindeordnung in § 18a vor, dass in Pfarreien, die mehrere Kirchengemeinden umfassen, ein gemeinsamer Kirchenvorstand gebildet werden soll, sofern dies der besseren Entfaltung des örtlichen Gemeindelebens dient. Für die einzelnen Kirchengemeinden können dann regionale Ausschüsse bzw. Ortsausschüsse nach § 46 Abs. 1 KGO gebildet werden. Auch kann es in manchen benachbarten Gemeinden Überlegungen geben, ob man nicht fusionieren will. Für die Zuweisungen nach dem Innerkirchlichen Finanzausgleich bedeutet dies: Es ist eine Übergangsregelung

Wenn Sie dafür externe Prozessbegleitung und –beratung brauchen, wenden Sie sich an die Gemeindeberatung der Gemeindeakademie Rummelsberg

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vorgesehen. Kirchengemeinden, die sich zu einer Kirchengemeinde zusammenschließen, erhalten ab Zusammenschluss für einen Übergangszeitraum von fünf Jahren die Summe der Grundzuweisungen, die sie für diesen Zeitraum als weiterhin bestehende Einzelkirchengemeinden erhalten würden. Dies soll eine moderate Neustrukturierung ermöglichen. Aus Gründen der Gleichbehandlung mit Kirchengemeinden ähnlicher Größe wurde eine Befristung auf fünf Jahre vorgesehen. Wir werden in Zukunft noch mehr über Geld reden müssen. Dies gehört auch zur geistlichen Gemeindeleitung. In der Bibel finden wir das Wort „Talente“. Es ist eine Maßeinheit für Geld. Der Gutsbesitzer vertraut seinen Verwaltern Talente an. In diesem Gleichnis verschwimmen schon die Bedeutungen. Talente sind hier auch Begabungen. So verwenden wir auch das Wort. Talente sind Begabungen von Menschen. Ein Wort und zwei Bedeutungen: Geld und Geistesgaben gehören zusammen. Mit Geld können sich Geistesgaben entfalten. Und umgekehrt: Im rechten Geist verwaltet, kann Geld der Erbauung der Gemeinde dienen. Ihre besten Talente sind gefragt.

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Die Bedingungen, die uns prägen Im KV kommen Menschen zusammen, die gemeinsam einen konkreten Auftrag erfüllen. Sie treffen sich zu einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort unter bestimmten Rahmenbedingungen. Sie entwickeln und pflegen Umgangsformen, die zu ihrer Persönlichkeit passen und ihrem Auftrag als Gemeindeleitung entsprechen. Dabei spielt auch das geistliche Klima eine wichtige Rolle. Alle diese Faktoren machen zusammen genommen die „Kultur“ eines Kirchenvorstandes aus. Daneben tritt die Geschäftsordnung. Hier spielt der rechtliche Rahmen, den die Kirchengemeindeordnung (KGO) vorgibt, eine entscheidende Rolle. Die Vorgaben und die Spielräume der KGO gilt es auszuloten und für die Arbeit im Kirchenvorstand nutzbar zu machen. Die Einbeziehung der gemeindlichen Öffentlichkeit in die Arbeit des Kirchenvorstandes, die Regelung des Vorsitzes, die Einrichtung von Ausschüssen und die Ernennung von Ressortbeauftragten, an die Teilaufgaben delegiert werden können, schließlich die Erstellung einer sinnvollen Geschäftsordnung – all das sind Punkte, die sorgfältig bedacht und klar geregelt sein wollen, damit die Arbeit im Kirchenvorstand mit Schwung und Rückenwind geschieht und nicht immer wieder von unnötigen Zeitfressern ausgehöhlt wird. Auf dem Hintergrund der inneren und äußeren Rahmenbedingungen entsteht ein Gefüge der Sitzungskultur im Kirchenvorstand, das so aufeinander abgestimmt ist, dass die Arbeit erfolgreich bewältigt werden kann. Das Augenmerk liegt dabei besonders auf der Sitzungsvorbereitung, Sitzungsgestaltung und Sitzungsnacharbeit. Dieses Kapitel „Bedingungen, die uns prägen“ widmet sich der Suchbewegung nach einer effizienten und spirituell geprägten KV-Arbeit. Dabei geht es um folgende Schlüsselfragen: 1. Welche Kultur prägt uns im Kirchenvorstand? 2. Welche Geschäftsordnung ist für uns sinnvoll? 3. Welche Möglichkeiten der Sitzungsgestaltung nutzen wir?

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1. Welche Kultur prägt uns im Kirchenvorstand? Noch einmal: Im Kirchenvorstand kommen konkrete Menschen zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort unter bestimmten Rahmenbedingungen zusammen. Ihre Umgangsformen spielen eine wichtige Rolle. Und schließlich auch das geistliche Klima, das dort herrscht. Auch wenn das banal klingen mag: Jeder dieser Faktoren spielt eine nicht zu unterschätzende Rolle, wenn es um die Kultur im Kirchenvorstand geht: - der Umgang mit der Zeit - die Auswahl und Gestaltung des Ortes - die Umgangsformen und Spielregeln - die Spiritualität So kann beispielsweise der Raum, in dem der Kirchenvorstand tagt, liebevoll hergerichtet sein. Die Mitglieder des Kirchenvorstandes können offen und herzlich miteinander umgehen. Zu Beginn jeder Sitzung kann ein Mitglied des Kirchenvorstandes eine wunderschöne Andacht vorbereiten. Wenn jedes Mal wieder zwei eine Viertelstunde zu spät kommen, wird sich das auf Dauer nachteilig auf das Klima im Kirchenvorstand auswirken. Die anderen werden sich zunächst verdeckt und mit der Zeit ziemlich sicher offen über die beiden ärgern. Das wirkt sich auf die Umgangsformen negativ aus und kann bis hin zu einem offenen Konflikt eskalieren. Die Andacht leidet immer mehr unter der Unterbrechung durch die Zuspätkommenden oder verflacht zu einer beliebigen Überbrückung der Wartezeit, „bis endlich alle da sind und wir richtig anfangen können“. Andere werden mit dem gleichen Recht ebenfalls zu spät kommen und höhlen damit die Spielregel „Pünktlichkeit“ gewollt oder ungewollt weiter aus. Mit der Zeit hat keiner mehr große Lust, rechtzeitig da zu sein und den Raum schön herzurichten, „weil ja sowieso alle machen, was sie wollen.“ Sicher ist das Szenario überzeichnet. Aber es macht deutlich, wie sich ein gedankenloser Umgang mit dem Faktor „Zeit“ nach und nach auf die übrigen Faktoren so auswirkt, dass die Kultur im Kirchenvorstand allmählich ernsthaften Schaden nimmt. In

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ähnlicher Weise wirkt ein unaufgeräumter, kalter und schlecht gelüfteter Raum. Die Umgangsformen leiden darunter, das spirituelle Klima kann sich gleich gar nicht recht entfalten in der muffigen Atmosphäre und der äußeren Unordnung, die alle beeinträchtigen. Eine lieblos vorbereitete Andacht, die einfach abgelesen wird, fördert nicht die geistliche Kultur eines Kirchenvorstandes, sondern macht sie zur Karikatur. Sie fordert geradezu dazu heraus, sich „den ganzen frommen Zirkus am Anfang“ zu sparen und tatsächlich erst zu Beginn der „eigentlichen Sitzung“ zu kommen. Ein frostiges Klima unter den Mitgliedern des Kirchenvorstandes, Spielregeln, die eher einschüchtern und mundtot machen und alle vorsichtig und distanziert agieren lassen, lassen keinen echten Schwung und keine Begeisterung aufkommen. In einer solchen Atmosphäre macht es einfach keinen Spaß, auch wenn alle pünktlich da sind und Blumen auf dem Tisch stehen. Umgekehrt gilt aber auch, dass dort, wo die vier Faktoren gepflegt werden und sich gegenseitig ergänzen, erst der richtige Schwung für die Arbeit im Kirchenvorstand entstehen kann. Vieles läuft dann wie von selbst. Es lohnt sich also, in diesen Faktoren nicht nur Selbstverständlichkeiten oder Nebensächlichkeiten zu sehen, sondern ihnen die nötige Aufmerksamkeit und Beachtung zu schenken. Dann kann sich eine Kultur entwickeln, in der die Kirchenvorstandsarbeit Spaß macht und gleichzeitig effektiv ist.

1.1. Wie gehen wir mit unserer Zeit um? Die persönliche Zeit „Time is money“ – so lautet ein gängiges Motto im Wirtschaftsleben. Auch wenn ein Kirchenvorstand kein Aufsichtsrat ist und eine Kirchengemeinde kein Wirtschaftsunternehmen, ist ein wirtschaftlicher Umgang mit der Zeit sinnvoll und notwendig. Denn in unserer Gesellschaft ist Zeit ein knappes und kostbares Gut. Alle seine Mitglieder stellen dem Kirchenvorstand davon etwas zur Verfügung. Aber sie tun das durchaus in unterschiedlicher Weise: Als Hauptamtliche investieren sie einen Teil ihrer Arbeitszeit in die Vorbereitung, Leitung und Moderation (sofern das ihre

Haupt­ amtliche investieren Arbeitszeit

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Aufgabe ist und nicht anderweitig wahrgenommen wird) sowie in die Nacharbeit der Sitzung. Für Pfarrer/innen ist Kirchenvorstandsarbeit ein Teil ihrer vielfältigen Aufgaben, für die sie aufgrund ihres Dienstauftrages verantwortlich sind. Sie haben von daher ein natürliches Interesse daran, dass die Arbeit effektiv und mit einem überschaubaren zeitlichen Budget zu bewältigen ist. Im Rahmen ihrer sonstigen Verpflichtungen sollte die Kirchenvorstandsarbeit auf jeden Fall eine hohe Priorität einnehmen. Schließlich handelt es sich dabei in erster Linie um die anspruchsvolle Aufgabe der Gemeindeleitung. In der Praxis gerät das vielfach aus dem Blick. Die Schwerpunkte verlagern sich in unguter Weise auf die Bewältigung des Tagesgeschäftes, das sich immer wieder in den Vordergrund zu schieben droht. Termine, Telefonate, Besuche, Sitzungen, Veranstaltungen und Vorbereitungen füllen den Kalender und die Arbeitskraft so aus, dass es oft heißt: „Und jetzt muss ich auch noch in den Kirchenvorstand.“ So wird das Leiten schnell zum Leiden. Umgekehrt läge Musik darin, die Kirchenvorstandsarbeit als den Dreh- und Angelpunkt für die Organisation der übrigen Aufgaben zu begreifen. Wenn es gelingt, das Leitungsgeschäft sinnvoll zu gestalten, lassen sich die übrigen Aufgaben leichter zuordnen. Schließlich sind Pfarrer/innen in erster Linie für die Gemeindeleitung verantwortlich. Daher gilt als Grundregel für die Hauptamtlichen: „Ich mache mir klar, dass die Mitarbeit im Kirchenvorstand im Rahmen meiner Arbeitszeit für mich oberste Priorität hat. Ich möchte sie möglichst effektiv gestalten.“

Ehren­ amtliche investieren Freizeit

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Ehrenamtliche schenken dem Kirchenvorstand freiwillig einen Teil ihrer kostbaren Freizeit. In der Praxis sieht das höchst unterschiedlich aus: Da ist der berufstätige leitende Angestellte, der am nächsten Morgen wieder früh an seinem Arbeitsplatz sitzt. Da ist die Hausfrau und Mutter von drei kleinen Kindern, die sich unter großem Zeitdruck den freien Abend organisiert hat, damit sie überhaupt zur Sitzung gehen kann. Da ist die Frau, die in der Mitarbeit im Kirchenvorstand eine Aufgabe sieht, die sie mit ihren Gaben und Möglichkeiten sinnvoll gestalten kann. Da ist der aktive Vorruheständler, der seine Erfahrungen aus dem Berufsleben gerne einbringt. Da ist der/die Studierende, dem/der es immer wieder schwer fällt, regelmäßig an den Sitzungen teilzunehmen, weil der eigene Lebensrhythmus dadurch zu sehr festgelegt wird. Da ist der Schichtarbeiter, der nach einem langen Arbeitstag kaum noch die Augen offen halten kann, wenn die Sitzung zu lange dauert. Bei allen Un-

terschieden haben diese Ehrenamtlichen doch einige Gemeinsamkeiten: Sie wollen wertgeschätzt und als gleichberechtigte Partner anerkannt werden. Sie wollen sozusagen „auf Augenhöhe“ mit den Hauptamtlichen im Kirchenvorstand zusammenarbeiten. Und sie wollen das freiwillig, selbstbestimmt und mit einem Gewinn für sich selbst tun. Die meisten von ihnen gehen in diesem Ehrenamt nicht auf: Sie müssen es immer wieder mit zahlreichen anderen Verpflichtungen in der Familie und im Beruf in Einklang bringen. Viele von ihnen sind darüber hinaus in der Kirchengemeinde, im Gemeinde- oder Stadtrat oder in Vereinen mehrfach engagiert. Die Mitarbeit im Kirchenvorstand hat für sie in aller Regel einen hohen Stellenwert. Gleichzeitig möchten sie davon nicht vereinnahmt und überfordert werden. Die oberste Regel für die Ehrenamtlichen im Kirchenvorstand lautet daher: „Ich mache mir klar, dass die Mitarbeit im Kirchenvorstand für mich persönlich eine gute Möglichkeit ehrenamtlichen Engagements darstellt. Ich bin bereit, dafür einen Teil meiner Freizeit zur Verfügung zu stellen und erwarte mir dafür auch einen persönlichen Gewinn.“ Der Vergleich macht deutlich, dass es durchaus verschiedene Erwartungen und Bedürfnisse für Hauptamtliche und Ehrenamtliche im Kirchenvorstand gibt, wenn über den Umgang mit Zeit nachgedacht wird. Hauptamtliche möchten ihre Arbeit schnell und effektiv tun. Ehrenamtliche möchten sich im Rahmen ihrer Freizeit sinnvoll betätigen. Der Umgang mit dem Faktor „Zeit“ in den gemeinsamen Sitzungen wird häufig zur Nagelprobe dafür, ob beide Seiten tatsächlich auf ihre Kosten kommen oder nicht. Er sollte von gegenseitiger Wertschätzung getragen sein: „Jede/r von uns investiert einen Teil der eigenen kostbaren Zeit in die Kirchenvorstandsarbeit.“ Für beide Seiten liegt der Schlüssel zum Erfolg in einer sinnvollen und strukturierten Zeitplanung: Wie ist der zeitliche Rahmen unserer abendlichen Sitzungen? Brauchen wir eine Jahresplanung? Haben wir eine zeitliche Struktur für unsere gesamte Amtsperiode? So lauten die entsprechenden Fragen.

Die Sitzungszeit Wie lässt sich das in der Praxis vereinbaren: Effektivität und Selbstentfaltung? Wie können Hauptamtliche und Ehrenamtliche ihre gemeinsame Sitzungszeit so planen und gestalten, dass beide Interessen Gewinn bringend eingebracht werden

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statt sich gegenseitig zu blockieren? Zwei Gefahren gilt es dabei zu vermeiden: Zum einen besteht die Gefahr, dass die Effektivität zu Lasten der Selbstentfaltung geht. Der Pfarrer/die Pfarrerin zieht die Tagesordnung straff durch. Es besteht kaum Gelegenheit zu Rückfragen oder zur Diskussion unterschiedlicher Meinungen, „weil das ja doch nur Zeit kostet“. In großen Gemeinden mit mehreren Hauptamtlichen ist der Meinungsbildungsprozess häufig schon abgeschlossen, bevor ein Sachverhalt auf die Tagesordnung des Kirchenvorstandes kommt. Die Dienstbesprechungsrunde ist sich einig, dass eine Anschaffung unbedingt nötig ist oder ein Projekt auf jeden Fall durchgeführt werden soll. Jetzt muss das Thema eigentlich nur noch durch den Kirchenvorstand, der dementsprechend als Durchlauferhitzer für Mehrheitsbeschaffung gebraucht – besser: missbraucht – wird. In einem solchen Klima kann sich nichts entfalten und entwickeln, was den Interessen der Ehrenamtlichen entgegenkommt. Vielmehr missbrauchen die Hauptamtlichen so ihren Informationsvorsprung und ihre Machtposition. Doch gilt auch das Umgekehrte: Die Selbstentfaltung dominiert einseitig die Effektivität. Der/die Vorsitzende lässt die Zügel schleifen, damit alle ausführlich zu Wort kommen. Es wird geredet und geredet, aber es klärt sich nichts. Die Sitzungen werden zur Bühne für die Selbstdarstellung weniger. Oder aber die ehrenamtlichen Mitglieder des Kirchenvorstandes verstehen sich als eine Art „Aufsichtsrat“, die den Hauptamtlichen ständig auf die Finger schauen müssen. Alles und jedes wird kritisch hinterfragt, jede Kleinigkeit muss umständlich beantragt und genehmigt werden. In einem solchen Klima unguter Kontrolle fühlen sich Hauptamtliche schnell bevormundet und gemaßregelt und haben zu Recht das Gefühl, dass ihnen der Kirchenvorstand das Leben schwer macht.

Standards

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Natürlich sind die beiden Extreme überzeichnet. Aber Elemente davon finden sich in vielen Kirchenvorständen und sind häufig eine der Ursachen dafür, dass das Klima angespannt und frostig und wenig beschwingend für eine gute Zusammenarbeit ist. Doch genau darum geht es eigentlich: dass alle Mitglieder im Kirchenvorstand auf ihre Kosten kommen und dass sich die Arbeit mit persönlichem Gewinn und zugleich effektiv in der Sache gestalten lässt. Für den Umgang mit der Sitzungszeit lassen sich einige Standards formulieren, die dazu beitragen können, dass dieses Ziel erreicht werden kann.

Es gibt für jede Sitzung einen verlässlichen Zeitrahmen Eigentlich versteht es sich von selbst, dass jede Kirchenvorstandssitzung pünktlich beginnt und schließt. Nur wenn alle Mitglieder verlässlich zur festgelegten Zeit da sind, kann die zur Verfügung stehende Zeit optimal genutzt werden. Und nur wenn die Sitzung verlässlich zum vereinbarten Zeitpunkt endet, können auch diejenigen, die morgens wieder frühzeitig aus dem Bett müssen, bis zum Schluss entspannt teilnehmen. Zwei scheinbar gegenläufige Interessen gilt es bei der Festlegung von Anfang und Ende zum Ausgleich zu bringen: Die einen möchten nicht zu früh beginnen, weil sie vorher noch berufliche oder häusliche Verpflichtungen wahrnehmen. Die anderen möchten nicht zu spät aufhören, damit sie rechtzeitig nach Hause kommen. Nicht zu früh – nicht zu spät: zwischen diesen Polen bewegt sich die Zeitplanung. In der Praxis dürfte der Beginn zwischen 19.30 und 20.00 Uhr liegen; das Ende könnte sich zwischen 22.00 und 22.30 Uhr einpendeln. Als Kernzeit für die abendlichen Sitzungen käme demnach die Zeit zwischen 20.00 und 22.00 Uhr in Frage, die je nach örtlicher Situation nach vorn oder nach hinten um eine halbe Stunde verlängert wird. Jeder Kirchenvorstand wird sich innerhalb des damit gegebenen Spielraumes seine eigene Sitzungszeit geben. Wichtig ist allerdings, dass der Anfang und das Ende nicht jedes Mal wieder neu ausgehandelt werden muss oder von Zufällen abhängt, sondern verlässlich feststeht. Nur dann kann der Faktor „Zeit“ seine gestaltende Kraft für die Erstellung der Tagesordnung und die Kultur eines Kirchenvorstandes wirklich entfalten. Zweieinhalb Stunden stehen als zeitlicher Rahmen für die abendlichen Sitzungen zur Verfügung. Wem das zu wenig erscheint, der sei daran erinnert, dass sich alles, was innerhalb dieser Zeit nicht zu bewältigen ist, auch in einem größeren Zeitbudget nicht sinnvoll beraten und beschließen lässt. Zum Zeitrahmen gehört neben dem verlässlichen Beginn und Ende der Sitzungen auch eine Pause, die je nach Tagesordnung flexibel eingeplant werden kann. Auf jeden Fall sollte sie ihren Platz finden, denn sie gliedert die Sitzung deutlich erkennbar in zwei Halbzeiten, fördert die Aufnahmefähigkeit der Teilnehmenden und schafft ein gutes Beziehungsklima unter ihnen. Auch im Kirchenvorstand gilt der Grundsatz: Wer keine Zeit für Pausen hat, braucht umso mehr Zeit für die Arbeit. (Näheres unter 3.2. Sitzungsdurchführung)

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Es gibt einen regelmäßigen und festen Sitzungstermin Terminplanung ist harte Arbeit. Wer schon einmal versucht hat, mit zwei, drei anderen einen gemeinsamen Termin kurzfristig auszumachen, wird bestätigen können, dass dafür langer Atem und ein hohes Maß an Durchsetzungskraft und Rücksichtnahme nötig ist. Umso schwieriger stellt sich dieser Prozess in einem Gremium mit acht oder mehr Mitgliedern dar. Deshalb ist es sinnvoll, zu Beginn der Amtszeit des neuen Kirchenvorstandes einen feststehenden Abendtermin auszuhandeln, der regelmäßig – am besten monatlich – für die Sitzungen zur Verfügung steht. Alle Mitglieder des Kirchenvorstandes können sich dann langfristig darauf einstellen und bei ihrer sonstigen privaten oder beruflichen Terminplanung darauf Rücksicht nehmen. Am besten vereinbaren die Mitglieder des Kirchenvorstandes, die für die Vorbereitung der Sitzungen und die Erstellung der Tagesordnung verantwortlich sind, auch gleich einen jour fixe für ihre Vorbesprechungen. Manchem mag das zu wenig flexibel oder zu gesetzlich vorkommen. Fest steht allerdings, dass ein disziplinierter Umgang mit dem eigenen Terminkalender und dem der anderen eine Grundvoraussetzung für ein flexibles und kreatives Miteinander ist. Im anderen Fall bleibt davon viel auf der Strecke, weil die Suche nach gemeinsamen Zeiten wichtiger wird als die Gestaltung dieser gemeinsamen Zeit. Auch im Kirchenvorstand gilt der Grundsatz: Nur wer seinen Terminkalender im Griff hat, kann locker damit umgehen.

Es gibt eine Jahresplanung für Kirchenvorstandsarbeit Der Terminplan der monatlichen Sitzungen wird abgerundet und erweitert durch eine entsprechende Jahresplanung. Besondere Veranstaltungen wie die jährliche Gemeindeversammlung, Kirchenvorstandswochenenden oder Klausurtage, ein Grillabend mit den Ehepartnern oder ein Kirchenvorstandsausflug mit den Familien können dabei sinnvoll berücksichtigt werden. Bestimmte Themen und Routineaufgaben, das Jahresprogramm der Kirchengemeinde, regelmäßig wiederkehrende Berichte von Ausschüssen und Beauftragten, die Genehmigung des Haushaltsplanes und der Jahresrechnung, der Kollektenplan etc. finden ihren Platz im Arbeitsrhythmus des Kirchenvorstandes. All das entlastet die einzelnen Sitzungen, erleichtert die Vorbereitungsarbeit und trägt so zu mehr Effektivität und Gewinn für haupt- und ehrenamtliche Kirchenvorstandsmitglieder bei.

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Die Amtsperiode Vielfach ist der Umgang mit der Zeit geprägt von dem Grundsatz: „Immer weiter so.“ Besser wäre es, neue Anregungen und Möglichkeiten ernsthaft zu prüfen und sie Gewinn bringend umzusetzen. Gerade der Beginn einer Amtsperiode kann als Gelegenheit genutzt werden, Impulse offen aufzunehmen. Die neuen Mitglieder im Kirchenvorstand bremsen mit ihren Fragen und Anregungen nicht den Arbeitseifer der erfahreneren Kolleginnen und Kollegen, sondern bereichern ihn. Sie hören dann nicht länger pauschal den Satz: „Bei uns war das schon immer so“, sondern erhalten eine Chance, in ihre Rolle hineinzuwachsen. Ein Kirchenvorstand verwaltet nicht einfach immer weiter, sondern beginnt stattdessen, zielgerichtet seine Amtsperiode zu gestalten. - Wie lässt sich das erreichen? Am besten dadurch, dass ein Kirchenvorstand seine gesamte sechsjährige Amtszeit als einen sinnvollen Prozess strukturiert.

Der Kirchenvorstand gestaltet seine Startphase bewusst Das erste Jahr dient in erster Linie der Herstellung der eigenen Arbeitsfähigkeit. Zwei Dinge sind dafür vor allem nötig: Eine Geschäftsordnung wird erstellt. Die entsprechenden Ausschüsse, Beauftragungen und Projektgruppen werden eingesetzt. Die Spielregeln und die eigene Kultur entwickeln sich. Die Stimmen der „Neuen“ werden gehört, die Erfahrung der „Alten“ genutzt. Der Standort wird bestimmt. Von dort aus kann dann die weitere Entwicklung geplant werden. Die Bilanz des vorherigen Kirchenvorstandes wird überarbeitet und es werden die Ziele und Prioritäten für die gemeindliche Entwicklung und die inhaltliche Arbeit festgelegt. In der Praxis geht das oft Hand in Hand: Eine Projektidee entsteht und ein entsprechender Ausschuss wird berufen. Oder aber eine bestehende Beauftragung wird daraufhin überprüft, ob sie noch nötig ist. Auf jeden Fall sollte im ersten Jahr der Schwerpunkt darauf liegen, die organisatorische und inhaltliche Ausrichtung soweit zu entwickeln, dass ein Kirchenvorstand seine Arbeit zielgerichtet und effektiv tun kann.

Zwischenbilanz zur Halbzeit Die Halbzeit nach etwa drei Jahren dient einer Zwischenbilanz. Das bisher Erreichte wird vor dem Hintergrund der gesteckten Ziele kritisch gesichtet. Änderungen können vorgenommen

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werden. Notfalls auch Korrekturen. Noch ist Zeit für bislang Unerledigtes. Auch die Beziehungen werden überprüft: Wie gehen wir miteinander um? Wie steht es mit unserer Motivation? Mit neuer Gewissheit und neuem Schwung geht der Kirchenvorstand in die zweite Halbzeit.

Abschlussbilanz als Vorarbeit für den neuen KV Schließlich ist gegen Ende der Amtsperiode eine abschließende Bilanz fällig: Was waren unsere Ziele und Themen? Was haben wir uns vorgenommen? Was erreicht? Was bleibt offen? Wie haben wir zusammengearbeitet? Wo sehen wir Herausforderungen für die nächsten Jahre? Was sind wichtige Entwicklungsschritte für unsere Gemeinde? Über solche und ähnliche Fragen lohnt es sich nachzudenken – am besten an einem eigens dafür geplanten Wochenende. Die Bilanz kann dokumentiert und bei einer Gemeindeversammlung und/oder im Gemeindebrief vorgestellt werden. Auf jeden Fall ist sie eine wertvolle Starthilfe für den neuen Kirchenvorstand. Im Idealfall können die Inhalte der Bilanz den Mitgliedern des Vertrauens– ausschusses zur Verfügung gestellt werden und ihnen bei der Entscheidung helfen, für welche Aufgabenschwerpunkte gezielt nach geeigneten Kandidat/innen Ausschau zu halten ist.

Umgang mit Zeitfressern und anderen Fallen Damit sich eine gute Kultur im Kirchenvorstand entwickeln kann, ist eine sinnvolle und bewusste Zeitplanung unerlässlich. Mindestens ebenso wichtig ist es jedoch, einigen „Zeitfressern“ auf die Spur zu kommen und sie in den Griff zu bekommen. Die gängigsten sind:

„Dem Glücklichen schlägt keine Stun­ de.“

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Unpünktlichkeit scheint in manchen Gremien eine Art Kavaliersdelikt zu sein. Man gesteht es augenzwinkernd anderen zu und erwartet es sich umgekehrt ebenso. Nüchtern betrachtet ist Unpünktlichkeit einer der schlimmsten Zeitfresser. Sie zwingt die, die rechtzeitig gekommen sind, dazu, wertvolle Sitzungszeit mit dem Warten auf die Nachzügler zu vergeuden. Oder sie gesteht umgekehrt diesen das Recht zu, den Ablauf der Sitzung dadurch zu verzögern, dass sie erst nach und nach handlungsfähig werden. Vieles, was bereits gesagt wurde, muss ihnen zuliebe nochmals wiederholt werden, damit auch sie mitreden und mitentscheiden können. Demgegenüber gilt: Die Sitzungen beginnen und enden pünktlich. Wer zu spät kommt

oder früher geht, hat keinen Anspruch auf Verzögerung, sondern kümmert sich selbständig um die Beschaffung entgangener Informationen. Ein ähnliches Problem stellt die Beliebigkeit dar, die gelegentlich in Sitzungen anzutreffen ist. Es gibt keine Gesprächsleitung. Alle reden durcheinander. Die Lautesten kommen am meisten zu Wort. Eine Rednerliste fehlt. Dahinter steht die Angst davor, Leitung zu übernehmen. Man will niemanden bevormunden. Schließlich sind doch alle erwachsene Leute. Doch auch hier gilt: Eine unorganisierte Gesprächsleitung überlässt den Gesprächsverlauf dem Zufall und kostet daher viel Zeit. Eine Hilfe kann es sein, den Gesprächsgang inhaltlich vorzustrukturieren, je nachdem, was damit bezweckt ist. Geht es um Information? Dann bitte nur Beiträge, die dem Informationsfluss dienen oder entsprechende Rückfragen dazu. Geht es um Beratung? Dann können verschiedene Meinungen offen und breit nebeneinander diskutiert werden. Wertungen und Urteile dagegen unterbleiben. Oder geht es um Entscheidung? Dann müssen die Fakten auf den Tisch, das Pro und Contra nochmals auf den Punkt gebracht und zur Abstimmung gestellt werden. Hilfreich ist es, wenn ein entsprechender Antrag bereits vorformuliert werden kann. Neben der inhaltlichen Klärung ist eine saubere Gesprächsleitung unerlässlich. Der/die Gesprächsleiter/in achtet darauf, dass die Rednerliste eingehalten wird und jede/r ausreden kann.

„Jeder nach seiner Facon.“

Ein Kirchenvorstand ist keine Bühne zur Selbstdarstellung – weder für Pfarrer/innen noch für Ehrenamtliche. Jeder Versuch, die eigenen narzisstischen Bedürfnisse auszuleben, geht auf Kosten der gemeinsamen Zeit. Es interessiert die anderen nicht, was ich als Pfarrer/in den ganzen Tag zu tun habe. Vielmehr kostet es ihre Zeit, wenn ich das vor jeder Abstimmung wieder einmal in die Waagschale werfe. Genauso wenig Gewinn verspricht das umgekehrte Spiel, das manche Ehrenamtliche gerne spielen: Die Hauptamtlichen müssten eigentlich viel mehr tun, schließlich würden sie immerhin dafür bezahlt ... Zum partnerschaftlichen Miteinander auf Augenhöhe gehört der Verzicht auf solche destruktiven Spiele. Es gehört die Einsicht dazu, persönliche Eitelkeiten und Empfindlichkeiten soweit zurückzustellen, dass ein sachliches und faires Miteinander vieler unterschiedlicher Menschen im Kirchenvorstand erleichtert wird. Alles andere kostet alle anderen nur unnötig Zeit.

„Jahrmarkt der Eitel­ keiten.“

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„Ich bin doch nicht zuständig.“

Jede/r kennt die peinliche Situation, wenn das Protokoll zu vergeben ist und alle betreten zu Boden schauen. Oder wenn sich wieder einmal peinliches Schweigen ausbreitet auf die Frage, wer die nächste Andacht vorbereiten möchte. Ungeklärte Zuständigkeiten führen immer wieder in derlei Peinlichkeiten. Und vor allem: Sie kosten lähmend viel Zeit. Daher empfiehlt es sich, möglichst gleich zu Beginn der Amtsperiode im neuen Kirchenvorstand zu klären, wie die Zuständigkeiten liegen: Wer schreibt das Protokoll? Wie halten wir es mit unseren Andachten? Wofür brauchen wir Beauftragte?

„Weiß je­ mand noch, was wir das letzte Mal gemacht haben?“

Eine schlechte Vorbereitung kostet umso mehr Zeit. Wer uninformiert kommt, kann nicht kompetent mitreden. Das geht zu Lasten der gemeinsamen Zeit. Besser ist es, das Protokoll rechtzeitig – am besten mit der Einladung und der Tagesordnung zur nächsten Sitzung – allen Mitgliedern des Kirchenvorstandes zuzusenden, damit sie sich einlesen können. Informationsbedarf und Rückfragen können dann schnell geklärt werden. Das Protokoll dient dem Brückenschlag zur vorherigen Sitzung und der Vorbereitung auf die aktuelle Sitzung. Auf diese Weise lässt es sich schneller zur Kenntnis nehmen und zu Beginn der Sitzung kurz genehmigen.

„Dafür habe ich leider keine Zeit.“

Diese Äußerung ist häufig eine Ausrede. Tatsache ist: Wir alle haben die gleiche Zeit – genau 24 Stunden am Tag. Nur – wir teilen sie unterschiedlich ein und verbringen sie mit verschiedenen Dingen. Deshalb müsste die obige Äußerung dahingehend korrigiert werden, dass es heißt: „Ich kann –oder will – nichts von meiner Zeit dafür aufbringen.“ Entweder, weil mir anderes wichtiger ist oder weil ich anderes lieber tue. Oft genug verbirgt sich dahinter eine latente Machtfrage: Warum soll gerade ich dies oder jenes tun? Der oder die andere kann das doch genauso gut machen? Mit solchen Machtspielen vertut man viel Zeit. Besser wäre es, für eine umstrittene Maßnahme den objektiven Zeitbedarf festzustellen und dann gemeinsam nach einer verträglichen Lösung zu suchen, die niemanden überfordert. Gelingt das nicht, sollte man den Mut haben, eine geplante Maßnahme abzusagen.

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Ein gefürchteter Zeitfresser in vielen Kirchenvorständen ist der Tagesordnungspunkt „Sonstiges“ bzw. „Verschiedenes“. Eigentlich ist er dazu gedacht, kurzfristig kleinere Informationen am Ende der Sitzung weiterzugeben, für die in der Tagesordnung kein eigener Platz vorgesehen ist. Unter der Hand entwickelt er sich häufig jedoch zum heimlichen Hauptpunkt. Und das am Ende einer meist mehrstündigen Sitzung. Abgesehen davon, dass Themen, die eine ausführliche Beratung oder gar einen ordentlichen Beschluss verlangen, an dieser Stelle nichts zu suchen haben, erfordert die Vielzahl kleiner Informationen zu fortgeschrittener Stunde ein Höchstmaß an gegenseitiger Aufmerksamkeit und Selbstdisziplin. Ein Tipp: Bereits zu Beginn der Sitzung klären, welche Punkte unter „Sonstiges“ angesprochen werden sollen, um einen Überblick über den zu erwartenden Umfang dieses Tagesordnungspunktes zu erhalten.

„Ich hätte da noch ei­ nen Punkt.“

1.2. Wie gestalten wir unseren Raum? Schon die Frage legt die Vermutung nahe, dass es sich dabei weniger um eine Pflichtübung als um einen kreativen Prozess handelt, bei dem möglichst alle Mitglieder des Kirchenvorstandes gefragt sind. Schließlich verbringen sie mindestens einen Abend pro Monat in diesem Raum. Von daher legt sich der Gedanke nahe, wo immer es von den räumlichen Gegebenheiten her möglich ist, einen eigenen Raum für die Sitzungen des Kirchenvorstandes zur Verfügung zu stellen und diesen entsprechend auszustatten und zu gestalten. Generell gilt für diesen Raum, was für jeden Raum sonst auch gilt: Er hat eine gewisse „Note“, die beim Hereinkommen sofort auffällt und die viel über denjenigen verrät, der dort zuhause ist. Ein Tipp: Führen Sie doch einmal Ihre Gäste in den Sitzungsraum des Kirchenvorstandes und fragen Sie sie nach ihren Eindrücken. Sie werden abgesehen von höflichen Floskeln eine Menge Rückmeldungen bekommen, die Ihnen hoffentlich gut tun und weiterhelfen. Abgesehen von der jeweiligen „Raumnote“ gilt für Tagungsräume des Kirchenvorstandes weiter: Es sind multifunktionale Räume. Sie müssen einer Fülle unterschiedlichster Herausforderungen genügen. Im Einzelnen sind sie:

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Öffent­ licher Raum

Nach den Bestimmungen der Kirchengemeindeordnung sind die Sitzungen des Kirchenvorstandes grundsätzlich öffentlich. Von daher muss der Sitzungsraum des Kirchenvorstandes leicht zu finden und problemlos zu begehen sein. Er sollte ausreichend groß sein und einige Stühle für Gäste bereithalten, die teilnehmen wollen.

Sitzungs­ raum

Die wichtigste Funktion ist es, die monatlichen Sitzungen des Kirchenvorstandes zu ermöglichen. Dazu ist es nötig, eine ausreichende Bestuhlung anzubieten, die so bequem ist, dass ein mehrstündiges Sitzen darauf keine unzumutbare Härte mit sich bringt. Zusammen mit den nötigen Tischen bildet die Bestuhlung den Mittelpunkt im Raum und lässt genügend Platz an den Rändern. Die Tische dienen dazu, Sitzungsunterlagen, Gesangbücher sowie Getränke aufzunehmen. Ein kleiner Blumenschmuck und/oder eine brennende Kerze verbreiten schnell eine freundliche Atmosphäre. Da der Kirchenvorstand gelegentlich auch Gäste zu seinen Sitzungen einlädt, sollten auch für sie die entsprechenden Stühle vorhanden sein.

Präsentati­ onsraum

Zur modernen Sitzungstechnik gehört eine angemessene Präsentation. Viele Informationen bleiben leichter hängen, wenn sie anschaulich dargestellt werden können. Im Sitzungsraum des Kirchenvorstandes sollte daher ein Flipchart vorhanden sein. Gut wäre auch eine Leinwand für den möglichen Einsatz eines Tageslichtprojektors oder Beamers. (Näheres unter 3.1. Sitzungsvorbereitung)

Repräsen­ tations­ raum

Der Kirchenvorstand ist immer wieder einmal Gastgeber. Gelegentlich kommen Vertreter/innen unterschiedlicher Einrichtungen, ökumenische Nachbar/innen, Vertreter/innen des öffentlichen Lebens oder Expert/innen zu bestimmten Themen als Gäste in seine Sitzungen. Bei Stellenbesetzungsgesprächen und in anderen Zusammenhängen geben sich der Dekan/die Dekanin oder auch der Regionalbischof/die Regionalbischöfin die Ehre. Bei Vorstellungsgesprächen kommen Bewerber/innen, die sich für eine ausgeschriebene Pfarrstelle in der Gemeinde interessieren. Sie alle sollten einen gastfreundlichen und angemessenen Eindruck aus diesem Raum mitnehmen können. Ein aufgeräumter und gut gelüfteter Raum, saubere Fenster und

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Fußböden, einige geschmackvolle Bilder an der Wand, eine ansprechende Beleuchtung, die nicht zu hell und nicht zu dunkel ist, können dabei wahre Wunder wirken. Vor und nach der Sitzung und auch während der Pause wird der Raum zum Begegnungsraum. Die Anwesenden wollen sich frei bewegen können und brauchen genügend Platz, um in kleinen Gruppen zusammenstehen zu können. Vielleicht gibt es einen kleinen Nebenraum oder ein Foyer dafür? Dort könnte auch eine kleine Bewirtung und ein Tisch mit Informationsmaterial seinen Ort finden.

Begeg­ nungsraum

Schließlich ist der Sitzungsraum auch ein spiritueller Ort. Geistliche Gemeindeleitung erschöpft sich nicht in pragmatischer Sitzungstätigkeit, sondern braucht immer wieder auch geistliche Impulse. Die Andacht zu Beginn, der Segen zum Schluss sind symbolische Orte dafür. Wie passt der Raum dazu? Gibt es die Möglichkeit, die Beleuchtung zu dimmen? Gibt es Kerzen, ein kleines Tischkreuz, Gesangbücher und Bibeln im Raum? Steht ein CD–Player zur Verfügung, mit dem meditative Musik abgespielt werden kann? Lässt sich der Raum mit einigen Handgriffen vom Sitzungsraum in einen spirituellen Erfahrungsraum verwandeln, so dass der alte benediktinische Grundsatz des „ora et labora“ (bete und arbeite) in der Kultur des Kirchenvorstandes einen ansprechenden Ausdruck finden kann?

Andachts­ raum

In der Praxis werden die einzelnen Merkmale der Raumgestaltung sehr unterschiedlich umzusetzen sein. Nicht überall sind die räumlichen Voraussetzungen so ideal, dass sich alles, was wünschenswert wäre, auch verwirklichen lässt. Trotzdem können die obigen Anregungen dazu dienen, den Sitzungsraum einmal mit anderen Augen zu sehen und das eine oder andere zu tun, damit er den vielfältigen Aufgaben besser gerecht werden kann, die an ihn immer wieder gestellt werden. Ausreichend viel Platz, eine gastfreundliche Atmosphäre sowie die nötige technische Ausstattung sollten dabei das Minimum bilden, damit die Gemeindeleitung „ihren Ort“ findet.

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1.3. Welche Umgangsformen und Spielregeln prägen unser Zusammensein? Es kann hier nicht darum gehen, eine Art „Knigge“ für Kirchenvorstände zu entwickeln. Gleichwohl wirken sich Umgangsformen und Spielregeln durchaus prägend auf die Arbeit im Kirchenvorstand aus. Abgesehen von den allgemeinen zwischenmenschlichen Höflichkeitsregeln, die natürlich auch im Kirchenvorstand gelten, verdienen einige Spielregeln besondere Aufmerksamkeit, weil sie sich förderlich auf den Sitzungsverlauf und die Kultur im Kirchenvorstand auswirken können. Einige dieser Regeln sind praktische Konsequenzen aus der Kirchengemeindeordnung. Andere basieren auf Erfahrungen, die in der Gruppenarbeit gemacht wurden.

Allgemeine Spielregeln für Gruppen Vorbemerkung: Die folgenden Spielregeln stammen aus: F. und P. Höher, Handbuch Führungspraxis Kirche. Entwickeln – Leiten – Moderieren in zukunftsorientierten Gemeinden“, Gütersloh 1999, S. 81f.

- Ich bin pünktlich und halte mich an den Zeitplan und sorge dafür, dass sich andere auch daran halten. - Ich bringe meine Meinung und Bedenken klar zum Ausdruck und spreche Widersprüche offen an. - Ich verzichte auf weitschweifige Ausführungen und langatmige Erklärungen. - Ich werde nicht „hinten herum“ oder nachträglich die Entscheidungen und Ergebnisse torpedieren oder zu verschleppen suchen. - Ich nehme Aufgaben nur an, wenn ich sie auch (zeitlich, fachlich) erledigen kann. Die Aufgaben, die ich angenommen habe, erledige ich tatsächlich. - Wenn mir etwas unklar ist, frage ich. - Ich höre den anderen Teilnehmenden zu und achte darauf, dass alle (unabhängig von der Hierarchie – Ebene) gleich behandelt werden. - Ich spreche nicht „unter vier Augen“ den/die Moderator/in an, damit er/sie etwas in meinem Sinne „zurechtbiegt“.

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- Ich beweise meine Kreativität bei der Suche nach Ideen und Lösungen. Ich zensiere meine Einfälle nicht und riskiere auch Fehler. - Ich verzichte auf alles, was den Ablauf der Sitzung stören kann (z.B. persönliche Angriffe, Seitenhiebe, Zurückhalten von Informationen ...) Manche dieser zehn Punkte sind im Grunde genommen bereits beim Umgang mit der Zeit (vgl. oben unter 1.1.) thematisiert worden. Andere haben mit der „kommunikativen Kompetenz“ des Kirchenvorstandes zu tun, von der auf Seite 115 ausführlicher die Rede sein wird. Vieles davon klingt selbstverständlich. Tatsächlich stehen hinter ihnen jedoch häufig leidvolle Erfahrungen, die immer wieder im Kirchenvorstand wie in anderen Gruppen zu machen sind. So gesehen sind sie ein Versuch, aus diesen eher negativen „Spielen“ positive Spielregeln zu entwickeln. In der Praxis ist es sicherlich hilfreich, wenn in der Anfangsphase eines Kirchenvorstandes solche Spielregeln thematisiert werden. Gemeinsam einigen sich die Mitglieder des Kirchenvorstandes auf ihren Katalog an Spielregeln und dokumentieren ihn so, dass er immer wieder zur Verfügung steht. Vielleicht hängen sie sichtbar im Raum? Auf diese Weise können der/die Sitzungsleiter/in, aber auch jedes andere Mitglied des Kirchenvorstandes immer wieder darauf zurückgreifen, wenn sie Abweichungen von den „Spielregeln“ wahrnehmen.

Besondere Spielregeln für Kirchenvorstände Neben den allgemeinen Spielregeln gelten für Kirchenvorsteher/innen einige besondere, die direkt mit ihrem Amt verbunden sind: - Ich bin bereit, meine Verantwortung als Kirchenvorsteher/in sechs Jahre lang gewissenhaft und verlässlich zu übernehmen. Ich bringe mich dabei inhaltlich und zeitlich nach Kräften ein. - Ich engagiere mich im Kirchenvorstand bewusst als evangelische/r Christ/in. Für mich ist das eine Möglichkeit, meinem Glauben Gestalt zu geben.

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- Ich übernehme Mitverantwortung für das Gemeindeleben und beteilige mich daran. - Ich bin bereit, durch meinen Lebensstil eine gewisse Vorbildfunktion für andere zu übernehmen. - Ich verpflichte mich zur Verschwiegenheit über Angelegenheiten, die mir in meinem Amt bekannt werden. Diese Spielregeln mögen vielleicht etwas spröde klingen. Tatsächlich sind sie jedoch die praktische Konsequenz aus den Bestimmungen der Kirchengemeindeordnung (§ 29 KGO „Amtspflichten der Kirchenvorsteher und Kirchenvorsteherinnen“) und dem Versprechen, das Kirchenvorsteher/innen bei ihrer Einführung gegeben haben: „Ich will das Amt als Kirchenvorsteher oder Kirchenvorsteherin in dieser Gemeinde führen gemäß dem Evangelium von Jesus Christus, wie es in der Heiligen Schrift gegeben und im Bekenntnis der evangelisch-lutherischen Kirche bezeugt ist, und bin bereit, Verantwortung zu übernehmen für den Gottesdienst, für die diakonischen und missionarischen Aufgaben sowie für Lehre, Leben und Ordnung der Kirche – mit Gottes Hilfe.“ In der Praxis ist es sicher nicht ratsam, diese „amtlichen“ Spielregeln einfach zur Kenntnis zu nehmen. Spannender wird es, wenn – etwa im Rahmen eines Wochenendes – die Mitglieder des Kirchenvorstandes z.B. anhand der Verpflichtungsfrage darüber ins Gespräch kommen, wo und wie ihr Glaube im Kirchenvorstand vorkommt und wie sie ihr Amt mit ihrer sonstigen Rolle in der Gemeinde und am Ort in Verbindung bringen. So werden diese Spielregeln weniger zu einem frommen Pflichtenkatalog für Kirchenvorstände, sondern eher zum Impuls dafür, wieder einmal über die geistliche Leitungsaufgabe in der Gemeinde und die eigene Rolle dabei offen nachzudenken.

1.4. Welche spirituellen Kriterien prägen unser geistli­ ches Klima? Anders als die Spielregeln, von denen oben die Rede war, lässt sich das spirituelle Leben im Kirchenvorstand nicht verallgemeinern. Was für das eine Gremium gut ist, wirkt für ein anderes aufgesetzt, zu starr oder zu fromm. Wie jeder Kirchenvorstand seinen eigenen geistlichen Stil entwickelt, so haben auch die

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einzelnen Personen im Kirchenvorstand unterschiedliche Frömmigkeitsmuster. Das hat damit zu tun, dass es unterschiedliche Glaubenstypen gib, die in ihrer Vielfalt den Kirchenvorstand als Ganzes bereichern können: - Für die einen bedeutet Glaube: Zeugnis geben. Sie fragen nach theologischer Wahrheit und Richtigkeit. Sie suchen nach geistiger und geistlicher Klarheit und verstehen ihren Glauben als Orientierungshilfe und Beitrag zur eigenen Identitätsfindung.

Glaube als Zeugnis

- Für die anderen bedeutet Glaube: Gemeinschaft finden. Sie suchen nach prägender Gemeinschaft, wollen spüren, dass sie mit anderen zusammengehören. Wichtig ist ihnen, dass sich Menschen in der Gemeinde wohl fühlen und in sie eingebunden sind.

Glaube als Gemein­ schaftser­ lebnis

- Für die dritten bedeutet Glaube: Gott erfahren. Sie betonen die persönliche Frömmigkeit im Alltag, haben besondere Freude an schön gestalteten Gottesdiensten, ein Gespür für die Bedeutung der Rituale und legen gesteigerten Wert auf regelmäßige und besondere Gottesdienste in einem wiederkehrenden Rhythmus.

Glaube als Gotteser­ fahrung

- Für die vierten bedeutet Glaube: Anderen helfen. Sie entwickeln gerne diakonisches und politisches Engagement, setzen sich für andere ein, arbeiten in sozialen Initiativen und Projekten mit.

Glaube als Hilfe zum Leben

Für einen Kirchenvorstand ist es gut, wenn diese Unterschiede miteinander ins Gespräch kommen und die inhaltliche Arbeit ebenso wie sein geistliches Leben bereichern können. Allerdings ist es nicht ganz einfach. Viele Menschen reagieren vorsichtig und empfindlich, wenn es um ihre innersten Überzeugungen geht. So liegt es nicht immer am Mangel an Zeit oder der Fülle der notwendigen Aufgaben, mit denen die Tagesordnung bestückt ist, wenn sich das geistliche Leben auf eine pflichtgemäß „gehaltene“ Andacht beschränkt. Wo es gelingt, offen über Glaubensüberzeugungen ins Gespräch zu kommen, profitieren in aller Regel alle davon. Die folgenden Kriterien können dabei hilfreich sein.

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Offenheit Damit ein Kirchenvorstand überhaupt „seinen spirituellen Stil“ entwickeln kann, braucht es ein Klima der Offenheit. Wünsche und Bedürfnisse wie freundliche Umgangsformen, Gleichberechtigung von Frauen und Männern, Wärme und Nähe, Orientierung und Bestärkung, Gespräche über theologische Themen und biblische Geschichten, Kontrasterfahrung zur Berufs- und Alltagswelt sind immer mit anwesend, wenn der Kirchenvorstand zusammenkommt. Müssen sie unterdrückt und verborgen bleiben oder dürfen sie auch benannt und angesprochen werden? Ein Kirchenvorstand, der immer wieder Raum für solche Gespräche auch über persönliche Wünsche und Bedürfnisse schafft, wird leichter zu einer spirituellen Kultur finden als einer, in dem das nicht möglich ist.

Stimmigkeit Entscheidendes Kriterium für eine hilfreiche spirituelle Kultur ist die Stimmigkeit. Die Situation im Kirchenvorstand: Themen, Befindlichkeiten, Gefühle und die spirituellen Elemente: Bibeltexte, Gebete, Lieder, Symbole, Bilder etc. werden dialogisch aufeinander bezogen. Ausgangspunkt kann die Frage sein: „Was brauchen wir jetzt in dieser Situation am ehesten?“ Oder umgekehrt: „Woran erinnert uns diese biblische Geschichte, wenn wir an unsere Arbeit im Kirchenvorstand denken?“ Es geht dabei nicht um ein Pflichtprogramm formaler Frömmigkeit, sondern um eine wahrnehmende, kommunikative Offenheit. Situationsbezogen werden persönliche Fragen, Aufgaben und Belastungen des Gremiums und Einzelner sowie immer wieder auch die gesellschaftliche und kirchliche „Großwetterlage“ ins Gespräch gebracht mit biblischer Überlieferung, Liedern, Texten, Bildern und Gebeten im Gesangbuch oder auch der kirchlichen Kunst. Mit einem Wort lässt sich das als „situative Spiritualität“ (Raimund Loebermann) bezeichnen.

Vielfalt Das dritte Kriterium neben der Offenheit und der Stimmigkeit ist die Vielfalt der Formen bei Andachten. Nicht immer müssen sie nach dem bekannten Dreiklang: Lied, Text, Gebet ablaufen, gerade wenn ein Kirchenvorstand die Vielfalt seiner Frömmig-

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keitstypen ernst nimmt. Daneben sind folgende Anregungen denkbar:

Kommunikative Formen Ein biblischer Text wird reihum zweimal gelesen. Dann spricht jede/r den Satz, das Stichwort laut aus, der bzw. das ihm/ihr noch im Ohr nachklingt. In einer weiteren Runde tauschen sich die Mitglieder des Kirchenvorstandes darüber aus, wo sie in dem Text einen Bezug zur Situation (der persönlichen oder der im Kirchenvorstand) sehen. Zum Schluss spricht eine/r noch ein zusammenfassendes Gebet.

„Bibel teilen“

Jede/r erzählt den anderen seine/ihre Lieblingsgeschichte aus der Bibel: „Warum mir diese Geschichte so wichtig geworden ist.“ „Wann und wo ich ihr zum ersten Mal begegnet bin.“ „Was sie mir im Kirchenvorstand bedeutet, sagt, zu denken gibt.“

„Lieblings­ geschichten aus der Bibel“

Alle haben das gleiche Bild sichtbar vor Augen. In einer ersten Runde tragen sie ihre Assoziationen offen zusammen. Dann folgt eine kurze Interpretation durch den Leiter/die Leiterin. Ein gemeinsames Gebet rundet die Betrachtung ab.

„Gemein­ same Bild­ betrach­ tung“

Meditative Formen Im verdunkelten Raum brennt eine Kerze. Leise Musik lädt zum Entspannen und Nachdenken ein. Ein kurzer Text wird verlesen. Die Musik klingt langsam aus.

„Kerzenmeditation“

Die Anwesenden hören in entspannter Atmosphäre bewusst ein Musikstück und lassen dazu „die Seele baumeln“. Gut eignen sich dazu meditative Klänge von Flöte und/oder Gitarre oder Harfe.

„Medita­ tives Mu­ sikstück“

In der Stille erklingt ein biblischer Satz oder ein Wort (Psalmvers, Jesuszitat etc.) Danach ist längere Zeit der Stille, in der jede/r die eigenen Gedanken um dieses Wort kreisen lassen kann. Zum Schluss liest eine/r nochmals den Satz vor.

„Wortmeditation“

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Gestaltete Mitte Sie hilft zur gemeinsamen Konzentration und dabei, über aller Geschäftigkeit im Kirchenvorstand nicht die gemeinsame Mitte aus den Augen zu verlieren. In der Mitte des Raumes oder mitten auf dem Sitzungstisch, um den herum alle sitzen, liegt ein buntes Tuch mit Symbolen des Glaubens (Kreuz, Bibel, Kerzen, Steine, Blumen etc.). Sie werden nicht nur zu Beginn der Sitzung gewürdigt, sondern begleiten die Tagesordnungspunkte als stumme Zeugen dafür, dass alles Verwalten und Gestalten im Kirchenvorstand eingebettet bleibt in ein geistliches Geschehen.

Beteiligung Als viertes Kriterium kommt schließlich die aktive Beteiligung vieler in den Blick. Wer ist für die Andachten verantwortlich? Ist es immer und automatisch der Pfarrer/die Pfarrerin, weil sie es als theologische Fachleute angeblich am besten können? Oder nehmen auch andere Mitglieder des Kirchenvorstandes ihre spirituelle Verantwortung wahr, indem sie ihre theologische Alltagskompetenz angemessen einbringen? Auf diese Weise lässt sich der theologische Anspruch des „Allgemeinen Priestertums aller Getauften“ im Kirchenvorstand ganz konkret umsetzen. Sonst bleibt er häufig nur ein bloßes Lippenbekenntnis. Kirchenvorsteher/innen haben ihr eigene Sicht zu Glaubensfragen. Sie stellen Fragen und stellen manches scheinbar Selbstverständliche in Frage – wie „normale Gemeindemitglieder“ auch. Auf diese Weise wird das Gespräch über Glaubensfragen und werden die Formen, in denen ein Kirchenvorstand seine Spiritualität ausgestaltet, runder und authentischer. Auf diese Weise gewinnt ihre Frömmigkeit eine zeitgemäße Sprache und befreit sich aus dem Winkel einer frommen „Kanzelsprache“. So kann ein Kirchenvorstand seine eigene „spirituelle Kompetenz“ entwickeln oder wenigstens erweitern. Mittelfristig wird das auch das geistliche Leben seiner Gemeinde prägen.

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2. Welche Geschäftsordnung ist für uns sinnvoll? Wie sieht die Geschäftsordnung (GO) eines Kirchenvorstandes in der Praxis aus? Traditionell wurde diese Frage praktisch durch die Vorgaben der „Kirchengemeindeordnung“ (KGO) beantwortet: Der Pfarramtsvorstand hatte den Vorsitz inne und war damit von Amts wegen verantwortlich für alles, was mit Vorbereitung, Einberufung, Leitung und Nacharbeit einer Kirchenvorstandssitzung zu tun hatte. Der Vertrauensmann/ die Vertrauensfrau bereitete mit ihm die Sitzungen vor und besprach die Tagesordnung. Im Verhinderungsfalle übernahm er/sie gelegentlich den Vorsitz. Für einzelne inhaltliche Schwerpunkte (z.B. Ökumene, Diakonie, Mission etc.) und besondere Verwaltungsaufgaben (z.B. Personal, Finanzen, Gebäude etc.) konnten sogenannte „vorberatende Ausschüsse“ gebildet werden. Einzelne Mitglieder des Kirchenvorstandes konnten bestimmte Beauftragungen übernehmen. Alles in allem war das ein solides und bewährtes Modell für die Arbeit im Kirchenvorstand. Eine eigens erstellte GO erübrigte sich daher in den meisten Fällen. Auch wenn sich dieses klassische Modell nach wie vor in vielen Kirchenvorständen bewährt, lohnt es sich trotzdem, die Spielräume zu nutzen, die die KGO inzwischen anbietet. So kann sich ein Kirchenvorstand für unterschiedliche Modelle für den Vorsitz, für beschließende Ausschüsse und vieles andere mehr entscheiden. Die GO wird zur Gestaltungsaufgabe, die jeder Kirchenvorstand zu Beginn seiner Amtszeit zu bewältigen hat. Die KGO trägt damit stärker als früher der Tatsache Rechnung, dass die Kirchengemeinden sehr unterschiedliche Bedürfnisse und Herausforderungen zu bewältigen haben. Nicht alles, was für den einen Kirchenvorstand gut ist, ist auch für den anderen sinnvoll.

2.1. Wie kann die KGO als Geschäftsordnung genutzt werden? Herkömmlich sind einem Pfarrer/einer Pfarrerin vor allem als Funktionen übertragen: - der Vorsitz im Kirchenvorstand - die einfachen Geschäfte der laufenden Verwaltung

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- die pfarramtliche Geschäftsführung - die Personalführung für die Angestellten der Kirchengemeinde - die Aufsicht über das Kassen- und Rechnungswesen der Kirchengemeinde Eine Menge von Aufgaben und Zuständigkeiten, von Verantwortung und Macht. Zugleich erfordern diese Aufgaben Fähigkeiten und Kenntnisse, für die Pfarrer/innen oft nur unzureichend ausgebildet sind. Ihre Kernkompetenzen liegen eher auf den Feldern Theologie, Seelsorge und Verkündigung. In dieser Konstruktion spiegeln sich die zentrale Stellung und die vermeintliche oder tatsächliche Allzuständigkeit des Pfarrers/der Pfarrerin allen gegenteiligen Bekundungen zum Trotz wieder. Andere berechtigte und wünschenswerte Gesichtspunkte treten dahinter zurück: - ein Bild von Gemeinde, das sich weniger auf die Rolle des Pfarrers/der Pfarrerin konzentriert - der Gedanke der gemeinsamen Leitungsverantwortung - der Versuch, die vorhandenen Fähigkeiten und Ressourcen zu erschließen und möglichst sinnvoll zu nutzen - der Grundsatz, Aufgaben und Verantwortung denen zu übertragen, die sie am besten lösen können Andererseits haben Kirchenvorsteher/innen zunehmend das Gefühl, unter der Fülle der Aufgaben regelrecht zu ersticken. Schließlich üben sie ihr Amt als Ehrenamt in ihrer Freizeit aus! Zu diesem Gefühl tragen vor allem folgende Erfahrungen immer wieder bei: - Verwaltungsaufgaben lassen kaum noch Spielraum für die inhaltliche Arbeit - Entscheidungen müssen mitgetragen werden, obwohl spezielles Fachwissen dafür oft kaum oder gar nicht vorhanden ist - Baumaßnahmen u.ä. überlasten mit ihren Einzelheiten und komplexen Zusammenhängen das Gremium Kirchenvorstand zeitlich und inhaltlich

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Die Forderungen nach organisatorischen Hilfen und neuen Regelungen zur gegenseitigen Entlastung sind verständlich. Die KGO legt den rechtlichen Rahmen für die Arbeit im Kirchenvorstand fest. Gleichzeitig eröffnet sie neue Spielräume, die zur Gestaltung einladen. Vieles, was früher undenkbar war, wird jetzt möglich. Auf der anderen Seite wäre ihr Anliegen gründlich missverstanden, wenn Pfarrer/innen und Kirchenvorsteher/ innen zusätzlich unter Druck gerieten und fieberhaft alle Möglichkeiten umsetzen wollten. Es geht vielmehr um eine kreative Suchbewegung in zwei Richtungen: - Was müssen wir in unserer Situation an rechtlichen Vorgaben und Rahmenbedingungen beachten? - Was können wir für unsere Situation an neuen rechtlichen Möglichkeiten nutzen? Eine Skizze veranschaulicht den Prozess, der dadurch eingeleitet wird: Unsere Situation

Rechtlicher Rahmen

Rechtliche Möglichkeiten

Die KGO bietet also eine Reihe kreativer Spielräume für die Gestaltung der Zusammenarbeit im Kirchenvorstand. Innerhalb des Rahmens, den sie rechtlich steckt, kann jeder Kirchenvorstand seine auf die eigenen Bedürfnisse und Möglichkeiten zugeschnittene Geschäftsordnung entwerfen. - Dabei kann der Ausgangspunkt die konkrete Situation der Gemeinde sein: Was sind unsere Aufgaben? Vor welchen Herausforderungen stehen wir? Welche Möglichkeiten bietet uns die KGO dafür an?

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- Oder umgekehrt: Wir sichten die Möglichkeiten der KGO und überlegen: Was davon könnten wir in unserem Kirchenvorstand umsetzen? - Oder die bestehende Geschäftsordnung wird immer wieder einmal kritisch überprüft: Entspricht sie noch den Erfordernissen unserer Situation? Bewegt sie sich im rechtlichen Rahmen, den die KGO vorgibt? Im Einzelnen will die KGO - die Mitarbeit und Mitverantwortung von kompetenten Gemeindemitgliedern aufwerten - die Aufteilung von Zuständigkeiten nach sachlichen und fachlichen Gesichtspunkten ermöglichen - die Arbeit des Gesamtgremiums Kirchenvorstand entlasten - die schöpferische Gemeinsamkeit durch klare Zuständigkeiten und Arbeitsteilungen fördern - die anfallende Arbeit qualitativ umschichten: Jede/r soll sich auf das konzentrieren können, wo sie/er ihre/seine Stärken hat - die partnerschaftliche Zusammenarbeit von Hauptamtlichen und Ehrenamtlichen im Kirchenvorstand fördern - die Kooperation benachbarter Kirchengemeinden verbessern

Der folgende Überblick enthält die wichtigsten Anregungen nach Stichworten. Ein kurzer Kommentar weist auf die wesentlichen Gesichtspunkte in der gebotenen Kürze hin.

§ 11 KGO

Stichwort „Gemeindeversammlung“ Das Wesentliche in Kürze: - Die Gemeindeversammlung als Instrument einer breit angelegten Information und Meinungsbildung ist deutlich aufgewertet. Sie kann nicht nur, sondern soll einmal jährlich stattfinden. - Die Gemeindemitglieder erhalten bei dieser Gelegenheit einen Jahresbericht des Kirchenvorstandes.

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- Daneben besteht die Möglichkeit, Gemeindeversammlungen aus aktuellem Anlass (außer zur Diskussion von Personalfragen) abzuhalten.

Stichwort „Öffentlichkeit der Sitzungen“

§ 40 KGO

Das Wesentliche in Kürze: - Die Öffentlichkeit der Sitzungen ist die Regel, die Nichtöffentlichkeit (insbesondere bei Personalfragen) kann jedoch vom Kirchenvorstand beschlossen werden. Damit ist die frühere Praxis umgedreht. - Zur öffentlichen Sitzung sind die Gemeindemitglieder einzuladen. - Der Kirchenvorstand überlegt, wie er die Termine und Tagesordnungen seiner Sitzungen rechtzeitig und öffentlich den Gemeindemitgliedern bekannt macht.

Stichwort „Wünsche und Anregungen aus der Gemeinde“

§ 20 KGO

Das Wesentliche in Kürze: - Gemeindemitglieder haben auch während der Amtsperiode jederzeit das Recht zur Mitsprache; sie können dem Kirchenvorstand ihre Wünsche und Anregungen mitteilen. - Der Kirchenvorstand muss entsprechende Anregungen prüfen; er muss diese allerdings nicht in jedem Fall umsetzen. - Die betreffenden Gemeindemitglieder haben einen Anspruch auf eine Antwort bezüglich ihrer Anregungen.

Stichwort „Zugehörigkeit zum Kirchenvorstand“

§ 27 KGO

Das Wesentliche in Kürze: - Neu ist die Bestimmung, dass hauptamtliche theologischpädagogisch Mitarbeitende und Kirchenmusiker bzw. Kirchenmusikerinnen auf ihren Antrag dem Kirchenvorstand mit beratender Stimme angehören können. Wie bisher können andere Beschäftigte, die von der Kirchengemeinde angestellt sind und mehr als zehn Wochenstunden für sie

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arbeiten, nicht in den Kirchenvorstand gewählt bzw. berufen werden.

§ 38 KGO

Stichwort „Einladung zur Kirchenvorstandssitzung“ Das Wesentliche in Kürze: - Zu den Sitzungen ist rechtzeitig – mindestens acht Tage vorher – einzuladen. Diese Frist gibt auch interessierten Gemeindemitgliedern die Möglichkeit, sich längerfristig auf den Termin einzustellen. - Am besten wird mit der Veröffentlichung auch gleich der öffentlich zugängliche Teil der Tagesordnung bekannt gegeben.

§ 18 und 18a KGO

Stichwort „Gemeinsamer Kirchenvorstand“ Das Wesentliche in Kürze: - Innerhalb einer Pfarrei sollen mehrere Kirchengemeinden einen gemeinsamen Kirchenvorstand bilden, wenn dies der besseren Entfaltung des Gemeindelebens dient. - Vor allem dort, wo mehrere kleine Gemeinden in einer Pfarrei zusammengehören, erscheint dies sinnvoll, da nach den neuen Bestimmungen der KGO (§ 28) die kleinsten Kirchenvorstände sechs Mitglieder umfassen und nur noch in Ausnahmefällen wie früher mit vier Mitgliedern besetzt werden können.

§ 26 KGO

Stichwort „Zusammenarbeit benachbarter Kirchenvorstände“ Das Wesentliche in Kürze: - Benachbarte Gemeinden und ihre Kirchenvorstände sind zur Zusammenarbeit verpflichtet. - Sie können Arbeitsgemeinschaften bilden oder gemeinsame Aufgaben an den Dekanatsbezirk delegieren. - Dazu empfehlen sich entsprechende Kooperationsvereinbarungen mit Nachbargemeinden und gemeinsame Sitzungen der beteiligten Kirchenvorstände.

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Stichwort „Vorsitz“

§ 35 KGO

Das Wesentliche in Kürze: - Im Regelfall hat der/die geschäftsführende Pfarrer/in den Vorsitz im Kirchenvorstand. Daneben werden aber auch andere Vorsitzmodelle ermöglicht. - Die Stellvertretung im Vorsitz wird in jedem Fall vom Kirchenvorstand geregelt. - Entsprechende Regelungen werden ortsüblich veröffentlicht und dem Landeskirchenamt auf dem Dienstweg mitgeteilt. Sinngemäß werden anderen kirchliche Stellen, die davon betroffen sind (insbesondere Amt für Gemeindedienst, Dekanat, Verwaltungsstelle bzw. Kirchengemeindeamt, Landeskirchenstelle) informiert.

Stichwort „Ausschüsse“

§ 46 KGO

Das Wesentliche in Kürze: - Es besteht die Möglichkeit, beratende Ausschüsse einzusetzen. - Daneben gibt es auch die Möglichkeit, beschließende Ausschüsse einzusetzen, die den Kirchenvorstand auch im Rechtsverkehr vertreten können. - Wichtig: In die Ausschüsse können nur Gemeindemitglieder, die zum Kirchenvorstand wählbar sind, berufen werden. Die Berufung von nicht wählbaren Gemeindemitgliedern sowie von Personen, die keine Gemeindemitglieder sind, ist nicht möglich. - Den Vorsitz und die Stellvertretung regelt der Ausschuss selbst. Außerdem muss wenigstens die Hälfte der stimmberechtigten Ausschussmitglieder dem Kirchenvorstand angehören, damit der Ausschuss den Kirchenvorstand auch im Rechtsverkehr vertreten kann. - Der Kirchenvorstand regelt am besten Auftrag, Dauer, Zusammensetzung und Arbeitsweise der Ausschüsse in einer Geschäftsordnung. - Der Kirchenvorstand behält die Letztverantwortung über die Arbeit und Beschlüsse der Ausschüsse.

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2.2. Welche Möglichkeiten nutzen wir in unserem Kirchenvorstand? Angesichts der auf den ersten Blick verwirrenden Fülle an Möglichkeiten ist das die alles entscheidende Frage: Was nutzt uns in unserem Kirchenvorstand? Wodurch können wir uns entlasten? Was erleichtert uns unsere Arbeit? Es kann nicht darum gehen, alle Möglichkeiten voll auszuschöpfen. Jeder Kirchenvorstand kann, darf und soll seinen eigenen Weg in der Gestaltung der jeweiligen GO finden. Bei seiner Entscheidung wird er sich an den Eckpunkten eigene Situation, rechtlicher Rahmen und rechtliche Möglichkeiten (s.o. unter 2.1.) orientieren. Er wird sie praxisnah treffen und dabei darauf achten, dass sie drei Anforderungen standhalten kann: - Sie muss tragfähig sein angesichts der vorhandenen Kräfte und Gaben im Kirchenvorstand. - Sie muss belastbar sein auch gegenüber Reibungsverlusten, Konflikten und Misserfolgen. - Sie muss lösungsorientiert sein angesichts der tatsächlichen Herausforderungen in der Kirchengemeinde. So könnte ein Kirchenvorstand seinen Entscheidungsweg organisieren:

Informieren In seinen ersten Sitzungen nimmt sich der neue Kirchenvorstand Zeit für seine Geschäftsordnung. Zunächst informiert der/die Vorsitzende über die Möglichkeiten der KGO. Die verschiedenen Möglichkeiten werden der Reihe nach übersichtlich präsentiert. Dabei ist es ratsam, die verschiedenen Vorsitzmodelle u.ä. auf einem Flipchart oder auf dem Overheadprojektor darzustellen. Der/die Vorsitzende achtet darauf, dass die einzelnen Impulse offen und breit diskutiert werden können. Besonders bei der Frage nach dem Vorsitzmodell und den beschließenden Ausschüssen ist es gut, wenn die Initiative von ihm/ihr ausgeht. Meinungen und Wertungen unterbleiben; lediglich Informationsbedarf wird artikuliert. Eine Entscheidung wird in den ersten Sitzungen noch nicht getroffen!

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Beraten Ohne Zeitdruck von außen wird die Entscheidung vorbereitet. Besser als eine abendliche Sitzung eignet sich dafür ein Klausurtag oder ein Kirchenvorstandswochenende. Die gemeindlichen Gegebenheiten bilden den Ausgangspunkt: Personelle Möglichkeiten (Hauptamtliche, Ehrenamtliche), Gebäude (Pfarramt, Pfarrwohnung, Kirche, Gemeindehaus etc.) und Einrichtungen (Kindergarten, Diakoniestation, Friedhof etc.) in der Kirchengemeinde werden aufgelistet. Besondere Aufgabenschwerpunkte und Arbeitsfelder (Ökumene, Kinder- und Jugendarbeit, Öffentlichkeitsarbeit etc.) und regionale Gliederungen (Sprengel, Außenorte, Filialgemeinden etc.) schließen sich an. Vor diesem Hintergrund finden die Mitglieder des Kirchenvorstandes – etwa in einem Brainstorming – ihre Themenschwerpunkte zur Geschäftsordnung: - Wie soll unser Vorsitz aussehen? - Welche Ausschüsse brauchen wir für welche Aufgaben? - Sollen sie vorberatend oder beschließend tätig sein? - Welche Beauftragten brauchen wir für welche Aufgaben bzw. Gremien? Die einzelnen Punkte werden ausführlich diskutiert. Dabei äußert jede/r die eigene Meinung und respektiert die der anderen. Nicht richtige oder falsche Meinungen, sondern deine und meine Meinung sind gefragt. Aus der Fülle der Meinungen entsteht ein erstes Stimmungsbild: Was ist bei uns sinnvoll? In welche Richtung denken wir weiter? Wen wollen wir dabei zu Rate ziehen?

Entscheiden Aus den gemeinsamen Überlegungen entsteht eine Geschäftsordnung, in der Vorsitz, Ausschussarbeit und Beauftragungen klar geregelt sind. Als Zeitraum dafür bietet sich die Frist von drei Monaten nach der Verpflichtung des neuen Kirchenvorstandes an, innerhalb der auch die Vertrauensleute gewählt werden. Auf dem Weg zur Entscheidung können Sie Beratung und Unterstützung durch das Amt für Gemeindedienst in Anspruch nehmen:

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Gemeindeleitung und Kirchenvorstandsarbeit Telefon 0911 4316261 Fax 0911 4316296 [email protected]

Überprüfen Selbstverständlich können und müssen die getroffenen Vereinbarungen immer wieder einmal daraufhin überprüft werden, ob sie noch zweckmäßig sind. Zumindest einmal jährlich sollte im Kirchenvorstand – vielleicht im Rahmen eines Kirchenvorstandswochenendes – grundsätzlich darüber nachgedacht werden, ob die geltende Geschäftsordnung noch den Anforderungen genügt. Notwendige Änderungen und Ergänzungen können dabei besprochen und in Angriff genommen werden. Die Ausschüsse und Beauftragten berichten ohnehin in regelmäßigen Abständen dem Kirchenvorstand über ihre laufende Arbeit.

2.3. Wie kann unsere Geschäftsordnung aussehen? Im Rahmen dieses Praxisbuches kann und soll nicht jedes Detail der GO besprochen werden. Detaillierte Vorsitzmodelle und Mustergeschäftsordnungen für Ausschüsse finden sich in der Arbeitshilfe: Sie können diese Arbeitshilfe beziehen über das Amt für Gemeindedienst oder im Intranet.

„Von den Spielregeln zur Geschäftsordnung“ Kreativer Umgang mit der neuen Kirchengemeindeordnung im Kirchenvorstand Im Folgenden werden einige Stichworte aufgegriffen, die für die meisten Kirchenvorstände besonders relevant werden:

Öffentlichkeitsarbeit des Kirchenvorstandes Die KGO sieht eine Reihe verbindlicher Regelungen vor, die die Öffentlichkeitsarbeit des Kirchenvorstandes betreffen. Dazu zählen vor allem - die grundsätzliche Öffentlichkeit der Sitzungen des Kirchenvorstandes (§ 40 KGO)

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- die Verpflichtung, Wünsche und Anregungen von Gemeindemitgliedern zu prüfen (§ 20 KGO) - die Gemeindeversammlung (§ 11 KGO) Gemeinsames Ziel dieser Bestimmungen ist, die Mitverantwortung der Gemeindemitglieder im Sinne des reformatorischen „Priestertums aller Getauften“ nicht nur auf die alle sechs Jahre stattfindenden Wahlen zum Kirchenvorstand zu beschränken. Gemeindemitglieder erhalten so ein größeres Mitspracherecht. Umgekehrt kann der Kirchenvorstand in einem lebendigen und gegenseitigen Dialog mit den übrigen Gemeindemitgliedern seine Leitungsverantwortung besser wahrnehmen. Mit ihren Stimmen ist er gewählt worden. Diesem Vertrauensvorschuss versucht er in seiner laufenden Arbeit gerecht zu werden. Wahl und Einführung in das Amt fanden öffentlich statt. Deshalb ist es im Sinne einer transparenten Öffentlichkeitsarbeit wichtig, regelmäßig über die Arbeit des Kirchenvorstandes zu berichten. Verständigung untereinander und lebendige Kommunikation miteinander heißt der Grundsatz.

Interne und externe Kommunikation „Tue Gutes und berichte darüber!“ Dieser Grundsatz gelingender Öffentlichkeitsarbeit wird in der Kirche erst allmählich entdeckt. Jahrhunderte lang galt das als unchristlich und unbescheiden. „Die Rechte soll nicht wissen, was die Linke tut!“ Solche Redensarten lagen und liegen vielen näher. Doch inzwischen gewinnt die Einsicht Raum, dass auch christliche Gemeinden öffentliche Orte sind und Teil einer Mediengesellschaft, in der es wichtig ist, aktiv mitzureden, um im Gespräch zu bleiben: Wer sich nicht präsentiert, ist nicht präsent! In der Öffentlichkeitsarbeit geht es um eine Präsentation in eine doppelte Richtung: einmal hin zu den „Internen“, das sind die vielen aktiv Mitarbeitenden der Gemeinde. Sie benötigen eine gründliche und umfangreiche Information über Geplantes, Gelingendes oder auch Schwieriges in der Gemeinde. – Zum anderen hin zu den „Externen“, das sind Gemeindemitglieder, die mal näher, mal distanzierter die Aktivitäten der Gemeinde miterleben oder mitverfolgen. Es könnte hier auch noch

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weiter unterschieden werden zwischen „binnenkirchlicher“ und „außerkirchlicher“ Öffentlichkeit. Die „binnenkirchliche“ Öffentlichkeit erreicht man vor allem durch Gemeindebriefe, Schaukästen und Handzettel sowie im Rahmen von Gemeindeveranstaltungen. Die „außerkirchliche“ Öffentlichkeit bezieht ihre Informationen über Lokalzeitungen, Anzeigenblätter und Postwurfsendungen, über Rundfunk, Fernsehen und zunehmend auch über das Internet. Es ist zu dem bedenken, dass natürlich auch regelmäßige Gottesdienstbesucher diese Medien nutzen wie umgekehrt auch manche Kirchenferne regelmäßig den Gemeindebrief studieren.

Anregungen für eine gelingende Öffentlichkeitsarbeit Die Menschen sind neugierig und wollen ansprechend informiert werden. Wie wird im Vorfeld von Kirchenvorstandssitzungen dafür geworben? Haben die Einladungen wirklich einladenden Charakter? Enthalten sie die notwendigen Informationen zu Terminen, Orten und Inhalten? Wie ist die Atmosphäre im Sitzungsraum? Einladend oder ausgrenzend? Wie wäre es, wenn öffentliche Sitzungen auch einmal in öffentlichen Räumen – etwa im Gasthaus oder im Stadtteilzentrum – stattfinden würden? Eine regelmäßige Kirchenvorstandsseite im Gemeindebrief macht die Arbeit transparent und weckt immer wieder neue Erwartungen. Denkbar wäre auch ein Kommentar, den jedes Mal ein anderes Mitglied des Kirchenvorstandes schreibt. Auch im Schaukasten und – soweit vorhanden – auf der Internetseite der Gemeinde könnte die Arbeit des Kirchenvorstandes einen Stammplatz erhalten. Größere Projekte, Baumaßnahmen und personelle Veränderungen sind eine Mitteilung an die örtliche Presse wert. Bei besonderen Gottesdiensten (Einführungen, Konfirmation, Gemeindefest, Jahresschluss etc.) kann der Kirchenvorstand geschlossen auftreten. Eindrucksvolle Fotos haben einen bleibenden Wert, wenn sie im Kirchenvorraum, im Gemeindehaus oder im Gemeindebrief dokumentiert werden.

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Öffentliche Kirchenvorstandssitzungen Die öffentlich stattfindenden Sitzungen des Kirchenvorstandes sind eine Grundvoraussetzung für eine weitergehende Beteiligung der übrigen Gemeindemitglieder. Nur wer informiert ist, kann bei Bedarf auch mitreden. Der Grundsatz, dass Kirchenvorstandssitzungen in aller Regel öffentlich stattfinden, macht klar: Es geht im Kirchenvorstand nicht um das Geheimwissen weniger, sondern um öffentliche Diskussion und Entscheidungsfindung! Allerdings ist dabei zu beachten, dass bestimmte Punkte um der Sache willen oder zum Schutze der Betroffenen gerade nicht öffentlich verhandelt werden dürfen. Die KGO sieht dies ausdrücklich bei Personalangelegenheiten u.ä. vor. Bei der Erstellung der Tagesordnung kann das berücksichtigt werden, etwa so, dass nach einem ersten – öffentlichen Teil – die Punkte, die der Verschwiegenheit nach außen unterliegen, nichtöffentlich verhandelt werden. Gegebenenfalls kann der Kirchenvorstand ausnahmsweise auch einmal aus diesem Grunde eine ganze Sitzung für nichtöffentlich erklären. Die Sitzungen werden der gemeindlichen Öffentlichkeit rechtzeitig unter Angabe von Zeitpunkt und Ort bekannt gemacht. Es empfiehlt sich, nach Möglichkeit auch die Tagesordnung mit zu veröffentlichen, so dass Interesse geweckt wird. Dass die Einladungsfrist von acht Tagen auch für die Veröffentlichung in der Gemeinde gilt, versteht sich eigentlich von selbst. Ortsüblich kann sie in den Abkündigungen der sonntäglichen Gottesdienste stattfinden. Darüber hinaus bieten sich der Gemeindebrief und der Aushang im Schaukasten oder am schwarzen Brett der Gemeinde an. Besonders wichtig, weil immer wieder Quelle von Missverständnissen: Gäste haben auch in der öffentlich stattfindenden Sitzung kein Rederecht. Darin unterscheidet sich die öffentliche Kirchenvorstandssitzung von einer Gemeindeversammlung. Allerdings kann der Kirchenvorstand jederzeit Gäste in seine Sitzungen einladen und um ihren Beitrag bitten, wenn ihm das zur Meinungsbildung oder Entscheidungsfindung helfen kann (§ 40 KGO).

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Wünsche und Anregungen aus der Gemeinde Jedes Gemeindeglied kann sich mit eigenen Gedanken und Ideen jederzeit an der Gemeindeleitung beteiligen. Wünsche und Anregungen, die dem Gemeindeleben förderlich sind, wird der Kirchenvorstand zur Kenntnis nehmen und sich damit befassen. Er muss außerdem in angemessener Zeit dem betreffenden Gemeindeglied eine Auskunft darüber erteilen, wie er damit weiter umgegangen ist. In der Praxis ist folgendes Verfahren denkbar: Ein Gemeindeglied wendet sich mit seinem Anliegen persönlich, telefonisch oder schriftlich an eine/n Kirchenvorsteher/in seines Vertrauens. Besonders ansprechbar sind dafür der/die Vorsitzende des Kirchenvorstandes sowie der Vertrauensmann bzw. die Vertrauensfrau. Der/die Vorsitzende entscheidet gemeinsam mit dem Vertrauensmann bzw. der Vertrauensfrau bei der Vorbereitung der nächsten Sitzung darüber, ob die Anregung dem Gemeindeleben förderlich ist und nimmt sie in die Tagesordnung auf. Nach der Sitzung teilt der/die Vorsitzende dem betreffenden Gemeindeglied persönlich, telefonisch oder schriftlich das Ergebnis der Beratung mit. Sollten der/die Vorsitzende und der Vertrauensmann bzw. die Vertrauensfrau zu dem Schluss kommen, die Anregung nicht in die Tagesordnung aufzunehmen, teilt der/die Vorsitzende dies dem betreffenden Gemeindeglied möglichst schnell mit und bietet – wenn nötig - ein klärendes Gespräch an.

Gemeindeversammlung Die Gemeindeversammlung ist das am weitesten gehende Instrument zur öffentlichen Beteiligung an der Kirchenvorstandsarbeit. Wenigstens einmal jährlich soll sie stattfinden. Sie bietet den Raum zu einer breit angelegten Information, Diskussion und Beratung zentraler Fragen und Themen. Möglichst viele können dabei zu Wort kommen. Wenn ein Thema von allgemeinem Interesse aufgegriffen wird, kann auch die örtliche Presse vertreten sein. Mögliche Schwerpunkte und Inhalte sind - der Jahresbericht des Kirchenvorstandes über seine laufende Arbeit

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- gemeindliche Themen (z.B. Information und Beratung über neue Sprengelgrenzen, Kooperation mit Nachbargemeinden) - größere Projekte der Kirchengemeinde (z.B. Renovierung der Kirche, Umbau des Gemeindehauses, Schließung des Kindergartens) - Meinungsbildung zu strittigen Fragen (z.B. Gottesdienstzeiten, Zulassung von Kindern zum Abendmahl u.ä.) - Themen von öffentlichem Interesse (z.B. Ausländerfeindlichkeit, Sonntagsarbeit, Umweltfragen) Anders als bei öffentlich stattfindenden Kirchenvorstandssitzungen haben alle anwesenden Gemeindemitglieder hier ein Mitspracherecht. Allerdings werden auf der Gemeindeversammlung keine Entscheidungen getroffen, sondern Anträge formuliert, mit denen sich der Kirchenvorstand weiter befasst. Als Formen für eine Gemeindeversammlung sind denkbar: - Informations- und Diskussionsabend mit Plenum und Kleingruppen - öffentliche Podiumsdiskussion - „Jetzt red i“ – Abend im Gasthaus oder Vereinsheim - Großgruppenmethoden wie Zukunftswerkstatt und „Open Space“ Anregungen und Modelle für Gemeindeversammlungen finden sich in der Arbeitshilfe: „Gemeindeversammlung – Imagepflege für Kirchenvorstände“

Sie können diese Arbeitshilfe beziehen über das Amt für Gemeindedienst oder im Intranet.

„Open Space“ ist eine Methode für größere Gruppen (ab ca. 50 Personen), mit deren Hilfe mögliche Themen und vorhandene Interessen schnell und unkompliziert koordiniert werden können: - Die Veranstalter geben den zeitlichen und räumlichen Rahmen vor – z.B. zweimal anderthalb Stunden und fünf Gruppenräume. Dadurch entstehen Gesprächsräume für maximal zehn verschiedene Themenvorschläge. - In einem ersten Schritt nennen Teilnehmende ihre Themenwünsche und belegen damit jeweils einen Raum und eine Zeit.

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- Die übrigen Teilnehmenden sichten das Angebot und entscheiden, wo sie mitreden wollen. - In den einzelnen Workshops gibt es vier Richtlinien ... 1. Wer immer kommt, ist genau die richtige Person 2. Was immer geschehen mag, ist das einzige, was jetzt geschehen kann 3. Wann immer es beginnt, es ist die richtige Zeit 4 Vorbei ist vorbei ... und ein Gesetz, das „Gesetz der zwei Füße“: Ich gehe, wohin ich will – auch von Gruppe zu Gruppe

Vorsitz im Kirchenvorstand“ Klassisch war der Vorsitz im Kirchenvorstand untrennbar mit der Pfarramtsführung verbunden. Die Stellvertretung lag in der Hand des/der dienstlichen Stellvertreters / Stellvertreterin bzw. des Vertrauensmannes / der Vertrauensfrau. Nach den neuen gesetzlichen Bestimmungen sind nun sowohl der/die Vorsitzende als auch die Stellvertretung wählbar. Der Kirchenvorstand kann seinen Vorsitz innerhalb der geltenden rechtlichen Bestimmungen individuell regeln und den örtlichen Gegebenheiten anpassen. Es geht um die sinnvolle Zuordnung zweier Grundaufgaben, die früher automatisch zusammengehörten, jetzt aber auch getrennt gesehen werden können: Vorsitz im Kirchenvorstand Pfarramtliche Geschäftsführung

Aufgaben des bzw. der Vorsitzenden Zu den Grundaufgaben des Vorsitzes im Kirchenvorstand gehört alles, was für eine sachgemäße Arbeitsweise dieses Gremiums nötig ist:

1. Sitzungsvorbereitung und Erstellen der Tagesordnung Der/die Vorsitzende bereitet zusammen mit dem Vertrauensmann/der Vertrauensfrau die Sitzung vor. Die anstehenden Aufgaben werden benannt und die nötigen Informationen bereitgestellt, ebenso die Ziele der Beratung geklärt (Information oder Beschlussfassung). Dabei sind die Vorschläge der beschließenden Ausschüsse und der Beauftragten sowie Wünsche und Anregungen aus der Gemeinde besonders zu berücksichtigen.

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2. Einladung Zur Sitzung wird schriftlich und rechtzeitig, in der Regel acht Tage vor dem Termin, eingeladen. Die Öffentlichkeit wird den örtlichen Gepflogenheiten entsprechend hergestellt (z.B. Aushang im Schaukasten oder Abkündigung beim Gottesdienst). Ein ansprechender Sitzungsrahmen wird gestaltet.

3. Sitzungsleitung Die Meinungsbildung und Entscheidungsfindung wird gemäß der Tagesordnung und mit Hilfe der Geschäftsordnung organisiert. Der/die Sitzungsleiter/in ist verantwortlich für eine kommunikative und zielgerichtete Gesprächsleitung, für die Beachtung der Verfahrensregeln und der notwendigen Informationsweitergabe und für aussagekräftige Beschlüsse. Vorschläge für Beschlussvorlagen können bereits vorformuliert mit der Tagesordnung versandt werden oder als Tischvorlage bereit liegen. Die Sitzungsleitung kann für einzelne Tagesordnungspunkte oder auch generell delegiert werden. Gründe dafür könnten sein, wenn der/die Vorsitzende persönlich von einem Tagesordnungspunkt besonders betroffen ist (z.B. in seiner theologischen Grundhaltung oder persönlichen Glaubensüberzeugung), oder wenn ein Mitglied des Gremiums besondere Leitungskompetenz mitbringt, die genutzt werden soll.

4. Geschäftsleitung, Vollzug und Vollzugskontrolle Dazu gehören die Aufsicht über die Funktionsfähigkeit der Einrichtungen der Kirchengemeinde, die Pflege und der Erhalt der Gebäude der Kirchengemeinde. Der Vollzug der Beschlüsse des Kirchenvorstandes erfolgt in Absprache mit dem Pfarramtsvorstand. Der /die Vorsitzende muss dabei nicht alles selber tun, sondern ist dafür verantwortlich, dass ein Beschluss ordnungsgemäß ausgeführt wird, und überprüft die Umsetzung. Wichtig und für viele neu: Bei der Unterzeichnung der Beschlüsse des Kirchenvorstandes führt der/die Vorsitzende des KV das Amtssiegel des Pfarramtes. Der/die Vorsitzende achtet darauf, dass bei allen Geldgeschäften die Formvorschriften, gesetzlichen Regelungen und Termine eingehalten werden. Kirchliche Verwaltungseinrichtungen unterstützen dieses Aufgabengebiet.

5. Rechtsvertretung Im Rechtsverkehr wird das Gremium durch den/die Vorsitzende/n vertreten. Er/sie handelt bzw. handeln verbindlich für den Kirchenvorstand und ist dabei an dessen Beschlüsse gebunden.

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6. Öffentliche Repräsentanz Der Kirchenvorstand bzw. die Kirchengemeinde wird durch den/die Vorsitzende/n in der Öffentlichkeit vertreten.

Aufgaben des geschäftsführenden Pfarrers bzw. der geschäftsführenden Pfarrerin Auch für den Bereich der pfarramtlichen Geschäftsführung lässt sich ein Aufgabenkatalog erstellen:

1. Pfarramtsführung Sie umfasst die Verwaltungsaufgaben, die ausdrücklich zu den Aufgaben des Pfarrers /der Pfarrerin gehören. Sie können deshalb auch nicht delegiert werden. Dazu gehören: Führung der Kirchenbücher Führung des Amtssiegels Fertigung der Pfarrbeschreibung Aufstellung der kirchlichen Statistik Verwaltung der Registratur und des Archivs Pfarramtlicher Schriftverkehr

2. Leitung des Pfarrbüros Je nach Größe der Kirchengemeinde ist der Umfang dieser Aufgabe sehr unterschiedlich. In jedem Fall geht es darum, die Erledigung der anfallenden Arbeit wirtschaftlich und wirksam zu organisieren.

3. Einfache Geschäfte der laufenden Verwaltung 4. Unmittelbare/r Dienstvorgesetzte/r Dienstherr der kirchengemeindlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist der Kirchenvorstand. Der/die Pfarramtsführer/in oder eine von ihm beauftragte Person (z.B. Vorsitzende/r des Kirchenvorstandes bzw. des Personalausschusses) nimmt die Dienstaufsicht wahr, trifft alltägliche Entscheidungen, erteilt Weisungen, klärt Fragen des Dienstverhältnisses.

5. Aufsicht über das Kassen- und Rechnungswesen

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Welche Möglichkeiten hat der Kirchenvorstand? Die Unterscheidung von Vorsitz im Kirchenvorstand und pfarramtlicher Geschäftsführung kann dem Kirchenvorstand bei der Klärung seines Vorsitzmodelles helfen: Für welche Lösung entscheiden wir uns? Gibt es bei uns so viele geschäftsführende Aufgaben, dass sich eine Rollen- und Arbeitsteilung dafür anbietet, die den Pfarramtsvorstand vom Vorsitz im Kirchenvorstand entlastet? Oder: Haben wir kompetente Mitglieder im Kirchenvorstand, die die Sitzungsleitung und/oder Gesprächsleitung übernehmen können? Schließlich: Welche Vorteile bieten uns neue Regelungen gegenüber dem klassischen Modell? Der Regelfall ist die Verknüpfung von Vorsitz im Kirchenvorstand und pfarramtlicher Geschäftsführung. Allerdings kann der Kirchenvorstand mit der Mehrheit seiner stimmberechtigten Mitglieder ein vom Regelfall abweichendes Vorsitzmodell bestimmen. Folgende Möglichkeiten an Wahlvorsitz-Modellen sind denkbar: - Wahl der/des Vorsitzenden und einer/eines stellvertretenden Vorsitzenden. - Wahl zweier gleichberechtigter Vorsitzender mit Regelung der Arbeitsteilung zwischen beiden durch eine spezielle Geschäftsordnung, in der die Aufgaben und Zuständigkeiten klar genannt und festgeschrieben sind. - Wahl eines Präsidiums (in der Regel drei Mitglieder), die gemeinsam die Aufgaben des Vorsitzes übernehmen – ebenfalls mit einer eigenen Geschäftsordnung.

Wie kommt ein Kirchenvorstand zu seiner Entscheidung? Die stimmberechtigten Mitglieder des KV entscheiden sich für eines dieser Modelle, das am ehesten den konkreten Bedürfnissen ihrer Situation gerecht wird. Sie bestimmen für die Dauer der Amtszeit in geheimer Wahl aus ihrer Mitte die für das jeweilige Modell entsprechende Anzahl von Personen, also eine/n 1. Vorsitzende/n und eine/n Stellvertreter/in bzw. eine/n 2. Vorsitzende/n oder entsprechend für eine Präsidiumslösung drei Personen. Ein mögliches Wahlverfahren könnte wie folgt aussehen: Gewählt wird in getrennten Wahlgängen. Gewählt ist, wer die

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Mehrheit der Stimmen der wahlberechtigten Mitglieder des KV erhält. Eine Neuwahl während der Amtszeit des KV wird durchgeführt, wenn die Mehrheit der Kirchenvorstandsmitglieder das verlangt. Tritt eine/r der Vorsitzenden zurück, wird für ihn/sie ein neues Mitglied in den Vorsitz gewählt. Bis zur Wahl führt der/die Pfarramtsführer/in den Vorsitz. Wird der/die Pfarramtsführer/in aus der Mitte des KV aufgefordert, eine Vorsitzfunktion zu übernehmen, kann er/sie diese nicht abweisen.

Für die Aufgaben im Vorsitz wird eine Geschäftsordnung erstellt. Muster für die Geschäftsordnung finden Sie in der Arbeitshilfe „Von den Spielregeln zur Geschäftsordnung“.

Aus ihr geht hervor, wer mit welchen Rechten und mit welcher Verantwortung zuständig ist für die Übernahme von Arbeiten, für den Informationsfluss, für die Weisungen gegenüber Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, für die Benutzung von Räumen und Hilfsmitteln. Die Geschäftsordnung wird im Kirchenvorstand beschlossen. Es empfiehlt sich, den Entwurf der Geschäftsordnung vor der Beschlussfassung im Kirchenvorstand durch das Landeskirchenamt überprüfen zu lassen. Die Beschlüsse werden auf dem Dienstweg dem Landeskirchenamt mitgeteilt. Andere betroffene kirchliche Stellen (Landeskirchenstelle, Dekanat, Kirchengemeindeamt bzw. Verwaltungsstelle, Amt für Gemeindedienst) sowie „geschäftliche“ Partner der Kirchengemeinde (z.B. Banken, Kommunen, Vereine) werden ebenfalls darüber informiert. In ortsüblicher Weise werden die Beschlüsse des Kirchenvorstandes, z.B. durch die kirchlichen Mitteilungen und die Tagespresse, bekannt gemacht.

Beratende und beschließende Ausschüsse im Kirchenvorstand Die meisten Kirchenvorstände nutzen Ausschüsse, um ihre Arbeit effektiver und besser vorbereitet zu gestalten. Dabei gibt es Ausschüsse, die die ganze Wahlperiode über arbeiten und solche, die auf ein bestimmtes Projekt (z.B. Umbau der Kirche) bezogen sind. Einige Ausschüsse haben Teil an der Geschäftsführung (Bauausschuss, Finanzausschuss, Personalausschuss), andere arbeiten mehr inhaltlich (Gottesdienstausschuss, Seniorenausschuss, Öffentlichkeitsausschuss).

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Beratende Ausschüsse formulieren nach eingehenden Beratungen und Sachinformation Beschlussvorlagen für den Kirchenvorstand, die dieser dann noch förmlich beschließen muss. Sicher haben die meisten Kirchenvorstände ihre Ausschüsse so ernst genommen, dass sie die Vorschläge nicht noch einmal bis ins Detail diskutiert haben und damit doppelte Zeit verbraucht haben. Freilich mag auch das hin und wieder in manchen weit reichenden Sachlagen nötig sein. Trotzdem stellt sich oft auch nach umfangreichen und schwierigen Vorarbeiten die Frage: Warum muss der Kirchenvorstand überhaupt noch zustimmen? Niemand im Gesamtgremium kennt die Sache besser als die Ausschussmitglieder. Sie haben sich oft mit viel Zeit- und Kraftaufwand kundig gemacht oder haben spezifische Sachkenntnisse. Könnte nicht die Kirchenvorstandsarbeit wesentlich entlastet werden, wenn die Informationserhebung, Meinungsbildung und gültige Entscheidung in bestimmten Sachfeldern ganz einem Ausschuss übertragen werden?

Beratende Ausschüsse

Entsprechend diesen Überlegungen können Ausschüsse für bestimmte Angelegenheiten beschließend tätig werden. Die Vorteile liegen auf der Hand: Es geht vor allem darum, möglichst viel Sach- und Fachwissen einzubringen, auch andere engagierte Mitglieder der Kirchengemeinde, die dem Kirchenvorstand nicht angehören, an der Verantwortung zu beteiligen und die Verfahren abzukürzen. Die Arbeit im Kirchenvorstand kann so effizienter getan und die Tagesordnung von Routineaufgaben entlastet werden. Bei der Einsetzung eines beschließenden Ausschusses müssen allerdings einige rechtliche Vorgaben beachtet werden:

Beschlie­ ßende Ausschüsse

- mindestens die Hälfte der stimmberechtigten Ausschussmitglieder muss dem Kirchenvorstand angehören - Der bzw. die Vorsitzende und der Stellvertreter bzw. die Stellvertreterin werden direkt vom Ausschuss gewählt - in den Ausschuss können nur zum Kirchenvorstand wählbare Personen berufen werden - der Kirchenvorstand regelt die Zusammensetzung und die Arbeitsweise des Ausschusses in einer Geschäftsordnung und behält die letzte Verantwortung

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Entschei­ dungshilfe

Muster für die Geschäftsordnung finden Sie in der Arbeitshilfe „Von den Spielregeln zur Geschäftsordnung“.

Der Kirchenvorstand klärt zu Beginn seiner Amtszeit oder angesichts einer konkreten Aufgabenstellung ab, welche Ausschüsse er einsetzen will. Er beruft oder bestimmt die Mitglieder und stattet sie nach einer ausdrücklichen Verpflichtung mit Stimmrecht aus (Hinweis auf Verschwiegenheit). In die Ausschüsse können auch wählbare Gemeindemitglieder berufen werden, die dem Kirchenvorstand nicht angehören. Wenn diese allerdings nicht nur beratende Stimme, sondern Stimmrecht haben sollen, darf die Zahl der stimmberechtigten Mitglieder, die dem Kirchenvorstand nicht angehören, höchstens die Hälfte der stimmberechtigten Mitglieder betragen (s.o.). Fachleute, die keine Gemeindemitglieder sind, können nicht ordentliche Ausschussmitglieder werden, jedoch jederzeit zur Beratung ohne Stimmrecht hinzugezogen werden. Damit ein Ausschuss beratungs- und arbeitsfähig ist, darf er weder zu groß noch zu klein sein. Eine gute Zahl sind etwa fünf bis sieben Mitglieder. Der KV legt den inhaltlichen und zeitlichen Rahmen fest und beschließt eine Geschäftsordnung. In ihr werden der Aufgabenbereich und die Zuständigkeiten, die Zusammensetzung und Kompetenzen und die Rahmenbedingungen geregelt. Eine Geschäftsordnung für die Ausschüsse einer Gemeinde könnte zunächst einen allgemeinen Teil haben, in dem es um Zusammensetzung, Wahlverfahren, Vorsitz und Stellvertretung, Schriftführung und Protokoll, Einberufung und Tagesordnung und Vollzugskontrolle geht. Im zweiten Teil werden dann jeweils die inhaltlichen Aufgaben näher beschrieben. In der Praxis wird ein Kirchenvorstand ähnlich wie bei der Regelung seines Vorsitzes die neue Möglichkeit, einen beschließenden Ausschuss einzurichten, unter Berücksichtigung der örtlichen Gegebenheiten in seine Überlegungen einbeziehen: Überwiegt der zu erwartende Nutzen die möglichen Bedenken? Sind Transparenz und Informationsfluss gewährleistet? Erhält der Ausschuss immer wieder Gelegenheit zu einem Bericht im Kirchenvorstand? Beschließende Ausschüsse haben sich besonders bewährt für - Sachbereiche wie Baumaßnahmen, Haushalt, Finanzen und Personalangelegenheiten - Einrichtungen wie Kindergarten, Hort, Friedhof, Altenheim

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- Regionale Gemeindeteile wie Sprengel oder Außenorte - Arbeitsfelder wie Erwachsenenbildung, Öffentlichkeitsarbeit, Gottesdienst, Jugend und ältere Generation, Ökumene, u.a. Der Jugendausschuss ist kein Ausschuss des KV, sondern Organ der gemeindlichen Jugendarbeit, das mit dem KV eng zusammenarbeitet. Näheres regelt die „Ordnung der Evangelischen Jugend“ (RS 901). Demnach ist der Kirchenvorstand mit mindestens einem Mitglied im Jugendausschuss vertreten und für die Wahl der erwachsenen Mitglieder im Jugendausschuss zuständig.

Sonderfall „Jugend­ ausschuss“

Beschließende Ausschüsse können die Arbeit des Kirchenvorstandes wesentlich entlasten. Die Tagesordnung enthält einen Hauptpunkt: „Berichte aus den Ausschüssen“. Daneben entsteht mehr Raum für stärker inhaltliche und aktuelle Themen. Dies wird dem Bedürfnis vieler Kirchenvorsteher/innen besser gerecht, weniger zu verwalten und mehr zu gestalten. Allerdings bleibt dem Kirchenvorstand eine Reihe von Grundaufgaben zur Beschlussfassung in jedem Fall vorbehalten. Dazu gehören insbesondere - die Festsetzung des Haushaltsplanes einschließlich des Stellenplanes - die Festsetzung der Jahresrechnung - die Erhebung des Kirchgeldes - die Regelung des Vorsitzes und der Stellvertretung im Vorsitz - die Stellungnahmen bei Änderungen im Bestand und Gebiet der Kirchengemeinde und bei Maßnahmen der Dekanatsbezirksordnung - die Zugehörigkeit zu einer Gesamtkirchengemeinde.

Beauftragungen im Kirchenvorstand Ressort-Beauftragte lassen sich vereinfacht als „Ein-Mannbzw. Eine-Frau-Ausschüsse“ verstehen. Der Kirchenvorstand

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kann einzelne Mitglieder als Beauftragte für bestimmte Arbeitsbereiche bzw. Aufgaben berufen oder wählen. Sie bekommen vom Kirchenvorstand eine fest umschriebene Beauftragung, beraten den Kirchenvorstand und berichten regelmäßig im Gesamtgremium. Sie haben das Recht, entscheidende Fragen ihres Ressorts rechtzeitig auf die Tagesordnung setzen zu können. Weitergehende Rechte und Pflichten, z.B. Geschäftsführung für bestimmte Einrichtungen (Gemeindehaus, Kindergarten, Hort), werden wie bei den beschließenden Ausschüssen in einer Geschäftsordnung geregelt. Sinngemäß lässt sich alles auf die Beauftragten übertragen, was zu den Ausschüssen gesagt wurde. Ehrenamtliche Beauftragte brauchen in besonderer Weise die Begleitung und Unterstützung durch die Hauptamtlichen. Darüber hinaus sind sie als Vermittler/innen und Kontaktpersonen für ihre speziellen Themen über die Kirchengemeinde hinaus im Dekanat, gegenüber landeskirchlichen Einrichtungen und evtl. auch zur außerkirchlichen Öffentlichkeit hin tätig. Für beinahe alle Beauftragungen gibt es kompetente Unterstützung auf Dekanatsebene und durch landeskirchliche Einrichtungen und Fachleute. Die entsprechenden Adressen sind über die Pfarrämter und Dekanate erhältlich. Eine Übersicht findet sich auch im „Infopool“ in diesem Praxisbuch. Nicht zu trennen, wohl aber zu unterscheiden von den Ressort-Beauftragungen mit weit reichenden Befugnissen, die den Kirchenvorstand nach außen vertreten können, sind Beauftragungen von Kirchenvorstandsmitgliedern und weiteren Gemeindemitgliedern für bestimmte Fragestellungen und Schwerpunktthemen innerhalb der Kirchengemeinde. Diese nehmen ihre Aufgabe im Rahmen ehrenamtlicher Mitarbeit wahr und arbeiten von Fall zu Fall mit dem Kirchenvorstand eng zusammen, wenn es um ihre Themenschwerpunkte geht. Während die Ressort – Beauftragungen vor allem für besondere Einrichtungen der Kirchengemeinde, bei denen es auch um Verantwortung für Personal, Finanzen oder Gebäude geht, Sinn machen, können die weiteren Beauftragungen (besondere Arbeitsfelder, besondere Aufgaben) auch gut von anderen kompetenten Gemeindemitgliedern im Auftrag und mit Unterstützung des Kirchenvorstandes wahrgenommen werden. Generell empfiehlt es

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sich, gerade bei Beauftragungen hin und wieder zu überprüfen, ob sie noch notwendig sind, und gegebenenfalls langjährige und „amtsmüde“ Beauftragte zu entlasten.

Mögliche Beauftra­ gungen

Beispiele für besondere Arbeitsfelder der Kirchengemeinde: • Beauftragte/r für Konfirmandenarbeit • Beauftragte/r für Jugendarbeit • Beauftragte/r für Öffentlichkeitsarbeit • Beauftragte/r für Frauenarbeit / Männerarbeit • Beauftragte/r für Seniorenarbeit Beispiele für besondere Einrichtungen der Kirchengemeinde: • Beauftragte/r für Friedhofswesen • Beauftragte/r für Kindergarten • Beauftragte/r für die Sicherheit von Gebäuden und technischen Anlagen Beispiele für besondere Aufgaben in Zusammenarbeit mit weiteren Trägern: • Beauftragte/r für Erwachsenenbildung • Beauftragte/r für Mission • Beauftragte/r für Umweltfragen • Beauftragte/r für Diakonie • Frauen- bzw. Männerbeauftragte/r Das Amt des Kirchenpflegers/ der Kirchenpflegerin ist schon lange ein bewährtes Modell für eine Ressort - Beauftragung. Im Grunde genommen ist es eine Beauftragung für das Haushalts-, Kassen- und Rechnungswesen der Kirchengemeinde. Während die Aufsicht darüber beim Pfarramtsvorstand liegt, ist der Kirchenpfleger/die Kirchenpflegerin dafür verantwortlich, dass der Haushaltsplan eingehalten wird und alle Geldgeschäfte fristgerecht abgewickelt werden. § 53 und 54 KGO können als ausgeführte Geschäftsordnung für diese Beauftragung gelesen werden. Anders als bei anderen Ressort - Beauftragten ist dieses

Sonderfall Kirchenpfleger(in)

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Amt nicht an die Mitgliedschaft im KV gebunden, ihm jedoch verantwortlich. Zum Kirchenpfleger bzw. zur Kirchenpflegerin können auch Mitglieder einer anderen Kirchengemeinde bestellt werden. Ebenfalls können die Aufgaben des Kirchenpflegers/ der Kirchenpflegerin der Verwaltungsstelle bzw. dem Kirchengemeindeamt übertragen werden.

Zusammenarbeit mit benachbarten Kirchengemeinden Die Zusammenarbeit mit benachbarten Kirchengemeinden ist in den neuen Bestimmungen der KGO deutlich aufgewertet. Dazu tragen einige Faktoren bei:

Gemein­ samer Kirchenvor­ stand

Kirchengemeinden einer Pfarrei sollen einen gemeinsamen Kirchenvorstand bilden, wenn dies der Entfaltung des örtlichen Gemeindelebens dient (§ 18 und 18a KGO). Die Kirchenvorstandswahl hat noch unter der bisherigen Rechtslage stattgefunden. Von daher haben in zahlreichen Pfarreien die einzelnen Kirchengemeinden einen eigenen Kirchenvorstand gewählt. Künftig sollen sie einen gemeinsamen Kirchenvorstand aufstellen. Allerdings besteht ein gewisser Beurteilungsspielraum, weil nur vor Ort am besten beurteilt werden kann, was der Verbesserung des örtlichen Gemeindelebens dient. Niemand kann unsinnige Konstruktionen verlangen. In der Praxis dürfte die Neuregelung jedoch für die meisten Kirchenvorstände und ihre Hauptamtlichen Vorteile mit sich bringen: - Die Kirchenvorstandswahl wird vereinfacht, wenn es nur noch einen gemeinsamen Wahlvorschlag und einen Vertrauensausschuss braucht. - Die laufende Arbeit des Kirchenvorstandes wird vereinfacht, weil nur noch gemeinsame Themen auf der Tagesordnung stehen müssen. Angelegenheiten der einzelnen Gemeinden können besser in regionalen Ausschüssen verhandelt und entschieden werden, in denen dann auch weitere kompetente Gemeindemitglieder mitarbeiten können. - Die Pfarrerinnen bzw. Pfarrer werden entlastet, weil sie nicht mehr in mehreren Kirchenvorständen gleichzeitig vertreten sind.

Mindestens sechs Mitglieder

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Kleinstgremien mit nur vier Personen sollen nur noch in Ausnahmefällen vom Dekan bzw. der Dekanin genehmigt werden (§ 28 KGO).

Künftig müssen auch kleine Kirchengemeinden mindestens sechs Mitglieder im Kirchenvorstand haben. Ausnahmen kann der Dekan bzw. die Dekanin bewilligen. In der Praxis gilt es deshalb abzuwägen, ob es von Vorteil ist, wenn die Kleinräumigkeit aufrechterhalten wird, oder ob besser ein gemeinsamer Kirchenvorstand (s.o.) gebildet wird. Häufig steht einer Veränderung die Sorge entgegen, die eigene Identität der Kirchengemeinde oder ihre Interessen könnten in einem gemeinsamen Kirchenvorstand Schaden nehmen oder zu wenig Berücksichtigung finden. Durch eine offene Kommunikation und sinnvolle regionale Ausschüsse bzw. Ortsausschüsse kann dem gegengesteuert werden. Benachbarte Kirchengemeinden einer Region arbeiten zusammen und regeln gemeinsame Aufgaben durch Absprachen und Kooperationsvereinbarungen (§ 26 KGO).

Kooperati­ onsverein­ barungen

In der Praxis empfehlen sich regelmäßige Treffen benachbarter Kirchenvorstände, bei denen gemeinsame Aufgaben besprochen und entsprechende Vereinbarungen zur Kooperation geschlossen werden können. Einmal im Jahr eine gemeinsame Kirchenvorstandssitzung, eine gemeinsamer Klausurtag oder ein Wochenende, das gemeinsam organisiert und durchgeführt werden kann, fördern das gegenseitige Kennenlernen und lassen die Möglichkeiten zur Zusammenarbeit sichtbar werden. Ein wichtiger erster Schritt der Zusammenarbeit kann eine gemeinsame Terminabsprache sein. Gemeinsame Gottesdienste, die engere Zusammenarbeit in der Konfirmandenarbeit und bei anderen Projekten können folgen. Auf diese Weise kann aus eher zufälliger Nachbarschaft ein gemeinsames Konzept der Zusammenarbeit entstehen, das von den beteiligten Kirchenvorständen mitgetragen wird. Nicht überall muss alles gemacht werden. Arbeitsteilung und gegenseitige Absprachen können auch Entlastung bringen. Und sie können in Zeiten knapperer Finanzen auch sinnvolle Einsparungseffekte erbringen. Die einzelnen Kooperationspartner entwickeln ein eigenes Profil und sind gemeinsam für die Menschen „vor Ort“ da.

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Zusammenfassende Überlegungen zur Geschäftsord­ nung im Kirchenvorstand - Wie jede Ordnung hat auch die GO „dienende“ Funktion – sie soll(te) das Miteinander und die Zusammenarbeit im Kirchenvorstand entlasten und sinnvoll regeln, aber nicht einengen und gängeln. - Anders als früher ist die GO nicht mehr fest vorgegeben, sondern in zentralen Punkten vom Kirchenvorstand zu gestalten. Er wird sich dabei an den örtlichen Verhältnissen, den konkreten Aufgaben und den rechtlichen Vorgaben und Spielräumen der KGO orientieren. - Besondere Bedeutungen erhalten dabei die Öffentlichkeitsarbeit, die Regelung des Vorsitzes und die Entlastung des Gesamtgremiums durch sinnvolle Ausschussarbeit und Beauftragungen sowie die Kooperation mit benachbarten Gemeinden. - Die Möglichkeiten zur Zusammenarbeit mit benachbarten Gemeinden lassen sich am besten durch regelmäßige Zusammenkünfte der Kirchenvorstände innerhalb einer Region ausloten und entwickeln. - Zusammen mit einer guten Kultur bildet die GO die Grundlage für eine gelingende Sitzungsgestaltung und Zusammenarbeit – die idealen Voraussetzungen dafür, dass die Mitarbeit im Kirchenvorstand dauerhaft Spaß macht und ein Kirchenvorstand sein Programm entwickeln und umsetzen kann. - Zur Klärung der entsprechenden Fragen und zur Erarbeitung „seiner“ GO sollte sich ein Kirchenvorstand vor allem zu Beginn seiner Amtsperiode die nötige Zeit lassen. Was hier investiert wird, zahlt sich in aller Regel in den folgenden Jahren immer wieder als Gewinn aus.

Zum Schluss drei Empfehlungen, die Sie unbedingt be­ achten sollten: - Die GO ist kein Mittel zur Konfliktregelung im Kirchenvorstand. Der Wahlvorsitz – aber auch die anderen Möglichkeiten – sind auf ein vertrauensvolles und offenes Miteinander aller Beteiligten angewiesen, damit sie gut gelingen.

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- Die GO sollte dem Landeskirchenamt zur Überprüfung vorgelegt werden, bevor sie endgültig beschlossen wird. Für Wahlvorsitzmodelle empfiehlt sich das auf jeden Fall. - Es empfliehlt sich, die GO erst einmal zur Erprobung einzuführen. Unabhängig davon kann der Kirchenvorstand selbstverständlich jederzeit Änderungen an seiner GO beschließen.

3. Welche Möglichkeiten der Sitzungsgestaltung nutzen wir? Ein Kirchenvorstand hat ausführlich über seine Kultur nachgedacht: Der Zeitplan steht, die Spielregeln werden von allen Mitgliedern akzeptiert, der Raum ist ansprechend vorbereitet, das geistliche Klima stimmt. Er hat auch eine sinnvolle Geschäftsordnung vorbereitet: Der Vorsitz ist geregelt, die Ausschüsse sind arbeitsfähig, die Beauftragten gefunden. Die gemeindliche Öffentlichkeit ist eingeladen und tatsächlich sind einige Gemeindemitglieder gekommen. Jetzt sind sie gespannt, was kommt. In der Tat ist mit einer guten Kultur im Kirchenvorstand und einer sinnvollen Geschäftsordnung die Arbeit noch nicht getan. Entscheidend wird es darauf ankommen, ob und wie ein Kirchenvorstand damit in der Praxis sinnvoll arbeiten und umgehen kann. Es geht schlicht und einfach um die Sitzungsgestaltung. Im Einzelnen sind dabei drei Aufgaben zu unterscheiden: - Sitzungsvorbereitung - Sitzungsleitung - Sitzungsnacharbeit

3.1. Sitzungsvorbereitung Zum Gelingen der Sitzungsleitung tragen viele Aspekte bei, eine positive wertschätzende Grundhaltung den Menschen und der Arbeit im Kirchenvorstand gegenüber, das ansprechende Gestalten von Andachten sowie ‚handwerkliches‘ Können, das Erstellen einer aussagekräftigen Tagesordnung, der Umgang mit Methoden und Medien für die Arbeit in Gruppen, das Einbezie-

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hen der Öffentlichkeit und manches mehr. Dabei ist eine gute Vorbereitung die halbe Miete. Was in der Vorbereitung geklärt wird, braucht in der Sitzung nicht mit Zeitaufwand geregelt werden („Worum geht es eigentlich?“). Zeitinvestition in die Vorbereitung spart Zeit in der Durchführung.

Sitzungstermine Wie oft?

Die Kirchenvorstandssitzungen müssen mindestens vierteljährlich stattfinden (§ 38 KGO). Weithin bewährt haben sich monatliche Sitzungen. So besteht die Chance, dass außer den „laufenden Geschäften“ Raum bleibt für Thematisches, für Entwicklungen in der Gemeinde und theologisches Fragen. Attraktiv ist die Vorstellung einzelner Gemeindeaktivitäten durch die zuständigen Mitarbeiter/innen (siehe auch Tagesordnung). Die Mitarbeit im Kirchenvorstand kostet Zeit und kollidiert oft mit anderen Verpflichtungen und Vorhaben. Deshalb bewährt sich ein Regel-Sitzungstag und mittelfristige Terminplanung (6 – 12 Monate). Auf diese Weise können sich die Kirchenvorstandsmitglieder die Termine freihalten. Das ermöglicht auch Vielbeschäftigten die regelmäßige Teilnahme, die für die Arbeits- und Beschlussfähigkeit des Kirchenvorstands notwendig ist. Zudem hat die Leitung ein Gerüst zur Planung für die laufenden Aufgaben. Ein gleichzeitig erstellter Themenplan hält in Erinnerung, was über Tagesentscheidungen hinaus auf die Tagesordnung muss.

Vorbereitungsteam Wer be­ reitet vor?

Der oder die Vorsitzende bereitet die Sitzungen mit dem Vertrauensmann bzw. der Vertrauensfrau vor (§ 39 KGO). Das Vorbereitungsgespräch zu zweit bringt unterschiedliche Gesichtspunkte ins Spiel und bereichert so die Arbeit im Kirchenvorstand. Hat sich der Kirchenvorstand für ein anderes Vorsitzmodell (z.B. Präsidium) entschieden, setzt sich das Vorbereitungsteam entsprechend erweitert zusammen.

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Tagesordnung Die Tagesordnung ist das Kommunikations- und Ordnungsinstrument. Eine durchdachte und aussagekräftige Tagesordnung ist eine zentrale Arbeitsgrundlage für einen erfolgreichen und befriedigenden Verlauf. Sie gibt die inhaltliche und zeitliche Struktur vor und ermöglicht die Vorbereitung aller Beteiligten. Eigene Vorbereitung wiederum ermöglicht aktive und bewusste Mitarbeit.

Was kommt wann dran?

Die Tagesordnung der Kirchenvorstandssitzungen wird von den Vorsitzenden und dem Vertrauensmann bzw. der Vertrauensfrau erstellt. Sie dient

Wer erstellt sie?

- der Vorbereitung der Teilnehmer/innen: „Worauf kann ich mich einstellen?“ - als Leitfaden für die Leitung: „Worauf will ich achten?“ Die Tagesordnung ergeht mit einer gesonderten Einladung (siehe auch Einladung Seite 93). - rechtzeitig - umfassend/präzise - an alle - schriftlich. - Anfangszeit, Pause und Schlusszeit der Sitzung sind benannt. - Das Ziel des jeweiligen Tagesordnungspunktes ist ersichtlich: Information und/oder Meinungsbildung und/oder Entscheidung. So wissen die Teilnehmenden, was zum jeweiligen Tagesordnungspunkt zu tun ist.

Kriterien für eine sinnvolle Tagesord­ nung

- Der inhaltliche Schwerpunkt jedes Tagesordnungspunktes ist klar. Er informiert so, dass der einzelne Kirchenvorsteher / die einzelne Kirchenvorsteherin sich ein Bild machen oder ersehen kann, wo und wie er / sie zu Informationen kommt. Schriftliche Anlagen zur Vorabinformation sind sinnvoll. - Die Tagesordnung umfasst nicht mehr, als realistisch zu bewältigen ist. Sie enthält für die einzelnen Tagesordnungspunkte präzise Zeitangaben.

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- Die wichtigsten Tagesordnungspunkte stehen am Anfang. - Jede Tagesordnung enthält den Punkt ‚Verschiedenes‘, um kurzfristige Besprechungspunkte einbringen zu können. - Schön ist es, wenn das Ritual eines Abschlussblitzlichtes eingeführt wird. So kann Befriedigendes und Unbefriedigendes ausgesprochen werden (siehe auch Rückmeldung).

Was kommt in die Sit­ zung?

Zur Tagesordnung gehören regelmäßig wiederkehrende Tagesordnungspunkte: - Begrüßung - Andacht - Annahme der Tagesordnung - Feststellung der Beschlussfähigkeit (§ 41 KGO) - Protokollvorlage - Berichte - Pause(n) - Gebet Weitere Tagesordnungspunkte erschließen sich anhand von drei Such-Fragen: (1) Was kommt aus der laufenden Arbeit? Der/die Vorsitzende überprüft, was aus der Geschäftsführung des Pfarramts vor den Kirchenvorstand muss: - Vorgesetzte Behörden brauchen förmliche Beschlüsse, Termine und Ausgaben sind festzulegen, Anträge zu behandeln. - Das Protokollbuch gibt Auskunft: Welche Tagesordnungspunkte sind aus früheren Sitzungen noch offen (weil die Zeit nicht mehr oder die Informationen noch nicht reichten)? Welche Aufgaben wurden zugewiesen, weil sie – über einen längeren Zeitraum – weiter verfolgt werden müssen? - Will einer der vorberatenden und / oder beschließenden Ausschüsse des Kirchenvorstands über seine ihm aufgetragene Arbeit berichten?

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- ‚Termin-Vorfahrt‘ bei der Sitzungsplanung haben zwei Bereiche: Haushaltsplan / Jahresrechnung und Personalfragen. (2) Was kommt aus der Gemeinde? - Der Kirchenvorstand hat Wünsche und Anregungen aus der Gemeinde, die das kirchliche Leben fördern, zu prüfen und soweit als möglich zu berücksichtigen (§ 20 KGO). Förmliche Anträge gehören in die frühestmögliche Sitzung. Zum guten kommunikativen Klima trägt auch bei, wenn die entsprechenden Gemeindeglieder schnell erfahren, ob und inwieweit ihre Wünsche und Anregungen Berücksichtigung gefunden haben. (3) Was nehmen wir uns selbst vor? - Der Vertrauensmann bzw. die Vertrauensfrau und der oder die Vorsitzende achten gemeinsam darauf, dass sich der Kirchenvorstand in regelmäßigen Abständen mit Tendenzen und Themen, Entwicklungen und Erscheinungen in Gemeinde, Kirche und Gesellschaft beschäftigt. Dazu werden Sachkundige, Betroffene oder bei der – wenn möglich regelmäßigen - Vorstellung von Gemeindeaktivitäten die verantwortlichen Mitarbeitenden eingeladen. - Alle Kirchenvorsteher/innen haben die Möglichkeit, vor der Sitzung selbst Tagesordnungspunkte (rechtzeitig) an die / den Vorsitzende/n des Kirchenvorstands mit der Bitte um Berücksichtigung zu geben. Sie können sich nach Erhalt der Tagesordnung über einzelne Tagesordnungspunkte eingehender informieren oder um ergänzende Informationen bitten. Sie können während der Sitzung um die Erläuterung des jeweiligen Tagesordnungspunktes – bezogen auf das Ziel – bitten (Information oder Meinungsbildung oder Entscheidung). Sie können die Umstellung und / oder Ergänzung der Tagesordnungspunkte beantragen. Und: Sie können grundsätzlich die Gestaltung der Tagesordnung zum Thema zu machen mit dem Ziel, manche der Kriterien für eine sinnvolle Tagesordnung (s. oben) einzuführen. Ein attraktives und wichtiges Thema motiviert zur Teilnahme – nicht nur die Mitglieder des Kirchenvorstands, sondern auch

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andere Gemeindeglieder. Diesem Thema sollten genügend Zeit und ein Platz eher zu Anfang der Sitzung eingeräumt werden.

Was kommt wann dran?

Die Sitzungsleitung hat erhebliche Vorarbeit zu leisten, wenn sie die Reihenfolge der Tagesordnungspunkte abwägt und festlegt. Grundsätzlich bietet sich eine Gliederung in etwa drei gleichlange Abschnitte an: - Eingangsteil: Leichte, nicht allzu kontroverse Tagesordnungspunkte - Zweites Drittel: 1 – 3 komplexere Tagesordnungspunkte - Pause (siehe auch Pause) - Letztes Drittel: Weniger komplizierte Tagesordnungspunkte, Feedback

Zur Rei­ henfolge der zu ver­ handelnden Punkte im einzel­ nen Auch bei Konflikten ist zu überlegen, ob für die Behandlung nicht eine vom Kirchenvorstand zu beschließende – Mediation (vgl. S. 165ff. in diesem Praxisbuch) geeigneter ist als eine öffentliche Kirchenvorstandssitzung.

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- Tagesordnungspunkte, die ausführliche Berichterstattung oder Diskussion zur Meinungsbildung erfordern, brauchen einen „guten Platz“: Entweder lassen sich wenige RoutineAngelegenheiten vorher zügig ‚abhaken‘. Dann bleibt die übrige Sitzungszeit zur Verfügung. Oder sie selbst stehen gleich am Anfang. - Was nie passieren sollte und immer wieder passiert: Der Tagesordnungspunkt, der die hitzigsten Diskussionen auslöst, wird unter dem Druck des späten Abends und des ersehnten Sitzungsendes aufgerufen. Stattdessen bietet es sich an, die „heißen“ Themen im zweiten Drittel der Sitzung vor der Pause (siehe Pausen) unterzubringen. Dann besteht auch in der Pause die Möglichkeit, „Dampf abzulassen“, sich mit anderen auszutauschen und das Thema auch gefühlsmäßig noch in der Sitzung zu verarbeiten. - Angesichts der Öffentlichkeit der Sitzungen (§ 40 KGO) werden im zweiten Teil der Sitzung die Tagesordnungspunkte zusammengefasst, die öffentlich nicht verhandelt werden dürfen (z.B. Personalfragen). - Der Punkt „Verschiedenes“ gehört in jede Sitzung – als Gelegenheit für die Mitglieder des Gremiums, nicht auf der Tagesordnung Stehendes einzubringen. Er ist also nicht Sammelbecken für schlecht vorbereitete Tagesordnungspunkte. Keinesfalls hat Platz unter dieser Überschrift, was

der Vorinformation und eines Entscheidungsprozesses bedarf (z.B. Beschlüsse). Entstehen doch Fragen, entwickelt sich eine Diskussion, dient es der Sache und dem Zeitrahmen, das Thema zum ordentlichen Tagesordnungspunkt für die nächste Sitzung zu erheben. - Tagesordnungspunkte, die nur aus Formgründen behandelt werden müssen (z.B. gesetzliche Höherstufung einer Kindergärtnerin), lassen sich bündeln. - Wer trägt die Tagesordnungspunkte vor? Das braucht nicht nur Aufgabe des bzw. der Vorsitzenden zu sein. In einer bestimmten Angelegenheit ist die Vertrauensfrau bzw. der Vertrauensmann weniger ‚parteiisch‘ als die Pfarrerin bzw. der Pfarrer. Über Finanzfragen hat der/die Kirchenpfleger/in (oft) den besseren Überblick. Wieviel Zeit brauchen die einzelnen Tagesordnungspunkte? Und was lässt sich bei der Vorbereitung tun, damit der gesetzte Zeitrahmen eingehalten werden kann? - Der oder die Vorsitzende und der Vertrauensmann bzw. die Vertrauensfrau beurteilen den Diskussionsbedarf der einzelnen Angelegenheiten. Aus ihrer Erfahrung können sie ermessen: Wie weit sind bei einem Tagesordnungspunkt die Positionen im Kirchenvorstand auseinander? Wo ist ausführliche Darstellung nötig, mit vielen Rückfragen zu rechnen? - Zeit lässt sich besser nutzen: Problemdarstellung und Informationen sind klar, mögliche Vorarbeiten (Alternativen, Kostenaufstellungen usw.) sind bis zur Sitzung erledigt. Hilfsmittel (Kopien von Unterlagen, Overhead-Projektor o.ä.) werden bereitgestellt. Die zur Verfügung stehende Zeit wird allen bekanntgemacht. Unterschiedliche Gegenstände verlangen unterschiedliche Verfahrensweisen. Deshalb machen sich der Vertrauensmann bzw. die Vertrauensfrau und der oder die Vorsitzende bei der Vorbereitung folgendes klar:

Der Zeitbedarf

Hilfreich ist es, wenn die Dauer der Sitzung (maximal) 2,5 Stunden nicht überschreitet. Danach ist die Gefahr groß, dass Müdigkeit, Unaufmerksamkeit und Spannungen zunehmen.

Was kommt wie dran?

Ein Tagesordnungspunkt wird so präzis wie möglich benannt. Nicht: „Organisationsfragen“, sondern: „Wie lässt sich der ge-

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genwärtige Engpass im Mitarbeitenden-Team für den Kindergottesdienst überbrücken?“ Die tatsächliche Aufgabe des Kirchenvorstands wird geklärt. Ein Kirchenvorstand muss nicht immer entscheiden. Manchmal geht es um Information oder Beratung. Ein Tagesordnungspunkt kann sich auch auf die Bearbeitung eines Konflikts oder auf Meinungsbildung beziehen. Im Kirchenvorstand wechselt häufig die Aufgabe von Tagesordnungspunkt zu Tagesordnungspunkt: „Was soll jetzt erreicht werden?“, muss dann jeweils festgestellt werden. Jede der folgenden Verhandlungstypen kann eine ganze Sitzung kennzeichnen:

Information Dem Gremium geht es darum, Mitteilungen zu einem konkreten Sachverhalt zu bekommen. Dabei ist generell zu prüfen: Wie kann die Sitzung von einer bloßen Informationsweitergabe entlastet werden? Welche Unterlagen müssen die Teilnehmer/innen vorher erhalten (siehe auch Einladung)? Ziel: Alle sollen den gleichen Informationsstand erreichen. Vorgehen: Bekanntgaben und Mitteilungen werden in der Einladung/durch Tischvorlage oder mündlich übersichtlich dargeboten. Rückfragen können zur Klärung gestellt werden.

Planung Ein konkretes Projekt oder ein längerfristiges Vorhaben wird geplant. Je nach Stand des Prozesses geht es um erste grundsätzliche Fragen oder um Planungsdetails. Ziel: Inhalte werden bestimmt, die Einzelschritte und Details bis zur Durchführung festgelegt. Aufgaben sind zu verteilen und die Überprüfung zu vereinbaren. Vorgehen: Brainstorming; Checklisten halten festgelegte Ziele, Planungsschritte, Aufgaben und Überprüfungen fest.

Problemdiskussion Ein Problem ist aufgetaucht im Verantwortungsbereich des Gremiums. Die Gruppe bespricht es und versucht, es von verschiedenen Seiten zu beleuchten.

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Ziel: Das Problem soll prägnant verstanden und benannt werden. Vorgehen: Im Rundgespräch werden die unterschiedlichen Gesichtspunkte zusammengetragen. Eine Zettelwand hilft, Beiträge festzuhalten und zu ordnen.

Entscheidung Sie kann nach der Information getroffen werden. Sie kann sich unter Umständen an die Problemdiskussion anschließen, wenn das Problem durch eine Entscheidung gelöst werden kann. Ziel: Die Argumente werden abgewogen und bewertet, die richtige Form der Entscheidung gefunden: Abstimmung oder Kompromiss oder gemeinsamer Beschluss? Vorgehen: Die Argumente müssen allen bekannt sein bzw. gemacht werden („Pro und Contra“-Diskussion, schriftliche Sammlung „Gründe dafür – dagegen“ usw.). Die jeweiligen Konsequenzen werden bedacht. Nach dem Abwägen zwischen den Optionen wird die Entscheidung getroffen. Die Umsetzung wird in Gestalt eines Maßnahmenkataloges vereinbart: 1. Was ist zu tun? 2. Wer (tut es)? 3. Mit wem? 4. Bis wann? 5. Erledigt. Die fünfte Rubrik bleibt vorläufig leer, sie wird mit einem ‚o.k.Haken‘ dann in der Sitzung versehen, wenn die Arbeitsschritte erledigt sind.

Konfliktbearbeitung Es geht nicht nur um ein sachliches Problem. Beim echten Konflikt stehen Gefühle auf dem Spiel, Gegensätze können tief sitzen. Ziel: Wie kann eine Lösung gefunden werden, die von allen Beteiligten getragen wird? Vorgehen: Alle Argumente werden angehört. Gefühle dürfen ausgesprochen, Verletzungen angesprochen werden. Es wird gemeinsam nach sinnvollen Lösungswegen gesucht.

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Sechs Schritte zur Entscheidungsfindung 1 Problem benennen/informieren/sachkundig machen In der Einladung/durch Tischvorlage Mündlich Was dran ist: Nur Sach-Beiträge und Sach-Fragen

2 Meinungen bilden Gesichtspunkte zusammentragen Konsequenzen abwägen Gefühle benennen Konflikte aufzeigen Was dran ist: Brainstorming (s. Seite ...)/Zuhören

3 Möglichkeiten bündeln Was dran ist: Positionen auf den Punkt bringen

4 Entscheidung treffen Zwischen den Optionen abwägen und persönliche Entscheidung treffen Was dran ist: Abstimmung

5 Entscheidung umsetzen Aufgaben und Zuständigkeiten sind / werden klar vereinbart. Ziele und Fristen sind / werden festgelegt. Was dran ist: Konkrete Planung, konkrete Aufträge, konkrete Termine

6 Verwirklichung kontrollieren Was dran ist: Realisierung zur vereinbarten Zeit auf vereinbarte Ziele hin überprüfen

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Zur Form der Tagesordnung Wird die Tagesordnung in folgender Form den Teilnehmenden zugesandt (Brief, Fax, e-mail), helfen Rubriken zur besseren Vorbereitung und Orientierung während des Sitzungsverlaufs: Muster für Tagesordnung Zeit

Thema

Methode / Verfahren Geräte und Unterlagen überprüfen und bereitstellen; Raum herrichten; lüften

Unterlagen / Medien

Wer?

Tageslichtprojektor; Videorecorder, Flipchart, Getränke, Kamera, ...

KV-Leiter B1 Pfarrer C

19:00

Vorbereitung

19:30

Begrüßung

-

19:35

Besinnung

Psalm-Lesung, Stille, freies Gebet

Kerze, Psalm 91

19:40

Annahme der Tagesordnung und Feststellung der Beschlussfähigkeit

Zustimmung erfragen + gegebenenfalls Änderungen aufnehmen

Tagesordnung

19:45

Protokollvorlage

Zustimmung erfragen

Protokolle, Protokollbuch

19:55

Einführung eines Abendgottesdienstes für jeden 2. Sonntag im Monat (Wiedervorlage)

Informationen: Vorstellung Konzept (Schaubild) mündlich + Video-Band (Abendgottesdienst der XGemeinde) mit Rückfragen + Aussprache + Beschluss

20:35

Pause

-

Konzept-Schaubild Videorecorder Video-Band

Min.

Vertr. frau A KV-Leiter B Vertr. frau A

30

05

05

10

Pfarrer C Frau E (Gast)

40

Tageslichtprojektor Getränke / Imbiss

15

20:50

Bericht aus dem Jugendausschuss (JA)

Mündl. Bericht und Aussprache

Flipchartplakat mit Nehmen der JA-Mitglieder

Diakon F + JAMitglie­ der

21:15

Internetseite für die Gemeinde

Information + Rückfragen (Aussprache + Beschluss nächste Sitzung)

Kostenplan; Notebook für Beispiel-Seiten anderer Gemeinden

Herr G (Gast)

20

21:35

Sonstiges: Erneuerung Gottesdiensttafel am Ortseingang und Lektorendienst

Information und Beratung.

Foto von der Tafel Lektorenliste

Frau H

15

21:50

Einträge in Aufgabenliste komplettieren, Verabschiedung mit Segenswort

Stehkreis (?)

Aufgabenliste, Flipchart, Kerze

Pfarrer C

05

22:00

Nacharbeit

Flipchartplakate für Protokoll ablichten; gemeinsames Aufräumen

Digitalkamera

alle

10

1

25

der/die Leiter/in der Kirchenvorstandssitzung ruft die einzelnen Tagesordnungspunkte auf

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Wer kommt? Die Teilnehmenden „Ersatz“Leute

In einer Reihe von Gemeinden nehmen nicht nur die Pfarrer/innen und die gewählten und berufenen Kirchenvorsteher/innen teil. Auch die „Ersatz“-Leute aus dem ‚Erweiterten Kirchenvorstand‘ beraten mit und übernehmen Aufgaben (§ 40 KGO).

... und an­ dere wich­ tige Leute

Sollen zur Beratung des Kirchenvorstands bei einem Tagesordnungspunkt „Sachverständige“ einbezogen werden? Sind Betroffene einzuladen? Welche Mitglieder von Ausschüssen oder Beauftragte des Kirchenvorstands dürfen nicht übersehen werden?

Öffentlich­ keit

Nicht zu vergessen: Die Sitzungen des Kirchenvorstands sind in der Regel öffentlich (§ 40 KGO). Jedes Gemeindemitglied kann daran teilnehmen.

siehe Seite 43ff.

Wo treffen wir uns? Der Raum Bewährt hat sich, - wenn der Raum so groß ist, dass er Bewegungsfreiheit lässt – am besten so viel, dass das Arbeiten an Tischen, im Stuhlkreis und in parallel arbeitenden Kleingruppen möglich ist; - wenn an den Wänden viele Befestigungsmöglichkeiten für Flipchartplakate vorhanden sind (Korkwände, Klemmschienen, ...); - wenn es eine ‚arbeitsfördernde‘ Beleuchtung im Raum gibt (blendfreies Licht mit Dimm- und Verdunkelungsmöglichkeiten); - wenn im Raum angenehme Temperaturen und eine gute Luft herrschen – dafür sind kurze Lüftungspausen ratsam (siehe auch Pausen) und - wenn alle im Lauf des Abends benötigten Medien – deren Funktionsfähigkeit sollte man vorher testen! - schon bereit stehen (dazu könnten auch Notizpapier und Schreibutensilien gehören).

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Wie werden wir informiert? Die Einladung Die Ergebnisse des Vorbereitungsgesprächs von Pfarrer/in und Vertrauensmann oder Vertrauensfrau bzw. im Leitungsteam fließen in die Einladung ein und machen sie bereits zu einem Arbeitsmittel für eine effektive Kirchenvorstandssitzung. - Die Einladung stellt die Tagesordnungspunkte klar dar. Wie lautet das Problem? Was hat der Kirchenvorstand zu tun (Information/Beratung/Entscheidung/Beschluss)? Welche Vorbereitung wird von den/von bestimmten Mitgliedern erwartet?

Die Einla­ dung ist Ergebnis der Vorbe­ reitung Kriterien für eine effektive Einladung

- Notwendiges Informationsmaterial liegt der Einladung bei: Bestimmte Informationen wie z.B. Kurzfassungen des Haushaltsplans und Übersichten über Kostenaufstellungen (z.B. Baumaßnahmen) können bereits daheim und in Ruhe angesehen werden. Das hilft den Mitgliedern des Kirchenvorstands, Durchblick und Sicherheit im Umgang mit der Materie zu gewinnen. - Vorschläge für zu fassende Beschlüsse können bereits formuliert werden: Die Mitglieder bedenken Für und Wider und die Konsequenzen bereits vor der Sitzung. Änderungswünsche lassen sich anhand der Vorlage genauer formulieren. Zeit kann gewonnen werden. - Die Einladung ergeht rechtzeitig: Die Einladung als Arbeitsinstrument des Kirchenvorstands: Diese Vorstellung lässt sich nur einlösen, wenn rechtzeitig schriftlich eingeladen wird. Die Kirchenvorsteherinnen und Kirchenvorsteher müssen Zeit haben, um sich gedanklich und emotional auf die Sitzung vorzubereiten und sie kundig mitzugestalten. Deshalb beträgt die vorgeschriebene Mindestfrist für die Einladung acht Tage (§38 KGO). Auch im Blick auf die Öffentlichkeit der Sitzungen (§ 40 KGO) empfiehlt sich eine möglichst frühzeitige Einladung. - Einladende Gestaltung: Freundliche Worte und eine ansprechende Gestaltung wirken motivierend. Mit Hilfe des Computers kann auch ohne große künstlerische Begabung eine Einladung übersichtlich gestaltet werden.

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Einladend wirkt auch, wenn nicht nur der Beginn der Sitzung mitgeteilt wird, sondern auch die Pause und das geplante Ende.

Zu guter Letzt: Eine halbe Stunde vorher Es empfiehlt sich, vor Beginn (ungefähr 30 Minuten) der Kirchenvorstandssitzung den Raum herzurichten. Sie können einen Recorder aufstellen, Bilder an die Wand hängen, das Flip-Chart mit einem Willkommensgruß beschriften, Namenskarten auf die Plätze legen, einen Blumenstrauß auf den Tisch oder in die Mitte des Raumes stellen, eine Begrüßungsmusik aussuchen, Wasser und Gläser auf den Tisch stellen. In der Pause tut ein kleiner Imbiss gut, der wäre jetzt vorzubereiten. Vor dem Eintreffen der Teilnehmenden können Sie leise Musik einstellen und dann jeden/jede an der Tür mit Handschlag und einem Lächeln begrüßen. So schaffen Sie eine positive Stimmung bereits zu Beginn des gemeinsamen Abends.

3.2. Sitzungsleitung Im Folgenden finden Sie einige Anregungen, wie Sie partnerschaftlich und effektiv Sitzungen leiten:

Zeitbudget klären und einhalten Überprüfen Sie vor der Sitzung, wieviel Zeit die einzelnen Tagesordnungspunkte voraussichtlich brauchen. Geben Sie dies bereits in der Tagesordnung oder zu Beginn der Sitzung bekannt. Als hilfreich hat sich in der Praxis eine groß auf Flipchart geschriebene Tagesordnung mit Zeitangaben erwiesen. Bitten Sie die Mitglieder der Sitzung um Zustimmung, dass Sie im Verlauf der Sitzung auf dieses Zeitbudget bei Bedarf aufmerksam machen. Wenn nötig: Vereinbaren Sie zu Beginn der Sitzung Sprechzeit für die einzelnen Beiträge (30 Sekunden bis maximal 2 Minuten). Um die Einhaltung sicher zu stellen, vereinbaren Sie auch, dass Sie als Gesprächsleiter/in eingreifen müssen, wenn die Sprechzeit überzogen wird. Und - gehen Sie mit gutem Beispiel voran.

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Redner/innen-Liste Führen Sie eine „Redner/innen-Liste“ entsprechend der Reihenfolge der Wortmeldungen. Wenn dadurch fortwährender Themenwechsel auf Kosten des Gesprächsverlaufs entsteht, gehen Sie von der notierten Redner/innen-Liste ab und rufen Sie zu dem aktuellen Punkt weitere Äußerungen auf oder ziehen Sie sie vor.

Arbeitsmethoden Methoden, miteinander zu arbeiten, gibt es zahllose. Hier einige Vorschläge: • ‚Blitzlicht‘ Wenn sich ein Zwiegespräch entwickelt oder sie ein Stimmungsbild erhalten wollen, schalten Sie zur Unterbrechung eine Rundum-Abfrage ein: „Das Gespräch zwischen X und Y hat viele Gesichtspunkte gebracht. Ich bitte, dass jetzt auch die anderen ihre Meinung dazu sagen - möglichst in einem Satz und ohne Diskussion der anderen Beiträge.“ • Gedankensturm (‚Brainstorming‘) Das Brainstorming eignet sich vor allem zum „Ideen finden / sammeln“. Jede/r äußert spontan Einfälle, Ideen, Vorschläge. Rückfragen, Kommentare, Kritik sind dabei untersagt. Die Einfälle können gesichert werden (Tafel, Flipchart, flexible Zettelwand) für spätere thematische Gruppierung oder andere Formen der Weiterarbeit. • Kartenabfrage (‚Brainwriting‘) Das Brainwriting dient dazu, gleichzeitig von allen Mitgliedern des Kirchenvorstands Erwartungen, Themen, Lösungsideen usw. einzuholen. Stellen Sie eine eindeutige Frage, die die Teilnehmenden schriftlich in Stichworten beantworten. Für jede Idee oder Antwort wird ein eigenes Kärtchen verwendet. Durch die Beschränkung auf zwei bis drei Kärtchen pro Person erzielen Sie eine Begrenzung der möglichen Antworten.

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• Gedanken-Landkarte (‚Mindmap‘) Diese Methode hilft, Ideen strukturiert zu sammeln, zu analysieren und zu planen. In der Mitte eines großen Bogens Papier schreiben Sie als Stichwort auf, worum es geht. Laden Sie die Teilnehmenden ein, ihre Gedanken dazu zu assoziieren. Sie ordnen nach Oberbegriffen die Beiträge einander zu. Für jeden Oberbegriff wird ein Zweig gezeichnet, der sich bei weiteren Nennungen noch verästelt. Durch die Konstellation, in der die Einfälle eingebracht werden, entstehen bisweilen neue Zusammenhänge. Chancen und Handlungsbedarf werden sichtbar. Teilen Sie sich zunächst gegenseitig mit, welche Bedeutung diese Zusammenstellung für die Beurteilung der Situation hat. Diese Erkenntnisse bereiten den Weg für die Weiterarbeit. Als nächster Arbeitsschritt kann entschieden werden, woran man weiterarbeiten will. Schließlich könnte wieder auf einem großen Bogen Papier in Gestalt einer Aufgabenliste in Spaltenform festgehalten werden, was wer mit wem bis wann erarbeitet.

Beispiel für ein Mindmap aus einem eMp-Workshop mit dem Kirchenkreis Dortmund Nord-Ost: Mit Hilfe des Mindmaps wurde von den Teilnehmenden Aspekte gesammelt und strukturiert, wie man sich so an den Interessen und Bedürfnissen

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der Gottesdienstgäste orientieren kann, dass sie Wertschätzung und Menschenfreundlichkeit erfahren. Zusätzliche Aspekte und „Äste“ können in einem Mindmap nach Belieben ergänzt werden. Mindmaps eignen sich überdies hervorragend als Vorlage für Vorträge und Predigten und fördern das freie Sprechen. • Kleingruppenarbeit oder Einzelarbeit (‚Denk-Zeit‘) Schalten Sie bei entsprechender Größe Ihres Kirchenvorstands Kleingruppenarbeit dazwischen, um mehr Material zu bekommen und die Beteiligung aller zu fördern. In vielen Sitzungen reden die Beteiligten über etwas, worüber sie noch nicht nachgedacht haben. Weil sie reden, kommen sie nicht zum Nachdenken. Diskutieren Sie deshalb für eine verabredete Zeit (ca. 3 Minuten) nicht, sondern denken Sie miteinander in Einzelarbeit nach (mit Notizen) und diskutieren Sie anschließend weiter. • Bewertung: über Abstimmung oder Punktabfrage Bei der Punktabfrage erhält jede/r Teilnehmende Klebepunkte, gewöhnlich halb so viele Punkte wie vorhandene Optionen. Dann wird der Maßstab der Bewertung festgelegt und die Art und Weise des Punktens geklärt (Ist ‚häufeln‘ erlaubt? Nimmt jede/r die Verteilung der Punkte zunächst für sich am Platz vor, ehe er nach vorne geht und seine Punkte klebt? So kann er/sie seine/ihre Entscheidung unabhängig von den Voten der anderen Teilnehmenden treffen.) Alle Arbeitsschritte und Ergebnisse sollten über Flipchart gut sichtbar sein. So sind alle Teilnehmenden auf demselben Informationsstand, können den Stand der Dinge mitverfolgen, klare Bezüge sind möglich, Doppelungen von Redebeiträgen werden vermieden, Missverständnisse weitgehend ausgeschlossen.

Medien Medien sind Helfer für die gemeinsame Arbeit und machen das Gedachte sichtbar: • Flipchart Es ist Standard bei den Arbeitsmitteln in Sitzungen. Zweck: die Visualisierung von Sachverhalten wie Tagesordnung, Diskussionsnotizen, Vereinbarungslisten.

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Vorteil: Die Beiträge auf den Flipchart-Papierbögen stehen während der gesamten Sitzung vor Augen. • Pinwand Zweck: Stimmensammlung bei der Kartenabfrage, Anheften von Plakaten etc., gegebenenfalls kann sie auch als Projektionsfläche für den Tageslichtprojektor genutzt werden. • Tageslichtprojektor oder Beamer Er kommt zum Einsatz, wenn vorbereitetes Info-Material vorgestellt werden soll. • Moderationskoffer Ein Moderationskoffer ist hilfreich, um die notwendigen Materialien wie Stifte, Moderationskarten, Klebeband, Schere, Klebepunkte usw. übersichtlich zur Hand zu haben. Kurzum: Gutes Handwerkszeug kostet zwar seinen Preis, aber ist ihn auch wert.

Geschäftsordnung Für die Kirchenvorstandssitzungen gibt es keine spezielle Sitzungstechniken. Was sich auch sonst in Gremien bewährt, wird vorausgesetzt und gemeinsam beachtet. Im Folgenden finden Sie eine Auswahl der wichtigsten Begriffe: Abstimmung Über eine Sache oder eine Person (Amt) wird beschlossen. Die Abstimmung kann geheim (Stimmzettel ohne Namen) oder offen (Aufheben der Hand) erfolgen. Bei namentlicher Abstimmung wird die Entscheidung Jeder/Jedes einzelnen festgehalten. Antrag Er wird mündlich oder schriftlich gestellt. Über ihn soll abgestimmt werden. Im Sitzungsverlauf sind wichtig der: Antrag auf Abstimmung Das Ende der Diskussion oder Meinungsbildung soll herbeigeführt werden. Die Redner/innen-Liste ist zu schließen.

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Antrag zur Geschäftsordnung Er bezieht sich auf die Vorgehensweise des Gremiums. Sie soll neu oder entsprechend einer früheren Vereinbarung geregelt werden. Über diesen Antrag muss sofort abgestimmt werden. Damit ein Antragswunsch zur Geschäftsordnung unter den anderen Wortmeldungen kenntlich wird, sind besondere Meldeformen üblich (z.B. Heben beider Hände). Gast Geladene/r Teilnehmer/in ohne Stimmrecht Gegenprobe Bei einer offenen Abstimmung werden die Gegenstimmen festgestellt. Mehrheit Die Zahl der Personen, die für Abstimmungen und Wahlen des Gremiums festgelegt ist. Beachten Sie: Ist die Mehrheit der Anwesenden oder der überhaupt Abstimmungsberechtigten gemeint (z.B. § 36 KGO)? Einfache oder relative Mehrheit Die meisten Stimmen (für einen Antrag oder Vorschlag) Absolute Mehrheit Mehr als die Hälfte der Stimmen (der Anwesenden oder der Gesamt-Stimmberechtigten) Einstimmigkeit Keine Gegenstimmen und keine Enthaltungen Einmütigkeit Keine Gegenstimmen, aber Enthaltungen möglich Mitglied Wer einem Gremium angehört und alle Rechte und Pflichten besitzt (zur Verdeutlichung auch: ordentliches Mitglied). Außerordentliche Mitglieder haben eingeschränkte Rechte und Pflichten. Protokoll Mitschrift von Verlauf und Ergebnissen der Sitzung

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Redezeit Von den Teilnehmenden vereinbarte zeitliche Beschränkung der einzelnen Gesprächsbeiträge Redner/innen-Liste Von dem Gesprächsleiter bzw. der Gesprächsleiterin festgehaltene Reihenfolge der Wortmeldungen Sitz und Stimme Bezeichnung der vollen Rechte und Pflichten eines Mitglieds Sitzungsleitung Sie umfasst die Einhaltung der Tagesordnung und die geregelte Gesprächsleitung. Verantwortlich dafür ist der bzw. die Vorsitzende, der bzw. die diese Aufgabe aber auch an andere Mitglieder des Gremiums delegieren kann. Stichwahl Diese Wiederholung eines Wahlgangs wird notwendig, wenn mehrere Kandidaten/Kandidatinnen die gleiche Stimmenzahl haben oder kein Kandidat/keine Kandidatin die vorgeschriebene Mehrheit erreicht hat. Stimmengleichheit Ist die Zahl der Zustimmungen und Ablehnungen gleich, gilt ein Antrag als abgelehnt. Stimmenthaltung Keine Entscheidung für oder gegen einen Antrag/eine Person. In manchen Abstimmungsverfahren sind Stimmenthaltungen ausgeschlossen. Im Kirchenvorstand bleiben Stimmenthaltungen grundsätzlich unberücksichtigt. Stimmzettel Leere oder vor-beschriftete (Kandidaten-/Kandidatinnen-Namen) Zettel für eine geheime Wahl bzw. Abstimmung. Gültige Stimmzettel lassen den Willen des/der Stimmberechtigten eindeutig erkennen, Ungültige lassen Zweifel am Willen des/der Abstimmenden (nicht nach den Wahl-Regeln ausgefüllt). Tagesordnung Zählt die Verhandlungsgegenstände einer Sitzung auf und legt die Reihenfolge fest.

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Vertagung Eine Sitzung, ein Sitzungsteil wird auf später verschoben. Vorlage Entwurf zu einem Verhandlungspunkt, dient als Grundlage für die Beratung. Vorsitzende/r Meist gewählt zur Leitung eines Gremiums – im Kirchenvorstand in der Regel der/die Pfarramtsführer/in mit der Möglichkeit zu anderen Vorsitzformen (§ 35 KGO). Wahlrecht Das Recht, sich aktiv (durch die Stimmabgabe) oder passiv (durch Kandidatur und Annahme einer Wahl) an einer Wahl zu beteiligen. Pausen: Produktive Zeiten Pausen tragen zum guten Klima und zur Produktivität von Sitzungen bei. Pausen verlängern erfahrungsgemäß eine Sitzung nicht, sie verkürzen sie vielmehr. Planen Sie daher Pausen ein, bei ca. 2-2,5 stündigen Sitzungen etwa zur Halbzeit. Zu dieser etwa 15 minütigen Erhol-Pause kommen bei Bedarf kurze, aber effektive Lüftungs- und Entspannungspausen zwischendurch. Pausen können verschiedene Funktionen haben. Nehmen Sie aufmerksam wahr, welche Pausen-Funktion weiterführt: Erhol-Pause Wenn Konzentration und Leistungskraft nachlassen, ist einfach Entspannung angesagt. Gähnen und Seitengespräche sind ein Signal dafür. Frische Luft belebt. Auf andere zugehen bereichert. Bewegungs- und Entspannungsübungen tun gut. Und ein Schluck Wasser wirkt oft Wunder. Ventil-Pause Manchmal werden Sitzungen unübersichtlich: Spannung liegt in der Luft, Frust, Chaos. Störende Einzelgespräche nehmen überhand. Der eine oder andere Schlagabtausch ist entstanden. Entlasten Sie sich und respektieren Sie die Situation: Die Teil-

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nehmenden an der Sitzung brauchen eine Gelegenheit, das alles zu klären und abzubauen. Nach einer Pause sehen die meisten klarer. Mit einem „Blitzlicht“ (siehe Seite ...) können Sie das vielleicht auch überprüfen. Produktions-Pause Es gibt viel zu sagen, nachzufragen und zu diskutieren – das Plenum würde dadurch gesprengt. Bevor Sie aufwändig Gesprächsgruppen organisieren, machen Sie einfach eine Pause. Die Mitglieder des Kirchenvorstands organisieren sich garantiert selbst und holen sich, was sie an Gesprächen, Informationen, Bestätigung ... brauchen. Haben Sie Vertrauen in die produktiven Kräfte des Kirchenvorstands. Rückmeldung („Feedback“) Wir legen nahe, am Ende der Kirchenvorstandssitzung eine Rückmeldung von den Teilnehmenden zu erbitten. Sinn und Zweck ist es, die Sitzungskultur immer wieder kritisch unter die Lupe zu nehmen und sie positiv zu prägen. Dabei kann die inhaltliche Ausrichtung je nach Anmoderation verschieden sein. Das Wort ergeht entweder reihum oder es wird durch das Zuwerfen eines Balles erteilt (mit positiver Erfahrung erprobt: der leuchtend gelbe Schaumstoffball mit einem ‚smily‘). Gelegentlich kann auch eine kurze schriftliche Rückmeldung am Ende der Sitzung hilfreich sein.

Beispiele für die An­ moderation

Welche Erfahrungen waren positiv für Sie in dieser Sitzung? Wo haben Sie Verbesserungsvorschläge? Oder: Woran werden Sie sich nach dieser Kirchenvorstandssitzung gerne erinnern? Was möchten Sie dem Sitzungsleiter/der Sitzungsleiterin zu bedenken geben?

Tipp

Auf die Regeln des Feedbacks nochmals hinweisen, bevor es losgeht, am besten steht es den Teilnehmer/innen auf einem Plakat schriftlich vor Augen. Kurze Beiträge erbitten

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Klare und deutliche Aussagen erbitten, inhaltlich möglichst präzise zugespitzt Wahrnehmungen und Kritik deutlich als die eigene Position kennzeichnen lassen, d.h. Ich-Botschaften senden („Ich möchte…“ statt: „Man sollte ...“) Auf Feedback keine Antworten oder Rechtfertigungen zulassen, es einfach anhören Erinnern: Im Feedback teilt mir jemand seine subjektiven Wahrnehmungen mit. Welche Punkte ich davon tatsächlich übernehme, ist meine Entscheidung. Schriftliche Auswertung Grundhaltung ist auch hier die Feedback-Bereitschaft. Ich übe mich als Vorsitzende/r mit den anderen im Kirchenvorstand ein in eine Kultur (= Pflege) der Wahrnehmung und ebenso der offenen wie respektvollen Rückmeldung. Von Zeit zu Zeit lohnt es sich, eine Kirchenvorstandssitzung schriftlich auszuwerten und die Ergebnisse für eine noch effektivere Gestaltung zu nutzen. Dazu im folgenden einige Anregungen zur Auswertung: Die Ein-Kreuz-Frage Wenn Sie wissen wollen, wie zufrieden die Sitzungsteilnehmenden sind, könnte die Frage lauten: „Wie zufrieden bin ich mit ...“. Diese Frage schreiben Sie groß und gut leserlich auf ein Plakat. Darunter zeichnen Sie ein Viereck, das Sie durch eine diagonal verlaufende Linie teilen. Zwei Aspekte der Zufriedenheit (emotionale und sachliche) schreiben Sie, wie die Grafik zeigt, an den Rand des Vierecks und geben jeweils deutlich zwei Pole an: sehr zufrieden

Wie zufrieden bin ich mit ...

unserer Zusammenarbeit? eher unzufrieden

X1 X2

den erreichten Ergebnissen?

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Skalierter Fragebogen Bei diesem skalierten Fragebogen finden Sie zu jeder Frage zwei Antwortpole mit einer Skala von –3 bis +3. Je nach persönlicher Einschätzung wird angekreuzt. Jede/r füllt den Bogen für sich aus. Dann werden sie eingesammelt und ausgewertet. Die Ergebnisse können in das Protokoll der Sitzung aufgenommen werden. Nehmen Sie dazu den Fragebogen, addieren Sie bei jeder Frage die Nennungen und tragen Sie die jeweilige Summe ein. Ein gemeinsamer Austausch über die Ergebnisse bereichert die Sitzungskultur. 1. Mit welchen Gefühlen bin ich in die heutige Besprechung gegangen?

Es war mir eine Last

-3 -2 -1 0 +1 +2 +3

Mit großer Freude

2. Wie zufrieden in ich am Ende dieser Sitzung?

Völlig unzufrieden

-3 -2 -1 0 +1 +2 +3

Sehr zufrieden

3. Wie klar waren mir die Ziele der heutigen Sitzung?

Völlig unklar

-3 -2 -1 0 +1 +2 +3

Sehr klar

4. Haben wir unsere Ziele erreicht?

Keinesfalls

-3 -2 -1 0 +1 +2 +3

Auf jeden Fall

5. Konnte ich mich so beteiligen, wie ich es mir gewünscht hatte?

Überhaupt nicht

-3 -2 -1 0 +1 +2 +3

Völlig

6. Wie war ich mit der Strukturierung der Besprechung zufrieden?

Völlig unzufrieden

-3 -2 -1 0 +1 +2 +3

Sehr zufrieden

7. War die Besprechung wichtig für die vor uns liegenden Aufgaben?

Nein

-3 -2 -1 0 +1 +2 +3

Ja

8. Was ich sonst noch sagen möchte:

Satzanfänge Alle erhalten ein Blatt mit den Fragen und füllen es am Ende der Sitzung aus. Entweder liest dann jede/r ihre/seine Antworten vor oder die Fragebögen werden eingesammelt, gemischt, verteilt und anonym vorgelesen. Oder: Jede Frage wird auf ein gesondertes Plakat geschrieben. Die Anwesenden gehen herum und schreiben ihre Antworten auf die Plakate.

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Beispiele: Mein Gesamteindruck heute war, dass ... Besonders gut gefallen hat mir, dass ... Die Sitzung wäre besser verlaufen, wenn ... Einige Erkenntnisse und Einsichten, die ich durch die heutige Sitzung gewonnen habe und die ich umsetzen will, sind ... Die Sitzungsleitung war hinderlich, als sie ... Die Sitzungsleitung war förderlich, als sie ...

Protokoll Über jede Kirchenvorstandssitzung wird ein Protokoll erstellt. Es lässt die Tagesordnung erkennen und wird am Beginn der Folgesitzung zur Genehmigung vorgelesen oder vorher allen Mitgliedern schriftlich zugänglich gemacht und dann zu Beginn der Sitzung genehmigt. Anträge auf Änderung und Ergänzung können gestellt werden. Es ist zu klären, wer protokolliert und welche Form für das Protokoll angemessen ist: Das Verlaufsprotokoll hält das Wesentliche der dem Kirchenvorstand gegebenen Informationen, der ausgetauschten Argumente und natürlich den Wortlaut der Beschlüsse und Entscheidungen fest.

Grundsätz­ liches

Das wörtliche Protokoll ist sehr aufwändig und wird im Kirchenvorstand die Ausnahme sein. Ein Ergebnisprotokoll fasst nur zusammen, zu welchem Ende der Kirchenvorstand bei jedem Tagesordnungspunkt gekommen ist. Ein Präsensprotokoll benötigt keine Nacharbeit. Während der Sitzung ist hohe Aufmerksamkeit geboten, das Wesentliche wird direkt mitgeschrieben. Es soll Menschen geben, die eine so gut lesbare Schrift haben, dass das Protokoll noch direkt am Besprechungsort vervielfältigt werden kann. Oder sie nutzen ein Notebook, in das sie direkt schreiben. Reine Beschlussprotokolle beschränken sich gar nur auf den Wortlaut der förmlich gefassten Beschlüsse; im Kirchenvorstand sind sie allerdings weniger empfehlenswert.

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Als Instrument, mit dem ein Kirchenvorstand seine (Nach-) Arbeit wirkungsvoll gestalten kann, muss das Protokoll aussagekräftig sein. Es muss - für die spätere Anknüpfung den jeweiligen Informationsstand wiedergeben, - Positionen erkennen lassen, - Vereinbarungen und Absichten festhalten.

Ein Proto­ koll muss enthalten

- Termin, Ort, Teilnehmende und Themen der stattgefundenen Besprechung - Beschlüsse (ggf. auch Minderheitsvoten) - zu ergreifende Maßnahmen, die der Verwirklichung der Beschlüsse dienen - die Namen derer, die für die Umsetzung der Maßnahmen verantwortlich sind - Termine für die Umsetzung der Maßnahmen - Termin, Ort und ggf. schon Themen der nächsten Sitzung Beschlüsse sollten immer zum Abschluss eines Besprechungspunktes verabschiedet und protokollreif formuliert werden. Wer das Protokoll führt, achtet darauf, ob Klarheit erreicht wurde (nur dann ist eindeutiges Protokollieren möglich). Er/ sie kann den Vorsitzenden bzw. die Vorsitzende unterstützen und nachfragen, was genau zu notieren ist. Schon aus diesem Grund empfiehlt es sich, dass nicht der/die Vorsitzende selbst das Protokoll schreibt, wie es gelegentlich in Kirchenvorständen anzutreffen ist.

Gestaltung

Rechts breiten Rand frei lassen. Auf diesem Rand Namen der Person(en) wiederholen, die bereits im Text als zuständig für eine zu ergreifende Maßnahme genannt werden; ggf. bei der Verteilung des Protokolls den Namen der jeweiligen Empfänger farblich markieren. Eine eigene Aufgabenliste erstellen: Sie enthält, wer was bis wann ausführt.

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Dem/der Verantwortlichen für das Protokoll erleichtern zeitgemäße Medien die Arbeit wie z.B. der Einsatz von Diktiergerät, Notebook und Digitalkamera (Fotoprotokoll von visualisierten Sachverhalten).

Medien

3.3. Sitzungsnacharbeit Der „Blick zurück nach vorn“ lohnt sich. Jede gut nachgearbeitete Sitzung kann ein Schritt sein in Richtung auf eine noch bessere Sitzungsgestaltung und wirksamere Weiterarbeit. Dabei kann zwischen unmittelbarer und mittelfristiger Nacharbeit unterschieden werden: Unmittelbare Nacharbeit - Dazu gehört außer der Beziehungspflege bei einem gemeinsamen Getränk nach der Sitzung, dass gefällte Entscheidungen umgesetzt werden müssen und ihre Ausführung in den Blick genommen wird: Wurden die Beschlüsse von den dafür Zuständigen durchgeführt? Mit welchem Erfolg? Möglicherweise gab es unvorhergesehene Widerstände. Oder ein Beschluss erwies sich als nicht tragfähig. Eine Reihe von Beschlüssen wird bereits in der Zeit zwischen zwei Kirchenvorstandssitzungen verwirklicht. Das lässt sich unmittelbar überprüfen: Das letzte Protokoll erinnert daran. - Die unmittelbare Nacharbeit in Form einer qualifizierten Rückmeldung (siehe Rückmeldung) und eines aussagekräftigen Protokolls (siehe Protokoll) ist eine wichtige Vorarbeit für die nächste Sitzung. Mittelfristige Nacharbeit - Im Blick auf mittel- und längerfristig wirksame Entscheidungen geht der Kirchenvorstand in halbjährlichem Abstand das Protokollbuch durch. - In angemessenen Abständen (z.B. um die Jahreswende) bilanziert ein Kirchenvorstand seine Arbeit: Was hat unsere Arbeit als Kirchenvorstand für die Gemeinde gebracht? Lassen sich eine bewusst gezogene Linie, erreichte Ziele erkennen? Wofür werden Kraft und Zeit eingesetzt? Welche Mängel sollten behoben, welcher Einsatz verstärkt werden? Die Moderation dieses Rückblicks und Ausblicks kann z.B. die Vertrauensfrau bzw. der Vertrauensmann übernehmen.

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Ein schöner Ausblick Pfarrer Conrad lehnt sich in seinem Sessel zurück und nimmt einen tiefen Schluck aus dem Weißbierglas. „Den hab ich mir verdient“, murmelt er halblaut vor sich hin, während er auf den Beginn der Tagesthemen wartet. Was ihn so entspannt und zufrieden sein lässt, ist der Verlauf der Kirchenvorstandssitzung heute Abend. Vor einer Viertelstunde kam er aus dem Gemeindehaus. Wieder sind sie pünktlich um 22 Uhr fertig geworden. Wieder wurden alle Tagesordnungspunkte abgearbeitet und sind die Ergebnisse so ausgefallen, dass er gut damit leben kann. Die Stimmung unter den Frauen und Männern im Kirchenvorstand war konstruktiv und gelöst. Man ging gut gelaunt nach Hause. Das war nicht immer so. Pfarrer Conrad hat mit Schrecken manche Sitzung der letzten Jahre in Erinnerung. Manchmal wurden sie erst um dreiviertel zwölf fertig. Es kam immer wieder zu Konflikten. Endlose Diskussionen zu gar nicht so wichtigen Tagesordnungspunkten führten dazu, dass immer wieder einzelne Punkte vertagt werden mussten. Die Sitzungsdisziplin lag im Argen. Nicht selten kamen Mitglieder der Kirchenvorstandssitzung zu spät. Manchmal waren sie nicht beschlussfähig, weil sich zu viele entschuldigt hatten. Da nahm er sich vor, dass er das nicht mehr länger hinnehmen wollte. Ein paar einfache Veränderungen wirkten Wunder. Am wirkungsvollsten erwies sich die Vorbereitung. Pfarrer Conrad macht seit einem Jahr zusammen mit der Vertrauensfrau und dem jeweiligen Gesprächsleiter der Kirchenvorstandssitzung eine präzise Tagesordnung. Zu jedem Tagesordnungspunkt steht im Spaltendruck, was genau zu verhandeln ist, wie dabei verfahren wird, welche Unterlagen und Medien dazu gebraucht werden, wer den Punkt zur Sprache bringt und wie viele Minuten dafür vorgesehen sind. Außerdem straffte er die Andacht und führte eine regelmäßige Pause ein. Für die aktive Einbeziehung von mehreren Personen in die Sitzungsgestaltung braucht er zwar etwas mehr Zeit, um im Vorfeld die nötigen Absprachen zu treffen, andererseits ist er in der Sitzung stärker entlastet, und die Teilnehmenden haben eher das Gefühl, dass eine Kirchenvorstandssitzung ihre gemeinsame Sache ist. Besonders viel Wert legt er auf die Spalte Methode / Verfahren. Bei jedem Tagesordnungspunkt steht, ob dazu lediglich informiert wird oder ob auch eine Beratung oder

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ein Beschluss nötig ist. Die Mitglieder des Kirchenvorstands können sich so schon aus der zugesandten Tagesordnung ein gutes Bild vom Verlauf der Sitzung machen und sich besser darauf vorbereiten. Außerdem überlegt er sich gut, wie vor allem schwierigere Themen optisch aufbereitet werden können, damit die Orientierung in der Beratung und bei den Beschlussfassungen leichter fällt. In jeder Sitzung kommt nun das Flipchart zum Einsatz, oft auch der Tageslichtprojektor. Die zweite Änderung besteht darin, dass Pfarrer Conrad jetzt schon immer mindestens 30 Minuten vor Sitzungsbeginn im Tagungsraum ist, die benötigten Unterlagen und Geräte überprüft, für ein angenehmes Raumklima sorgt, Imbiss und Getränke für die Pause bereit stellt und den Raum herrichtet. Wenn die ersten Sitzungsteilnehmenden kommen, kann er sie entspannt begrüßen und die Sitzung auf die Minute genau mit einem guten Gefühl eröffnen. Dies alles hat zur Folge, dass sich die Mitglieder des Kirchenvorstands mehr wertgeschätzt fühlen und ihrerseits mehr Sitzungsdisziplin zeigen. Und auf noch etwas ist Pfarrer Conrad jetzt stolz: In jeder Sitzung berichten regelmäßig Mitarbeitende aus der Gemeinde eine halbe Stunde über ihr Arbeitsgebiet. Die Kirchenvorsteher und Kirchenvorsteherinnen fühlen sich seitdem besser informiert und die Mitarbeitenden mehr anerkannt. Pfarrer Conrad nimmt einen zweiten Schluck. Jetzt können die Tagesthemen beginnen. Prost, Anne Will und Tom Buhrow! (Quelle: Arbeitshilfe „Damit Leitung gelingt“)

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Notizen

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Die Beziehungen, in denen wir stehen „Beziehungen sind das halbe Leben“ besagt ein Sprichwort. Und es hat Recht, denn überall, wo Menschen miteinander in Berührung kommen, entwickeln sich Beziehungen, die jeden weiteren Kontakt beeinflussen. Menschen begegnen sich und knüpfen Beziehungen. Auch in der Kirchengemeinde und im Kirchenvorstand. Eine gute Beziehungspflege ist eine der Grundvoraussetzungen für eine gelingende Kirchenvorstandsarbeit. Und das in einer dreifachen Weise: • als gegenseitiges Geben und Nehmen von Informationen • als wechselseitige Kommunikation • als gemeinsame Kooperation Damit sind die drei Schlüsselfragen angedeutet, um die es in diesem Teil des „Praxisbuches Kirchenvorstand“ gehen soll: • Wie kommen wir an Informationen? • Was sind unsere Spielregeln? • Was sind unsere Themen?

1. Was sind unsere Themen? Die folgende Übersicht macht die vier Aufgabenfelder und die dafür nötigen Kompetenzen der Kirchenvorstandsarbeit deutlich:

Geistlich leiten „Spirituelle Kompetenz“ Gemeinde gestalten „Kyberneteische Kompetenz“

Beziehungen pflegen „Kommunikative Kompetenz“ Ressourcen verwalten „Ökologische Kompetenz“

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1.1. Geistliche Gemeindeleitung Der Kirchenvorstand ist das Leitungsgremium einer evangelischen Kirchengemeinde. Einerseits also ein Gremium wie andere auch – andererseits ein besonderes Gremium durch den besonderen Auftrag, den das Evangelium mit sich bringt. Dieser Auftrag lässt sich am einfachsten so umschreiben: Evangelische Kirchengemeinden kommunizieren das Evangelium unter den Bedingungen einer modernen Gesellschaft. Ihre Aufgabe ist es, das Evangelium zeit- und situationsgemäß unter die Leute zu bringen. Diese „Kommunikation des Evangeliums“ setzt eine „spirituelle Kompetenz“ bei denen voraus, die sie betreiben. Wer das Evangelium glaubwürdig und wirksam vermitteln will, muss selbst im Evangelium verwurzelt sein. Nur dann kann er glaubwürdig auftreten und andere gewinnen. Das gilt in besonderer Weise für diejenigen, die in der Gemeinde besondere Verantwortung tragen und sozusagen „im Rampenlicht“ stehen. Der Kirchenvorstand hat wie die „Geistlichen“ auch Anteil am „geistlichen Amt“ (§ 19 KGO) und übt seinen Dienst „in der Bindung an Gottes Wort in Schrift und Bekenntnis“ (§ 29 und 31 KGO) aus. Zugleich ist er verantwortlich für die „weltlichen“ Geschäfte der Kirchengemeinde. „Geistliches“ und „Weltliches“, Gestalten und Verwalten gehören eng zusammen. Vor diesem Hintergrund hat die gelegentliche Trennung von „geistlichem Eigentlichen“ und „leidigem Verwaltungskram“ eigentlich kein Recht. Zwar ist bei bestimmten Aufgaben des Kirchenvorstandes, z.B. bei der Entwicklung von Leitbildern, oder wenn es darum geht, Spiritualität und christliche Grundwerte zu fördern oder theologische Grundsatzfragen zu beraten, das geistliche Element „mit Händen zu greifen“. In der Praxis gibt es jedoch viel mehr Tagesordnungspunkte, bei denen „Geistliches“ und „Weltliches“ eng zusammengehört. Alles, was Verwaltung heißt (Bauen und Finanzen, Personalangelegenheiten, Friedhofsordnung etc.), will sachgerecht und evangeliumsgemäß entschieden werden. Und umgekehrt: Gestaltungsfragen wie etwa die Frage nach neuen Gottesdienstformen orientieren sich selbstverständlich auch immer wieder an bestehenden kirchlichen Ordnungen und dem, was in der konkreten Situation einer Gemeinde sachgemäß ist.

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An einem Beispiel lässt sich das deutlich machen: Wenn der Kirchenvorstand bei der Erstellung des Kollektenplanes für die freien Kollekten den Verwendungszweck bestimmt, kommt er einerseits einer Verwaltungsaufgabe nach. Andererseits ist diese Entscheidung auch geprägt vom Nachdenken darüber, was in der Gemeinde gerade dran ist. Sollen Kollekten für die Renovierung der Orgel oder zur Unterstützung der Asylbewerber verwendet werden? Hat in diesem Fall die Kirchenmusik oder die diakonische Verantwortung Vorrang? Die Entscheidung ist so gesehen auch eine geistliche Aufgabe. Die „spirituelle Kompetenz“ des Kirchenvorstandes fällt nicht einfach vom Himmel, sondern entwickelt sich mit der Zeit: Ein Kirchenvorstand erarbeitet sich nach und nach theologische Themen. Er erhält neue Einsichten in wichtigen Fragen des christlichen Glaubens und im Umgang mit biblischen Texten. Und er lernt, theologische Aspekte in seine Entscheidungsfindung mit einzubringen. Dabei hilft ihm eine Reihe von Vorgaben:

Andachten am Sitzungsbeginn gestalten In der Regel beginnen die Sitzungen mit einer Andacht und schließen mit Gebet und Segen. Die Formen dieser spirituellen Elemente können vielfältig sein – je nach der persönlichen „Frömmigkeit“ der Teilnehmenden. Wichtig ist jedenfalls, dass sie von einer zweckfreien Leichtigkeit geprägt sind und nicht als inhaltliche Einstimmung auf den ein oder anderen „schwierigen“ Tagesordnungspunkt missbraucht werden. Dialogische und offene Formen, die die Sprachfähigkeit in Glaubensdingen fördern und auch Alltagserfahrungen zur Sprache bringen, bewähren sich neben traditionellen Andachtsformen. Meditative Elemente und Stille sind besser als lange Auslegungen und „Minipredigten“. Wenn die Andachten reihum wandern und nicht nur Angelegenheit des Pfarrers/der Pfarrerin bleiben, kommt die gemeinsame geistliche Leitungsverantwortung noch deutlicher zum Ausdruck.

Themen der Zeit aufgreifen Auf der Tagesordnung stehen immer wieder Themen, die sich mit der gesellschaftlichen oder kirchlichen „Großwetterlage“ befassen. Erklärungen synodaler Gremien, der Bericht des Lan-

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desbischofs, Denkschriften und aktuelle Berichte in den Medien bieten sich dafür an. Bei umstrittenen Themen wie „Gentechnik“ oder „Homosexualität“ können Mitglieder des Kirchenvorstandes ihre eigene Fachkompetenz als Mediziner/in, Ingenieur/ in etc. zielgerichtet einbringen (etwa in Form eines Kurzreferates, Thesenpapieres u.ä.). Gemeinsam werden Informationen erarbeitet und daraufhin überprüft, was sie für die eigene Gemeinde bedeuten. Persönliche Meinungen und Überzeugungen können geäußert und respektiert werden.

Konziliares Selbstverständnis wagen Sowohl bei den Äußerungen persönlicher Frömmigkeit als auch beim Nachdenken über Fragen der Zeit zeigt sich, wie vielfältig und teilweise gegensätzlich christlich motiviertes Reden und Handeln sein kann. Das entspricht auch dem Zeugnis der Bibel, in der das „eine Wort“ Gottes in vielerlei Weise sich menschlichen Ausdruck verschafft. Wie kann ein Minimalkonsens immer wieder gefunden werden? Was ist die gemeinsame Wahrheit? Wie kann Beliebigkeit verhindert werden? – Nur konziliar, d.h. im gemeinsamen Nachdenken, Suchen, Beten und Feiern aller Beteiligten. Die Verschiedenheit der Meinungen und Stile führt dann nicht in die Beliebigkeit, sondern ergänzt die Begrenztheit der eigenen Sichtweise. Das macht die Meinungsbildung und Entscheidung nicht unbedingt leichter und vor allem nicht schneller. Aber es lässt sie tiefer gehen, sachgerechter und evangeliumsgemäßer ausfallen. So fördert das konziliare Selbstverständnis die Arbeit im Kirchenvorstand nachhaltig und bereichert des geistliche Wachstum der Gemeinde.

Fortbildung nutzen Nähere Informationen zu Rückenwind erhalten Sie bei Ihrem örtlichen evangelischen Erwachsenenbildungswerk oder im Amt für Gemeindedienst.

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Kirchenvorstände müssen nicht von Anfang an alles wissen und können. Zahlreiche Fortbildungsangebote und Seminare unterstützen sie auf ihrem Weg und fördern ihre Kompetenz auf unterschiedlichen Feldern. Das Amt für Gemeindedienst, die Gemeindeakademie Rummelsberg und andere Fortbildungseinrichtungen der Landeskirche (z. B. die kirchlichen Bildungszentren in Bad Alexandersbad, am Hesselberg und die Volkshochschule in Pappenheim sowie das Frauenwerk in Stein) bieten Fortbildung für Kirchenvorsteher/innen an. Die evangelischen Bildungswerke in den Dekanaten stellen sich zunehmend dieser Aufgabe. In vielen Dekanaten finden Seminare mit dem Fortbildungsprogramm „Rückenwind“ statt, das das Amt für Gemeindedienst gemeinsam mit Bildungswerken entwickelt hat.

Klausurtage Zahlreiche Kirchenvorstände gönnen sich einmal jährlich oder wenigstens zu Beginn und am Ende der Amtsperiode Kirchenvorstandswochenenden bzw. Klausurtage. Neben Themen, die dabei in Ruhe besprochen werden können, sind diese Angebote Atempausen für die Seele und Gelegenheit zur Beziehungspflege. Beim Amt für Gemeindedienst („Gemeindeleitung und Kirchenvorstandsarbeit“) gibt es derzeit noch in begrenztem Umfang Zuschüsse für derartige Veranstaltungen. Nähere Informationen erhalten Sie ebenfalls im Amt für Gemeindedienst.

1.2. Beziehungspflege und Kommunikation Noch einmal begegnet das Stichwort Kommunikation – diesmal inhaltlich als eine Grundaufgabe des Kirchenvorstandes: Der Kirchenvorstand ist das Kommunikationszentrum der Kirchengemeinde. Er hat - oder braucht jedenfalls – eine hohe „kommunikative Kompetenz“ (siehe dazu Abschnitt 2 „Was sind unsere Spielregeln?“) nach allen Seiten. Die folgende Grafik gibt einen Überblick über die vielseitigen Beziehungen:

Pfarrer/innen

Hauptamtliche

Öffentlichkeit

KV Nachbarn/Partner

Ehrenamtliche

Gemeindemitglieder

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Manche der damit verbundenen Aufgaben verstehen sich von selbst, andere bedürfen der Erläuterung. Für einige gibt es in der Kirchengemeindeordnung eigene rechtliche Bestimmungen, andere erschließen sich erst durch eigene praxisnahe Regelungen. Im Einzelnen:

Kirchenvorstand und Pfarrer/innen Die Kirchengemeindeordnung legt auf das partnerschaftliche Miteinander von Pfarrer/innen und Kirchenvorsteher/innen größten Wert (§ 19 KGO). Und das mit gutem Grund: Pfarrer/innen sind von Amts wegen Mitglieder im Kirchenvorstand und – wenn nicht durch Wahlvorsitz anders geregelt – dessen Vorsitzende. Gelingende Gemeindeleitung setzt also gelingende Zusammenarbeit zwischen Pfarrer/innen und den übrigen Mitgliedern des Kirchenvorstandes immer wieder voraus. Darüber hinaus haben sie mit den gewählten und berufenen Kirchenvorstandsmitgliedern im Sinne des gemeinsamen „Priestertums aller Getauften“ die gemeinsame Leitungsverantwortung für die Kirchengemeinde. Neben diese – theologisch begründete – Gleichheit tritt allerdings auch immer wieder eine – durch unterschiedliche Funktionen bedingte – Unterschiedenheit: Pfarrer/innen arbeiten als hauptamtliche Amtsträger mit ehrenamtlichen Mandatsträgern im Kirchenvorstand zusammen.

Miteinan­ der und Gegenüber Verantwor­ tung des Pfarrers bzw. der Pfarrerin …

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In der Praxis wird deshalb aus dem grundsätzlichen Miteinander im Kirchenvorstand gelegentlich auch ein Gegenüber, das auf beiden Seiten sorgsamer Beachtung bedarf. In der Leitungsverantwortung des Pfarrers bzw. der Pfarrerin liegen insbesondere die Aufgaben, die mit dem ordinierten Amt zusammenhängen: In der Seelsorge und Verkündigung sind Pfarrer/innen weitgehend unabhängig vom Kirchenvorstand. Dagegen spricht nicht, dass der Kirchenvorstand für gottesdienstliche Fragen mit verantwortlich ist. In der Verkündigung ist der/die Pfarrer/in nur Schrift, Bekenntnis und dem eigenen Gewissen verpflichtet. Das führt dazu, dass auf der Kanzel gelegentlich auch unbequeme Wahrheiten vertreten werden müssen, die Kritik und Widerspruch auslösen können. Die letzte seelsorgerliche Verantwortung kann dem Pfarrer bzw. der Pfarrerin kein Kirchenvorstand abnehmen. In seelsorgerlich schwierigen Situationen kann und soll der/die Pfarrer/in allerdings den Rat des Kirchenvorstandes einholen oder eine eventuell abweichende Entscheidung ihm gegenüber darlegen. Ziel eines solchen Gespräches ist das bessere gegenseitige Verständnis

und das Mittragen von Entscheidungen, die ansonsten einseitig dem/der Pfarrer/in als mangelnder guter Wille angelastet werden könnten. Verweigert er/sie eine Amtshandlung, muss er/sie den Kirchenvorstand davon informieren. In den „Leitlinien kirchlichen Lebens“ ist das näher geregelt. Die Leitungsverantwortung des Kirchenvorstandes erwächst aus seiner Rolle als Gemeindevertretung: In bestimmten Fällen übt er eine Funktion als Gegenüber zu seinen geistlichen Mitgliedern aus. Er nimmt diese insbesondere wahr

… und des Kirchenvor­ standes

bei der Besetzung einer Pfarrstelle Bereits im Vorfeld einer Neubesetzung wirkt der Kirchenvorstand mit: Im Rahmen der vorbereitenden Stellenbesetzungsgespräche führt der/die Regionalbischof/bischöfin getrennte Gespräche mit den ehrenamtlichen und hauptamtlichen Mitgliedern des Kirchenvorstandes. Dabei kommen die grundlegenden Erfordernisse der Kirchengemeinde in den Blick: Wo liegen bzw. lagen die Schwerpunkte? Was wurde begonnen und soll fortgesetzt werden? Aber auch: Was blieb liegen und soll verstärkt angegangen werden? In dem Gespräch spiegeln sich indirekt Stärken, Schwerpunkte und Schwächen, mit denen der/die bisherige Pfarrer/in gearbeitet hat. Wünsche und Erwartungen an den/die Nachfolger/in werden konkretisiert.

Den Fragebogen zur Stellenbesetzung finden Sie im Intranet

Jeweils im Wechsel mit dem Landeskirchenrat bestimmt der Kirchenvorstand den/die Pfarrer/in. Hat der Kirchenvorstand das Besetzungsrecht, so wählt er aus dem Vorschlag des Landeskirchenrates eine geeignete Person aus. Auch wenn der Landeskirchenrat die Stelle direkt besetzt, stellt sich nach der neuen Pfarrstellenbesetzungsordnung die vorgeschlagene Person dem Kirchenvorstand vor. Das Auswahl- bzw. Vorstellungsgespräch mit den Kandidaten/innen ist kein Verhör und auch keine Prüfung, sondern der Versuch, die gegenseitigen Erwartungen und Vorstellungen aufeinander zu beziehen und so zu einer „guten“ Entscheidung zu kommen. Der Kirchenvorstand stellt dabei seine Kriterien und die Erfordernisse der Gemeinde zusammen. Die Bewerber/innen präsentieren ihre Person sowie ihre beruflichen Erfahrungen und Vorstellungen.

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Exkurs

Die Vakanz – eine Chance für die Gemeindeentwicklung Jede Vakanz ist eine Herausforderung für die Gemeinde. Denn mit der Neubesetzung einer Pfarrstelle sind automatisch Veränderungen im Gemeindeleben verbunden. Das bedeutet auch: Loslassen von Gewohntem und Vertrautem. Aber es lohnt sich, die Vakanz auch als Chance für einen Neuanfang in der Gemeinde zu betrachten. Und diesem mit Neugier und Spannung entgegenzusehen. Zum Beispiel muss sich der Kirchenvorstand Gedanken über den Vorsitz machen – sofern nicht schon der Wahlvorsitz eingeführt wurde. Am Anfang jeder Vakanzplanung steht dann die Analyse aller bisher vom Stelleninhaber allein oder vorrangig wahrgenommenen Aufgaben. Wo war er präsent? Wo war er unentbehrlich? Wo war er Vorreiter und Wegbereiter? Wo hatte er die Federführung und wo war er Ausführender? Ziel bei der Beantwortung ist das Gemeindeleben. Dieses muss trotz Vakanz funktionsfähig bleiben. Eine große Chance liegt auch in der Überprüfung der Gemeindestruktur, d.h. einem intensiven Nachdenken über die aktuelle Situation in der Gemeinde. Das wird oft vernachlässigt, weil die Anforderungen durch die Alltagsroutine überwiegen. Im Einzelnen bedeutet das: Erreichtes und noch Geplantes werden aufgelistet. Zusammen mit einer demographischen Beschreibung wird das besondere Profil der Gemeinde herausgearbeitet Es hat sich bewährt, gleich zu Beginn für die verteilten Aufgaben und Funktionen Spielregeln festzulegen und vorberatende oder beschließende Ausschüsse zu bilden. Der Vorteil liegt in der Möglichkeit, auch Kompetenzen außerhalb des Kirchenvorstands in die Mitarbeit einzubinden.

bei der gemeinsamen Rückschau und Auswertung der Arbeit (= Evaluation) Wenige Gemeindemitglieder erhalten so umfassend Einblick in die Arbeit eines/r Pfarrers/in wie die Mitglieder des Kirchenvorstandes. In vielen Fällen kommen sich Menschen in diesem Gremium auch persönlich nahe, so dass eine gewisse Vertrautheit entsteht. Wichtig ist es, im Blick zu behalten, dass der Kirchenvorstand kein Aufsichtsrat ist. Trotzdem hat ein Kirchenvorstand im Sinne der Mitverantwortung natürlich immer das Recht und notfalls die Pflicht, seinen geistlichen Mitgliedern

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Rückmeldungen auf ihre Arbeit und ihr Auftreten zu geben. Der Kirchenvorstand hat keine Dienst- und Fachaufsicht über Pfarrer/innen; diese bleibt dem/der Dekan/in als dem/der unmittelbaren Dienstvorgesetzten vorbehalten. Wohl aber geht es im Kirchenvorstand immer wieder um Rückblicke und Bilanzierung der geleisteten Arbeit, um die Frage, wie ein bestimmter Stil oder ein bestimmtes Projekt von den Gemeindemitgliedern angenommen wurde, und nicht zuletzt auch um Erfolg und Misserfolg. Persönliche Rückmeldungen lassen sich leichter im zwischenmenschlichen Dialog geben; sachbezogene Kritik kann freundlich und positiv formuliert werden und so die Beziehung stärken. Gerade auch in dem gegenseitigen Geben und Nehmen solcher Rückmeldungen bewährt sich die gemeinsame geistliche Verantwortung im Kirchenvorstand.

in Konfliktsituationen In schwierigen Fällen kann allerdings eine gedeihliche Zusammenarbeit nicht mehr unbedingt vorausgesetzt werden: Die Beziehung zwischen Pfarrer/in und Kirchenvorstand kann so gestört, die Atmosphäre in der Gemeinde so belastet sein, dass die Chancen für eine gelingende Zusammenarbeit und ein geistliches Wachstum der Kirchengemeinde nicht mehr gegeben sind. Als letzte Möglichkeit sieht das Pfarrergesetz in solchen Fällen ein Verfahren wegen nichtgedeihlichen Zusammenwirkens vor, bei dem der Kirchenvorstand mitwirkt. Die Gründe dafür können vielfältig sein: Sie können, müssen aber nicht in jedem Fall in der Person des/der Pfarrers/in liegen. Oder sie liegen in strukturellen Herausforderungen der Gemeinde, manchmal auch in der Anspruchshaltung bestimmter Gemeindegruppen oder der Sturheit einzelner maßgeblicher Personen. Die letzte Konsequenz ist dann der Stellenwechsel des/der Pfarrers/in, wenn ein gedeihliches Zusammenwirken nicht mehr vorstellbar ist. Der Kirchenvorstand hat in solchen Fällen keine leichte Aufgabe. Einerseits ist er für die Klärung der Situation verantwortlich, andererseits steht er häufig selbst zwischen den Fronten oder ist gar selbst Konfliktpartei. Das rechtzeitige Gespräch mit dem/der Dekan/in ist auf jeden Fall zu empfehlen. Er/sie ist unmittelbare/r Dienstvorgesetzte/r des/der Pfarrers/ in und gleichzeitig Ansprechpartner/in für den Kirchenvorstand in Fragen der Gemeindeentwicklung. Als Vertretung der Kirchenleitung ist in solchen Fällen auch der/die zuständige

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Näheres zur Mediation siehe unter „Praktisches Konfliktmanagement in sechs Schritten“ Seite 165ff.

Regionalbischof/bischöfin einbezogen. Ziel aller Bemühungen ist nicht „Sieg“ oder „Niederlage“ einer Partei über die andere, sondern die Wiederherstellung von Lebens- und Arbeitsbedingungen, die dem geistlichen Wohl und der Glaubwürdigkeit der Kirchengemeinde entsprechen. Kommt es in der Folge zu einer Versetzung des/der Pfarrers/in, so ist dies keine Disziplinarmaßnahme, sondern dient dem Schutz des/der Betroffenen und der Entlastung des Klimas in der betroffenen Kirchengemeinde. Neue Bestimmungen im Pfarrergesetz sehen in Konfliktfällen anstelle eines Verfahrens wegen Nichtgedeihlichkeit bzw. vor einem solchen Verfahren eine Mediation oder andere Formen der Konfliktbereinigung vor.

bei Beratung und Visitation Bei der Visitation durch den/die Regionalbischof/bischöfin bzw. den/die Dekan/in und im Rahmen längerfristiger Gemeindeberatungsprozesse nimmt der Kirchenvorstand ebenfalls eine doppelte Rolle ein: Einerseits ist er in der gemeinsamen Leitungsverantwortung mit den Pfarrer/innen – andererseits ist er als repräsentative Gemeindevertretung Sprachrohr und Anwalt der Gemeindemitglieder im Gegenüber zu den Hauptamtlichen. Was gut ist an der laufenden Arbeit, was zu kurz kommt, kann angesprochen und gemeinsam bedacht werden. Eine mögliche Veränderung kann angeregt werden. Künftig spielt das Wort des Kirchenvorstandes eine entscheidende Rolle, wenn es um Verbleib oder Versetzung von Pfarrer/innen nach mehr als zehn Dienstjahren auf derselben Stelle geht.

Kirchenvorstand und weitere Hauptamtliche Für die Angestellten der Kirchengemeinde (z.B. Pfarramtssekretärin oder Mesner) ist der Kirchenvorstand Dienstbehörde. Er errichtet im Rahmen der Haushaltsmittel entsprechende Planstellen, stellt Mitarbeitende ein und erstellt für sie Dienstanweisungen (§ 22KGO und §§ 55ff. KGO). Im Rahmen seiner Verantwortung als Arbeitgeber schreibt er Stellen zur Besetzung aus und führt mit Bewerber/innen Auswahlgespräche. Dabei müssen Gemeindenähe, fachliche Eignung und persönliche Voraussetzungen sorgfältig gegeneinander abgewogen werden. Diskretion und Fairness sind selbstverständlich – gerade Personalentscheidungen unterliegen der Verpflichtung zur

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Verschwiegenheit! Abgelehnte Bewerber/innen werden in ihrer Persönlichkeit und ihrem Engagement gewürdigt. Für die Angestellten der Kirchengemeinde ist der/die geschäftsführende Pfarrer/in in der Regel der/die unmittelbare Vorgesetzte; er/sie ist in der Ausübung dieser Aufgabe jedoch auch an die Beschlüsse des Kirchenvorstandes gebunden. In der Praxis kann es hilfreich sein, für diesen Bereich der Kirchenvorstandsarbeit einen – möglichst beschließenden – Personalausschuss einzurichten, der in Zusammenarbeit mit der kirchlichen Verwaltungsstelle bzw. dem Kirchengemeindeamt der Gesamtkirchengemeinde das Personalwesen regelt. Auch wenn und gerade weil nicht alle Hauptamtlichen, die in der Kirchengemeinde ihren Dienst tun, im Kirchenvorstand vertreten sein können, ist der regelmäßige Austausch zwischen dem Kirchenvorstand und den Hauptamtlichen umso wichtiger, wenn es um deren Aufgabenbereiche geht. In Angelegenheiten und bei Entscheidungen, die sie persönlich oder in ihrer Dienstausübung betreffen, sind sie rechtzeitig zu informieren und möglichst auch zu hören. Sinnvoll ist es auch, wenn der Kirchenvorstand für bestimmte Aufgabenbereiche und Mitarbeitergruppen regelmäßig einen Platz auf der Tagesordnung reserviert und eigene Beauftragte ernennt, die für einen wechselseitigen Informationsfluss Sorge tragen.

Kirchenvorstand und Ehrenamtliche Im Blick auf die Ehrenamtlichen nimmt der Kirchenvorstand selbst eine Doppelrolle ein: Einerseits hat er als Gemeindeleitung eine besondere Verantwortung für die Gewinnung, Begleitung und Unterstützung Ehrenamtlicher, andererseits sind seine meisten Mitglieder selbst ehrenamtlich tätig. Von daher kommt ihm die Rolle zu, die Belange der Ehrenamtlichen – ihre Rechte und Pflichten – für sich selbst in Anspruch zu nehmen und gleichzeitig dafür zu sorgen, dass andere in der Gemeinde ehrenamtlich Tätige auf angemessene Weise unterstützt und gewürdigt werden. Das Ehrenamtsgesetz regelt diese Verantwortung des Kirchenvorstandes für die ehrenamtlich Mitarbeitenden. Wenigstens einmal jährlich soll der Kirchenvorstand eine eigene Versammlung der Mitarbeitenden ausrichten und selbst daran teilnehmen. Neben dem Jahresrückblick auf die geleistete Arbeit und

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der gemeinsamen Planung von Projekten können dabei gemeinsame Regelungen wie beispielsweise zur Hausordnung, Raumbelegung oder zum Auslagenersatz getroffen werden, neue Mitarbeitende begrüßt und ausscheidende gewürdigt werden, sowie einzelne Gruppen und Aktionen vorgestellt werden. Daneben hat der Kirchenvorstand die Aufgabe, Ehrenamtliche zu gewinnen und zu fördern. In der Praxis lässt sich vieles von dem, was zum Thema „Kirchenvorstand und Hauptamtliche“ gesagt wurde, auf den Bereich ehrenamtlicher Mitarbeit übertragen. Insbesondere sollte die Beteiligung Ehrenamtlicher bei Tagesordnungspunkten, die sie direkt betreffen, selbstverständlich sein. Auch ist es wünschenswert, dass der Kirchenvorstand eine/n Beauftragte/n für die Ehrenamtlichen benennt.

Im Intranet finden Sie das Ehrenamtsgesetz sowie eine „Praxishilfe für Ehrenamtliche“ mit zahlreichen Anregungen und hilfreichen Materialien.

Die ehrenamtlichen Mitglieder des Kirchenvorstandes haben ein Recht auf eine angemessene Einführung und eine entsprechende Würdigung bei ihrem Ausscheiden. Fortbildung, Beratung und Unterstützung durch das Amt für Gemeindedienst, die Gemeindeakademie Rummelsberg sowie weitere Fortbildungseinrichtungen der Landeskirche stehen ihnen selbstverständlich zur Verfügung und können von einzelnen wie von ganzen Kirchenvorständen genutzt werden. Die entsprechenden Fortbildungsprogramme liegen in den Pfarrämtern auf. Auch sollte für die Ehrenamtlichen im Kirchenvorstand ein wertschätzender Umgang (Anruf oder Besuch am Geburtstag durch den/die Pfarrer/in, verlässliche Anfangs- und Schlusszeiten der abendlichen Sitzungen, langfristige Terminplanung, spirituelle Ruhezonen etc.) selbstverständlich sein. In dem Maße, wie hier ein Kirchenvorstand seine eigene „Kultur“ entwickelt, wird er gleichzeitig auch kompetent für eine „Kultur des Ehrenamtes“ in der übrigen Gemeinde.

Kirchenvorstand und Gemeindemitglieder Bezüglich der Zusammenarbeit von Kirchenvorstand und weiteren Gemeindemitgliedern gibt es einige Anregungen in der Kirchengemeindeordnung. Ziel ist es, die Beteiligung möglichst vieler Gemeindemitglieder an der Gemeindeleitung zu fördern. Auch sie sollen sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten einbringen können, damit das „Priestertum aller Getauften“ nicht nur ein frommer Wunsch bleibt. Nicht nur alle sechs Jahre bei der

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Wahl des neuen Kirchenvorstandes steht der Gemeinde ein Mitspracherecht zu. Auch während der Amtszeit soll ein regelmäßiger Austausch zwischen Kirchenvorstand und Gemeinde immer wieder stattfinden. Die grundsätzliche Öffentlichkeit der Kirchenvorstandssitzungen, die Beachtung der Wünsche und Anregungen einzelner Gemeindemitglieder im Kirchenvorstand, schließlich die alljährlich oder bei Bedarf stattfindende Gemeindeversammlung mögen als Stichworte hier genügen.

Kirchenvorstand und Nachbarn/Partner Der Kirchenvorstand vertritt die Kirchengemeinde nach außen (§ 18 KGO). Dabei sind je nach Anlass der bzw. die Vorsitzende des Kirchenvorstandes, einzelne Kirchenvorstandsmitglieder (z.B. Delegierte in dekanatlichen Gremien bzw. Beauftragte des Kirchenvorstandes) oder der Kirchenvorstand als Ganzes gefragt. Zwischen einem Kirchenvorstand und weiteren kirchlichen Einrichtungen im Dekanatsbezirk bestehen zahlreiche Verbindungen. Insbesondere bei der Zusammensetzung der Dekanatssynode, des Dekanatsausschusses und – sofern vorhanden – der Gesamtkirchengemeinde benennen die einzelnen Kirchenvorstände ihre Delegierten. Darüber hinaus verfügen weitere kirchliche Einrichtungen im Dekanatsbezirk (Diakonisches Werk, Erwachsenenbildungswerk, Dekanatsjugend) über Gremien, mit denen der Kirchenvorstand über Delegierte bzw. Beauftragte in regelmäßigem Austausch ist. Zwischen Nachbargemeinden können Kooperationen vereinbart und gemeinsame Projektgruppen eingerichtet werden. Bestehen in einer Pfarrei mehrere selbstständige Kirchengemeinden, so sollen diese einen gemeinsamen Kirchenvorstand bilden. Auch mit ökumenischen Partnern sind gemeinsame Projektgruppen bzw. Sachausschüsse denkbar. Im Bereich der „Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen“ (AcK) liegen diesbezüglich langjährige Erfahrungen vor. Schließlich können regelmäßige Kontakte bzw. gemeinsame Kooperationen mit Wohlfahrtsverbänden, Kulturträgern und örtlichen Vereinen angedacht und ausgebaut werden. Besonders in der Zusammenarbeit mit Vereinen hat sich die alljährlich stattfindende gemeinsame Terminabsprache bewährt.

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Kirchenvorstand und Öffentlichkeit Besonderes Augenmerk verdient in der Informationsgesellschaft unserer Tage die gemeindliche Öffentlichkeitsarbeit. Im Umgang mit den klassischen Medien (Tageszeitung, Lokalfunk, Regionalfernsehen) und zunehmend mit den neuen Medien (Internet, Mobilfunk) liegen für den Kirchenvorstand besondere Herausforderungen, aber auch Chancen. Wie wäre es, wenn im Kirchenvorstand ein Internet–Begeisterter sich für eine gemeindeeigene Website engagieren könnte? Zu besonderen Ereignissen könnte der Kirchenvorstand eine Pressekonferenz einberufen. Außerdem könnte die Herausgabe des Gemeindebriefes in seinem Namen geschehen. Eine regelmäßige Kolumne für kirchliche Nachrichten in der Tageszeitung und eine KV–Seite im Gemeindebrief könnten ebenfalls nicht schaden. Am besten ernennt der Kirchenvorstand dafür entsprechend motivierte und geeignete Beauftragte oder er beruft gleich einen Öffentlichkeitsausschuss ein. In Fragen der gemeindlichen Öffentlichkeitsarbeit berät und unterstützt das Amt für Gemeindedienst gerne:

„Gemeindliche Öffentlichkeitsarbeit“ Telefon 0911 4316-231 oder -172 Telefax 0911 4316 101 [email protected]

1.3. Gestalten des Gemeindelebens Die Überschrift klingt missverständlich – so, als ob der Kirchenvorstand das Gemeindeleben aktiv zu gestalten hätte. In vielen Fällen ist es auch so, dass Kirchenvorsteher/innen aktiv in der Gemeinde als Lektor/in, Gemeindebriefausträger/in, Gruppenleiter/in oder Besuchsdienstmitarbeiter/in mittun. Sofern sie das gerne und freiwillig leisten, ist dagegen nichts einzuwenden. Häufig fühlen sie sich jedoch durch ihr Amt als Kirchenvorsteher/in dazu geradezu verpflichtet, etwa nach dem Motto: „Wenn ich schon im Kirchenvorstand bin, dann muss ich mich auch für die Gemeinde engagieren.“ Oder ihnen begegnet mehr oder weniger deutlich ausgesprochen eine entsprechende Erwartung durch andere – Hauptamtliche oder Gemeindemitglieder, die sie gewählt haben. Dagegen muss betont werden: Der Kirchenvorstand ist nicht der Mitarbeitendenpool der Kirchengemeinde. Seine Aufgabe ist in erster Linie die Gemeinde-

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leitung. Unter diesem Vorzeichen ist er verantwortlich für das Gemeindeleben. Und dafür braucht er eine gehörige Portion „kybernetischer Kompetenz“. Unter diesem Stichwort verstehen wir die Fähigkeit, die teils recht komplizierten Ablaufe in einer Kirchengemeinde im Blick zu haben und durch gezielte Maßnahmen zu begleiten. Dazu gehören insbesondere die folgenden vier Schritte, die gemeinsam den „kybernetischen Regelkreis“ ergeben:

Erster Schritt: Wahrnehmen Der erste Schritt verantwortlicher Gemeindeleitung beginnt damit, das eigene Wahrnehmungsvermögen zu schulen. Was ist dran in unserer Gemeinde? Wo stehen wir gerade in der Entwicklung unserer Gemeinde? Gibt es Trends, Schwerpunkte, neue Herausforderungen? Bewährt hat sich dafür das Instrument einer Gemeindeanalyse, bei der die sogenannten „harten Daten“, also die sichtbaren und statistisch erfassbaren Daten wie Altersaufbau, Angebotsprofil, Kasualien und Spendenaufkommen erfasst werden. Ergänzt wird diese Sicht durch die so genannten „weichen Daten“, die die gemeindliche Wirklichkeit mitprägen, wie Potenziale (Was läuft bei uns gut? Wo haben wir unsere Stärken? Wo sind wir für andere attraktiv?), Geschichte (Seit wann gibt es uns? Wo kommen wir her? Welche Ereignisse oder Persönlichkeiten haben uns geprägt?) und leitende Bilder (Welches Bild haben wir von uns selbst? Wie wollen wir von anderen wahrgenommen werden? Welche Vorbilder prägen unsere Frömmigkeit?). Eine solche Analyse muss nicht immer nüchtern erstellt und ausgewertet werden. Sie kann – am besten während eines Kirchenvorstandstages oder eines Wochenendes – gemeinsam erstellt und ausgewertet werden. Methodisch eignen sich dafür auch ein Spaziergang durch die Gemeinde oder eine wertschätzende Erkundung, bei der die Inhalte in Erzählform beigesteuert werden können. Neben dem Wahrnehmen der gemeindlichen Realität hält sich ein Kirchenvorstand offen für „die großen Themen“, die auf landeskirchlicher Ebene oder im ökumenischen Spektrum angesiedelt sind. Dazu gehören volkskirchliche Entwicklungen und Trends sowie neue Projektideen, die immer wieder auf die Ebene der eigenen Ortsgemeinde umgesetzt und übertragen werden: Was hat das mit uns zu tun? Wo kommt das in unserer Gemeinde vor? Was können wir damit anfangen?

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Zweiter Schritt: Entscheiden Auf dieser Ebene geht es darum, aus den zahlreichen Beobachtungen die richtigen Schlüsse zu ziehen. Die Aufgabe heißt jetzt: das Handeln planen. Vielleicht soll ein neues Projekt angedacht und ausprobiert werden. Oder ein Kreis, der schon lange keinen Schwung mehr besitzt, kann beendet werden. Mitarbeitende müssen gefunden werden. Und die Öffentlichkeit will informiert werden. Die bekannten „W – Fragen“ stellen sich und verlangen nach einer Antwort: • Was machen wir? • Für wen machen wir es? • Warum machen wir es? • Wie machen wir es? • Wann machen wir es? • Wer macht es? Entscheidungen fallen selten leicht. Nicht alles, was wünschenswert wäre, ist möglich. Manches muss gelassen werden, damit anderes getan werden kann. Nicht immer sind weiche Lösungen und Kompromisse möglich, die keinem wehtun. Manchmal geht es nicht ohne Auseinandersetzungen und Konflikte ab. Wichtig ist es, in solchen Diskussionen das gemeinsame Ziel nicht aus den Augen zu verlieren und neben den Sachfragen nicht die persönliche Betroffenheit zu übersehen.

Dritter Schritt: Umsetzen Der Kirchenvorstand muss und soll nicht alles selbst tun. Aber er ist dafür verantwortlich, dass in der Gemeinde geplant gehandelt wird. Dazu schafft er die Rahmenbedingungen (Jahresplanung, Programme, Zeitpläne) und stellt die nötigen Mittel zur Verfügung (Räumlichkeiten, Finanzen, personelle Ressourcen). Ferner bezieht er ehrenamtlich und hauptamtlich Mitarbeitende in seine Entscheidungen mit ein und nutzt dafür beispielsweise Mitarbeitendentreffen oder Planungsworkshops. Er motiviert und gewinnt Mitarbeitende für Projekte und informiert die gemeindliche Öffentlichkeit über geplante Vorhaben. Bei besonderen Angelegenheiten (z.B. Abendmahl mit Kindern, Änderungen der Gottesdienstzeiten) berücksichtigt er die Meinung anderer Gemeindemitglieder, die

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er über Gemeindeversammlungen, Fragebogenaktionen u.ä. einholt. Der Gemeindebrief und die Abkündigungen in den Gottesdiensten sind gute Möglichkeiten, immer wieder auf regelmäßige Veranstaltungen hinzuweisen bzw. besondere anzukündigen. Hilfreich ist es, wenn es für verschiedene Arbeitsfelder eigene Beauftragte gibt (z.B. Jugend, Senioren, Gottesdienst, Erwachsenenbildung, Kirchenmusik usw.), die als „Experten“ in ihrem Bereich in Anspruch genommen werden können. Sie halten den Kontakt zu den Mitarbeitenden in der Gemeinde und zu den Einrichtungen im Dekanat bzw. in der Landeskirche, die koordinierend und unterstützend für ihr Spezialgebiet zuständig sind. Bei ihnen laufen Informationen, Fortbildungsangebote und Anfragen zusammen.

Vierter Schritt: Überprüfen In regelmäßigen Abständen kommen Schwerpunkte aus dem Gemeindeleben auf die Tagesordnung des Kirchenvorstandes. Hauptamtliche, ehrenamtliche Gruppen- und Projektleiter/innen sowie die Beauftragten bereiten die entsprechenden Tagesordnungspunkte für den Kirchenvorstand vor. Die Mitglieder des Kirchenvorstandes informieren sich, fragen nach und geben ihre Eindrücke und Anregungen weiter. Bei einer Mitarbeitendenversammlung, beim Jahresbericht des Kirchenvorstandes auf der Gemeindeversammlung oder bei einer jährlichen Klausurtagung des Kirchenvorstandes bestehen weitere Gelegenheiten, laufende und abgeschlossene Projekte und Gemeindeveranstaltungen zu sichten und zu würdigen. In diesem Rahmen kann auch nötige Kritik konstruktiv geäußert werden. Wichtig ist dabei die Zielsetzung: Es geht nicht darum, etwas dahin gehend zu bewerten, ob es „gut oder schlecht“ ist. Sondern darum, ob etwas den Zielvereinbarungen noch entspricht oder von daher korrigiert werden soll. Der Kirchenvorstand wird im Laufe seiner sechs Jahre Amtszeit immer wieder einmal die Schritte Wahrnehmen – Entscheiden – Umsetzen – Überprüfen gehen, wenn er die Entwicklung seiner Gemeinde verantwortlich begleitet. Wichtig ist dabei die Erkenntnis, dass Gemeindeentwicklung nicht geradlinig und nur wachstumsorientiert abläuft, sondern eher in spiralförmigen Abfolgen und immer neuen Suchbewegungen. Als günstiger

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Zeitpunkt für eine Gemeindeanalyse und weiterführende Planungen bietet sich die Startphase im Kirchenvorstand an. In Form einer Standortbestimmung kann sich der Kirchenvorstand ein erstes Bild machen: Wo stehen wir gerade in unserer Gemeindeentwicklung? Wo liegen unsere Stärken? Wo haben wir blinde Flecken? Welche neuen Aufgaben und Herausforderungen zeichnen sich ab? Die Halbzeit im Kirchenvorstand ist ein guter Zeitpunkt für eine Zwischenbilanz: Was haben wir uns vorgenommen? Wie weit sind wir gekommen? Wie sehen die nächsten konkreten Schritte aus? Schließlich bietet sich das Ende der Amtsperiode für eine ausführliche Überprüfung des Erreichten und auch des Offengebliebenen an: Was haben wir uns vorgenommen? Was davon haben wir erreicht? Wie ist es uns dabei gegangen? Was ist unser „Vermächtnis“ an den neuen Kirchenvorstand? Im Rahmen seiner Verantwortung für die Entwicklung der Gemeinde wird der Kirchenvorstand immer wieder die Vielfalt des gemeindlichen Lebens in den Blick nehmen und sinnvoll begleiten. Die Gestaltung des Gemeindelebens ist eine vielschichtige Aufgabe, denn in den meisten Gemeinden stellt sich das Gemeindeleben bunt und vielfältig dar. Neben Gottesdiensten und Amtshandlungen der Pfarrer/innen finden sich zahlreiche Gruppen und Kreise, die oft unter ehrenamtlicher Leitung stehen. Mit unterschiedlichsten Angeboten versucht die Gemeinde, verschiedene Zielgruppen und teilweise gegensätzliche Bedürfnisse zu erreichen. Dazu kommen eine Reihe von Selbsthilfegruppen und Aktionsgemeinschaften, die weitgehend autonom und selbstorganisiert sind und in der Gemeinde Gastrecht genießen. Mit Konzerten, Gemeindefesten und Projekten geht die Gemeinde oft genug über ihre Binnengrenzen hinaus und prägt die Kultur im Lebensraum und am Ort entscheidend mit. Diese kurze Übersicht zeigt eine bunt gemischte Angebotspalette, die häufig nach dem additiven Prinzip funktioniert: „Möglichst viel für möglichst viele!“ Tatsächlich verbergen sich dahinter höchst unterschiedliche Formen von Gemeindeleben, die ursprünglich in drei sehr verschiedenen Räumen beheimatet sind:

Kirche und Pfarramt Sie sind die Orte der pastoralen Grundversorgung: Verkündigung und Gottesdienste, Kasualien, Seelsorge und kirchliche Unterweisung hatten und haben hier ihren Sitz im Leben der

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Gemeinde. Sie sind die klassischen Grundaufgaben der Pfarrerinnen und Pfarrer und der von ihnen repräsentierten „Amtskirche“.

Gemeindehaus Neben Kirche und Pfarramt traten schon im Pietismus und in der Erweckungsbewegung fromme Zirkel. In Bibelstunden, Gebetsgemeinschaften und Hauskreisen wurde die intime Gemeinschaft und die persönliche Frömmigkeit gepflegt. Als im 19. Jahrhundert das Vereinswesen entstand, entwickelte sich auch in den Kirchengemeinde bald ein reges Leben an Gruppen, Kreisen und Chören, das oft durch Verbände (Diakonisches Werk, Landeskirchliche Gemeinschaft, CVJM, Frauenbund usw.) getragen war und oftmals immer noch getragen wird. Schwerpunkte waren diakonische, missionarische und kirchenmusikalische Akzente. Um sie zu beherbergen, entstand gleichsam als kirchliches Vereinsheim das Gemeindehaus. In jüngerer Zeit beanspruchen unterschiedlichste Selbsthilfegruppen ebenfalls in den Gemeinderäumen Haus- oder zumindest Gastrecht. So beherbergen heutige Gemeindehäuser Gemeindeleben unterschiedlichster Prägung: Neben der „Kirche der Entschiedenen“ in der Tradition der Erweckungsbewegung finden sich hier die „Kirche der Engagierten“ mit ihren zahlreichen Gruppen, Kreisen und Chören sowie die diakonisch, politisch oder sozial motivierte „Kirche für andere“.

Marktplatz Mit ihren Festen und Feiern, mit Konzerten und kulturellen Veranstaltungen, mit Erwachsenenbildung und größeren Projekten wie „Neu anfangen“ geht die Kirchengemeinde gewollt oder ungewollt über die binnenkirchlichen Räume hinaus und begibt sich auf den bunten „Markt der Möglichkeiten“. Nachbarn, Partner, aber auch Konkurrenten und Mitbewerber werden deutlicher. Die Grenzen zwischen der Gemeinde und ihrem regionalen Umfeld werden durchlässig füreinander. Die „Kirche vor Ort“ zeigt ihr Profil. Alle Formen von Gemeindeleben erscheinen berechtigt und sinnvoll. Und doch kommt es in der Praxis immer wieder zu Unklarheiten und Unstimmigkeiten bis hin zu Konkurrenz und Rivalität. Häufig haben diese ihre Ursachen in den unterschiedlichen Vorstellungen von Kirche und den teilweise gegensätzlichen leitenden Bildern, die damit verbunden sind. Mindestens

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ebenso häufig liegen die Ursachen allerdings in fehlenden Absprachen und mangelhafter Koordination oder in dem Bedürfnis nach Profilierung einzelner. Immer wieder klagen Mitarbeitende über Überlastung oder zu wenig Unterstützung. Wie kann der Kirchenvorstand einen Überblick gewinnen und die Akzente sinnvoll setzen? Neben den schon erwähnten kybernetischen (= Steuerungs-) Fähigkeiten ist die Zuordnung unterschiedlicher Aktivitäten zu den inhaltlichen Grunddimensionen kirchlichen Handelns sinnvoll und hilfreich. Die Grundaufgabe kirchlichen Handelns ist die Kommunikation des Evangeliums unter den Bedingungen und Möglichkeiten einer konkreten Ortsgemeinde. Diese entfaltet sich in vier Dimensionen, wie die folgende Übersicht zeigt:

leiturgia diakonia Gottesdienst Diakonie Spiritualität Nächstenliebe

koinonia Gemeinschaft Gruppen Kreise

martyria Öffentliches Zeugnis Lehre

Die vier Begriffe stammen aus dem Griechischen und bezeichnen schon in der frühen Kirche die Grunddimensionen des Evangeliums. Sie können auch heute noch dazu helfen, die Angebote einer Kirchengemeinde inhaltlich zuzuordnen. Im Folgenden werden sie näher beschrieben.

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Die erste Dimension: „Leiturgia“ Damit ist das gottesdienstliche und spirituelle Leben der Gemeinde im Blick. Unsere Gottesdienste sind geprägt von langer kirchlicher Tradition. Agenden (= gottesdienstliche Ordnungen) legen den Ablauf und die Elemente zur Ausgestaltung fest. Die „Erneuerte Agende“ verbindet das Anliegen einer wiederkehrenden und erkennbaren Grundstruktur mit wechselnden Ausgestaltungsmöglichkeiten durch Varianten zu einzelnen gottesdienstlichen Elementen. Sie wahrt damit die Erkennbarkeit und gibt die Möglichkeit, mit dem Gottesdienst vertraut zu werden. Gleichzeitig trägt sie dem Bedürfnis vieler Menschen nach Abwechslung und lebendigerer Gottesdienstgestaltung Rechnung. Neben diese agendarisch geprägten Gottesdienste treten eine Reihe besonderer Gottesdienste (z.B. Familiengottesdienst, Feierabendmahl, Jugendgottesdienst, Kantatengottesdienst usw.) für bestimmte Zielgruppen oder Bedürfnisse in der Gemeinde. Alle Gottesdienste wollen lebendige Feier der Gemeinde sein: offen und einladend nicht nur für kirchliche „Insider“. Allerdings kann keine Gottesdienstform alles gleichzeitig leisten. Kein Gottesdienst ist „für alle“ da, auch wenn gerade im Kirchenvorstand sich viele das immer noch wünschen! Der Kirchenvorstand nimmt das doppelte Anliegen auf: Die Gemeinde feiert „ihren“ Gottesdienst. Und sie feiert ihn in vielerlei Formen. Er macht sich kundig über mögliche Gottesdienstformen und berät Chancen und Grenzen unterschiedlicher Gestaltungselemente: Spielräume der Agenden, Zielgruppen- und Festtagsgottesdienste, Wochengottesdienste, andere Gottesdienstzeiten usw. Er bedenkt zeitgemäße Ausdrucksweisen: Nicht immer muss geredet werden. Stille und Musik, Bilder und Symbole sprechen alle Sinne der Menschen an. Die Feier des Abendmahles nimmt einen steigenden Stellenwert ein. Viele Gemeinden feiern es regelmäßig und zunehmend selbstverständlich. Die Zulassung getaufter Kinder soll auch vor der Konfirmation die Regel sein – so eine Empfehlung der Landessynode im Herbst 2000. Die Kirchenvorstände sind gebeten, sich damit offen und kreativ auseinander zu setzen. Alle Überlegungen münden in ein Konzept für das gottesdienstliche Leben einer Gemeinde, das den Hauptamtlichen und Ehrenamtlichen einen sicheren Rahmen bietet und genügend Freiheit zur Ausgestaltung lässt.

Das Evangelium als Gottesdienst und Feier

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Die zweite Dimension: „Diakonia“

Das Evangelium als Hilfe zum Leben

Anders als die Liturgie ist die Diakonie weitgehend aus der Gemeinde ausgewandert. Der Zwang zu mehr Professionalität und Wirtschaftlichkeit sind die hauptsächlichen Gründe dafür. Neben der institutionellen Diakonie, die sich in Diakonischen Werken mit ihren Sozialstationen, Heimen, Tagesstätten und Beratungsangeboten übergemeindlich organisiert, gilt es trotzdem, den Bereich der gemeindlichen Diakonie im Blick zu behalten und zu fördern. Ein Kirchenvorstand wird gut daran tun, eine/n Beauftragte/n für Diakonie zu benennen, der/die die Verbindung zum regionalen Diakonischen Werk hält und die Gemeinde in den dortigen Gremien vertritt. Ein Besuchsdienst im Altenwohnstift im Gemeindegebiet, Mitarbeit in der Asylbetreuung oder im Arbeitslosenprojekt, eine Partnerschaft zu einer heilpädagogischen Einrichtung für Jugendliche können neue Möglichkeiten gemeindlichen Engagements sein und das diakonische Anliegen konkret werden lassen. Öffentliche Themen wie Arbeitslosigkeit, Ausländerfeindlichkeit und Rassismus, Suchtproblematik, die Schwierigkeiten Alleinerziehender können als diakonische Anliegen entdeckt und auf die Ortsgemeinde übertragen werden: Wo hat dieses Anliegen seinen Sitz in unserer Wirklichkeit? Was ist unsere Aufgabe? Welche konkreten Möglichkeiten haben wir, hier unterstützend tätig zu werden? Möglicherweise lässt sich eine Hausaufgabenbetreuung für ausländische Kinder organisieren. Oder ein Alleinerziehendentreff entsteht. Oder ein Besuchsdienst für alleinstehende ältere Gemeindemitglieder. Jeder Kirchenvorstand kann seinen eigenen Weg finden – vorausgesetzt, er ist sensibel für die diakonischen Herausforderungen in der Gemeinde.

Die dritte Dimension: „Koinonia“ Hier stehen die gemeinschaftsbildenden Aktivitäten im Zentrum. Zahlreiche Gruppen und Kreise haben neben dem Thema und dem konkreten Anlass vor allem die Begegnung und Förderung der Gemeinschaft zum Inhalt. Oft kann man den Eindruck gewinnen, der eigentliche Grund, warum sich ein Kreis auch nach Jahren immer noch trifft, ist die gesellige Runde, in der sich die Menschen wohl fühlen. Tatsächlich gewinnt die Gemeinschaft für viele Menschen in einer immer anonymeren Gesellschaft zunehmende Bedeutung. Allerdings darf nicht vergessen werden, dass es andere gibt, die Individualität und

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Unabhängigkeit schätzen und sich durch zu intensive Gemeinschaftsformen eher vereinnahmt und manipuliert fühlen. Neben den regelmäßigen Gruppen und Kreisen mit hoher Verbindlichkeit ist es sicherlich sinnvoll, eher offene und punktuelle „Treffs“ mit deutlich niedrigerer Schwelle anzubieten. Wie bunt und vielschichtig die einzelnen Angebote gerade in diesem Bereich sind, ist bereits im Zusammenhang der räumlichen Anbindung im Gemeindehaus angesprochen worden. Neben Angeboten, die sich altersmäßig an unterschiedliche Zielgruppen wenden können (Kinder, Jugendliche, Senioren), stehen solche für Menschen in besonderen Lebenslagen (Singles, Alleinerziehende, Trauernde) oder solche, die einem besonderen Zweck verbunden sind (Kirchenchor, Gesprächskreis, Tanzgruppe). Neben die Gruppen und Kreise, die in irgendeiner Weise „ für andere“ da sind, treten Selbsthilfegruppen, die in der Gemeinde etwas „für sich“ tun wollen (Mutter–Kind-Gruppen, Arbeitslosentreff, Aphasikergruppe).

Das Evangelium als Gemeinschaft

So verschieden die Anlässe, Themen, Ziele und Organisationsformen auch sein mögen, ist all diesen Gruppen, Kreisen, Chören und Initiativen eines gemeinsam: Sie verstehen sich als Teil der Gemeinde oder doch wenigstens als deren Gäste. Als solche wollen sie vom Kirchenvorstand bedacht und unterstützt werden. Der Kirchenvorstand kann diesen Erwartungen nachkommen, wenn er zu den Gruppenleitern/innen und Kontaktpersonen Verbindung hält. Er ist zuständig für die Vergabe von Räumen im Gemeindehaus und für die Erstellung eines Belegplanes und einer entsprechenden Hausordnung. Wenigstens einmal jährlich sollte er zu einer Zusammenkunft aller Mitarbeitenden einladen. Die – ehrenamtlichen – Gruppenverantwortlichen können zu Kirchenvorstandssitzungen eingeladen werden und dort als „Experten“ Rederecht erhalten, wenn es um ihren Arbeitsbereich geht. Bei der Aufstellung des Haushaltsplanes können die einzelnen Arbeitsbereiche eigene Budgets erhalten und einen gewissen Freiraum für Anschaffungen eingeräumt bekommen. Vernetzung und Zusammenarbeit kann vom Kirchenvorstand durch entsprechende Projekte – beispielsweise das gemeinsam vorbereitete und gestaltete Gemeindefest – gefördert und nach außen hin wirksam demonstriert werden.

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Die vierte Dimension: „Martyria“

Das Evangelium als öffentliches Zeugnis

Schließlich geht es in der Gemeindearbeit auch um öffentlichkeitswirksame Maßnahmen und um die kirchliche Unterweisung im weitesten Sinne. Der Religionsunterricht an staatlichen Schulen ist zwar rechtlich gesehen eigenständig. Allerdings kann die Verbindung zur örtlichen Schule durchaus für beide Seiten Gewinn bringend genutzt werden. Direkt in der Zuständigkeit der Kirchengemeinde – und damit des Kirchenvorstandes – liegt der kirchliche Unterricht für Präparanden und Konfirmanden. Neben der klassischen Wissensvermittlung spielt dabei das Kennenlernen der Kirchengemeinde und das projektbezogene Lernen durch Praktika zunehmend eine gewichtige Rolle. Für immer mehr Kinder und Jugendliche ist die Gemeinde eine fremde Welt, die sie erst in ihrer Konfirmandenzeit näher kennen lernen. Im Kindergarten und im Kindergottesdienst findet religiöse Früherziehung in kindgerechter und spielerischer Form statt. In der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen engagieren sich hauptamtliche Pädagogen/innen, aber auch zahlreiche Ehrenamtliche. Viele Kirchenvorstände haben gerade an sie übergroße Erwartungen: „Für die Jugend muss mehr getan werden; schließlich ist sie die Gemeinde von morgen!“ Dem entgegen steht die pädagogische Einsicht, dass Kinder und Jugendliche nicht nur als nachwachsende Gemeindemitglieder ihr Recht in der Gemeinde haben, sondern selbst „junge Gemeinde“ sind. Beim Kirchenvorstand liegt es, mit allen, die in unterschiedlicher Weise als Religionslehrer/innen, Pfarrer/innen, Pädagogen/innen, Erzieher/innen, Kindergottesdienstmitarbeiter/innen engagiert sind, das Gespräch zu suchen. Ihre Erfahrungen, ihre Ideen, ihre Schwierigkeiten, die Trends, die sie beobachten, die Projekte, die sie vorhaben, sollten ihn interessieren. Solche Gespräche gelingen erfahrungsgemäß leichter, wenn der Kirchenvorstand nicht als „Aufsicht“, sondern als „Lernender“ mitredet. Defizite werden auf diesem Weg gemeinsam erkannt, Initiativen in Absprache ergriffen. Neue Möglichkeiten (z. B. Kinderbibelwochen, Tauferinnerungsgottesdienste, Kinderabendmahl, Konfirmandenelterngruppen oder Schulgottesdienste) lassen sich gemeinsam entwickeln und werden von vielen mitgetragen. Darüber hinaus beteiligt sich der Kirchenvorstand an der öffentlichen Diskussion von Glaubensthemen und aktuellen Zeitfragen. Er fördert die kirchliche Erwachsenenbildung in der

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Gemeinde und arbeitet über seine/n Beauftragte/n im örtlichen Bildungswerk mit. Die Friedensdekade, die Woche der ausländischen Mitbürger, Dekanats – Missionstage, der Buß- und Bettag als ökumenisch begangenes Zeugnis, der Einsatz für den Erhalt des Sonntags als arbeitsfreien Ruhetag können entsprechende Anlässe sein. Wichtig ist dabei eine deutliche eigene Position und eine dialogische Grundhaltung: „Wir haben unsere Meinung und stehen dazu; aber wir sind auch an der Meinung anderer und am Dialog mit ihnen interessiert.“ Im ökumenischen Gesprächskreis, bei der Bürgerversammlung im Rathaus, am Mahnmal für die Gefallenen am Volkstrauertag – immer wieder bieten sich Gelegenheiten und Anlässe für öffentliches Zeugnis. Dabei wird deutlich: Christliche Lehre geht nicht auf in Merksätzen und theologischen Richtigkeiten, auch nicht in starren Positionen und Bekenntnissen. Sie speist sich aus den zahlreichen Erfahrungen unserer „Vorfahren im Glauben“, die in den biblischen Erzählungen überliefert werden. Sie hat die Erfahrungen früherer Christen und ihre Bekenntnisse aufgenommen. Und sie lebt davon, dass wir heute eigene Erfahrungen im Glauben machen und mit eigenen Worten davon reden können.

Die Handlungsfeldsystematik als Möglichkeit der Steuerung in der Kirchengemeinde

Exkurs

(Alle Zitate aus: Perspektiven und Schwerpunkte)

Im Rahmen der „Perspektiven und Schwerpunkte kirchlicher Arbeit in den nächsten Jahren“, die die Landessynode im Jahre 1998 verabschiedet hat, ist der Versuch unternommen worden, unsere kirchliche Arbeit in Handlungsfelder zu gliedern. Diese Gliederung nimmt dabei die gewachsenen Strukturen kirchlicher Arbeit auf. Sie soll eine Übersicht über die mannigfaltigen Tätigkeiten unserer Landeskirche ermöglichen – und zwar „sowohl für die Menschen (…), denen dieser Dienst gilt, als auch für Mitarbeitende und Leitende. Sie ermöglicht es, Aufgaben zu erkennen und zu planen und bewusst Schwerpunkte zu setzen.“

Sie finden die „Perspektiven und Schwerpunkte“ im Intranet

Dies ist bisher vor allem auf der übergemeindlichen Ebene geschehen. Aber dieses Modell bietet durchaus auch auf Gemeindeebene Chancen. Anhand der zehn Handlungsfelder kann der

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Kirchenvorstand die bunte Vielfalt des eigenen Gemeindelebens betrachten und analysieren. Oder er trifft Entscheidungen, wie die vorhandenen Mittel sinnvoll aufgeteilt werden. Folgende Fragen könnten dabei leitend sein: - Welche Aktivitäten gibt es bei uns in diesem Handlungsfeld? - Welches Budget ist für das jeweilige Handlungsfeld in unserem Haushalt vorgesehen? - Welche Mitarbeitenden (haupt-, neben- und ehrenamtlich) arbeiten in welchem Handlungsfeld? - Gibt es Beauftragte oder Ausschüsse für das jeweilige Handlungsfeld oder für Teilbereiche davon? - Wo gibt es evtl. Defizite in einem Handlungsfeld und aus welchen Gründen? Hier ein Überblick über die zehn Handlungsfelder, nach denen auch die Arbeit in Kirchengemeinden gegliedert ist. Bei jedem Handlungsfeld werden einige Beispiele aus der gemeindlichen Praxis angeführt – wohl wissend, dass diese Auflistung nicht erschöpfend ist.

Handlungs­ feld 1

Gottesdienst, Verkündigung, Spiritualität, Kirchenmusik Darum geht es dabei: „Sich vor Gott versammeln, sein Wort hören und verkündigen, singen, beten, meditieren, geistliche Musik machen und hören.“ Und so kann es in einer Gemeinde konkret aussehen: - Gottesdienste in verschiedensten Formen - Zielgruppengottesdienste - Kirchenmusik - Christliche Kunst - Unser Kirchenraum: Gestaltung, Öffnungszeiten … - Spiritualität - Kasualien: Anzahl, Bedeutung, Begleitung - Feier des Heiligen Abendmahles

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Gemeindeaufbau und Gemeindeentwicklung Darum geht es dabei:

Handlungs­ feld 2

„Zum Glauben, zur Gemeinschaft und zur Mitarbeit einladen, Gemeinde in verschiedenen Lebensphasen, Gemeindeleben gestalten.“ Und so kann es in einer Gemeinde konkret aussehen: - Zielgruppenarbeit: Was tun wir für Kinder, Jugend, Frauen, Männer, Altersarbeit, Eltern, Familien, Alleinerziehende, Singles? - Welchen Stellenwert hat Evangelisation? - Kirchenvorstandsarbeit - Welche Bedeutung hat Gemeindeentwicklung, d.h. konzeptionelle Arbeit? - Werden die neuen Möglichkeiten der Kirchengemeindeordnung genutzt? - Wie gewinnen und begleiten wir ehrenamtlich Mitarbeitende?

Erziehung, Bildung und Unterricht Darum geht es dabei:

Handlungs­ feld 3

„Christliche Erziehung unterstützen, den evangelischen Beitrag zur Bildung leisten, zur Lebensgestaltung helfen.“ Und so kann es in einer Gemeinde konkret aussehen: - Kindertagesstätten: Stellung und Bedeutung innerhalb der Gemeinde; evangelisches Profil - Begleitung der Familien als Trägerin religiöser Erziehung - Religionsunterricht und seine Verknüpfung mit der Kirchengemeinde - Angebote der Erwachsenenbildung - Kontakte zum Bildungswerk/-zentrum - Konfirmandenarbeit: Verknüpfung mit Jugendarbeit, Elternarbeit …

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Handlungs­ feld 4

Seelsorge und Beratung Darum geht es dabei: „Menschen begleiten und beraten, annehmen, trösten und ermutigen.“ Und so kann es in einer Gemeinde konkret aussehen: - Seelsorge vor Ort geschieht in vielfältiger Weise: Geburtstagsbesuche, Begleitung von Sterbenden und Trauernden, Gespräche anlässlich einer Taufe oder Trauung, Begegnung auf der Straße, Telefonanruf in Krisenfällen … - Wer ist Träger: Pfarrer/Pfarrerin, Ehrenamtliche …? - Gibt es organisierte Kreise (Besuchsdienst, …)? - Begleitung und Unterstützung der in der Seelsorge ehrenamtlich Tätigen - Kontakte/Zusammenarbeit mit Beratungseinrichtungen - Kontakte zu Kliniken, Altenheimen etc. - Kontakte zu Sonderseelsorge (Notfall-, Gefängnis-, Polizeietc.)

Handlungs­ feld 5

Themen- und Zielgruppenbezogene gesellschaftliche Dienste Darum geht es dabei: „In der Gesellschaft mit dem Evangelium als Gesprächspartner präsent sein und sich einmischen, Menschen in ihrer Lebenswirklichkeit wahrnehmen und auf sie eingehen.“ Und so kann es in einer Gemeinde konkret aussehen: - Kontakte zu gesellschaftlichen Bereichen wie Wissenschaft, Technik, Wirtschaft oder Kultur - Kontakte zu gesellschaftlich relevanten Gruppen (Parteien, Verbände, Initiativen) - Kontakte zu Kommune, Landkreis, Regierungsbezirk - Kontakte zur Arbeitswelt - Nutzung von Zugängen und Begabungen einzelner Gemeindeglieder

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Ökumene, Mission, Entwicklungsdienst und Partnerschaft

Handlungs­ feld 6

Darum geht es dabei: „Die Einheit der Kirche vertiefen, Verständnis füreinander fördern, die Ausbreitung des Glaubens unterstützen, partnerschaftlich zusammenarbeiten und sich für Gerechtigkeit, Frieden und die Bewahrung der Schöpfung einsetzen.“ Und so kann es in einer Gemeinde konkret aussehen: - Partnerschaft mit der röm.-kath. Kirche und den Kirchen der AcK - Kontakte zu Partnerkirchen/-gemeinden - Engagement für eine gerechte Gemeinschaft zwischen Völkern und Staaten - Dialog mit dem Judentum und anderen Religionen

Diakonisches Handeln Darum geht es dabei:

Handlungs­ feld 7

„Nächstenliebe üben: für Arme und Schwache eintreten, Hilfe leisten, unterstützen und heilen.“ Und so kann es in einer Gemeinde konkret aussehen: - Einsatz für belastete, behinderte, körperlich und seelisch kranke Menschen - Einbindung von Diakoniestationen u.ä. in die Gemeindearbeit - Kontakte zu anderen diakonischen Trägern und Abstimmung mit diesen (z.B. Beratungsstellen, Altenheime) - Öffentliches Eintreten für soziale Gerechtigkeit und sozialen Frieden

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Handlungs­ feld 8

Presse, Öffentlichkeitsarbeit, Medien Darum geht es dabei: „Das Evangelium und die kirchliche Arbeit auf dem Markt der Meinungen vertreten.“ Und so kann es in einer Gemeinde konkret aussehen: - Gemeindebriefe als das Hauptinstrument der medialen Kommunikation in der Ortsgemeinde, das auch Distanzierte erreicht (Aufmachung, Inhalte …) - Stellenwert der gemeindlichen Öffentlichkeitsarbeit - Kontakte zur regionalen (kirchlichen) Presse und zum regionalen Rundfunk - Fortbildung der in diesem Bereich Tätigen - Gemeindlicher Beauftragter für Öffentlichkeitsarbeit - Verwendung neuer technischer Kommunikationsmittel

Handlungs­ feld 9

Aus-, Fort- und Weiterbildung Darum geht es dabei: „Haupt- neben- und ehrenamtliche Mitarbeitende für ihren Dienst aus-, fort- und weiterbilden.“ Und so kann es in einer Gemeinde konkret aussehen: - Möglichkeit der Aus-, Fort- und Weiterbildung gerade auch der Ehrenamtlichen - Begleitung und Förderung der Mitarbeitenden (z.B. durch Mitarbeitendenjahresgespräche) - Besondere Veranstaltungen für Mitarbeitende (Tage, Abende) - Kostenerstattung für Ehrenamtliche

Handlungs­ feld 10

Kirchenleitung und Verwaltung Darum geht es dabei: „Den Weg der Kirche auf den verschiedenen Ebenen nach menschlichen Möglichkeiten steuern, gemäß dem Auftrag, den Herausforderungen der Zeit und den gegebenen Möglichkeiten.“

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Und so kann es in einer Gemeinde konkret aussehen: - Gerechte Gemeinschaft zwischen Haupt-, Neben- und Ehrenamtlichen - Kooperative Leitungsstruktur - Einfache und effiziente Strukturen (z.B. mit klaren Zuständigkeiten) - Reduktion von Gremien- und Doppelarbeit - Verbesserung der Effektivität der Gremien (Vorbereitung, Sitzungsleitung …) - Entwicklung von Möglichkeiten der Einnahmeverbesserung

1.4. Verwalten der Ressourcen Gestalten des Gemeindelebens und Verwalten der Ressourcen der Gemeinde gehören untrennbar zusammen. Die Verwaltung ist in vielen Fällen ein eher „ungeliebtes Kind“ des Kirchenvorstandes, das aber, wenn es nicht angemessen beachtet wird, wie im richtigen Leben viel Arbeit und Ärger verursachen kann. Viele Kirchenvorstände haben das Gefühl, von ihren Verwaltungsaufgaben förmlich „aufgefressen“ zu werden. Damit außer der Verwaltung auch die Gestaltung zu ihrem Recht kommt, ist es notwendig, neben einer gut funktionierenden Geschäftsordnung die „ökologische Kompetenz“ im Kirchenvorstand zu entwickeln. Unter dieser Kompetenz verstehen wir die Fähigkeit, bei Verwaltungsaufgaben nicht nur auf die ökonomischen Bedürfnisse wie Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zu setzen, sondern auch weitergehende Zusammenhänge wie die Auswirkungen auf die Umgebung einer Kirchengemeinde oder die nachfolgenden Generationen zu berücksichtigen. Für die Geschäftsordnung stellt die Kirchengemeindeordnung eine Reihe wirksamer Instrumente bereit, die dazu beitragen können, Verwaltungsaufgaben effektiv und kompetent zu erledigen. Die Wahl eines/r ehrenamtlichen Vorsitzenden oder eines Präsidiums entlastet Pfarrer/innen von der Geschäftsführung des Kirchenvorstandes. In vielen Gemeinden finden sich dafür kompetente und motivierte Kirchenvorsteher/innen, die häufig aus dem Bereich der Wirtschaft oder der Verwaltung kommen und ihre beruflichen Erfahrungen einbringen können.

Geschäfts­ ordnung

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Für Schwerpunktaufgaben der Verwaltung wie Personal, Finanzen, Gebäude können entsprechende Sachausschüsse eingerichtet werden, die Angelegenheiten ihres Aufgabengebietes vorberaten bzw. beschließen. In diesen Ausschüssen können auch zum Kirchenvorstand wählbare Gemeindemitglieder mitwirken, die ansonsten dem Kirchenvorstand nicht angehören. Auf diese Weise kann sich ein Kirchenvorstand fachliches Wissen und praktisches Können von Fachleuten zu eigen machen. Für bestimmte Einrichtungen der Gemeinde wie Kindergarten, Friedhof oder Sozialstation können eigene Beauftragte benannt werden. In vielen Fällen existieren entsprechende Fördervereine, die diese Einrichtungen unterstützen und mit dem Kirchenvorstand eng zusammenarbeiten. Die jeweilige Satzung sollte daraufhin überprüft werden, ob der Kirchenvorstand angemessen in der Vorstandschaft des Vereines vertreten ist.

Pfarramt Zur Geschäftsordnung des Kirchenvorstandes finden Sie ausführliche Informationen ab Seite 53.

Ein gut organisiertes Pfarramtsbüro und der regelmäßige Informationsfluss zwischen dem Team der Hauptamtlichen und dem Kirchenvorstand sind weitere Voraussetzungen für die gute Bewältigung der Verwaltungsaufgaben. Das Mitwirken der betroffenen Hauptamtlichen bei Stellenausschreibungen und Personalentscheidungen ihres Aufgabenbereiches, die Budgetierung der Haushaltstitel und eine relative Eigenständigkeit im Umgang mit den darin vorgesehenen Mitteln, die Klärung des Raumbedarfes und der Ausstattung vor größeren Umbaumaßnahmen sollten selbstverständlich sein.

Ökologische Kompetenzen Zu den ökologischen Kompetenzen gehören insbesondere

Wirtschaftlichkeit Es stimmt: Kirchengemeinden sind keine Wirtschaftsunternehmen. Es stimmt aber auch: Kirchengemeinden sind – vor allem in Zeiten knapper werdender Mittel – aufgefordert, wirtschaftlich mit den Ressourcen umzugehen, die ihnen zur Verfügung stehen. Im Vergleich mit den meisten anderen Ländern sind unsere Gemeinden nach wie vor reich. Andererseits wird auch deutlich: Die Lebendigkeit und Attraktivität christlicher Gemeinden hängt nicht nur am Geld. Es ist davon auszugehen,

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dass unsere Kirche künftig mit geringeren finanziellen Mitteln auskommen muss. Die Zahl der Kirchenaustritte hat sich auf einem relativ hohen Niveau eingependelt. Jahr für Jahr entspricht sie bundesweit etwa der Bevölkerung einer mittleren Großstadt. Höher Gebildete und besser Verdienende treten eher aus als andere. In den neuen Bundesländern sind ganze Generationen nicht mehr kirchlich geprägt. Ihre Kinder werden gar nicht erst getauft und fallen als potenzielle Mitglieder von vornherein aus. Gesamtgesellschaftliche Entwicklungen wie Geburtenrückgang, Überalterung, kulturelle und religiöse Vielfalt wirken sich nachhaltig auf die Mitgliedschaft aus. Das System der Kirchensteuer hat unsere Kirche über Jahrzehnte getragen. Die Steuerreform mit der Verlagerung von den direkten Steuern (Lohn- und Einkommensteuer) hin zu indirekten Steuern (Verbrauchssteuer, Ökosteuer) sowie die hohe Arbeitslosigkeit lassen das Kirchensteueraufkommen weiter zurückgehen. Im zusammenwachsenden Europa wird das deutsche System der Kirchensteuer als Sonderfall politisch zunehmend in Frage gestellt. Kirchenvorstände haben diese Entwicklungen im Blick, auch wenn sie diese nicht direkt beeinflussen können. Nicht hektische, aber vorsorgliche Reaktionen sind angebracht: Heutige Ausgaben werden kritisch auf ihre Folgekosten überprüft. Vor allem bei Personalstellen und Neubauten ist dieser Faktor von entscheidender Bedeutung. Der Kirchenvorstand spielt den Gedanken durch: „Was würden wir tun, wenn wir 10% weniger Geld hätten?“

Kirchen­ steuer

Der Umgang mit Spenden und Kirchgeld wird möglichst transparent dokumentiert und der gemeindlichen Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Die Erfahrung zeigt: Je konkreter ein Verwendungszweck oder eine notwendige Anschaffung in den Abkündigungen, im Gemeindebrief oder einer Aktion dargestellt wird, desto höher ist die Bereitschaft zur finanziellen Unterstützung.

Spenden

Die Gewinnung von Sponsoren, zeitgemäßes Fundraising (Erschließung neuer Einnahmequellen) und nicht zuletzt die Gründung von Fördervereinen sind weitere Möglichkeiten.

Sponsoring und Fund­ raising

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Ökolo­ gische Ver­ antwortung

Verträglichkeit

Umweltbe­ rater

Kirchliche Umweltberater machen eine ökologische Bestandsaufnahme und beraten bei konkreten Maßnahmen. Bei Veranstaltungen und Gemeindefesten können Kaffee und andere Produkte aus fairem Handel verwendet werden. In vielen Gemeinden findet einmal monatlich oder nach dem Sonntagsgottesdienst ein Kirchenkaffee statt, bei dem Waren aus dem Eine–Welt–Laden verkauft werden.

Global den­ ken – lokal handeln

Wichtiger als die einzelnen Ideen erscheint jedenfalls ein „neues Denken“, das im Zusammenhang mit der „Agenda 21“ eingeübt wird: „Global denken – lokal handeln“. Der Kirchenvorstand begreift sich dabei als Teil der „einen Welt Gottes“ und leistet so seinen konkreten Beitrag zu mehr sozialer Gerechtigkeit und zur Bewahrung der Schöpfung.

Neben die Ökonomie tritt in christlichen Gemeinden auch die Ökologie. Das Evangelium verpflichtet auch zu sozialer Gerechtigkeit und zu ökologischer Verträglichkeit. Die Bewahrung der Schöpfung, die auch die Mitgeschöpfe umfasst, der Gedanke, dass alle Menschen ein gottgewolltes Recht auf ein menschenwürdiges Leben haben, das auch die Achtung ihrer Grundbedürfnisse nach Nahrung, Kleidung, Wasser, Energie einschließt, haben konkrete Auswirkungen auf den Umgang mit Ressourcen in der Kirchengemeinde. Ökologisches Wirtschaften schließt den sparsamen Umgang mit Energie und Wasser in kirchlichen Gebäuden ein. In Pfarrämtern kann ein sparsamer Umgang mit Papier und Fotokopien eingeübt werden. Abfallvermeidung und Abfalltrennung sollten in kirchlichen Einrichtungen selbstverständlich sein.

Nachhaltigkeit Dass bei Investitionen langfristig geplant und auch an Folgekosten gedacht werden muss, wurde bereits erwähnt. Unter dem Gesichtspunkt der Nachhaltigkeit sind auch das Lebensrecht und die Lebensqualität nachfolgender Generationen von Bedeutung. Der Kirchenvorstand stellt sich bewusst immer wieder die Frage: „Wirtschaften wir so, dass auch unsere Nachfolger und spätere Generationen in unserer Gemeinde gute Bedingungen zum Leben vorfinden?“

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Die rechtzeitige Bildung von Rücklagen für den Haushalt, der verantwortliche Umgang mit Schenkungen und Stiftungen, die Pflege, Instandsetzung und Renovierung von Gebäuden, die Bewirtschaftung kirchlicher Immobilien und Grundstücke, der Erhalt kirchlicher Kindergärten und Friedhöfe sind wichtige Aufgaben auf diesem Weg. Besonders beim Umgang mit dem kirchlichen Vermögen (Grundstücke, Gebäude, Pfründe) ist Nachhaltigkeit angesagt. Die KGO sieht vor, dass das kirchliche Vermögen in seinem Bestand zu erhalten ist. Verkäufe sind nur im Gegenzug gegen Neuerwerb möglich.

Rücklagen

Die Verantwortung des Kirchenvorstands lässt sich so zusammenfassen: Wir machen uns bewusst, dass unsere Gemeinde und ihr Vermögen nicht unser „Besitz“ ist, sondern ein „anvertrautes Gut“, das uns unsere Vorgänger überlassen haben, für das wir eine Zeitlang verantwortlich sind und das wir für nachfolgende Generationen erhalten wollen. Nicht nur der kurzfristige Gewinn und Vorteil, nicht nur das, was jetzt machbar ist, steht bei Investitionen, Renovierungen und Personalplanung im Vordergrund, sondern auch das, was mittel- und langfristig vertretbar erscheint.

Kein Besitz, sondern anver­ trautes Gut

Die drei grundlegenden Ressourcen, für die der Kirchenvorstand verantwortlich ist, sind Personal, Finanzen und Immobilien. Die Aufgaben und vielfach auch Belastungen, die daraus erwachsen, mögen in einzelnen Gemeinden sehr verschieden sein. Dessen ungeachtet gehört die Verantwortung für diese Grundressourcen zu den Hauptaufgaben jedes Kirchenvorstandes. Im Einzelnen:

Drei grund­ legende Ressourcen: Personal, Finanzen, Immobilien

Personal Der Kirchenvorstand nimmt die Aufgaben der Kirchengemeinde als Arbeitgeber wahr. Fast alle Kirchengemeinden beschäftigen auf Teilzeit- oder ganzen Planstellen Mitarbeitende in festen Arbeitsverhältnissen. Sie leisten ihre Dienste als Sekretärin im Pfarramt, Erzieherin im Kindergarten, Mesner/in oder Organist/ in im Gottesdienst etc. Der Kirchenvorstand hat diese Planstellen errichtet und sorgt für ihre finanzielle Absicherung. Er hat damit eine große Verantwortung übernommen. Das beginnt mit der Anstellung eines/r Mitarbeiters/in: Der Kirchenvorstand hat im Vorfeld ein Stellenprofil erstellt. Es enthält die wesentlichen Grundaufgaben und die Rahmenbedingungen. Auf diesem Hin-

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tergrund schreibt er die Stelle aus. In der Stellenanzeige werden auch die Erwartungen an potenzielle Interessent/innen sowie die Voraussetzungen für eine Bewerbung genannt. Auf eine werbende und gewinnende Sprache wird dabei Wert gelegt. Mit den Bewerber/innen werden – am besten im Personalausschuss – Auswahlgespräche geführt. Je klarer der Kirchenvorstand sich über seine Erwartungen ist, desto leichter fällt das Gespräch. Bei der Entscheidungsfindung spielen neben der fachlichen Eignung und der Berufserfahrung auch persönliche Gesichtspunkte und soziale Belange eine Rolle. Kann und soll die Kirchengemeinde behinderte oder schwer vermittelbare Arbeitnehmer/innen beschäftigen, weil sie nicht nur auf effiziente Arbeitsleistung, sondern auch auf soziale Verträglichkeit achtet? Oder lässt sich mangelnde Effektivität gerade in kirchlichen Arbeitsverhältnissen nicht verantworten? Wie auch immer die Entscheidung ausfällt – die abgelehnten Bewerber/ innen haben ein Recht darauf, dass ihre Würde respektiert und ihr Engagement anerkannt wird.

Für die konkrete Zusammenarbeit zwischen Kirchenvorstand und Hauptamtlichen vgl. Seite 116ff.

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Für die angestellten Mitarbeitenden ist der Kirchenvorstand Dienstbehörde. Er ist dafür zuständig, dass sie eine Dienstordnung erhalten, er muss arbeitsrechtliche und tarifrechtliche Vorschriften beachten, Fürsorge üben und Konflikte regeln. Unterstützt wird er dabei durch die kirchlichen Verwaltungsstellen bzw. die Kirchengemeindeämter. Sie unterhalten eine Personalabteilung und beraten in konkreten Fragen. Sie bereiten die nötigen Beschlüsse vor und helfen bei der Umsetzung. Der unmittelbare Vorgesetzte ist in der Regel der/die Pfarramtsführer/in. Er/sie ist für Dienstbesprechungen verantwortlich, nimmt die unmittelbare Dienst- und Fachaufsicht wahr, erteilt Weisungen, spricht gegebenenfalls Abmahnungen aus, nimmt Krankheitsmeldungen und Urlaubsanträge entgegen. In der Praxis hat es sich aber auch bewährt, Pfarrer/innen von solchen Doppelaufgaben als Seelsorger und Dienstvorgesetzte zu entlasten. Die rechtlichen Möglichkeiten erlauben es, die Personalführung für bestimmte Aufgabenbereiche oder grundsätzlich an andere geeignete Mitglieder des Kirchenvorstandes zu übertragen. So können die Beauftragten für ihren jeweiligen Aufgabenbereich diese Funktion übernehmen. Oder der bzw. die Vorsitzende des Personalausschusses ist für die Personalführung der Angestellten der Kirchengemeinde verantwortlich.

Finanzen Das Geld, über das der Kirchenvorstand zu entscheiden hat, wird im ordentlichen Haushalt der Kirchengemeinde verwaltet. Für Baumaßnahmen und andere größere Projekte wird ein außerordentlicher Haushalt erstellt. Der Haushaltsplan legt die zu erwartenden Einnahmen und Ausgaben für ein Jahr im Voraus fest. Die Jahresrechnung weist die tatsächlichen Beträge aus.

Haushalt

Woher das Geld kommt Die finanziellen Mittel, über die eine Kirchengemeinde verfügt, stammen im Großen und Ganzen aus vier Quellen: Die Kirchensteuer wird gemeinsam mit der Lohn- bzw. Einkommenssteuer von den Finanzämtern im Auftrag der Landeskirche eingezogen und von den Kirchensteuerämtern verwaltet. Die Gemeinden erhalten nach dem neuen innerkirchlichen Finanzausgleich aus diesen von der Landeskirche zentral verwalteten Mitteln eine Grundzuweisung. Ihre Höhe berechnet sich in erster Linie nach der Zahl der Gemeindemitglieder. Dazu können besondere Faktoren wie eine Diasporazulage oder eine Zulage aufgrund besonderer Herausforderungen einer Kirchengemeinde kommen. Der Dekanatsausschuss entscheidet über die Verwendung einer Ergänzungszuweisung, deren Höhe die Dekanatssynode zuvor festgelegt hat. Einzelne Gemeinden können aufgrund besonderer Härten, die ihnen der neue Finanzausgleich zumutet, oder für bestimmte Projekte, die sie gemeinsam mit Nachbargemeinden in Kooperation durchführen, wiederum Mittel aus dieser Ergänzungszuweisung beantragen.

Kirchen­ steuer

Im vorgegebenen Finanzrahmen kann der Kirchenvorstand eigene Schwerpunkte bei den Ausgaben setzen. Wenn beispielsweise die Reinigungsarbeiten ehrenamtlich übernommen werden, kann das eingesparte Geld anderen Zwecken zugeführt werden. Allerdings muss der finanzielle Gesamtrahmen eingehalten werden. Trotzdem hat der Kirchenvorstand im Rahmen des neuen Finanzausgleichs mehr Verantwortung und mehr Spielraum zur Schwerpunktsetzung bei Finanzen und Personal. Neben die Kirchensteuer tritt das Kirchgeld als „Ortskirchensteuer“. Es handelt sich dabei ebenfalls um eine Pflichtabgabe, die im Unterschied zur Kirchensteuer nicht zentral eingezogen

Kirchgeld

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und verwaltet wird, sondern der Kirchengemeinde direkt zugute kommt. Der Kirchenvorstand bzw. die Gesamtkirchengemeinde legt die Höhe und die Modalitäten des Einzugsverfahrens fest. Ein fester Betrag des Kirchgeldes ist zur Deckung des ordentlichen Haushaltes vorgesehen. Der „Kirchgeldmehrertrag“ kann für bestimmte Zwecke und Anschaffungen verwendet werden, die der Kirchenvorstand beschließt. – Das „allgemeine“ Kirchgeld ist nicht zu verwechseln mit dem „besonderen“ Kirchgeld, das die Landeskirche von Kirchenmitgliedern erhebt, deren Ehepartner keiner steuererhebenden Religionsgemeinschaft angehört.

Gaben und Spenden

Gabenkasse

Gebühren

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Neben den Klingelbeuteleinlagen und freien Kollekten fallen darunter freiwillige Spenden von Gemeindemitgliedern, wie sie beispielsweise bei Hausbesuchen und Amtshandlungen gegeben werden. Gaben und Spenden werden vom Pfarramtsvorstand in der Gabenkasse des Pfarramtes verwaltet und dem vorgesehenen Zweck im Haushalt zugeführt. Spenden zur freien Verfügung können im kleineren Umfang vom Pfarramtsvorstand für frei bestimmte Zwecke verwendet werden. Anschaffungen sind jedoch immer Angelegenheit des gemeindlichen Haushaltes; für sie ist ein Beschluss des Kirchenvorstandes unerlässlich. In jedem Fall muss unbedingt auf den Willen der Spender geachtet werden. Es gilt der Grundsatz: „Spenderwille ist Königswille.“ Im Umgang mit anvertrauten Spenden ist höchste Sorgfalt und Transparenz geboten. Deshalb überprüft der/die Dekan/in einmal jährlich die Gabenkassen oder beauftragt eine Person seines/ihres Vertrauens damit. Der Pfarramtsvorstand gibt dem Kirchenvorstand einmal jährlich einen Überblick über die Höhe und die Verwendung der eingegangenen Spenden. Dabei geht es nicht nur um die Zahlen. Tendenzen bei der Gebefreudigkeit sind immer auch ein Indiz für Entwicklungen im Gemeindeleben. Darunter fallen Nutzungsgebühren für kirchliche Einrichtungen und Gebäude sowie die Gebühren, die bei Amtshandlungen erhoben werden. Der Kirchenvorstand legt die Höhe der Elternbeiträge für die Kindertagesstätte oder die Friedhofsgebühren in eigenen Ordnungen fest. Er entscheidet über die Nutzungskosten für gemeindliche Räume durch Dritte im Rahmen einer entsprechenden Hausordnung. In Gemeinden, die einer Gesamtkirchengemeinde angehören, ist er dabei an deren Vorgaben gebunden. Ansonsten bewegt er sich frei innerhalb eines ortsüblichen Rahmens.

Wer darf Geld ausgeben? Auf diese Frage gibt es eine grundsätzliche und eine praktische Antwort. Grundsätzlich hat der Kirchenvorstand die Verfügungsgewalt über die finanziellen Mittel der Kirchengemeinde. Durch den Haushaltsplan, den er beraten und beschlossen hat, setzt er den finanziellen Rahmen für alle Einnahmen und Ausgaben. Der/die Kirchenpfleger/in überwacht den tatsächlichen Rechnungsverlauf und informiert den Kirchenvorstand über eventuelle Abweichungen, etwa bei gravierenden Mindereinnahmen oder erheblichen Mehrausgaben. Der Kirchenvorstand muss sich mit den Ursachen und möglichen Folgen auseinandersetzen und notfalls geeignete Maßnahmen ergreifen, die Abhilfe schaffen können. Größere Ausgaben und Neuanschaffungen (z.B. Computer, Kopiergerät, Büromöbel) berät er auf der Grundlage von Kostenvorschlägen und entscheidet dann über die Anschaffung. Dies gilt auch für den Fall, dass grundsätzlich entsprechende Haushaltsmittel zur Verfügung stehen. Der Haushaltsplan sieht darüber hinaus Mittel für verschiedene Aktivitäten und Arbeitsschwerpunkte der Kirchengemeinde vor, z.B. für Kirchenmusik, Jugendarbeit, Gottesdienstgestaltung etc. Die haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeitenden in diesen Bereichen sollten wissen, wieviel Geld wofür zur Verfügung steht. In bestimmten Grenzen sollten sie über Ausgaben selbstständig entscheiden können. Daher empfiehlt sich eine entsprechende Budgetierung des Haushaltes durch den Kirchenvorstand. In der Praxis ist der/die Kirchenpfleger/in für die Kassenführung zuständig. Die Verantwortung dafür liegt beim Pfarramtsvorstand. Er weist Rechnungen zur Zahlung an und prüft gemeinsam mit einem weiteren Kirchenvorstandsmitglied einmal jährlich den Kassenstand.

Kirchenvor­ stand

Neuan­ schaf­ fungen

Kirchen­ pfleger/in Pfarramts­ vorstand

Der/die Kirchenpfleger/in führt die Ausgaben im Rahmen des Haushaltsplanes aus und vereinnahmt die Einkünfte rechtzeitig und vollständig. Vereinfacht könnte man das Zusammenspiel von Kirchenvorstand, Pfarramtsvorstand und Kirchenpfleger/in bei Ausgaben auf folgende Formel bringen: • Die Beschlussgewalt liegt beim Kirchenvorstand • Die Anordnungsgewalt liegt beim Pfarramtsvorstand • Die Vollzugsgewalt liegt bei dem/der Kirchenpfleger/in

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Laufende Verwaltung Für die einfachen Geschäfte der laufenden Verwaltung fallen immer wieder Ausgaben an. Im Pfarramtsbüro etwa müssen regelmäßig Papier, Druckerpatronen und sonstige Büromaterialien angeschafft werden. Eine Schreibtischlampe muss ersetzt werden oder ein Türschloss repariert. Für diese Maßnahmen legt der Kirchenvorstand einen finanziellen Rahmen fest, innerhalb dessen der Pfarramtsvorstand ohne weitere Rücksprache mit dem Kirchenpfleger und dem Kirchenvorstand unmittelbar handeln kann. Die Höhe des zur Verfügung stehenden Betrages ist nicht grundsätzlich festgelegt, sondern richtet sich nach den Erfordernissen und Erfahrungen vor Ort.

Finanzplanung Wofür gibt eine Gemeinde ihr Geld aus? Viel Spielraum für eine freie Entscheidung besteht nicht. In der Regel liegen die meisten Ausgaben von vornherein fest: Löhne und Gehälter für Mitarbeitende, Unterhalt von Gebäuden, Energie- und Sachkosten für Gottesdienste und gemeindliche Veranstaltungen. In vielen Fällen sieht der Haushaltsplan vor, dass zur Deckung der laufenden Ausgaben Eigenmittel – etwa aus den Klingelbeuteleinlagen oder frei verfügbaren Spenden – einzuplanen sind. Trotzdem bleiben gewisse Spielräume für den Kirchenvorstand bestehen: Wofür soll der Erlös des Gemeindefestes verwendet werden? Gibt es einen Kollektenplan, in dem die Verwendung der freien Kollekten geregelt ist? Wofür verwenden wir Spenden zur freien Verfügung? Bei der Beratung des Haushaltsplanes können Akzente gesetzt werden: Sollen alle Haushaltsposten wie bisher berücksichtigt bleiben? Oder können wir auf Veränderungen im Gemeindeleben auch finanziell reagieren? Vielleicht ist der Kirchenchor so sehr geschrumpft, dass er die anspruchsvolle Literatur gar nicht singen kann, für die immer Mittel eingeplant waren. Vielleicht könnten wir im Gegenzug dem neu entstandenen Besuchsdienstteam für die Neuzugezogenen mit diesen Mitteln eine Fortbildung finanzieren? Auch wenn in aller Regel Ausgaben „zum Anfassen“ wie z.B. ein neuer Kirchenbus, ein wertvolles Altarkreuz oder ein Kopiergerät für das Pfarramtsbüro als notwendige Anschaffung leichter überzeugen und sowohl den Kirchenvorstand als auch mögliche Spender/innen motivieren, müssen in einer Kirchengemeinde auch immer wieder andere Entscheidungen getrof-

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fen werden: Ein Teil des Reinerlöses unseres Gemeindefestes kommt der Partnergemeinde in Mecklenburg zugute, die schon lange ihr Kirchendach sanieren möchte. Der alte Gemeindebus fährt auch noch ein Jahr länger als geplant, dafür kann im Gemeindehaus die neue Heizungsanlage, die umweltfreundlicher und wirtschaftlicher arbeitet, früher eingebaut werden. Das geplante Kirchenkonzert muss mit zwei Solisten statt mit vieren auskommen, dafür kann der Asylkreis neue Bücher für den Deutschkurs anschaffen. So verbinden sich in der Praxis die wirtschaftlichen Notwendigkeiten des Haushaltsrechtes und die ökologische Kompetenz des Kirchenvorstandes in geeigneter Weise. Auf diesem Wege wird der Umgang mit dem Geld zu einem sinnvollen Steuerungsinstrument für die Entwicklung einer Kirchengemeinde.

Immobilien Der Kirchenvorstand ist zuständig für die Planung und Errichtung, den Unterhalt und die Instandsetzung sowie die Nutzung gemeindeeigener Gebäude. In beinahe jeder Gemeinde gibt es eine Kirche und ein Pfarrhaus. In diesen Gebäuden bildet sich der ursprüngliche Gedanke der Parochie ab: Eine regional begrenzte Gemeinschaft (ein Dorf, ein Stadtteil, ein kleinerer Verbund mehrerer Ortschaften) bildet eine eigene Ortsgemeinde. Sie unterhält eine eigene Kirche als zentralen Versammlungsraum und bekommt eine/n eigene/n Pfarrer/in zugeteilt. Für diesen hat sie das Pfarrhaus bereitzustellen und zu unterhalten. Neben Kirche und Pfarrhaus besitzen zahlreiche Gemeinden ein Gemeindehaus als Veranstaltungsort für Gruppen und Kreise und sonstige Formen von Gemeindeleben. Auch für dessen Unterhalt sind sie zuständig. Je nach örtlichen Gegebenheiten unterhalten viele Gemeinden weitere Gebäude, die unterschiedlichen Einrichtungen dienen können, z.B. Kindertagesstätten, Jugendheime, Sozialstationen, Aussegnungshallen etc. Neben der Kirchengemeinde kommen für deren Unterhalt in der Regel eigene Rechtsträger in Frage. So kann die Sozialstation in Trägerschaft des Diakonischen Werkes sein oder für die Kindertagesstätte ein Trägerverein in Frage kommen. Wie auch immer – in jedem Fall hat der Kirchenvorstand eine Mitverantwortung auch für diese Einrichtungen.

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Baumaßnahmen

Baumaß­ nahmen als Teil des Gemeinde­ lebens

Kirche, Pfarrhaus, Gemeindehaus und eventuell weitere Gebäude wollen errichtet, instand gesetzt und wirtschaftlich unterhalten werden. Der Kirchenvorstand hat dabei alle Hände voll zu tun. Er gelangt gerade auf diesem Feld schnell an seine Grenzen. Wer hat die Sachkompetenz und die Zeit, sich sachkundig um all das zu kümmern, was bei einer größeren Baumaßnahme zu beachten ist? Wie kommen wir an Zuschüsse? Welche Auflagen des Denkmalschutzes müssen wir beachten? Nicht überall gibt es einen fähigen Architekten, der mit derlei Vorgängen vertraut ist. Die Erstellung eines Raumprogrammes, der Baupläne und eines entsprechenden Finanzierungsplanes sind Aufgaben, mit denen sich ohnehin Fachleute befassen müssen. Der Kirchenvorstand erteilt hierfür den Auftrag, nachdem er die kirchenaufsichtliche Genehmigung eingeholt hat. Er lässt sich durch die Bauabteilung im Kirchengemeindeamt oder bei der regionalen Verwaltungsstelle in geeigneter Form beraten. Der Bau einer Kirche oder eines Gemeindezentrums sind nicht nur reine Baumaßnahmen, sondern erfordern grundsätzliche und sorgfältige Überlegungen im Vorfeld: Was soll unser neuer Kirchenbau über uns als Gemeinde aussagen? Passt eine runde Grundform, die sich um den Altar herum anordnet, zu unserem Bild als Gemeinde? Sind die Räume im neuen Gemeindehaus nicht nur funktional und zweckmäßig, sondern laden sie auch zum Wohlfühlen und Verweilen ein, so dass daraus ein echter Lebensraum im Zentrum unserer Gemeinde entstehen kann? Daran wird deutlich, dass Baumaßnahmen Teil des Gemeindelebens sind und dem Gesamtkonzept einer Gemeinde entsprechen müssen.

Bauunterhalt Nicht nur bei Baumaßnahmen ist der Kirchenvorstand gefragt. Viel häufiger wird er sich um den laufenden Unterhalt und die Instandhaltung vorhandener Gebäude kümmern müssen. Am besten beauftragt er einen Bauausschuss damit, einmal jährlich eine Begehung sämtlicher gemeindeeigenen Gebäude vorzunehmen, die entsprechenden Mängel aufzuzeichnen und über geeignete Maßnahmen zu ihrer Behebung zu beraten. Größere Reparaturen erfordern in der Regel, dass mindestens zwei Angebote eingeholt werden.

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Wie können gemeindeeigene Gebäude sinnvoll genutzt werden? Zunächst steht natürlich ihr ursprünglicher Zweck im Vordergrund, zu dem sie errichtet wurden. Die Kirche ist Wahr- und Kennzeichen der Gemeinde. Vielfach prägt sie das Ortsbild. Oder sie gibt der Gemeinde ihren Namen. Im Bewusstsein zahlreicher Menschen verkörpert sie geradezu symbolisch das, was das Wesen von „Kirche“ ausmacht – einen Raum zum Beten, zur Gottesbegegnung und zur Selbstfindung. Gerade Kirchenferne verbinden mit dem Kirchenraum oft viel mehr als mit dem konkreten Gemeindeleben. Von daher tut der Kirchenvorstand gut daran, die Kirche möglichst offen zu halten und den Eingangsbereich informativ und einladend zu gestalten. Der Kirchenraum ist „die“ Visitenkarte der Kirchengemeinde. Über Gottesdienste und Amtshandlungen verbindet sich für viele Gemeindemitglieder mit dem Kirchengebäude ein Stück des eigenen Lebensweges. Viele Menschen reden deshalb gerne von „meiner“ Kirche, wenn sie die Ortsgemeinde meinen. Nach evangelischem Verständnis sind Kirchengebäude nicht nur „heilige“ Orte, sondern auch Versammlungsräume, in denen Konzerte, Ausstellungen und Vorträge zu kirchennahen Themen stattfinden können. In kleineren Städten und Dörfern ist die Kirche oft der einzige Raum von hinreichender Größe, Ausstattung und Akustik. Es ist ein Zeichen christlicher Gastfreundschaft, wenn sie dem Gesangsverein für ein Jubiläumskonzert oder der örtlichen Schule für ihre Entlassfeier zur Verfügung gestellt werden kann. Nicht weniger gelten diese Überlegungen für die Nutzung des Gemeindehauses. Natürlich haben dort die Gruppen und die Aktivitäten der Gemeinde Vorrang. Trotzdem kann eine Gemeinde hier zeichenhafte Gastfreundschaft praktizieren, indem sie Selbsthilfegruppen beherbergt oder für private Familienfeiern Räume bereitstellt. Er entscheidet, ob sie unentgeltlich oder gegen eine angemessene Nutzungsgebühr zur Verfügung gestellt werden. Der Kirchenvorstand regelt die Raumnutzung in einer Hausordnung. Er entscheidet über die Nutzungsanträge Dritter. Dabei hat er auch die Belastungsgrenzen seines Hausmeisters und der Reinigungskräfte im Blick. Gerade die kirchlichen Gebäude ermöglichen einer Gemeinde, ein reiches inneres Leben zu entfalten und gastfreundlich und einladend nach außen zu wirken.

Nutzung kirchlicher Gebäude

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Keine Angst vor der Fülle der Aufgaben! Im Umgang mit Geld, in der Gestaltung des Gemeindelebens, in der Nutzung von Kirche und Gemeindehaus, im Gespräch mit Mitarbeitenden und Gemeindemitgliedern – auf vielen Feldern sind Sie als Kirchenvorsteherin oder Kirchenvorsteher gefordert. Überall geht es um Beziehungen, die gepflegt sein wollen. Schnell stellt sich das Gefühl ein: Das wird mir zuviel. Das schaffe ich nicht. Was soll ich denn noch alles tun? – Da tut die Einsicht gut, dass im Kirchenvorstand viele zusammen wirken. Keine/r muss alles gleich gut können. Keine/r muss alles allein machen. Auch ein Kirchenvorstand als Ganzes muss nicht alles gleichermaßen umsetzen, was in den zurückliegenden Seiten an Möglichkeiten beschrieben ist. Auswahl ist möglich, Beschränkung sinnvoll. Vielleicht klären Sie gemeinsam die folgenden Fragen: Welche Anregung können wir übernehmen? Wo spüren wir eine Herausforderung, der wir uns stellen wollen? Wofür nehmen wir Unterstützung und Beratung in Anspruch? Was wollen wir in unserem Kirchenvorstand und in unserer Gemeinde ausprobieren?

2. Was sind unsere Spielregeln? 2.1. Der Rahmen Der Kirchenvorstand ist ein Gremium. Damit ist ein bestimmter Rahmen vorgegeben, in dem sich die wechselseitige Kommunikation entfalten kann und durch den sie andererseits geprägt wird. Gremien arbeiten. Sie haben einen Auftrag und tragen dafür Verantwortung. Sie planen, beschließen und überwachen die Ausführung ihrer Beschlüsse. Sie setzen sich Ziele und setzen sie um. Oder sie bekommen von außen ihren Auftrag vorgegeben. Ihre Zeit ist begrenzt. Ihre Möglichkeiten auch. Trotzdem wird Effektivität erwartet. Darüber müssen sie immer wieder öffentlich Rechenschaft geben. All das prägt natürlich auch die Kommunikation im Kirchenvorstand entscheidend mit. Der Kirchenvorstand ist ein Gremium, das im Auftrag der Kirchengemeinde geistliche und organisatorische Leitungsverantwortung wahrnimmt. Neben den Inhalten, um die es dabei immer wieder geht, spielt auch der Beziehungsaspekt bei seiner Kommunikation eine entscheidende Rolle. Es geht nicht

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nur um die Frage: „Worüber reden wir miteinander?“, sondern auch um die gleichrangige Frage: „Wie reden wir miteinander?“ – Manchen wird das unmittelbar einleuchten. Anderen ist diese Frage eher fremd oder sie erscheint ihnen als banale Selbstverständlichkeit. Schließlich sitzen im Kirchenvorstand erwachsene Menschen, die wissen, wie man miteinander redet und die ihre Erfahrungen mit Kommunikation auch in dieses Gremium einbringen können. Natürlich stimmt das. Aber genauso stimmt das andere, dass man sich immer wieder bewusst machen muss, nach welchen Spielregeln Kommunikation im Kirchenvorstand funktioniert. Es geht im Kirchenvorstand nicht nur darum, sich über inhaltliche Fragen, Probleme und Aufgaben zu verständigen. Genauso wichtig ist es, wenn auch oft nicht im Blick, sich über das „Wie“ der Verständigung klar zu werden. Der Kirchenvorstand ist ein Arbeitsgremium und keine Wohlfühlgruppe. Seine Mitglieder kommen nicht unter dem Gesichtspunkt gegenseitiger Sympathie und Neigung zusammen, sondern weil sie von der Gemeinde gewählt und beauftragt sind. Sie haben klar umgrenzte Rollen und Funktionen (z.B. Vorsitz, Vertrauensperson, Stimmrecht oder beratende Funktion).

Arbeitsgremium

Der Kirchenvorstand ist eine Gemeinschaft auf Zeit und keine Familie, in die man hineingeboren wird und die einem zeitlebens erhalten bleibt. Er trifft sich im Regelfall einmal im Monat zu einer abendlichen Sitzung. Spätestens nach sechs Jahren wird neu über die Zusammensetzung abgestimmt.

Gemein­ schaft auf Zeit

Der Kirchenvorstand ist eine Zweckgemeinschaft, die mit der Leitung der Gemeinde beauftragt ist. Es geht dabei weniger um Selbstverwirklichung und gegenseitige Bestätigung, sondern um die Erfüllung eines gemeinsamen Auftrages. Unterschiedliche Meinungen und Prägungen, teilweise gegensätzliche Positionen sind dabei durchaus gewollt und oft genug durch die Zusammensetzung des Gremiums schon vorgeprägt.

Zweckge­ meinschaft

Diese drei Gesichtspunkte: Arbeitsgremium, Gemeinschaft auf Zeit und Zweckgemeinschaft sind im Blick zu behalten. Von daher ist Kommunikation im Kirchenvorstand sachbezogen, durch den Auftrag, die Tagesordnung und die zur Verfügung stehende Zeit begrenzt und zielgerichtet.

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2.2. Kleines Einmaleins der Kommunikation Überall, wo Menschen zusammenkommen, findet Kommunikation statt. Wenn ein Baby zur Welt kommt und seinen ersten Schrei tut, ist das die erste Form von Kommunikation. Sein Schreien signalisiert: Ich bin jetzt da und brauche euch! Kümmert euch um mich! Wenn sich die Blicke zweier Verliebter kreuzen, ist das ebenfalls eine Form von Kommunikation. Oft genügt ein Blick, ein Händedruck, eine kleine angedeutete Geste. Es müssen nicht immer Worte gewechselt werden, Kommunikation kann auch nonverbal – ohne Worte – geschehen. Schließlich findet Kommunikation verbal, also in Gesprächen statt. Gespräche können unterschiedliche Formen und Inhalte haben:

Gesprächsformen Die Unterhaltung Sie dient der Kontaktaufnahme und Kontaktpflege. Die Inhalte sind oft nebensächlich. Häufig kreisen sie um das Wetter, Alltagsthemen oder das allgemeine Wohlbefinden. Die Unterhaltung eröffnet gelegentlich den Rahmen für weitergehende Gespräche.

Das persönliche Gespräch Die Gesprächspartner besprechen Fragen und Probleme, die sie beide persönlich bewegen. Gemeinsam suchen sie nach einer Lösung oder einer neuen Orientierung.

Das helfende Gespräch Der/die Hilfesuchende bittet um Rat, sucht eine/n zuhörende/n oder mitfühlende/n Gesprächspartner/in. Diese/r orientiert sich an den Fragen und Gedanken des/der Hilfesuchenden.

Die Diskussion Hier steht ein Sachthema im Vordergrund. Die Gesprächspartner haben eine gemeinsame Basis, aber vertreten unterschiedliche Standpunkte. Jede/r versucht, den/die andere/n durch Argumente zu überzeugen.

Der Konflikt Eine gemeinsame Basis ist meist nicht mehr vorhanden. Die Sache, um die es eigentlich geht, tritt oft genug gegenüber

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den ungeklärten Beziehungen in den Hintergrund. Argumente greifen nicht mehr. Gefühle wie Verunsicherung, Angst oder gar Hass überwiegen. All diese Gesprächsformen kommen im Kirchenvorstand vor. Vor Beginn der Sitzung oder in der Pause finden kleine Unterhaltungen statt. Auf dem Nachhauseweg unterhalten sich zwei noch über persönliche Fragen. Manchmal wird sogar ein helfendes Gespräch daraus. Punkte, die auf der Tagesordnung stehen, laden zur kontroversen Diskussion ein, bei der unterschiedliche Argumente ausgetauscht werden. Manchmal entzünden sich an vermeintlichen Sachfragen auch Konflikte aufgrund unterschiedlicher Grundüberzeugungen und Wertvorstellungen oder einfach auch nur deshalb, weil die Rollen und Zuständigkeiten unklar sind.

Die vier Botschaften Bei jeder Form von Kommunikation sind verschiedene Ebenen und Botschaften gleichzeitig im Spiel. Nach einer bekannten und bewährten Theorie (Schulz von Thun) treffen stets die vier Botschaften des „Senders“ auf die vier Ohren des „Empfängers“: Sender

Empfänger

Botschaft 1 „Sachinhalt“

Sachohr

„Was ich dir sagen möchte“

„Was möchte er/sie mir sagen?“

Botschaft 2 „Selbstmitteilung“

Selbstmitteilungsohr

„Was ich dir von mir sage“

„Was ist das für eine/r?“

Botschaft 3 „Beziehungsangebot“ „Was ich von dir halte“ Botschaft 4 „Appellabsicht“ „Was ich erreichen will“

Beziehungsohr

„Was denkt der/die von mir?“ Appellohr „Was erwartet der/die von mir?“

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Diese Übersicht macht schnell klar, wie wichtig es für gelingende Kommunikation ist, dass die jeweilige Botschaft des Senders auch auf das richtige Ohr beim Empfänger trifft. Gelingt das, verstehen sich die beiden Gesprächspartner; andernfalls kommt es zu Kommunikationsstörungen. Ein Beispiel kann das verdeutlichen: S sagt: „Ich möchte dir sagen, wann ich in den Ferien Urlaub machen will.“ E hört: „Der braucht mich nur als Vertretung.“ und wehrt das Gesprächsangebot ab, weil er/sie sich entweder zu einer Vertretung gedrängt sieht (Appell) oder als Partner nicht ernst genommen fühlt (Beziehung). Oder er hört als Selbstmitteilung: „Der hat’s gut und macht schon wieder Urlaub!“ Im anderen Fall hört E die sachliche Mitteilung des Gegenübers und reagiert offen darauf: „Du möchtest mir mitteilen, wann du Urlaub machst? Sagst du mir noch, warum ich das wissen soll?“ Damit eröffnet er/sie S die Möglichkeit, dasGespräch in die Richtung zu lenken, die ihm/ihr angenehm ist. Es kommt also darauf an, den richtigen Ton bzw. das richtige Ohr zu treffen, damit Kommunikation gelingen kann.

Die drei „Ichs“ Hilfreich ist auch die Unterscheidung von Eltern-Ich, Kind-Ich und Erwachsenen-Ich, die ursprünglich aus der Transaktionsanalyse stammt. Sie geht davon aus, dass Kommunikation grundsätzlich in allen drei Ich-Stufen stattfinden kann. Das Eltern-Ich steht dabei für die Ebene der Werte und Normen, das Kind-Ich für Spontaneität und Gefühl, das Erwachsenen- Ich für Sachlichkeit. Verständigung gelingt dann, wenn die Gesprächspartner auf der gleichen Ich-Stufe miteinander kommunizieren. Zu Störungen kommt es, wenn beispielsweise auf eine Gefühlsäußerung mit Normen oder auf eine sachliche Mitteilung emotional reagiert wird. Grundsätzlich müssen beide Partner über eine möglichst große Schnittmenge an gemeinsamen Symbolen und Zeichen (Wortschatz, Ausdrucksformen, Gesten, Körpersprache) verfügen, damit sie gut miteinander kommunizieren können. Je größer die Schnittmenge, desto leichter fällt die Verständigung. Den

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Hintergrund bilden Sprache (z.B. Dialekt oder Hochdeutsch), Milieu (z.B. Akademiker/in oder Arbeiter/in), Tradition (z.B. Alteingesessene/r oder Zugezogene/r), oft auch Geschlecht (Frau oder Mann) und Generation (Alt oder Jung). Von daher ist gut zu verstehen, dass die Kunst der Kommunikation im Kirchenvorstand darin besteht, eine bewusst angelegte und gewollte Vielfalt unterschiedlicher persönlicher Stile und Prägungen auf ihre gemeinsame Schnittmenge zu befragen und diese zur Verständigung zu nutzen. Fragen wie: „Was sind unsere gemeinsamen Themen?“ „Was ist unser Profil?“ „Wer sind wir als Kirchenvorstand in der XY – Gemeinde?“ verdienen daher vor allem in der Startphase eines neuen Kirchenvorstandes besondere Aufmerksamkeit.

Die drei Ebenen Auch im Kirchenvorstand vollzieht sich Verständigung auf verschiedenen Ebenen (s.o.). Vordergründig sind fast alle Themen auf der Sachebene angesiedelt: Tagesordnungspunkte, Beschlüsse, Maßnahmen, Finanzen. Wenn es um Geld, um Termine oder um Gottesdienstfragen geht, geht es immer um die jeweilige Sache. Aber eben nicht nur.

Sachebene

Näher besehen zeigt sich: Fast genauso oft schwingt die Gefühlsebene mit. Dann ist der Kopf beschäftigt. Aber der Bauch meldet sich auch zu Wort. Die Stimme zittert, die Hände werden feucht, das Herz klopft schneller – alles untrügliche Anzeichen dafür, dass wir auch emotional am Gespräch beteiligt sind.

Gefühlsebene

Schließlich kommt auch die Werteebene immer wieder mit ins Spiel. Tiefsitzende Überzeugungen, Glaubensmuster, Leitbilder sind gerade im Kirchenvorstand nicht selten anzutreffen. Sie können die Sachdiskussion immer wieder blockieren und die Emotionen hoch kochen lassen, wenn sie nicht bewusst gemacht werden. Andererseits ist ein Gespräch über Werte ausgesprochen heikel, weil es schnell an den Kern der Persönlichkeit geht und auf eine hohe Empfindlichkeit trifft.

Werteebene

Alle Ebenen haben ihr Recht. Nur: Zur Verständigung ist es notwendig, die beteiligten Ebenen klarzukriegen. Wo viele und starke Gefühle im Spiel sind, führt es nicht weiter, sie zu ignorieren. Sympathie und Antipathien, Angst oder Niedergeschlagenheit können und dürfen angesprochen werden. Sie sind womöglich wichtiger als die „Meinungsverschiedenheiten“ in

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der Sache. Gefühle können nur ernst genommen werden, indem man zuhört, versteht, respektiert – sie lassen sich nicht durch Argumente verändern. Wo Grundüberzeugungen auf dem Spiel stehen, muss glaubhaft werden: Andere Meinungen sind kein Angriff auf die Person und ihre Lebensgeschichte. Unterschiedliche Überzeugungen sind – auch im Kirchenvorstand – normal und dürfen nebeneinander stehen bleiben. Werte von einzelnen werden von allen respektiert, wenn auch nicht von allen geteilt.

2.3. Gesprächsregeln Sich verständigen, miteinander kommunizieren, kann man üben. Die folgenden Gesprächsregeln können dafür eine Hilfe sein. Sie sind keine fertige Gebrauchsanweisung, sondern laden zum Ausprobieren und zu eigenen Erfahrungen ein. Manche Gesprächsregeln werden Ihnen selbstverständlich – fast banal – erscheinen, andere fordern Sie heraus. Ein Tipp: Stellen Sie sich ruhig einer neuen Herausforderung und machen Sie Ihre Erfahrungen damit!

„Ich sage, was ich will“ Geben Sie in das Gespräch hinein, was Sie möchten. Andere können Ihnen die Entscheidung nicht abnehmen, ob Sie reden oder lieber schweigen sollen. Sie verantworten, was Sie sagen – oder eben nicht äußern möchten. Vertrauen Sie darauf, dass die anderen ebenfalls aussprechen, was sie sagen wollen.

„Störungen haben Vorrang“ Teilen Sie offen mit, was Sie nicht mehr konzentriert bei der Sache bleiben lässt: was Sie stört, langweilt, ärgert, beunruhigt. Wenn die Störung behoben ist, geht das Gespräch besser weiter – für Sie und für die anderen.

„Es kann immer nur eine/r sprechen“ Seitengespräche haben nicht das Recht, Ihre Aufmerksamkeit abzulenken. Bitten Sie, dass sie unterbleiben – oder dass ihr Grund (Desinteresse, Unmut, Angst) ausgesprochen wird.

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„Ich stehe dahinter“ Verhalten Sie sich im Reden und Nicht-Reden so, wie Sie wirklich sein möchten? Wenn nicht, dann versuchen Sie ab und zu, ein bisschen „echter“ zu sein. Probieren Sie Ihren Stil und registrieren Sie, was Ihnen gut tut.

„Ich achte auch auf meinen Körper“ Ihr Körper registriert oft deutlicher als Ihr Kopf, was Sache ist. Wenn der Rücken schmerzt, die Hände kalt werden, der Bauch kribbelt und der Kopf raucht, hat das etwas zu bedeuten. Hören Sie auf diese „Mitteilungen“ Ihres Körpers.

„Ich sage nicht Wir oder Man, sondern Ich“ Wenn Sie sich äußern, dürfen Sie ruhig auch Ich sagen. Sie brauchen sich nicht hinter einem Wir oder einem Man zu verstecken. Sie ermutigen damit auch andere, offen zu ihrer Meinung zu stehen.

„Wenn ich eine Meinung habe, stelle ich keine Frage“ Wenn Sie eine Frage stellen, sagen Sie auch dazu, was Sie damit bezwecken. Oft verhüllen Fragen Meinungen. Ihr Gegenüber ahnt oder spürt, dass Sie auf etwas hinauswollen und wird misstrauisch oder vorsichtig. Einer geäußerten Meinung können sich andere anschließen – oder ihr auch widersprechen.

„Ich bin mein eigener Anwalt“ Achten Sie darauf, welche Art von Gespräch Sie gerade führen – und welche Sie führen möchten. Geht es Ihnen um Durchsetzung und Rechthaben – oder um das gemeinsame Weiterkommen? Sind Sie an der Meinung des Anderen interessiert – oder wollen Sie ihn zum Schweigen bringen?

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2.4. Keine Angst vor Konflikten! Wo Menschen miteinander zu tun haben, kommt es auch immer wieder zu Meinungsverschiedenheiten, Missverständnissen und Konflikten. Das ist normal und gehört zum Leben – auch in der Kirche und im Kirchenvorstand. Allerdings gibt es gerade dort eine gewisse Scheu vor Auseinandersetzungen und Konflikten. Unter Christen sollte es doch anders zugehen – so die Meinung. Allerdings ist das nicht nur eine Illusion, sondern auch unrichtig. Ein kurzer Streifzug durch die Geschichte kann das schnell illustrieren. Jesus selbst hat sich, wenn es sein musste, leidenschaftlich gestritten. In den Evangelien wimmelt es nur so von Streitgesprächen mit den Pharisäern und Schriftgelehrten. Paulus und Petrus haben um die rechte Praxis im Umgang mit getauften Heidenchristen einen massiven Konflikt ausgetragen. Die neutestamentlichen Briefe lassen ahnen, dass auch darüber hinaus in der frühen Kirche Streit nichts Ungewöhnliches war. In der weiteren Kirchengeschichte kam und kommt es immer wieder zu Konflikten und teilweise zu Trennungen, wie am Beispiel der Reformation oder auch des Kirchenkampfes im Dritten Reich zu sehen ist. Bis in die Gegenwart hinein setzt sich das fort, etwa in der Ökumene, wo neben der Bemühung um mehr Einheit immer noch das Bedürfnis nach Abgrenzung vom anderen besteht. Was im Großen gilt, ist natürlich auch im konkreten Horizont einer Ortsgemeinde zu beobachten. Keine Gemeinde ohne Konflikte! Ob die Jugend mehr zu sagen hat oder der Frauenkreis, ob das knapp gewordene Geld weiter großzügig zur Unterstützung der Kirchenmusik verwendet werden kann oder endlich einmal dringend benötigte neue Möbel für den Clubraum im Gemeindehaus angeschafft werden sollen, ob die Gottesdienstzeit weiterhin auf neun Uhr festgelegt bleibt, weil man den Hausfrauen entgegenkommen will, oder zugunsten der Langschläfer und jüngeren Familien auf elf Uhr verlegt wird – all das muss zwar nicht, aber kann immer wieder Zündstoff für Konflikte bergen.

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Konfliktursachen Die Ursachen für Konflikte sind vielschichtig. Oft liegen sie im Bereich unterschiedlicher prägender Bilder und Wertvorstellungen. Was man als Christ zu glauben hat, wie man als Kirchenvorsteher/in zu leben hat – darüber gehen die Meinungen oft weit auseinander. Lange Zeit spielt das im Kirchenvorstand scheinbar keine Rolle – bis es in einer konkreten Situation als offener Konflikt aufbricht.

Unter­ schiedliche Werte und Überzeu­ gungen

Genauso oft sind die Rollen und die Beziehungen der Beteiligten unklar. Warum hat der Vertrauensmann das Recht, als Gast an einer nichtöffentlichen Personalausschusssitzung teilzunehmen, die Elternbeiratsvorsitzende jedoch nicht? Kann der Pfarrer diejenigen Kirchenvorsteher, die sich nicht am wöchentlichen Lektorendienst im Gottesdienst beteiligen, weniger leiden als die anderen, die sich da hervortun? Hat jetzt die ehrenamtlich Vorsitzende im Finanzausschuss das Sagen oder der Pfarramtsführer, der dort eigentlich nur als „normales“ Mitglied mit Sitz und Stimme vertreten ist? – Alles Fragen, die geklärt werden müssen, bevor sie zu „Tretminen“ werden!

Unklare Rollen

Schließlich spielen Strukturen eine nicht zu unterschätzende Rolle. Ist allen klar, wer wann zuständig ist für das Protokoll im Kirchenvorstand? Oder bleibt es immer an denen hängen, die nicht so leicht Nein sagen können? Will die Pfarrerin durch das Zurückhalten von Informationen einen Vorteil bei Entscheidung behalten? Oder hat sie es nur schlicht wieder vergessen, die übrigen Ausschussmitglieder rechtzeitig zu informieren? Haben eigentlich immer nur die Alteingesessenen die Chance, in den Kirchenvorstand gewählt zu werden? Oder kann auch einmal eine jüngere Frau aus der Siedlung in den Kirchenvorstand berufen werden?

Unklare Strukturen

Konfliktregelung Was tun, wenn ein Konflikt im Raum steht? Wichtigste Grundregel im Umgang mit Konflikten: Die nächstliegenden Reaktionen sind nicht immer die besten. Zwei Spontanreaktionen sind denkbar: • Der Konflikt wird unter den Teppich gekehrt oder verharmlost. „In einer christlichen Gemeinde darf es das eigentlich gar nicht geben.“ „Mit einem bisschen guten Willen auf beiden Seiten werden wir schon wieder zusammenkommen.“

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• Der Konflikt ruft nach einer schnellen Lösung. „Der Pfarrer soll ein Machtwort sprechen!“ „Wenn Sie nicht nachgeben, beschwere ich mich beim Dekan über Sie!“ „Das wäre doch gelacht, wenn ich nicht Recht bekomme. Notfalls trete ich zurück!“

Vier Grund­ sätze im Umgang mit Konf­ likten

Vier Grund-Sätze können im Umgang mit Konflikten weiterhelfen:

„Konflikte sind auch in einer Kirchengemeinde normal“ Sie gehören zum Leben dazu und zeigen an, dass sich in einer Gemeinde – in einem Kirchenvorstand – etwas bewegt. Meinungen unterscheiden sich, Anschauungen gehen auseinander, wo sich Menschen aufeinander einlassen. Weil es meist um etwas geht, was mir und dir wichtig ist, lassen sich Konflikte nicht immer einfach vermeiden oder umgehen. Die Zugehörigkeit zum gleichen Kirchenvorstand, der gemeinsame Glaube, die Arbeit an derselben Sache heben das nicht auf. Im Gegenteil: Oft verstärken sie sogar die Auseinandersetzung.

„Konflikte dürfen wahrgenommen und benannt werden“ Auch in einer Kirchengemeinde lösen sich Konflikte nicht durch Verdrängen und Aussitzen. Die Unterschiede möglichst genau beschreiben, die einzelnen Parteien zu benennen, verringert meist schon das Gefühl der Bedrohung, das Konflikte auslösen können. Klare Vorstellungen von dem, was ich will und was nicht, die Bereitschaft, auch auf das zu hören, was du willst, all das bringt Licht in das Chaos und durchbricht den Teufelskreis von Unterstellungen, Vermutungen und Verdächtigungen.

„Konflikte erfordern Gespräche mit Fingerspitzengefühl“ Totschweigen oder mangelnde Gesprächsbereitschaft helfen nicht weiter. Konflikte müssen besprochen werden. Nur dann kommt neue Bewegung in die Sache und in die festgefahrenen Beziehungen. Allerdings gehören dazu ein klar vereinbarter Rahmen und die entsprechenden Spielregeln. „Brüderlich“ – so die Kirchengemeindeordnung – soll Konfliktregelung im

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Kirchenvorstand erfolgen. Das kann nur heißen: Alle Möglichkeiten der Information über die Positionen und Hintergründe der Konfliktparteien werden ausgeschöpft. Die Bereitschaft, die eigene Meinung und die dahinter stehenden Gefühle zu äußern und die der anderen zu respektieren, gehört dazu. Hilfreich ist in jedem Fall, wenn ein Mediator/eine Mediatorin (=Konfliktmittler/in) vermittelnd tätig wird. (s.u. „Praktisches Konfliktmangement in fünf Schritten“)

„Konflikte können bearbeitet und gelöst und müssen manchmal ausgehalten werden“ Viele Konflikte sind in gemeinsamer Anstrengung lösbar. Ein Kompromiss wird gefunden. Neue Einsichten machen alte Fronten überflüssig. Unterschiedliche Positionen entdecken, wie sie sich gegenseitig ergänzen und bereichern. Manchmal werden auch nur Teillösungen möglich: ein erster konkreter Schritt, ein Rahmenabkommen, ein guter Vorsatz. Andere Gegensätze bleiben – zumindest vorläufig – weiter bestehen. Sie brauchen vielleicht vertiefte Einsichten, neue Impulse, grundlegende Veränderungen, ehe sie weiter bearbeitet werden können. Wenn sich beide Seiten das wenigstens ohne Schuldzuweisung zugestehen können, wenn sie nicht länger auf Sieg oder Niederlage spielen, kann der Konflikt zumindest entschärft werden und verliert so seine zerstörerische Wirkung.

Praktisches Konfliktmanagement in sechs Schritten In der Praxis hat es sich bewährt, unter der Anleitung eines/r Mediators/in (s.o.) fünf konkrete Schritte zu gehen:

Erster Schritt: Diagnose Im ersten Schritt bittet der/die Mediator/in die Parteien einzeln darum, kurz zu sagen, worum es bei dem Konflikt ihrer Meinung nach geht. – Er meldet zurück, was bei ihm als Informationen auf der Sach- und auf der Beziehungsebene angekommen ist. Er formuliert das Ergebnis möglichst in einem Satz, dem beide Parteien zustimmen können.

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Zweiter Schritt: Raum zum Erzählen Beide Parteien erhalten ausführlich Gelegenheit, über den Konflikt aus ihrer subjektiven Sicht zu reden. Auf diese Weise erhält der/die Mediator/in einen umfassenden Einblick in die Konfliktgeschichte. Der andere Partner hört still zu. Manchmal entschärft allein die Möglichkeit, sich einen Konflikt von der Seele reden zu können, die Situation ungemein. Der Konfliktpartner erhält einen neuen Einblick in die Position seines Gegenübers und lernt, den Konflikt mit dessen Augen zu sehen. – Der/die Mediator/in achtet darauf, dass eine offene und geschützte Atmosphäre besteht und dass Verdächtigungen und persönliche Angriffe unterbleiben (Ich – Botschaften!)

Dritter Schritt: Konflikthintergrund Nach der ausführlichen Schilderung durch beide Konfliktpartner sind wesentliche Hintergründe des Konfliktes vielleicht schon deutlicher. Durch zielgerichtetes Nachfragen erhellt der/die Mediator/in den Hintergrund weiter. Für die Konfliktparteien liefert häufig die Erhellung des Hintergrundes den Schlüssel zum Verstehen der Gegenseite. Sie können zwischen dem „eigentlichen“ Konfliktthema und dem „vordergründigen“ Anlass für ihren Konflikt besser unterscheiden. Sie entdecken, dass ihr eigentliches Anliegen vielleicht gar nicht weit auseinanderliegt. Vor diesem Hintergrund erst werden Lösungen nach dem „Win-Win- Modell“ möglich, bei denen beide Seiten auf ihre Kosten kommen.

Vierter Schritt: Lösungsansätze In einem offenen Brainstorming können alle Gesprächsbeteiligten Lösungsvorschläge unterbreiten. Der/die Mediator/in sorgt dafür, dass danach jeder Vorschlag kritisch gewürdigt wird und ein gemeinsamer Lösungsweg gefunden wird. Vorsicht vor Entweder– Oder– und Alles– oder – Nichts– Lösungen: auch Teil – Lösungen sind Lösungen!

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Fünfter Schritt: Vereinbarungen Wenn ein gemeinsamer Lösungsansatz gefunden ist bzw. der gemeinsame Rahmen für eine Lösung abgesteckt ist, können konkrete Lösungsschritte entwickelt werden: Wer macht was bis wann? Wer überprüft das Erreichte? Gibt es ein abschließendes Controlling – Gespräch über die erreichte Lösung?

Sechster Schritt: Notfalls Trennung Manchmal lässt sich trotz ehrlicher Bemühungen kein gemeinsamer Rahmen abstecken und kein gemeinsamer Weg aus der verfahrenen Situation finden. Dann ist eine offene und faire Trennung, bei der beide Parteien ihr Gesicht wahren können, die einzige sinnvolle Lösung. Der/die Mediator/in bereitet diesen – oft sehr schmerzlichen – Schritt mit beiden Parteien vor und begleitet sie dabei behutsam. Im Bereich der Evang.-Luth. Kirche in Bayern gibt es eine Reihe von ausgebildeten Mediatorinnen und Mediatoren, die bei innerkirchlichen Konflikten in Anspruch genommen werden können. Als erste Anlaufstelle dient die

Arbeitsstelle für gewaltfreie Konfliktbearbeitung Gudrunstr. 33 90459 Nürnberg Telefon 0911 4304 238

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Die Bilder, die uns leiten Menschen, die miteinander in Beziehung treten und gemeinsame Wege gehen, entwickeln gemeinsame Vorstellungen und Visionen, von denen sie sich leiten lassen. Ihr gemeinsames Ziel wird mit Hilfe dieser Leitbilder formuliert und strukturiert. Der KV als leitendes Element bedarf solcher Leitbilder, die ihm das Begleiten der Gemeinde ermöglichen, Entwicklungen eine gute Richtung geben und Ideen zur Entfaltung bringen. In diesem Teil des Praxisbuches werden ausführlich die Facetten eines möglichen Leitbildes einer Kirchengemeinde skizziert. Das praktische Handwerkszeug der Gemeindeentwicklung erschließt sich dann vor dem Hintergrund der Frage nach dem Weg vom Leitbild zum konkreten Programm. Das Ziel dieser Überlegungen ist erreicht, wenn wir Ihnen Lust auf eine Gemeindeentwicklung mit Pfiff machen konnten.

Eine Geschichte zum Anfang: „Begegnung an der Kirchentüre“ Sonntagmorgen in einer beliebigen Kirchengemeinde: Die Glocken läuten zum Gottesdienst, eine Kirchenvorsteherin und ihr Kollege stehen an der Kirchentüre bereit, um die Ankommenden zu begrüßen und ihnen ein Gesangbuch in die Hand zu drücken. Erst seit kurzem gibt es diesen Begrüßungsdienst in der Gemeinde. Gastfreundlich und einladend will man sich geben, mit einem – in kirchlichen Kreisen immer noch umstrittenen – Wort: im besten Sinne „kundenorientiert“. Der Kirchenvorstand hat daneben weitere Maßnahmen beschlossen, die diesem Zweck dienen sollen. Einmal monatlich findet nach dem Gottesdienst ein Kirchenkaffee statt. Regelmäßig wird zur „Kirchenführung für Neuzugezogene und Gäste der Gemeinde“ eingeladen. Eine Umfrage hatte zuvor ergeben, dass viele Gottesdienstbesucher die Atmosphäre zu kühl und zu unpersönlich empfunden hatten. Doch merkwürdig: Während die „treuen Gottesdienstbesucher“ sich fast scheu am Kaffee vorbei schnell ihren Weg zum Ausgang bahnen, bleibt der erhoffte Zuspruch durch neu gewonnene Gemeindemitglieder weitgehend aus. Warum das so ist? Ein Auto fährt vor, ein junges Mädchen steigt aus und schlägt die Türe hinter sich zu. Während die Konfirmandin schnell an

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den beiden Kirchenvorständen vorbei in die Kirche eilt, fährt die Mutter mit dem Auto weiter. Leicht verärgert sagt der Kirchenvorsteher zu seiner Kollegin: „Das ist wieder einmal typisch. Wir stehen uns die Beine in den Bauch und die haben es scheinbar nicht nötig, auch mal in die Kirche zu gehen. Hauptsache, die Tochter wird konfirmiert. Selbst haben die doch mit der Kirche nichts am Hut. Aber an der Konfirmation wollen sie dann in der ersten Reihe sitzen. Warum fährt die eigentlich jeden Sonntag weiter?“ – „Ich weiß nicht,“ antwortet die Kirchenvorsteherin. „Sie wird schon ihre Gründe haben. Vielleicht hat sie ja noch etwas anderes vor. Ich finde, das muss jeder selbst wissen, wie er es mit dem Kirchgang hält.“ – „Nein,“ entgegnet der andere energisch, „für mich gehört der Gottesdienst dazu. Ein Sonntag ohne Kirche ist für mich kein Sonntag.“ – „Also weißt du,“ sagt die Frau, „da schießt du für meinen Geschmack ein bisschen über das Ziel heraus. Ich gehe auch nicht jeden Sonntag in die Kirche, wenn ich nicht gerade zum Kirchendienst eingeteilt bin. Schließlich ist das der einzige Tag in der Woche, in der unsere Familie einmal gemeinsam in aller Ruhe frühstücken kann. Ich finde das toll, dass die Mutter ihre Tochter jeden Sonntag vor die Kirche fährt.“ – Etwas nachdenklich geworden meint der Kirchenvorsteher: „Naja, da ist schon was dran an dem, was du sagst. Aber wo bleibt denn die Gemeinschaft, wenn jeder machen kann, was er will? Gemeinde ist doch in erster Linie Gemeinschaft. Oder nicht?“ In dieser Szene an der Kirchentüre treffen unterschiedliche Sichtweisen von Kirche aufeinander: - Da ist der Kirchenvorsteher: Für ihn ist der sonntägliche Kirchgang selbstverständlich. Seit seiner Jugend hat er sich in der Gemeinde engagiert. Sie ist ihm zur Heimat geworden. Er gehört der Gruppe der „Hochverbundenen“ an. Er würde am liebsten alle, die aus seiner Sicht Randsiedler der Gemeinde sind, in die Gemeinschaft einladen und integrieren. - Da ist die Kirchenvorsteherin: Durch die Taufe ihrer Kinder hat sie Zugang zur Gemeinde gefunden. Jahrelang hat sie eine Kindergruppe geleitet. Bei der letzten Wahl wurde sie dann gefragt, ob sie als Vertreterin der jungen Familien für

Unter­ schiedliche Bilder be­ gegnen sich

Hochver­ bunden

Engagiert

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den Kirchenvorstand kandidieren wolle. Sie gehört zu den „Engagierten“ in der Gemeinde und ist bereit, sich auf Zeit und für bestimmte Anliegen zu engagieren, die ihr wichtig sind.

Halbdistanz

- Da ist die Mutter der Konfirmandin: Sie hat ihr Kind taufen lassen. Die Zeit in der Krabbelgruppe und im kirchlichen Kindergarten hat sie in guter Erinnerung. Damals hat ihr die Gemeinde Halt und ein Stück Lebenshilfe geben können. Den Pfarrer hat sie als einen sympathischen Menschen kennengelernt, mit dem man reden kann. Für sie ist selbstverständlich, dass sie ihre Tochter zum Konfirmandenunterricht angemeldet hat. Das gehört sich schließlich so. Gemeinde erlebt sie aus der Sicht der „Halbdistanz“ und nutzt sie als „Kirche bei Gelegenheit“. - Da ist schließlich die Konfirmandin selbst: Welches Vorbild wird ihr wohl am meisten imponieren? Wird sie in die Fußstapfen der Mutter treten? Wird ihr das engagierte Zeugnis des Kirchenvorstehers Eindruck machen? Oder lässt sie sich eher durch die Kirchenvorsteherin einladen, eigene Erfahrungen mit der Gemeinde zu machen, in der sie demnächst konfirmiert wird?

Volkskirch­ liche Reali­ tät als Hin­ tergrund

Die Mit­ glieder der evangeli­ schen Kir­ che leben außeror­ dentlich komplex

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Die Hochverbundenen, die Engagierten, die Christen auf Halbdistanz entsprechen der volkskirchlichen Realität, wie sie die evangelische Kirche in Deutschland prägt. Die Umfragen der letzten Jahrzehnte, zuletzt „Kirche – Horizont und Lebensrahmen“ (2002), haben gezeigt, dass sich die Mitgliedschaft in der evangelischen Kirche außerordentlich komplex und vielschichtig darstellt. Taufe und Wohnsitz bestimmen zwar nach wie vor formal die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Ortsgemeinde. Wie sich diese aber konkret gestalten lässt, unterliegt einer Fülle von Faktoren, die auch gesamtgesellschaftlich zu beobachten sind. Heutige Menschen leben nicht mehr in einer geschlossenen Welt, sondern in vielen verschiedenen Lebenswelten, in denen sie jeweils neu ihren Platz finden müssen. Die Partnerschaft, die Familie, der Beruf, der Freundeskreis, die Freizeitbeschäftigung – all das unterliegt einem ständigen Wandel, überall tut sich eine Fülle an Möglichkeiten auf und zwingt den Einzelnen, die Einzelne zur Entscheidung. Nichts scheint mehr vorgegeben und

selbstverständlich, auch die Mitgliedschaft in der Kirche nicht. Zwischen hoher Verbundenheit und hoher Austrittsneigung ist alles möglich geworden. Je nach eigener Einstellung kann man diesen volkskirchlichen Pluralismus als neu gewonnene evangelische Freiheit begrüßen oder als tendenzielle Beliebigkeit verdammen. Wie auch immer – vorbei scheinen die Zeiten, in denen sich die Gemeinde als geschlossene Gemeinschaft Gleichgesinnter darstellte. Das alte Bild von den konzentrischen Kreisen, die sich um den Gottesdienst als zentrale Mitte legen, scheint überholt, auch wenn es für viele immer noch einen starken Reiz ausübt. Als Leitbild für die Gemeinde wird es ergänzt durch eine Fülle anderer Vorstellungen. Übrigens haben diese ihren Anhalt nicht nur an der kirchlichen Realität unserer Tage. Sie entsprechen auch der vielseitigen Sicht, in der das Neue Testament das Gemeindeleben beschreibt. Die bunte Vielfalt biblischer Leitbilder von Kirche erweitert unsere Sichtweise. Sie stellt uns hilfreiche Muster zur Verfügung, mit deren Hilfe wir das Leben in unseren heutigen volkskirchlichen Gemeinden besser verstehen und deuten können. Entgegen landläufiger Vorstellungen, nach denen sich Gemeinde nur als verbindliche Gemeinschaft darstellt, finden sich in den Evangelien und Briefen unterschiedliche Bilder, die belegen können, dass schon in früher Zeit eine vielfältige Sicht von Kirche bestimmend war. Verbindend und verbindlich ist für sie alle die Gemeinschaft zwischen Christus und den Christen, die durch die Taufe geschenkt wird und sich im Glauben und in der Liebe bewährt. Dabei stellt der Glaube die lebendige Verbindung zwischen Gott und Mensch (= vertikale Achse) dar, während die Liebe die zwischenmenschlichen Beziehungen (=horizontale Achse) regelt.

Die Vielfalt der Bilder ist biblisch begrün­ det und volkskirch­ lich sinnvoll

CHRISTUS (Tod und Auferstehung)

MENSCH Lebenswelt 1

MENSCH Lebenswelt 2 usw.

Gemeinde im neuen Testament

CHRIST (Glaube und Taufe)

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Die Sozialformen, in denen diese zwischenmenschlichen Beziehungen konkrete Gestalt gewinnen, variieren allerdings je nach zeitlichen und örtlichen Herausforderungen. Kirche ist demnach bestimmt durch das gemeinsame Bekenntnis zu Christus und dessen vielfältige Ausgestaltung in verschiedenen Lebenswelten.

Einige Beispiele Gemeinde als verbindliche Gemeinschaft Gleichgesinnter (Apostelgeschichte 2,41-47) Die nun sein Wort annahmen, ließen sich taufen; und an diesem Tage wurden hinzugefügt etwa dreitausend Menschen. Sie blieben aber beständig in der Lehre der Apostel und in der Gemeinschaft und im Brotbrechen und im Gebet. Es kam aber Furcht über alle Seelen, und es geschahen auch viele Wunder und Zeichen durch die Apostel. Alle aber, die gläubig geworden waren, waren beieinander und hatten alle Dinge gemeinsam. Sie verkauften Güter und Habe und teilten sie aus unter alle, je nachdem es einer nötig hatte. Und sie waren täglich einmütig beieinander im Tempel und brachen das Brot hier und dort in den Häusern, hielten die Mahlzeiten mit Freude und lauterem Herzen und lobten Gott und fanden Wohlwollen beim ganzen Volk. Der Herr aber fügte täglich zur Gemeinde hinzu, die gerettet wurden. Der Evangelist Lukas zeichnet hier ein ideales Bild der Urgemeinde, das bis heute viel Faszination ausübt. Gemeinde ist demnach eine Gemeinschaft Gleichgesinnter mit einer missionarischen Ausstrahlung nach außen und hoher Verbindlichkeit nach innen. Sie wird begründet durch Glaube und Taufe und verwirklicht sich in täglichen Gottesdiensten und engagierter Hauskreisarbeit, Gebets- und Abendmahlsgemeinschaft und sozialem Ausgleich. Außenstehende werden durch diese Gemeinschaft angesprochen und in sie eingebunden. Dieses Bild entspricht in etwa dem Idealbild der Hochverbundenen.

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Gemeinde als versöhnte Verschiedenheit (1. Korintherbrief 12,12-31) Denn wie der Leib einer ist und doch viele Glieder hat, alle Glieder des Leibes aber, obwohl sie viele sind, doch ein Leib sind: so auch Christus. Denn wir sind durch einen Geist alle zu einem Leib getauft, wir seien Juden oder Griechen, Sklaven oder Freie, und sind alle mit einem Geist getränkt. Denn auch der Leib ist nicht ein Glied, sondern viele. Wenn aber der Fuß spräche: Ich bin keine Hand, darum bin ich nicht Glied des Leibes, sollte er deshalb nicht Glied des Leibes sein? Und wenn das Ohr spräche: Ich bin kein Auge, darum bin ich nicht Glied des Leibes, sollte es deshalb nicht Glied des Leibes sein? Wenn der ganze Leib Auge wäre, wo bliebe das Gehör? Wenn er ganz Gehör wäre, wo bliebe der Geruch? Nun aber hat Gott die Glieder eingesetzt, ein jedes von ihnen im Leib, so wie er gewollt hat. Wenn aber alle Glieder ein Glied wären, wo bliebe der Leib? Nun aber sind es viele Glieder, aber der Leib ist einer. Das Auge kann nicht sagen zu der Hand: Ich brauche dich nicht; oder auch das Haupt zu den Füßen: Ich brauche euch nicht. Vielmehr sind die Glieder des Leibes, die uns die schwächsten zu sein scheinen, die nötigsten; und die uns am wenigsten ehrbar zu sein scheinen, die umkleiden wir mit besonderer Ehre; und bei den unanständigen achten wir besonders auf Anstand; denn die anständigen brauchen‘s nicht. Aber Gott hat den Leib zusammengefügt und dem geringeren Glied höhere Ehre gegeben, damit im Leib keine Spaltung sei, sondern die Glieder in gleicher Weise füreinander sorgen. Und wenn ein Glied leidet, so leiden alle Glieder mit, und wenn ein Glied geehrt wird, so freuen sich alle Glieder mit. Ihr aber seid der Leib Christi und jeder von euch ein Glied. Und Gott hat in der Gemeinde eingesetzt erstens Apostel, zweitens Propheten, drittens Lehrer, dann Wundertäter, dann Gaben, gesund zu machen, zu helfen, zu leiten und mancherlei Zungenrede. Sind alle Apostel? Sind alle Propheten? Sind alle Lehrer? Sind alle Wundertäter? Haben alle die Gabe, gesund zu machen? Reden alle in Zungen? Können alle auslegen? Strebt aber nach den größeren Gaben! Der Apostel Paulus erinnert in diesem Abschnitt die Christen in Korinth an die vielfältigen Gaben, die ihnen gegeben sind, und an die gemeinsame Basis im Glauben. Jede/r kann und soll sich

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den eigenen Gaben entsprechend einbringen und damit die Gemeinschaft bereichern. Keine/r soll sich abgrenzen oder andere ausgrenzen. Auf diese Weise verwirklicht die Gemeinde ihren Auftrag, sichtbarer Leib Christi in der Welt zu sein. Die Vielfalt der Gaben und die Einheit im Glauben gehören als von Gott gewollte und durch ihn versöhnte Verschiedenheit zusammen. Dieses Bild einer aktiven Kirche motiviert bis heute zahlreiche Engagierte.

Gemeinde als Kirche bei Gelegenheit (Apostelgeschichte 8,26-39) Aber der Engel des Herrn redete zu Philippus und sprach: Steh auf und geh nach Süden auf die Straße, die von Jerusalem nach Gaza hinabführt und öde ist. Und er stand auf und ging hin. Und siehe, ein Mann aus Äthiopien, ein Kämmerer und Mächtiger am Hof der Kandake, der Königin von Äthiopien, welcher ihren ganzen Schatz verwaltete, der war nach Jerusalem gekommen, um anzubeten. Nun zog er wieder heim und saß auf seinem Wagen und las den Propheten Jesaja. Der Geist aber sprach zu Philippus: Geh hin und halte dich zu diesem Wagen! Da lief Philippus hin und hörte, dass er den Propheten Jesaja las, und fragte: Verstehst du auch, was du liest? Er aber sprach: Wie kann ich, wenn mich nicht jemand anleitet? Und er bat Philippus, aufzusteigen und sich zu ihm zu setzen. Der Inhalt aber der Schrift, die er las, war dieser (Jesaja 53,7-8): »Wie ein Schaf, das zur Schlachtung geführt wird, und wie ein Lamm, das vor seinem Scherer verstummt, so tut er seinen Mund nicht auf. In seiner Erniedrigung wurde sein Urteil aufgehoben. Wer kann seine Nachkommen aufzählen? Denn sein Leben wird von der Erde weggenommen.« Da antwortete der Kämmerer dem Philippus und sprach: Ich bitte dich, von wem redet der Prophet das, von sich selber oder von jemand anderem? Philippus aber tat seinen Mund auf und fing mit diesem Wort der Schrift an und predigte ihm das Evangelium von Jesus. Und als sie auf der Straße dahinfuhren, kamen sie an ein Wasser. Da sprach der Kämmerer: Siehe, da ist Wasser; was hindert‘s, dass ich mich taufen lasse? Philippus aber sprach: Wenn du von ganzem Herzen glaubst, so kann es geschehen. Er aber antwortete und sprach: Ich glaube, dass Jesus Christus Gottes Sohn ist. Und er ließ den Wagen halten, und beide stiegen in das Wasser hinab, Philippus und der Kämmerer, und er taufte ihn. Als sie aber aus

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dem Wasser heraufstiegen, entrückte der Geist des Herrn den Philippus, und der Kämmerer sah ihn nicht mehr; er zog aber seine Straße fröhlich. Lukas erzählt die Geschichte einer Taufe, die gleichsam am Wegrand stattfindet. Philippus begleitet den Äthiopier auf seinem Weg, erteilt ihm Nachhilfeunterricht in Sachen Glauben und tauft ihn auf seinen Wunsch hin. Der Äthiopier will getauft werden, bekennt seinen Glauben und zieht nach der Taufe seines Wegs. Keine „herzliche Einladung!“ in die Gemeinde, keine Verpflichtung zur Übernahme einer Aufgabe oder Übertragung eines Ehrenamtes, keine verbindliche Gemeinschaft. Stattdessen selbstbestimmte Freiheit auf beiden Seiten. So wünschen sich bis heute viele Menschen ihre Kirche, wenn sie anlässlich einer Taufe oder Konfirmation mit ihr in Kontakt kommen. Die sogenannten Halbdistanzierten wissen, wohin sie gehören und bestimmen in aller Freiheit ihr Verhältnis zur Kirchengemeinde. Vor allem anlässlich der Amtshandlungen kommen sie mit ihr in Berührung.

Gemeinde als symbolische und virtuelle Gemeinschaft (Johannes 14,19-21; 24-27) Es ist noch eine kleine Zeit, dann wird mich die Welt nicht mehr sehen. Ihr aber sollt mich sehen, denn ich lebe, und ihr sollt auch leben. An jenem Tage werdet ihr erkennen, dass ich in meinem Vater bin und ihr in mir und ich in euch. Wer meine Gebote hat und hält sie, der ist‘s, der mich liebt. Wer mich aber liebt, der wird von meinem Vater geliebt werden, und ich werde ihn lieben und mich ihm offenbaren. Wer aber mich nicht liebt, der hält meine Worte nicht. Und das Wort, das ihr hört, ist nicht mein Wort, sondern das des Vaters, der mich gesandt hat. Das habe ich zu euch geredet, solange ich bei euch gewesen bin. Aber der Tröster, der heilige Geist, den mein Vater senden wird in meinem Namen, der wird euch alles lehren und euch an alles erinnern, was ich euch gesagt habe. Den Frieden lasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch. Nicht gebe ich euch, wie die Welt gibt. Euer Herz erschrecke nicht und fürchte sich nicht.

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Noch provozierender ist das Bild, das der Evangelist Johannes in den Abschiedsreden des scheidenden Jesus zeichnet. Keinerlei Sozialform scheint vonnöten, stattdessen symbolische Gemeinschaft und Kommunikation zwischen Jesus und den „Seinen“. Drei Kennzeichen sind für diese symbolische Gemeinschaft zentral: die Verbindung mit Christus und seinem Wort (= Glaube), die Gabe des Heiligen Geistes und eine furchtlose Existenz in der Welt. Dieses Bild entspricht der Einstellung zahlreicher aufgeklärter Zeitgenossen, für die Christsein in erster Linie eine Sache der persönlichen Einstellung und der praktischen Lebensbewältigung ist. Aufgrund christlicher Prägung in der Erziehung und einer nach wie vor christlich geprägten Gesellschaft leben viele Kirchenferne und sogar Ausgetretene, die ja trotzdem getaufte Christen sind und bleiben, ihre persönliche Religiosität im Grunde ohne sichtbaren Kirchenbezug.

Gemeinde als Freundesgemeinschaft (Johannes 15,9-17) Wie mich mein Vater liebt, so liebe ich euch auch. Bleibt in meiner Liebe! Wenn ihr meine Gebote haltet, so bleibt ihr in meiner Liebe, wie ich meines Vaters Gebote halte und bleibe in seiner Liebe. Das sage ich euch, damit meine Freude in euch bleibe und eure Freude vollkommen werde. Das ist mein Gebot, dass ihr euch untereinander liebt, wie ich euch liebe. Niemand hat größere Liebe als die, dass er sein Leben lässt für seine Freunde. Ihr seid meine Freunde, wenn ihr tut, was ich euch gebiete. Ich sage hinfort nicht, dass ihr Knechte seid; denn ein Knecht weiß nicht, was sein Herr tut. Euch aber habe ich gesagt, dass ihr Freunde seid; denn alles, was ich von meinem Vater gehört habe, habe ich euch kundgetan. Nicht ihr habt mich erwählt, sondern ich habe euch erwählt und bestimmt, dass ihr hingeht und Frucht bringt und eure Frucht bleibt, damit, wenn ihr den Vater bittet in meinem Namen, er‘s euch gebe. Das gebiete ich euch, dass ihr euch untereinander liebt. Großes entwickelt sich oft durch Kleines. Auch wenn Freundschaft im Neuen Testament und in der gegenwärtigen Theologie vom Umfang her keine große Rolle spielt, lassen sich hier wertvolle Einsichten für die Kirche heute und morgen gewinnen. Sie tut daher gut daran, sich auf die Lebensformen der

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Gemeinden der Anfangszeit zurückzubesinnen. Als besonders ertragreich erweist sich der Blick auf ein weiteres johanneisches Gemeindemodell, das der Freundesgemeinschaft (15,9-17) in der konkreten Gestalt der Hausgemeinde, des Hauskreises. Gott wohnt da, wo Menschen wohnen (K. Douglass). Das Haus, das im Wortsinn das bewohnbare Gebäude bezeichnet und im übertragenen Sinn für die Wohngemeinschaft mit Gott steht, bietet den Raum, in dem sich Gemeinde als Gemeinschaft der Jesusfreunde realisiert. Dieses Bild übt einen Reiz auf alle aus, die in einer immer unpersönlicheren Welt und in der Anonymität großer Gemeinden die Nähe und den Schutzraum der engagierten Gruppe suchen. Das Beispiel am Anfang hat es gezeigt: Moderne Menschen leben in höchst unterschiedlichen Bezügen zur Kirchengemeinde. Für sie ist die Ortsgemeinde mit ihren Angeboten und Möglichkeiten eine von zahlreichen Lebenswelten geworden, in denen sie sich zurechtfinden müssen. Das Bild, das sie von ihrer Gemeinde haben, das Bild, das diese Gemeinde von sich selbst hat, ihr Wunschbild, wie sie gerne wäre – all das braucht und kann sich häufig nicht entsprechen. Aber es könnte und sollte miteinander ins Gespräch kommen, damit Gemeinden zu Lernorten des Glaubens und Lebens für heutige Menschen werden und darin ihrem Auftrag nachkommen können. Biblische Leitbilder wie die oben erwähnten können in solchen Gesprächen zu hilfreichen Wegweisern werden, damit Verständigung gelingen kann.

Leitbilder als Weg­ weiser in der bunten Bilder­ welt der Volkskirche

Im Einzelnen geht es um die Bilder, die eine Gemeinde von sich selbst hat, • ihre Selbstbilder die Bilder, die eine Gemeinde gerne abgeben möchte, • ihre Wunschbilder die Bilder, die sie – gewollt oder ungewollt – bestimmen • ihre Vorbilder die Bilder, die andere von ihr wahrnehmen • ihre Fremdbilder

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Folgende Leitfragen werden dabei eine Rolle spielen: 1. Wie sehen wir uns selbst – was sind unsere Selbstbilder? 2. Wie wollen wir gesehen werden – was sind unsere Wunschbilder? 3. Was bestimmt uns – was sind unsere Vorbilder, Traditionen und Herausforderungen? 4. Wie sehen uns die anderen – was sind unsere Fremdbilder? Alle vier Faktoren bestimmen das Leitbild einer Gemeinde. Gemeinsam machen sie die Gemeindepersönlichkeit aus. Diese findet immer wieder nach innen im Gemeindeleben ihren Ausdruck und macht nach außen hin gegenüber Gemeindemitgliedern, Nachbarn und Öffentlichkeit ihren Eindruck. Darum lautet die letzte Frage: 5. Wie kommen wir vom Leitbild zum Programm?

1. Unsere Selbstbilder: Wie sehen wir uns selbst? 1.1. „Wer sind wir?“ Die Frage nach der eigenen Identität „Wer bin ich?“ – Wohl jede/r hat sich im Laufe des eigenen Lebens diese Frage hin und wieder gestellt. Die Frage nach der eigenen Identität gehört unaufgebbar zu unserer Persönlichkeit. Dass er nach sich selbst fragen kann, dass er sich hinterfragen kann, seine Fähigkeit zur Selbstreflexion unterscheidet den Menschen vom Tier und ist Teil seiner menschlichen Würde. Vor allem in Zeiten des Übergangs von einem Lebensabschnitt in den nächsten stellt sich die Identitätsfrage immer von neuem: in der Jugend, in der Lebensmitte, zu Beginn des Ruhestandsalters. In solchen Phasen gehört sie ganz selbstverständlich zu unserer Entwicklung. Schwieriger und krisenhafter drängt sie sich bei plötzlichen Veränderungen und Herausforderungen in unser Bewusstsein: wenn wir durch eine Krankheit oder einen Unfall aus dem gewohnten Lebensrhythmus gerissen werden. Wenn wir eine wichtige Bezugsperson durch eine plötzliche Trennung oder durch den Tod verlieren. Wenn uns ein beruflicher Stellenwechsel oder ein Umzug zur Neuorientierung zwingen.

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Zum Lebensgefühl unserer Zeit – und das unterscheidet unsere Zeit von allen früheren Zeiten – gehört darüber hinaus die permanente Selbstreflexion. Anders als früher ändern sich die Lebensumstände für uns heutige Menschen kontinuierlich. Was gestern galt, gilt heute schon nicht mehr. Was heute „in“ ist, ist vielleicht morgen schon „megaout“. Wir haben mehr Wahlmöglichkeiten für unsere Lebensgestaltung als jede Generation vor uns. Wir sind aber eben auch stärker als unsere Vorfahren einem ständigen „Zwang zur Wahl“ ausgesetzt. Es gibt keine letzten Sicherheiten mehr, die über alle Situationen hinweg tragfähig wären. Es gibt keine allgemein verbindlichen Werte für alle. Es gibt keine Modelle der persönlichen Lebensführung, die fraglos Gültigkeit für andere oder gar alle beanspruchen könnten. Wie „man“ sich kleidet, wie „man“ seine Partnerschaft gestaltet, wie „man“ seine Kinder erzieht, wie „man“ sein Geld verdient oder seine Freizeit verbringt – all das unterliegt einem ständigen Wandel und verlangt immer neue Entscheidungen und Experimente. Die Identitätsfrage, die permanente Selbstreflexion hat längst alle Bereiche unserer Gesellschaft erfasst. Sie lässt sich nicht mehr auf einzelne Individuen eingrenzen. Auch größere Organisationen und Institutionen – Wirtschaftunternehmen ebenso wie politische Parteien und religiöse Gemeinschaften – sind von ihr bestimmt. Von daher erklärt sich die paradoxe Situation, dass sich gerade die Institutionen, die in der Vergangenheit dem oder der Einzelnen Halt und Orientierung geben konnten: die Familie, der Beruf, der Staat, die Kirche selbst in einer Identitätskrise befinden. Die Frage nach der eigenen Identität ist eine große Herausforderung an jede Kirchengemeinde in unserer Zeit. Sie stellt sich in verschiedener Weise: - „Wer sind wir als Kirchengemeinde an unserem Ort?“ - „Was ist unser Profil?“ - „Was ist unser Auftrag?“ - „Für wen wollen oder sollen wir da sein?“ - „Wie stehen wir zu unseren Nachbarn: anderen christlichen Konfessionen, anderen Religionsgemeinschaften am Ort, den Vereinen, der politischen Gemeinde usw.?“

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Allmähliche Übergänge ...

All das sind Fragen, die sich aufdrängen und die nach Antworten verlangen. Allerdings werden sie in aller Regel nicht theoretisch gestellt und beantwortet, sondern treten wie im persönlichen Leben Einzelner in besonderen Situationen auf den Plan. Dann etwa, wenn allmähliche Übergänge anstehen:

Das Dorf wird zur Vorstadt Das alte Dorf ist nicht mehr das, was es früher einmal war. Um den Kern herum entstehen neue Siedlungen. Junge Familien aus der Stadt ziehen ins Grüne. Berufspendler fahren täglich in die Stadt. Die Jugend wird mobil. Traditionelle Lebensformen lösen sich auf...

Die Neubausiedlung kommt in die Jahre In den sechziger Jahren ist die Reihenhaussiedlung am Stadtrand entstanden. Damals sind viele Familien zugezogen. Die mittlere Generation und der berufliche Mittelstand überwog. Jetzt sind die Kinder aus dem Haus. Viele „junge Alte“ sind zurückgeblieben. Manche ziehen weg, weil der Ehepartner gestorben ist und das Haus zu groß wurde. Neubürger übernehmen die Häuser. Es ziehen wieder verstärkt junge Familien zu...

Die Filialgemeinde wird selbstständig Jahrzehntelang war der kleine Außenort Teil einer großen Diasporagemeinde in Oberbayern. Nachkriegsflüchtlinge waren die ersten Evangelischen, wenige zogen zu. Dann kam die S-Bahn. Binnen weniger Jahre wuchs der evangelische Anteil auf mehr als das Zehnfache. Die Betreuung durch die Muttergemeinde wurde unmöglich. Seit zwei Jahren ist die Gemeinde selbständig und bekommt demnächst sogar eine ganze Pfarrstelle...

Die Kirchenbänke werden immer leerer Seit einigen Jahren geht der Gottesdienstbesuch langsam, aber stetig zurück. Die älteren Gottesdienstbesucher können nicht mehr kommen oder sterben weg. Ihre Plätze bleiben leer. Von der jüngeren Generation rückt keiner nach. Der Kirchenvorstand ist ratlos: Alle Versuche, den Gottesdienst lebendiger und vielfältiger zu gestalten, bleiben ohne nennenswerten Erfolg...

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Fragen nach der eigenen Identität können sich auch stellen, wenn es zu plötzlichen Veränderungen kommt:

Die Pfarrstelle muss neu besetzt werden Fast zwanzig Jahre war die Pfarrstelle gut besetzt. Viel ist entstanden, Beziehungen sind gewachsen. Man hat sich aneinander gewöhnt. Dann hat der Pfarrer eine Stelle als Dekan angeboten bekommen und angenommen. In zwei Monaten wird er gehen. Der Regionalbischof kommt demnächst zum Stellenbesetzungsgespräch...

… oder plötzliche Verände­ rungen

Das Gemeindezentrum muss renoviert werden Jahrelang war das Gemeindezentrum der Stolz der Kirchengemeinde. Als Flachdachkonstruktion war es einst errichtet worden. Gerade wegen des Daches ist es seit einigen Jahren zum Sorgenkind der Gemeinde geworden. Jetzt hat ein Gutachten ergeben, dass das Dach komplett saniert werden muss, um dauerhafte Schäden zu verhindern. Monatelang kann es nicht mehr benutzt werden. Was soll aus den Gruppen und Kreisen werden?...

Die Jugendgruppe steht kurz vor der Auflösung Die Jugendgruppe war der Stolz der Gemeinde. Im Jugendzentrum war immer etwas los. Die Neukonfirmierten konnten es kaum erwarten, bis auch sie in die Jugendgruppe gehen konnten. Dann gab es Streit zwischen dem Diakon und den ehrenamtlichen Jugendleitern. Viele Ehrenamtliche hörten auf. Der Diakon versuchte es mit offener Arbeit. Aber immer mehr Jugendliche bleiben weg...

Das Geld wird knapp In den letzten Jahren hat die Kirchengemeinde neue Aufgaben übernommen: Mutter-Kind-Gruppen sind entstanden, Selbsthilfegruppen nutzen die Räume im Gemeindehaus, neue Gottesdienstformen mit aufwändiger Vorbereitung und Gestaltung wurden ausprobiert. Jetzt schlägt die Kirchenpflegerin Alarm: Die Sachkosten übersteigen gewaltig das Budget, der Haushalt kann in diesem Jahr nicht mehr ausgeglichen werden...

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Unabhängig davon, ob sich die Identitätsfrage für eine Kirchengemeinde allmählich entwickelt oder ob sie sich scheinbar unvermittelt aufdrängt - ein Kirchenvorstand wird gut daran tun, sie zu seiner Frage zu machen. „Wer sind wir als Kirchengemeinde?“ Die Frage nach der eigenen Identität ist der Ausgangspunkt jeder gemeindlichen Entwicklung.

1.2. Möglichkeiten zur Selbstfindung Ein Kirchenvorstand möchte sich ein zutreffendes Bild über die Situation in seiner Kirchengemeinde machen. Ihm stehen dafür verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung: - Wertschätzende Erkundung - Gemeindebegehung - Gemeindeanalyse - Gemeindeberatung - Fachbegleitung für Kirchenvorstände Viele sind es gewohnt, zuerst nach den eigenen Fehlern und Defiziten zu suchen, wenn sie sich über ihre Situation Rechenschaft geben. Demgegenüber geht die wertschätzende Erkundung von den Stärken und den positiven Kräften aus, die in jeder Gemeinde vorhanden sind. Ihr positiver Ansatz kann dabei helfen, vieles – auch das vermeintlich oder tatsächlich Schwierige – in einem neuen Licht zu sehen und so wieder handlungsfähig zu werden. Dahinter steht die Erfahrung, dass Veränderung leichter in einer Atmosphäre des Angenommenseins als unter Druck und Kritik gelingt. Die wertschätzende Erkundung setzt keine großen Vorbereitungen voraus und kommt mit minimalem Zeitaufwand aus. Sie hilft, ausgehend von den Erfahrungen und Eindrücken Einzelner die Potenziale und Entwicklungsmöglichkeiten einer Gemeinde möglichst schnell in den Blick zu nehmen. Sie eignet sich gut zur Motivation in der Anfangsphase einer Kirchenvorstandsperiode, als erster Schritt auf einer Klausurtagung des Kirchenvorstandes oder als Einstieg in einen längeren Beratungsprozess. Weil sie stark von den subjektiven Eindrücken und Erfahrungen der Teilnehmenden lebt, bedarf sie der Ergänzung durch andere Methoden, die auch die sogenannten „harten“ Daten der Gemeinde erheben können.

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Methode A: Wertschätzende Erkundung Sie umfasst im wesentlichen drei Schritte. Dazu ein Beispiel aus der Praxis: (Quelle: Arbeitshilfe „Anfangen im Kirchenvorstand“, Gemeindeakademie Rummelsberg)

Zu Beginn erhält jede/r einen Bogen mit Impulsen für die Einzelarbeit:

Einzelarbeit

Wertschätzende Erkundung der Gemeinde „Vor-Sätze“ • Achtet auf das, was gelingt. • Nehmt die Dinge wahr, die einer Gemeinschaft Energie, Kraft, Freude, Lebendigkeit geben. • Erhebt das Beste aus der Vergangenheit, um es für die Zukunft fruchtbar zu machen. • Erschließt die Potenziale, um die Möglichkeiten zu sehen. Bitte nehmen Sie sich ein paar Minuten Zeit, um erste Gedanken zu den folgenden Fragen zu notieren. Achten Sie dabei bitte auf die oben genannten Impulse. Welche Erfahrungen haben Sie mit Ihrer Gemeinde gemacht? Ausgangspunkt Ihrer Gedanken kann eine Situation sein, in der Sie Ihre Gemeinde sehr geschätzt haben. Eine Situation, in der Sie sich wohl gefühlt haben, in der es gut gelaufen ist. Ein Erlebnis, von dem Sie sagen: „Es ist gut, hier zu sein.“ • Was macht diese Erfahrung so denkwürdig? • Was war Ihr Beitrag dazu? Was haben andere dazu beigetragen? • Wird darin etwas deutlich, was Sie an dieser Gemeinde besonders schätzen, worauf diese Gemeinde stolz sein kann? • Was hat diese Gemeinde Besonderes?

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Was sind Ihrer Meinung nach die besonderen Stärken und die Möglichkeiten Ihrer Gemeinde? Blicken Sie wertschätzend und liebevoll auf die Gemeinde und stellen Sie ihre Potenziale und das Gelingende in den Vordergrund. • Wo steckt in dieser Gemeinde Energie? Was macht sie lebendig? Wo spüren Sie Freude? • Was sind Punkte aus der Vergangenheit, die auch heute noch wichtig für die Identität der Gemeinde sind? • Welche vier Potenziale (Charismen, Stärken) sind für die weitere Entwicklung der Gemeinde besonders wichtig?

Interview

Die Fragebögen werden im Interview (zu zweit oder zu dritt) ausgewertet. Die Partner hören einander aktiv zu und fragen behutsam nach, wenn sie etwas nicht verstanden haben. Sie notieren sich wichtige Gedanken und Ergebnisse. Gemeinsam halten sie die wichtigsten Punkte aus den Interviews auf Stichwortzetteln fest.

Auswer­ tung

Die Auswertung erfolgt im Plenum. Die wichtigsten Punkte aus den Interviews werden vorgestellt und gebündelt. • Was fällt uns auf, wenn wir eine Zusammenschau versuchen? Wo bündelt sich etwas? Welche Gemeinsamkeiten werden deutlich? • Welche Stärken und Potenziale unserer Gemeinde werden sichtbar? • Worauf werden wir achten?

Methode B: Gemeindebegehung Im Rahmen des „evangelischen München programms“ (eMp) wurde die Gemeindebegehung als Verfahren entwickelt, mit dessen Hilfe die am Projekt beteiligten Gemeinden möglichst schnell die nötigen Daten erheben konnten. Sie eignet sich vorzüglich dazu, persönliche Eindrücke und objektive Daten im Bereich Gebäude, Personal und Organisation zu erheben. Ihre besondere Stärke liegt an der Verbindung von interner Vorbe-

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reitung und externer Begleitung. Sie konzentriert den Blick auf das konkrete und faktische Gemeindeleben und bezieht das lokale Umfeld mit ein. Allerdings setzt sie eine solide Vorarbeit und die Bereitschaft zur intensiven Nacharbeit voraus. Wenn externe Begleitung wie vorgesehen stattfindet, entstehen außerdem Kosten. Auch wenn dieses Verfahren ursprünglich für das Dekanatsentwicklungsprojekt in München erdacht wurde, eignet es sich gut zur Erkundung jeder anderen Kirchengemeinde und wird deshalb in den wesentlichen Grundzügen vorgestellt: (Quelle: „evangelisches München programm“)

Bei einem Rundgang durch die Gemeinde und ihre Räume wird die Grundorganisation der Gemeinde in den Blick genommen. Dieser Rundgang wird in drei Richtungen ausgewertet:

Rundgang

• die Gebäude: Unter welchen räumlichen Bedingungen und mit welchen Absprachen und Ordnungen findet unsere Arbeit hier statt? • die Mitarbeitenden und das Miteinander: Wer ist für was verantwortlich? • die Organisation: Wie arbeiten wir miteinander? Wie sind wir ausgestattet (z.B. technische Hilfsmittel, EDV, Arbeitsräume)? Die Gemeindebegehung und ihre Ergebnisse sollen der Gemeinde dabei helfen, • Probleme in den verschiedenen Bereichen der Grundorganisation frühzeitig zu erkennen und möglichst schnell zu beheben • für sich selbst die Sicherheit zu haben, dass der neue Weg mit guten organisatorischen Voraussetzungen angegangen wird Es empfiehlt sich, für die Durchführung und Auswertung der Begehung externe Berater/innen in Anspruch zu nehmen. Von der Gemeinde aus sollten die theologischen und pädagogischen Hauptamtlichen sowie Vertreter/innen des Kirchenvorstandes (möglichst mit Vertrauensleuten) teilnehmen. An verschiedenen

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Orten können die dort Arbeitenden (z.B. Pfarramtssekretärin, Messner/innen, Hausmeister/innen, Kindertagesstättenleiter/innen) zugezogen werden.

Wie läuft die Gemeindebegehung ab? Der Zeitbedarf beläuft sich auf ca. drei Stunden. Zuerst findet die Begehung statt. Die Route legt die Gemeindeseite fest (eventuell nach Absprache mit den Berater/innen): • Was jemand sehen und erfahren muss, damit er uns besser kennt • Was wir den Berater/innen zeigen wollen, damit sie uns dazu Rückmeldung geben Am Ende der Begehung steht ein Gespräch, in dem die Beobachtungen der Berater/innen zusammen mit denen der Gemeindegruppe in einem Protokoll festgehalten werden. Darin werden auch der Veränderungsbedarf und die entsprechenden Maßnahmen protokolliert. Die Gemeinde stellt den Berater/innen eine Woche vorher folgende Unterlagen zur Verfügung: • einen Ortsplan (Gebäude und Sprengel) • eine Aufstellung des haupt- und nebenamtlichen Personals mit kurzer Aufgabenbeschreibung • eine Aufstellung der Gruppen und Kreise und sonstigen Aktivitäten der Kirchengemeinde • eine Übersicht über die Daten (Gemeindegliederzahl, Alterskurve, Statistiken der letzten drei Jahre, KV – Wahl) • eine Aufstellung über Kommunikationsmittel und Arbeitsplatzausstattungen

Checkliste für die Ge­ meindebe­ gehung

Gebäude 1. Die Gebäude und Räume der Gemeinde und ihre geographische Lage • Wie liegen sie zur Gesamtgeographie der Kirchengemeinde? • Wie wird auf sie hingewiesen? • Wie „zeigen“ sie sich potenziellen Besuchenden?

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2. „Auf der Schwelle“ • Welchen Eindruck hat man beim Betreten der Gebäude (sinnliche Wahrnehmungen: Geruch, Licht, Temperatur, Atmosphäre ...) 3. In den Räumen • Wie findet man sich zurecht? (Wegweiser?) • Welche Informationen werden gegeben? (Was liegt rum oder aus? Bilder, Poster, Infowände, auf welchem Stand?) • Welche Botschaft haben die Räume? (Wohnzimmer, Schule, kahler Raum ...) 4. Probleme mit den Räumen und mit ihrer Belegung • Was muss bald behoben werden? • Welche Maßnahmen sind geplant? • Was soll in nächster Zeit gemacht werden?

Personal 1. Die Mitarbeitenden und ihre Aufgabenstellung • Wann und wo fühlen sie sich in ihrer Aufgabe wohl? • Wann und wo gibt es Probleme? 2. Das Miteinander • Was klappt gut in Absprache, Kooperation und Arbeitsaufteilung? • Wann und wo gibt es Probleme? 3. Was möchten die einzelnen Personen unbedingt verändern, um besser arbeiten zu können? (Auf positiven Formulierungen bestehen und die eigenen Anteile dabei beschreiben lassen)

Organisation 1. Das Pfarramt • Ausstattung nach Selbsteinschätzung der Sekretärin / Pfarramtsführer/in • Welche Grundausstattung ist da?

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2. Steuerung und Leitung • Orte der Leitung? (Dienstbesprechung, auf der Schwelle des Pfarramtes, KV, Mitarbeitendentreff usw.) • Wo ist Sand im Getriebe? • Wo läuft es gut? • Was müsste verändert werden? 3. Damit es in der Gemeinde gut läuft • Was wir dazu tun • Was uns dazu sonst noch wichtig ist • Was wir gerne anders machen würden

Methode C: Gemeindeanalyse Die Gemeindeanalyse ist die ausführlichste Methode, um ein Gesamtbild einer Kirchengemeinde zu erstellen. Sie arbeitet mit einer Fülle an Daten und wertet diese unter soziologischen Gesichtspunkten aus. Allerdings ist sie sehr zeit- und arbeitsintensiv und steht daher leicht in der Gefahr, zum Selbstzweck zu werden. Es kommt in der Praxis darauf an, aus der möglichen Fülle auszuwählen und sich über das Ziel der Analyse im Vorfeld Rechenschaft abzulegen. In schlanker Form ist sie die beste Methode, an die objektiven „harten“ Daten einer Kirchengemeinde heranzukommen. Im Folgenden wird die ganze mögliche Bandbreite einer Gemeindeanalyse vorgestellt. Für seine eigene Arbeit wird sich ein Kirchenvorstand daraus sinnvollerweise die relevanten Elemente auswählen. (Quelle: Erkundung einer Gemeinde, Gemeindeakademie Rummelsberg)

1. Der Ort, an dem die Gemeinde lebt Was ist das für ein Lebensraum? • Gibt es geographische Gegebenheiten, die das Leben am Ort und in der Gemeinde besonders beeinflussen? Material: Landkarte, Stadtplanausschnitt, Fotos bzw. Dias • Gibt es Tendenzen der Bevölkerungsentwicklung, die das Leben am Ort und in der Gemeinde besonders beeinflussen? Material: Volkszählungsdaten, Familienstandsdaten (bei der Kommune erhältlich)

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Was prägt die Menschen und ihr Leben am Ort besonders? • Wie wirken sich die örtlichen wirtschaftlichen Verhältnisse auf das Leben der Menschen aus? Material: Volkszählungsdaten (bei der Kommune erhältlich) • Gibt es wichtige Wirtschaftsfaktoren am Ort und prägende Berufsgruppen? Material: Wirtschaftsstatistik (bei der Kommune erhältlich) • Wie verbringen die Menschen ihre Freizeit? Was charakterisiert ihre kulturellen Interessen? Material: Tageszeitung, Mitteilungsblätter, Plakate und Prospekte, Internetseiten... Welche Entwicklungen haben in den letzten Jahren den Ort verändert? • Wie hat sich die Einwohnerzahl entwickelt? Gibt es überdurchschnittlich viele Neuzuzüge bzw. Wegzüge? Material: Bevölkerungsstatistik (bei der Kommune erhältlich) • Gibt es Eingemeindungen und Strukturveränderungen? Was hat sich durch die Gebietsreform verändert? Material: Landkarte, Stadtplanausschnitt, Daten zur Ortsentwicklung (bei der Kommune erhältlich) • Welche Tendenzen der Ortsentwicklung lassen sich erkennen? Was sind zentrale Themen, Herausforderungen, Vorhaben? Material: Tageszeitung, Mitteilungsblätter, Jahresberichte ...

Ein Tipp zur Präsentation Nehmen Sie die Mitglieder Ihrer Gruppe „an die Hand“ und führen Sie sie durch den/die Ort/e des Gemeindegebietes. Welche Sonnen- und Schattenseiten können Sie zeigen? Bitte machen Sie diesen Spaziergang mit Bildern, einer Karte, kulinarischen Besonderheiten etc. sinnlich erfahrbar.

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2. Die Kirchengemeinde als Ganzes Wie setzen sich die Gemeindemitglieder zusammen? • Wie sieht die Alterskurve aus? Wo hat sie ihre „Gipfel“ bzw. ihre „Täler“? Welche Schlüsse lässt das auf die weitere Entwicklung der Gemeinde zu? Material: Alterskurve (im Pfarramt erhältlich) • Welche Schlüsse lassen sich aus den Kasualdaten einschließlich Eintritten und Austritten ziehen? Material: Kasualstatistik (im Pfarramt erhältlich) • Gibt es Gruppen mit geprägter Frömmigkeit oder Personen(gruppen), die das Leben in der Gemeinde besonders beeinflussen? Material: Gemeindebriefe, Interviews Wie ist das Gemeindegebiet gegliedert? • Wie stimmig ist die Einteilung des Gemeindegebietes bzw. die Unterteilung in Sprengel? Gibt es Zentren bzw. Außenorte? Material: Landkarte, Stadtplanausschnitt, Fotos bzw. Dias • Welche Wege sind zurückzulegen? Gibt es erkennbare Schwellen oder Hindernisse? Material: Landkarte, Stadtplanausschnitt, Fotos bzw. Dias Welche Gebäude stehen der Gemeinde zur Verfügung? • Hat die Gemeinde die Gebäude, die sie braucht? Material: Gemeindebriefe, Fotos bzw. Dias • Wie und von wem werden die Räume genutzt? Welche Atmosphäre haben sie? Welche „Botschaften“ senden sie? Material: Eindrücke einer Ortsbegehung, Fotos bzw. Dias Mit wem arbeitet die Gemeinde zusammen? • Wer sind die Partner in der Ökumene, Institutionen, Vereinen usw.? Wie lässt sich die Zusammenarbeit beschreiben?

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Material: Gemeindebriefe, Mitteilungsblätter, Internetseiten, Interviews

Ein Tipp zur Präsentation Führen Sie die Gruppe zu den Räumen und Zentren der gemeindlichen Arbeit (Kirche/n, Gemeindehaus/häuser, Pfarramt, Kindergarten usw.) Wie sehen die Räume aus, wie riecht es da, was ist ihre „Botschaft“? Stellen Sie die wichtigsten Kooperationspartner „persönlich“ vor.

3. Was die Gemeinde prägt Charakteristische Frömmigkeitsformen und Formen der Kirchlichkeit • Gibt es charakteristische Frömmigkeitsstile oder Traditionen, die das Leben in der Gemeinde besonders beeinflussen? Material: Gemeindebriefe, Interviews • Gibt es leitende Bilder, die das Leben in der Gemeinde besonders beeinflussen? Material: Gemeindebriefe, Interviews Was sind Punkte aus der Vergangenheit, die auch heute noch wichtig für die Identität der Gemeinde sind? • Gibt es erkennbare Meilensteine der Gemeindegeschichte? Gibt es Mythen und Legenden, die in der Gemeinde noch präsent sind? Material: Gemeindechronik im Pfarramt, Gemeindebriefe, Interviews • Gibt es Menschen, die das Leben in der Gemeinde besonders geprägt haben? Material: Gemeindechronik im Pfarramt, Gemeindebriefe, Interviews Welche besonderen Potenziale hat diese Gemeinde? • Wo liegen die besonderen Stärken und „Schätze“ der Gemeinde?

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Material: Gemeindebriefe, Interviews • Worauf ist man in dieser Gemeinde besonders stolz? Material: Gemeindebriefe, Interviews

Ein Tipp zur Präsentation Entwerfen Sie den Steckbrief einer „Gemeindepersönlichkeit“. Beschränken Sie sich dabei auf maximal zehn Punkte, die man Ihrer Ansicht nach kennen muss, um das Leben und die „Persönlichkeit“ dieser Gemeinde zu verstehen.

4. Das Aktivitätenbild der Gemeinde • Wie sieht die Altersstruktur der Gemeinde aus? • Was wird regelmäßig, was punktuell angeboten? • Gibt es ein besonderes Profil im gottesdienstlichen Leben? • Ist ein pädagogisches Konzept erkennbar? • Gibt es besondere Themen oder Schwerpunkte? • Welche Botschaften, welches Bild von sich selbst sendet die Gemeinde damit nach außen: „Wir sind eine Gemeinde, die ...“?

Ein Tipp zur Präsentation Bitte bereiten Sie ein Aktivitätenbild der Gemeinde vor. Schreiben Sie dazu für jeden Altersabschnitt die ungefähre Mitgliederzahl auf einen Querzettel: 00-06 06-13

14-20

21-30

31-40

41-50

51-60

61-70

71+...

z.B.80

etc.

etc.

etc.

etc.

etc.

etc.

etc.

z.B.75

Bitte halten Sie wichtige Aktivitäten auf jeweils einem Zettel fest. Verwenden Sie für unterschiedliche Aktivitäten verschiedene Zettel (Muster siehe unten). Ordnen Sie die Aktivitäten dem Altersaufbau entsprechend zu. Bei Aktivitäten, die nicht nur eine Altersgruppe ansprechen (z.B. Gemeindefest), machen Sie bitte deutlich, welche Altersgruppe vorwiegend angesprochen wird.

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Regelmäßige Grundangebote (z.B. Gottesdienst, KU) Gruppen und Kreise Punktuelle und offene Angebote Projekte und Veranstaltungen Gremien, Teams

5. Mitarbeit und Leitung Die Situation der Mitarbeitenden • Wer arbeitet haupt-, neben- oder ehrenamtlich mit? Wie ist das Arbeitsklima? Material: Gemeindebriefe, Interviews • Gibt es formelle und informelle Ebenen des Austauschs? Material: Gemeindebriefe, Interviews Leitung der Gemeinde • Wie kommt es zu Entscheidungen? Wer trifft sie? Wo entstehen Probleme? • Welche Strukturen von Gemeindeleitung gibt es (Dienstbesprechungen, Ausschüsse, Teams, Mitarbeitendentreffs)? • Wie arbeitet der Kirchenvorstand? Material: Gemeindechronik im Pfarramt, Gemeindebriefe, Interviews

Ein Tipp zur Präsentation Stellen Sie die Aufbauorganisation der Gemeinde möglichst übersichtlich in einem Organigramm dar.

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Methode D: Gemeindeberatung Die Landeskirche hat die Gemeindeakademie Rummelsberg mit der Ausübung von Gemeindeberatung beauftragt. Gemeindeberatung wird von den Mitarbeitenden der Gemeindeakademie und von den nebenamtlichen Beraterinnen und Beratern ausgeübt. Der Einsatz von nebenamtlichen Gemeindeberaterinnen und Beratern wird durch die Gemeindeakademie koordiniert. Die Durchführung einer Beratung geschieht in der Regel durch ein Beratungsteam, das aus zwei Personen besteht. Das Beratungsteam führt die Beratung in gemeinsamer Verantwortung durch. Die Gestaltung der einzelnen Schritte der Beratung erfolgt in Absprache zwischen den Beratenden und den Beratungsnehmenden. In der Regel erfolgt die Beratung als längerer Prozess (ca. 1-2 Jahre) und verfolgt mehrere Ziele: • Gemeindeberatung begleitet Gemeinden bei Entwicklungsprozessen in einer sich verändernden Umwelt. • Gemeindeberatung ermöglicht Gemeinden, ein Bild von sich selber zu gewinnen und ihren Auftrag am Ort zu klären. • Gemeindeberatung regt Gemeinden zum Gespräch über sich selbst und die für sie wichtigen Themen an. • Gemeindeberatung hilft Gemeinden, Außenwahrnehmungen zu bekommen. Die Gemeindeberatung bietet in folgenden Situationen Beratung an: • Bilanz und Neuausrichtung Bestandaufnahme der Gemeindesituation mit ihren harten Daten (Arbeitsfelder, Angebotsstruktur, Mitarbeitende, Finanzen usw.) und weichen Daten (Gemeindekultur, Stimmung, Spielregeln, leitende Bilder) Beschreibung und Erstellen von Entwicklungsperspektiven und Zielen Moderation von Entscheidungsprozessen Begleiten der Umsetzung Arbeitspartner ist der Kirchenvorstand, evtl. erweitert durch wichtige haupt- und ehrenamtlich Mitarbeitende

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• Leitbildentwicklung Hier werden die Beratungsschritte auf verschiedenen Ebenen gegangen: a) im Kirchenvorstand Überblick über den Leitbildprozess Zielklärung, Entscheidung und Beauftragung einer Steuerungsgruppe Regelmäßige Rückkopplung der Ergebnisse Verabschiedung eines Leitbildes Präsentation in der Öffentlichkeit Umsetzen in Projekten b) in der Steuerungsgruppe Einübung in die Grundfragen der Leitbildentwicklung Beteiligung von Mitarbeitenden und Fernstehenden Materialsammlung Sichtung der Ergebnisse Redaktionsarbeit • Umgang mit Konflikten Gemeindeberatung hilft Gemeinden, ihre Konflikte zu klären und lösungsorientiert zu bearbeiten. Sie sorgt für einen geschützten Raum zur Wahrnehmung, Darstellung und Bearbeitung des Konfliktes. Der Konflikt wird als Chance zur Veränderung begriffen. Schwerpunkt ist die Moderation von Gesprächen zwischen den Beteiligten. Vor allem in der Anfangsphase einer Gemeindeberatung wird es wichtig sein, einen realistischen Blick über die Kirchengemeinde und ihre Situation zu erhalten. Methodisch erfolgt das in der Regel mit Elementen der wertschätzenden Erkundung, der Gemeindebegehung und der Gemeindeanalyse. Darüber hinaus ist es von Vorteil, wenn die Erkenntnisse dieser Situationsanalyse systematisch aufbereitet und für die weitere Entwicklung der

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Gemeinde fruchtbar gemacht werden. Für nähere Informationen zur Gemeindeberatung und bei Anfragen wenden Sie sich bitte an folgende Adresse: Evang.-Luth. Gemeindeakademie Rummelsberg 19 90592 Schwarzenbruck Telefon: 09128 91220 Telefax: 09128 912220 [email protected]

Methode E: Beratung und Fachbegleitung für Kirchenvorstände Das Amt für Gemeindedienst bietet Beratung und Fachbegleitung als Unterstützung für Kirchenvorstände bei neuen Herausforderungen, Entwicklungsschritten, Veränderungen und Konflikten im Kirchenvorstand an. Es wird mit den Methoden der Gemeindeberatung gearbeitet. Die Beratung hier erfolgt anlassbezogen und punktuell als einmalige Maßnahme etwa an einem KV-Tag oder einem KV–Wochenende. Auch hier kann eine Kirchengemeinde rasch ein zutreffendes Bild über ihre Situation gewinnen. Für nähere Informationen zur Kirchenvorstandsberatung und -fachbegleitung und bei Anfragen erreichen Sie uns unter folgender Adresse: Amt für Gemeindedienst Gemeindeleitung und Kirchenvorstandsarbeit Postfach 44 04 65 90209 Nürnberg Telefon: 0911 4316-261 Telefax: 0911 4316-296 [email protected]

Fazit Wie sehen wir uns selbst? – Eine Gemeinde, die sich dieser Frage stellt, begibt sich auf die spannende Suche nach ihrem Selbst. Alle Entwicklung, alle Veränderung, alles Neue beginnt damit, dass sie ein zutreffendes Selbstbild gewinnt. Nur wer weiß, wer und wie er ist, kann ein eigenes Profil und einen eigenen Standpunkt in den vielfältigen Lebenswelten einnehmen.

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Und nur wer weiß, wer und wie er ist, kann sich selbst verändern und weiterentwickeln. Gemeinden, die sich auf diesen Weg einlassen, können die verschiedenen Möglichkeiten und Angebote nutzen, die oben dargestellt wurden. Zugleich machen die dargestellten Wege aber auch deutlich, dass die Antwort nicht einfach in den Schoß fällt oder zum Nulltarif zu haben ist. Ein zutreffendes Selbstbild einer Kirchengemeinde ist nicht ohne Mühen oder Anstrengungen zu haben. Sie sollte bereit sein, dafür etliche Kräfte und Zeit zu investieren. Und manches kostet auch Geld. Aber es macht sich bezahlt, wenn eine Gemeinde einen Schwerpunkt auf die Frage nach ihrem Selbstbild legt. Vieles wird dann leichter – die Verständigung nach innen und das Auftreten nach außen. Diesen beiden Aspekten wendet sich der folgende Abschnitt zu.

2. Unsere Wunschbilder: Wie wollen wir gesehen werden? 2.1. Von der Macht der Bilder Es war einmal ein kleines Dorf in der Wüste. Alle Einwohner des Dorfes waren blind. Eines Tages kam dort ein großer König mit seinem Heer vorbei. Er ritt auf einem gewaltigen Elefanten. Die Blinden hatten viel von Elefanten erzählen hören und wurden von einer heftigen Lust befallen, heranzutreten und den Elefanten des Königs berühren zu dürfen und ihn zu untersuchen, um eine Vorstellung davon zu bekommen, was das für ein Ding sei. Einige von ihnen – vielleicht waren es die Gemeindevorsteher – traten vor und verneigten sich vor dem König und baten um Erlaubnis, seinen Elefanten berühren zu dürfen. Der eine packte ihn beim Rüssel, der andere am Fuß, ein dritter an der Seite, einer reckte sich hoch auf und packte das Ohr, und ein anderer wieder durfte einen Ritt auf dem Rücken des Elefanten tun. Entzückt kehrten sie alle in das Dorf zurück und die Blinden umringten sie und fragten eifrig, was das ungeheuerliche Tier Elefant für ein Wesen sei. Der erste sagte: „Er ist ein großer Schlauch, der sich hebt und senkt, und es ist ein Jammer um den, den er zu packen kriegt.“ Der zweite sagte: „Es ist eine mit Haut und Haaren bekleidete Säule.“

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Der dritte sagte: „Es ist wie eine Festungsmauer und hat auch Haut und Haare.“ Der, der ihn am Ohr gepackt hatte, sagte: Es ist keineswegs eine Mauer, es ist ein dicker, dicker Teppich, der sich bewegt, wenn man ihn anfasst.“ Und der letzte sagte: „Was redet ihr da für Unsinn? Es ist ein gewaltiger Berg, der sich bewegt.“ Ersetzen wir „den Elefanten“ durch „die Gemeinde“, so veranschaulicht diese kleine Fabel von Niko Kazantzakis treffend, worum es geht: • Bilder haben die Macht, unser Denken und Handeln zu leiten und zu steuern. Das Bild, das ich mir von einer Gemeinde mache, bestimmt meine Einstellung dazu und meinen Umgang damit. • Bilder sind ein Ausdruck unserer subjektiven Wahrnehmung. Sie deuten die Wirklichkeit aus meiner Sicht. Keine/r kann ein objektiv richtiges Bild einer Gemeinde für sich reklamieren, sondern bestenfalls den eigenen Zugang dazu beschreiben. • Bilder sind begrenzt: Sie können die Wirklichkeit immer nur teilweise abbilden. Kein Bild kann für das Ganze stehen. Jedes Bild erfasst nur einen Teil der gemeindlichen Realität zutreffend und braucht die anderen zur Ergänzung. Und: Das Ganze ist immer mehr als die Summe der einzelnen Teile.

2.2. Leitende Bilder – die Bilder, die wir von uns selbst haben Welche Macht von Bildern ausgehen kann, erleben wir täglich im Fernsehen. Ein spannender Krimi zieht uns in seinen Bann, Bilder aus fernen Ländern versetzen uns in Urlaubsstimmung, Schreckensbilder von Katastrophen gehen uns noch lange nach dem Ausschalten nicht aus dem Kopf, romantische Liebesszenen lassen manche/n zum Taschentuch greifen. Die Werbeindustrie macht sich die Macht der Bilder schon lange zunutze, um gezielt ihre Produkte an den Mann oder die Frau zu bringen.

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Eindrucksvolle Bilder haben Anteil an der Wirklichkeit, die sie verkörpern. Ein Bild nimmt uns mit hinein in die Realität, die es darstellt. Erst recht gilt das von leitenden Bildern. Ihr Sinn ist es, die Motivation und die Energien freizusetzen, die nötig sind, um einen erwünschten Zustand oder eine gewünschte Verhaltensweise zu erreichen. Wunsch und Realität sollen sich möglichst nahe kommen und entsprechen. Auch im Kirchenvorstand gibt es leitende Bilder. Bilder, die uns und unsere Arbeit prägen. Bilder, die unsere Sicht der Gemeinde zum Ausdruck bringen, die zeigen, wie Gemeinde nach unserer Meinung sein sollte. Bilder, die einen wichtigen Teil der Wirklichkeit, aber nie das Ganze abbilden, und die deshalb auf Ergänzung angewiesen sind. Die folgenden leitenden Bilder lassen sich unschwer den verschiedenen Glaubenstypen zuordnen, von denen bereits an anderer Stelle in diesem Praxisbuch die Rede war.

siehe Seite 48f.

Für den Einen ist es wichtig, festliche und vielfältige Gottesdienste zu feiern. Er wird sich Gemeinde unter dem Vorzeichen „leiturgia“ vorstellen: Typisch für sie ist ein reiches und vielfältiges gottesdienstliches Leben. Amtshandlungen und besonderen Festzeiten im Kirchenjahr kommen dabei eine besondere Bedeutung zu. Der Kirchenraum und die Kirchenmusik haben einen hohen Stellenwert.

Leitendes Bild: Got­ tesdienst

Für die Andere kommt es auf lebendige Gemeinschaft an. Sie stellt sich Gemeinde unter dem Vorzeichen „koinonia“ vor: mit möglichst vielen Gruppen und Kreisen für möglichst viele Zielgruppen und Lebenssituationen. Alle sind herzlich eingeladen und hören diese Einladung immer wieder. Die Räume stehen allen offen, die Schwellen sind niedrig und große Zahlen als Erfolgsmeldung besonders wichtig.

Leitendes Bild: Ge­ meinschaft

Ein Dritter betont das glaubwürdige Zeugnis des christlichen Glaubens besonders. Für ihn ist Gemeinde in erster Linie ein Ort der „martyria“: Weniger die große Zahl, vielmehr die Wahrheit und die Wahrhaftigkeit einer Gemeinde sind hier wichtig. Dafür darf man auch einmal anecken und provozieren. Kommentare zu Zeitfragen, Sich–Einmischen, kritische Zeitgenossenschaft stehen hoch im Kurs. Glaubensgespräche, die Predigt im Gottesdienst, Bildungsveranstaltungen sind gefragt.

Leiten­ des Bild: Glaubwür­ digkeit

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Leiten­ des Bild: Nächsten­ liebe

Für eine Vierte schließlich geht es um konkretes Handeln. Gemeinde ist für sie „Kirche für andere“ unter dem Vorzeichen „diakonia“: ein Ort, an dem Selbsthilfegruppen und soziales Engagement gefragt sind. Projekte, Partnerschaften und Patenschaften zu diakonischen Einrichtungen oder in der Mission sollen gepflegt werden. Alle diese Bilder prägen. Und alle haben sie auf ihre Weise „recht“. Nur – keines kann für sich absolut gesetzt werden und damit die Richtung vorgeben. Es kann wie in der Fabel von den Blinden und den Elefanten immer nur einen Aspekt, eine Zugangsweise zu dem, was „Gemeinde“ bedeutet, darstellen. Trotzdem: Es lohnt sich für einen Kirchenvorstand, diese Bilder zu kennen. Wenn klarer ist, was sich jede und jeder unter Gemeinde vorstellt oder von ihr erwartet, wird die Verständigung leichter. Entscheidungen in der Sache können dann wirklich gemeinsam getroffen werden. Gleichzeitig werden die persönlichen Überzeugungen der einzelnen Mitglieder respektiert. In Konflikten kann leichter vermittelt werden, wenn die leitenden Bilder miteinander ins Gespräch gebracht werden. Die Einsicht, dass mein Bild, dein Bild jeweils sein Recht und seine Grenze hat, kann sich durchsetzen. Eine gute Möglichkeit, um die leitenden Bilder, die in einem Kirchenvorstand vorhanden sind, abzurufen, sind offene Impulse wie z.B. - „Gemeinde ist für mich wie ...“ - „Ich wünsche mir eine Gemeinde, die ...“ - „Ich engagiere mich in unserer Gemeinde, weil ...“ Jede denkbare Fortsetzung dieser Satzanfänge drückt wahrscheinlich beides aus: - Gemeinde, wie ich sie erfahren habe, und: Gemeinde, wie ich sie mir wünsche.

Methode Leitsterne

Vor allem zu Beginn einer neuen Amtsperiode, wenn sich die einzelnen Mitglieder des Kirchenvorstandes noch nicht so gut kennen, empfiehlt es sich, in aller Ruhe – vielleicht auf einem Klausurtag des Kirchenvorstandes – über die leitenden Bilder ins Gespräch zu kommen. Als methodische Anregung bieten sich die „Leitsterne“ an: - In Dreiergruppen erzählen sich die Mitglieder des Kirchenvorstandes ihre „Ursprungsgeschichte mit Kirche“. Wie hat

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es bei mir mit der Kirche einmal angefangen? Welche Ereignisse und Begegnungen mit anderen Menschen haben dazu beigetragen, dass ich heute im Kirchenvorstand bin? Was sind für mich positive Schlüsselerfahrungen mit Kirche und Gemeinde gewesen? - Die Dreiergruppen beschriften als Ergebnissicherung drei bis fünf Leitsterne aus gelbem Tonpapier, die den Weg für die Arbeit des Kirchenvorstandes weisen könnten. Dabei soll möglichst konkret, lebens- und alltagsnah formuliert werden, z.B. „Menschen erfahren lassen, dass sie wertvoll sind“ oder „Offen sein für verschiedene Glaubenstypen“. - Im Plenum wird anschließend aus den Sternen der Gruppen ein gemeinsames Sternenbild entwickelt. Beziehungen und Spannungen können wahrgenommen werden. Ein Gesamtbild entsteht, das der künftigen Arbeit des Kirchenvorstandes die Richtung anzeigt.

2.3. Das Image – unser Bild nach außen Für Gemeinden gilt wie für einzelne Menschen: Das Wertvollste, was sie besitzen, ist ihre Persönlichkeit. Eine Gemeindepersönlichkeit bildet sich in einem Prozess, in dem die einzelnen leitenden Bilder miteinander ins Gespräch kommen. Sie bildet sich aber auch in den Bemühungen, die Gemeinde wirksam nach außen darzustellen. Beide Aspekte – die interne und die externe Kommunikation – gehören zusammen und tragen zur Persönlichkeitsbildung bei. Deshalb ist es wichtig, dass ein Kirchenvorstand nicht nur die verschiedenen Vorstellungen von Gemeinde, die seine einzelnen Mitglieder prägen, kennt und austauscht, sondern auch ein gemeinsames Bild seiner Gemeinde nach außen hin entwirft und vertritt. Ein solches Leitbild fördert einerseits den inneren Dialog und Zusammenhalt. Es hilft dabei, ein Wir–Gefühl zu entwickeln. Auf der anderen Seite bildet es den Orientierungsrahmen nach außen, verhilft der Gemeinde zu ihrem Profil und motiviert sie zu gemeinsamem Handeln. Weil eine Kirchengemeinde nicht statisch für alle Zeiten ihre Identität festschreiben kann, sondern immer wieder durch neue Herausforderungen in Bewegung bleibt und für Veränderung offen ist, muss, kann und wird sich auch ihr Leitbild immer wieder überprüfen lassen und weiterentwickeln. Die Kommunikation nach innen und nach außen

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gehört zu den Aufgaben eines jeden Kirchenvorstandes. Immer wieder wird er sich über die leitenden Bilder in seinen eigenen Reihen verständigen. Und immer wieder wird er das Gespräch nach außen suchen. Auf der einen Seite steht die Gemeinde, die ihr Bild von sich selbst hat und es nach außen vermitteln möchte. Auf der anderen Seite steht der potenzielle Empfänger, dem etwas mitgeteilt werden soll. Wer ist die Kirchengemeinde, die sich mitteilen will? Ist es der Pfarrer, die Pfarrerin? Oder der Kirchenvorstand? Sind es die vielen Menschen, die in den Gruppen und Kreisen das Gemeindeleben prägen? Jede Gemeinde ist eine bunte Mischung unterschiedlichster Menschen, die etwas mitzuteilen haben. Auch wenn es zunächst so aussieht, als würde die Gemeinde als homogene Einheit etwas kommunizieren, so sind es in der Regel einzelne Personen oder Gruppen in einer heterogenen Gemeinschaft, die sich äußern: Der Frauenkreis veröffentlicht sein Jahresprogramm, die Jugendgruppe berichtet von einer Freizeit, die Krabbelgruppe lädt weitere Mitglieder ein, der Kirchenvorstand gibt den nächsten Sitzungstermin bekannt... Alle diese Gruppen melden sich unter dem Dach der Gemeinde öffentlich zu Wort. Auch die Empfänger sind keine homogene Gruppe, sondern sehr unterschiedliche Personen und Zielgruppen mit ihrem eigenen Profil: Einmal handelt es sich um Menschen, die bereits aktiv am Gemeindeleben teilnehmen. Dann wieder um Personen, die dem kirchlichen Leben gegenüber aufgeschlossen sind, aber nur gelegentlich daran teilnehmen. Oder es sind sogenannte „Kirchenferne“ oder auch „Kirchenkritiker“ im Blick, auf die man offen zugehen möchte.

2.4. Öffentlichkeitsarbeit Mit seiner Öffentlichkeitsarbeit will der Kirchenvorstand dazu beitragen, dass sich die Gemeinde all diesen verschiedenen Adressaten gegenüber immer wieder Gehör verschafft und positiv ins Gespräch bringt. Konkret geht es dabei immer wieder um die Beantwortung folgender Schlüsselfragen: - Wie will die Gemeinde gesehen werden? (Botschaft) - Wer soll die Gemeinde so wahrnehmen? (Zielgruppe) - Warum will sich die Gemeinde so darstellen? (Motivation)

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- Auf welchem Weg will sich die Gemeinde darstellen? (Medien) - Wann will sich die Gemeinde so zeigen? (Zeitpunkt, Anlass) - Mit welchem Ziel will sich die Gemeinde darstellen? (Wirkung) Vielleicht hat der Kirchenvorstand einen Öffentlichkeitsausschuss, der sich ausführlicher damit befasst. Öffentlichkeitsarbeit ist eine wichtige Grundaufgabe der Gemeindeleitung, die ein Kirchenvorstand wahrnimmt. Sie geschieht in verschiedener Form als: • personale Kommunikation Dazu zählen die Sprechstunde im Pfarramt, der Hausbesuch, der Basar, der Gottesdienst, der Hauskreis, das Mitarbeitendentreffen etc. Der große Vorteil ist hier der persönliche Kontakt, ein Problem die begrenzte Zeit, die dafür zur Verfügung steht. • ästhetische Kommunikation Durch die Gestaltung ihrer Räume, die Atmosphäre, die Gerüche, die darin herrschen, durch Beleuchtung, Beschilderung und den Zustand ihrer Außenanlagen teilt sich eine Gemeinde sozusagen ganz automatisch mit. Eine Schlüsselrolle bildet dabei die offene oder eben auch verschlossene Kirchentüre. • mediale Kommunikation Zunehmende Bedeutung in unserer Mediengesellschaft erhalten die Formen der medialen Kommunikation. Sie befähigen eine Gemeinde, oft über die eigenen Grenzen hinaus Menschen zu erreichen und zeitgemäß anzusprechen. Die wichtigsten Säulen medialer Kommunikation sind nach wie vor der Gemeindebrief, der Schaukasten, daneben immer stärker auch lokale Presse und Lokalfunk, Direct-Mail und Internet. Immer mehr Gemeinden haben bereits eine eigene Homepage, Dekanatsbezirke richten gemeinsame Seiten ein, die auch den Gemeinden zur Verfügung stehen, die Landeskirche nutzt ein eigenes Intranet (www.elkb.de). Letztlich muss eine Gemeinde selbst auswählen, wie sie welche dieser Kommunikationsmittel sinnvoll einsetzt. Nicht jedes Medium taugt für jede Zielgruppe, aber auch längst nicht mehr können ausschließlich persönliche Kontakte die Fülle an Infor-

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mation leisten. Öffentlichkeitsarbeit ist und macht Arbeit. Sie kann heute nicht mehr sozusagen nebenher geleistet werden, sondern benötigt zeitliche, finanzielle und personale Mittel. Mit einer wirkungsvollen Öffentlichkeitsarbeit verwirklicht eine Gemeinde allerdings nicht nur ihren Wunsch, ihr Leitbild wirksam nach außen zu kommunizieren, sondern entspricht vor allem auch dem Auftrag, den Jesus seinen Anhängern in der Bergpredigt gegeben hat: Ihr seid das Licht der Welt. Es kann die Stadt, die auf einem Berge liegt, nicht verborgen sein. Man zündet auch nicht ein Licht an und setzt es unter einen Scheffel, sondern auf einen Leuchter; so leuchtet es allen, die im Hause sind. So lasst euer Licht leuchten vor den Leuten, damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen. (Mt 5,14-16) Trotzdem werden viele Christen die Nase rümpfen, wenn Begriffe wie Werbung, Marketing, Public Relation oder Kundenorientierung im Zusammenhang mit einer Kirchengemeinde erwähnt werden. Mit diesen Begriffen assoziieren sie eher die Welt der Waschmittel, Badelotions, schnellen Autos und anderer Konsumartikel. Auf der anderen Seite steht für sie die Welt, die ihnen heilig ist: die Sinnfrage, das Evangelium, die Nachfolge Christi. Sie wehren sich dagegen, diese Werte wie ein x-beliebiges Produkt zu vermarkten. Doch gilt in unserer modernen Welt ein Grundsatz auch für Kirchengemeinden: Man kann nicht nicht kommunizieren. Es ist also eine Illusion zu glauben, eine Gemeinde könne auf Kommunikation verzichten. Die Frage ist vielmehr, ob diese Kommunikation aktiv oder passiv betrieben wird. Gerade, wenn eine Gemeinde die ihr anvertrauten Menschen und Werte ernst nimmt, darf sie nicht darauf verzichten, von der Öffentlichkeit bewusst wahrgenommen zu werden. Sie kommt damit ihrer Bestimmung, für die Menschen da zu sein und sie für das Evangelium zu gewinnen, auf zeitgemäße Weise nach. Konkrete Beratung und Unterstützung für Ihre Öffentlichkeitsarbeit erhalten Sie durch: Amt für Gemeindedienst „Gemeindliche Öffentlichkeitsarbeit“ Telefon: 0911 4316-231 und -172 Telefax: 0911 4316-101 [email protected]

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2.5. Was Wunschbilder leisten können (ein Praxisbeispiel) Die Situation In einer Gemeinde am Rande eines Ballungsraumes ziehen immer mehr Neubürger zu. Der Kirchenvorstand möchte gerne ein Projekt für die Neuzugezogenen durchführen. Über die Wahl der Mittel besteht allerdings noch große Unklarheit: Die einen wollen einen Besuchsdienst aufbauen, der den neuen Gemeindemitgliedern einen lockeren Erstkontakt ermöglichen soll. Es geht ihnen zunächst nur ums Kennenlernen. Den anderen geht das nicht weit genug. Sie möchten die Neuen zwar besuchen, aber möglichst mit dem Ziel, dass diese dann auch Gottesdienste und Veranstaltungen in der Gemeinde besuchen. Die dritten schließlich setzen auf eine schriftliche Einladung zu einem Kennenlerntreff nach dem Gottesdienst, zu dem neue Gemeindemitglieder und andere Interessierte kommen können.

Die leitenden Bilder Auf einem Klausurtag beschäftigt sich der Kirchenvorstand mit seinen unterschiedlichen Vorstellungen. Als Einstieg dient die Parabel von den Blinden und dem Elefanten. Sie verdeutlicht spielerisch, worum es gehen soll: Nicht richtige und falsche Vorstellungen werden gegeneinander ausgespielt, sondern unterschiedliche und zunächst gleichwertige Optionen miteinander verglichen. In einer ersten Runde sucht sich jede/r ein passendes Bild aus einer Fotokartei aus, das ihn/sie an die Gemeinde erinnert. Im Vergleich bilden sich vier Gruppen heraus, denen jeweils ein Akzent besonders wichtig ist: Gemeinde als lebendige Gemeinschaft (Gottesdienst, Versammlung usw.)– Gemeinde als Wegbegleitung (Baum am Wegrand, Treppe mit Geländer usw.) – Gemeinde als Ort heilsamer Begegnung (Hände, die sich berühren, Menschen, die sich anschauen usw.) – Gemeinde als Gegenkultur in der Öffentlichkeit (Licht im Dunkel, Blume im Schnee usw.). Das gemeinsame Interesse an den Neuzugezogenen verdichtet sich in dem Leitsatz: „Wir wollen offen auf Neue zugehen.“

Die theologische Vertiefung der Bilder In einer Bibelarbeit vertiefen die Mitglieder des Kirchenvorstandes ihre gewonnenen Bilder. Der Leitsatz: Wir wollen offen auf Neue zugehen.“ kann als Umschreibung des neutestamentlichen Missionsauftrages gesehen werden: „Geht hin in alle Welt und

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macht zu Jüngern alle Völker ...“ (Mt 28). Eine Gemeinde, die sich für ihre Neuzugezogenen öffnet, verwirklicht damit ihren Missionsauftrag in zeitgemäßer Form. Alle vier leitenden Bilder, in denen sich die Vorstellungen der einzelnen Mitglieder des Kirchenvorstandes verdichten, haben ihrerseits „Vor-Bilder“ in der Apostelgeschichte:

Gemeinde als lebendige Gemeinschaft Sie blieben aber beständig in der Lehre der Apostel und in der Gemeinschaft und im Brotbrechen und im Gebet. Es kam aber Furcht über alle Seelen, und es geschahen auch viele Wunder und Zeichen durch die Apostel. Alle aber, die gläubig geworden waren, waren beieinander und hatten alle Dinge gemeinsam. Sie verkauften Güter und Habe und teilten sie aus unter alle, je nachdem es einer nötig hatte. Und sie waren täglich einmütig beieinander im Tempel und brachen das Brot hier und dort in den Häusern, hielten die Mahlzeiten mit Freude und lauterem Herzen und lobten Gott und fanden Wohlwollen beim ganzen Volk. Der Herr aber fügte täglich zur Gemeinde hinzu, die gerettet wurden. (Apg 2)

Der Tempel als Ort heilsamer Begegnung Petrus aber und Johannes gingen hinauf in den Tempel um die neunte Stunde, zur Gebetszeit. Und es wurde ein Mann herbeigetragen, lahm von Mutterleibe; den setzte man täglich vor die Tür des Tempels, die da heißt die Schöne, damit er um Almosen bettelte bei denen, die in den Tempel gingen. Als er nun Petrus und Johannes sah, wie sie in den Tempel hineingehen wollten, bat er um ein Almosen. Petrus aber blickte ihn an mit Johannes und sprach: Sieh uns an! Und er sah sie an und wartete darauf, dass er etwas von ihnen empfinge. Petrus aber sprach: Silber und Gold habe ich nicht; was ich aber habe, das gebe ich dir: Im Namen Jesu Christi von Nazareth steh auf und geh umher! Und er ergriff ihn bei der rechten Hand und richtete ihn auf. Sogleich wurden seine Füße und Knöchel fest, er sprang auf, konnte gehen und stehen und ging mit ihnen in den Tempel, lief und sprang umher und lobte Gott. Und es sah ihn alles Volk umhergehen und Gott loben. Sie erkannten ihn auch, dass er es war, der vor der Schönen Tür des Tempels gesessen und um Almosen gebettelt hatte; und Verwunderung und Entsetzen erfüllte sie über das, was ihm widerfahren war. (Apg 3)

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Glauben als Wegbegleitung Aber der Engel des Herrn redete zu Philippus und sprach: Steh auf und geh nach Süden auf die Straße, die von Jerusalem nach Gaza hinabführt und öde ist. Und er stand auf und ging hin. Und siehe, ein Mann aus Äthiopien, ein Kämmerer und Mächtiger am Hof der Kandake, der Königin von Äthiopien, welcher ihren ganzen Schatz verwaltete, der war nach Jerusalem gekommen, um anzubeten. Nun zog er wieder heim und saß auf seinem Wagen und las den Propheten Jesaja. Der Geist aber sprach zu Philippus: Geh hin und halte dich zu diesem Wagen! Da lief Philippus hin und hörte, dass er den Propheten Jesaja las, und fragte: Verstehst du auch, was du liest? Er aber sprach: Wie kann ich, wenn mich nicht jemand anleitet? Und er bat Philippus, aufzusteigen und sich zu ihm zu setzen. Philippus aber tat seinen Mund auf und fing mit diesem Wort der Schrift an und predigte ihm das Evangelium von Jesus. Und als sie auf der Straße dahinfuhren, kamen sie an ein Wasser. Da sprach der Kämmerer: Siehe, da ist Wasser; was hindert‘s, dass ich mich taufen lasse? Philippus aber sprach: Wenn du von ganzem Herzen glaubst, so kann es geschehen. Er aber antwortete und sprach: Ich glaube, dass Jesus Christus Gottes Sohn ist. Und er ließ den Wagen halten, und beide stiegen in das Wasser hinab, Philippus und der Kämmerer, und er taufte ihn. Als sie aber aus dem Wasser heraufstiegen, entrückte der Geist des Herrn den Philippus, und der Kämmerer sah ihn nicht mehr; er zog aber seine Straße fröhlich. (Apg 8)

Das Evangelium als Gegenkultur in der Öffentlichkeit Paulus aber stand mitten auf dem Areopag und sprach: Ihr Männer von Athen, ich sehe, dass ihr die Götter in allen Stücken sehr verehrt. Ich bin umhergegangen und habe eure Heiligtümer angesehen und fand einen Altar, auf dem stand geschrieben: Dem unbekannten Gott. Nun verkündige ich euch, was ihr unwissend verehrt. Gott, der die Welt gemacht hat und alles, was darin ist, er, der Herr des Himmels und der Erde, wohnt nicht in Tempeln, die mit Händen gemacht sind. Auch lässt er sich nicht von Menschenhänden dienen, wie einer, der etwas nötig hätte, da er doch selber jedermann Leben und Odem und alles gibt. Und er hat aus einem Menschen das ganze Menschengeschlecht gemacht, damit sie auf dem ganzen Erdboden wohnen, und er hat festgesetzt, wie lange sie bestehen und in welchen Grenzen sie wohnen sollen, da-

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mit sie Gott suchen sollen, ob sie ihn wohl fühlen und finden könnten; und fürwahr, er ist nicht ferne von einem jeden unter uns. Denn in ihm leben, weben und sind wir; wie auch einige Dichter bei euch gesagt haben: Wir sind seines Geschlechts. Da wir nun göttlichen Geschlechts sind, sollen wir nicht meinen, die Gottheit sei gleich den goldenen, silbernen und steinernen Bildern, durch menschliche Kunst und Gedanken gemacht. Zwar hat Gott über die Zeit der Unwissenheit hinweggesehen; nun aber gebietet er den Menschen, dass alle an allen Enden Buße tun. Denn er hat einen Tag festgesetzt, an dem er den Erdkreis richten will mit Gerechtigkeit durch einen Mann, den er dazu bestimmt hat, und hat jedermann den Glauben angeboten, indem er ihn von den Toten auferweckt hat. Als sie von der Auferstehung der Toten hörten, begannen die einen zu spotten; die andern aber sprachen: Wir wollen dich darüber ein andermal weiter hören. So ging Paulus von ihnen. (Apg 17)

Die vier Erfahrungs­ räume des Evangeliums

Zusammenfassend ergibt sich folgendes Bild: Die Gemeinde Verbind­ liche Gemein­ schaft Apg. 2

(nach der Apostelgeschichte)

Der Weg Begleitung auf Zeit Apg. 8

Der offene Tempel Heilsame Begenungen Apg. 3

Der Marktplatz Öffentliche Präsenz Apg. 17

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Die verschiedenen Vorstellungen der Kirchenvorsteher/innen lassen sich so als gleich–wertige Erfahrungsräume des Evangeliums begreifen, in denen Jesus Christus heutigen Menschen begegnet. Vor diesem Hintergrund gewinnt das Projekt für die Neuzugezogenen Gestalt. Es ist klar, dass es eine mehrdimensionale Lösung geben soll. Eine Projektgruppe wird gebildet und mit Vertreter/innen aller vier Leitvorstellungen besetzt. Sie erarbeitet eine Konzeption mit folgenden Bausteinen:

Konkretion des Pro­ jektes

Erfahrungsraum Gemeinschaft

Kennenlerntreff für Neuzugezogene und andere

Erfahrungsraum Begegnung Erfahrungsraum Wegbegleitung

Besuchsdienst zur Kontaktaufnahme

Erfahrungsraum Öffentlichkeit

Artikel im Gemeindebrief und Tageszeitung, die auf das Projekt hinweisen

Begrüßungsbrief mit den Angeboten zu Seelsorge und Kasualien

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3. Unsere Vorbilder: Was bestimmt uns? Mein persönliches Wunschbild von Gemeinde, dein Wunschbild, unser gemeinsames Bild, nach dem wir uns unsere Gemeinde vorstellen, das gewünschte Bild nach außen, das wir durch unsere Öffentlichkeitsarbeit erzeugen wollen – alle diese Bilder haben etwas Faszinierendes an sich. Die Beschäftigung mit ihnen ist spannend wie die Entdeckungsreise der Blinden auf dem Elefanten. Sie beflügeln unsere Fantasie, geben uns neue Energie und bewahren uns davor, im Einerlei des Alltagsgeschäftes zu versanden. Wirksam werden sie dann, wenn sie in der realen Situation einer Gemeinde geerdet sind und in ihrem Umfeld verankert sind. Diesen Rahmen bilden die Vorbilder: gewachsene Traditionen und Herausforderungen, aber auch theologische Entscheidungen und Modelle, die eine Gemeinde geprägt haben und prägen. Häufig liefern erst diese Faktoren eine schlüssige Erklärung dafür, warum eine Gemeinde so ist, wie sie ist, und warum ihre Wunschbilder und die Realität oftmals nicht übereinstimmen.

3.1. Die Traditionen: Gemeinden im Wandel Bis weit ins 20. Jahrhundert hinein war die Alltagskultur durch die Kirche geprägt. Symbolisch dafür waren die große Nähe von Thron und Altar, später dann von Kirche und Gesellschaft. Kirchengebäude und Kirchtürme prägten und prägen die Landschaften, Pfarrer und später auch Pfarrerinnen waren gesellschaftlich anerkannte Schlüsselpersonen des öffentlichen Lebens. Es gab keine Gemeindearbeit im heutigen Sinn. In der Ortsgemeinde konzentrierte sich alles auf den Gottesdienst, die Amtshandlungen, Unterricht und Seelsorge des Pfarrers. Seit etwa 1960 hat sich die Gemeindelandschaft immer wieder verändert. Prägende Traditionen und Vorbilder haben ihre Bedeutung behalten, neue sind dazu gekommen. Vieles hat sich im Austausch und im Dialog mit gesellschaftlichen Umbrüchen entwickelt.

Die 60er Jahre: „Gemeinde als Heimat“ Nach dem Wiederaufbau und der theologischen und kirchlichen Erneuerung der Nachkriegsjahre setzt mit dem beginnenden

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Wirtschaftswunder eine erste Phase der Entkirchlichung ein. Hugo Schnell, Dekan in Schweinfurt, entwickelt als Antwort auf die beginnende Kirchendistanzierung das Modell der überschaubaren Gemeinde. Überschaubare Gemeinden haben etwa 1000 Mitglieder, einen Pfarrer und eine Kirche (wie in der traditionellen Volkskirche) sowie ein eigenes Gemeindehaus, in dem sich Gruppen und Kreise treffen können.

Die 70er Jahre: „Gemeinde als Organisation“ Aufgrund der gesellschaftlichen Umbrüche entstehen neue Zielgruppen und Aktionsformen („Dritte-Welt-Gruppen“, Basisgemeinden, sozialdiakonische Einrichtungen). Die Gebietsreform führt zur Zusammenführung von kleinen, gewachsenen Einheiten zu größeren. Parallel dazu entstehen vielerorts große Gemeindeverbünde auch im kirchlichen Raum. Daneben und als Ergänzung dazu entwickeln sich die überparochialen Dienste (Jugendarbeit, Diakonie, Erwachsenenbildung). Neben den Pfarrer treten weitere hauptamtliche Profis mit eigener Qualifikation im pädagogischen und sozialen Bereich. Die Soziologie spielt eine große Rolle.

Die 80er Jahre: „Gemeinde als Netzwerk“ Die Friedensbewegung, die Ökologiebewegung, die Frauenbewegung halten in die Kirche Einzug und prägen nicht nur Kirchentage, sondern auch Gemeinden. Es entstehen zahlreiche freie Initiativen und Selbsthilfegruppen. Es geht um Selbstgestaltung und Selbstentfaltung. Die Institution und die Amtskirche werden demgegenüber kritisch abgewertet. Parallel dazu entstehen durch die geistliche Gemeindeerneuerung Richtungsgemeinden. Die Auseinandersetzung zwischen volkskirchlichem und missionarischem Gemeindeaufbau nimmt teilweise scharfe Formen an.

Die 90er Jahre: „Gemeinde als Non–Profit–Unterneh­ men“ Globalisierung und „New–Age“ lassen den religiösen Markt boomen. Im Gegenzug verlieren die Amtskirchen wie andere große Organisationen auch für viele an Attraktivität. Zur selbstgewählten Patchwork–Identität postmoderner Menschen

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gehören auch frei kombinierte religiöse Versatzstücke unterschiedlichster Herkunft. Kirche profiliert sich als kompetenter Anbieter und entwickelt entsprechende Programme: „evangelisches München programm“(eMp), „Evangelisch in Nürnberg“ (EiN), Leitbildprozess und Handlungsfeldkonzept der Landeskirche. Gemeindliche Angebote werden von ihren „Kunden“ auf ihren „Nutzen“ hin überprüft: „Ich gehe nicht in die Kirche, weil es sich so gehört, sondern dann, wenn ich etwas davon habe.“ Doch regt sich in kirchlichen Kreisen und darüber hinaus in der kritischen Öffentlichkeit zunehmend Widerspruch gegen eine „Kundenorientierung“ der Kirche und die befürchtete „Vermarktung“ des Evangeliums.

Nach 2000: „Gemeinde als Kirche vor Ort“ Der zunehmende Verlust christlicher Traditionen und Inhalte in weiten Teilen der Gesellschaft führt dazu, dass sich in den neuen Bundesländern die Gemeinden als Minderheit einer Mehrheit von Religionslosen gegenüber sehen, während in den alten Bundesländern die Zahl der Konfessionslosen durch Kirchenaustritte weiter wächst. Der Mitgliederverlust und andere gesellschaftliche Faktoren zwingen die Kirchen dazu, ihre Haushalte zu konsolidieren. Künftig muss kirchliche Arbeit auf hohem Niveau mit weniger Geld auskommen! Diese Herausforderung steht für viele Kirchenvorstände im Zentrum ihrer Haushaltsberatungen. Auf der anderen Seite hält der Trend zu frei vagabundierender Religiosität ungebrochen an. In den Gemeinden wächst das Bewusstsein für die sogenannten distanzierten Gemeindemitglieder oder „Christen in Halbdistanz“. Nach neueren Umfragen („Kirche in der Vielfalt der Lebensbezüge“, McKinsey-Studie für das Dekanat München) stellen sie die weitaus größte Gruppe der Gemeindeglieder dar. Das Gespräch und die qualifizierte Kontaktarbeit mit ihnen werden zunehmend wichtig. Dabei erweisen sich die binnenkirchlichen Räume oftmals als zu eng. Das Gespräch wird in den verschiedensten Lebenswelten zu führen sein. Neue Medien wie Mobilfunk und Internet bieten sich an, um „das Evangelium unter die Leute zu bringen“ (so der Titel einer EKD – Studie). Neben verschiedenen Kommunikationsinitiativen kommt dabei vor allem dem landeskirchlichen Projekt „Kirche vor Ort“ derzeit eine Schlüsselfunktion zu. Die zentrale Frage lautet: Was müssen wir tun, um mit unseren Möglichkeiten und im Rahmen der

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vorhandenen Ressourcen den Menschen vor Ort möglichst nahe zu sein? Die Orientierung an den heutigen Bedürfnissen und Lebensformen (= Milieus) kann nur dann gelingen, wenn neben der Grundversorgung in der jeweiligen Ortsgemeinde zugleich auch gemeindeübergreifend besondere Angebote (Zielgruppengottesdienste, Erwachsenenbildung, Kirchenmusik, Diakonie u.a.) möglich sind. „Kirche vor Ort“ ist in der Ortsgemeinde und in übergemeindlichen Angeboten und Einrichtungen zu verwirklichen.

Anregungen für das Gespräch im Kirchenvorstand: - Welche „prägenden Bilder“ entdecken wir in unserer Gemeinde? Welche Phase der Gemeindeentwicklung hat uns besonders geprägt?

Die Landessynode hat zu dem Projekt „Kirche vor Ort“ ein Impulspapier und eine Arbeitshilfe veröffentlicht. Informationen zu dem Projekt und die Materialien sind im Intranet erhältlich.

- Wo und wie gehen wir auf „Christen in Halbdistanz“ in unserer Gemeinde zu? Was lässt sich noch verbessern? - Wie bringen wir „das Evangelium unter die Leute“? In welchen Räumen und Lebenswelten bewegen wir uns dabei? Welche bleiben uns fremd oder verschlossen? - Was können wir gemeinsam mit anderen Gemeinden und kirchlichen Einrichtungen verwirklichen? Wo können uns andere entlasten? - Wie sehen unsere interne Kommunikation und unsere Öffentlichkeitsarbeit aus? Was lässt sich noch verbessern? - Wie stehen wir zur „Kundenorientierung“ in unserer Arbeit?

3.2. Die Herausforderungen Das Reden von der „mobilen Gesellschaft“ gehört zu den Selbstverständlichkeiten unserer Kultur. Mobilität ist die Normalität, Immobilität ein Zeichen von Einschränkung. Immer mehr Menschen werden zu „Pendlern“. Sie haben einen geographischen Fixpunkt, an dem sie wohnen, daneben aber noch einen oder mehrere örtliche Bezugspunkte, an denen ihr berufliches oder privates Leben stattfindet. Als Tagespendler, Wochenendpendler, Handelsreisende gehen sie ihrer Arbeit nach. Als Touristen, Besucher/innen von Freunden und Verwandten und als Konsumenten unterschiedlichster „Events“ verbringen sie ihre Freizeit. Zu Pendlern in der ein oder anderen Form sind

Mobile Ge­ meinden in einer mobi­ len Gesell­ schaft

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Mobilität: Herausfor­ derung für moderne Menschen…

… und für die Kirchen

fast alle Mitglieder der modernen Gesellschaft geworden, zumindest alle, die im Vollbesitz ihrer körperlichen und finanziellen Möglichkeiten sind. Kinder und Alte, Kranke und Behinderte, Strafgefangene und Sozialhilfeempfänger geraten schnell ins gesellschaftliche Abseits, weil ihnen die nötige Mobilität abgeht. Aber auch die Mobilen stehen immer häufiger vor der Herausforderung, die Vielfalt an Wohnorten, Arbeitsorten, Freizeitorten, Urlaubsorten sinnvoll zu verbinden. Weil die Menschen in Verbindung bleiben und oft auch über große Entfernungen hinweg Kontakt halten, entstehen weitmaschige Kommunikationsnetze: Man ist in der ganzen Welt zuhause (Globalisierung). Auf der anderen Seite erzeugt die permanente Mobilität immer häufiger Stress und Hetze und ein Gefühl von Fremdsein und Heimatlosigkeit (Vereinzelung). Die gewachsene Mobilität ist einer der wichtigsten Gründe dafür, dass für viele Menschen die Ortsgemeinde nicht mehr der wichtigste Lebensraum ist. Dabei wirkt sich die Mobilität im Freizeitbereich besonders gravierend auf das Gemeindeleben aus, weil Gemeinde weithin in der Freizeit stattfindet. Gemeinde hat wie andere gewachsene Sozialformen (Familie, Nachbarschaft, Dorfgemeinschaft, Stadtteil) an Bedeutung verloren. An ihre Stelle sind selbstgewählte Milieus getreten, die sich jeweils in Lebenssituation, Lebensstil und Wertorientierung ähneln. Folgerichtig sind deshalb neben den Ortsgemeinden zahlreiche übergemeindliche Einrichtungen entstanden, die für viele Zeitgenossen zur „Gemeinde“ werden. Bildungszentren, Akademien, Tagungshäuser, Studierendengemeinde, diakonische Einrichtungen ergänzen das Netz von Ortsgemeinden. Manchmal werden diese kirchlichen Lebensräume als Konkurrenz oder als Zubringer zur Ortsgemeinde verstanden. Doch recht verstanden zielt der Missionsauftrag des Auferstandenen „Geht hin in alle Welt ...“ nicht auf die Gemeinden, sondern auf die ganze Welt. Das Evangelium will und kann in vielfältiger Weise und auf verschiedenen Wegen zu den Menschen kommen. Die Ortsgemeinde ist dabei ein wesentlicher, aber nicht der einzig mögliche Zugang. Wenn außerhalb der Ortsgemeinden aufgrund der gewachsenen Mobilität neue kirchliche Sozialformen entstehen, so ist das theologisch und aufgrund der veränderten Rahmenbedingungen gut und sinnvoll. Es kann auch für die Ortsgemeinde entlastend sein, wenn sie weiß, dass sie nicht länger für alles und für alle zuständig sein muss.

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Für die meisten Menschen behält die Ortsgemeinde ihre Bedeutung dort, wo es um Lebensbegleitung und geistliche Beheimatung im Lauf der Zeiten geht. Denn für viele Menschen ist der Nahbereich nach wie vor ein wichtiger Lebensraum, nicht nur für die Kinder, die noch nicht, oder für ältere Menschen, die nicht mehr mobil sind. Für Menschen, die sich familiär auf einen Ort konzentrieren, kann die „Kirche in Reichweite“ nach wie vor „Heimat“ sein. Der gemeinsame Gottesdienstbesuch am Heiligen Abend, die Konfirmation der Kinder, „unser Pfarrer„ und „unsere Kirche“ tragen viel zur geistlichen Beheimatung bei. Die Ortsgemeinde kann so als „Gegenkultur“ in einer anonymen und hektischen Welt Heimat für Verschiedene und Übungsfeld für „Entschleunigung“ werden, in der Menschen ihre geistlichen Wurzeln (wieder) entdecken und ihrer Seele eine Atempause gönnen können.

Lebens­ raum Orts­ gemeinde

Daneben tritt ein innergemeindliches Netzwerk unterschiedlicher Gruppen und Initiativen, in denen bestimmte Zielgruppen oder Menschen in bestimmten Lebenssituationen eigenständig und selbstverantwortlich „ihren Stil“ entwickeln und pflegen können. Ergänzt wird diese innergemeindliche Differenzierung in Aktionsräume und Initiativen durch übergemeindliche Planungen und Kooperationen. Die Zukunft liegt in regionalen Gemeindeverbünden, die gemeinsam planen und handeln. Sie bestehen aus verschiedenen Lebenszentren, die neben der pastoralen Grundversorgung (Gottesdienst, Kasualien, Seelsorge, Unterricht) einen besonderen Schwerpunkt für die Region beitragen (Kirchenmusik, Diakonie, Zielgruppenarbeit) und in anderen Bereichen durch das Angebot der Nachbarn entlastet und ergänzt werden. Die Hamburger Theologin Uta Pohl-Patalong hat dafür den treffenden Begriff der „kirchlichen Orte“ geprägt.

Überge­ meindliche Netzwerke

Zum Nachdenken: Gedanken von Andrea Schwarz

Entschleunigen was ist los mit unserer Welt? was ist los mit unserer Zeit? Immer mehr Immer besser Immer schneller schneller

besser mehr lauter hektischer angestrengter

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noch eine Idee noch ein Termin noch eine Aktivität noch ein Plan noch eine Veranstaltung noch ein Gremium wir legen uns krumm sichern uns ab amüsieren uns zu Tode wir stopfen uns voll mit Bildern und Eindrücken Lärmen und Hasten und machen und machen und tun wir strengen uns an wir strengen uns noch mehr an und doch ändert sich nichts also noch mehr tun und noch mehr machen noch besser noch schneller noch mehr? noch mehr von demselben das scheint nicht der Weg zu sein der unsere Sehnsucht stillt ganz im Gegenteil ein dumpfer Verdacht beschleicht mich könnte es sein dass wir das Eigentliche verloren

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vergessen verdrängt haben dass wir unsere Wurzeln abgeschnitten haben unseren Grund verlassen die Quellen zugeschüttet haben könnte es sein dass wir gerade deshalb so viel tun? könnte es sein dass wir die Fragen nicht mehr aushalten und deshalb dauernd Antworten geben? könnte es sein dass wir die Leere nicht mehr aushalten und uns deshalb so mit Bildern und Worten anfüllen? könnte es sein dass wir die Stille nicht mehr aushalten und deshalb so laut geworden sind? könnte es sein dass wir uns selbst nicht mehr aushalten und uns deshalb so nach außen orientieren? könnte es sein dass wir vor lauter UnterwegsSein das Ziel aus den Augen verloren haben? könnte es sein ...

vielleicht ist jetzt etwas anderes angesagt

Besitz Leistung

vielleicht müssen wir den Teufelskreis von Machbarkeit von Leistung und Tun neu durchbrechen

vielleicht ist lassen angesagt

um das zu finden was wir wirklich suchen damit unser Herz ruhig wird unsere Sehnsucht sich stillt vielleicht ist jetzt Innehalten angesagt Tempo herausnehmen entschleunigen sich neu orientieren den Weg neu bestimmen vielleicht ist es angesagt Abschied zu nehmen vom Glauben an die Machbarkeit vom Überzeugt-Sein „alles-hängt-allein-an-mir“ vom Glauben an die Götzen Macht

sich lösen von vordergründig Wichtigem sich lösen von Erwartungen Bildern Ideen um neu hinzuschauen hinzuhören sich hinzugeben in den Strom der Lebendigkeit in die Liebe Gottes um neu zu sein und neu zu werden

Anregungen für das Gespräch im Kirchenvorstand: - Mobilität und Immobilität – wie sieht das in unserer Gemeinde aus? Wer ist auf die Ortsgemeinde besonders angewiesen: Kinder, ältere Menschen und andere, deren Mobilität eingeschränkt ist? - Wie können wir durch unsere Gottesdienste, durch Kontaktarbeit und Besuchsdienst, durch Seelsorge und Amtshandlungen den Menschen am Ort „Heimat“ und „Entschleunigung“ vermitteln? - Was in unserem Gemeindeleben kann zum „Event“ werden, das auch für mobile Menschen interessant wird?

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- Wie können wir engagierte Gruppen in unserer Gemeinde fördern, mit ihnen in Verbindung bleiben und ihre Vernetzung in die Gemeinde fördern? - Wie können wir mit unseren Nachbarn in der Region in Kontakt treten und kooperieren? Was ist dabei unser besonderer Beitrag für die Region? Wo erwarten wir uns Entlastung durch andere?

3.3. Die Modelle: Gemeindeentwicklung zwischen Vielfalt und Entschiedenheit Der Überblick über die Entwicklung der Gemeindelandschaft hat es gezeigt: Jede Zeit stellt ihre eigenen Fragen und verlangt ihre eigenen Antworten. Die Fülle an Konzeptionen und Modellen für Gemeindeaufbau und Gemeindeentwicklung entspricht dieser Einsicht. Auf der anderen Seite stellt sich dieser Reichtum und die Vielfalt an Möglichkeiten dem theologischen Laien oftmals wie ein Dschungel dar, in dem er sich leicht verirren kann. Kein Kirchenvorstand kann und muss die Fülle an Konzeptionen und Modellen im Einzelnen kennen. Aber er kann sich einen Überblick verschaffen und sich für die eigene Gemeindepraxis dadurch anregen lassen.

Erneuerung der Volkskirche Ausgangspunkt ist die Erkenntnis, dass die Taufe Mitgliedschaft in der Gemeinde begründet. Auf dieser Basis sind in der volkskirchlichen Realität verschiedene Formen von Beteiligung möglich: Neben der relativ kleinen Gruppe Hochverbundener, die regelmäßig am Gemeindeleben teilnehmen, stehen die vielen, die „Kirche bei Gelegenheit“ suchen. Ergänzt werden diese durch die Engagierten, die sich für eine besondere Lebenssituation oder ein bestimmtes Anliegen in der Gemeinde einsetzen, sowie durch Gäste und Fremde, die eher zufällig und punktuell Notiz von der Gemeinde nehmen. Ziel der Bemühungen ist es, den unterschiedlichen Bedürfnissen durch eine „Komm–Struktur“ und eine „Geh–Struktur“ gerecht zu werden. Gemeinden öffnen sich für die, die kommen, und gehen auf die zu, die fern stehen. Zugleich bieten sie ganz im Sinne einer „missionarischen Doppelstrategie“ Räume der verdichteten Glaubenserfahrung an.

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Konziliare Gemeinschaft Auch hier steht im Hintergrund ein klares Ja zur volkskirchlichen Vielfalt. Allerdings tritt der Wegcharakter (Konziliarer Prozess) deutlicher hervor: Die Gemeinschaft der Verschiedenen ist als „wanderndes Gottesvolk“ (Hebr 12) gemeinsam unterwegs zum Reich Gottes und feiert diese Gemeinschaft symbolisch am Tisch des Herrn. Spiritualität, Lebensstil und Weltverantwortung werden als zusammengehörig gesehen. Vielfalt der Stile und unterschiedliche Bindungsformen werden als Reichtum verstanden, der aufeinander bezogen ist. Ziel ist die Lerngemeinschaft der Verschiedenen in einer offenen und vielfältigen Volkskirche. Gemeinsam gibt sie ihrem Glauben Gestalt, tritt für das Leben ein und pflegt als geschwisterliche Kirche Kontakte über den eigenen Kirchturm hinaus.

Missionarischer Gemeindeaufbau Die volkskirchliche Realität wird als Beliebigkeit kritisiert. Demgegenüber wird ein Modell von Kirche entwickelt, das in konzentrischen Kreisen aufgebaut ist: Innerhalb einer Welt von Fernstehenden sammelt sich um Wort und Sakrament die Gemeinde als intensiv lebende Gemeinschaft. Im Zentrum werden die engagierten Gemeindeglieder geistlich erbaut und zur Mitarbeit befähigt, indem ihre Gaben entdeckt und gefördert werden. Andere sollen durch sie zum Glauben eingeladen und in die Gemeinschaft eingebunden werden. Zur Gemeinde gehören die, die sich einladen und ansprechen lassen. Denken und Handeln gehen von innen (Kerngemeinde) nach außen (an die Ränder).

Gemeindewachstumsbewegung Leitbild ist die kontinuierlich wachsende Gemeinde. Aus dem Bereich der Unternehmensführung stammen die Elemente, mit denen dieses praktisch umgesetzt werden soll: eine zündende Vision, deren engagierte Vermittlung, eine entschlossene Führerpersönlichkeit und die Motivation der Mitarbeitenden. Der Gemeinde–Trainer hat die Aufgabe, eine dem Willen Gottes entsprechende Vision zu entwerfen, die Gemeinde dafür zu gewinnen und darauf zu achten, dass jedes Gemeindeglied entsprechend motiviert und zugerüstet wird, um seinen Beitrag zur Verwirklichung dieses Zieles zu leisten. Hohe Verbindlichkeit

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nach innen und klare Abgrenzung nach außen gehören zusammen. Es geht um eine Gemeinde der Entschiedenen und Hochengagierten. Das Motto lautet: Steig entweder voll ein oder steig aus! Dahinter stehen ein deutlich missionarischer Impuls sowie der Wille nach Qualitätssteigerung. Die Volkskirche wird zugunsten einer Entscheidungskirche abgelehnt oder zumindest kritisiert.

Anregungen für das Gespräch im Kirchenvorstand: - Wo sehen wir Stärken und Schwächen bei den verschiedenen Ansätzen? - Welches Modell entspricht unserer eigenen Gemeindepraxis am ehesten? Von welchem sind wir am meisten entfernt? - Wie beurteilen wir die volkskirchliche Wirklichkeit? Und wie die Chancen und Grenzen einer Gemeinde der Entschiedenen? - Wie sieht unsere „Unternehmensphilosophie“ aus? Wo legen wir Wert auf Qualität? - Wer oder was steht in unserer Gemeindeentwicklung im Zentrum?

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4. Unsere Fremdbilder: Wie sehen uns die anderen? 4.1. Neue Milieus und ihr Bezug zur Gemeinde An die Stelle traditioneller Sozialformen wie Familie und Nachbarschaft sind neue Formen getreten. Die Soziologen sprechen von Milieus. Anders als die eher in sich geschlossenen traditionellen Lebensformen sind sie Gesinnungsgemeinschaften. Was die Menschen in einem Milieu verbindet und von denen anderer Milieus unterscheidet und oft genug trennt, sind ihre Überzeugungen, Stile und Werte. In der „Erlebnisgesellschaft“ (G. Schulze) unterscheiden sich die Menschen weniger durch Bildung und soziale Herkunft, sondern vor allem durch ihre unterschiedlichen Antworten auf die Frage, wie ihr individuelles Lebensprojekt aussieht. Es bilden sich verschiedene Typen (=Milieus) heraus, je nachdem, wie die Menschen die verschiedensten Lebensbereiche ausbalancieren: die Arbeit, das Zusammenleben, die Freizeit, Politik, soziale Gerechtigkeit und nicht zuletzt auch ihre weltanschauliche und religiöse Orientierung. All das folgt bestimmten Mustern und schafft Nähe und Distanz zu anderen Menschen. Man trifft sich, besucht die gleichen sozialen Treffpunkte, geht auf Distanz zu anderen und entwickelt auf diese Weise ein „Wir–Bewusstsein“. In unserem Zusammenhang interessiert vor allem die Frage, inwiefern diese Milieus in der Kirche präsent sind und welchen Bezug zur Gemeinde sie überhaupt haben. Nach einer Studie der VELKD lassen sich acht Milieus skizzieren:

Traditionelle Kirchenchristen: „Gottes Wort im Alltag“ Alter meist über 50 Jahre, geringe Formalbildung, kleine Selbstständige, kleine und mittlere Angestellte und Beamte. Sie bilden häufig die Kerngemeinde, besuchen regelmäßig den Gottesdienst, arbeiten ehrenamtlich mit und sind durch kirchliche Angebote in aller Regel gut zu erreichen.

Quelle; Vögele/Vester (Hg.), Kirche und die Milieus der Gesellschaft, Loccumer Protokolle 56/99

Moderne Kirchenchristen: „Sehnsucht nach der Insel“ Alter zwischen 30 und 50 Jahre, mittlerer bis höherer Schulabschluss, mittlere und höhere Positionen vor allem im Dienstleistungsbereich. Sie stehen der Kirche aufgeschlossen gegenüber

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und nehmen an ihren Angeboten Teil, wenn sie ihrem Bedürfnis nach „Beheimatung“ entsprechen und familiengerecht sind (Familiengottesdienste, Gemeindefeste, Kasualien).

Alltagschristen: „Taten statt Worte“ Alter meist über 40 Jahre, untere bis mittlere Formalbildung, Facharbeiter, Handwerker, Angestellte. Kirche ist vor allem bei Kasualien und Gedenktagen bedeutsam. Mitgliedschaft ist „Solidargemeinschaft“. Wichtig ist das diakonische Engagement der Kirche; deshalb wird sie auch unterstützt. Große Bereitschaft zu praktischer Mitarbeit.

Wohlwollend Distanzierte: „Kirche für die besonderen Momente im Leben“ Alter zwischen 30 und 45 Jahre, mittlerer Bildungsabschluss, Facharbeiter und Fachangestellte in Industrie, Verwaltung und Dienstleistung. Wichtig ist „Christsein im Alltag“, Kirche ist vor allem im Blick auf die Familie und bei Kasualien bedeutsam. Sie soll als Dienstleister für die Menschen da sein.

Anspruchsvolle: „Der Gott, den ich mir vorstelle“ Alter zwischen 25 und 40 Jahre, hohe Qualifikation, anspruchsvolle Tätigkeiten in Gesundheit, Sozialwesen, Technik, Informatik. Wichtig sind spirituelle Erfahrungen, ethische Werte und die Möglichkeit zu selbstbestimmtem Engagement in Projektform. Das „normale“ Gemeindeleben wirkt bieder und abgestanden und wenig attraktiv.

Scheinbare Rebellen: „Bier zum Abendmahl“ Alter zwischen 12 und 18 Jahre (=Jugendliche), SchülerInnen, Auszubildende. Die Kirche wird wie die übrige Erwachsenenwelt als veraltet abqualifiziert und dient als Reibfläche. Wichtig ist die Konfirmandenzeit, die je nach Einstellung unter konventionellen, erlebnisorientierten, materiellen oder ideellen Gesichtspunkten betrachtet wird. Freizeiten mit Erlebnischarakter, offene Treffs und der „Pfarrer zum Anfassen“ stehen hoch im Kurs.

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Humanisten: „Mehr Diskussion, weniger Predigten“ Alter über 35 Jahre, hohe formale Bildung, anspruchsvolle Tätigkeiten im Bereich Gesundheit, Sozialwesen, Bildung und Erziehung. Hohe Erwartung an eine niveauvolle Kirche, intellektuelle Predigten (mit der Möglichkeit zum Nachgespräch) und Kirchenmusik und andere kulturelle Formen. Kritische Einstellung zur traditionellen „Amtskirche“.

Idealisten: „Mehr Kopffreiheit“ Alter 18-25 Jahre (= junge Erwachsene), hoher Bildungsabschluss, berufliche und persönliche Identitätssuche, Studierende vor allem im Bereich Geistes- und Humanwissenschaft, Technik und Informatik, Journalistik und Kommunikationswissenschaft. Kritische Einstellung gegenüber der Kirche und ihren (vermeintlichen) dogmatischen und ethischen Wahrheitsansprüchen. Interesse an geistiger Auseinandersetzung über Sinnfragen, besonderen Gottesdiensten, Kirchentagen und anderen „Events“.

Anregungen für das Gespräch im Kirchenvorstand: - Die verschiedenen Milieus in unserer Gemeinde – welche Menschen fallen uns dazu ein? Wo und wie sind wir mit ihnen in Kontakt? - Unsere Angebote in der Gemeinde – wen sprechen wir damit an? Wo entdecken wir „blinde Flecken“? - Wo gibt es bei uns Begegnungen über Milieugrenzen hinweg: runde Tische, „Gemeinde im Gespräch“, Gemeindefest, besondere Gottesdienste zu Festen wie Weihnachten, Erntedank usw.?

4.2. Neue Formen von Mitgliedschaft Durch die Vielfalt der Lebenswelten, in denen mobile Menschen heute zuhause sind, durch die verschiedenen Milieus, in denen sie ihren Lebensstil entfalten, deutet sich ein Perspektivenwechsel an: Ausgangspunkt ist nicht länger die Frage, wie nah oder wie fern eine Gemeinde, also in erster Linie die Mitarbeitenden und der Kirchenvorstand, „ihre Mitglieder“ erlebt, sondern umgekehrt die Einschätzung, wie nah oder fern die Mitglieder „ihre Gemeinde“ erleben.

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Mobile Menschen haben gelernt, ihre Bedürfnisse und ihr Verhalten selbst in die Hand zu nehmen und zu steuern. Und das gilt auch im Verhältnis zu ihrer Kirchengemeinde: „Ich bestimme mein Verhältnis zu meiner Kirchengemeinde selbst. Ich entscheide, ob, wann und wie ich mich an ihren Aktivitäten beteilige.“ Mobile Gemeinden werden lernen (müssen), diesem Anspruch der Menschen auf verantwortliche Selbststeuerung ihres Lebens mit Respekt und Wertschätzung zu begegnen. Auf der Grundlage der Taufe und des Allgemeinen Priestertums aller Getauften bedeutet das ein Ja zu unterschiedlichen Bindungsformen und Graden der Beteiligung am gemeindlichen Leben. Dabei machen die Ergebnisse der Mitgliedschaftsstudien Mut, denn: „Die Grundstimmung der Kirchenmitglieder ihrer Kirche gegenüber ist freundlicher, als es die öffentliche Meinung hätte vermuten lassen.“ (Fremde Heimat Kirche) Die meisten vermeiden Extrempositionen und siedeln sich im breiten Mittelfeld an, das weniger eindeutig und verbindlich ist. So bezeichneten sich bei der dritten EKD–Umfrage „Fremde Heimat Kirche“ (1992) 10% der Befragten als „hochverbunden“, während ein Viertel (26%) sich als „kaum oder überhaupt nicht verbunden“ sah. Die weitaus größte Gruppe stellten mit zusammen 64% die „ziemlich oder etwas Verbundenen“ dar. Mit etwa zwei Drittel stellen die „Christen in Halbdistanz“ also die weitaus größte Gruppe in den Gemeinden dar.

Perspekti­ venwechsel: Kirche aus der Sicht ihrer Mit­ glieder

Welche Sicht haben sie von der Kirche? Und was erwarten sie von „ihrer Gemeinde“? Anders gefragt: Wie sehen uns die „kirchlich Distanzierten“? Wie oft nehmen Menschen, die ihrer Kirchengemeinde sehr oder ziemlich verbunden sind, an einem Gottesdienst teil? Diejenigen, die von sich selbst sagen, dass sie sich ihrer Kirchengemeinde sehr oder ziemlich verbunden fühlen, nehmen durchschnittlich dreimal im Jahr an einem Gottesdienst teil. Sind das nun kirchlich Distanzierte oder Hochverbundene? In ihrem Selbstverständnis sind diese Menschen hochverbunden; von anderen in der Kirchengemeinde werden sie als Randsiedler, Distanzierte oder „U-Boot-Christen“ (solche, die nur ab und zu auftauchen) bezeichnet. Unterschiedliche Sichtweisen prallen aufeinander.

Traditionell: Der Wo­ chenrhyth­ mus

Viele hören in der örtlichen Kirchengemeinde die stets ertönende Aufforderung, regelmäßig teilzunehmen, am besten wöchentlich. Nur bewegen sich die meisten Menschen nicht nur in der Lebenswelt Kirchengemeinde, auch nicht nur in der Lebens-

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welt Nachbarschaft und Wohnort, sondern erleben sich als Pendler/innen zwischen vielen Lebenswelten. Schon für Verwandtschafts- und Freundestreffen verlassen viele die Wohn- und Nachbarschaftswelt, ebenso für die Freizeit-, Urlaubs oder Hobbygestaltung. Nahezu täglich wechseln die meisten in die massenmedial vermittelte Welt, an der sie ebenso mit Freude und Schmerz beteiligt sind. Die Berufswelt bedeutet in der Regel noch einmal eine andere Lebenswelt. Für die durch Lebenswelten pendelnde Person kann selbst die Rückkehr in die Kleinfamilie noch einmal einen Wechsel in eine andere Welt bedeuten. Wie viel Engagement ist dann pro Lebenswelt möglich? Wie viel Zeit zum Verweilen und zur Pflege von Gemeinschaft, gerade wenn einem jede dieser Lebenswelten wichtig ist? In welcher dieser Lebenswelten feiere ich mit wem Gottesdienst oder erlebe ich Kirche? Wie ist das, wenn ich in der örtlichen Kirchengemeinde niemanden kenne? Der wöchentliche Rhythmus ist vielen Menschen nicht mehr möglich. Daher ist ein großer Teil der Kirchenmitglieder dankbar, wenn Veranstaltungen angeboten werden, die nur in größeren Rhythmen wiederkehren oder einmalig stattfinden:

Neue Lebens­ rhythmen

Ein Mann, der sonst keine kirchliche Veranstaltung besucht hat, wird Vater. Mit seinen zwei Buben und seiner Frau nimmt er etwa zweimal im Jahr an den sog. Mini-Gottesdiensten teil. Nach drei bis vier Jahren sagt dieser Vater: „Jetzt haben wir unsere Mini-Gottesdienste in Kiddy-Gottesdienste verwandelt.“ Diese als „Mini-Gottesdienste“ bezeichneten Gottesdienste für Kinder bis ca. 4 Jahren fanden viermal jährlich statt. Der Vater beteiligt sich zu 50% und konnte sich mit dieser Veranstaltung identifizieren: „unsere Minigottesdienste“. Nun engagierte er sich sogar für die Umwandlung dieser Gottesdienste für die nächste Altersstufe. Ähnlich verhält es sich betreffs Teilnahme

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bei einer Dame, die den Gottesdienst am Heiligen Abend mit den Worten verlässt: „Es war ja so wohltuend, Frau Pfarrer, ich komme nächstes Jahr ganz bestimmt wieder.“ Fatal, wenn jemand, der einen höheren Teilnahme-Rhythmus praktiziert, diese Frömmigkeit nicht gelten lässt.

Gemeinde als lebens­ fördernder Raum

„Eine Gemeinde für Kirchenferne und Kirchennahe ist ein lebensfördernder Raum der Begegnung mit dem dreieinigen Gott, mit anderen, mit der Mitwelt und mit mir selbst – und sie schafft solche Räume.“ Dieses Leitbild können viele „Insider“ und „Distanzierte“ unterschreiben. Nur die nötige oder die gewünschte Teilnahmehäufigkeit sehen die beiden Gruppen verschiedenen; kurz: „Wie oft möchte ich solche Räume betreten bzw. wie oft brauche ich sie?“ Von dem Wort Jesu zum Sabbat (Mk 2,27) inspiriert, gilt: „Die Kirche/Gemeinde ist um des Menschen willen gemacht und nicht der Mensch um der Kirche/Gemeinde willen.“ Für die „kirchlich Distanzierten“ ist klar, dass Kirche und Gemeinde kein Selbstzweck sind. Kirche und Gemeinde sollen dem Leben dienen. Sozial und diakonisch engagiert, sich nicht von der Gesellschaft abgrenzen, Beiträge zur Lebensgestaltung bringen und durchaus miteinander glauben und beten, sind Erwartungen, die Mitgliedschaftsuntersuchungen erhoben.

Vielfältige Beteili­ gungs­ formen

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Wenn Kirche und Gemeinde darauf setzt, dass bei jedem und jeder die Beziehungen zu Gott, zu anderen, zur Mitwelt und zur eigenen Person selbst lebensförderlich gestaltet werden, sind die Ziele der Insider und der Distanzierten identisch. Dass Kirche und Gemeinde diesen lebensförderlichen Beitrag dadurch erzielen will, dass Menschen dem Evangelium begegnen, wird auch „von außen“ der Kirche und Gemeinde zugestanden bzw. sogar von ihr erwartet. Das Evangelium kann, muss und soll dabei vielfältig Gestalt bekommen – als gesprochenes und geschriebenes Wort, als gelebte Gemeinschaft, als gefeierte Wirklichkeit und als tätige Nächstenhilfe. „Begegnungsräume mit dem Evangelium“ werden dann bei ganz unterschiedlicher Beteiligungs-Häufigkeit gesucht und erlebt. Wichtig ist dabei, dass punktuelle oder gelegentliche Kontakte

nicht nur als Vorstufen gelten. – Ein solches dreigleisiges Modell ist seit alters her im Umfeld der Klöster vertraut. Neben den Mönchen und Begegnungsräume mit dem Evangelium Nonnen (vgl. hochenga- Hochengagiert und tragend giert), gibt es Menschen, Wöchentliches (z.T. mehrmals die Woche) Engagement die sich zu den Klöstern = Gemeinde als Lebensraum Gelegentliche Kontakte halten, z.T. unter Beachtung einiger Regeln, z.B. Familiengottesdienst, Gemeindefest, Kirchenjahresfeste = Gemeinde als Lebensförderung und -bereicherung z.B. Tertiarier(innen) / Punktuelle Kontakte Oblat(inn)en (vgl. gez.b. Kasualien, öffentliche Einweihungen, informelle Gespräche legentlich). Außerdem = Kirche und Evangelium als Lebensförderung und -bereicherung sind Klöster bekannt dafür, dass Gäste dort willkommen sind, mitfeiern und für eine begrenzte Zeit mitleben können, ohne dass sie zu einem dauerhaften Verweilen überredet würden (vgl. punktuell). Von allen kirchlichen Veranstaltungen stoßen Gottesdienste und musikalische Veranstaltungen bei den „Distanzierten“ auf das größte Interesse, allerdings nicht im Wochen- oder Monatsrhythmus. 1992 zeigte die Mitgliedschafts-Studie der EKD, dass nur 8% der Evangelischen in Deutschland nie einen Gottesdienst besuchen. Werden die Besuche bei Taufen, Konfirmationen, Trauungen und Beerdigungen noch abgezogen, bleiben immer noch 62% übrig, die als Erwachsene gelegentlich einen Gottesdienst besuchen. Keine andere kirchliche Veranstaltung kann nur annähernd an diese Zahl heranreichen. 15% geben an, Gemeindefeste zu besuchen, 10% gehen zur Kirchenmusik und nur 5% nennen, dass sie Gruppen, Kreise, Seminare besuchen. Ohne die Intensität von Letzteren in Frage zu stellen, belegt dies, dass Gottesdienste für die allermeisten Evangelischen die Begegnungsstelle zu kirchlichen Veranstaltungen sind. Neben einmalig durchgeführten Gottesdiensten und solchen, die seltener als monatlich stattfinden (z.B. Feste oder Familiengottesdienste), wurden punktuelle oder seltene Veranstaltungen wie Frauenfrühstückstreffs, unterschiedlichste Konzerte und zeitlich begrenzte Projekte (z.B. Elternkurse, Meditationsseminar, Renovierung des Gemeindehauses usw.) genannt. Betont wurden auch die informellen Begegnungen, z.B. in Form von zufälligen Gesprächen („über den Gartenzaun“) und Begegnungen in Vereinen oder ähnlichem. Offene Kirchen, die zum spirituellen Verweilen einladen, und Kirchenführungen, die zu persönlicher Begegnung mit dem Raum anleiteten, wurden als sehr stimmig für und von „Distanzierteren“ erfahren.

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Vielfältige Gemein­ schafts­ formen

„Gemeindeaufbau für die Perspektive anderer“ wird Kirchengemeinde nicht nur als die persönlich-gemeinsame Gemeinschaft an einem realen Ort begreifen und anbieten, sondern in biblischer Tradition Gemeinschaft vielfältiger begreifen (s. Skizze). Das heißt: Gemeindearbeit wird nicht versuchen, alles und alle für eine personal-reale Gemeinschaft zu gewinnen - möglichst kombiniert mit instituinformelle tioneller Gemeinschaft (Sektor Gemeinschaft links unten). Denn das widerspricht zum einem den Erwartungen der sog. Distanzierten als auch den Möglichkeiten der virtuelle personal - reale Gemeinschaft vielen, die zwischen Gemeinschaft verschiedenen Lebenswelten pendeln (müssen). Außerdem würde sich eine Gemeinde, die institutionelle sich auf diesen Sektor (links Gemeinschaft unten) konzentriert, in unguter Weise selbst begrenzen und letztendlich beschränkt werden. Kirchliche Gemeinschaft war und ist immer größer als das, was an einem konkreten Ort und zu einer bestimmten Zeit zusammenfindet. „Virtuelle Gemeinschaft“ meint die Verbundenheit, die z.B. ein Paulus medial herstellte (damals durch Briefe); von der die Liturgie und der Kirchenbau oder der Friedhof zeugt, nämlich die Gemeinschaft mit denen, die vor uns gelebt und geglaubt haben. - So kann ein Begegnungsraum mit dem Evangelium durch die Gemeinschaft mit denen entstehen, die Kunstwerke für eine Kirche geschaffen haben. Ein Kirchenraumbetrachter kann in diese virtuelle und von der Institution erhaltene Gemeinschaft eintreten. Und wenn auf einem Plakat, wie bei der Aktion „Treten Sie ein“ 2001 im Nürnberger Kirchenkreis, eine Person bekennt: „Hier öffnen sich Welten“ und eine andere Person anspricht, entsteht eine informelle und virtuelle Gemeinschaft (Sektor rechts-oben). - Informelle und persönlich-reale Gemeinschaft (Sektor linksoben) kann sich durch zufällige Begegnung oder ein einmaliges Telefongespräch ereignen. Alle Sektoren, alle Formen kirchlicher Gemeinschaft haben so eine wichtige Funktion - sowohl für „Insider“ als auch für „Distanzierte“. Wann und in welchem Rhythmus welcher Sektor angesagt ist, bleibt dabei aber offen.

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Kurz: Ganz unterschiedliche Arten kirchlicher Gemeinschaft - mit nochmals unterschiedlichen Rhythmen - bieten Begegnungsräume mit dem Evangelium in seinen vielen Gestalten und werden zu einer Kirche und „Gemeinde für die Perspektive anderer“. Gleichzeitig entlastet dies Gemeinden von der Hybris, allen alles anbieten zu wollen. Die vorhandenen Begegnungsräume - wie z.B. Kirchenjahres-Festgottesdienste, Kasualien, offene Kirchenräume, punktuelle Veranstaltungen und vieles mehr (s.o.) - werden als von „anderen“ geschätzte Kontaktmöglichkeiten begriffen und entsprechend gestaltet. Dieses persönlich-reale und institutionelle Angebot am Ort wird ergänzt durch das regionale und virtuelle sowie durch informelle Begegnungen.

Die Vielfalt kann Ge­ meinden entlasten

5. Wie kommen wir vom Leitbild zum Programm? Selbstbilder, Wunschbilder, Vorbilder und Fremdbilder – das sind die Bilder, die uns leiten. Aus diesem Material entsteht das Leitbild einer Gemeinde. Wie eine Gemeinde sich sieht, wie sie gesehen werden möchte, was sie bestimmt und wie die anderen sie wahrnehmen – all das macht in der Zusammenschau ihre „Gemeindepersönlichkeit“, ihr Profil und ihre „Corporate Identity“ aus.

Vision Wunschbild

Analyse Selbstbild

Leitbild

Kontrast Fremdbild

Geschichte Vorbild

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Die Gemeindepersönlichkeit findet in den Lebensräumen, die eine Gemeinde bietet (Teilnehmen, Mitarbeiten, Leiten) und in ihrer Kultur ihren Ausdruck und macht nach außen hin gegenüber verschiedenen Lebenswelten (Mitglieder, Nachbarn, Öffentlichkeit) Eindruck.

5.1. Gemeinden bieten offene Lebensräume in sich wandelnden Lebenswelten Gemeinden sind lebendige Organisationen – im Bild gesprochen: Leib Christi, wie er in Röm 12 und 1. Kor 12 entfaltet wird. Systemisches Denken, das Denken in gewachsenen Zusammenhängen also, versteht diesen Leib Christi und seine Glieder als offenes System, dessen einzelne Teilsysteme in wechselseitiger Verbindung stehen. Verändert sich ein Teil, verändern sich die anderen mit. Zugleich tritt dieses System als Ganzes in Beziehung zu seiner Umwelt. Beides, die Gemeinde als Lebensraum und die Gemeinde im Lebensraum, gehören unter systemischer Betrachtung eng zusammen. So gesehen sind Gemeinden offene Lebensräume in sich wandelnden Lebenswelten. Innerhalb des „Systems Kirchengemeinde“ nimmt der Kirchenvorstand als „Leitungssystem“ eine Schlüsselrolle ein. Er „ist“ Gemeindeleitung und er „hat“ Gemeindeleitung im umfassenden Sinn: Zum einen steuert er die Entwicklungen der einzelnen Lebensräume der Gemeinde (Leitung, Mitarbeit, Angebot), zum anderen pflegt er die Beziehungen zu verschiedenen Umwelten (Mitglieder, Nachbarschaft, Öffentlichkeit).

Die Gemeinde im Leben ihrer Mitglieder

In der Gemeinde mitarbeiten

Gemeinde leiten

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Die Gemeinde in der Öffentlichkeit

Am Gemeindeleben teilnehmen

Die Gemeinde an ihrem Ort

Gemeinden bieten offene Lebensräume ... Die meisten Gemeindeglieder sind in diesem Lebensraum zuhause. Allerdings, die Umfrageergebnisse haben es gezeigt, in höchst unterschiedlicher Intensität und Erwartung. Diejenigen, die regelmäßig kommen oder nur gelegentlich als Gäste Am auftauchen, sind zahlenmäßig in der Gemeindeleben Minderheit. Der weitaus größte Teil teilnehmen der Gemeindemitglieder nimmt am Gemeindeleben von Zeit zu Zeit teil. Zu besonderen Zeiten oder dann, wenn sich eine besondere Gelegenheit bietet. Dabei wollen die Menschen wie in anderen Lebenswelten der modernen Gesellschaft auch in ihrer Freiheit und Selbstbestimmung ernst genommen werden. Selbstbestimmtheit und Mobilität sind die Faktoren, die die Teilnahme am Gemeindeleben prägen. Erstaunlich: Mehr als 20 % der Gemeindemitglieder sind zur Mitarbeit bereit, wenn die Aufgabe zeitlich begrenzt und überschaubar ist und den eigenen Bedürfnissen und Fähigkeiten entspricht. In der Mitarbeit Ehrenamtlicher verwirklicht In der sich das „Priestertum aller Getauften“. Gemeinde Mitarbeit in der Gemeinde ist von damitarbeiten her ein partnerschaftliches Geschehen zwischen Hauptamtlichen und Ehrenamtlichen. Sie nimmt die Mündigkeit aller Gemeindeglieder ernst und macht Betroffene zu Beteiligten. Ehrenamtliche Mitarbeit ist ein Geben und Nehmen. Die Gemeinde profitiert vom Engagement Ehrenamtlicher. Umgekehrt kann ehrenamtliches Engagement innerliche Bereicherung, Sinn und Freude, persönliche Weiterentwicklung und Zufriedenheit vermitteln. Ehrenamtliches Engagement ist selbstgewählt, selbstbestimmt und selbstverantwortet. Der Kirchenvorstand ist ein demokratisch gewähltes Gremium, dem Menschen unterschiedlicher Prägung, verschiedener Gaben, einer je eigenen Glaubensbiographie und mit individuellen leitenden Bildern von Gemeinde angehören. Sie alle leiten gemeinsam die Gemeinde. Das Nebeneinander von Verwalten und

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Gestalten, Hauptamt und Ehrenamt, theologischen Fachleuten und sogenannten Laien ist in der Kirchengemeindeordnung geregelt und kann immer wieder für Gemeinde eine fruchtbare Spannung in der Geleiten meindeleitung sorgen. Es bedarf dabei allerdings immer wieder eines gewissen Fingerspitzengefühls. Hilfreich ist es, wenn ein Kirchenvorstand seine Kernkompetenzen und seine Konfliktfähigkeit immer wieder trainiert.

... in sich wandelnden Lebenswelten Aus Sicht der Mitglieder ist die Kirchengemeinde eine von vielen möglichen Lebenswelten, die sie mit anderen zusammen in ihren Lebensentwurf integrieren müssen. Dementsprechend unterschiedlich ist der Stellenwert, den in den einzelnen Milieus der Bezug zur Kirchengemeinde einnimmt. Vor allem für Kinder (und ihre Familien) sowie für ältere und nicht mehr mobile Menschen ist ihr Stellenwert nach wie vor hoch. Jugendliche und Erwachsene mittleren Alters sowie $IE'EMEINDE „Junge Alte“ sind dagegen eher selten in der IM,EBEN Gemeinde anzutreffen. Sie ziehen kirchliche IHRER-ITGLIEDER Angebote in anderen Gemeinschaftsformen (zentrale Angebote, Werke und Dienste, Medien) vor. Eine Gemeinde hat ein Umfeld, in das sie eingebunden ist: Nachbargemeinden, ökumenische Partner, andere Religionsgemeinschaften, kulturelle und soziale Einrichtungen, Kommunen und Vereine bilden ein buntes Netz unterschiedlicher Dichte. Gemeinsame Terminabsprachen und Projekte, regelmäßige Kontakte bis hin zu Kooperationsvereinbarungen, vernetztes Denken und Handeln machen häufig Sinn. Auf der anderen Seite stellt sich dieses Netz $IE'EMEINDE aber auch wie ein bunter Marktplatz unterANIHREM/RT schiedlicher Angebote und Antworten dar, auf dem es immer wieder evangelisches Profil zu zeigen gilt. Das geistige und kulturelle Klima, die religiöse Aufgeschlossenheit in der öffentlichen Diskussion, die „großen“ Themen, die die Schlagzeilen beherrschen, der Auftritt der Kirchen in den Me-

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dien – all das prägt das Gemeindeleben nicht unwesentlich mit. Der Öffentlichkeitsarbeit und der missionarischen Ausstrahlung einer Gemeinde kommt in der veränderten gesellschaftlichen Lage, in der den Kirchen der Wind häufig ins Die Gemeinde Gesicht bläst, eine besondere Bedeutung zu. Für in der viele Menschen ist die mediale Vermittlung der Öffentlichkeit einzige Zugang zu Kirche und Religion.

5.2. Die drei „B’s“ steuern die Gemeindeentwicklung Eine Gemeinde entfaltet ihr Leben im dynamischen Zusammenspiel ihrer Lebensräume und im ständigen Austausch mit den Lebenswelten, zu denen sie in Beziehung steht. Gemeindeentwicklung ist so gesehen ein andauernder Prozess, der nicht irgendwann abgeschlossen ist. Der Apostel Paulus hat das klassisch ausgedrückt mit seinem Bild vom Leib und den Gliedern (1. Kor 12). Eine Gemeinde bleibt als Leib Christi in Bewegung und verändert sich unter der Perspektive einer Vision. Mit Hilfe der drei „B’s“, die in diesem Praxisbuch entwickelt wurden, kann ein Kirchenvorstand die Entwicklung der Gemeinde in ihren einzelnen Lebensräumen und in den Beziehungen zu verschiedenen Lebenswelten steuern. Bei der Leitung einer Gemeinde, im Umgang mit Mitarbeitenden wie mit Gemeindegliedern, im Gespräch mit Nachbarn am Ort und beim öffentlichkeitswirksamen Auftritt: Immer wieder geht es darum, dass - Bilder, Visionen und Ziele gefunden werden. - Beziehungen, Rollen und Aufgaben geklärt sind. - Bedingungen, Angebote und Strukturen entwickelt werden. Innerhalb dieses Bezugsrahmens von geklärten Bildern, Beziehungen und Bedingungen ist der Kirchenvorstand vor allem verantwortlich für - die Entwicklung von Leitbildern und die spirituelle Kultur der Gemeinde und entfaltet darin seine spirituelle Kompetenz. Darin wird das Evangelium von Jesus Christus gemeindeleitend. Die Botschaft des Evangeliums weckt in uns Zukunftsbilder einer Welt und einer Kirche, die von Gott her ihre Ausrichtung und ihren Sinn erhalten. Und wir gewinnen im Blick auf das Evangelium immer wieder Maßstäbe für die Leitbilder und die Ziele, auf die hin wir gestalten und verwalten. Es geht dabei darum, im Vertrauen auf die gestal-

Bilder Spirituelle Kompetenz

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tende Kraft des Evangeliums den Blick auf die Chancen und Möglichkeiten einer Gemeinde am Ort zu richten und sich nicht nur von den Problemen und Hindernissen gefangen nehmen zu lassen.

Bezie­ hungen Kommu­ nikative Kompetenz

Bedin­ gungen Kyber­ netische Kompetenz ...

... und öko­ logische Kompetenz

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- die Begleitung und Unterstützung von haupt-, neben- und ehrenamtlich Mitarbeitenden und die kommunikative Kultur der Gemeinde und entfaltet darin seine kommunikative Kompetenz. Gemeinde besteht in erster Linie aus Menschen, konkreten Personen und ihrer Geschichte, mit ihrem Gesicht, mit ihrer Phantasie, mit ihren Gaben und Schwächen. Sie alle gestalten auf ihre Weise die Gemeinde mit. Sie sind, neben und mit Gott, die Subjekte der Gemeindeentwicklung und zugleich diejenigen, auf die hin Gemeinde gestaltet wird: um Gottes und der Menschen willen. Es geht dabei darum, der lebendigen Vielfalt und Verschiedenheit gerecht zu werden und sich nicht in Schwarz-Weiß–Denken oder in Beliebigkeit zu verlieren. - die Gestaltung der Angebote und Strukturen der Gemeinde und entfaltet darin seine kybernetische Kompetenz. In der Nachfolge Jesu handelt der Kirchenvorstand konkret und situationsbezogen und versucht so, unterschiedlichen Menschen und Lebenszusammenhängen gerecht zu werden. Es geht um eine „kontextuelle Praxis“, die sich nicht an abstrakten Normen orientiert, sondern daran, „was Jesus in dieser Situation gesagt oder getan hätte“(Martin Niemöller). Gerade unter diesem Vorzeichen des Kontextes kommt den Beziehungen zu Nachbarn und Partnern am Ort, aber auch der Öffentlichkeitsarbeit eine besondere Bedeutung zu. - den verantwortlichen Umgang mit den personellen, finanziellen und baulichen Ressourcen der Gemeinde und entfaltet darin seine ökologische Kompetenz. Zur Inkarnation, zur Menschwerdung Gottes in Christus, gehören selbstverständlich auch reale Lebensbedingungen und materielle Grundlagen. Auch Gemeinden entwickeln sich nicht im luftleeren Raum, sondern auf dem Hintergrund personeller und materieller Grundlagen. In der Art und Weise, in der eine Gemeinde mit ihren Planstellen, mit Gebäuden und Finanzen und nicht zuletzt auch mit ihrer Zeit umgeht, wird sie in ihrem Wirken, in ihrer Kultur und nicht zuletzt auch in ihrer Bereitschaft zum Teilen oder zum Verzicht ein glaubwürdiges Zeichen des Reiches Gottes sein können.

Die Instrumente der Gemeindeleitung in der Zusammenschau: Bilder

Spirituelle Kompetenz

Orientierung am Evangelium

Beziehungen

Kommunikative Kompetenz

Orientierung an den Menschen

Bedingungen

Kybernetische und ökologische Kompetenz

Orientierung an der Situation und an den Ressourcen

Kybernetische Kompetenz

Spirituelle Kompetenz

Strukturen Angebote

Leitbilder

Bilder Beziehungen Bedingungen

Ökologische Kompetenz

Ressourcen

Kommunikative Kompetenz

Mitarbeitende Mitglieder Öffentlichkeit

5.3. Gemeinden entwickeln sich in wiederkehrenden Regelkreisen Auf dem Hintergrund eines theologischen Verständnisses von Gemeinde als konziliarer Weggemeinschaft ist es angemessener, von Gemeinde–Entwicklung statt von Gemeinde–Aufbau zu sprechen. Denn Gemeinden sind keine statischen Gebäude, bei denen man einen Stein auf den anderen setzt, sondern – biblisch gesprochen – „Häuser aus lebendigen Steinen“ (1. Petr 2). Sie entfalten ihr Leben, wachsen und verändern sich, machen Fortschritte oder auch Rückschritte und halten Kontakt zu ihrer Umgebung. Ihre Entwicklung ist ein Prozess, der nach vorn offen bleibt: Wie einzelne Christen sind auch christliche Gemeinden als Teil des „Wandernden Gottesvolkes“ unterwegs zum Reich Gottes, das wie das verheißene Land vor ihnen liegt. Diese theologische Deutung von Gemeindeentwicklung hat praktische Konsequenzen:

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Kirche hat Zukunft Keine Frage: Die Volkskirche, wie sie einmal war, steckt in einer Krise. Viele deuten die Veränderungen, von denen die Rede war: Rückgang der Mitgliederzahlen, knappere Finanzen, selbstbestimmte Formen der Mitgliedschaft und der Teilnahme am gemeindlichen Leben als Verlust. Sie leiden an Überforderung und an einem permanent schlechten Gewissen. Sie wollen ständig mehr tun und erreichen doch immer nur die gleichen damit. Doch gibt es inmitten aller Abbrüche auch neue Aufbrüche: neue engagierte Gottesdienstformen für kirchlich Distanzierte, intensive Kontaktarbeit mit Neuzugezogenen, Seminare für Taufeltern und Konfirmandeneltern mit teils erstaunlicher Resonanz. Die Krise ist nicht nur Abbruch, sondern Umbruch. Eine neue Form von Volkskirche deutet sich an: Kirche für Kirchennahe und für Kirchenferne, offen für neue Formen und neue Lebenswelten. Nach evangelischer Überzeugung ist nicht das entscheidend, was wir als Menschen für die Kirche tun oder lassen, sondern das, was Gott ihr zugesagt hat: Um Gottes willen hat die Kirche Zukunft. Das ermutigt immer wieder zur Besinnung auf die spirituellen Wurzeln und bewahrt vor hektischem Aktionismus.

Jede Gemeinde findet ihren eigenen Weg Entscheidend ist, dass jede Gemeinde ihre eigene Gemeindepersönlichkeit (=Corporate Identity) entwickelt und ihren eigenen Weg geht. In der ganzen Vielfalt ihrer spirituellen Prägungen, ihrer Gaben und ihrer örtlichen Gegebenheiten entwickelt und gestaltet sie ihre Lebensräume und ihre Beziehungen nach außen hin zu ihren Mitgliedern, Nachbarn und in die Öffentlichkeit. Auch wenn die Entwicklungsschritte methodisch vergleichbar sind, findet und geht dabei jede Gemeinde ihren Weg. Konzepte und Gemeindeaufbaumodelle können zur Orientierung dienen – die eigene Entscheidung, die jeweilige Konkretion können und wollen sie nicht ersetzen.

Keine Gemeinde ist allein unterwegs Auch wenn jede Gemeinde ihre eigene unverwechselbare Persönlichkeit hat, so ist sie doch gemeinsam mit anderen Gemeinden auf dem Weg. Regionale und ökumenische Nach-

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barschaften entdecken zunehmend, was sie aneinander haben: Kooperationen, gemeinsame Projekte, sinnvoll genutzte Ressourcen mit Synergieeffekten machen Sinn. Gemeinsame Terminabsprachen, gegenseitige Vertretungsregelungen der Hauptamtlichen, Projekte, die arbeitsteilig angegangen werden, wirtschaftlich genutzte Räumlichkeiten – all das bringt jeder beteiligten Gemeinde etwas und lässt das „wandernde Gottesvolk“ in seiner bunten Vielfalt konkret werden.

Kirchennahe und Kirchenferne werden beteiligt Die EKD–Mitgliederbefragungen haben deutlich gemacht, dass die weitaus größte Gruppe der Gemeindeglieder am regelmäßigen Leben der Ortsgemeinde selten teilnehmen, kaum einmal den Sonntagsgottesdienst besuchen und am ehesten bei besonderen Anlässen und Gelegenheiten (Kasualien oder Feste) Kontakt zur Gemeinde suchen. Trotzdem verstehen sie sich bewusst als „kirchentreue Kirchenferne“. Entscheidend ist, dass diese Form der Kirchlichkeit nicht als defizitär betrachtet wird. Auch die distanzierten Gemeindeglieder haben ihre eigenen Wünsche und Erwartungen, ihre eigenen Vorstellungen und Erfahrungen von Gemeinde und wollen als Partner und nicht nur als Objekte der Gemeindeleitung angesprochen werden. Bei Gemeindeversammlungen, größeren Projekten der Gemeindeentwicklung und bei der Zusammenstellung von runden Tischen macht es Sinn, Vertreter dieser großen Gruppe auf jeden Fall einzubeziehen und mit ihnen statt für sie oder gar ohne sie zu planen.

Ein gründlicher Prozess bringt mehr als blinder Aktionismus Nicht nur unter spirituellen Gesichtspunkten, auch aus methodischen Überlegungen macht es Sinn, in der Gemeindeentwicklung ganz bewusst die „Langsamkeit zu entdecken“ und vorschnellen Aktionismus zu vermeiden. Häufig drängen engagierte Mitarbeitende auf die rasche Lösung der erkannten Probleme oder auf die sofortige Realisierung einer Idee. Wenn solche Aktionen nicht raschen Erfolg versprechen, schlägt die anfängliche Begeisterung schnell in Frustration um. Der gründlich durchlaufene Prozess kann davor bewahren. Eine neue Sicht der Gemeinde und ihrer Umgebung wird eingeübt. Not-

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wendige Zwischenschritte können bewusst eingeplant werden. Betroffene können sich umfassend einbringen und beteiligen. Bislang unentdeckte Möglichkeiten und Kräfte kommen zur Geltung. Im Einzelnen geht es dabei immer wieder um die folgenden vier Schritte: Entdecken

Planen

Wahrnehmen

Überprüfen

Wahrnehmen der eigenen Situation Leitfrage: „Wie ist es bei uns?“ • Der Kirchenvorstand oder in seinem Auftrag eine Projektgruppe erarbeitet ein zutreffendes Selbstbild der Gemeinde. (Anregungen dazu ab Seite 178)

Entdecken einer Vision Leitfrage: „Wie soll es werden?“ • Der Kirchenvorstand oder in seinem Auftrag eine Projektgruppe erarbeitet ein zutreffendes Wunschbild der Gemeinde. (Anregungen dazu ab Seite 197)

Planen der nächsten konkreten Schritte Leitfrage: „Was können wir tun?“ • Der Kirchenvorstand oder in seinem Auftrag eine Projektgruppe entwickelt auf dem Hintergrund des gefundenen

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Leitbildes konkrete Projekte. Dadurch wird das Leitbild konkret und lebendig. Ein Projekt hat seinen Anker im Leitbild und entfaltet sich in konkreten Arbeitsschritten. Dabei spielen die „W – Fragen“ eine entscheidende Rolle: Was soll getan werden? Es geht um eine klare Beschreibung der Projektidee. Warum soll es getan werden? Es geht um die Verankerung der Idee im Selbstbild und im Wunschbild der Gemeinde. Wer soll es tun? Es geht um die klare Regelung der Verantwortung und der Beteiligung. Wie soll es getan werden? Es geht um die klare Beschreibung der Arbeitsschritte und der Kommunikationswege. Wann soll es getan werden bzw. getan sein? Es geht um die zeitliche Planung und die Benennung von Prioritäten.

Überprüfen der Ziele Leitfrage: „Was haben wir erreicht und wie kann es jetzt weitergehen?“ • Der Kirchenvorstand oder in seinem Auftrag eine Projektgruppe überprüft die erreichten Ziele und feiert, was gelungen ist. Vor dem Hintergrund des Erreichten kann ein neuer Regelkreis beschritten werden. Möglichkeiten der Gestaltung: Ein fester Platz in den Medien der gemeindlichen Öffentlichkeitsarbeit (Gemeindebrief, Schaukasten, Internetseite), an dem über abgeschlossene (und natürlich auch geplante) Projekte berichtet wird. Ein regelmäßig wiederkehrender Tagesordnungspunkt in der Kirchenvorstandssitzung: „Berichte aus Ausschüssen und Projektgruppen“ und genügend Zeit zur Aussprache. Thematisch gestaltete Gemeindeversammlungen, auf denen Projekte interessierten Gemeindemitgliedern vorgestellt und mit ihnen diskutiert werden. Gemeindefeste, bei denen Erfolge gefeiert werden können.

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Das Ziel: Gemeinde leiten ohne Leiden Gemeinden sind als lebendige Teile des „wandernden Gottesvolkes“ unterwegs zum Reich Gottes. Das Evangelium gibt ihnen die Richtung vor. Doch jede Gemeinde geht ihren Weg, auf dem sie sich entwickelt und verändert. Entscheidungen über nächste Schritte oder eine Kurskorrektur stehen immer wieder an. Dabei ist vor allem der Kirchenvorstand als Gemeindeleitung gefragt. Vielfach geschieht das noch zu sehr unter dem Druck des Faktischen: Da hat jemand eine gute Idee, man vereinbart ein Treffen, es gibt einen Vorbereitungstermin, und wenn es gut geht, trifft man sich irgendwann eine halbe Stunde, um den Rest zu organisieren. Die Räume sind nicht geheizt, man sitzt zu fünft an Tischen, die für zwanzig gestellt wurden, die einen sind schon halb am Gehen, während die letzten gerade kommen. Außerdem sind alle, die sich haben überreden lassen, schon an fünf weiteren Stellen in der Gemeinde engagiert. Aber sie fanden die Idee eigentlich gut und sie wollten den, der sie hatte, nicht enttäuschen...

Bilder wir­ ken befrei­ end

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Mit Hilfe der Bilder können sich Gemeinden von dieser Karikatur des Faktischen immer wieder frei machen und sich von ihren Visionen neu faszinieren lassen. Neben den „Beziehungen“ und „Bedingungen“ haben vor allem die „Bilder“ eine befreiende Wirkung auf den ständigen Veränderungsprozess einer Gemeinde. Als Selbstbilder halten sie den Blick auf die Situation offen, als Wunschbilder eröffnen sie neue Horizonte, als Vorbilder geben sie Aufschlüsse über Traditionen und prägenden Kräfte, als Fremdbilder schließlich treten sie in einen kritischen Dialog mit den Umwelten einer Gemeinde. Gemeindeentwicklung wird erst vor dem Hintergrund ihrer Bilder lebendig und spannend. Wer auf sie verzichtet, bewegt sich schnell zwischen purem Pragmatismus oder hektischem Aktionismus. Erst die Bilder laden immer wieder neu zur „Entdeckung der Langsamkeit“ (Sten Nadolny) ein. Sie lassen uns das gelobte Land jenseits des Horizontes sehen und eröffnen immer wieder neue Zugänge zu den spirituellen Kraftquellen, die unser Glaube bereithält. Die Volkskirche und ihre Gemeinden sind im Umbruch. Die spannende Aufgabe der Kirchenvorstände ist es, sie auf diesem Weg zu begleiten. Fest steht: Die Kirche hat Zukunft, weil es Gottes Zukunft ist. Doch niemand kann sagen, wie die Kirche der Zukunft aussehen wird.

Die Vielfalt der Bilder und der Visionen ist für viele verwirrend. Und doch ist sie ein Schatz, den es zu bewahren gilt. Denn sie entspricht dem Geist des Evangeliums, der zur Vielfalt einlädt. Inmitten aller Umbrüche deuten sich die Konturen einer künftigen Kirche an: Es wird eine Kirche sein, die tief in Gott wurzelt und in seinem Geheimnis daheim ist, also eine mystische Kirche (Paul Zulehner). In Gott und seinem Geheimnis verwurzelt trägt sie auf ihrem Lebensbaum Früchte einer lebendigen und vielfältigen Gemeinschaft, in der sich hochverbundene und distanzierte Gemeindemitglieder geschwisterlich wahrnehmen und gegenseitig ergänzen. Gemeinsam setzen sie sich für Gestrandete und Schutzbedürftige ein und tragen so zu einer Kultur der Barmherzigkeit in dieser Welt bei.

Konturen einer zu­ künftigen Gestalt von Kirche

An vielen Orten haben diese Hoffnungsbilder längst angefangen, wirklich zu werden. Überall, wo sich Einzelne von ihnen begeistern lassen und in ihrem Geist Gemeinden prägen, beginnen sie zu leben. Das Ungleichzeitige lebt gleichzeitig, Vergangenheit und Zukunft begegnen einander in vielen Gemeinden. Die Kunst der Gemeindeleitung besteht dann darin, dass die Alten und die Jungen miteinander friedlich auskommen. Wir meinen: Die Volkskirche ist weit und offen genug, dass alle in ihr ihren Raum und ihre Entfaltungsmöglichkeit finden können. Denen, die solche Gemeinden leiten, allen voran den Kirchenvorsteherinnen und Kirchenvorstehern, wächst freilich die Herausforderung zu, das Ungleichzeitige zusammenzuhalten. Sie werden in höherem Maße als früher zu Brückenbauern, Vermittlern, Personen, die integrieren müssen. Das verlangt nach einer lebendigen Spiritualität, neuen Leitungsfähigkeiten und einer eigenen inneren Offenheit und Gelassenheit. Dazu möchte Sie, liebe Kirchenvorsteherin, lieber Kirchenvorsteher, der abschließende Ausblick von Paul Zulehner ermutigen:

Heraus­ forderung für die Ge­ meindelei­ tung

„Unsere Kirche ist wie jede Organisation ein Lebewesen eigener Art. Sie selbst und ihre Gemeinschaften haben einen Lebenszyklus, der zwischen Geburt und Tod eingespannt ist. Treibende Kraft der Entwicklung ist die Vision des Anfangs, aus der heraus die Gemeinschaft geboren ist. Im Falle der Kirche ist es die Vision Jesu davon, dass im Umkreis Gottes (er nannte es Reich Gottes oder Himmelreich) der Mensch zu jener Würde und Schönheit aufblühen kann, die Gott ihm zuträumt. Jesu Vision erwies sich als außerordentlich lebenskräftig. Sie zog Men-

Zeit für Visionen

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schen an und verband sie zu einer Visionsgemeinschaft. Mit der Zahl der Mitglieder wurde es nötig, die Aufgaben zu verteilen und arbeitsteilige Programme zu entwickeln. Schließlich bildete sich auch eine angemessene Administration aus. Bis auf den heutigen Tag ist Jesu Vision lebendig und schafft unentwegt neue Gemeinschaften. Verjüngung ereignet sich, wenn das, was zu starker Lebendigkeit fehlt, hinzukommt. Fehlt es am Vorrat zeitgerechter Visionen, dann kann nur der Zugewinn solcher Visionen die Zukunft offen halten. Es kann aber auch an der Gemeinschaft, am Programm und manchmal sogar nur an der Administration fehlen. Die gegenwärtige Kirche leidet vor allem an fehlenden Visionen. Die günstigste Zeit dafür, dass Gott Visionen schenkt, ist der Schlaf. Kirchenschlaf gäbe es heute genug: eine Zeit für Visionen?“ Paul M. Zulehner, Ein Obdach der Seele, Patmos 1997 (7. Auflage)

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Infopool Der Infopool im Überblick Pfarramt Rechtssammlung Namen und Adressen Fortbildungsprospekte Zeitschriften (siehe Medien)

Infopool

Dekanat/Region Informationsaustausch Werke und Dienste (EBW) Verwaltungsstelle / GKV Beauftragte Gemeinsame Projekte

Landeskirchliche Einrichtungen Landeskirchenstelle Landeskirchenamt Überregionale Werke und Dienste Erwachsenenbildungseinrichtungen

Neue Medien

Medien

www.afg-elkb.de www.elkb.de www.bayern-evangelisch.de

Praxisbuch Kirchenvorstand Zeitschriften -Gemeinde leiten -Sonntagsblätter -Nachrichten -Amtsblatt

Zum praktischen Umgang mit dem „Infopool“ „Wie komme ich an die richtigen Informationen?“ „Wir haben ein Problem – wer kann uns weiterhelfen?“ „Wer ist mein nächster Ansprechpartner?“ Immer wieder stehen Kirchenvorsteher/innen vor solchen oder ähnlichen Fragen. Dabei ist es besonders wichtig, möglichst rasch einen ersten Überblick über das weitmaschige Informations-und Kontaktnetz unserer Landeskirche zu gewinnen. Sich zurechtzufinden im Dschungel der Ansprechpartner, Zuständigkeiten und Informationen. Sich auszukennen, damit sie aktiv mitreden und mitgestalten

Die Ori­ entierung nach Stich­ worten und Ein­ richtungen finden Sie ab Seite 250

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können bei dem, was in an Themen und Herausforderungen in Ihren Kirchenvorstand zu bewältigen ist. Damit Wichtiges von weniger Wichtigem oder gar Unwichtigem unterschieden werden kann, braucht es einen ersten Überblick und eine Orientierungshilfe. Der „Infopool“ versteht sich als Wegweiser. Er gliedert die Informationsfülle nach drei Gesichtspunkten: • nach Informationsquellen • nach thematischen Stichworten • nach Einrichtungen und Adressen im Internet Am besten macht sich der Kirchenvorstand zu Beginn seiner Amtszeit über die verschiedenen Möglichkeiten zur Informationsbeschaffung kundig. Was im Pfarramt an Informationen zur Verfügung gestellt werden kann, kann bei einem kleinen Rundgang durch das Pfarramtsbüro vorgestellt werden. Der Internetanschluss im Pfarramt und weitere Informationsquellen sollten den Kirchenvorsteher/innen zugänglich sein. Ein Besuch von Kirchenvorsteher/innen in den Einrichtungen auf Dekanatsebene lohnt sich ebenfalls. Die Mitarbeitenden dort freuen sich in aller Regel über das Interesse an ihrer Einrichtung und ihrer Arbeit. Im Bedarfsfalle kann man später an schon bestehende Kontakte leichter anknüpfen. Allerdings können auch wir nicht alles wissen und im Blick haben. So kann es gut möglich sein, dass sich der Fehlerteufel an der ein oder anderen Adresse eingeschlichen hat. Wenn Sie darauf aufmerksam geworden sind, teilen Sie es uns bitte mit. Außerdem nehmen wir gerne auf Ihre Anregung hin weitere Stichworte bzw. Adressen auf.

Informationsquellen

Der erste Wegweiser Pfarramt

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Wer sich auf den Weg macht, braucht Wegweiser. Erst recht, wenn die Landschaft so bunt, vielfältig und unüberschaubar erscheint wie die Fülle von Informationen, Zuständigkeiten und Ansprechpartnern in der bayerischen Landeskirche. Als Flächenkirche hat sie ein weitgespanntes Netz von Adressen, Personen und Einrichtungen, die kompetent Auskunft geben und unterstützend tätig sein können. – Nur – wie kommt man schnellstmöglich ans Ziel? Die Informationssuche beginnt immer ganz konkret dort, wo die Fragen auftauchen – in der eigenen Kir-

chengemeinde. Was viele nicht wissen oder nicht entsprechend nutzen: Das Pfarramt ist die erste und zentrale Anlaufstelle bei Informationsbedarf.

Was Sie dort erwarten können • Die Rechtssammlung der Evang.-Luth. Kirche in Bayern mit allen relevanten gesetzlichen Bestimmungen • Das Amtsblatt für die Evang.-Luth. Kirche in Bayern mit neuen Gesetzen und aktuellen Mitteilungen aus dem Landeskirchenamt • Den Personalstand der Evang.-Luth. Kirche in Bayern mit Namen und Adressen von Pfarrämtern, Dekanaten und landeskirchlichen Einrichtungen • Die Protokollbücher früherer Kirchenvorstandssitzungen mit wichtigen Themen und Beschlüssen • Das „Praxisbuch Kirchenvorstand“ – das Standardwerk für die Arbeit im KV • Zeitschriften wie „Sonntagsblatt“, „Gemeinde leiten“ oder „Nachrichten“ • Fortbildungsprogramme verschiedener Anbieter • Einen Internetanschluss und Zugang zum landeskirchlichen Intranet • Einen Pfarrer bzw. eine Pfarrerin, der bzw. die Sie berät und mit Ihnen nach Lösungen sucht Manche Fragen – vor allem größere Projekte der Gemeindearbeit, technische Probleme und Personalangelegenheiten – lassen sich nicht allein und vor Ort klären. Sie werden auf der Ebene der Region – in der Gesamtkirchengemeinde, im Dekanatsbezirk oder im Verbund mehrerer benachbarter Dekanate – weiterverfolgt.

Der zweite Wegweiser Dekanat und Region

Was Sie dort erwarten können • Geordneten Informationsaustausch auf Dekanatssynoden und Beauftragtentreffen • Unterstützung und Entlastung bei gemeinsam geplanten und durchgeführten Projekten • Beratung und Unterstützung in inhaltlichen und organi-

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satorischen Fragen durch die regionalen Werke und Dienste (Erwachsenenbildungswerk, Evangelische Jugend, Diakonisches Werk) • Beratung und Unterstützung in finanziellen, technischen und personellen Fragen durch die Verwaltungsstelle bzw. das Kirchengemeindeamt • Beratung und Unterstützung in besonderen Fragen durch haupt- oder ehrenamtlich Beauftragte (z.B. Orgelsachverständiger, Glockensachverständiger, Kindergartenfachberatung, Ökologie und Umwelt, Frauengleichstellung etc.) • Fortbildung durch das regionale Erwachsenenbildungswerk Wenden Sie sich im Zweifelsfall immer zuerst an das Dekanatsbüro. Dort liegt ein Verzeichnis aller Beauftragten auf!

Der dritte Wegweiser Landeswei­ te Einrich­ tungen

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Schließlich gibt es Informationsbedarf oder bestimmte Fragestellungen, die die Auskunft einer landeskirchlichen Dienststelle erfordern. In der Regel werden diese auf dem Dienstweg – über Pfarramt und Dekanat – eingeholt. Manche Anfrage findet jedoch schneller und unkomplizierter eine Antwort, wenn sie direkt gestellt werden kann. Als Kirchenvorsteher/in steht Ihnen auch dieser Weg offen. Neben den landeskirchlichen Dienststellen stehen Ihnen eine Reihe von landeskirchlichen Werken und Diensten und weitere Einrichtungen für bestimmte Arbeitsfelder und Themen zur Verfügung. Eine entsprechende Übersicht finden Sie in den alphabetisch und stichwortartig geordneten Verzeichnissen nach den Wegweisern.

Gerade das Internet bietet inzwischen eine Fülle von Informationen schnell und unkompliziert an, die auch Kirchenvorsteher/ innen zur Verfügung stehen.

Folgende Seiten sind zur raschen Übersicht und Informationsbeschaffung hilfreich

Der vierte Wegweiser Internet

•www.elkb.de Das landeskirchliche Intranet ist die Informationsbasis für den Kirchenvorstand. Das Intranet stellt eine umfassende und aktuelle Übersicht über die landeskirchlichen Gemeinden, Dekanatsbezirke und Einrichtungen zur Verfügung. Es enthält außerdem aktuelle Informationen und eine Fülle an hilfreichen Materialien zum Download. Über die Foren findet der nötige Austausch statt. Die wichtigsten Links sind: - Startseite> Ehrenamt> Kirchenvorstand - Startseite> Handlungsfeldübergreifend> Einrichtungen alphabetisch - Startseite> Handlungsfeld 10> Verwaltungseinrichtungen Das Intranet steht allen haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeitenden der Landeskirche zur Verfügung. Auch als Kirchenvorsteher bzw. Kirchenvorsteherin gehören Sie zu diesem Personenkreis. Sollten Sie noch keinen solchen Zugang besitzen, empfehlen wir, diesen zu beantragen: - Rufen Sie bitte die Startseite des Intranets auf: www.elkb.de - Loggen Sie sich wie beschrieben ins Intranet ein. - Füllen Sie das Onlineformular aus.

• www.bayern-evangelisch.de Die Website der Landeskirche mit aktuellen News, einem ausführlichen Adressenüberblick über Gemeinden, Dekanate und Einrichtungen

• www.afg-elkb.de Die Internetseite des Amtes für Gemeindedienst mit einer Übersicht über die Teams und Arbeitsbereiche mit Namen, Adressen und konkreten Angeboten. Besonders interessant für die Kirchenvorstandsarbeit: Team „Gemeindeentwicklung“

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Der fünfte Wegweiser Fach– literatur

Neben den neuen Medien behalten natürlich auch die klassischen – Bücher und Zeitschriften – bleibende Bedeutung. Für Sie als Kirchenvorsteher/in besonders interessant sind vor allem:

Fachbücher • Das „Praxisbuch Kirchenvorstand“ Herausgegeben vom Amt für Gemeindedienst Es enthält neben den wichtigsten rechtlichen Bestimmungen einen grundlegenden Überblick über Ziele, Inhalte und Methoden der Kirchenvorstandsarbeit. Ergänzt wird es durch thematische Arbeitshilfen.

• Aktiv im Kirchenvorstand (Luth. Verlagshaus, Hannover) Der Autor, Dieter Pohl, ist langjähriger Organisationsberater im Rheinland Ein Praxisbuch für die Gemeindeleitung zu Fragen rund um die Sitzungsgestaltung und Organisation der Kirchenvorstandsarbeit und guten Kopiervorlagen

• Kirchenvorstand konkret (Spener-Verlag, Frankfurt) Herausgegeben von Ernst-Georg Gäde Kurze Artikel erhellen knapp und übersichtlich zentrale Themen und Aufgaben der Kirchenvorstandsarbeit.

Fachzeitschriften • „Sonntagsblatt – Evangelische Wochenzeitung für Bayern“ Wochenmagazin mit aktueller Berichterstattung aus der Landeskirche und aus den einzelnen Kirchenkreisen bzw. Regionen

• „Rothenburger Sonntagsblatt“ Die älteste protestantische Kirchenzeitung Bayerns informiert ihre Leser über das kirchliche Leben in den Gemeinden, in der Landeskirche und der weltweiten Ökumene

• „Nachrichten der Evang.-Luth. Kirche in Bayern“ Monatszeitschift mit interessanten Themen und aktuellen Berichten

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• „Gemeinde leiten“ Ein Magazin für Kirchenvorsteherinnen und Kirchenvorsteher mit thematischem Schwerpunkt zur Arbeit im Kirchenvorstand

• „Der Gemeindebrief“ Arbeitshilfe mit fertigen Artikeln und Grafiken für Gemeindebriefe und andere Veröffentlichungen Die oben genannten Bücher, Zeitschriften und Magazine sollten wenigstens in jeweils einem Exemplar zur Einsichtnahme im Pfarramt aufliegen.

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Infopool Orientierung nach Stichworten

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Wonach suche ich?

Wo finde ich erste Informationen?

Altenarbeit

Amt für Gemeindedienst

Altenheimseelsorge

Amt für Gemeindedienst

Altenhilfe

Diakonisches Werk Bayern Regionale Diakoniewerke

Arbeitswelt/Arbeitslose

Kirchlicher Dienst in der Arbeitswelt

Aussiedler/Asylbewerber

Diakonisches Werk Bayern Regionale Diakoniewerke

Bauprojekte

Landeskirchenstelle Landeskirchenamt Regionale Verwaltungsstellen bzw. Kirchengemeindeämter

Beratungsdienste

Diakonisches Werk Bayern Regionale Diakoniewerke

Besuchsdienst und Kontaktarbeit

Amt für Gemeindedienst

Datenschutz

Rechnungsprüfungsamt im Landeskirchenamt

Diakonie

Diakonisches Werk Bayern Regionale Diakoniewerke

Ehrenamtliche

Amt für Gemeindedienst Regionale Bildungswerke

Erwachsenenbildung

Arbeitsgemeinschaft für Evang. Erwachsenenbildung Regionale Bildungswerke

Familienarbeit

Amt für Gemeindedienst

Familienfreizeiten/Familienerholung

Amt für Gemeindedienst

Finanzen

Landeskirchenstelle Landeskirchenamt

Frauenarbeit

Fauenwerk Stein

Frauengleichstellung

Frauengleichstellungsstelle im Landeskirchenamt Regionale Frauenbeauftragte

Friedhofsordnung

Landeskirchenstelle

Gemeindearbeit/ -entwicklung

Amt für Gemeindedienst Gemeindeakademie

Gemeindeberatung

Gemeindeakademie

Gemeindebrief

Amt für Gemeindedienst

Glaubenskurse

Amt für Gemeindedienst

Glockensachberatung

Regionale Glockensachverständige

Gottesdienst

Gottesdienstinstitut

Interreligiöser Dialog und Islamfragen

Landeskirchenamt

Jugendarbeit

Amt für Jugendarbeit Regionale Jugendwerke

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Kinderbibelwochen/-Tage

Amt für Gemeindedienst

Kindergottesdienst

Landesverband für evang. Kindergottesdienstarbeit e.V. Amt für Gemeindedienst

Kindertagesstätten

Landesverband evang. Kindertageseinrichtungen und Tagespflege für Kinder e.V.

Kirche im ländlichen Raum

Fachstelle „Kirche im ländlichen Raum“ im evang. Bildungszentrum Hesselberg

Kirche und Kunst

Landeskirchenamt

Kirche und Umwelt

Landeskirchenamt Regionale Umweltbeauftragte

Kirchenvorstandsberatung/ - Fachbegleitung

Amt für Gemeindedienst

Kirchenvorstandsfortbildung

Amt für Gemeindedienst Gemeindeakademie Frauenwerk Stein (Kirchenvorsteherinnen) Evang. Bildungszentrum Hesselberg Evang. Bildungs- und Tagungszentrum Bad Alexandersbad Evang. Landvolkshochschule Pappenheim Regionale Bildungswerke

Konfirmandenarbeit

Religionspädagogisches Zentrum

Konfliktbegleitung

Arbeitsstelle für konstruktive Konfliktbearbeitung

Männerarbeit

Amt für Gemeindedienst

Meditation und Spiritualität

Geistliches Zentrum Schwanberg

Mission und Partnerschaften

Missionwerk

Missionarische Projekte

Amt für Gemeindedienst

Öffentlichkeitsarbeit

Amt für Gemeindedienst

Orgelsachberatung

Landeskirchenamt

Personalangelegenheiten

Regionale Verwaltungsstellen und Kirchengemeindeämter

Pfarrstellenplanung/ -besetzung

Landeskirchenamt

Pflegedienste

Regionale Diakoniewerke

Rechtsfragen

Landeskirchenamt

Religiöse Strömungen und Weltanschauungen

Landeskirchenamt

Sekten

Landeskirchenamt

Vermögensverwaltung und Pfünde

Pfründestiftungsverband im Landeskirchenamt

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Infopool Orientierung nach Einrichtungen

Wonach suche ich? Amt für Gemeindedienst Altenarbeit/Altenheimseelsorge/ Besuchsdienst/Familienarbeit/Familienerholung/Gemeindearbeit/Gemeindeentwicklung/Glaubenskurse/ Kinderbibelwochen/Kinderbibeltage/ Kindergottesdienst/Kirchenvorstandsberatung/Kirchenvorstandsfachbegleitung/Kirchenvorstandsfortbildung/ Männerarbeit/Missionarische Projekte/ Öffentlichkeitsarbeit

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Wo kann ich mich im Internet weiter informieren?

www.afg-elkb.de Siehe auch unter: „Zielgruppenorientierte Angebote im Amt für Gemeindedienst“

Amt für Jugendarbeit Jugendarbeit

www.ejb.de

Arbeitsgemeinschaft für Evang. Erwachsenenbildung Erwachsenenbildung

www.aeeb.de

Arbeitsstelle für konstruktive Konfliktbearbeitung

www.arbeitsstelle-frieden.de

Bayerischer Landesverband evang. Tageseinrichtungen und Tagespflege für Kinder Kindergärten, Kindertagesstätten

www.elvkita.de

Diakonisches Werk Bayern Altenhilfe/Aussiedler/Asylbewerber/ Beratungsdienste/Kirche und Diakonie/ Pflegedienste

www.diakonie-bayern.de

Evang. Bildungszentrum Hesselberg Kirchenvorstandsfortbildung

www.ebz-hesselberg.de

Evang. Bildungs- und Tagungszentrum Bad Alexandersbad Kirchenvorstandsfortbildung

www.heimvolkshochschule-alexandersbad.de

Fachstelle für Kirche im ländlichen Raum / Kirche im ländlichen Raum

www.ebz-hesselberg.de

Frauengleichstellungsstelle Frauengleichstellungsfragen

www.elkb.de > Handlungsfeld 10

Frauenwerk Stein Kirchenvorstandsfortbildung

www.frauenwerk-stein.de

Gemeindeakademie Gemeindeaufbau/Gemeindeentwicklung/Gemeindeberatung/Kirchenvorstandsfortbildung

www.gemeindeakademie-rummelsberg.de

Gottesdienstinstitut Gottesdienst

www.gottesdienstinstitut.org

Kirchlicher Dienst in der Arbeitswelt Arbeitswelt/Arbeitslose

www.kda-bay.de

Landeskirchenamt Baumaßnahmen/Finanzen/Interreligiöser Dialog und Islamfragen/Kirche und Kunst/Kirche und Umwelt/Pfarrstellenbesetzung/Pfarrstellenplanung/ Rechtsfragen/Sekten/Weltanschauungsfragen

www.elkb.de > Handlungsfeld 10

Landeskirchenstelle Baumaßnahmen/ Friedhofsordnung/Finanzen/Rechtsfragen

www.elkb.de > Handlungsfeld 10

Landesverband für evang. Kindergottesdienstarbeit Kinderkirche

www.kirche-mit-kindern.de

Landvolkshochschule Pappenheim Kirchenvorstandsfortbildung

www.lvhs-pappenheim.de

Missionswerk Mission/Partnerschaften

www.missionswerk-bayern.de

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Pfründestiftungsverband Vermögensverwaltung/Pfründe

www.elkb.de > Handlungsfeld 10

Regionale Bildungswerke

Adressen über die Dekanate

Regionale Diakoniewerke

Adressen über die Dekanate

Regionale Glockensachverständige

Adressen über die Dekanate

Regionale Jugendwerke

Adressen über die Dekanate

Regionale Verwaltungsstellen und Kirchengemeindeämter

Adressen über die Dekanate

Religionapädagogisches Zentrum Konfirmandenarbeit

www.rpz-heilsbronn.de

Zielgruppenspezifische Angebote für den Kirchenvorstand Sie wollen besonders auf die folgende Gruppe in Ihrer Gemeinde zugehen

Wir unterstützen Sie gerne dabei

Ältere Menschen in Altenpflegeheimen und ihre Angehörigen (Seelsorge- und Besuchsdienstarbeit)

Amt für Gemeindedienst Arbeitsgemeinschaft Altenheimseelsorge in der ELKB Beratung für Kirchengemeinden und Dekanate Starthilfe für Besuchsdienstarbeit Fortbildungsangebote für Haupt- und Ehrenamtliche

Das können Sie bei uns bekommen

Arbeitshilfen, Informationsrundbriefe Projektberatung zum Thema „Demenz in unserer Kirchengemeinde“ Kooperation und Vernetzung mit Initiativen auf Regional- und Landesebene

Gleich ein paar Anregungen, wie Sie unsere Unterstützung nutzen können

Gottesdienste in Altenpflegeheimen sind ein erwartetes kirchliches Angebot. Wie gelingt eine angemessene Verkündigung für Menschen mit Demenz? Altenpflegeheime sind Orte des Sterbens. Welchen Beitrag können Kirchengemeinden zu einer würdevollen Abschiedkultur leisten? Wir helfen Ihnen, Antworten zu finden und diese in der Praxis umzusetzen.

Kontaktadresse

Diakon Helmut Unglaub Amt für Gemeindedienst Sperberstr. 70 90461 Nürnberg Telefon 0911 4316 -263 [email protected]

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Zielgruppenspezifische Angebote für den Kirchenvorstand

Sie wollen besonders auf die folgende Gruppe in Ihrer Gemeinde zugehen

Wir unterstützen Sie gerne dabei

Das können Sie bei uns bekommen

Gleich ein paar Anregungen, wie Sie unsere Unterstützung nutzen können

Kontaktadresse

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Mitarbeitende, die sich fragen wie ihre Kirchengemeinde heute aussehen müsste, um auch für andere Menschen als bisher attraktiv zu sein. Mitarbeitende, die nach Wegen suchen in ihrer eigenen Sprache selbstbewusst und selbstverständlich über ihren Glauben zu reden. Gemeindeglieder, die bislang selten oder überhaupt nicht an den Aktivitäten ihrer Kirchengemeinde teilnehmen. Amt für Gemeindedienst Arbeitsfeld Evangelisation – Konzepte & Strategien Beratung zu Fragen der Gemeindeentwicklung in missionarischer Perspektive. Informationen und Entscheidungshilfen auf KV- Sitzungen, Pfarrkonferenzen, Dekanatssynoden u.ä. Fortbildung zur praktischen Umsetzung von kommunikativen Glaubenskursen mit Kleingruppenarbeit . Begleitung bei Entscheidungsprozessen und Angeboten für Mitarbeitende. Teilhabe an einem niederschwelligen, kreativen, gemeinschaftsorientierten Glaubensleben auf Zeit („Cursillo“). Wir informieren gern zu Themen wie „offene Kirche werden“ oder „kirchenferne Menschen erreichen“ in ihrer nächsten KV-Sitzung oder Mitarbeitendenrunde. Laden Sie uns zur Planung und/oder Durchführung von KV-Tagen oder –Wochenenden ein. Besuchen Sie unsere Veranstaltungen zur Klärung eigener Glaubensfragen mit praxisorientierter Hilfestellung für das Gespräch über Glaubensthemen. Pfr. Peter Zeitz Amt für Gemeindedienst Evangelisation – Konzepte & Strategien Sperberstr. 70 90461 Nürnberg Telefon 0911 4316 -281 [email protected]

Zielgruppenspezifische Angebote für den Kirchenvorstand Sie wollen besonders auf die folgende Gruppe in Ihrer Gemeinde zugehen

Wir unterstützen Sie gerne dabei

Menschen am Rand der Gemeinde, Zweifelnde und Suchende, Konfessionslose

Amt für Gemeindedienst Arbeitsfeld Evangelisation (Projekte & Aktionen)

Informationen über elementare Glaubenskurse Das können Sie bei uns bekommen

Beratung zur Arbeit mit Glaubenskursen Fortbildungsveranstaltungen zu speziellen Angeboten

Gleich ein paar Anregungen, wie Sie unsere Unterstützung nutzen können

Kontaktadresse

Information über Glaubenskurse im Kirchenvorstand. Teilnahme an speziellen Fortbildungsveranstaltungen. Studienbrief: „Elementare Glaubenskurse als Chance für den Gemeindeaufbau“

Diakon Friedrich Rößner Amt für Gemeindedienst Evangelisation (Projekte & Aktionen) Sperberstr. 70 90461 Nürnberg Telefon 0911 4316 -283 Email: [email protected]

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Zielgruppenspezifische Angebote für den Kirchenvorstand Sie wollen besonders auf die folgende Gruppe in Ihrer Gemeinde zugehen

Wir unterstützen Sie gerne dabei

Menschen am Rand der Gemeinde, Zweifelnde und Suchende, Konfessionslose

Amt für Gemeindedienst Arbeitsfeld Evangelisation (Projekte & Aktionen)

Missionarische Gemeindewoche „Impulse zum Leben“ Das können Sie bei uns bekommen

Ein zielgruppenspezifisches Angebot für Gemeinden, die wachsen wollen.

Gleich ein paar Anregungen, wie Sie unsere Unterstützung nutzen können

Nehmen Sie bitte mit uns Kontakt auf: Wir vereinbaren einen Termin für ein erstes Gespräch in ihrer Gemeinde und begleiten Sie auf dem Weg zu einem möglichst passgenauen missionarisches Konzept für eine Gemeindewoche vor Ort.

Kontaktadresse

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Diakon Friedrich Rößner Amt für Gemeindedienst Evangelisation (Projekte & Aktionen) Sperberstr. 70 90461 Nürnberg Telefon 0911 4316 -283 Email: [email protected]

Zielgruppenspezifische Angebote für den Kirchenvorstand

Sie wollen besonders auf die folgende Gruppe in Ihrer Gemeinde zugehen

Wir unterstützen Sie gerne dabei

Das können Sie bei uns bekommen

Familien, Eltern und Alleinerziehende, darunter Neu Zugezogene, Wieder Eingetretene, sog. Kirchendistanzierte, Familien mit zu pflegenden Angehörigen, Familien mit Migrationshintergrund, kurz: eben alle Familienformen Amt für Gemeindedienst Familienarbeit Informationen, Beratung und Materialien; u.a. Impulstage für Kirchenvorstände, Arbeitsgruppen in Gemeinde und/ oder Dekanat / Kirchenkreis, (projektbezogene) Zusammenarbeit, Vernetzung vor Ort, Unterstützung von generationenverbindender Gemeindearbeit und interkultureller Gemeindeprojekte, Themenbezogenes Referatsund Veranstaltungsangebot; spezielle Angebote wie Partnerschaftsseminare (EPL und KEK – Gesprächstraining für Paare) und Elternseminare („Familienteam – Das Miteinander stärken“ – Elterntraining) und mehr auf Anfrage und nach Bedarf

Gleich ein paar Anregungen, wie Sie unsere Unterstützung nutzen können

Kontaktadresse

Der „Newsletter“ Familienarbeit mit aktuellen Informationen rund um das Thema „Familie“

Evelin Göbel Amt für Gemeindedienst Familienarbeit Sperberstr. 70 90461 Nürnberg Telefon 0911 4316 -224 oder –223 [email protected]

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Zielgruppenspezifische Angebote für den Kirchenvorstand

Sie wollen besonders auf die folgende Gruppe in Ihrer Gemeinde zugehen

Wir unterstützen Sie gerne dabei

Familien mit Kleinkindern Familien mit schulpflichtigen Kindern und Jugendlichen Neu zugezogene Familien Angebote für diese Zielgruppe: Wochenend-Gemeindefreizeiten Mehrtägige Familienfreizeiten Amt für Gemeindedienst Familienerholung Beratung bei: Konzeptentwicklung

Das können Sie bei uns bekommen

Planung und Organisation Finanzierung und Zuschussmöglichkeiten Fortbildung der ehrenamtlich Mitarbeitenden

Gleich ein paar Anregungen, wie Sie unsere Unterstützung nutzen können

Kontaktadresse

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Nehmen Sie Kontakt mit uns auf. Wir beraten Sie telefonisch oder per E-Mail. Gerne schicken wir Ihnen auch schriftliche Unterlagen zu.

Christa Flurer Amt für Gemeindedienst Familienerholung Sperberstr. 70 90461 Nürnberg Telefon 0911 4316 -191 [email protected]

Zielgruppenspezifische Angebote für den Kirchenvorstand

Sie wollen besonders auf die folgende Gruppe in Ihrer Gemeinde zugehen

Wir unterstützen Sie gerne dabei

Kinder (bis ca. 12 Jahre) sowie Mitarbeitende in der „Kirche mit Kindern“ (also im Kindergottesdienst, Krabbelgottesdienst, KidsGo und bei Kinderbibelwochen, Kinderbibeltagen, Kinderkirchentagen)

Amt für Gemeindedienst Team Kinderkirche Landesverband für Evang. Kindergottesdienstarbeit in Bayern

Fortbildungen Das können Sie bei uns bekommen

für ehrenamtlich und beruflich Mitarbeitende, Arbeitshilfen und Materialien, Beratung und Begleitung, Vernetzung, Informationen, E-Mail-Newsletter

Gleich ein paar Anregungen, wie Sie unsere Unterstützung nutzen können

Stöbern Sie durch unserer Website www.kirche-mit-kindern.de oder kontaktieren Sie Ihren Dekanatsbeauftragten für Kindergottesdienst (Wer das ist, erfahren Sie in Ihrem Dekanat oder über uns).

Landespfarrer für Kindergottesdienst Referentin für Kinderbibelwochen Kontaktadresse

Geschäftsstelle des Landesverbandes für Evang. Kindergottesdienstarbeit in Bayern Amt für Gemeindedienst Sperberstr. 70 90461 Nürnberg Telefon 0911 4316 -130 [email protected]

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Zielgruppenspezifische Angebote für den Kirchenvorstand

Sie wollen besonders auf die folgende Gruppe in Ihrer Gemeinde zugehen

Wir unterstützen Sie gerne dabei

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Männer, die sich mit kirchlichen Angeboten schwer tun und deshalb auf Distanz gegangen sind. Männerarbeit unter Berücksichtigung von Zielgruppen unter dem Aspekt der Lebensphasen und Lebensformen: Vater-Kind-Arbeit, der Mann zwischen Familie und Beruf, der junge „Alte“, der Mann in der dritten Lebensphase u.a.m. Amt für Gemeindedienst Arbeitsfeld Männerarbeit

Wir beraten Kirchengemeinden, die in der Männerarbeit eine wichtige Herausforderung für den Gemeindeaufbau erkennen. Wir begleiten Sie vor Ort - hin zu konkreten ersten Schritten und einem Angebot für Männer. Wir unterstützen Sie mit Arbeitshilfen, Informationen, Studien- und Impulstagen.

Nehmen Sie bitte mit uns Kontakt auf: Wir vereinbaren einen Termin für ein erstes Gespräch in ihrer Gemeinde und begeben uns mit Ihnen in eine gemeinsame Suchbewegung vor Ort, hin zu einer ersten Veranstaltung und einer Programmplanung.

Werner Lauterbach Amt für Gemeindedienst Männerarbeit Sperberstr. 70 90461 Nürnberg Telefon 0911 4316 -251 [email protected]

Zielgruppenspezifische Angebote für den Kirchenvorstand

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Öffentlichkeitsarbeit ist Kommunikation nach innen und außen. Öffentlichkeitsarbeit spricht Menschen aus unterschiedlichen Bereichen und mit unterschiedlichen Potenzialen für die Gemeindearbeit an.

Amt für Gemeindedienst Öffentlichkeitsarbeit

Beratung für Konzeption, Planung und Umsetzung ihrer Öffentlichkeitsarbeit. Schulungen und Seminare für Gemeindebriefarbeit und Schaukastengestaltung. Werbemittel wie Schilder, Fahnen, Briefpapier im Corporate Design der ELKB.

Gemeindebriefe erreichen fast alle erwachsenen Gemeindemitglieder. Spannend und abwechslungsreich gestaltet, informiert er, lädt zu Veranstaltungen und Projekten ein, weckt Interesse an Gemeindearbeit. Wir bieten dazu entsprechende Seminare und Kurse an.

Herbert Kirchmer und Kerstin Dominika Urban Amt für Gemeindedienst Öffentlichkeitsarbeit Sperberstr. 70 90461 Nürnberg Telefon 0911 4316 -231 oder -172 [email protected]

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Rechtliche Grundlagen für die Arbeit des Kirchenvorstandes

In diesem Anhang finden Sie die gültige Fassung der Kirchengemeindeordnung (KGO) und die Verordnung zur Gemeindeversammlung (siehe auch §11 Absatz 3 KGO) abgedruckt.

Weitere Rechtstexte finden Sie im Intranet unter: www.elkb.de/kv unter dem Link „Rechtliche Grundlagen“.

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RS 300 Kirchengemeindeordnung der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern (Kirchengemeindeordnung – KGO) In der Neufassung vom 15. Januar 2007 (KABl S. 48) Die Landessynode hat das folgende Gesetz beschlossen, das hiermit verkündet wird, nachdem festgestellt ist, dass die Erfordernisse verfassungsändernder Mehrheit erfüllt sind:

I. Abschnitt Grundlegung

§§ 1–11

II. Abschnitt Bereich und Bestand der Kirchengemeinde

§§ 12–17

III. Abschnitt Der Kirchenvorstand 1. Der Kirchenvorstand und seine Aufgaben

§§ 18–26

2. Die Zugehörigkeit zum Kirchenvorstand

§§ 27–34

3. Die Geschäftsführung des Kirchenvorstandes

§§ 35–52

4. Der Kirchenpfleger, die Kirchenpflegerin

§§ 53–54

IV. Abschnitt Kirchengemeindliche Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen

§§ 55–62

V. Abschnitt Die ortskirchliche Vermögensverwaltung 1. Die ortskirchlichen Rechts- und Vermögensträger

§§ 63–64

2. Die Verwaltung des Ortskirchenvermögens

§§ 65–70

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VI. Abschnitt Der Haushalt der Kirchengemeinde 1. Allgemeines

§§ 71–75

2. Der Finanzbedarf der Kirchengemeinde

§§ 76–79

3. Ordentliche und außerordentliche Deckungsmittel

§§ 80–85

VII. Abschnitt Gesamtkirchengemeinden

§§ 86–97

VIII. Abschnitt Visitation und Aufsicht 1. Visitation

§§ 98–99

2. Aufsicht

§§ 100–110

IX. Abschnitt Rechtsbehelfe

§§ 111–112

X. Abschnitt Übergangs- und Schlussbestimmungen

§§ 113–116

I. Abschnitt. Grundlegung § 1 Kirchengemeinde. (1) In der Kirchengemeinde verwirklicht sich die Gemeinde Jesu Christi im örtlichen Bereich. In ihr sind die Gemeinde, die sich aus Wort und Sakrament aufbaut, und das Amt mit dem Auftrag zur öffentlichen Wortverkündigung und zur Sakramentsverwaltung unter ihrem Haupt Jesus Christus als dem Herrn der Kirche einander zugeordnet. (2) Die Kirchengemeinde im Sinne dieses Gesetzes ist eine örtlich begrenzte Gemeinschaft von Mitgliedern der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern, die sich regelmäßig um Wort und Sakrament versammelt. In ihr werden das Amt und die sonstigen Dienste nach dem Bekenntnis und den kirchlichen Ordnungen ausgeübt.

268

§ 2 Auftrag und Wirkungskreis der Kirchengemeinde. (1) Der Wirkungskreis der Kirchengemeinde ist bestimmt durch den Auftrag, den die Gemeinde Jesu Christi von ihrem Herrn erhalten hat. (2) Die Kirchengemeinde hat dementsprechend die Aufgabe, im Zusammenwirken aller ihrer Mitglieder unter Leitung der Pfarrer und Pfarrerinnen und des Kirchenvorstandes für den Aufbau und die Gestaltung des Gemeindelebens zu sorgen. Sie hat insbesondere die rechte Ordnung in der Verkündigung des Wortes und in der Verwaltung der Sakramente zu pflegen, die kirchliche Unterweisung zu fördern, den Dienst der christlichen Liebe zu üben und zu unterstützen und dazu beizutragen, dass die missionarischen Möglichkeiten in dieser Welt wahrgenommen werden. (3) Die Kirchengemeinde beteiligt sich in der Gemeinschaft aller Kirchengemeinden an den Aufgaben und Lasten der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern. Darüber hinaus soll sie für die kirchlichen Zusammenschlüsse und für die weltweiten Aufgaben der Kirche Jesu Christi eintreten. § 3 Der Auftrag als Recht und Pflicht. (1) Alles Recht der Kirchengemeinde ergibt sich aus der gehorsamen Erfüllung ihres Auftrages. In diesem Gehorsam ordnet und verwaltet sie ihre Angelegenheiten in eigener Verantwortung selbstständig im Rahmen der Kirchengesetze. (2) An der Verantwortung für die Erfüllung dieses Auftrages haben alle Mitglieder der Kirchengemeinde teil. Darum arbeiten sie nach ihren Gaben mit und bringen die erforderlichen Mittel auf. § 4 Rechtsform. (1) Die Kirchengemeinde besitzt Rechtspersönlichkeit nach kirchlichem Recht. (2) Sie erhält die Eigenschaft einer Körperschaft des öffentlichen Rechts nach den geltenden staatskirchenrechtlichen Bestimmungen. § 5 Mitgliedschaft in der Kirchengemeinde. (1) Die Mitglieder der EvangelischLutherischen Kirche in Bayern sind zugleich Mitglieder der Kirchengemeinde, in der sie ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben. Bei mehrfachem Wohnsitz bestimmt sich die Mitgliedschaft in der Kirchengemeinde nach dem überwiegenden Aufenthalt, wenn nicht durch eine Erklärung vor dem Pfarramt die Mitgliedschaft bei einer bestimmten Kirchengemeinde begründet wird. (2) Die zum Dienst an einer Kirchengemeinde berufenen Ordinierten sind Mitglieder der Kirchengemeinde ihres Amtssitzes; dies gilt für Vikare bzw. Vikarinnen, Pfarrverwalter bzw. Pfarrverwalterinnen im Vorbereitungsdienst sowie

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auf ihren Antrag auch für haupt- und nebenamtliche Mitarbeitende der Kirchengemeinde entsprechend. (3) Die Bestimmungen des Kirchenmitgliedschaftsgesetzes und des Kirchensteuergesetzes bleiben unberührt. § 6 Mitgliedschaft in der Kirchengemeinde auf Antrag. (1) Mitglieder der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern können auf ihren Antrag Mitglieder einer anderen Kirchengemeinde werden. Der Kirchenvorstand der aufnehmenden Kirchengemeinde entscheidet im Benehmen mit dem Kirchenvorstand der abgebenden Kirchengemeinde über den Antrag. Das Kirchenmitglied ist über die Regelungen der Abs. 3 und 4 zu informieren. (2) Dem Antrag ist stattzugeben, wenn nicht wichtige Gründe entgegenstehen. Bei Ablehnung des Antrags kann innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe bei dem Dekan bzw. der Dekanin, der bzw. die für die aufnehmende Kirchengemeinde zuständig ist, Beschwerde eingelegt werden. (3) Die Kirchenmitgliedschaft nach Abs. 1 endet mit dem Wegzug aus der bisherigen Kirchengemeinde des Wohnsitzes, es sei denn, einem Antrag auf Fortsetzung der Kirchenmitgliedschaft wird stattgegeben. (4) Auf die Kirchenmitgliedschaft nach Abs. 1 kann ein Kirchenmitglied verzichten mit der Folge, dass es Kirchenmitglied der Kirchengemeinde des Wohnsitzes wird. Der Verzicht ist schriftlich gegenüber der Kirchengemeinde zu erklären, zu der die Kirchenmitgliedschaft nach Abs. 1 besteht. Die Erklärung über den Verzicht wird mit Ablauf des Monats wirksam, in dem diese zugegangen ist. Die Kirchengemeinde, zu der die Kirchenmitgliedschaft nach Abs. 1 besteht, unterrichtet schriftlich die Kirchengemeinde des Wohnsitzes über die bei ihr eingegangene Verzichtserklärung des Kirchenmitgliedes. (5) Mitglieder von Kirchengemeinden anderer Kirchen können aufgrund von zwischenkirchlichen Mitgliedschaftsvereinbarungen Mitglieder von Kirchengemeinden der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern werden. § 7 Amtshandlungen an Mitgliedern anderer Kirchengemeinden. Wollen Gemeindemitglieder für Amtshandlungen den Dienst von nicht in der Kirchengemeinde tätigen Pfarrern und Pfarrerinnen in Anspruch nehmen, so bedarf es nach Maßgabe der Bestimmungen des Pfarrergesetzes der Zustimmung des zuständigen Pfarrers bzw. der zuständigen Pfarrerin ihrer Kirchengemeinde.

270

§ 8 Personale Seelsorgebereiche. Innerhalb einer Kirchengemeinde oder Gesamtkirchengemeinde können bei Bedarf für besondere Personengruppen personale Seelsorgebereiche geschaffen werden, wenn in ihnen der Dienst des geistlichen Amtes nach dem Bekenntnis der evangelisch-lutherischen Kirche und den kirchlichen Ordnungen regelmäßig wahrgenommen wird. Das Nähere wird in einer Verordnung geregelt. § 9 (entfallen) § 10 Gemeindeverzeichnis. In jeder Kirchengemeinde wird ein Verzeichnis der Gemeindemitglieder geführt. § 11 Gemeindeversammlung. (1) Einmal im Jahr soll vom Kirchenvorstand eine Versammlung der wahlberechtigten Gemeindemitglieder (§ 6 KVWG) einberufen werden (Gemeindeversammlung), bei der der Kirchenvorstand einen Bericht über seine Tätigkeit gibt. Zur Beratung wichtiger Gemeindeangelegenheiten und Fragen des kirchlichen Lebens mit Ausnahme von Personalangelegenheiten kann der Kirchenvorstand jederzeit eine Gemeindeversammlung einberufen. In besonderen Fällen kann der Dekan bzw. die Dekanin oder der Oberkirchenrat bzw. die Oberkirchenrätin im Kirchenkreis die Einberufung verlangen. Der Kirchenvorstand muss eine Gemeindeversammlung einberufen, wenn fünf vom Hundert der wahlberechtigten Gemeindemitglieder dies schriftlich beantragen. (2) Wünsche und Anregungen der Gemeindeversammlung müssen vom Kirchenvorstand vordringlich behandelt werden. (3) Das Nähere wird in einer Verordnung geregelt.

II. Abschnitt. Bereich und Bestand der Kirchengemeinde § 12 Umfang. Die Grenzen der Kirchengemeinde ergeben sich aus Herkommen oder der Entscheidung des Landeskirchenrates. § 13 Name und Sitz. (1) Die Kirchengemeinde führt den Namen „EvangelischLutherische Kirchengemeinde“ mit dem Ortsnamen ihres Sitzes. Bestehen innerhalb einer politischen Gemeinde mehrere Kirchengemeinden, so wird zur Unterscheidung in der Regel der Name der Kirche beigefügt. (2) Als Sitz der Kirchengemeinde gilt, wenn nichts anderes bestimmt oder hergebracht ist, der Ort der vorhandenen Kirche oder des gottesdienstlichen Raumes. Bei Errichtung neuer Kirchengemeinden wird der Sitz bestimmt.

271

§ 14 Änderung im Bestand oder Gebiet. (1) Zur besseren Entfaltung des örtlichen Gemeindelebens können Teile von Kirchengemeinden in angrenzende Kirchengemeinden eingegliedert oder aus ihnen neue Kirchengemeinden gebildet werden. (2) Neue Kirchengemeinden werden errichtet, wenn ein gottesdienstlicher Mittelpunkt vorhanden ist und die Zahl der Gemeindemitglieder ausreicht, um die ortsüblichen Aufgaben zu erfüllen und geistliches Leben zu entfalten. § 15 Verfahren bei Änderungen. (1) Das Verfahren setzt einen Antrag voraus; wenn ein dringendes gemeindliches oder ein allgemeines kirchliches Interesse vorliegt, kann es auch vom Landeskirchenrat eingeleitet werden. (2) Über die Änderung entscheidet der Landeskirchenrat. Vor der Entscheidung sind die beteiligten Kirchenvorstände und die Kirchengemeindemitglieder zu hören, deren Gemeindezugehörigkeit sich ändern soll. (3) Das Verfahren im Einzelnen wird in einer Verordnung geregelt. § 16 Vereinigung und Aufhebung von Kirchengemeinden. Für die Vereinigung und Aufhebung von Kirchengemeinden gelten die §§ 14 und 15 entsprechend. § 17 Vermögensauseinandersetzung. Sind bei der Bildung oder Umbildung von Kirchengemeinden die Rechte und Pflichten an vorhandenen kirchlichen Gebäuden, Anstalten und Einrichtungen zu regeln oder ist vorhandenes Vermögen neu zu ordnen, so gilt, wenn sich die Beteiligten gütlich einigen und die kirchliche Aufsichtsbehörde zustimmt, die Vereinbarung, andernfalls entscheidet das Landeskirchenamt.

III. Abschnitt. Der Kirchenvorstand 1. Der Kirchenvorstand und seine Aufgaben § 18 Kirchengemeinde und Kirchenvorstand. (1) Jede Kirchengemeinde hat einen Kirchenvorstand, soweit kein gemeinsamer Kirchenvorstand gebildet wird. § 18 a Gemeinsamer Kirchenvorstand. (1) Bestehen in einer Pfarrei mehrere Kirchengemeinden, soll ein gemeinsamer Kirchenvorstand gebildet werden, wenn dies der besseren Entfaltung des örtlichen Gemeindelebens dient. (2) Für die einzelnen Kirchengemeinden können Ausschüsse nach § 46 Abs. 1 gebildet werden.

272

§ 19 Zusammenwirken von Pfarrern und Pfarrerinnen mit Kirchenvorstehern und Kirchenvorsteherinnen. Pfarrer und Pfarrerinnen und Kirchenvorsteher und Kirchenvorsteherinnen wirken bei der Leitung der Kirchengemeinde zusammen; sie stehen in Verantwortung füreinander im Dienst an der Gemeinde und sind sich darin gegenseitige Hilfe schuldig. Deshalb sollen Pfarrer und Pfarrerinnen auch Angelegenheiten des geistlichen Amtes, die für die Gemeinde wichtig sind, mit den Kirchenvorstehern und Kirchenvorsteherinnen besprechen, soweit dies mit ihrem Amt vereinbar ist. § 20 Kirchenvorstand und Gemeindemitglieder. Wünsche und Anregungen aus der Gemeinde, die das kirchliche Leben fördern, hat der Kirchenvorstand zu prüfen; er soll diese soweit als möglich berücksichtigen. Den betreffenden Gemeindemitgliedern ist in angemessener Zeit mitzuteilen, ob und inwieweit ihre Wünsche und Anregungen Berücksichtigung gefunden haben. § 21 Aufgaben des Kirchenvorstandes im Allgemeinen. Der Kirchenvorstand hat im Rahmen der kirchlichen Ordnungen vor allem 1. über die Gestaltung der Gottesdienste und liturgischen Handlungen sowie über die Einführung neuer Gottesdienste zu beschließen und Gottesdienstzeiten festzusetzen, 2. über Maßnahmen zur Sicherung und Förderung der kirchlichen Unterweisung (Kindergottesdienst, Religionsunterricht, Konfirmandenunterricht usw.) zu beraten und zu beschließen, 3. über den Gebrauch der kirchlichen Gebäude, vor allem über die Überlassung gottesdienstlicher Räume zu besonderen Veranstaltungen zu entscheiden, 4. mitzuwirken, dass die rechte Lehre gewahrt, die kirchliche Ordnung und christliche Sitte erhalten, das kirchliche Leben nachhaltig gefördert und die Sonn- und Feiertage geheiligt werden, 5. bei der Anwendung der Leitlinien kirchlichen Lebens mitzuwirken, 6. bei der Besetzung der Pfarrstellen mitzuwirken, 7. über die Sprengelordnung in Kirchengemeinden mit mehreren Pfarrstellen mitzuberaten, 8. die Erkenntnis der diakonischen und missionarischen Aufgaben in der Gemeinde zu vertiefen, die Arbeitskreise, Werke und Anstalten zu unterstützen, insbesondere christliche Liebestätigkeit und Gemeindediakonie, Männer-, Frauen- und Jugendarbeit, Eltern- und Familiendienst, kirchliche Sozialar-

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beit, Kirchenmusik, Volksmission, Ökumene, Äußere Mission und Diasporafürsorge zu fördern, 9. dafür zu sorgen, dass Zwistigkeiten in der Kirchengemeinde rechtzeitig und in geschwisterlicher Weise beigelegt werden, 10. für die Dienste in Kirchengemeinde und Kirche Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen zu gewinnen, 11. sich darum zu bemühen, dass durch Gaben und freiwillige Dienstleistungen die Erfüllung der kirchlichen Aufgabe erleichtert wird, 12. wichtige kirchliche Fragen zu erörtern, insbesondere darüber zu beraten, wie grundlegende, die Kirchengemeinde berührende kirchliche Anordnungen vollzogen und neue kirchliche Einrichtungen geschaffen oder gefördert werden können. § 22 Aufgaben des Kirchenvorstandes auf vermögensrechtlichem Gebiet. (1) Bei allen Maßnahmen und Beschlüssen in finanziellen und vermögensrechtlichen Angelegenheiten ist zu bedenken, dass sie dem Auftrag der Kirchengemeinde (§ 2) zu dienen haben und dadurch wesentlich bestimmt sind. (2) Der Kirchenvorstand hat auf vermögensrechtlichem Gebiet vor allem 1. das Ortskirchenvermögen zu verwalten, 2. die ortskirchlichen Satzungen zu beschließen, 3. kirchengemeindliche Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen einzustellen und Dienstanweisungen für sie festzulegen, 4. über Haushaltsplan und Rechnung zu beschließen, 5. die Erhebung des Kirchgeldes nach Maßgabe des Kirchengesetzes über die Erhebung von Kirchensteuern zu beschließen, 6. für die Sicherung und gute Bewirtschaftung des Pfründevermögens besorgt zu sein und zu diesem Zweck den Pfründeinhaber bzw. die Pfründeinhaberin und den Pfründestiftungsverband zu beraten. (3) Der Kirchenvorstand vertritt die Kirchengemeinde als Steuerverband. (4) Dem Kirchenvorstand obliegt nach den Bestimmungen dieses Gesetzes die Verwaltung und Vertretung des ortskirchlichen Stiftungsvermögens, soweit nicht besondere Stiftungsorgane bestehen. § 23 Mitwirkungsrecht bei der Besetzung von Pfarrstellen. Das Mitwirkungsrecht der Kirchengemeinde bei der Besetzung von Pfarrstellen bestimmt sich nach der Kirchenverfassung und der Pfarrstellenbesetzungsordnung.

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§ 24 Kirchenvorstand in besonderen Fällen. Werden Kirchengemeinden neu gebildet oder vereinigt, so ordnet der Landeskirchenrat an, wer die Aufgaben des Kirchenvorstandes bis zu einer Neuwahl wahrnimmt. Bei einer Vereinigung ist die angemessene Vertretung aller zuvor selbstständigen Teile der Kirchengemeinde vorzusehen. Werden Teile einer Kirchengemeinde einer anderen Kirchengemeinde angegliedert, so kann der Landeskirchenrat eine entsprechende Regelung treffen. § 25 Besondere Vertretung bei Rechtsgeschäften zwischen Kirchengemeinden und ortskirchlichen Stiftungen. Wenn die Kirchengemeinde mit einer ortskirchlichen Stiftung ein Rechtsgeschäft vornehmen will, bestellt die kirchliche Aufsichtsbehörde einen bzw. eine oder mehrere besondere Vertreter bzw. Vertreterinnen für die ortskirchliche Stiftung. Diese sind möglichst aus den zu Kirchenvorstehern und Kirchenvorsteherinnen wählbaren Gemeindemitgliedern zu bestimmen. § 26 Grundsatz der Zusammenarbeit, gemeinsame Beratung mehrerer Kirchenvorstände, Vereinbarungen. (1) Die Kirchengemeinden sind zur Zusammenarbeit mit benachbarten Kirchengemeinden verpflichtet. Gemeinsame Angelegenheiten oder wichtige kirchliche Fragen, insbesondere grundlegende, die Kirchengemeinden berührende Maßnahmen oder neue Einrichtungen sollen von den Kirchenvorständen gemeinsam beraten werden. (2) Zur Erfüllung einzelner Aufgaben können sich Kirchengemeinden zu Arbeitsgemeinschaften zusammenschließen und weiteres durch Vereinbarung regeln. (3) Einzelne kirchengemeindliche Aufgaben können durch Vereinbarung mit dem Dekanatsbezirk diesem übertragen werden. (4) Das Nähere über die Formen der Zusammenarbeit wird durch Verordnung geregelt. 2. Die Zugehörigkeit zum Kirchenvorstand § 27 Zusammensetzung des Kirchenvorstandes. (1) Dem Kirchenvorstand gehören an: 1. die zum Dienst in der Kirchengemeinde berufenen Pfarrer und Pfarrerinnen, Pfarrer und Pfarrerinnen im Probedienst, Pfarrverwalter und Pfarrverwalterinnen sowie Pfarrverwalter und Pfarrverwalterinnen im Probedienst; dem Kirchenvorstand gehört auch an, wer in der Kirchengemeinde zur dienstlichen Vertretung der bzw. des mit der pfarramtlichen Geschäftsführung Beauftragten eingesetzt ist;

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2. die nach dem Kirchenvorstandswahlgesetz gewählten und berufenen Kirchenvorsteher und Kirchenvorsteherinnen; 3. die hauptamtlichen theologisch-pädagogischen Mitarbeitenden und die hauptamtlichen Kirchenmusiker bzw. Kirchenmusikerinnen, die in der Kirchengemeinde eingesetzt sind und die allgemeine Wählbarkeit zum Kirchenvorstand haben, gehören auf ihren Antrag hin ehrenamtlich dem Kirchenvorstand mit beratender Stimme an; 4. Vikare, Vikarinnen, Pfarrverwalter und Pfarrverwalterinnen im Vorbereitungsdienst gehören dem Kirchenvorstand mit beratender Stimme an. (2) Ist eine Pfarrstelle mit einem Theologenehepaar oder sonst im Teildienst besetzt, haben beide Ehegatten bzw. beide Pfarrer oder Pfarrerinnen Sitz im Kirchenvorstand, jedoch nur einer bzw. eine Stimmrecht. In diesem Fall einigen sich die Ehegatten bzw. Pfarrer oder Pfarrerinnen, wer das Stimmrecht zunächst ausübt. Dies wird in die Dienstordnung aufgenommen. Können sich die Betroffenen nicht einigen, entscheidet der Dekan bzw. die Dekanin. (3) Andere haupt- und nebenamtliche Mitarbeitende, die von der Kirchengemeinde angestellt und regelmäßig mit mehr als zehn Stunden in der Woche beschäftigt sind, sowie gleichzeitig Eheleute oder Eltern und Kinder dürfen dem Kirchenvorstand nicht angehören. § 28 Zahl der Kirchenvorsteher und Kirchenvorsteherinnen. (1) Zu Kirchenvorstehern und Kirchenvorsteherinnen werden gewählt und berufen in Kirchengemeinden bis zu

1 000 Gemeindemitgliedern

sechs

bis zu

2 000 Gemeindemitgliedern

acht

bis zu

5 000 Gemeindemitgliedern

zehn

bis zu

10 000 Gemeindemitgliedern

zwölf

über

10 000 Gemeindemitglieder

fünfzehn Gemeindemitglieder.

(2) Der Dekan bzw. die Dekanin kann auf Antrag des Kirchenvorstandes die Zahl der Kirchenvorsteher und Kirchenvorsteherinnen ausnahmsweise abweichend festsetzen. Die Zahl der Kirchenvorsteher und Kirchenvorsteherinnen muss mindestens vier betragen. (3) Wird ein gemeinsamer Kirchenvorstand gebildet, bestimmt sich die Zahl der Kirchenvorsteher und Kirchenvorsteherinnen gemäß Abs. 1 nach Maßgabe der Gesamtzahl der Gemeindemitglieder der betreffenden Kirchengemeinden. Abs. 2 Satz 1 gilt entsprechend.

276

§ 29 Amtspflichten der Kirchenvorsteher und Kirchenvorsteherinnen. (1) Die Kirchenvorsteher und Kirchenvorsteherinnen sind verpflichtet, gebunden an die Heilige Schrift und an das Bekenntnis der evangelisch-lutherischen Kirche, nach den kirchlichen Ordnungen ihr Amt gewissenhaft auszuüben. (2) Sie sollen der Kirchengemeinde durch einen christlichen Lebenswandel und durch die Teilnahme am kirchlichen Leben Vorbild sein. Sie sollen nach ihren Kräften und Fähigkeiten für die Kirchengemeinde tätig sein. (3) Sie haben über Angelegenheiten, die ihnen in ihrem Amt bekannt geworden sind und deren Geheimhaltung der Natur nach erforderlich oder besonders angeordnet ist, Verschwiegenheit zu bewahren, auch wenn ihre Amtszeit abgelaufen ist. Von der Verpflichtung zur Amtsverschwiegenheit können sie auf Antrag durch Beschluss des Kirchenvorstandes entbunden werden. Gegen eine ablehnende Entscheidung steht ihnen innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe das Recht der Beschwerde zum Dekanatsausschuss zu. Der Kirchenvorstand ist zu hören. (4) Die Kirchenvorsteher und Kirchenvorsteherinnen üben ihr Amt als Ehrenamt aus. § 30 Amtszeit. (1) Die Kirchenvorsteher und Kirchenvorsteherinnen werden für einen Zeitraum von sechs Jahren nach dem Kirchenvorstandswahlgesetz gewählt oder berufen. (2) Ihre Amtszeit beginnt mit der Verpflichtung und endet mit der Verpflichtung der neuen Kirchenvorsteher und Kirchenvorsteherinnen. § 31 Einführung und Verpflichtung. (1) Die Kirchenvorsteher und Kirchenvorsteherinnen werden im Hauptgottesdienst nach der Agende in ihren Dienst eingeführt. Sie verpflichten sich durch Gelöbnis und Handschlag, ihr Amt recht zu führen. (2) In gleicher Weise sollen die in den Kirchenvorstand einberufenen Ersatzleute eingeführt und verpflichtet werden; dies kann auch in einer Sitzung des Kirchenvorstandes erfolgen. § 32 Entlassung aus dem Amt. (1) Kirchenvorsteher und Kirchenvorsteherinnen sind berechtigt, ihre Entlassung aus dem Amt zu beantragen, 1. wenn sie meinen, es aus Gewissensgründen nicht mehr ausüben zu können, 2. wenn sie sich körperlich oder geistig dem Amt nicht mehr gewachsen fühlen,

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3. wenn Berufs- oder Familienverhältnisse ihnen die Ausübung des Amtes übermäßig erschweren, 4. wenn sie das 70. Lebensjahr vollendet haben. (2) Aus den gleichen Gründen können Ersatzleute beantragen, dass sie in den Kirchenvorstand nicht einberufen werden. (3) Über den Antrag entscheidet der Kirchenvorstand. Lehnt er den Antrag ab, entscheidet der Dekanatsausschuss. § 33 Ausscheiden aus dem Amt kraft Gesetzes. (1) Kirchenvorsteher und Kirchenvorsteherinnen scheiden aus ihrem Amt aus, 1. wenn sie nicht mehr Mitglied der Kirchengemeinde sind, 2. wenn sie aus der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern austreten, 3. wenn ihnen zur Besorgung aller ihrer Angelegenheiten ein Betreuer oder eine Betreuerin nicht nur durch einstweilige Anordnung bestellt ist; dies gilt auch, wenn der Aufgabenkreis des Betreuers oder der Betreuerin die in § 1896 Abs. 4 und § 1905 des Bürgerlichen Gesetzbuches bezeichneten Angelegenheiten nicht erfasst. Aus den gleichen Gründen scheiden auch Ersatzleute aus. (2) Das Ausscheiden wird vom Kirchenvorstand festgestellt. (3) Verziehen Kirchenvorsteher bzw. Kirchenvorsteherinnen in eine andere Kirchengemeinde, so können sie bis zur nächsten Wahl in ihrem Amt verbleiben, wenn der Kirchenvorstand einen entsprechenden Beschluss fasst. Die Fortsetzung der Kirchenmitgliedschaft in der Kirchengemeinde aufgrund einer Mitgliedschaftsvereinbarung mit einer anderen Kirche bleibt unberührt. § 34 Ausschluss vom Amt. (1) Kirchenvorsteher und Kirchenvorsteherinnen werden von ihrem Amt ausgeschlossen, 1. wenn sie sich bekenntniswidrig verhalten, 2. wenn sie durch ihren Lebenswandel oder durch ihr sonstiges Verhalten der Gemeinde Ärgernis geben, 3. wenn sie schuldhaft die Pflichten ihres Amtes erheblich verletzen. Der Beschluss kann erst gefasst werden, wenn seelsorgerliche Bemühungen erfolglos geblieben sind. (2) Für Ersatzleute gilt Abs. 1 entsprechend. (3) Die Betroffenen können sich innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der

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Entscheidung beim Dekanatsausschuss, der sie hören muss, beschweren. Die Beschwerde hat aufschiebende Wirkung. (4) Kirchenvorsteher und Kirchenvorsteherinnen, die ausgeschlossen werden, verlieren die Wählbarkeit für die Dauer von sechs Jahren. 3. Die Geschäftsführung des Kirchenvorstandes § 35 Vorsitz im Kirchenvorstand. (1) Vorsitzender bzw. Vorsitzende des Kirchenvorstandes ist der bzw. die mit der pfarramtlichen Geschäftsführung Beauftragte. In Kirchengemeinden, welche zu einer Pfarrei mit mehreren Pfarrstellen gehören, führt der Pfarrer bzw. die Pfarrerin den Vorsitz, zu dessen bzw. deren Sprengel die Kirchengemeinde gehört. Der bzw. die Vorsitzende des Kirchenvorstandes wirkt mit der Vertrauensfrau bzw. dem Vertrauensmann (§ 36) zusammen. (2) Bestehen in einer Pfarrei mehrere Kirchengemeinden und umfasst der Dienstbereich eines Pfarrers bzw. einer Pfarrerin im Probedienst den Bereich einer Kirchengemeinde, kann in der Dienstordnung bestimmt werden, dass der Pfarrer bzw. die Pfarrerin im Probedienst den Vorsitz im Kirchenvorstand dieser Kirchengemeinde führt. (3) Der Kirchenvorstand kann mit der Mehrheit seiner stimmberechtigten Mitglieder eine von den Abs. 1 und 2 abweichende Regelung über den Vorsitz beschließen. Er regelt ferner die Stellvertretung im Vorsitz. Diese Beschlüsse sind dem Landeskirchenamt und den anderen betroffenen kirchlichen Stellen mitzuteilen sowie in ortsüblicher Weise öffentlich bekannt zu machen. (4) Sind der bzw. die Vorsitzende und seine bzw. ihre Stellvertretung an der Mitwirkung vorübergehend oder bei einzelnen Beschlüssen verhindert, so übernimmt die Vertrauensfrau bzw. der Vertrauensmann den Vorsitz. § 36 Vertrauensfrau, Vertrauensmann. (1) Der Kirchenvorstand bestimmt für die Dauer seiner Amtszeit innerhalb von drei Monaten in geheimer Wahl aus der Mitte der Kirchenvorsteher und Kirchenvorsteherinnen eine Vertrauensfrau oder einen Vertrauensmann und deren Stellvertretung. Gewählt ist, wer die Stimmen der Mehrheit der stimmberechtigten Mitglieder des Kirchenvorstandes erhält. Wird diese Mehrheit in zwei Wahlgängen nicht erreicht, so ist gewählt, wer in einem weiteren Wahlgang die meisten Stimmen erhält. (2) Ein Wechsel während der Amtszeit tritt ein, wenn zwei Drittel der stimmberechtigten Mitglieder des Kirchenvorstandes dies verlangen oder wenn die Vertrauensfrau bzw. der Vertrauensmann zurücktritt. Bei Vereinigung mehrerer Kirchengemeinden ist eine Neuwahl vorzunehmen.

279

§ 37 Geschäftsleitung. (1) Der bzw. die Vorsitzende und die Vertrauensfrau bzw. der Vertrauensmann sind dafür verantwortlich, dass der Kirchenvorstand mit den ihm obliegenden Aufgaben befasst wird. (2) Der bzw. die Vorsitzende leitet die Geschäfte. Er bzw. sie ist dafür verantwortlich, dass die kirchlichen Vorschriften und Weisungen beachtet werden. Er bzw. sie vollzieht die Beschlüsse des Kirchenvorstandes. Ist der bzw. die mit der pfarramtlichen Geschäftsführung Beauftragte nicht zugleich Vorsitzender bzw. Vorsitzende des Kirchenvorstandes, obliegt auch ihm bzw. ihr die Verantwortung nach Satz 2; der Vollzug der Beschlüsse des Kirchenvorstandes erfolgt in Absprache zwischen dem bzw. der Vorsitzenden des Kirchenvorstandes und dem bzw. der mit der pfarramtlichen Geschäftsführung Beauftragten. (3) Einfache Geschäfte der laufenden Verwaltung erledigt der bzw. die mit der pfarramtlichen Geschäftsführung Beauftragte in eigener Zuständigkeit. (4) Der bzw. die mit der pfarramtlichen Geschäftsführung Beauftragte hat ferner die Aufsicht über das Kassen- und Rechnungswesen und hat dafür zu sorgen, dass unter Mitwirkung eines Kirchenvorstehers oder einer Kirchenvorsteherin mindestens einmal jährlich die örtlichen Kassen geprüft werden. Die Gabenkasse (§ 83 Abs. 3) ist keine örtliche Kasse im Sinne dieser Bestimmung. Sie wird nach besonderen Bestimmungen geprüft. (5) Der Kirchenvorstand kann die Zuständigkeiten nach den Abs. 3 und 4 in einer Geschäftsordnung abweichend regeln. Die Geschäftsordnung ist dem Landeskirchenamt vorzulegen. § 38 Einberufung der Kirchenvorstandssitzungen. (1) Der bzw. die Vorsitzende beruft im Benehmen mit der Vertrauensfrau bzw. dem Vertrauensmann den Kirchenvorstand zu Sitzungen ein, sooft die Aufgaben (§§ 21 bis 23) es erfordern; die Sitzungen müssen mindestens vierteljährlich stattfinden. (2) Der Kirchenvorstand ist unverzüglich einzuberufen, wenn die Vertrauensfrau bzw. der Vertrauensmann oder ein Drittel der Mitglieder unter Angabe des Verhandlungsgegenstandes dies schriftlich beantragt oder wenn die Aufsichtsbehörde die Einberufung anordnet. (3) Zur Sitzung ist rechtzeitig, in der Regel mindestens acht Tage vorher und in der Regel schriftlich, unter Angabe der Tagesordnung einzuladen. Bei öffentlichen Sitzungen (§ 40 Abs. 1 Satz 1) sind Zeitpunkt und Ort der Sitzung ortsüblich bekannt zu machen. § 39 Vorbereitung und Verlauf der Kirchenvorstandssitzungen. (1) Der bzw. die Vorsitzende bereitet die Sitzungen mit der Vertrauensfrau bzw. dem Vertrauensmann vor und legt mit ihr bzw. ihm die Tagesordnung fest. Zur Aussprache

280

über Gegenstände, die nicht auf der Tagesordnung stehen, ist Gelegenheit zu geben; eine Beschlussfassung über diese Gegenstände ist nicht möglich, es sei denn, dass alle Mitglieder des Kirchenvorstandes anwesend und mit einer Beschlussfassung in dieser Sitzung einverstanden sind. (2) Die Sitzungen des Kirchenvorstandes werden mit einer Andacht eröffnet und mit Gebet geschlossen. Die Beratungen sollen, wenn möglich, zu einer einmütigen Willensbildung führen. § 40 Teilnahme an Kirchenvorstandssitzungen. (1) Die Sitzungen des Kirchenvorstandes sind in der Regel öffentlich. Der Kirchenvorstand kann beschließen, dass Sitzungen nicht öffentlich stattfinden. Über Personalangelegenheiten und sonstige Gegenstände, die nach § 29 Abs. 3 Satz 1 der Verschwiegenheit unterliegen, darf öffentlich nicht verhandelt werden. (2) Kirchenpfleger bzw. Kirchenpflegerinnen, die nicht Mitglieder eines Kirchenvorstandes sind (§ 53 Abs. 1 Satz 2) oder Vertreter bzw. Vertreterinnen einer kirchlichen Verwaltungsstelle, denen Aufgaben des Kirchenpflegers bzw. der Kirchenpflegerin übertragen sind (§ 53 Abs. 3), nehmen mit beratender Stimme an den Sitzungen teil, soweit ihr Aufgabenbereich berührt wird. (3) Der Kirchenvorstand ist befugt, zur Beratung ohne Stimmrecht zuzuziehen 1. die Ersatzleute, 2. kirchengemeindliche Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in Angelegenheiten ihres Aufgabenbereiches, 3. Personen, die anzuhören zweckdienlich erscheint. § 41 Beschlussfähigkeit. Der Kirchenvorstand ist beschlussfähig, wenn die Mitglieder ordnungsgemäß eingeladen sind und mehr als die Hälfte der stimmberechtigten Mitglieder anwesend und nicht von Beratung und Abstimmung ausgeschlossen sind (§ 42). § 42 Ausschluss von Beratung und Abstimmung. (1) An der Beratung und Abstimmung dürfen Kirchenvorstandsmitglieder nicht teilnehmen, wenn der Beschluss ihnen selbst oder ihren nächsten Angehörigen (Eltern, Ehegatten, Kindern und Geschwistern) oder einer von ihnen kraft Gesetzes oder Vollmacht vertretenen natürlichen oder juristischen Person einen unmittelbaren Vorteil oder Nachteil bringen kann oder sie persönlich berührt; die kirchlichen Stiftungen und sonstigen kirchlichen Einrichtungen gelten nicht als juristische Personen im Sinne dieser Bestimmung. Ob die Voraussetzungen dieses Absatzes

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vorliegen, entscheidet der Kirchenvorstand in Abwesenheit des betreffenden Mitgliedes. (2) Abs. 1 gilt entsprechend für die nach § 40 Abs. 2 und 3 teilnehmenden Personen. § 43 Beschlussfassung und ihre Gültigkeit. (1) Beschlüsse werden mit Stimmenmehrheit gefasst. Bei Stimmengleichheit gilt der Antrag als abgelehnt. Stimmenthaltungen bleiben außer Betracht. (2) Es wird offen abgestimmt, wenn nicht ausnahmsweise eine geheime Abstimmung beschlossen wird. Bei Ausübung des Mitwirkungsrechts bei der Besetzung von Pfarrstellen (§ 23) wird geheim abgestimmt. (3) Ist ein nach § 42 Abs. 1 von der Abstimmung ausgeschlossenes Mitglied anwesend, so ist der Beschluss ungültig, es sei denn, dass die Anwesenheit offensichtlich keine Einwirkung auf das Ergebnis hatte. § 44 Wiederherstellung der Beschlussfähigkeit. Ist der Kirchenvorstand im Falle des § 42 Abs. 1 oder aus sonstigen Gründen beschlussunfähig, hat das Landeskirchenamt die Anordnungen zu treffen, die die Beschlussfähigkeit herstellen; notfalls kann er zum Kirchenvorstand wählbare Kirchengemeindemitglieder vorübergehend in den Kirchenvorstand einberufen. § 45 Beschlussfassung unter Vorsitz der Vertrauensfrau bzw. des Vertrauensmannes. Beschlüsse des Kirchenvorstandes, die unter Vorsitz der Vertrauensfrau bzw. des Vertrauensmannes gefasst worden sind (§ 35 Abs. 4), sind umgehend dem Dekan bzw. der Dekanin mitzuteilen. Dieser bzw. diese kann unter den Voraussetzungen des § 51 den Vollzug aussetzen. § 46 Vorberatende und beschließende Ausschüsse. (1) Der Kirchenvorstand kann für bestimmte Angelegenheiten vorberatende und beschließende Ausschüsse bilden, in die auch zum Kirchenvorstand wählbare Gemeindemitglieder, die dem Kirchenvorstand nicht angehören, berufen werden können. Der Kirchenvorstand bestimmt, welche Aufgaben die Ausschüsse wahrnehmen sollen. (2) Die beschließenden Ausschüsse vertreten innerhalb ihrer Zuständigkeit den Kirchenvorstand im Rechtsverkehr, wenn 1. sie nur aus Mitgliedern des Kirchenvorstandes bestehen, 2. die Ausschussmitglieder, die dem Kirchenvorstand nicht angehören, nur beratende Stimme haben oder

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3. die Zahl der stimmberechtigten Ausschussmitglieder, die dem Kirchenvorstand nicht angehören, die Hälfte der Gesamtzahl der stimmberechtigten Ausschussmitglieder nicht überschreitet. (3) Dem Kirchenvorstand müssen zur Beschlussfassung vorbehalten bleiben: 1. die Festsetzung des Haushaltsplanes einschließlich des Stellenplanes und die Festsetzung der Jahresrechnung, 2. die Erhebung des Kirchgeldes (§ 22 Abs. 2 Nr. 5), 3. die Regelung des Vorsitzes und der Stellvertretung im Vorsitz (§ 35 Abs. 3), 4. Stellungnahmen bei Änderungen im Bestand oder Gebiet der Kirchengemeinde (§ 15 Abs. 2 Satz 2) und bei Maßnahmen nach § 45 Dekanatsbezirksordnung und 5. die Zugehörigkeit zu einer Gesamtkirchengemeinde. (4) Über den Vorsitz im Ausschuss und über die Stellvertretung entscheidet der Ausschuss. Die Ausschussvorsitzenden haben über die Beschlüsse und die Tätigkeit der Ausschüsse in den Sitzungen des Kirchenvorstandes regelmäßig zu berichten. (5) Der Kirchenvorstand kann Ausschussbeschlüsse nachprüfen und sie vorbehaltlich der Rechte Dritter abändern. (6) Die für den Kirchenvorstand maßgebenden Bestimmungen gelten entsprechend auch für die Ausschüsse. § 47 Besondere Arbeitsgebiete einzelner Kirchenvorsteher und Kirchenvorsteherinnen. Der Kirchenvorstand kann einzelne Kirchenvorsteher und Kirchenvorsteherinnen mit besonderen Aufgaben (§§ 21, 22) betrauen. § 48 Sitzungsniederschriften. Über die Sitzungen des Kirchenvorstandes wird eine Niederschrift angefertigt. Sie ist spätestens in der nächsten Kirchenvorstandssitzung zu genehmigen. § 49 Vertretungsbefugnis. (1) Der bzw. die Vorsitzende vertritt den Kirchenvorstand im Rechtsverkehr, wobei er bzw. sie an die gefassten Beschlüsse gebunden ist. (2) Schriftliche Willenserklärungen des Kirchenvorstandes müssen von dem bzw. der Vorsitzenden unterschrieben und mit dem Amtssiegel versehen sein; sie sollen auf den Beschluss des Kirchenvorstandes Bezug nehmen.

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§ 50 Geschäftsverkehr. Der Geschäftsverkehr des Kirchenvorstandes wird durch den Vorsitzenden bzw. die Vorsitzende geführt. Dieser bzw. diese führt dabei das Amtssiegel des Pfarramtes. § 51 Aussetzung des Vollzugs von Kirchenvorstandsbeschlüssen. (1) Der bzw. die Vorsitzende ist verpflichtet, den Vollzug von Beschlüssen des Kirchenvorstandes auszusetzen, die nach seiner bzw. ihrer Meinung 1. dem Bekenntnis der Kirche oder 2. den Rechten und Befugnissen des geistlichen Amtes oder 3. den kirchlichen Gesetzen oder Anordnungen widerstreiten oder 4. das kirchliche Leben ernstlich gefährden. (2) Ist der bzw. die mit der pfarramtlichen Geschäftsführung Beauftragte nicht zugleich Vorsitzender bzw. Vorsitzende des Kirchenvorstandes, obliegt auch ihm bzw. ihr die Verpflichtung nach Abs. 1. (3) Beschlüsse, deren Vollzug ausgesetzt ist, sind umgehend dem Landeskirchenrat auf dem Dienstweg vorzulegen. Vor der Vorlage an den Landeskirchenrat soll der Dekan bzw. die Dekanin oder der Oberkirchenrat bzw. die Oberkirchenrätin im Kirchenkreis oder eine von ihm bzw. ihr dazu beauftragte Person mit dem Kirchenvorstand verhandeln, um den Kirchenvorstand zu einer Überprüfung seines Beschlusses zu veranlassen. § 52 Haftung der Mitglieder des Kirchenvorstandes. Mitglieder des Kirchenvorstandes, die ihre Obliegenheiten vorsätzlich oder grob fahrlässig verletzen, sind der Kirchengemeinde zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. 4. Der Kirchenpfleger, die Kirchenpflegerin § 53 Amt des Kirchenpflegers bzw. der Kirchenpflegerin. (1) Für das Haushalts-, Kassen- und Rechnungswesen bestellt der Kirchenvorstand ein zum Kirchenvorstand wählbares Gemeindemitglied als Kirchenpfleger oder Kirchenpflegerin. Ausnahmsweise kann auch ein zum Kirchenvorstand wählbares Mitglied einer anderen Kirchengemeinde bestellt werden. Der Kirchenpfleger bzw. die Kirchenpflegerin darf sich nicht in einem haupt- oder nebenberuflichen Dienstverhältnis zur Kirchengemeinde befinden oder sonst an dienstliche Weisungen des bzw. der mit der pfarramtlichen Geschäftsführung Beauftragten gebunden sein.

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(2) Der Kirchenpfleger bzw. die Kirchenpflegerin versieht seinen bzw. ihren Dienst ehrenamtlich; eine angemessene Aufwandsentschädigung kann gewährt werden. (3) Aufgaben des Kirchenpflegers oder der Kirchenpflegerin können auf Antrag des Kirchenvorstandes einer kirchlichen Verwaltungsstelle (§ 75) übertragen werden. (4) Zum Kirchenpfleger bzw. zur Kirchenpflegerin kann nicht bestellt werden, wer mit dem bzw. der Vorsitzenden des Kirchenvorstandes im Sinne des § 27 Abs. 3 verwandt ist. Dem bzw. der Vorsitzenden des Kirchenvorstandes und seiner bzw. ihrer Stellvertretung ist es untersagt, eine der Aufsicht des Kirchenvorstandes unterstellte Kasse zu führen. Die Gabenkasse (§ 83 Abs. 3) ist keine Kasse im Sinne dieser Bestimmung. (5) Ein Wechsel des Kirchenpflegers bzw. der Kirchenpflegerin während der Amtszeit des Kirchenvorstandes tritt ein, wenn die Mehrheit des Kirchenvorstandes dies verlangt oder wenn der Kirchenpfleger bzw. die Kirchenpflegerin zurücktritt. Bei Vereinigung mehrerer Kirchengemeinden wird der Kirchenpfleger bzw. die Kirchenpflegerin neu bestellt. § 54 Stellung und Haftung des Kirchenpflegers bzw. der Kirchenpflegerin. (1) Der Kirchenpfleger bzw. die Kirchenpflegerin untersteht den Weisungen des Kirchenvorstandes. Die unmittelbare Aufsicht hat der bzw. die Vorsitzende des Kirchenvorstandes. Der Kirchenpfleger bzw. die Kirchenpflegerin achtet darauf, dass der Haushaltsplan eingehalten wird, alle Einkünfte rechtzeitig und vollständig erhoben und die fälligen Ausgaben im Rahmen der bewilligten Mittel geleistet werden. (2) § 52 gilt entsprechend.

IV. Abschnitt. Kirchengemeindliche Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen § 55 Kirchengemeindliche Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen und ihre Aufgaben. (1) Die in der Kirchengemeinde vorhandenen Gaben und Kräfte sollen sich so entfalten, dass die Kirchengemeinde möglichst weitgehend ihre Aufgaben durch freiwillige und ehrenamtliche Mitarbeit von Gemeindemitgliedern erfüllen kann. (2) Die Kirchengemeinde kann bei Bedarf Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen im Haupt- oder Nebenamt auf Dienstvertrag (§ 59) anstellen oder Kirchenbeamte und Kirchenbeamtinnen (§ 62) ernennen. Hierzu sind entsprechende Planstellen zu errichten. (3) Die Mitarbeit umfasst vor allem besondere Aufgaben im Dienste am Wort, im gottesdienstlichen Leben und in der kirchlichen Unterweisung, bei der

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Sammlung der Gemeinde und ihrer Jugend, in der missionarischen sowie diakonischen Arbeit und in der Verwaltung. (4) Die in der Kirchengemeinde tätigen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sind jährlich mindestens einmal zusammenzurufen, um die geordnete Zusammenarbeit der Kräfte zu fördern. Die Mitglieder des Kirchenvorstandes sind einzuladen. § 56 Stellenplan. (1) Der Kirchenvorstand beschließt einen Stellenplan, in dem Art und Umfang aller zu besetzenden Stellen festgelegt werden. (2) Die Anstellung von Mitarbeitenden auf Dienstvertrag ist bis zur Höhe des im Stellenplan vorgesehenen Stellenumfangs zulässig, wenn die Finanzierung gesichert ist. § 57 Verpflichtung und Einführung. (1) Die kirchengemeindlichen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen im Haupt- oder Nebenamt werden auf die gewissenhafte Erfüllung ihrer Aufgaben und auf die Einhaltung der kirchlichen Ordnungen verpflichtet. Über die Verpflichtung ist eine Niederschrift aufzunehmen. (2) Die kirchengemeindlichen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sollen in einem Gottesdienst in ihr Amt eingeführt werden. § 58 Ehrenamtliche Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. (1) Die Kirchengemeinde sorgt für die Zurüstung der ehrenamtlichen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen und gewährt ihnen in ihrem Dienst Schutz und Hilfe. (2) Ehrenamtliche Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen haben über vertrauliche Angelegenheiten, die ihnen bei ihrem Dienst in der Gemeinde bekannt geworden sind, nach außen Schweigen zu bewahren. (3) Das Nähere über die Rechte und Pflichten der ehrenamtlichen Mitarbeitenden regelt das Ehrenamtsgesetz. § 59 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen auf Dienstvertrag. Mit Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen, die von einer Kirchengemeinde als Angestellte oder Arbeiter bzw. Arbeiterinnen im Haupt- oder Nebenamt beschäftigt werden, ist ein schriftlicher Dienstvertrag abzuschließen. Sein Inhalt bestimmt sich nach den Vorschriften, die auf Grund des Arbeitsrechtsregelungsgesetzes sowie der Dienstvertragsordnung erlassen werden.

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§ 60 Dienst- und Fachaufsicht. (1) Dienstbehörde der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen im Sinne des Dienstrechtes ist der Kirchenvorstand. (2) Der bzw. die mit der Pfarramtsführung Beauftragte ist unmittelbar Dienstvorgesetzter bzw. unmittelbare Dienstvorgesetzte; er bzw. sie kann geeignete Personen bei der Ausübung der Dienstaufsicht beteiligen. (3) Das Landeskirchenamt oder die von ihm beauftragten Stellen üben die Fachaufsicht aus. § 61 Schlichtungsstelle. In Streitigkeiten aus dem Dienstvertrag zwischen Kirchengemeinden und Mitarbeiter bzw. Mitarbeiterinnen kann eine beim Landeskirchenrat eingerichtete Schlichtungsstelle angerufen werden. Das Nähere regelt eine Verordnung. § 62 Kirchenbeamte und Kirchenbeamtinnen im Dienst der Kirchengemeinde. (1) Die Rechtverhältnisse der Kirchenbeamten und Kirchenbeamtinnen im Dienst der Kirchengemeinde bestimmen sich nach dem Kirchenbeamtengesetz und nach diesem Gesetz. (2) Stellen für Kirchenbeamte und Kirchenbeamtinnen im Dienst der Kirchengemeinde sind in der Regel im Amtsblatt der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern auszuschreiben.

V. Abschnitt. Die ortskirchliche Vermögensverwaltung 1. Die ortskirchlichen Rechts- und Vermögensträger § 63 Ortskirchenvermögen. (1) Ortskirchenvermögen ist das Vermögen der Kirchengemeinde (Kirchengemeindevermögen). In Kirchengemeinden, in denen ortskirchliche Stiftungen (Kirchenstiftungen, besondere Kultusstiftungen) bestehen, gehört zum Ortskirchenvermögen auch das Vermögen der ortskirchlichen Stiftungen (ortskirchliches Stiftungsvermögen). (2) Für ortskirchliche Stiftungen gelten die Bestimmungen über die Verwaltung des Kirchengemeindevermögens entsprechend. § 64 Kirchenstiftungen. (1) Die Kirchenstiftungen sind aufzuheben; neue Kirchenstiftungen werden nicht mehr errichtet. Von der Aufhebung wird abgesehen, wenn Ansprüche gegen Dritte bestehen, die dadurch gefährdet werden. Dritte im Sinne dieser Bestimmung sind nicht Kirchengemeinden, Pfründestiftungen und andere kirchliche Stiftungen. Das Vermögen einer aufgehobenen

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Stiftung fällt an die Kirchengemeinde, in deren Bereich die Kirchenstiftung ihren Sitz hat. (2) Das Nähere über die Aufhebung der Kirchenstiftungen wird in einer Verordnung geregelt. 2. Die Verwaltung des Ortskirchenvermögens § 65 Allgemeine Grundsätze für die Verwaltung des Ortskirchenvermögens. (1) Das Ortskirchenvermögen ist gewissenhaft, pfleglich und wirtschaftlich zu verwalten. (2) Das ortskirchliche Stiftungsvermögen ist von anderem Vermögen getrennt zu halten. Etwaige zum Verbrauch bestimmte Zuwendungen dürfen nur entsprechend dem Stiftungszweck verwendet werden. § 66 Erhaltung des Ortskirchenvermögens. (1) Werden Bestandteile des rentierenden Vermögens veräußert, so sind sie durch Erwerb anderer Vermögenswerte, die dauernden Ertrag bringen, zu ersetzen. Für veräußerte Grundstücke sind wieder Grundstücke zu beschaffen. (2) Ausnahmen bedürfen der kirchenaufsichtlichen Genehmigung (§ 104). § 67 Gebäude. (1) Die Gebäude sind in gutem baulichem Zustand zu erhalten und regelmäßig zu überprüfen. Neubauten und Umbauten müssen den kirchlichen Bedürfnissen entsprechen und zweckmäßig sein; übermäßiger Aufwand ist zu vermeiden. (2) Bei der Einrichtung kirchlicher Gebäude gelten die gleichen Grundsätze. (3) Gebäude, die nicht zum Ortskirchenvermögen gehören, aber auf Grund besonderer Rechtsverhältnisse von der Kirchenstiftung der Kirchengemeinde unterhalten werden, sind, soweit nicht besondere Vorschriften gelten, nach den Bestimmungen über das Ortskirchenvermögen zu verwalten. (4) Die kirchlichen Gebäude und Einrichtungen sollen nur für den Zweck gebraucht werden, für den sie bestimmt sind. Das Nähere kann durch Richtlinien geregelt werden. § 68 Kirchliche Friedhöfe. (1) Kirchliche Friedhöfe sind ihrem Charakter und der Würde des Ortes entsprechend auszugestalten und auszustatten. (2) Für jeden kirchlichen Friedhof ist eine Friedhofsordnung als ortskirchliche Satzung (§ 70) zu erlassen.

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§ 69 Zweckgebundene Rücklagen. Für ortskirchliche Aufgaben, die voraussichtlich einen größeren Aufwand erfordern, sollen rechtzeitig Mittel angesammelt werden. Sie sind als zweckgebundene Rücklagen zu verwalten. § 70 Ortskirchliche Satzungen. (1) Die Kirchengemeinden können ortskirchliche Satzungen erlassen und dabei die Benutzung von Ortskirchenvermögen, von ortskirchlichen Anstalten und Einrichtungen ordnen. (2) Die Satzungen und ihre Änderungen sind nach der kirchenaufsichtlichen Genehmigung bekannt zu machen.

VI. Abschnitt. Der Haushalt der Kirchengemeinde 1. Allgemeines § 71 Haushaltsplan und Haushaltsjahr. (1) Der Haushalt ist für jedes Haushaltsjahr auf der Grundlage eines Haushaltsplanes (Voranschlag) zu führen. Haushaltsjahr ist das Kalenderjahr. (2) Kirchengemeinden, die jährlich im Wesentlichen gleich bleibende Einnahmen und Ausgaben aufweisen, können den Haushaltsplan für zwei Haushaltsjahre aufstellen. (3) Der Haushaltsplan muss sämtliche voraussehbaren Einnahmen und Ausgaben enthalten und abgeglichen sein. (4) Für außerordentliche Maßnahmen ist ein außerordentlicher Haushaltsplan aufzustellen, wenn ordentliche Deckungsmittel (§ 80 Abs. 1) dafür in ausreichendem Maße nicht zur Verfügung stehen. (5) Soweit erforderlich, ist ein Nachtragshaushaltsplan aufzustellen. § 72 Aufstellung des Haushaltsplanes. Der Haushaltsplan ist jeweils vor Beginn des Haushaltsjahres vom Kirchenvorstand zu beschließen und eine Woche lang zur Einsichtnahme für die Kirchengemeindemitglieder aufzulegen. Erhebt ein zur Wahl des Kirchenvorstands berechtigtes Gemeindemitglied innerhalb dieses Zeitraumes Einwendungen, so hat der Kirchenvorstand darüber zu beschließen. § 73 Aufstellung der Rechnung, Vorprüfung und Feststellung. (1) Sämtliche Einnahmen und Ausgaben sind ordnungsgemäß aufzuzeichnen und zu belegen. (2) Nach Ablauf des Haushaltsjahres ist die Jahresrechnung zu erstellen und vom Kirchenpfleger bzw. von der Kirchenpflegerin von den nach § 53 zuständigen Personen bzw. den in den kirchlichen Verwaltungsstellen Beauftragten

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zu unterschreiben. Sie ist vom Kirchenvorstand vorzuprüfen, beschlussmäßig festzustellen und nach ortsüblicher Bekanntmachung eine Woche lang ohne Belege zur Einsichtnahme für die Kirchengemeindemitglieder aufzulegen. Erhebt ein zur Wahl des Kirchenvorstandes berechtigtes Gemeindemitglied innerhalb dieses Zeitraumes Einwendungen, so hat der Kirchenvorstand darüber zu beschließen. (3) Bei außerordentlichen Maßnahmen ist eine gesonderte Rechnung nach Abschluss der Maßnahmen aufzustellen. (4) Die Vorprüfung erstreckt sich insbesondere auf eine Kassenprüfung, auf die Erfassung des Vermögens sowie auf die Vollständigkeit der Rechnung. Darüber ist ein Bericht zu erstellen und gemeinsam mit der Rechnung der Aufsichtsbehörde vorzulegen. (5) Die zuständige Aufsichtsbehörde überwacht die Vorprüfung. § 73 a Prüfungsausschuss. Der Kirchenvorstand kann einen Prüfungsausschuss als vorberatenden Ausschuss (§ 46) bilden, der die Jahresrechnung und die außerordentlichen Rechnungen vorprüft. § 74 Vorlage und Prüfung der Rechnung, Entlastung. (1) Die Rechnung ist innerhalb von sechs Monaten nach Ablauf des Haushaltsjahres bzw. nach Abschluss der Maßnahme für die Rechnungsprüfung vorzulegen. Der Jahresrechnung ist eine Vermögensübersicht beizufügen. (2) Die Jahresrechnungen und außerordentlichen Rechnungen der Kirchengemeinden, die keiner Gesamtkirchengemeinde angehören, werden unbeschadet § 4 Abs. 4 des Rechnungsprüfungsamtgesetzes regelmäßig durch die Landeskirchenstelle als Aufsichtsbehörde auf Ordnungsmäßigkeit, rechnerische Richtigkeit und den zweckentsprechenden, wirtschaftlichen und sparsamen Einsatz der Mittel geprüft. (3) Die Landeskirchenstelle hat nach den Grundsätzen ordnungsgemäßer Prüfung zu verfahren. Mitarbeitende, die mit der Prüfung betraut sind, sind bei der Prüfung unabhängig und nur den Gesetzen verpflichtet. Die Prüfung soll zeitnah, spätestens ein Jahr nach Vorlage der Rechnung erfolgen. Das Prüfungsergebnis ist schriftlich festzustellen und der geprüften Kirchengemeinde zuzuleiten. (4) Über den Abschluss der Prüfung erteilt die Landeskirchenstelle einen Bescheid. Dieser enthält die Entlastung des Kirchenvorstandes und der mit den Aufgaben des Haushalts-, Kassen- und Rechnungswesens betrauten Personen und Einrichtungen, wenn die Prüfung keine der Entlastung entgegenstehenden Beanstandungen ergeben hat oder die Beanstandungen ausgeräumt sind. Die

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Entlastung kann mit Einschränkungen erteilt oder mit Auflagen verbunden werden. (5) Einzelheiten der Vorprüfung und der Prüfung werden durch eine Verordnung geregelt. § 75 Kirchliche Verwaltungsstellen. (1) Die kirchlichen Verwaltungsstellen sind gemeinsame Einrichtungen von Kirchengemeinden und Dekanatsbezirken (§ 40 a DBO). Sie dienen der Unterstützung der Erfüllung der den Kirchengemeinden obliegenden Verwaltungsaufgaben, insbesondere im Bereich des Haushalts-, Kassen- und Rechnungswesens. Das Nähere wird durch Verordnung geregelt. (2) Die Errichtung und Veränderungen im Bestand von kirchlichen Verwaltungsstellen bedürfen der Zustimmung des Landeskirchenamtes. 2. Der Finanzbedarf der Kirchengemeinde § 76 Grundsatz. Die Kirchengemeinde hat im Haushalt die Mittel zur Erfüllung der ortskirchlichen Aufgaben bereitzustellen, soweit hierzu nicht andere Rechtsträger verpflichtet sind. § 77 Ortskirchliche Pflichtaufgaben der Kirchenstiftungen. (1) Soweit Kirchenstiftungen noch aufrechterhalten werden, haben sie im Rahmen ihres Stiftungszweckes für den Finanzbedarf zur Erfüllung der ortskirchlichen Pflichtaufgaben (Ortskirchenbedürfnisse) aufzukommen. (2) Kirchenstiftungen haben 1. die für den Gottesdienst, für die Ordinierten und – soweit herkömmlich – für kirchliche Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen erforderlichen Gebäude herzustellen, zu unterhalten und die auf ihnen ruhenden Lasten zu tragen, ferner die vorhandenen Friedhöfe zu unterhalten, 2. den Verwaltungsaufwand einschließlich des Sachbedarfs für Gottesdienst, Seelsorge und pfarramtliche Geschäftsführung aufzubringen, 3. den Personalaufwand für den Kirchnerdienst, den kirchenmusikalischen Dienst sowie für die pfarramtliche Geschäftsführung zu decken, 4. sonstige Verbindlichkeiten auf Grund Herkommens oder besonderer Rechtsverhältnisse zu erfüllen. (3) Verpflichtungen Dritter zur Erfüllung von Ortskirchenbedürfnissen bleiben unberührt. Den Anspruch auf diese Verpflichtungen können sowohl die Kirchengemeinde als auch die Kirchenstiftung geltend machen.

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(4) Was als Verwaltungs- und Personalaufwand im Sinne des Abs. 2 Nrn. 2 und 3 anzusehen ist, kann in einer Verordnung geregelt werden. § 78 Ortskirchliche Aufgaben der Kirchengemeinde. (1) Die Kirchengemeinde hat, soweit ortskirchliche Stiftungen nicht vorhanden sind oder ihre Mittel nicht ausreichen und auch keine Verpflichtungen Dritter für diesen Fall bestehen, den Finanzbedarf nach § 77 Abs. 2 Nrn. 1 bis 3 zu tragen. (2) Die Kirchengemeinde hat die Verbindlichkeiten zu erfüllen, die ihr durch kirchengesetzliche Bestimmungen zugewiesen sind oder ihr auf Grund Herkommens oder besonderer Rechtsverpflichtungen obliegen. (3) Die Kirchengemeinde hat ferner Beiträge zur Deckung des kirchenaufsichtlich anerkannten Finanzbedarfs des Dekanatsbezirks zu entrichten. Der Umfang der Aufgaben, zu denen die Kirchengemeinde Beiträge zu leisten hat, kann durch Verordnung bestimmt werden. (4) Darüber hinaus soll sie zur Förderung der Gemeindearbeit im Rahmen der verfügbaren Mittel die erforderlichen Einrichtungen schaffen, Gebäude und Räume herstellen und unterhalten und, soweit nötig, Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in Dienst nehmen. § 79 Freiwillige Leistungen. (1) Die Kirchengemeinde ist im Rahmen ihres Wirkungskreises berechtigt, weitere Aufgaben zu übernehmen, wenn die Erfüllung der Aufgaben nach § 78 sichergestellt ist und für die weiteren Aufgaben außerordentliche Deckungsmittel (§ 80 Abs. 2 Nrn. 1 bis 3) nicht in Anspruch genommen werden. (2) Mittel des ortskirchlichen Stiftungsvermögens dürfen für Aufgaben, die nicht Ortskirchenbedürfnisse im Sinne des § 77 sind, nur mit kirchenaufsichtlicher Genehmigung verwendet werden; auf Rechte und Pflichten Dritter gegenüber dem ortskirchlichen Stiftungsvermögen ist dabei Rücksicht zu nehmen. 3. Ordentliche und außerordentliche Deckungsmittel § 80 Deckungsmittel. (1) Ordentliche Deckungsmittel für den Finanzbedarf der Kirchengemeinde sind vor allem: 1. die Erträgnisse des Kirchengemeindevermögens, 2. der Kirchenbeitrag (§ 81 Abs. 1 und 2), 3. Zuweisungen an Kirchenumlagen und besonderem Kirchgeld aufgrund des innerkirchlichen Finanzausgleichs (Schlüsselzuweisungen § 81 Abs. 3), 4. die Kirchengemeindegebühren (§ 82),

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5. Gottesdiensteinlagen sowie sonstige freiwillige Gaben, soweit sie Einnahmen der Kirchengemeinde sind (§ 83), 6. freiwillige oder auf rechtlicher Verpflichtung beruhende Leistungen Dritter, 7. Zuweisungen der Gesamtkirchengemeinde nach § 94 Abs. 1 Nr. 3 an Stelle von Nr. 2 und Nr. 3. (2) Außerordentliche Deckungsmittel sind vor allem: 1. außerordentliche Inanspruchnahme des Vermögens (§ 66), 2. zweckgebundene Rücklagen (§ 69), 3. Zuweisungen an Kirchenumlagen und besonderem Kirchgeld aufgrund des innerkirchlichen Finanzausgleichs (Bedarfszuweisungen § 81 Abs. 3), 4. Aufnahme von Darlehen (§ 84), 5. Zuschüsse und sonstige Zuwendungen, die nicht ordentliche Einnahmen sind. § 81 Kirchenbeitrag und Zuweisungen durch innerkirchlichen Finanzausgleich. (1) Die Kirchengemeinde ist berechtigt, zur Erfüllung ihres Auftrages von ihren Mitgliedern nach kirchlichem Recht einen Kirchenbeitrag zu erheben. (2) Derzeit erhebt die Kirchengemeinde das Kirchgeld. (3) Im Rahmen des innerkirchlichen Finanzausgleichs erhalten die Kirchengemeinden Zuweisungen nach Maßgabe des Kirchengesetzes und der Verordnung über den innerkirchlichen Finanzausgleich. § 82 Kirchengemeindegebühren. (1) Zur Deckung von Kosten, die im Zusammenhang mit der Durchführung von Amtshandlungen entstehen, sowie für die Benutzung von Anstalten und Einrichtungen des Ortskirchenvermögens können nach Maßgabe einer Verordnung Gebühren erhoben werden. (2) Die Nutzung kirchengemeindlicher Friedhöfe ist durch Satzung zu regeln (§ 68 Abs. 2). (3) Die besonderen Vorschriften über die Erhebung von kirchlichen Gebühren bei Amtsgeschäften bleiben unberührt. § 83 Gottesdiensteinlagen und sonstige freiwillige Gaben. (1) Gottesdiensteinlagen (einschließlich der Erträge des Klingelbeutels) und ortskirchliche Kollekten gehören zu den Einnahmen der Kirchengemeinde. Ausgenommen sind die landeskirchlich angeordneten Kollekten und Einlagen, deren anderweitige

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Verwendung Herkommen, ein besonderes Rechtsverhältnis, ein besonderer Sammelzweck oder der Geber bestimmen. Die auf Herkommen oder besonderen Rechtsverhältnissen beruhende anderweitige Verwendung kann durch Beschluss des Kirchenvorstandes mit kirchenaufsichtlicher Genehmigung aufgehoben werden, soweit nicht Rechte Dritter entgegenstehen. (2) Die Kirchengemeinde ist verpflichtet, für die Ortskirchenbedürfnisse im Gottesdienst mit dem Klingelbeutel oder auf andere Weise zu sammeln. Die Kirchengemeinde hat außerdem die landeskirchlich angeordneten Kollekten durchzuführen; neben einer solchen Kollekte darf – vom Klingelbeutel abgesehen – keine andere Sammlung durchgeführt werden. Der Kirchenvorstand kann beschließen, dass die Kollekten während des Gottesdienstes als Dankopfer eingesammelt werden. (3) Gottesdiensteinlagen, die gemäß Abs. 1 nicht zu den Einnahmen der Kirchengemeinde oder eines bzw. einer anderen Berechtigten gehören, sowie freiwillige Gaben werden vom Pfarrer bzw. von der Pfarrerin in der Gabenkasse treuhänderisch als Sondervermögen verwaltet und den Zwecken zugeführt, für die sie bestimmt sind. § 84 Aufnahme von Darlehen. (1) Darlehen dürfen – mit Ausnahme der Kassenkredite (§ 85) – nur zur Bestreitung eines außerordentlichen und unabweisbaren Bedarfes und nur insoweit aufgenommen werden, als andere Deckungsmittel nicht vorhanden sind. (2) Darlehen sollen in angemessener Zeit planmäßig getilgt werden; der Aufwand der Verzinsung und Tilgung muss sich im Rahmen der dauernden Leistungsfähigkeit der Kirchengemeinde halten. (3) Für die kirchenaufsichtliche Genehmigung zur Aufnahme eines Darlehens gilt § 104 Abs. 1 Nr. 3. § 85 Aufnahme von Kassenkrediten. (1) Wird eine Ausgabe fällig, bevor die im ordentlichen Haushaltsplan dafür vorgesehenen Mittel eingegangen sind, so kann ein Kassenkredit aufgenommen werden. Ob dazu eine kirchenaufsichtliche Genehmigung erforderlich ist, bestimmt § 104 Abs. 1 Nr. 4. (2) Kassenkredite sind aus Einnahmen des ordentlichen Haushaltsplanes in der Regel innerhalb des Rechnungsjahres, spätestens drei Monate nach dessen Ablauf, zurückzuzahlen.

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VII. Abschnitt. Gesamtkirchengemeinden § 86 Bildung von Gesamtkirchengemeinden. (1) Innerhalb eines Dekanatsbezirks können sich benachbarte Kirchengemeinden zu einer Gesamtkirchengemeinde zusammenschließen, um bestimmte ortskirchliche Aufgaben zu erfüllen, die ihnen gemeinsam sind oder zweckmäßig in Gemeinschaft wahrgenommen werden. Die Verantwortung der Kirchengemeinde für ihr eigenes Gemeindeleben wird dadurch nicht aufgehoben. (2) Vor einer Entscheidung über die Neubildung einer Gesamtkirchengemeinde sind die beteiligten Kirchenvorstände aufzufordern, sich über die Grundlagen des Zusammenschlusses in Anlehnung an die Mustersatzung (§ 91 Abs. 3) zu einigen. (3) Die Entscheidung trifft der Landeskirchenrat. (4) Bei der Bildung der Gesamtkirchengemeinde sind Name und Sitz der Gesamtkirchengemeinde festzulegen. (5) Auf Gesamtkirchengemeinden sind die für Kirchengemeinden geltenden Bestimmungen entsprechend anzuwenden, soweit sich nicht aus diesem Gesetz etwas anderes ergibt. § 87 Errichtung von Amts wegen. (1) Wenn benachbarte Kirchengemeinden, deren Zusammenschluss zu einer Gesamtkirchengemeinde geboten ist, sich dazu nicht selbst entschließen, so kann der Landeskirchenrat auf Antrag des Oberkirchenrates bzw. der Oberkirchenrätin im Kirchenkreis ein Verfahren zum Zusammenschluss einleiten. (2) Einigen sich innerhalb einer vom Landeskirchenrat festzusetzenden Frist die beteiligten Kirchengemeinden nicht, so kann der Landeskirchenrat mit Zustimmung des Landessynodalausschusses eine Gesamtkirchengemeinde errichten, wenn wichtige ortskirchliche Aufgaben nicht sachgemäß oder zu wenig einheitlich erfüllt werden. (3) § 86 Abs. 4 und 5 gilt entsprechend. § 88 Verfahren bei Umbildung, Teilung und Auflösung. (1) Für das Verfahren bei Umbildung und Teilung einer Gesamtkirchengemeinde gelten die §§ 86 und 87 entsprechend. Die Gesamtkirchenverwaltung ist zu hören. (2) Die Gesamtkirchenverwaltung kann mit Dreiviertelmehrheit der Mitglieder die Auflösung der Gesamtkirchengemeinde beschließen, wenn die Kirchenvorstände aller beteiligten Kirchengemeinden zustimmen. Der Beschluss bedarf der Genehmigung des Landeskirchenrates.

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§ 89 Gesamtkirchenverwaltung. (1) Für jede Gesamtkirchengemeinde wird eine Gesamtkirchenverwaltung gebildet. Sie vertritt vorbehaltlich des § 92 die Gesamtkirchengemeinde innerhalb ihrer Zuständigkeit, insbesondere als gemeindlicher Steuerverband. (2) Der Gesamtkirchenverwaltung gehören Pfarrer und Pfarrerinnen sowie Kirchenvorsteher und Kirchenvorsteherinnen an. Jede Kirchengemeinde ist durch mindestens einen Kirchenvorsteher bzw. eine Kirchenvorsteherin vertreten; in Gesamtkirchengemeinden mit mehr als 24 Kirchengemeinden kann die Satzung bestimmen, dass jede Kirchengemeinde durch mindestens einen Pfarrer bzw. eine Pfarrerin oder Kirchenvorsteher bzw. Kirchenvorsteherin vertreten wird. Auf je drei Kirchenvorsteher bzw. Kirchenvorsteherinnen kommt ein Pfarrer bzw. eine Pfarrerin. Die Gesamtkirchenverwaltung kann darüber hinaus bis zu drei Kirchenvorsteher bzw. Kirchenvorsteherinnen als stimmberechtigte Mitglieder berufen, wenn dies die Satzung vorsieht. Soweit die Satzung nicht besondere Vorschriften enthält, bestimmt der Landeskirchenrat im Benehmen mit dem Dekan bzw. der Dekanin, wieviele Mitglieder die Gesamtkirchenverwaltung hat und wie sie sich auf die einzelnen Kirchengemeinden verteilen. (3) In Gesamtkirchengemeinden mit Dekanatssitz ist der Dekan bzw. die Dekanin Mitglied der Gesamtkirchenverwaltung. Unter seiner bzw. ihrer Leitung wählen die Inhaber und Inhaberinnen sowie die Vertreter und Vertreterinnen der Pfarrstellen und Pfarrvikariate im Bereich der Gesamtkirchengemeinde in einer Versammlung aus ihrer Mitte die übrigen Pfarrer bzw. Pfarrerinnen (Abs. 2 Satz 3), die in die Gesamtkirchenverwaltung entsandt werden. Die Kirchenvorsteher und Kirchenvorsteherinnen werden von den Kirchenvorständen der einzelnen Kirchengemeinden aus ihrer Mitte gewählt. Die Wahlen sind geheim. Es entscheidet die einfache Mehrheit. (4) Die Gesamtkirchenverwaltung wird im Anschluss an die allgemeinen Kirchenvorstandswahlen innerhalb von drei Monaten neu gebildet; die bisherige Gesamtkirchenverwaltung bleibt im Amt, bis die neue Gesamtkirchenverwaltung zusammengetreten ist. (5) § 27 Abs. 3 gilt entsprechend. § 90 Vorsitz in der Gesamtkirchenverwaltung. (1) In Gesamtkirchengemeinden mit Dekanatssitz führt der Dekan bzw. die Dekanin den Vorsitz in der Gesamtkirchenverwaltung. In Gesamtkirchengemeinden ohne Dekanatssitz wählt die Gesamtkirchenverwaltung in geheimer Wahl einen Pfarrer bzw. eine Pfarrerin als Vorsitzenden bzw. Vorsitzende; die Wahlhandlung leitet der Dekan bzw. die Dekanin.

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(2) Für den Vorsitzenden bzw. die Vorsitzende wählt die Gesamtkirchenverwaltung aus ihren Mitgliedern einen oder mehrere Stellvertreter bzw. Stellvertreterinnen. (3) Für die Amtszeit der nach Abs. 1 und 2 Gewählten gilt § 89 Abs. 4. § 91 Satzung der Gesamtkirchengemeinde. (1) Die Aufgaben der Gesamtkirchengemeinde und die Rechtsbeziehungen zwischen der Gesamtkirchengemeinde und den einzelnen Kirchengemeinden werden in einer Satzung festgelegt, die in den Fällen des § 86 im Einvernehmen mit den Kirchenvorständen, in den Fällen des § 87 nach Anhörung der Kirchenvorstände von der Gesamtkirchenverwaltung beschlossen wird. Kommt ein Beschluss nicht zustande, gilt die Mustersatzung (Abs. 3). (2) In der Satzung ist sicherzustellen, dass Maßnahmen, die für das Leben der einzelnen Gemeinde von grundlegender Bedeutung sind, im Einvernehmen mit ihr getroffen werden. (3) Der Landeskirchenrat erlässt mit Zustimmung des Landessynodalausschusses eine Mustersatzung. (4) Auf die Satzungen der Gesamtkirchengemeinden finden die für ortskirchliche Satzungen geltenden Vorschriften (§ 70) entsprechende Anwendung. Satzungsänderungen bedürfen einer Zweidrittelmehrheit der Mitglieder der Gesamtkirchenverwaltung. (5) Bei Meinungsverschiedenheiten über die Auslegung oder den Vollzug der Satzung entscheidet auf Antrag das Landeskirchenamt. Das Gleiche gilt, wenn kein Einvernehmen nach Abs. 2 erzielt wird. § 92 Vorberatende und beschließende Ausschüsse. (1) Die Gesamtkirchenverwaltung kann vorberatende und beschließende Ausschüsse bilden (§ 46). Beschließende Ausschüsse vertreten innerhalb ihrer Zuständigkeit die Gesamtkirchengemeinde. (2) In der Satzung der Gesamtkirchengemeinde wird bestimmt, welche Aufgaben der Gesamtkirchenverwaltung und den beschließenden Ausschüssen zustehen. Der Gesamtkirchenverwaltung muss zur Beschlussfassung vorbehalten bleiben: 1. der Erlass und die Änderung der Satzung, 2. die Wahl der stellvertretenden Vorsitzenden der Gesamtkirchenverwaltung, die Bildung von Ausschüssen und die Wahl ihrer Vorsitzenden und deren Stellvertretung,

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3. die Festsetzung des Haushaltsplanes einschließlich des Stellenplanes und die Festsetzung der Jahresrechnung, 4. die Erhebung von Kirchenbeitrag (§ 81 Abs. 1 und 2) und Gebühren (§ 82), 5. die Errichtung von Neubauten nach näherer Bestimmung der Satzung, 6. Schaffung und Förderung von Einrichtungen übergemeindlicher Art, 7. Umbildung, Teilung und Auflösung der Gesamtkirchengemeinde. (3) Die Ausschussvorsitzenden haben über die Beschlüsse und die Tätigkeit der Ausschüsse in den Sitzungen der Gesamtkirchenverwaltung regelmäßig zu berichten. (4) Die Gesamtkirchenverwaltung kann Ausschussbeschlüsse nachprüfen und sie vorbehaltlich der Rechte Dritter abändern. § 93 Schriftverkehr und Amtssiegel. (1) Der Schriftverkehr der Gesamtkirchengemeinde wird unter der Bezeichnung „Evangelisch-Lutherische Gesamtkirchenverwaltung“ geführt. (2) Die Gesamtkirchengemeinde führt ein Amtssiegel mit der Umschrift „Evang.-Luth. Gesamtkirchengemeinde“ nach dem für Pfarrämter geltenden Muster. § 94 Finanzbedarf der Gesamtkirchengemeinde. (1) Die Gesamtkirchengemeinde trägt den Finanzbedarf 1. für den eigenen Aufwand, 2. für die in der Satzung festgelegten Aufgaben, 3. für die Erfüllung der ortskirchlichen Pflichtaufgaben (§ 78 Abs. 1 bis 3) der Kirchengemeinden, soweit er nicht aus ihren eigenen Mitteln gedeckt werden kann, 4. für sonstige Aufgaben der Kirchengemeinden, deren Finanzierung von der Gesamtkirchengemeinde freiwillig übernommen wird. Dies muss von Fall zu Fall beschlossen werden. (2) Ein Beschluss des Kirchenvorstandes einer Kirchengemeinde, der einen Zuschuss der Gesamtkirchengemeinde nach Abs. 1 Nr. 3 erfordert, darf erst vollzogen werden, wenn die Gesamtkirchenverwaltung zugestimmt hat. (3) Lehnt die Gesamtkirchenverwaltung den Antrag einer Kirchengemeinde ab, ihren Finanzbedarf gemäß Abs. 1 Nr. 3 zu decken, so entscheidet auf Antrag das Landeskirchenamt.

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§ 95 Deckungsmittel des Finanzbedarfes der Gesamtkirchengemeinde. (1) Ordentliche Deckungsmittel des Finanzbedarfes der Gesamtkirchengemeinde sind vor allem: 1. die Erträge des Vermögens der Gesamtkirchengemeinde, 2. die Gebühren der Gesamtkirchengemeinde (§ 92 Abs. 2 Buchst. d), 3. der Kirchenbeitrag (§ 81 Abs. 1 und 2), 4. Zuweisungen an Kirchenumlagen und besonderem Kirchgeld aufgrund des innerkirchlichen Finanzausgleichs (Schlüsselzuweisungen § 81 Abs. 3). (2) Für die außerordentlichen Deckungsmittel gilt § 80 Abs. 2 entsprechend. (3) Mit Zustimmung der Kirchengemeinden kann die Gesamtkirchenverwaltung die Gebühren nach § 82 Abs. 1 für sie erheben. § 96 Haushaltspläne der Kirchengemeinden. Kirchengemeinden, die zu einer Gesamtkirchengemeinde gehören, haben ihre Haushaltspläne, bevor sie öffentlich aufgelegt werden, der Gesamtkirchenverwaltung vorzulegen. Die Gesamtkirchenverwaltung kann Haushaltspläne nur beanstanden und ihre Abänderung verlangen, wenn die erforderlichen Deckungsmittel nicht zur Verfügung stehen; auf Antrag entscheidet das Landeskirchenamt. § 96 a Vorprüfung und Feststellung der Rechnung. (1) Nach Ablauf des Haushaltsjahres ist die Jahresrechnung zu erstellen und zu unterschreiben. (2) Bei außerordentlichen Maßnahmen ist eine gesonderte Rechnung nach Abschluss der Maßnahmen aufzustellen. (3) Die Rechnungen der Gesamtkirchengemeinde werden durch die Gesamtkirchenverwaltung oder einen vorberatenden Ausschuss (§ 92) vorgeprüft. (4) Die Vorprüfung erstreckt sich insbesondere auf eine Kassenprüfung, auf die Erfassung des Vermögens und auf die Vollständigkeit der Rechnung. (5) Der Kirchenvorstand einer Kirchengemeinde, die einer Gesamtkirchengemeinde angehört, kann einen Prüfungsausschuss als vorberatenden Ausschuss (§ 46) bilden, der die Jahresrechnung und die außerordentlichen Rechnungen vorprüft. § 96 b Vorlage und formelle Prüfung der Rechnung, Entlastung. (1) Die Jahresrechnung sowie die außerordentlichen Rechnungen der Gesamtkirchengemeinde und der Kirchengemeinden, die zu einer Gesamtkirchengemeinde gehören,

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sind innerhalb von sechs Monaten nach Ablauf des Haushaltsjahres bzw. nach Abschluss der Maßnahme dem Landeskirchenamt vorzulegen. (2) Das Landeskirchenamt prüft formell die Rechnungen und das Vermögen der Gesamtkirchengemeinden und der angeschlossenen Kirchengemeinden und überwacht die Vorprüfung. Im Anschluss daran werden die Rechnungen dem Rechnungsprüfungsamt vorgelegt. Die Prüfung durch das Rechnungsprüfungsamt soll zeitnah, spätestens ein Jahr nach Vorlage der Rechnungen bei diesem erfolgen. Das Prüfungsergebnis ist schriftlich festzustellen und den geprüften Gesamtkirchengemeinden bzw. den ihnen angeschlossenen Kirchengemeinden zuzuleiten. (3) Nach Abschluss der Prüfung schlägt das Rechnungsprüfungsamt dem Landeskirchenamt die Entlastung vor. Ergeben die Prüfungen keine der Entlastung entgegenstehenden Beanstandungen oder sind die Beanstandungen ausgeräumt, so ist Entlastung uneingeschränkt zu erteilen. Hierüber ergeht ein Bescheid des Landeskirchenamtes. Die Entlastung kann mit Einschränkungen erteilt oder mit Auflagen verbunden werden. (4) Die Entlastung wird den Vertretungsorganen und den mit den Aufgaben des Haushalts-, Kassen- und Rechnungswesens betrauten Personen und Einrichtungen erteilt. (5) Einzelheiten der Vorprüfung, Prüfung und Entlastung werden durch eine Verordnung geregelt. § 97 Kirchengemeindeämter. (1) Zur Durchführung bestimmter Aufgaben kann die Gesamtkirchengemeinde mit Genehmigung des Landeskirchenrates ein Kirchengemeindeamt errichten. (2) Rechtsstellung und Aufgabenkreis sind in einer Anlage zur Satzung der Gesamtkirchengemeinde festzulegen.

VIII. Abschnitt. Visitation und Aufsicht 1. Visitation § 98 Verpflichtung zur Visitation. Die Kirchengemeinde hat Anspruch auf die Hilfe der Visitation. Sie ist verpflichtet, sich visitieren zu lassen. § 99 Inhalt der Visitation. (1) In der Visitation leistet die Kirche der Kirchengemeinde und den Pfarrern und Pfarrerinnen einen besonderen Dienst. Die Visitation erstreckt sich auf das Leben der Kirchengemeinde und auf die Amtsführung und das Verhalten der Pfarrer und Pfarrerinnen. Sie soll dazu verhelfen,

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das geistliche Leben der besuchten Kirchengemeinde zu fördern, die Pfarrer und Pfarrerinnen zu beraten und zu stärken, die kirchliche Ordnung zu sichern und die Einheit der Kirche zu festigen. (2) Das Nähere über die Visitation bestimmt eine Visitationsordnung, die der Landeskirchenrat mit Zustimmung des Landessynodalausschusses erlässt. 2. Die Aufsicht § 100 Allgemeines. (1) Alle Aufsicht ist Dienst an der Kirchengemeinde. Sie soll der Kirchengemeinde dazu verhelfen, ihre Aufgaben in Bindung an die kirchlichen Ordnungen zu erfüllen, sie vor Schaden zu bewahren und ihre Verbundenheit mit der ganzen Kirche zu fördern. (2) Dieser Dienst geschieht durch Beratung, Empfehlung und Ermahnung und in den sonstigen Formen der Aufsicht. Die Kirchengemeinde hat das Recht und die Pflicht, Beratung durch die Aufsicht in Anspruch zu nehmen. (3) Die Aufsicht obliegt dem Dekan bzw. der Dekanin, dem Oberkirchenrat bzw. der Oberkirchenrätin im Kirchenkreis, dem Landesbischof bzw. der Landesbischöfin, dem Landeskirchenrat, dem Landeskirchenamt sowie der Landeskirchenstelle. (4) Die mit der Aufsicht betrauten Stellen sind im Rahmen ihrer Zuständigkeit befugt, Besichtigungen und Prüfungen vorzunehmen sowie Berichte und Akten anzufordern. Sie können die Einberufung des Kirchenvorstandes verlangen. (5) Der Landesbischof bzw. die Landesbischöfin, der Oberkirchenrat bzw. die Oberkirchenrätin im Kirchenkreis, der Dekan bzw. die Dekanin und Beauftragte des Landeskirchenrates haben das Recht, an den Sitzungen des Kirchenvorstandes mit beratender Stimme teilzunehmen und dabei in besonderen Fällen den Vorsitz zu übernehmen. § 101 Genehmigung durch aufsichtführende Stellen. (1) Der Genehmigung des Dekans bzw. der Dekanin bedürfen Beschlüsse des Kirchenvorstandes, die 1. eine wesentliche Änderung des gottesdienstlichen Lebens und der kirchlichen Unterweisung, 2. die Überlassung von Kirchen und Gemeinderäumen zu kirchenfremden Zwecken vorsehen. Das Nähere kann in einer Verordnung geregelt werden. Gegen die Entscheidung des Dekans bzw. der Dekanin kann der Oberkirchenrat bzw. die Oberkirchenrätin im Kirchenkreis angerufen werden. (2) Der Genehmigung des Oberkirchenrates bzw. der Oberkirchenrätin im Kir-

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chenkreis bedürfen Beschlüsse des Kirchenvorstandes, wenn sie Gottesdienste oder Evangelisationen durch Ordinierte aus Kirchen, die nicht der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands angehören, oder durch Nichtordinierte zum Gegenstand haben. (3) Durch Verordnung können dem Oberkirchenrat bzw. der Oberkirchenrätin im Kirchenkreis weitere Zuständigkeiten übertragen werden, soweit der Landeskirchenrat oder der Landesbischof bzw. die Landesbischöfin sie nicht selbst wahrnehmen. § 102 Verwaltungsaufsicht. (1) Die Aufsicht über die Verwaltung der Kirchengemeinden und der ortskirchlichen Stiftungen wird durch das Landeskirchenamt und die Landeskirchenstelle (kirchliche Aufsichtsbehörden) ausgeübt. Die Dekane und Dekaninnen sollen die Verwaltungsaufsicht ergänzen und unterstützen. Die Oberkirchenräte bzw. Oberkirchenrätinnen im Kirchenkreis sind in allen Angelegenheiten, die für das gemeindliche Leben von erheblicher Bedeutung sind, zu beteiligen. (2) Die Zuständigkeit der Landeskirchenstelle wird durch Verordnung bestimmt. § 103 Rechtswirkung kirchenaufsichtlicher Genehmigung. Beschlüsse, für die eine kirchenaufsichtliche Genehmigung erforderlich ist, werden erst rechtswirksam, wenn diese erteilt ist. Sie dürfen vorher nicht vollzogen werden. § 104 Genehmigung durch die kirchliche Aufsichtsbehörde. (1) Die Genehmigung der kirchlichen Aufsichtsbehörde ist erforderlich für 1. Erwerb und Veräußerung oder Belastung von Grundstücken, Erbbaurechten und anderen grundstücksgleichen Rechten, soweit eine durch Verordnung festzulegende Freigrenze überschritten ist; 2. Veräußerung oder wesentliche Veränderungen von Sachen, die einen besonderen wirtschaftlichen, archivalischen, wissenschaftlichen, geschichtlichen oder künstlerischen Wert haben; 3. Aufnahme und Gewährung von Darlehen, soweit eine durch Verordnung festzulegende Freigrenze überschritten ist, wobei der Gesamtbestand aufgenommener und gewährter Darlehen zu berücksichtigen ist; 4. Aufnahme von Kassenkrediten, wenn die Summe der Kassenkredite ein Sechstel der haushaltsmäßigen Einnahmen übersteigt; 5. Abschluss von Bürgschaftsverträgen und verwandten Rechtsgeschäften, soweit eine durch Verordnung festzulegende Freigrenze überschritten ist;

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6. Errichtung oder Veränderung von Stellen für Kirchenbeamte und Kirchenbeamtinnen, Ernennung von Kirchenbeamten und Kirchenbeamtinnen, Errichtung oder Veränderung von Stellen für theologisch-pädagogische Mitarbeitende sowie Anstellung von theologisch-pädagogischen Mitarbeitenden ohne landeskirchlich anerkannten Ausbildungsabschluss; 7. Verfügung über Baulastansprüche und Reichnisse; 8. Annahme von Schenkungen, Vermächtnissen und Erbschaften sowie sonstiger Zuwendungen, die mit Lasten oder Auflagen verbunden sind, soweit eine durch Verordnung festzulegende Freigrenze überschritten ist oder die einem erweiterten oder anderen Zweck als das bedachte Vermögen dienen; für Zustiftungen gilt § 18 Kirchliches Stiftungsgesetz; 9. Errichtung und Übernahme von Erwerbsunternehmungen oder erhebliche Beteiligung an solchen; 10. Rechtsgeschäfte oder Maßnahmen aller Art zwischen einer ortskirchlichen Stiftung und einer anderen Stiftung, einer Kirchengemeinde oder einem Dekanatsbezirk oder einem Dekanatsbezirksverband; 11. Ausnahmen von den Bestimmungen über die Erhaltung des Ortskirchenvermögens (§ 66 Abs. 2); 12. Erlass von Satzungen (§ 70); 13. Beschlüsse des Kirchenvorstandes nach § 83 Abs. 1 Satz 3. (2) Was in Abs. 1 für die Veräußerung oder sonstige Verfügung bestimmt ist, gilt auch, wenn eine Verpflichtung zu einer solchen Verfügung eingegangen wird. (3) Weitere Genehmigungsvorbehalte bedürfen kirchengesetzlicher Bestimmung. (4) Rechtsgeschäfte nach Abs. 1, Nrn. 1, 3, 5 und 8, für die eine Genehmigung nicht erforderlich ist, sind der kirchlichen Aufsichtsbehörde anzuzeigen. § 106 Abs. 2 ist anzuwenden. (5) Näheres wird durch eine Verordnung bestimmt, in der auch das Verfahren der Genehmigung und Ausnahmen von der Genehmigungspflicht geregelt werden. § 105 Bauberatung und Bauaufsicht. (1) Die Bauberatung und Bauaufsicht der kirchlichen Aufsichtsbehörden sind dazu bestimmt, die Kirchengemeinden bei der Planung, Errichtung und Unterhaltung ihrer Bauten zu beraten und zu unterstützen. Zu diesem Zweck sind beabsichtigte Baumaßnahmen den kirchlichen Aufsichtsbehörden rechtzeitig mitzuteilen. (2) Der kirchenaufsichtlichen Genehmigung bedürfen

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1. Abbruch und Neubau von Gebäuden, 2. wesentliche bauliche Veränderungen an Kirchen einschließlich der künstlerischen Ausstattung sowie die Errichtung von Denkmalen in Kirchen und auf kirchlichen Grundstücken, 3. wesentliche bauliche Veränderungen an Pfarrhäusern, 4. Einbau und wesentliche Veränderungen von Orgeln, 5. Anschaffung oder Veräußerung von Glocken, 6. Anlage, Erweiterung oder Aufgabe von Friedhöfen, 7. sonstige Baumaßnahmen einschließlich Instandsetzungsmaßnahmen, soweit die Gesamtkosten der Maßnahme eine durch Verordnung festzulegende Freigrenze übersteigen. Liegen die Gesamtkosten der Maßnahme unter der durch Verordnung festzulegenden Freigrenze, so bedarf es einer kirchenaufsichtlichen Genehmigung, wenn es sich um ein denkmalgeschütztes Gebäude handelt, die Finanzierung nicht aus Eigenmitteln der Kirchengemeinde sichergestellt werden kann oder an dem Gebäude eine Baupflicht Dritter besteht. Näheres wird durch eine Verordnung bestimmt, in der auch das Verfahren der Genehmigung und weitere Ausnahmen von der Genehmigungspflicht geregelt werden. (3) Die kirchenaufsichtliche Genehmigung erstreckt sich auf Raumprogramm, Bauplan und Finanzierung der Baumaßnahmen. (4) Bei bedeutenden Bauvorhaben kann der Landeskirchenrat verlangen, dass ein zweiter Architekt bzw. eine zweite Architektin herangezogen oder ein Wettbewerb ausgeschrieben wird. Auf Antrag der Kirchengemeinde ist vom Landeskirchenrat ein Gutachten eines Baukunstbeirates einzuholen. (5) Baumaßnahmen, für die eine kirchenaufsichtliche Genehmigung nicht erforderlich ist, sind der kirchlichen Aufsichtsbehörde rechtzeitig vor Beginn anzuzeigen. § 106 Abs. 2 ist anzuwenden. Einer Anzeige bedarf es nicht, wenn die Gesamtkosten der Baumaßnahme eine durch Verordnung festzulegende Freigrenze nicht übersteigen. § 106 Anzeigepflicht. (1) Der kirchlichen Aufsichtsbehörde sind mitzuteilen: 1. Rechtsstreitigkeiten, 2. Bewirtschaftungspläne für Waldungen. (2) Die Anzeige ist mit den erforderlichen Unterlagen so frühzeitig zu erstatten, dass Anregungen der Aufsichtsbehörde vor einer endgültigen Beschlussfassung berücksichtigt werden können.

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§ 107 Ordnungsmaßnahmen der kirchlichen Aufsichtsbehörde gegenüber Kirchengemeinden und ortskirchlichen Stiftungen. (1) Unterlässt es ein Kirchenvorstand, die ihm auf vermögensrechtlichem Gebiet obliegenden Aufgaben in Übereinstimmung mit der kirchlichen Rechtsordnung zu erfüllen, so hat die kirchliche Aufsichtsbehörde dies zu beanstanden. (2) Kommt er innerhalb einer angemessenen Frist der Aufforderung der kirchlichen Aufsichtsbehörde nicht nach, einen gebotenen Beschluss zu fassen oder einen beanstandeten Beschluss abzuändern oder aufzuheben, so ist die kirchliche Aufsichtsbehörde befugt, anstelle und auf Kosten der Kirchengemeinde oder ortskirchlichen Stiftung Maßnahmen zu verfügen und zu vollziehen. (3) In dringenden Fällen kann die kirchliche Aufsichtsbehörde einstweilige Anordnungen treffen. § 108 Ordnungsmaßnahmen der kirchlichen Aufsichtsbehörde gegenüber Kirchenvorstehern und Kirchenvorsteherinnen. (1) Liegen gegen Kirchenvorsteher bzw. Kirchenvorsteherinnen Tatsachen vor, die den Ausschluss vom Amt nach § 34 begründen, kann der Landeskirchenrat den Kirchenvorstand auffordern, den Ausschluss vom Amt zu beschließen. Entspricht er dieser Aufforderung innerhalb einer angemessenen Frist nicht, so kann der Landeskirchenrat anstelle des Kirchenvorstandes entscheiden. In dringenden Fällen kann der Dekan bzw. die Dekanin oder der Oberkirchenrat bzw. die Oberkirchenrätin im Kirchenkreis vorläufige Maßnahmen treffen, insbesondere die vorläufige Amtsenthebung verfügen. (2) Ist ein gedeihliches Wirken des Kirchenvorstandes nicht mehr zu erwarten, da sämtliche Kirchenvorsteher und Kirchenvorsteherinnen oder ein größerer Teil von ihnen die Pflichten ihres Amtes gröblich oder trotz Mahnung dauernd verletzen, so kann der Landeskirchenrat, wenn andere Maßnahmen nicht ausreichen, den Kirchenvorstand auflösen und für den Rest der Amtszeit (§ 30) Neuwahlen anordnen. Der Oberkirchenrat bzw. die Oberkirchenrätin im Kirchenkreis oder der Dekan bzw. die Dekanin führt die notwendigen Erhebungen. Die Pfarrer bzw. Pfarrerinnen und die Kirchenvorsteher bzw. Kirchenvorsteherinnen sind gesondert zu hören. § 44 gilt bis zur Zeit der Verpflichtung der neuen Kirchenvorsteher und Kirchenvorsteherinnen entsprechend. § 109 Geltendmachung von vermögensrechtlichen Ansprüchen. Der Landeskirchenrat ist befugt, vermögensrechtliche Ansprüche im Namen der Kirchengemeinde oder ortskirchlichen Stiftung geltend zu machen, wenn dies nicht binnen angemessener Frist durch den Kirchenvorstand selbst geschieht.

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§ 110 Aufhebung von Beschlüssen durch den Landeskirchenrat. (1) Der Landeskirchenrat kann Kirchenvorstandsbeschlüsse aufheben, die 1. dem Bekenntnis der Kirche oder 2. den Rechten und Befugnissen des geistlichen Amtes oder 3. den kirchlichen Gesetzen und Anordnungen widerstreiten oder 4. das kirchliche Leben ernstlich gefährden. In dringenden Fällen kann der Dekan bzw. die Dekanin oder der Oberkirchenrat bzw. die Oberkirchenrätin im Kirchenkreis einstweilige Anordnungen treffen. (2) Vor der Aufhebung eines Kirchenvorstandsbeschlusses soll der Dekan bzw. die Dekanin oder der Oberkirchenrat bzw. die Oberkirchenrätin im Kirchenkreis oder eine vom Landeskirchenrat beauftragte Person mit dem Kirchenvorstand verhandeln, um den Kirchenvorstand zu einer Überprüfung seines Beschlusses zu veranlassen.

IX. Abschnitt. Rechtsbehelfe § 111 Beschwerde gegen Entscheidungen der Landeskirchenstelle und des Dekanatsausschusses. (1) Die Beschwerde zum Landeskirchenamt ist zulässig 1. gegen Entscheidungen des Dekanatsausschusses nach §§ 29 und 34, 2. gegen Entscheidungen der Landeskirchenstelle. (2) Die Beschwerde gegen Entscheidungen des Dekanatsausschusses kann innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung beim Landeskirchenamt eingereicht werden. (3) Die Beschwerde gegen Entscheidungen der Landeskirchenstelle kann innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung bei der Landeskirchenstelle eingereicht werden. Die Landeskirchenstelle legt die Beschwerde dem Landeskirchenamt unverzüglich vor, wenn sie ihr nicht abhilft. (4) Die Beschwerde hat aufschiebende Wirkung. (5) Wird die Beschwerdefrist versäumt, so kann das Landeskirchenamt auf Antrag Nachsicht gewähren, wenn es eine unbillige Härte wäre, die Beschwerde deswegen abzulehnen. Nachsicht kann nicht mehr gewährt werden, wenn der Antrag erst vier Monate nach Ablauf der Beschwerdefrist gestellt wird. (6) Verstößt die angefochtene Entscheidung gegen gesetzliche Bestimmungen, so kann auch zum Nachteil des Beschwerdeführers bzw. der Beschwerdeführerin entschieden werden. (7) Das Beschwerdeverfahren ist gebühren- und kostenfrei.

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§ 112 Anrufung des Verwaltungsgerichtes. (1) Das Verwaltungsgericht der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern kann gegen Entscheidungen des Landeskirchenrates bzw. des Landeskirchenamtes angerufen werden 1. bei Änderungen im Bestand oder Gebiet (§ 15), 2. bei Vermögensauseinandersetzungen (§ 17), 3. im Fall des § 70 Abs. 2 und bei Meinungsverschiedenheiten zwischen einer Kirchengemeinde und dem Landeskirchenamt über den Vollzug von ortskirchlichen Satzungen, 4. in den Fällen des § 86 Abs. 3, § 87 Abs. 2, § 91 Abs. 5, § 94 Abs. 3 und § 96, 5. bei kirchenaufsichtlichen Verfügungen nach § 107 Abs. 2, 6. bei Ordnungsmaßnahmen nach § 108 mit Ausnahme der vorläufigen Maßnahmen. (2) Das Verwaltungsgericht der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern kann, wenn eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu klären ist, auch gegen Entscheidungen des Landeskirchenamtes im Fall des § 111 und in Angelegenheiten der Verwaltung der Kirchengemeinden angerufen werden. Ob dies der Fall ist, entscheidet das Verwaltungsgericht der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern.

X. Abschnitt. Übergangs- und Schlussbestimmungen § 113 Verwaltung von Simultanvermögen. Bei ortskirchlichem Vermögen, dessen Verwaltung nicht Rechtsträgern eines Bekenntnisses allein zusteht, soll das Simultanverhältnis durch Vereinbarung gelöst werden. Bis dahin wird es nach dem bisherigen Herkommen gemeinsam verwaltet. § 114 Kirchengemeindedienste. Soweit Verpflichtungen zur Leistung von Handund Spanndiensten bestehen, bleiben sie aufrechterhalten. Der Kirchenvorstand kann die Verpflichtungen auf die Kirchengemeinde übernehmen. § 115 Durchführungsverordnungen und Ausführungsbestimmungen. Zur Durchführung dieses Gesetzes können weitere Verordnungen und Ausführungsbestimmungen erlassen werden.

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§ 116 Inkrafttreten. (1) Dieses Gesetz tritt am 1. Dezember 1964, für den Erlass der Verordnungen und Ausführungsbestimmungen mit der Verkündung im Amtsblatt, in Kraft. (2) Gleichzeitig treten alle Vorschriften in Kirchengesetzen, Verordnungen und Ausführungsbestimmungen, deren Gegenstände in diesem Gesetz geregelt werden, außer Kraft, insbesondere 1. das Kirchengesetz über die Erweiterung des Kreises der ortskirchengemeindlichen Verpflichtungen vom 11. November 1924/12. April 1939 (KABl S. 59), 2. das Kirchengesetz über vermögensrechtliche Angelegenheiten der Kirchengemeinden vom 14. Februar 1938 (KABl S. 35), 3. das Kirchengesetz über den Kirchenvorstand vom 22. Juli 1946 (KABl S. 86) in der Fassung der Änderung vom 23. September 1950 (KABl S. 114) und 22. Mai 1958 (KABl S. 58), 4. das Kirchengesetz über die kirchlichen Stiftungen vom 31. März 1955 (KABl S. 36 – BayBSVK S. 1488), soweit die ortskirchlichen Stiftungen behandelt sind, 5. die Kirchengemeindeordnung für die Coburger Landeskirche vom 17. März 1920 und die Wahlordnung für die Kirchengemeindekörperschaften vom 17. März 1920 (Beilage zum Coburger Regierungsblatt Nr. 25 vom 20. März 1920), 6. die Bekanntmachung vom 4. September 1922 betr. den Kirchenmusikerund kirchlichen Hilfsdienst (KABl S. 129). (3) Bis zum Erlass der Verordnungen und Ausführungsbestimmungen finden die bisherigen Bestimmungen Anwendung, soweit sie nicht diesem Gesetz widersprechen. (4) Bis zum Inkrafttreten eines Kirchengesetzes über die Wahl oder Berufung der Kirchenvorsteher und Kirchenvorsteherinnen gilt die im Kirchengesetz über den Kirchenvorstand und in den Durchführungsbestimmungen getroffene Regelung über die Wahl und Berufung der Kirchenvorsteher und Kirchenvorsteherinnen weiter.

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RS 303 Verordnung zur Einberufung und Durchführung der Gemeindeversammlung (Gemeindeversammlungsverordnung – GemVersV) Vom 28. 4. 1980 (KABl S. 107, geändert durch V vom 15. 3. 1988, KABl S. 77) Aufgrund des § 11 Abs. 3 Kirchengemeindeordnung (KGO) in Verbindung mit § 121 KGO erläßt der Landeskirchenrat mit Zustimmung des Landessynodalausschusses folgende Verordnung zur Einberufung und Durchführung der Gemeindeversammlung: § 1  Aufgaben. (1) 1Die Gemeindeversammlung dient dazu, wichtige Gemeindeangelegenheiten und Fragen des kirchlichen Lebens zu besprechen. 2Dabei kann auch über die Arbeit der Kirchengemeinde und über die Gesamtlage der Kirche berichtet werden. 3Insbesondere können die Themen erörtert werden, die als Aufgaben der Kirchengemeinde gemäß § 2 Abs. 2 KGO zugewiesen sind sowie nach § 21 Ziff. 1 bis 5 und 8 bis 12 vom Kirchenvorstand wahrgenommen werden. (2) Wichtige Gemeindeangelegenheiten sind Fragen des kirchlichen Lebens und der rechten Ordnung in der Verkündigung des Wortes und der Verwaltung der Sakramente, wie sie sich aus der Heiligen Schrift und den Bekenntnissen sowie den Ordnungen der evangelisch-lutherischen Kirche ergeben, insbesondere der Aufbau und die Gestaltung des Gemeindelebens. (3) Als wichtige Aufgaben gelten ferner gemeindeübergreifende Angelegenheiten und diejenigen, die in einer Gesamtkirchengemeinde nach der Satzung nicht ohne die Einzelkirchengemeinde entschieden werden können (§ 91 Abs. 2 KGO). § 2 Einberufung. (1) Die Einberufung der Gemeindeversammlung erfolgt durch den Kirchenvorstand. (2) Die Gemeindeversammlung ist rechtzeitig, in der Regel 2 Wochen vorher, unter Angabe der Themen, die besprochen werden sollen, einzuberufen. (3) Ort und Zeit der Gemeindeversammlung sind ortsüblich bekanntzumachen.

309

§ 3  Teilnahme. An der Gemeindeversammlung können alle über 16 Jahre alten Kirchengemeindemitglieder teilnehmen, die zum Abendmahl zugelassen sind und der Kirchengemeinde mindestens 2 Monate angehören. § 4  Leitung. (1) 1Die Gemeindeversammlung wird vom Vorsitzenden des Kirchenvorstands geleitet. 2Mit Zustimmung des Vorsitzenden kann der Kirchenvorstand beschließen, die Leitung einer anderen vom Kirchenvorstand zu beauftragenden Person zu übertragen. (2) Wurde die Einberufung vom Dekan oder vom Oberkirchenrat bzw. von der Oberkirchenrätin im Kirchenkreis verlangt (§ 11 Abs. 1 Satz 2 KGO) kann der Dekan oder der Oberkirchenrat bzw. die Oberkirchenrätin im Kirchenkreis diese Versammlung leiten. § 5  Durchführung. (1) 1Die Gemeindeversammlung kann Vorschläge zu Fragen des Gemeindelebens machen. 2Die zur Teilnahme berechtigten Gemeindemitglieder können dazu Anträge auf Ergänzung der Tagesordnung stellen. (2) Wünsche und Anregungen der Gemeindeversammlung müssen vom Kirchenvorstand vordringlich behandelt werden; die Gemeinde ist in geeigneter Weise über die Beschlüsse des Kirchenvorstandes zu unterrichten. (3) Über den Verlauf der Gemeindeversammlung ist eine Niederschrift zu fertigen. § 6  Besondere Verfahren. (1) In Angelegenheiten des Bestandes oder der Änderung des Gebietes der Kirchengemeinde (§§ 14 und 15 KGO) ist gemäß § 15 Abs. 3 der KGO nach der Verordnung über das Verfahren bei einer Änderung im Bestand oder Gebiet von Kirchengemeinden (Gebietsänderungsverordnung) zu verfahren. (2) Wird die Gemeindeversammlung auf Verlangen des Dekans oder des Oberkirchenrates bzw. der Oberkirchenrätin im Kirchenkreis einberufen, so gelten die vorstehenden Bestimmungen entsprechend. § 7  Inkrafttreten. Diese Verordnung tritt mit dem 1. Juli 1980 in Kraft.

310

Stichwortregister Amtsperiode

39-40

Andachten

48-52

Ausschüsse

72-75

Bauwesen Beauftragungen Bildungsarbeit Diakonie Ehrenamtliche Einladung Entwicklung der Gemeinde Finanzausgleich

152 75-77 134-135 132 121-122 93-94 210-213 27-30

Finanzen

147-151

Geistliche Leitung

112-115

Gemeindeanalyse

188-193

Gemeindebegehung

184-188

Gemeindeberatung

194-196

Gemeindeleben gestalten

124-127

Gemeindemodelle

218-220

Gemeindeversammlung Gemeinschaft Geschäftsordnung Gesprächsregeln Gottesdienstliches Leben

66-67 132-133 98-102 160-161 131

Gremium Kirchenvorstand

154-155

Handlungsfelder

135-141

Haushaltsplan

147-151

Jugendausschuss Kernkometenzen des KV

75 233-234

311

Kirchenpfleger Kirchenvorstandsberatung Konflikte Kooperation

196 162-167 78-79

Lebensräume in der Gemeinde

231-232

Lebenswelten und Gemeinde

232-233

Medien im KV

97-98

Milieus in der Gemeinde

221-223

Mitarbeitende

120-121

Mitgliedschaftsstudien

223-229

Mobilität und Gemeinde

213-215

Nutzung kirchlicher Gebäude Öffentliche Sitzungen

153 65

Öffentlichkeitsarbeit

202-204

Pausen

101-102

Personalwesen

145-146

Pfarramtliche Geschäftsführung

70

Pfarrer/innen und KV

116-120

Pfarrstellenbesetzung

117

Protokoll

105-106

Sitzungsraum

43-45

Spielregeln

46-48

Tagesordnung Vakanz

83-86; 91 118

Vorsitz im KV

68-72

Wahlvorsitz

71-72

Wertschätzende Erkundung Zeitplanung

312

77-78

183-184 37-40