Nachbildung von parallelen Transformatoren bei der Kurzschlussstromberechnung

Nachbildung von parallelen Transformatoren bei der Kurzschlussstromberechnung G. Balzer; A. Wassserrab, TU Darmstadt; L. Busarello, NEPLAN AG, Küsnach...
Author: Klara Roth
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Nachbildung von parallelen Transformatoren bei der Kurzschlussstromberechnung G. Balzer; A. Wassserrab, TU Darmstadt; L. Busarello, NEPLAN AG, Küsnacht 1

Einleitung

Die Kurzschlussstromberechnung in elektrischen Netzen erfolgt im Allgemeinen mit Hilfe der IEC-Vorschrift 60909-0 [1], die als Berechnungsmethode das Verfahren der Ersatzspannungsquelle an der Fehlerstelle anwendet. Diese Methode hat den wesentlichen Vorteil, dass nur eine Spannungsquelle auch bei einem ausgedehnten Netz mit vielen Einspeisungen berücksichtigt wird und eine Vorbelastung vor Eintritt des Kurzschlusses nicht betrachtet werden muss. Hierbei wird die Belastung des Netzes durch die Anwendung eines Spannungsfaktors c und gegebenenfalls durch eine Impedanzkorrektur nachgebildet. Bei der Parallelschaltung von Transformatoren mit ungleichem Übersetzungsverhältnis kann es unter Berücksichtigung des verwendeten Transformatorersatzschaltbildes zu einem Fehler bei der Kurzschlussstromberechnung kommen, so dass ein Strom berechnet wird, obwohl keine Einspeisung durch ein aktives Netz erfolgt. Im folgenden Bericht werden die unterschiedlichen Möglichkeiten bei der Berücksichtigung von parallelen Transformatoren mit ungleichem Übersetzungsverhältnis bei der Kurzschlussstromberechnung gezeigt, wenn das Verfahren der Ersatzspannungsquelle an der Fehlerstelle verwendet wird. 2

Transformatorersatzschaltbild

Für die Berechnung der Kurzschlussströme gilt die Ersatzschaltung nach Bild 1, so dass ausschließlich die Kurzschlussimpedanz ZT und das Übersetzungsverhältnis t betrachtet werden. Der Vorteil in der Anwendung dieses Ersatzschaltbildes liegt darin, dass jeweils mit den tatsächlichen Spannungen und Strömen gerechnet werden kann und die Umrechnung von Impedanzen auf die jeweilige Spannungsebene entfällt.

Bild 1: Allgemeines Ersatzschaltbild eines Transformators Aus der Ersatzschaltung nach Bild 1 lässt sich die Kettenmatrix und die Admittanzmatrix bestimmen, hierbei ist die Transformatorimpedanz ZT auf die Oberspannungsseite bezogen. U 1   t Z T / t  U 2    =    ⋅   I 1   0 1/ t   I 2 

 I 1   YT   =   I 2  t ⋅Y T

− t ⋅Y T  U 1   ⋅ − t 2 ⋅ Y T  U 2 

(1)

Ausgehend von der Kettenmatrix kann eine äquivalente π-Ersatzschaltung abgeleitet werden (Bild 2) mit den Elementen: 1

Z1 =

ZT t

Z2 =

ZT 1− t

Z3 =

ZT

(2)

t2 −t

Bild 2: Äquivalent π-Ersatzschaltung eines Transformators Im Gegensatz zum Ersatzschaltbild nach Bild 2 wird nach [1] der Transformator ausschließlich durch die Kurzschlussimpedanz berücksichtigt und mit Hilfe des Übersetzungsverhältnisses auf die betrachtete Spannungsebene umgerechnet. 3

Bestimmung des dreipoligen Kurzschlussstroms

Da die verwendeten Rechenprogramme in der Regel die Transformatorersatzschaltung nach Bild 2 verwenden, stellt sich grundsätzlich die Frage, ob die Berücksichtigung der Queradmittanzen nicht im Widerspruch zur Forderung steht, dass Queradmittanzen bei dem Verfahren der Ersatzspannungsquelle an der Fehlerstelle nicht berücksichtigt werden dürfen. Beispielhaft wird der Kurzschlussbeitrag einer unterlagerten Spannungsebene (aktives Netz), z. B. 10 kV, auf die überlagerte Spannungsebene (110 kV) nach Bild 3 bestimmt, hierbei sind zwei Transformatoren mit unterschiedlichen Übersetzungsverhältnissen parallelgeschaltet und die Kurzschlussstromberechnung wird mit Hilfe verschiedener Verfahren durchgeführt. Hierbei werden die Netzreaktanz XQ auf 10 kV und die Transformatorreaktanzen XT1 = XT2 auf 110 kV bezogen.

Bild 3: Netzschaltung zur Bestimmung des dreipoligen Kurzschlussstroms Verfahren A: Nach [1] darf bei parallelen Transformatoren mit dem arithmetischen Mittel der beiden unterschiedlichen Übersetzungsverhältnissen tresA gerechnet werden. Die Berechnung erfolgt mit Hilfe des Verfahrens der Ersatzspannungsquelle Un1 an der Fehlerstelle und den Transformatorreaktanzen. In diesem Fall wird die Netzreaktanz mit Hilfe des Übersetzungsverhältnisses auf die Oberspannungsseite umgerechnet, so dass sich der Kurzschlussstrom nach Gleichung (3) berechnet. 2

" I kQ =

c ⋅ U n1 / 3 c ⋅ U n1 / 3 = 2 XT 2 XT  t1 + t 2  + X Q ⋅ t resA X + ⋅   Q 2 2  2 

(3)

Für die beiden Grenzfälle der Netzreaktanz ergeben sich die folgenden Kurzschlussstromwerte: XQ = 0: Der Kurzschlussstrom bestimmt sich ausschließlich aus der halben Transformatorreaktanz. XQ → ∞: Der Kurzschlussstrom aus dem unterlagerten Netz ist null. Die Teilkurzschlussströme auf der Oberspannungsseite entsprechen jeweils dem halben Gesamtstrom. Verfahren B: In diesem Fall erfolgt die Kurzschlussstromberechnung nach Bild 4, indem die tatsächlichen Spannungsverhältnisse angenommen werden, d. h., die treibende Spannung ist im 10-kV-Netz angesetzt. Die Transformatoren werden ausschließlich durch ihre Längsreaktanzen berücksichtigt.

Bild 4: Berechnung mit Hilfe der tatsächlichen Spannungsverteilung Die Transformatorreaktanzen werden jeweils mit dem Quadrat der Übersetzungsverhältnisse auf die Unterspannungsseite (10 kV) umgerechnet, somit ergibt sich der Kurzschlussstrom, bezogen auf die Unterspannungsseite zu: " I kQt =

c ⋅ U n2 / 3 X 2 XQ + T ⋅ 2 2 2 t1 + t2

(4)

Die Teilkurzschlussströme auf der Unter- bzw. Oberspannungsseite bestimmen sich aus den Reaktanzverhältnissen X T / t12 und X T / t22 der Transformatoren. Der Gesamtstrom an der Fehlerstelle ergibt sich aus der Addition der Teilströme zu: " " " = I kT1 + I kT2 = I kQ

t1 + t2 c ⋅ U n2 / 3 ⋅ 2 XT t2 + t2 + XQ ⋅ 1 2 2 2

(5)

Nach Gleichung (5) wird die Spannung mit dem arithmetischen Mittel der Übersetzungsverhältnisse tresA ermittelt, während die Umrechnung der Netzreaktanz mit tresB, Gleichung (6) erfolgt. tresB =

t12 + t22 2

(6) 3

Verfahren C: Im Gegensatz zum Verfahren B werden die Transformatoren durch die Ersatzschaltung entsprechend Bild 2 nachgebildet. Aufgrund der unterschiedlichen Übersetzungsverhältnisse sind sämtlich Elemente der π-Ersatzschaltbilder (Z1, Z2 und Z3) parallelgeschaltet, so dass sich die folgenden Ausdrücke ergeben: X1 = X T ⋅

1 t1 + t 2

X2 = XT ⋅

1 2 − t1 − t 2

X3 = XT ⋅

(7)

1 t 22

− t 2 + t12 − t1

Der Kurzschlussstrom, bezogen auf die Unterspannungsseite, wird mit Hilfe der Ersatzschaltung nach Bild 5 durchgeführt. Mit Hilfe der Reaktanzverhältnisse ist eine Umrechnung auf die Oberspannungsseite möglich. " I kQ =

X3 t +t c ⋅ U n2 / 3 " ⋅ I kQt = 1 2⋅ 2 X1 + X 3 XT t 2 + t22 + XQ ⋅ 1 2 2

(8)

Bild 5: Ersatzschaltbild zur Berechnung mit Hilfe der tatsächlichen Spannungsverteilung bei parallelen Transformatoren Nach Gleichung (8) wird die Spannung mit dem arithmetischen Mittel transformiert, während die Umrechnung der Netzreaktanz mit den quadratischen Werten nach Gleichung (6) erfolgt. Die Teilkurzschlussströme der Transformatoren T1 und T2 auf der Oberspannungsseite können aus dem Verhältnis der Reaktanzen X1T1 und X1T2 nach Gleichung (2) bestimmt werden. " I kT1 =

c ⋅ t1 ⋅ U n2 / 3 t 2 + t 22 XT + 2⋅ XQ ⋅ 1 2

" I kT2 =

c ⋅ t 2 ⋅ U n2 / 3 t 2 + t 22 XT + 2⋅ XQ ⋅ 1 2

(9)

Die Ergebnisse der Ströme auf der Oberspannungsseite entsprechen den Ergebnissen nach der Berechnung entsprechend Verfahren B, so dass diese Berechnungsmethoden gleichwertig sind. Verfahren D: Im Gegensatz zum Verfahren C, erfolgt die Berechnung mit Hilfe der Ersatzspannungsquelle an der Fehlerstelle. Für die Berechnung des Kurzschlussstroms wird die Ersatzschaltung nach Bild 6 verwendet.

4

Bild 6: Ersatzschaltbild zur Bestimmung des Kurzschlussstroms mit Hilfe des Verfahrens der Ersatzspannungsquelle an der Fehlerstelle Zur Vereinfachung werden für die Netzreaktanz XQ zwei Grenzfälle betrachtet, nämlich XQ = 0 und XQ → ∞, so dass die Y-Matrix für die parallelen Transformatoren direkt verwendet werden kann.

(t + t )   − 2 ⋅Y T ⋅ 1 2  U 2 ⋅ YT  I1   2  ⋅  1    =  2 2   ( ) t t t + + I   2   2 ⋅ Y ⋅ 1 2 − 2 ⋅ Y ⋅ 1 t 2  U 2  T T 2 2  

(

(10)

)

XQ = 0: In diesem Fall ist die Einspeisung auf der Unterspannungsseite unendlich groß (U2 = 0), für den Kurzschlussstrom gilt: " I1 = I kQ =

U1 c ⋅ U n1 / 3 = XT / 2 XT / 2

(11)

Der Kurzschlussstrom an der Fehlerstelle ergibt sich aus der Parallelschaltung der beiden Transformatorreaktanzen und entspricht dem Ergebnis nach Verfahren B. XQ → ∞: In diesem Fall ist keine Einspeisung auf der Unterspannungsseite vorhanden. Der dreipolige Kurzschlussstrom berechnet sich zu: c ⋅ U n1 / 3 (t2 − t1 ) ⋅ 2 2 XT t1 + t2

2

" I kQ =

(12)

Mit den Teilkurzschlussströmen auf der Oberspannungsseite: " I kT1 =

c ⋅ U n1 / 3 t −t ⋅ t 2 ⋅ 22 12 XT t1 + t 2

" I kT2 =−

c ⋅ U n1 / 3 t −t ⋅ t1 ⋅ 22 12 XT t1 + t2

(13)

Während bei einem unendlichen Kurzschlussstrom auf der Unterspannungsseite das Ergebnis der Berechnung nach Verfahren B entspricht und damit richtig ist, kann das Ergebnis bei XQ → ∞ nicht der Wirklichkeit entsprechen. Der Grund ist, dass ein Kurzschlussstrom auf der Oberspannungsseite fließt, obwohl kein einspeisendes Netz vorhanden ist. Dieser fiktive Strombeitrag, Gleichung (12), ist ausschließlich von der Differenz des Übersetzungsverhältnisses abhängig, da bei einem Verhältnis von t1 = t2 der Kurzschlussstrom den Wert null hat, dieses trifft ebenso auf die beiden Teilkurzschlussströme zu. 4 4.1

Beispiele Verteilungsnetz

Im Folgenden werden anhand eines Beispiels die Ergebnisse der Berechnung nach dem Verfahren D bei der Einspeisung von zwei Transformatoren bewertet. Hierbei werden die fol5

genden Transformatordaten angenommen, der Kurzschlussstrombeitrag der Unterspannungsseite ist null: UrT1 = 110 kV/10 kV; UrT2 = 110 kV/12 kV; uXr = 10 %; SrT1 = 100 MVA Unter Berücksichtigung der Gleichungen (12, 13) ergeben sich die folgenden Kurzschlussströme: Kurzschlussstrom:

I k" = 95 A

Teilströme:

" I kT1 = −473 A

" = 568 A I kT2

Bild 7 verdeutlicht, dass Teilkurzschlussströme in den Transformatorzweigen berechnet werden, die unter den gegebenen Netzbedingungen nicht fließen können. Bild 8 zeigt, dass die Ursache in einer zusätzlichen Spannungsquelle als Folge des unterschiedlichen Übersetzungsverhältnisses ist, die einen Kreisstrom verursacht. Dieser Kreisstrom ist ein Betriebsstrom, der aufgrund der fehlenden Überlagerung der Ströme vor Kurzschlusseintritt bei dem Verfahren der Ersatzspannungsquelle an der Fehlerstelle nicht berücksichtigt wird. In diesen Fällen wirken sich die Queradmittanzen bei der Transformatornachbildung in der Form aus, dass das Ergebnis nicht richtig ist.

Bild 7: Kurzschlussstromberechnung mit Hilfe der Ersatzspannungsquelle an der Fehlerstelle

Bild 8: Einfluss der unterschiedlichen Übersetzungsverhältnisse 4.2

Übertragungsnetz

Mit Hilfe des Netzberechnungsprogramms NEPLAN werden die Kurzschlussströme nach Bild 9 gerechnet, mit den Transformatoren: UrT1 = 400 kV/220 kV; UrT2 = 400 kV/240 kV;

ukr = 14 %; 6

uRr = 0.15 %; SrT = 400 MVA

Es werden die folgenden unterschiedlichen Berechnungsverfahren angewendet:   

Bild 9a: Berechnung nach [1], jedoch ohne Korrektur der Übersetzungsverhältnisse (Verfahren D), Bild 9b: Berechnung nach [1] mit Korrektur der Übersetzungsverhältnisse (Verfahren A), Bild 9c: Berechnung mit verteilten Spannungen, jedoch ohne Korrektur der Übersetzungsverhältnisse (Verfahren C).

Der Summenkurzschlussstrom liegt bei allen Verfahren bei ca. 11.0 kA und unterscheidet sich nur minimal voneinander, welches auch an der starken Einspeisung aus dem 380-kVNetz liegt. Die Teilkurzschlussströme der Transformatoren weichen im Falle mit unkorrigierten Übersetzungsverhältnissen (Bild 9a) bis maximal 41.1 % ab, wenn das Ergebnis der Berechnung mit verteilten Spannungen (Bild 9c) als Referenz gilt. Die Abweichung mit korrigierten Übersetzungsverhältnissen (Bild 9b) ergibt eine maximale Abweichung von 7.6 %. Die Abweichungen werden größer, wenn die Einspeisung aus dem unterlagerten Netz geringer wird. a

b

c

7

Bild 9: Beispiel für die Berechnung des dreipoligen Kurzschlussstroms a Ersatzspannungsquelle, unterschiedliches Übersetzungsverhältnis b Ersatzspannungsquelle, gleiches Übersetzungsverhältnis c Verteilte Spannungen, unterschiedliches Übersetzungsverhältnis 5

Zusammenfassung

Bei parallelen Transformatoren mit unterschiedlichen Übersetzungsverhältnissen führt die Berechnung des Kurzschlussstroms mit Hilfe des Verfahrens der Ersatzspannungsquelle an der Fehlerstelle zu erheblichen Abweichungen, im Vergleich zur Berechnung mit den tatsächlichen Spannungen bzw. dem Überlagerungsverfahren. Diese Abweichungen treten nicht auf, wenn die Übersetzungsverhältnisse identisch sind. Um trotzdem das bewährte Verfahren der Ersatzspannungsquelle an der Fehlerstelle anzuwenden, ist es notwendig, den arithmetischen Mittelwert der Übersetzungsverhältnisse nach [1] anzuwenden. 6

Literatur

[1]

IEC 60909-0:2001 Short-circuit currents in three-phase a.c. systems – Part 0: Calculation of currents

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