Lobe Gott in deiner Familie Beat Tanner

1 Lobe Gott in deiner Familie Beat Tanner „VON DAVID. Lobe den HERRN, meine Seele, und was in mir ist, seinen heiligen Namen!“ Psalm 103. 1 [Kurzfa...
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Lobe Gott in deiner Familie Beat Tanner

„VON DAVID. Lobe den HERRN, meine Seele, und was in mir ist, seinen heiligen Namen!“ Psalm 103. 1

[Kurzfassung: Die traditionelle Familie als die kleinste, aber gleichzeitig auch unentbehrlichste soziale Einheit, wird gegenwärtig sozial-ethisch stark hinterfragt und angegriffen. Die Aufgabe der christlichen Familie ist es, das Lob Gottes zu verbreiten, indem sie die Gerechtigkeit und Herrlichkeit Gottes reflektiert. Wir fragen zuerst nach dem Ort, wo das Lob Gottes entsteht, und dann nach seinem Ursprung und Wesen. Zuletzt werden wir an drei Beispielen darüber nachdenken, wie wir als Eltern das Erkannte konkret und praktisch umsetzen können.] Unser traditionelles Familienverständnis von Mann und Frau und ihren Kindern ist wohl noch nie so heftig kritisiert, hinterfragt und auch öffentlich demontiert worden wie heute. Ein solches Familienbild sei einer fortschrittlichen Schweiz nicht förderlich, wird öffentlich im Hinblick auf wirtschaftliche, politische, und soziale Interessen und Gerechtigkeit argumentiert. So wurde am 28. Februar 2016 die Volksinitiative gegen die Heiratsstrafe knapp mit 50.8% abgelehnt. Nach dem der Ständerat am 8. März nun Ja zur Stiefkinderadoption von homosexuelle und Konkubinats Paaren gesagt, folgte nun am 30. Mai 2016 der Ständerat nach. Der Schritt zu einer liberalen Gesellschaft sei nur noch klein, waren Stimmen, welche im Parlament zu hören waren (Aargauer Zeitung vom 31. Mai 2016, S. 5). Die Familie ist jedoch der soziale Kern jeder Gesellschaft, sowohl des Staates wie auch der sichtbaren christlichen Gemeinde. Die soziale und ethische Bedeutung der Familie für die Gesellschaft hat der bekannte Pfarrer Jeremias Gotthelf1 im 19. Jahrhundert mit deutlichen Worten zusammengefasst: Im Hause muss beginnen, was leuchten soll im Vaterland.2 Jeremias Gotthelf lässt keinen Zweifel offen, wo es zu leuchten beginnen soll: Der Ort ist die Familie. Aber diese Feststellung führt uns gleich zur nächsten Frage: Was soll denn leuchten? Um diese Frage zu beantworten, beginnen wir im wahrsten Sinne des Wortes bei Adam und Eva. Seit seiner Erschaffung sollte der Mensch als Ebenbild Gottes dessen Herrlichkeit und Gerechtigkeit auf der Erde widerspiegeln. Jeremias Gotthelf hat zu Recht erkannt, dass dieses 1

Jeremias Gotthelf, *4. Oktober1797 in Murten; † 22. Oktober 1854 in Lützelflüh, war das Pseudonym des Schweizer Schriftstellers und Pfarrers Albert Bitzius. 2 Quelle: Eines Schweizers Wort an den Schweizerischen Schuetzenverein, Bern 1842, S. 15

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Leuchten in der Familie beginnen soll: Unsere ersten Eltern sollten als Ebenbild Gottes die Gerechtigkeit Gottes durch ihren Nachwuchs auf der Erde verbreiten.3 Diese Aufgabe haben wir als christliche Familien immer noch. Sie ist mit dem Sündenfall nicht sistiert worden. Die Gerechtigkeit und Herrlichkeit Gottes soll weiterhin im „Vaterland“ leuchten und damit zum Lobe Gottes beitragen. Wir stellen uns nun die Frage, wie wir als Familie die Herrlichkeit und Gerechtigkeit Gottes verbreiten und so zum Lob Gottes beitragen können. Ein Psalm hilft uns, diese Frage aus dem Wort Gottes zu beantworten. EIN PSALM DAVIDS. Von Gnade und Recht [Hebräisch: mishpat] will ich singen und dir, HERR, Lob sagen. Ich handle umsichtig und redlich, daß du mögest zu mir kommen; ich wandle mit redlichem Herzen in meinem Hause. Ich nehme mir keine böse Sache vor; ich hasse den Übertreter und lasse ihn nicht bei mir bleiben. Ein falsches Herz muß von mir weichen. Den Bösen kann ich nicht leiden. Wer seinen Nächsten heimlich verleumdet, den bring ich zum Schweigen. Ich mag den nicht, der stolze Gebärde und hoffärtige Art hat. Meine Augen sehen nach den Treuen im Lande, daß sie bei mir wohnen; ich habe gerne fromme Diener. Falsche Leute dürfen in meinem Hause nicht bleiben, die Lügner gedeihen nicht bei mir. Jeden Morgen bring ich zum Schweigen alle Gottlosen im Lande, daß ich alle Übeltäter ausrotte aus der Stadt des HERRN. Psalm 101 Dieser Psalm ist von den Puritanern als Familienpsalm angesehen worden. So hat ihn Matthew Henry4 (1662-1714) als erster in seinem Psalmenkommentar als Haushalter-Psalm bezeichnet. Für die Puritaner war das Wort Gottes die einzige erdenkliche Wegweisung, um die Familie führen zu können. Und in diesem Psalm fanden die puritanischen Familien die Anleitung, um ihren Familien vorstehen und Halt geben zu können. Der Psalm nennt zwei Güter des Familienlebens und des Christenlebens überhaupt, die zum Lobe Gottes führen: Es sind dies Gnade und Recht. „Gnade“ und „Recht“ sind die Grundlage für das Lob Gottes, zu dem wir alle berufen sind – besonders auch die Familie, ist sie doch kleinste, aber gleichzeitig wichtigste soziale Einheit. Man könnte auch sagen, dass es die kleinste Gemeinde Gottes ist. Die Familie ist der Ort, wo unser geistliches Leben gedeiht oder eben versagt. Wir lesen in diesem Psalm von David: Von Gnade und Recht will ich singen und dir, HERR, Lob sagen. Ich handle umsichtig und redlich, daß du mögest zu mir kommen; ich wandle mit redlichem Herzen in meinem Hause. Wir finden interessanterweise in diesem Psalm keine Regeln oder Anweisungen, wie Familienandachten zu gestalten sind. Der Text gibt keine Empfehlungen ab, wie man mit Kindern Loblieder singt, betet oder die Bibel liest, wie wir es vielleicht erwartet haben – auch wenn alle diese Aktivitäten zum Lob Gottes dienen und führen. Dieser Psalm zeigt uns zuerst einmal den Ort auf, wo das Lob Gottes beginnt. Weiter führt er uns zum Was, nämlich zur

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Siehe dazu: Beale, Gregory K. (2011): Der Tempel aller Zeiten. Die Wohnung Gottes und der Auftrag der Gemeinde. Eine biblisch-heilsgeschichtliche Studie. Oerlinghausen: Bethanien Verlag 4 Matthew Henry. * 18. Oktober 1662 in Broad Oak, Flintshire; † 22. Juni1714 in Nantwich, Cheshire. Er gehörte zu den Puritanern und war ein presbyterianischer Pfarrer und Bibelkommentator.

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Ursache des Lobes Gottes hin. Denn so lesen wir in unserem Psalm: „Ich wandle mit redlichem Herzen in meinem Hause.“ Der Ort und die Ursache, aus dem das Lob Gottes entspringt, ist unser verändertes Herz. Es ist der Mensch als Ebenbild Gottes, der durch die Gnade und Barmherzigkeit Gottes zur Erkenntnis Christi geführt wurde und dadurch wieder die Herrlichkeit Gottes spiegeln kann. Der Kirchenvater Aurelius Augustinus beschreibt Ort und Ursache der Gnade in seinen „Bekenntnissen“5: „Nicht zweifelhaft, sondern sicher ist mein Bewusstsein, dass ich dich liebe, o Herr. Mit deinem Worte hast du mein Herz getroffen, und ich habe dich geliebt.“ Diese Gnade stellt das Ebenbild Gottes wieder her, so dass wir Gottes Herrlichkeit statt unserer Ehre reflektieren (Epheser 4. 18). Paulus beschreibt die Auswirkung der Gnade Gottes: „Nun aber schauen wir alle mit aufgedecktem Angesicht die Herrlichkeit des Herrn wie in einem Spiegel, und wir werden verklärt in sein Bild von einer Herrlichkeit zur andern von dem Herrn, der der Geist ist. 2. Korinther 3. 18 Wir stellen nun fest, dass  

der Ort des Lobes das menschliche Herz ist. die Ursache des Lobes ein vom Wort Gottes getroffenes und damit verändertes Herz ist.

Das Lob Gottes in einer Familie beginnt in meinem Herzen. Die Ursache liegt in der Gnade Gottes, die die Herzen der Eltern und unserer Kinder verändert, und zwar durch sein Wort und seinen Geist. Diese Veränderung der Herzen ist die Grundlage und Ursache für das Lob Gottes   

in der Familie. im Leben innerhalb der Gemeinde Gottes. im Leben in der Öffentlichkeit.

Die Aktivitäten aus diesen veränderten Herzen sollen unser ganzes Leben zur Ehre und zum Lob Gottes werden lassen (1. Korinther 10. 31). Für die Eltern sind dies die Ehe, die Familie und der Arbeitsplatz. Dazu gehören auch die Erziehung, das Windelnwechseln, das geduldige Zuhören und das weise Begleiten der Kinder. Für die Kinder sind es das fröhliche Ausführen der Hausarbeiten, das sorgfältige Erledigen der Hausaufgaben und das respektvolle Zusammenleben mit den Geschwistern, aber auch der Gottesdienst, das Gebet, das Bibellesen und die gemeinsame Zeit der Kinder mit den Eltern. Wir können aus diesem Psalm einen Reichtum von Weisheit und Erkenntnis schöpfen, wie das Familienleben vor Gott und der Welt aussehen soll. Und dieser Reichtum und diese Weisheit

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Augustin, Aurelius. Bekenntnisse. X.6

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aus dem Wort Gottes führen zur Erkenntnis, wie wir als Familie zum Lob und Ehre Gottes leben dürfen. Was können wir nun aus diesem Psalm lernen? Unter anderem diese zwei Aspekte: 1) Veränderung beginnt in meinem Herzen. 2) Führen geschieht durch Gnade und Recht.

1) Veränderung beginnt in meinem Herzen David schreibt: „Ich will singen.“ David beginnt mit dem Lob Gottes bei sich selbst. Er schreibt nicht, wie wir erwarten könnten, „Wir wollen singen“, um damit sein Volk oder seine Familie in seinen Worten in das Lob Gottes mit einzuschliessen. David erwartet nicht unterschwellig, dass seine Familie mitsingt. Er weiss, dass die Veränderung unserer Herzen und damit das Lob Gottes eine Frucht des Heiligen Geistes ist und nicht etwa ein Werk sein kann. Diese Unterscheidung von Frucht und Werk ist wesentlich. Natürlich können wir aus eigener Kraft zumindest ein Stück weit Gottes Lob produzieren. Damit wird aber das Lob Gottes zum Gesetz, zum Werk des christlichen Lebens, und ist dann keine Frucht des Heiligen Geistes mehr. Ein solches Vorgehen kostet einerseits viel Kraft, und anderseits werden unsere Ehepartner und unsere Kinder bald erkennen, dass wir damit die Forderungen des Gesetzes aus eigener Kraft erfüllen wollen, um unsere eigene Gerechtigkeit aufzurichten. Damit schätzen wir aber die Gerechtigkeit gering, die Christus für uns an unserer Stelle erworben hat. Der sündhafte Versuch, das Gesetz aus eigenem Vermögen zu halten, hat zumindest drei folgenschwere Auswirkungen. 

Einerseits ist es das Gegenteil vom Lob Gottes, denn es verunehrt Gott und schmälert sein Erlösungswerk.



Sodann hält es unsere Kinder von einem echten Glauben fern, weil Kinder unser Leben zu Recht als Heuchelei empfinden.



Schliesslich belastet es unsere Ehe, die ja ein Abbild der Gemeinschaft und des Gnadenbundes zwischen Christus und seiner Gemeinde ist.

Das sind drei fatale Konsequenzen, die einem Leben entspringen, das sich wohl mit den Lippen zum Glauben und zur Gnade bekennt, aber nicht aus einem redlichen Herzen stammt, wie es David beschreibt. Die Ursache eines aufrichtigen Lobes Gottes ist ein redliches Herz, das uns Gott in seiner Barmherzigkeit bereitet. Der erste Schritt zu einem redlichen Herzen ist das Bekenntnis, dass nur Gott uns ein solches verändertes Herz schenken kann. Aurelius Augustinus, der Kirchenvater und „Lehrer der Gnade“ aus dem 5. Jahrhundert, hat ein solches Bekenntnis und Gebet formuliert. Denn er erkannte, dass nur die Gnade allein erlösen kann und dass Beat Tanner Ph.D. (USA) www.seelsorge-schweiz.ch

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Menschenwerk vergebliche Mühe ist. Er betete darum zu Gott: „Gib, was du befiehlst und befiehl, was du willst.“ Unsere Aufgabe in der Familie ist zu Gottes Lob zu leben. Es ist ein Schritt der Demut zu erkennen, dass wir das nicht aus eigenem Vermögen können und damit mit leeren Händen vor den Thron Gottes treten. Es sind die „geistlich Armen“, die die Ehre Gottes verbreiten.6 Martyn Lloyd Jones schreibt: „Es [geistlich arm sein] bedeutet die völlige Abwesenheit von Hochmut, die völlige Abwesenheit von Selbstgewissheit und Selbstvertrauen. Es bedeutet ein Bewusstsein, dass wir in der Gegenwart Gottes nichts sind. Wir können daher auch nichts aufweisen und schaffen. Es gibt nichts, dass wir von uns selber aus tun können. Es ist vielmehr das gewaltige Bewusstsein unserer Nichtigkeit, wenn wir Gott gegenübertreten.7 Das Lob Gottes kann nur Gott selbst in uns bewirken, weil unser Leben vor dem Thron Gottes ist. Das Lob Gottes ist deshalb eine Frucht des Heiligen Geistes, der das Lob in unseren Herzen bewirkt. Darum sollen wir mit dem Kirchenvater Aurelius Augustinus vor dem Thron Gottes beten: Gib, was du befiehlst – Gott schenkt das Lob in seiner Barmherzigkeit, und befiehl, was du willst – nämlich ihn zu loben. Dieses Gebet vor dem Thron Gottes ist keine einmalige Sache. Damit das Lob Gottes als Frucht der Gnade Gottes unser Leben prägt, dürfen wir uns dieses Gebet immer wieder neu in Erinnerung rufen: „Gib, was du befiehlst und befiehl, was du willst.“ Jede Veränderung beginnt bei uns selbst und nicht bei unserem Ehepartner, nicht bei unseren Kindern, nicht bei unseren Geschwistern, nicht bei unserem Chef oder Nachbar und auch nicht bei den äusseren Umständen oder der Souveränität Gottes. Denn wenn wir nicht bei uns selbst beginnen, verfallen wir der sündhaften Sucht des Schuldabschiebens: Seit Adam ist die Gesinnung des gefallenen Menschen, die Schuld bei den anderen zu suchen. Adam war ein Meister in der Ausübung dieser Sünde der Selbstrechtfertigung: „Die Frau, die du mir gegeben hast…“, so rechtfertigte er sich vor Gott und wollte so seine eigene Gerechtigkeit herstellen. Damit traf er gleich zwei Fliegen auf einen Schlag: Nicht nur seine Frau war schuld, sondern auch Gott. Und somit hatte er die Schuld auch gleich doppelt abgeschoben – nämlich auf seine Frau und auf Gott; ganz nach dem Motto: Doppelt genäht hält besser. Adam wollte nicht wahrhaben, dass er Schuld auf sich geladen hatte. Er wollte seine Schuld nicht anerkennen, ihr nicht in die Augen schauen und die Verantwortung dafür übernehmen. Damit bleibt aber nur noch der Weg der Selbstrechtfertigung, auf dem die Schuld auf andere 6

„Gesegnet ist“ (Griech. „makarios“) kann, vielleicht sogar besser, mit „geehrt ist“ übersetzt werden. Neyrey, Jerome H. (1998): Honor and Shame in the Gospel of Matthew. Louisville, Kentucky: Westminster John Knox Press. S. 164ff 7 Lloyed-Jones, Martyn D. (2003): Bergpredigt: Ich aber sage euch… .Predigten über Matthäus 5, 3-48. Waldems: 3-L Verlag. S. 61

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abgeschoben wird: auf den Ehepartner, auf die Kinder, auf Gott, oder gleich auf alle drei zusammen. Sich selbst auf Kosten anderer zu rechtfertigen, ist der Versuch des gefallenen Menschen, die Rechtfertigung in Christus nicht annehmen zu müssen. So schreibt Paulus im Brief an die Römer: “Denn sie erkennen die Gerechtigkeit nicht, die vor Gott gilt, und suchen ihre eigene Gerechtigkeit aufzurichten und sind so der Gerechtigkeit Gottes nicht untertan.” Römer 10. 3 Mit unserer Selbstgerechtigkeit lehnen wir das Erlösungswerk Gottes ab, da wir uns so verhalten, als können wir uns selbst erlösen. Gibt es aber eine grössere Unehre für Gott, als wenn wir unsere eigene Gerechtigkeit aufrichten, um vor Menschen und Gott ohne Schuld, fehlerlos und gut dazustehen? Gott zu verunehren, ist aber das pure Gegenteil von Gott zu loben. Eine Familie, die Gott lobt, beginnt mit dem Lob Gottes im eigenen Herzen. Das Lob Gottes entspringt einem „redlichen Herzen“, wie David schreibt. Und ein redliches Herz verfügt über wahre Selbsterkenntnis und über wahre Gotteserkenntnis.8 Mit der zweiten Frage aus dem Heidelberger Katechismus (1564) können wir uns prüfen:   

Erkenne ich meine eigene Misere und Sünde? Erkenne ich, wer Jesus ist und was er für mich getan hat? Lebe ich daraus ein Leben in Dankbarkeit und damit zum Lob Gottes?

Diese Erkenntnis führt zur wahren Gottesfurcht und zum wahren Gottesdienst (Institutio I.2.2). Paulus erinnert uns im Brief an die Römer: “Ich ermahne euch nun, liebe Brüder, durch die Barmherzigkeit Gottes, daß ihr eure Leiber hingebt als ein Opfer, das lebendig, heilig und Gott wohlgefällig ist. Das sei euer vernünftiger Gottesdienst.” Römer 12. 1

2) Führen geschieht durch „Gnade und Recht“: Unser Psalm beginnt so: „Von Gnade und Recht [Hebräisch: mishpat] will ich singen und dir, HERR, Lob sagen.“ David hat wahrscheinlich mit dem Ausdruck „Gnade und Recht“ das Bild des Hohepriesters vor Augen, dessen Kleid in 2. Mose 28 wie folgt beschrieben wird:

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Calvin, Johannes. Institutio. I.1

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So soll Aaron die Namen der Söhne Israels in der Brusttasche [Brustplatte der Gerechtigkeit = Hebräisch: mishpat] auf seinem Herzen tragen, wenn er in das Heiligtum geht, zum gnädigen Gedenken vor dem HERRN allezeit. Und du sollst in die Brusttasche tun die Lose »Licht und Recht«, so daß sie auf dem Herzen Aarons seien, wenn er hineingeht vor den HERRN, daß er die Entscheidungen [Hebräisch: misphat] für die Israeliten auf seinem Herzen trage vor dem HERRN allezeit. 2. Mose 28. 29-30 Die Brusttasche des Hohepriesters hat im Hebräischen den Namen, die „Brustplatte der Gerechtigkeit“. Es ist dasselbe Wort, das David für das Wort Recht in diesem Psalm verwendet. Es ist das hebräische Wort „mishpat“. Auf dieser Brustplatte der Gerechtigkeit waren die Namen aller 12 Stämme Israels eingeschrieben. Der Priester trug also das ganze Volk mit Namen in die Gegenwart Gottes. Genauso trägt Jesus auch heute noch als unser Hohepriester seine Kinder auf seinem Herzen, wenn er für sie im Gebet eintritt. “Denn Christus ist nicht eingegangen in das Heiligtum, das mit Händen gemacht und nur ein Abbild des wahren Heiligtums ist, sondern in den Himmel selbst, um jetzt für uns vor dem Angesicht Gottes zu erscheinen. Hebräer 9. 24 Daher kann er auch für immer selig machen, die durch ihn zu Gott kommen; denn er lebt für immer und bittet für sie. Denn einen solchen Hohenpriester mußten wir auch haben, der heilig, unschuldig, unbefleckt, von den Sündern geschieden und höher ist als der Himmel. Hebräer 7. 25-26 Genauso tragen wir als Eltern unseren Ehepartner und unsere Kinder im Gebet in die Gegenwart Gottes. Aber diese Brustplatte der Gerechtigkeit hat noch eine weitere wichtige Bedeutung. Denn David beschreibt in diesem Psalm seine Aufgabe als König Israels und Vater, sein Volk und seine Familie, sein Haus, zu führen und mit ihnen vor dem Thron Gottes zu leben: „Von Gnade und Recht [mishpat] will ich singen und dir, HERR, Lob sagen. Ich handle umsichtig und redlich, daß du mögest zu mir kommen; ich wandle mit redlichem Herzen in meinem Hause.“ Wenn also David von „Gnade und Recht“ singt, sollten wir uns nicht nur ein schönes Lied vorstellen. Das Singen von „Gnade und Recht“ ist weit mehr als ein Lied. Es ist der Ausdruck der Dankbarkeit gegenüber dem, was Gott in seine Gnade bei seinen Kindern tut. Es ist ein Ausdruck des Lobes auf Gottes Erlösung und Wundertaten. Wenn David „von Gnade und Recht“ singt, singt er darum vom Erlösungswerk Christi, das Jesus durch sein Amt bewirkt. Dieses Amt beinhaltet sogar drei Ämter, nämlich:   

König Priester Prophet

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Das Wort Gerechtigkeit [mishpat] hat im Hebräischen die Bedeutung von Regieren oder Führen. Und zwar bedeutet es eine Regierung mit den drei Ämtern9, ähnlich wie wir es in der Politik kennen: die Exekutive, die Judikative und die Legislative. Diese drei Ämter sind im hebräischen Wort „mishpat“ eingeschlossen. Die Ausführung der drei Ämter ist mit dem Lob Gottes verbunden, denn wir wissen, dass Jesus uns mit diesen drei Ämtern erlöst hat.   

Als König befreit er uns von der Macht der Sünde. Als Priester schenkt er uns seine Gerechtigkeit. Als Prophet, gibt er uns die notwendige Erkenntnis und Wahrheit.

David führt also sein Königreich und seine Familie als König, Priester und Prophet, wenn er schreibt: „Von Gnade und Recht [mishpat] will ich singen und dir, HERR, Lob sagen. Ich handle umsichtig und redlich, daß du mögest zu mir kommen; ich wandle mit redlichem Herzen in meinem Hause.“ Der Apostel Petrus nimmt diesen Gedanken in seinem ersten Brief auf. “Ihr aber seid das auserwählte Geschlecht, die königliche Priesterschaft, das heilige Volk, das Volk des Eigentums, daß ihr verkündigen sollt die Wohltaten dessen, der euch berufen hat von der Finsternis zu seinem wunderbaren Licht;” 1. Petrus 2. 9 In den Worten „königliche Priesterschaft“ und „verkündigen sollt die Wohltaten“ finden wir die drei Ämter König, Priester und Prophet wieder. Genauso führen wir Eltern unsere Familien als König, Priester und Prophet; ist doch die Familie die kleinste Gemeinde Gottes. Und wenn wir unsere Familie „in Christus“ als dem wahren König, dem wahren Priester und Propheten führen, loben wir Gott. Nun wissen wir aber, dass wir diese drei Ämter nicht selber so ausführen können, dass es zur Gerechtigkeit führt. Jesus tritt da als wahrer Priester, König und Prophet an unsere Stelle. Unsere Aufgabe als Eltern ist es, uns immer wieder auf den wahren König, Priester und Propheten zu besinnen. Denn „nicht ich lebe, sondern Christus lebt in mir“! “Ich lebe, doch nun nicht ich, sondern Christus lebt in mir. Denn was ich jetzt lebe im Fleisch, das lebe ich im Glauben an den Sohn Gottes, der mich geliebt hat und sich selbst für mich dahingegeben.” Galater 2. 20 Diese drei Ämter in Christus in unseren Familien auszuführen, bedeutet, Gott zu loben, wie David es in unserem Psalm schreibt. Denn nur das stellvertretendes Erlösungswerk Christi und seine Gnade und Gerechtigkeit führen zu einem redlichen Herzen und damit zur Ehre Gottes! Jesus ist der wahre und ewige König, der wahre und einzige Hohepriester und der wahre und 9

Culver, Robert D. “mishpat” In: Harris, R. Laird et al. (1980): Theological Wordbook of the Old Testament. Chicago: Moody Press:

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oberste Prophet. Und darum dürfen wir mit diesen drei Ämtern unseren Familien zum Lob und zur Ehre Gottes vorstehen. Der Puritaner Matthew Henry schreibt in seinem Psalmenkommentar zum Ausdruck „Gnade und Recht“: „Dieser Plan ist ein ausgezeichnetes Muster für eine gute Regierung am Hof oder das Erhalten von Frömmigkeit und guter Tugend. Er ist aber auch anwendbar für das Führen von Familien, denn er unterweist alle, die die Aufgabe haben, Autorität auszuüben.“10 Das Recht [misphat] in den Familien auszuführen, ist eine reiche Quelle von Ermutigung und Hilfestellung für Väter und Mütter. Das werden wir nun an drei praktischen Beispielen sehen.

3) Praktische Beispiele In der Familie ist die Balance zwischen Gerechtigkeit und Gnade oft nicht einfach zu finden. Wann soll ich ein Auge zudrücken und „das Fünfi grad sein lassen“11? Wann soll ich streng sein und unterweisen, rügen, mahnen oder gar strafen? Augustinus schreibt in seinem Kommentar zu diesem Psalm: „Denn wenn die Menschen richten, handeln sie oft, von der Barmherzigkeit übermannt, gegen die Gerechtigkeit. Wenn wir aber starr am Gericht festhalten wollen, verlieren wir die Barmherzigkeit. Gott aber verliert weder in der Güte der Barmherzigkeit die Strenge, noch mit Strenge richtend verliert Er die Güte der Barmherzigkeit.“ Jedes Mal, wenn es uns Eltern nicht gelingt, in „Gnade und Recht“ unsere Familie zu verwalten, verunehren wir Gott und sein Erlösungswerk. Und genau dies führt zum Gegenteil eines Lebens zum Lob Gottes. Das Resultat kennen wir aus der Erfahrung: Wir haben Schuldgefühle, die uns emotional in eine Abwärtsspirale reissen. Wir geben wegen des schlechten Gewissens den Wünschen des Kindes nach, die wir eigentlich gar nicht erfüllen wollten, und das führt zu einer sich immer mehr verschlechternde Beziehung zu unseren Kindern und auch zu unserem Ehepartner. Wie können wir aber die Balance von Gnade und Gerechtigkeit zum Lob Gottes halten? Augustinus hat die Antwort bereits in seiner Auslegung gegeben: indem wir uns zuerst Christus, dem wahren Priester, Propheten und König unterstellen, der die Balance von Gerechtigkeit und Barmherzigkeit nicht verlieren wird.

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[“it is an excellent plan or model for the good government of a court, or the keeping up of virtue and piety, and, by that means, good order, in it: but it is applicable to private families; it is the householder's psalm. It instructs all that are in any sphere of power.] 11 „Das Fünfi grad sein lassen“ ist eine typisch schweizerische Redewendung. Wörtlich: “Das Fünfrappen-Stück gerade sein lassen.” Sie bedeutet, „grosszügig über etwas hinwegsehen“.

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Unsere Aufgabe als Priester

Uns Eltern ist innerhalb der Familie als der kleinsten Gemeinde Gottes die Aufgabe und der Dienst des Priesters übertragen worden.12 Eine dieser priesterlichen Aufgabe war im Alten Testament das Rauchopfer, das am Morgen und am Abend auf dem Räucheraltar dargebracht wurde (2. Mose 30. 7-9). Die Schrift zeigt auf, dass diese Rauchopfer die Gebete der Gläubigen sind (Psalm 141. 2; Offb. 5. 8). Wir Gläubigen sind alle Priester, und unsere Aufgabe besteht darin, fortwährend im Tempel zu dienen (1. Petrus 2. 9). Denn wir sind ja selbst der Tempel und wohnen darin (u.a. Epheser 2. 20-22). Das Gebet gehört deshalb auch zum Gottesdienst der Familie. Insbesondere dann, wenn innerhalb der Familie Streit herrscht (4. Mose 17. 1112; Matthäus 18. 19f). Was liegt näher, als in solchen Situationen, in denen unser Herz in Ärger, Angst, Selbstrechtfertigung und Rechthaberei versteinert ist, zum Altar Gottes zu gehen und Jesus Christus um die Gnade der Versöhnung und Veränderung zu bitten? Das Gebet führt uns zum Gnadenthron Gottes (Hebräer 4. 15f) und hilft uns, bei Jesus Christus zu bleiben. Vor dem Altar Gottes werden wir nicht versucht, das Verhalten unserer Kinder mit Belohnung und Strafe zu manipulieren und zu kontrollieren. Wir lernen vielmehr auf die Barmherzigkeit und Güte Gottes vertrauen, die unsere Herzen berührt. Das Priestertum der Gläubigen umfasst das ganze Leben. Unser Handeln kann nicht von unserem Herzen getrennt werden; denn es ist eine Frucht der Gnade Gottes. Diesen Zusammenhang führt Mose in seinem „Höre Israel“ aus: “Höre, Israel, der HERR ist unser Gott, der HERR allein. Und du sollst den HERRN, deinen Gott, liebhaben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und mit all deiner Kraft. 6 Und diese Worte, die ich dir heute gebiete, sollst du zu Herzen nehmen 7 und sollst sie deinen Kindern einschärfen und davon reden, wenn du in deinem Hause sitzt oder unterwegs bist, wenn du dich niederlegst oder aufstehst.” 5. Mose 6. 4- 7 Martin Luther in seiner ungeschminkten Sprache drückt den Zusammenhang von irdischem Leben und Lob Gottes wie folgt aus. Er schreibt in seiner Schrift „Eine einfältige Weise zu beten, für einen guten Freund“:13 „Wer treulich arbeitet, der betet damit zweifach. Das kann nur aus dem Grund gesagt werden, dass ein gläubiger Mensch in seiner Arbeit Gott fürchtet und an sein Gebot denkt, um niemandem mit Willen unrecht zu tun und zu stehlen oder zu übervorteilen oder zu veruntreuen. Solche Gedanken und solcher Glaube machen ohne Zweifel aus einem Werk auch noch ein Lobopfer.“ Das praktische Leben, auch das in der Familie, ist nicht von unserer Theologie und damit auch nicht von unserem Glauben zu trennen; vielmehr fliesst der Glaube direkt in unsere Beziehungen.

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Beeke, Joel R. (2011): Parenting By God’s Promises. How to Raise Children in the Covenant of Grace. Sandford, Fl: Reformation Trust. Speziell das Kapitel 6 13 Luther, Martin (1535): Eine einfältige Weise zu beten, für einen guten Freund.

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Unsere Aufgabe als Propheten

Als Propheten sollen wir Worte verwenden, die freundlich, notwendig und gut sind, die erbauen und zum Segen dienen. „Laßt kein faules Geschwätz aus eurem Mund gehen, sondern redet, was gut ist, was erbaut und was notwendig ist, damit es Segen bringe denen, die es hören.“ Epheser 4. 29 „Eure Rede sei allezeit freundlich und mit Salz gewürzt, daß ihr wißt, wie ihr einem jeden antworten sollt.” Kolosser 4. 6

Beispiel 1: Marco, 9-jährig14 Marco ist der jüngste Sohn der Familie. Er hat noch zwei ältere Brüder und ist nach Aussagen der Eltern oft schwierig zu führen. Sein unbeherrschtes und unkontrolliertes Wesen führt zu Streitereien mit seinen Geschwistern und manchmal sogar zu Schlägereien in der Schule. Seine Eltern haben den Eindruck, dass er zuweilen überhaupt nicht zuhört, wenn man ihm einen Auftrag gibt. Er trödelt und vergisst ob allen andern spannenden Sachen seine Hausaufgaben. Von der Schule gelangen Beschwerden der Lehrperson per Telefon oder E-Mail an die Eltern. Wenn Marco eine gelbe oder rote Karte oder sogar einen Eintrag wegen schlechten Benehmens erhalten hat, ist er besonders schlecht gelaunt und lässt dies an der Mutter und seinen jüngeren Geschwistern aus. Dies wiederum verärgert verständlicherweise die Eltern und lässt sie ungeduldig und ärgerlich gegenüber ihrem Sohn reagieren. Denn es gibt keinen offensichtlichen Grund für sein respektloses Verhalten. Mit der Zeit erkennen die Eltern, dass Marco in solchen Momenten besonders stark unter einem schlechten Gewissen leidet und dieses an der Familie abreagiert. Wieder einmal hält Marco eine Abmachung mit den Eltern nicht ein: Nach der Schule soll er sofort nach Hause kommen, da die Familie einen Termin einhalten muss. Marco erscheint nicht, während die Eltern und seine älteren Geschwister auf ihn warten. Er ist weder im Schulhaus noch in der Turnhalle zu finden, wo seine Schulklasse ihre letzte Schulstunde verbrachte hat. Die Eltern beginnen ihren Sohn zu suchen und entdecken ihn schliesslich in einer Quartierstrasse, wo er mit seinen Schulkollegen zusammen Skateboard fährt. Auf frischer Tat ertappt, winkt Marco seinen Eltern zu und kommt ihnen eilends mit dem Skateboard in den Händen entgegen. Marco sieht den Eltern zwar nicht in die Augen; aber er umarmt sie mit dem freien Arm und entschuldigt sich bei ihnen. Seine Schuld und ein schlechtes Gewissen plagen ihn.

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Die Namen in den Beispiele sind geändert worden, und alle Beispiele sind derart unkenntlich gemacht und so verfremdet worden, dass keine Rückschlüsse auf irgendwelche Personen gemacht werden können.

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Die Eltern erklären mir, dass sie die Heuchelei von Marco in solchen Situationen nicht aushalten. In solchen Momenten seien sie innerlich sehr verärgert und würden ihr Herz gegenüber Marco verschliessen. Sie spürten, wie sie als Eltern ihm gegenüber innerlich kalt würden. Auch würden sie dann nicht mehr mit ihrem Sohn reden und liessen ihn dann links liegen. „Aber dann holt uns das schlechte Gewissen ein“, sagen beide Eltern einstimmig. „Wie können wir unser Herz gegenüber Marco wieder öffnen?“, fragen sich die Eltern. Sie seien seit längerer Zeit wegen solchen heuchlerischen Situationen ärgerlich auf ihren Buben. Wie kann er uns nur wieder so enttäuschen? Kann er sich denn nie bessern? Es ist einfach nicht recht, urteilen sie. Jetzt soll und muss er uns endlich zeigen, dass er sich bessern kann. Im Gespräch mit den Eltern wird deutlich, dass sie in ihren Herzen das Urteil und die Strafe für ihren Sohn bereits beschlossen haben: „Du hast meine Erwartungen nicht erfüllt, und das sollst du auch erfahren und spüren“, sagen sie sich. Wir erkennen an diesem Beispiel, dass wir als Eltern immer alle drei Ämter zugleich ausüben: 

Als mein eigener Prophet vermittle ich meinem Kind immer auch eine Botschaft. Sei dies mit Worten oder mit meiner Mimik, denn nicht reden ist auch eine Botschaft. Als Prophet bestimme ich das Gesetz, nach dem sich mein Kind zu richten hat. In diesem Fall: „Du hast mich nicht zu enttäuschen und dich nicht heuchlerisch zu verhalten, als wäre nichts gewesen!“



Als mein eigener König nehme ich mir die Macht und die Autorität, mein eigenes Gesetz und Urteil aufzurichten: Ich urteile nach meinem Gesetz und nicht nach dem Wort Gottes.



Als mein eigener Priester bestimme und kontrolliere ich die Strafe und die Sühne und bin so oft unbarmherzig. Prophet: Norm

Priester: Strafe

König: Urteil

Vergleichen wir einmal, wie Christus die drei Ämter ausübt und wie wir es unabhängig von ihm tun: 

Der Prophet Meine Norm: Du hast meine Erwartungen einmal mehr nicht erfüllt. Gottes Norm: „Ihr Kinder, seid euren Eltern gehorsam.“ Epheser 6. 1- 4 Beat Tanner Ph.D. (USA) www.seelsorge-schweiz.ch

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Der König Mein Urteil: Du bist an mir schuldig geworden, weil du meine Erwartung nicht erfüllt hast. Gottes Urteil: Schuldig vor einem heiligen und gerechten Gott Als König soll ich meine Macht und mein Urteil also nicht missbrauchen, um meinen emotionalen Zustand zu stabilisieren und die Selbstkontrolle wieder zu erlangen. Sondern „Ich handle umsichtig und redlich, daß du mögest zu mir kommen; ich handle mit redlichem Herzen in meinem Hause.“ (Psalm 100. 3)



Der Priester Meine Strafe: Ablehnung durch Zurückweisung und Schweigen Gottes Strafe: „Ein Knecht des Herrn aber soll nicht streitsüchtig sein, sondern freundlich gegen jedermann, im Lehren geschickt, der Böses ertragen kann und mit Sanftmut die Widerspenstigen zurechtweist, ob ihnen Gott vielleicht Buße gebe, die Wahrheit zu erkennen.” 2.Tim. 2. 24-25

Beispiel 2: Miriam, 15-jährig Mirjam ist für ein Time-out bei uns. Eines Abends komme ich spät nach Hause. Ich ziehe meine Schuhe aus und gehe ins Badezimmer. Sofort werden mein Füsse nass, da ich in eine riesige Wasserpfütze getreten bin, die den ganzen Badezimmerboden bedeckt. Der Teenager hat vorher die Dusche benutzt und einen entsprechenden See hinterlassen. Verärgert rufe ich nach meiner Frau und frage sie, was denn dieser See im Badezimmer soll. Meine Frau hatte ja die Aufsicht und hätte die junge Frau darauf aufmerksam machen können, dass man ein Badezimmer nicht in einem solchen Zustand hinterlässt. Auch in diesem Beispiel finden wir die Triade der drei Ämter Christi wieder:

Prophet: Norm

Priester: Strafe

König: Urteil

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Der König Indem ich mir das Recht nehme, mein eigenes Gesetz zu formulieren, führe ich mich als mein eigener König auf: Ich will auch spätabends das Badezimmer trockenen Fusses betreten können.



Der Prophet Ich führe das Amt des Propheten in eigener Regie aus, indem ich mein Gesetz meiner Frau hörbar verkündige.



Der Priester Ich führe das Amt als mein eigener Priester aus, indem ich auch die Strafe verkünde: Mirjam soll zur Strafe das Badezimmer sofort putzen und den Boden trocknen.

Meine Frau reagiert besonnen. Dies sei eine „pädagogische Massnahme“, erklärt sie mir und Mirjam hätte zuerst noch wichtigere Dinge zu lernen, bis sie wüsste, wie man ein Badezimmer nach Gebrauch richtig hinterlässt. Dieser Hinweis ist nur zu wahr, denn Mirjam hat mit ihren 15 Jahren bei ihren Eltern noch nicht einmal gelernt, wie man einen Staubsauger bedient und das eigene Zimmer staubsaugt. Vergleichen wir noch einmal, wie wir die drei Ämter unabhängig von Christus in Selbstgerechtigkeit ausüben und wie Christus es tut – und auch wir es tun können, wenn wir uns daran erinnern, dass wir in Christus sind. 

Der Prophet Meine Norm: Du hast das Badezimmer so zu verlassen, dass ich keine nassen Füsse bekomme. Gottes Norm: „Seid aber untereinander freundlich und herzlich und vergebt einer dem andern, wie auch Gott euch vergeben hat in Christus.” Epheser 4. 31-32



Der König Mein Urteil: Schuldig. Gottes Urteil: „Nehmt einander an, wie Christus euch angenommen hat, zum Lob Gottes.“ Römer 15. 7 Beat Tanner Ph.D. (USA) www.seelsorge-schweiz.ch

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Der Priester Meine Strafe: Du musst sofort das Badezimmer putzen und den Boden trocknen. Gottes Strafe Gottes: “Richtet nicht, damit ihr nicht gerichtet werdet. Denn nach welchem Recht ihr richtet, werdet ihr gerichtet werden; und mit welchem Maß ihr meßt, wird euch zugemessen werden. Was siehst du aber den Splitter in deines Bruders Auge und nimmst nicht wahr den Balken in deinem Auge?” Matthäus 7. 1-3 “Daher mußte er in allem seinen Brüdern gleich werden, damit er barmherzig würde und ein treuer Hoherpriester vor Gott, zu sühnen die Sünden des Volkes. Hebräer 2. 17



Unsere Aufgabe als König

Oft ist dieser „königlicher“ Aspekt in der Erziehung am Schwierigsten umzusetzen. Ein Grund dafür mag darin liegen, dass der Gehorsam des Kindes als Ziel der elterlichen Erziehung angesehen wird und nicht als eine Frucht des Heiligen Geistes. Gerade dies verfehlt jedoch die Absicht als Familie zum Lob und zur Ehre Gottes zu leben. Beispiel einer „königlichen“ Intervention:

Beispiel 3: Manuel, 8 Jahre Manuel ist acht Jahre alt. Seine „neuste“ Angewohnheit ist, die Mahlzeiten nicht fertig zu essen und den Rest im Teller stehen zu lassen. Die Mutter ermahnt ihn auch diesmal, dass er nur so viel schöpfen solle, wie er auch mag. Denn er müsse aufessen, damit er ein Dessert erhalte. Manuel isst aber auch diesmal den Teller nicht leer, mit der Begründung, er habe keinen Hunger mehr. Das ist für die Mutter in Ordnung; sie weist ihn darauf hin, dass er aber nun kein Anrecht auf einen Dessert habe. Manuel erklärt sich einverstanden. Die Schokoladenmuffins sind schon auf dem Tisch, dazu gerade neben Manuel platziert. In einen unbeachteten Augenblick nimmt Manuel nun ein solches Muffin und beisst herzhaft hinein. Die Mutter stellt ihn zur Rede. Manuel beginnt aufzubegehren und zu schimpfen: „Da ist unfair. Du bist ungerecht und gemein.“ Beat Tanner Ph.D. (USA) www.seelsorge-schweiz.ch

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Mutter: „Wer hat die Regel nicht eingehalten, du oder ich?“ Manuel schnauzt zurück: „Du natürlich!“ Mutter: „So, ….“ – Ich denke du weisst die Antwort und ich erwarte dass du mich nicht länger mit Rechtfertigungen abspeist, sondern die Wahrheit sagst.“ Manuel tobt. „Nein!“, schreit der Junge. Mutter: (ganz ruhig) „Ich erwarte von dir die richtige Antwort!“ Nach einer Weile frägt Manuel: „Kann ich es aufschreiben? Mutter: „Nein, ich will es von dir hören.“ Manuel wütend: „Dann schreib ich es in die Luft!“ und beginnt mit dem Finger die Antwort in die Luft zu schreiben. Mutter: „Nein, das akzeptiere ich nicht. Ich will es von dir hören!“ Es braucht etwa 2 ½ Stunden bis Manuel bereit ist seiner Mutter mit seinen eigenen Worten einzugestehen, dass er es war, der sich nicht an die Regel gehalten hat und dass nicht seine Mutter die Schuld an seinem Vergehen traf. Wir Eltern sollen demütig sein und uns dem wahren König unterordnen. Den Willen brechen heisst, dem Kind helfen demütig zu werden. Dies ist aber wiederum eine Frucht des Heiligen Geistes. Denn nur Jesus ist demütig und sanftmütig (Matthäus 11. 28- 29).



Der Prophet Meine Norm: Der Gehorsam des Kindes ist das Ziel: „Du musst gehorchen!“ Gottes Norm: “Kommt her zu mir, alle, die ihr mühselig und beladen seid; ich will euch erquicken. Nehmt auf euch mein Joch und lernt von mir; denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütig; so werdet ihr Ruhe finden für eure Seelen.” Matthäus 11. 28- 29



Der König Meine Macht: „Du hast dich zu unterordnen und auf eine Weise wie ich es will.“ Gottes Macht: “Um meines Namens willen halte ich lange meinen Zorn zurück, und um meines Ruhmes willen bezähme ich mich dir zugut, damit du nicht ausgerottet wirst. Siehe, ich habe dich geläutert, aber nicht wie Silber, sondern ich habe dich geprüft im Glutofen des Elends. Jesaja 48. 9-10

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Der Priester Mein Strafe und Trost: Ich setze mich mit Gewalt (Ärger, Drohen etc.) durch. Gottes Strafe Gottes: “Ehe ich gedemütigt wurde, irrte ich; nun aber halte ich dein Wort.” Psalm 119. 67

Gebet15 Herr Jesus, Ich bin blind, sei du mein Licht, unverständig, sei du meine Weisheit, eigensinnig, sei du meine Denkweise. Sei du mein guter Hirte, der mich zu den grünen Auen deines Wortes führt, und sorge dafür, dass ich mich neben den Flüssen seines Trostes niederlege. Durch dich ist der ganze Himmel in mein Herz gegossen worden, aber es ist zu eng, um deine Liebe zu verstehen. Ich war ein Fremder, ein Ausgestossener, ein Sklave, ein Rebell, aber dein Kreuz hat mich dir nahe gebracht, hat mein Herz erweicht, hat mich zum Kind deines Vaters gemacht, hat mich in deine Familie aufgenommen, hat mich zum Miterben gemacht. O, dass ich dich liebe, wie du mich liebst, dass ich in meinem Wandel deiner würdig bin, dass ich das Bild des himmlischen Erstgeborene widerspiegele. Amen.

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Bennet, A. (2014): Gebete der Puritaner für besondere Anlässe. Waldems: 3 L Verlag. S. 17f

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Literatur: Augustin, Aurelius. Bekenntnisse. Beale, Gregory K. (2011): Der Tempel aller Zeiten. Die Wohnung Gottes und der Auftrag der Gemeinde. Eine biblisch-heilsgeschichtliche Studie. Oerlinghausen: Bethanien Verlag Beeke, Joel R. (2011): Parenting By God’s Promises. How to Raise Children in the Covenant of Grace. Sandford, Fl: Reformation Trust. Beek, Joel R. (2009): Family Worship. Grand Rapids. MI: Reformation Heritage Books Bennet, A. (2014): Gebete der Puritaner für besondere Anlässe. Waldems: 3 L Verlag Calvin, Johannes. Institutio Lloyd-Jones, Martyn D. (2003): Bergpredigt: Ich aber sage euch… . Predigten über Matthäus 5, 3-48. Waldems: 3L Verlag. Luther, Martin (1535): Einen einfältige Weise zu beten, für einen guten Freund. Heidelberger Katechismus

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