Hochschulen und Fachhochschulen

Hochschulen und Fachhochschulen  313  Jürgen Enders    Hochschulen und Fachhochschulen       Einleitung  1. Differenzierung und Entdifferenzierung ...
Author: Reiner Heinrich
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Hochschulen und Fachhochschulen 

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Jürgen Enders   

Hochschulen und Fachhochschulen       Einleitung  1. Differenzierung und Entdifferenzierung von Hochschultypen  2 .Historische und quantitative Entwicklung der Universitäten und Fachhochschulen  3. Ausdifferenzierung und Stratifizierung  Ausblick         

Einleitung    In den letzten Jahrzehnten sind Fragen der institutionellen Struktur des Hochschulsystems  immer  wieder  Gegenstand  der  politischen  und  wissenschaftlichen  Aufmerksamkeit  gewe‐ sen.  Im  Vordergrund  steht  die  Frage,  welches  Ausmaß  an  Einheitlichkeit  und  Vielfalt  der  institutionellen  Landschaft  einem  modernen  und  leistungsfähigen  Hochschulsystem  ange‐ messen  ist.  Wie  viel  Differenzierung  ist  nützlich  oder  schädlich  für  die  Leistungsfähigkeit  einzelner  Hochschulen  und  des  Hochschulsystems  insgesamt?  Welche  Rolle  kommt  der  horizontalen Differenzierung (etwa nach Größe, Aufgaben oder fachlichem Profil der Hoch‐ schulen)  und  der  vertikalen  Differenzierung  (etwa  nach  Aufgaben  in  der  Forschung  oder  der Lehre, der Qualität und Reputation der Hochschulen) zu? Wie stabil oder instabil sind  einmal geschaffene institutionelle Ordnungen, welche Eigendynamik der Angleichung oder  Differenzierung entwickelt sich im Hochschulsystem selbst, und was ist die Rolle staatlicher  Steuerung? Und lässt sich die Frage nach der angemessenen institutionellen Ordnung über‐ haupt noch national beantworten, wenn Prozesse der europäischen und globalen Koopera‐ tion und Konkurrenz an Bedeutung gewinnen?  In  der  Forschung  zur  Stabilität  und  zum  Wandel  der  institutionellen  Struktur  des  Hochschulsystems  wird  auf  verschiedene  Aspekte  hingewiesen,  die  für  die  institutionelle  Dynamik der Hochschulentwicklung eine besondere Rolle spielen (Meek et al. 1996; Meek et  al. 2000). Genannt werden die spannungsreiche Koppelung der Aufgaben der Hochschulen  im Bildungssystem und im Wissenschaftssystem sowie die zunehmende Beobachtung ihrer  Rolle  im  Innovationssystem,  die  Expansion  des  Hochschulsystems  im  Übergang  von  der  Elite‐  zur  Massenuniversität,  die  zunehmende  Forderung  nach  einer  stärker  praxis‐  und  berufsrelevanten  Ausbildung  an  den  Universitäten,  der  Bedeutungsgewinn  grundlagen‐ orientierter  und  anwendungsorientierter  Forschung  und  ihrer  Koppelung  sowie  die  Rolle  der  Hochschulen  in  der  regionalen  und  nationalen  Entwicklung  und  im  internationalen  Wettbewerb. 

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Zugleich  werden  international  unterschiedliche  Ansätze  darüber  vertreten,  welche  Entwicklungsdynamik  der  institutionellen  Ordnung  der  Hochschulsysteme  zu  beobachten  ist (Krücken/Meier 2006; Scott 1995; Teichler 1985, 2005). Vertreter des Kontinuitätsansatzes  weisen  darauf  hin,  dass  sich  nationale  Hochschulsysteme  trotz  gleichartiger  Herausforde‐ rungen strukturell sehr unterschiedlich entwickelt haben und dass die vielfältigen Modelle  der  nationalen  Hochschulsysteme  erstaunliches  Beharrungsvermögen  besitzen.  Vertreter  des Stratifizierungsansatzes beziehen sich auf Evidenzen eines zunehmenden internationa‐ len Trends der profilbildenden Arbeitsteilung und vertikalen Differenzierung zwischen den  Hochschulen.  Vertreter  des  Konvergenzansatzes  beobachten  internationale  Angleichungs‐ tendenzen der Hochschulen, wobei die Imitation der besten Universitäten Maßstab und Ziel  für alle anderen Institutionen ist.  Die Entwicklung des westdeutschen Hochschulsystems liefert empirisches Material für  alle drei Ansätze. Bis Mitte der 1960er Jahre stand die Restauration und  Wahrung des tra‐ dierten  Universitätsmodells  humboldtscher  Prägung  im  Vordergrund.  Ende  der  1960er  Jahre  traten  im  Zuge  der  Bildungsexpansion  die  Fachhochschulen  als  Hochschulen  neuen  Typus  hinzu,  deren  Aufgaben  durch  staatliche  Rahmensetzungen  deutlich  von  denen  der  Universitäten  abgesetzt  wurden.  Dies  führte  zu  einer  stärkeren  Differenzierung  der  Hoch‐ schullandschaft  entlang  zweier  Typen,  wobei  an  der  Vorstellung  der  Gleichwertigkeit  der  Universitäten festgehalten wurde. In den letzten 15 Jahren ist diese institutionelle Struktur  durch  Prozesse  der  Ausdifferenzierung  innerhalb  der  jeweiligen  Hochschultypen  und  der  Entdifferenzierung  zwischen  den  beiden  Hochschultypen  erheblich  in  Unordnung  geraten  (Wissenschaftsrat  2006).  Gleichzeitig  mehren  sich  die  Stimmen  derjenigen,  die  vor  einer  einseitigen  vertikalen  Differenzierung  entlang  des  internationalen  Wettbewerbs  um  For‐ schungsexzellenz warnen und einen ruinösen Reputationswettbewerb befürchten (Teichler  2005).     

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Historische und quantitative Entwicklung der Universitäten und  Fachhochschulen 

  Für  die  Entwicklung  und  das  Selbstverständnis  der  Universitäten  im  20.  Jahrhundert  war  lange ein Leitbild prägend, das sich auf die Tradition der Humboldtschen Reformen des 19.  Jahrhunderts berief und so einen weitgehend ungebrochenen Wiederaufbau der westdeut‐ schen Universitäten nach dem Zweiten Weltkrieg entlang dieser Tradition ermöglichte. Bis  in die 1950er Jahre hinein expandierte das Hochschulsystem durch Vergrößerung der beste‐ henden  Einrichtungen  unter  Wahrung  des  herkömmlichen  Universitätsmodells,  wobei  der  Begriff Universität in Westdeutschland nur für bestimmte multi‐disziplinäre Einrichtungen  der Lehre und Forschung verwendet wurde. Neben den 18 Universitäten bestanden 13 spe‐ zialisierte  Hochschulen  mit  Programmen  in  den  Bereichen  Ingenieurwesen,  Medizin,  Ag‐ rarwissenschaften  und  Betriebswissenschaften  sowie  mehr  als  100  −  zumeist  kleine  −  Ein‐ richtungen  der  Lehrerausbildung,  Kunst  und  Musik  sowie  der  Theologie.  In  den  1960er  Jahren  bis  Mitte  der  1970er  Jahre  wurde  eine  Reihe  neuer  Universitäten  gegründet,  den  spezialisierten Hochschulen wurde Universitätsstatus zuerkannt und die Einrichtungen der  Lehrerausbildung  wurden  nach  und  nach  in  die  Universitäten  integriert.  Diese  Expansion 

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und Ausweitung der Universitäten stellte aber das Leitbild weitgehend gleichwertiger Uni‐ versitäten  und  eine  entsprechende  Praxis  staatlicher  Steuerung  und  Finanzierung  kaum  in  Frage.  Nach  dem  1964  ausgerufenen  Bildungsnotstand  standen  in  Deutschland  die  gesell‐ schafts‐  und  wissenschaftspolitischen  Zeichen  auf  Bildung  für  alle  und  den  Ausbau  des  Hochschulsystems in der Fläche. Neben dem Ausbau der Universitäten wurde in Reaktion  auf die Expansion der Bildungsnachfrage Ende der 1960er Jahre durch staatlichen Beschluss  ein  neuer  Hochschultyp  geschaffen  –  die  Fachhochschulen.  Nunmehr  ging  es  um  einen  Ausbau und eine Neugestaltung des Hochschulsystems, die zu einer stärkeren Differenzie‐ rung des Hochschulsystems entlang zweier Typen führte. Auf Beschluss der Konferenz der  Ministerpräsidenten  vom  Oktober  1968  wurde  der  Fachhochschulsektor  eingeführt,  um  Einrichtungen  des  tertiären  Bereichs  zusammenzufassen,  in  denen  die  Studierende  stärker  praxis‐  und  berufsorientiert  ausgebildet  werden  sollten.  Fachhochschulen  sollten  sich  des‐ halb insbesondere durch einen intensiven Anwendungsbezug in der Ausbildung und kür‐ zere  Studienzeiten  von  den  Universitäten  unterscheiden.  Das  von  staatlicher  Seite  festge‐ schriebenen  Profil  der  Fachhochschulen  sah  zunächst  Forschung  nicht  vor.  Offenkundig  war  mit  der  Etablierung  der  Fachhochschulen  von  staatlicher  Seite  auch  die  Absicht  ver‐ bunden,  Hochschulen  zu  schaffen,  die  die  wachsende  Bildungsnachfrage  kostengünstiger  befriedigen  konnten  als  die  lehr‐  und  forschungsbezogenen  Universitäten.  1975  bestanden  in Westdeutschland bereits 97 Fachhochschulen (einschl. Verwaltungsfachhochschulen), an  denen  aber  nur  etwa  18  %  der  Studierenden  eingeschrieben  waren  sowie  90  Universitäten  (einschl.  Gesamthochschulen,  Pädagogische  Hochschulen,  Theologische  Hochschulen)  und  26 Kunsthochschulen.   Der  Öffnungsbeschluss  von  1977  läutete  eine  weitere  Phase  der  Hochschulexpansion  ein, die aber kaum mehr zur Etablierung neuer Institutionen führte. Bund und Länder ver‐ einbarten  in  diesem  Beschluss,  die  Hochschulen  angesichts  demographisch  bedingter  Zu‐ wächse  trotz  unzureichender  räumlicher  und  personeller  Kapazitäten  prinzipiell  offen  zu  halten  und  dafür  zeitweise  Überlastbedingungen  in  Kauf  zu  nehmen.  Die  resultierende  Überlast musste von den Hochschulen, insbesondere den Universitäten, aus der vorhande‐ nen  Substanz  getragen  werden  –  mit  den  bis  heute  sichtbaren  Konsequenzen  für  die  Be‐ treuungsverhältnisse  und  die  Forschung.  So  zählte  das  westdeutsche  Hochschulsystem  in  1990  94  Universitäten,  31  Kunsthochschulen  sowie  122  Fachhochschulen,  an  denen  etwa  23 % der Studierenden eingeschrieben waren. Die steigende Zahl der Fachhochschulen und  der steigende Anteil von Studierenden an Fachhochschulen war dabei vor allem der Integra‐ tion und Neugründung von Verwaltungsfachhochschulen zu zuschreiben.   Nach der Wiedervereinigung entstanden in der ersten Hälfte der 1990er Jahre im Zuge  der Transformation des ostdeutschen Hochschul‐ und Wissenschaftssystems 19 Universitä‐ ten,  11  Kunsthochschulen  sowie  32  Fachhochschulen  (Kehm  1999).  Das  Hochschulsystem  der  Bundesrepublik  umfasste  2007/2008  somit  120  Universitäten,  52  Kunsthochschulen  so‐ wie 215 Fachhochschulen, an denen etwa 29 % der Studierenden eingeschrieben sind, deren  Anteil an allen Studierenden in den neuen Bundesländern deutlich höher ausfällt als in den  alten Bundesländern.   Zweifellos haben die Fachhochschulen damit eine wichtige Funktion in der Absorption  der steigenden Nachfrage an Hochschulausbildung übernommen. Ihre Kapazitäten bleiben 

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aber  begrenzt  und  hinter  den  etwa  vom  Wissenschaftsrat  bereits  Anfang  der  1990er  Jahre  geforderten  Ausbauplänen  mit  einem  Studierendenanteil  von  40  Prozent  zurück.  Bislang  waren die politischen Kräfte, die eine Erweiterung des Fächerspektrums der Fachhochschu‐ len auch gegen den Willen der Universitäten forderten, nicht erfolgreich. Gleichzeitig ist das  Profil der Studierenden an Universitäten und Fachhochschulen in mancherlei Hinsicht ähn‐ licher  geworden.  Mehr  Studierende  an  Fachhochschulen  besitzen  die  Zugangsvorrauset‐ zungen  für  ein  Universitätsstudium  und  stammen  aus  einem  Akademikerelternhaus;  zu‐ gleich bilden die Universitäten wachsende Zahlen von Studierenden aus, deren Studienmo‐ tivation primär berufs‐  und  karrierebezogen ist. Der begrenzte Ausbau  der Fachhochschu‐ len im Zuge der Hochschulexpansion erwies sich für die Universitäten denn auch als zwei‐ schneidig.  Einerseits  konnten  die  Universitäten  traditionelle  Besitzstände  verteidigen.  An‐ dererseits  waren  und  sind sie  zunehmend  genötigt,  praxisorientierte Studiengänge  zu  ent‐ wickeln und gerieten mit ihre Forschungsfunktion unter Bedingungen der Massenuniversi‐ tät  zunehmend  in  den  „Schatten  der  Lehre“  (Schimank  1995).  Parallel  hierzu  haben  die  Fachhochschulen  zunehmend  Aufgaben  in  der  anwendungsorientierten  Forschung  über‐ nommen,  die  durch  Änderungen  des  Hochschulrechts  und  der  staatliche  Programmförde‐ rung wachsende Anerkennung gefunden haben.     

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Differenzierung und Entdifferenzierung von Hochschultypen 

  Bis in die Mitte der 1980erer Jahre hinein wurde von staatlicher Seite durch rechtliche Rah‐ menregelungen  und  Finanzierungssysteme  der  Versuch  unternommen,  die  Unterschiede  zwischen den Fachhochschulen und Universitäten zu zementieren. Aufgaben und Profil der  Fachhochschulen  sollten  sich deutlich von  dem  der  Universitäten  abheben.  So  hatten  (und  haben)  die  Fachhochschulen  keinerlei  Aufgaben  in  der  Förderung  des  wissenschaftlichen  Nachwuchses  und  im  Gegensatz  zu  den  Universitäten  und  ihnen  gleichgestellten  Hoch‐ schulen  kein  Promotions‐  und  Habilitationsrecht.  Die  Forschung  zählte  zunächst  ebenfalls  nicht zu den Profilmerkmalen der Fachhochschulen. Im Vordergrund stand (und steht) die  Lehre,  und  Fachhochschulprofessoren  haben  mit  18  Semesterwochenstunden  ein  deutlich  höheres  Lehrdeputat  als  ihre  Kollegen  an  den  Universitäten  und  eine  längere  Vorlesungs‐ zeit  innerhalb  des  Semesters.  Wenngleich  die  politische  Rhetorik  immer  wieder  betonte,  dass  mit  den  Fachhochschulen  Institutionen  geschaffen  wurden,  die  im  Vergleich  zu  den  Universitäten  andersartig  aber  gleichwertig  sind,  war  vielen  Akteuren  klar,  dass  die  Fach‐ hochschulen  den  Universitäten  faktisch  nicht  gleichgestellt  waren.  Dies  hat  zu  Anglei‐ chungsbestrebungen  der  Fachhochschulen  an  die Universitäten  geführt,  wie  sie  internatio‐ nal  unter  dem  Begriff  des  academic  drift  (Burgess  1972,  Neave  1989)  nicht‐universitärer  Hochschuleinrichtungen diskutiert werden.  Die anwendungsorientierte Forschung und Entwicklung hat sich im Zuge der weiteren  Entwicklung  der  Fachhochschulen  thematisch  wie  auch  inhaltlich  deutlich  verbreitert.  Die  Fachhochschulen haben sich damit den Universitäten angenähert, trotz der im Vergleich zu  Universitäten wesentlich geringeren finanziellen und personellen Ausstattung. Dazu haben  zum  einen  Bestrebungen  der  Fachhochschulen  selbst  beigetragen,  die  durch  eine  Hoch‐ schullehrerschaft  unterstützt  werden,  die  sich  zum  größten  Teil  aus  ehemaligen  Nach‐

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wuchswissenschaftlern  der  Universitäten  und  dem  Personal  der  außerhochschulischen  Forschung und Entwicklung rekrutiert (Enders/Teichler 1995). Zum anderen haben Verbes‐ serungen  im  strukturellen  Umfeld  wie  auch  im  Angebot  an  Förderprogrammen  für  die  Forschung,  die  auf  Fachhochschulen  zugeschnitten  sind  oder  die  solchen  Einrichtungen  offen stehen, eine Rolle gespielt.  Bis  in  die  1980er  Jahre  hinein  waren  die  Hochschulgesetze  eher  zurückhaltend  darin,  Forschung  und  Entwicklung  als  Aufgaben  der  Fachhochschulen  festzuschreiben.  Mit  der  Novellierung  des  Hochschulrahmengesetzes  in  1985  gehört  die  anwendungsorientierte  Forschung  und  Entwicklung  zu  den  Aufgaben  der  Fachhochschulen.  Die  in  den  letzten  Jahren  erfolgten  Novellierungen  der  Landeshochschulgesetze  messen  der  anwendungs‐ orientierten  Forschung  an  Fachhochschulen  ein  immer  größeres  Gewicht  zu.  Mittlerweile  machen  die  Länder  mehrheitlich  anwendungsbezogene  Forschung  und  Entwicklung  per  Gesetz  zur  Pflichtaufgabe  von  Fachhochschulen.  Viele  Bundesländer  und  der  Bund  haben  Förderprogramme  aufgelegt,  um  anwendungsbezogene  Forschung  und  Entwicklung  an  Fachhochschulen zu unterstützen. Als neue Leistungen der Fachhochschulen sind in diesem  Zusammenhang  insbesondere  auch  Aktivitäten  im  Technologie‐  und  Wissenstransfer  hin‐ zugekommen, die die Bedeutung der Fachhochschulen für die regionale Wirtschaft stärken  sollen. So hat der Bund eine Schwerpunktverlagerung seiner Fördertätigkeit hin zur Unters‐ tützung  wirtschaftsnaher  regionaler  Forschungsverbünde  an  Fachhochschulen  vorgenom‐ men.  Diese  Neuausrichtung  der  förderpolitischen  Zielsetzungen  zielt  auf  eine  stärkere  interdisziplinäre  und  hochschulübergreifende  Zusammenarbeit  von  Fachhochschulen,  bei  der diese mit Partnern aus der regionalen Wirtschaft, der Wissenschaft (Forschungseinrich‐ tungen, Universitäten) und Partnern aus anderen Bereichen kooperieren.  Zwar  limitieren  nach  wie  vor  die  finanzielle  Ausstattung  und  ein  kaum  vorhandener  akademischer  Mittelbau  die  Anstrengungen  der  Fachhochschulen  in  der  Forschung.  Von  Seiten  der  Fachhochschulen  gibt  es  aber  Bestrebungen,  die  Beschränkung  auf  die  anwen‐ dungsbezogene  Forschung  aufzuheben  und  die  Personalstruktur  und  Ausstattung  der  Fachhochschulen zu verbessern.   Eine komplementäre Angleichungsbewegung findet auf Seiten der Universitäten statt,  deren Forschungskapazitäten in Zeiten der Massenuniversität unter Druck gerieten und die  sich gleichzeitig einer wachsenden Nachfrage an praxis‐ und berufsorientierter Ausbildung  gegenüber sehen (Wissenschaftsrat 2006). Der professional drift (Harmen 1977) der Universi‐ täten  zur  praxisorientierten  Lehre  und  Forschung  steht  in  unmittelbarem  Zusammenhang  mit dem beschränkten Ausbau der Fachhochschulen und den permanenten Überlastbedin‐ gungen an den Universitäten.   Der Ausbau der Fachhochschulen ist zwar von Land zu  Land unterschiedlich verlau‐ fen,  in  der  Summe  jedoch  hinter  den  ursprünglich  angestrebten  Zielen  deutlich  zurückge‐ blieben.  Eine  systematische  Verlagerung  einzelner  Fächer  von  den  Universitäten  an  die  Fachhochschulen hat ebenfalls nicht stattgefunden, so dass auch die Universitäten im Zuge  der Expansion der Hochschulen erheblich mehr Studierende aufnehmen mussten. Zugleich  kumulieren an den Universitäten die Folgen staatlicher Finanzverknappung bei gleichzeiti‐ ger  Expansion  der  Studierendenzahlen  für  die  Forschung:  „Aufgrund  des  mit  der  Grund‐ ausstattung  der  Hochschulen  gegebenen  gemeinsamen  Ressourcenpools  von  Forschung  und  Lehre  kann  erstere  immer  wieder  durch  letztere  unter  Verdrängungsdruck  gesetzt 

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werden. Die Lehre beansprucht immer dann, wenn die Lehrnachfrage zunimmt, ohne dass  die  dafür  nötigen  Ressourcen  der  Grundausstattung  entsprechend  wachsen,  einen  immer  größeren  Anteil  dieser  Ressourcen  und  schmälert  dadurch  die  Ressourcenbasis  der  For‐ schung.  Eben  dies  geschah  seit  Mitte  der  1970er  Jahre  an  den  deutschen  Hochschulen.“  (Schimank 1995: 96). Schließlich fand eine typenbezogene Aufteilung der Studierenden auf  Universitäten  und  Fachhochschulen  nach  Neigung  und  Ausbildungsziel  nur  zum  kleinen  Teil statt. Umfragen zeigen, dass sich unter den Universitätsstudenten eine Mehrheit einen  starke Anwendungs‐ und Praxisbezug ihres Studiums wünscht.  In der Praxis bedienen die  Universitäten also in erheblichem Umfang eine Nachfrage, die zu bedienen nach der binä‐ ren Typendifferenzierung auch Aufgabe der Fachhochschulen sein könnte (Wissenschaftsrat  2006). Dieser Trend wird seit einiger Zeit durch Bestrebungen der Universitäten selbst un‐ terstützt, durch praxisbezogene Studiengänge im Wettbewerb um Studierende zu punkten.  Es ist wiederholt versucht worden, diesen Angleichungstendenzen zwischen Universi‐ täten  und  Fachhochschulen  entgegenzuwirken  und  zu  einer  eindeutigeren  Typenunter‐ scheidung zurückzukehren. Stattdessen hat die Einführung gestufter Bachelor‐ und Master‐ studiengänge  im  Rahmen  des  Bologna‐Prozesses  eine  erhebliche  Beschleunigung  dieser  Angleichungstendenzen ausgelöst. Anfangs beinah unbemerkt rüttelte der Bologna‐Prozess  an einer der Grundfesten jeder typenbezogenen Differenzierung im Hochschulsystem, näm‐ lich  der  Frage,  welche  Abschlüsse  und  Titel  Hochschulen  des  jeweiligen  Typs  verleihen  können  –  und  dem  damit  verbundenen  Status  der  Institution  (Teichler  1996;  Witte  et  al.  2008). Wenn sich die Struktur von Studiengängen und Abschlüssen verändert, dann schafft  dies ein Einfallstor für eine Restrukturierung von Rolle und Status der Hochschultypen. Wie  wir  gesehen  haben,  war  ein  Prozess  informeller  Angleichung  zwischen  Universitäten  und  Fachhochschulen  bereits  vor  der  Einführung  von  Bachelor‐/Masterstudiengängen  zu  beo‐ bachten.  Dies  hat  vermutlich  mit  dazu  beigetragen,  dass  die  Umsetzung  des  Bologna‐ Prozesses  ohne  erfolgreichen  Widerstand  gegen  die  Harmonisierung  der  Abschlüsse  an  Universitäten und Fachhochschulen verlief (Witte 2007).   Die maßgeblichen Strukturvorgaben der Kultusministerkonferenz legen jedenfalls fest,  dass  der  Bachelorabschluss  –  unabhängig  vom  Hochschultyp  –  ein  eigenständiger  berufs‐ qualifizierender  Abschluss  sein  und  für  die  Mehrzahl  der  Studierenden  zu  einem  ersten  Berufseintritt  führen  soll.  Erst  auf  der  Masterstufe  wird  die  Basis  für  eine  Unterscheidung  zwischen stärker anwendungsbezogenen und stärker forschungsbezogenen Studiengängen  gelegt (KMK 1999). In 2003 entschied die Kultusministerkonferenz, dass Studiengänge bei‐ der Profiltypen entsprechend den unterschiedlichen Aufgaben der Hochschulen sowohl an  Universitäten als auch an Fachhochschulen angeboten werden können.  Bachelor‐ und Mas‐ terstudiengänge  sollen  an  unterschiedlichen  Hochschulen,  auch  unterschiedlichen  Hoch‐ schularten  konsekutiv studiert werden können (KMK 2003). Auch hinsichtlich der Studien‐ dauer  gibt  es  Vorgaben  für  die  Bachelor‐  und  für  die  Masterphase,  die  nicht  nach  Hoch‐ schultypen  unterscheiden.  Damit  entfallen  −  abgesehen  von  der  Promotion  –  Merkmale  unterschiedlicher  Studienabschlüsse,  an  denen  sich  eine  institutionelle  Typenunterschei‐ dung  im  deutschen  Hochschulsystem  festmachen  könnte.  Zugleich  haben  sich  die  Fach‐ hochschulen frühzeitig in der Einführung von Bachelor‐ und Masterstudiengängen sowie in  der  europäischen  und  auch  in  der  außereuropäischen  Zusammenarbeit  im  Hochschulbe‐ reich  engagiert.  Durch  Ausweitung  und  Intensivierung  ihrer  Auslandsbeziehungen  haben 

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sie  eine  merkliche  Internationalisierung  ihres  Studienangebotes  erreicht.  Dies  verdeutlicht,  dass  das  Profil  nicht‐universitärer  Hochschulen  keineswegs  auf  eine  regionale  Rolle  be‐ grenzt sein muss. Schließlich begünstigen der Bologna‐Prozess und die damit einhergehen‐ de  Reform  der  Studienangebote  Prozesse  der  Differenzierung  auch  innerhalb  einzelner  Hochschulen,  insbesondere  dann,  wenn  nicht  alle  Bereiche  einer  Hochschule  Bachelorstu‐ diengänge  sowie  praxisbezogene  und  forschungsbezogene  Masterstudiengänge  anbieten.  Hierdurch  wird  ein  Prozess  unterstützt,  in  dem  die  typenbezogene  Differenzierung  von  Profilen  ganzer  Hochschulen  mehr  und  mehr  durch  Binnendifferenzierungen  innerhalb  einzelner Hochschulen überlagert wird.     

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Ausdifferenzierung und Stratifizierung 

  Innerhalb des Universitätssektors waren staatliche Steuerung und Finanzierung bis Anfang  der 1990er Jahre von der Vorstellung beherrscht, dass Universitäten zwar unterschiedliche  fachliche  Schwerpunkte  aufweisen  mögen,  in  ihrer  Qualität  im  Wesentlichen  aber  unterei‐ nander gleichwertig seien. In den 1990er Jahren nahmen Forderungen nach einer stärkeren  Differenzierung  im  deutschen  Hochschulsystem  immer  mehr  zu  und  wurden  vielfältige  Maßnahmen ergriffen, um Autonomie, Wettbewerb und Profilbildung im Hochschulsystem  zu  stärken.  Verschiedene Argumente  für  eine  solche  Reform  des  deutschen  Hochschulsys‐ tems  sind  seither  ins  Feld  geführt  worden,  die  nicht  zuletzt  durch  international  wirkungs‐ mächtige Leitbilder der Reform des öffentlichen Sektors im Allgemeinen und der Hochschu‐ len im Besonderen inspiriert wurden. So wird eine Abkehr von einer einheitlichen und flä‐ chendeckenden  staatlichen  Feinsteuerung  und  Input‐Kontrolle  der  Hochschulen  gefordert,  um  Raum  für  eine  stärkere  Selbststeuerung  des  Systems  durch  teilautonome  Hochschulen  im  Wettbewerb  um  Studierende,  Forschungsmittel  und  wissenschaftliches  Personal  zu  schaffen. Voraussetzung hierfür ist einerseits, dass sich der Staat zurückzieht und anderer‐ seits  die  Hochschulen  in  die  Lage  versetzt  werden,  als  strategische  Akteure  tatsächlich  handlungsfähig zu werden. Staatliche Steuerung aus der Distanz bei gleichzeitiger Stärkung  der  Selbststeuerungskräfte  der  Hochschulen  soll  nicht  nur  die  Steuerungsprobleme  des  Staates lösen, sondern auch Effizienz‐ und Effektivitätssteigerungen ermöglichen (de Boer et  al.  2007;  Krücken/Meier  2006).  Bislang  ist  allerdings  empirisch  kaum  untersucht,  ob  die  Stärkung der Rolle der Hochschulen tatsächlich zu substantiellen Leistungsverbesserungen  in Lehre, Forschung und Wissenstransfer führt (Enders 2008). Zugleich wird angenommen,  dass die funktionale Überforderung der Hochschulen in Lehre, Forschung, Nachwuchsför‐ derung, Wissenstransfer, regionaler Entwicklung, internationalem Wettbewerb etc. und das  hieraus resultierende „Zielwirrwarr“ (Schimank 2001) nur durch funktionale Arbeitsteilun‐ gen  und  daraus  resultierenden  Profilbildungen  zu  bewältigen  ist.  Schließlich  spielen  auch  finanzpolitische Erwägungen eine Rolle, da in Zeiten knapper Kassen der öffentlichen Hand  eine flächendeckende Finanzierung aller Bereiche in allen Hochschulen nicht zu gewährleis‐ ten sei.  Die  Lockerung  rechtlicher  Rahmensetzungen,  die  Umstellung  kameralistischer  Finan‐ zierung  auf  Globalhaushalte,  die  Umverteilung  staatlicher  Mittel  von  der  Grundfinanzie‐ rung  hin  zu  mehr  Wettbewerb  um  Projekte  und  Programme,  die  Stärkung  der  Rolle  von 

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Jürgen Enders 

Hochschulleitung  und  ‐management  sind  besonders  sichtbare  Maßnahmen,  durch  die  von  staatlicher  Seite  die  Voraussetzungen  geschaffen  werden  sollten,  um  solche  Autonomisie‐ rungs‐  und  Differenzierungsprozesse  zu  ermöglichen.  Zahlreiche  Hochschulkonzepte  in  den verschiedenen Bundesländern treffen heute Aussagen zu Profilbildungsprozessen und  auch die Bundesregierung setzt auf die Profilbildung der Hochschulen. Wiederum sind also  staatliche Steuerung und Finanzierung für die Gestaltung der institutionellen Ordnung des  deutschen Hochschulsystems von zentraler Bedeutung. Dieses Mal sollen allerdings Prozes‐ se der Differenzierung und Profilbildung unterstützt werden, die an vielen Hochschulen in  der Tat auch zu beobachten sind.  Für ein Profil ist charakteristisch, dass die Hochschule besondere Merkmale − fachliche  Stärken und spezifische Potenziale – hervorhebt und entwickelt, die besonders wichtig für  ihre Leistung sind. Die unterschiedlichen Profile können sich in der Lehre, der Forschung,  dem  Wissens‐  und  Technologietransfer,  den  internationalen  Hochschulbeziehungen,  der  Ausbildung  des  wissenschaftlichen  Nachwuchses  und  auch  in  Hochschulorganisation  und  im ‐management zeigen. Die Grundlagen für ein spezifisches Profil bilden in der Regel aber  Prioritätensetzungen  für  Forschungsschwerpunkte  und  spezifische  Lehrangebote.  Die  Ent‐ scheidung  für  ein  bestimmtes  Profil  hat  dabei  möglicherweise  weitreichende  hochschulin‐ terne Auswirkungen. Durch Prioritätensetzung wird nicht mehr die möglichst konfliktfreie  interne Verteilung der Mittel gefördert, sondern die profilstärkende strategische Steuerung  mit  Betonung  von  zentralen  und  weniger  zentralen  Disziplinen,  Fakultäten  oder  For‐ schungsbereichen.  Um  Prozesse  der  Schwerpunktbildung  innerhalb  der  Hochschulen  zu  unterstützen,  werden in vielen Ländern gezielt hochschulübergreifende Verbünde − sowohl von Universi‐ täten oder Fachhochschulen untereinander als auch zwischen Universitäten und Fachhoch‐ schulen und/oder außeruniversitären Forschungseinrichtungen − gefördert und in manchen  Ländern Hochschulen fusioniert (siehe Beitrag von Hans‐Willy Hohn in diesem Band). Eini‐ ge Hochschulen haben sich zu Benchmarking‐Clubs zusammengeschlossen oder sind inter‐ nationalen  Konsortien  von  Hochschulen  beigetreten.  Als  Folge  der  Profilbildung  gehen  Hochschulen also mit unterschiedlichen oder sich ergänzenden Profilen verstärkt Koopera‐ tionen  auf  verschiedensten  Ebenen  ein.  Solche  Verbünde  haben  in  zunehmendem  Maße  auch Einfluss auf die organisatorische Binnendifferenzierung der Universitäten.  „Die neue Freiheit der Hochschulen“ (Brinckmann 1998) ist aber keineswegs grenzen‐ los.  Die  Bindung  der  Haushaltsmittel  an  den  Hochschulen  schränkt  die  finanziellen  Spiel‐ räume  der  Unterstützung  von  Schwerpunktbildungen  deutlich  ein.  Staatliche  Instanzen  steuern  durch  Profil‐,  Ziel‐  und  Leistungsvereinbarungen  mit  den  Hochschulen  sowie  die  Einführung von Evaluationen und Akkreditierungen kräftig mit, wenn es um Profilbildung  geht. Interne Umverteilungen führen zu erheblichen Konflikten und Gegenbewegungen der  Besitzstandswahrung  innerhalb  der  Hochschulen  selbst.  Schließlich  sind  die  Kosten  der  Positionierung  der  Hochschulen  auf  staatlich  induzierten  Quasi‐Märkten  um  output‐ gesteuerte  Grundfinanzierungen,  wettbewerblich  vergebene  Forschungsmittel  und  Prog‐ rammtöpfe aller Art nicht zu unterschätzen. Offen ist derzeit denn auch,  welches Ausmaß  an  Profilbildung  tatsächlich  erreicht  werden  kann,  und  wie  viel  Differenzierung  wün‐ schenswert  ist.  Ob  Autonomie,  Profilbildung  und  Wettbewerb,  wie  vielfach  vermutet,  in  jedem  Fall  zu  größerer  Vielfalt  führen,  ist  aus  organisationstheoretischer  Perspektive  bez‐

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weifelt  worden  (Krücken  2004;  Schimank  2001).  Der  Wissenschaftsrat  stellte  unlängst  fest,  dass  sich  Hochschulen  gerade  unter  hohem  Wettbewerbsdruck  risikoavers  verhalten  kön‐ nen, „und eine Form der Risikoaversion ist, andere Organisationen, die man für erfolgreich  hält,  zu  imitieren.  Wenn  mehr  Differenzierung  gewünscht  ist,  genügt  es  demnach  nicht,  wettbewerbliche  Elemente  zu  stärken;  Wettbewerb  im  Hochschulwesen  muss  auch  unter  geeigneten  Rahmenbedingungen  und  nach  Regeln  stattfinden,  die  die  gesellschaftlichen  Kontextbedingungen berücksichtigen“ (Wissenschaftsrat 2006: 19).  Unlängst  hat  jedoch  die  Wünschbarkeit  einer  stärkeren  vertikalen  Differenzierung  in‐ nerhalb des forschungsintensiven Bereichs des Hochschulsystems und damit einer Imitation  der  Besten  einen  deutlichen  Schub  durch  die  Exzellenzinitiative  von  Bund  und  Ländern  erhalten. Beschlossen wurde die Bewilligung von insgesamt 1,9 Milliarden Euro  Förderge‐ ldern (75 Prozent davon vom Bund und 25 Prozent vom jeweiligen Sitzland der geförderten  Einrichtung) für den Zeitraum von 2006 bis 2011 zur Finanzierung von ca. 40 Graduierten‐ schulen, ca. 30 Exzellenzclustern sowie bis zu zehn Zukunftskonzepten zum projektbezoge‐ nen  Ausbau  der  universitären  Spitzenforschung.  Verschiedene  ausländische  Rankings  na‐ tionaler Hochschulsysteme und insbesondere Rankings der weltweit in der Forschung füh‐ renden  Universitäten  haben  dabei  erheblich  mit  dazu  beigetragen,  Fragen  der  Differenzie‐ rung  des  Hochschulsystems  nicht  mehr  allein  als  nationalstaatliche  Angelegenheit  zu  be‐ greifen, sondern als globalen Wettbewerb um Qualität und Sichtbarkeit. Solche Rankings –  wie das Times Higher Education Ranking oder das Shanghai Ranking – sind aus methodi‐ scher Sicht zwar erheblicher Kritik ausgesetzt, haben aber eine enorme politische Aufmerk‐ samkeit gefunden.   Nachdem  in den  1980er  und  1990ger  Jahren  relativ  wenig getan  worden  war,  um  die  Auswirkungen  der  Massenuniversität  auf  die  Forschung  zumindest  zu  kompensieren,  ist  mit  der  Exzellenzinitiative  eine  beachtliche  hochschul‐  und  wissenschaftspolitische  Kehr‐ twende  der  Selektion  und  Förderung  der  Spitzenforschung  an  den  Universitäten  eingetre‐ ten.  Betrachtet  man  die  hierfür  bereit  gestellten  Mittel  und  vergleicht  sie  mit  den  Etats  weltweit  führender  Universitäten,  dann    handelt  es  sich  zwar  um  einen  vergleichsweise  bescheidenen Schritt. Für das deutsche System, in dem die vertikale Differenzierung inner‐ halb des forschungsintensiven Hochschulbereichs traditionell besonders gering gewesen ist,  bedeutet  die  Exzellenzinitiative  jedoch  einen  beachtlichen  Paradigmenwechsel.  So  hat  die  Exzellenzinitiative eine bisher unbekannte Debatte innerhalb der Universitäten um die Pro‐ filbildung in der Forschung und die strategische Positionierung im Wettbewerb um Exzel‐ lenz  freigesetzt.  Zweifellos  nimmt  mit  wachsender  Bedeutung  von  vertikaler  Differenzie‐ rung,  die  nicht  durch  Abgrenzungen  von  Hochschularten  (Universitäten  und  Fachhoch‐ schulen) und von Ebenen der Studienabschlüsse (Bachelor, Master, Promotion) formal sich‐ tbar  ist,  die  informelle  Herausbildung  von  Profilen  in  einem  stärker  stratifizierten  Hoch‐ schulsystem zu. Einen wichtigen Impuls hat die Exzellenzinitiative ebenfalls für die stärkere  strategische  Nutzung  und  Institutionalisierung  der  Zusammenarbeit  zwischen  Universitä‐ ten und außeruniversitären öffentlichen Forschungseinrichtungen und damit für die Über‐ windung der vielfach beklagten Versäulung des deutschen Wissenschaftssystems gegeben.  Umstritten ist dagegen, wie Exzellenz eigentlich gemessen bzw. bewertet werden kann, ob  mit der Exzellenzinitiative wirklich die in der Forschung führenden Bereiche und Universi‐ täten ausgewählt wurden (Münch 2006, 2007) und ob die begrenzten Mittel nicht notwendi‐

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gerweise  zu  einer  Enttäuschung  hochgesteckter  Ziele  führen  müssen.  Die  DFG  und  der  Wissenschaftsrat  gehen  jedenfalls  davon  aus,  dass  „dieses  Programm  entscheidend  dazu  beitragen wird, die internationale Sichtbarkeit deutscher Universitäten deutlich zu erhöhen“  (DFG  2007)  und  dass  die  Förderung  bereits  Wirkung  zeigt:  „Der  Wissenschaftsstandort  Deutschland wird im Inland wie im Ausland sehr viel stärker wahrgenommen“ (DFG 2008).  Sondermann et al. (2008) haben kürzlich vorgeschlagen, das Times Higher Education Ran‐ king  als  eine  Art  fachunspezifische  Sichtbarkeitsmessung  für  ganze  Hochschulen  zu  nutzen,  um – wohl wissend um deren methodische Defizite – mögliche kurzfristige Effekte der Ex‐ zellenzinitiative in der globalen Aufmerksamkeit zu erfassen. Danach „ergeben sich derzeit  noch keine Indizien dafür, dass die dritte Förderlinie der Exzellenzinitiative, die in besonde‐ rem Maße die internationale Sichtbarkeit der geförderten Einrichtungen voranbringen soll,  bereits messbare Effekte hervorgerufen hat“ (Sondermann et al. 2008: 113).  So bleibt abzuwarten, welche mittelfristigen Wirkungen die Exzellenzinitiative auf die  Leistungsfähigkeit und internationale Reputation der geförderten Universitäten haben wird.  Unklar  ist  zudem  noch,  ob  und  in  welcher  Form  sie  eine  Fortsetzung  erfahren  wird,  und  welche Auswirkungen eine stärkere vertikale Differenzierung der deutschen Universitäten  entlang  der  Spitzenforschung  auf  die  Leistungsfähigkeit  und  institutionelle  Ordnung  des  Gesamtsystems haben wird.     

Ausblick    Die institutionelle Landschaft des Hochschulsystems in Deutschland ist in Bewegung gera‐ ten. Lange Zeit dominierten relativ feste und stabile Zuschreibungen der Rollen und Aufga‐ ben von Universitäten einerseits und Fachhochschulen andererseits. Die Universitäten soll‐ ten in ihrem Kern wissenschaftsbasierte Lehre und grundlagenorientierte Forschung sowie  die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses betreiben, während die Fachhochschu‐ len sich auf die stärker praxisbezogene Lehre und eine deutlich anwendungsbezogene For‐ schung allenfalls als Zusatz konzentrieren sollten. Gleichzeitig wurde in der hochschulpoli‐ tischen  Praxis  unterstellt,  dass  die  jeweiligen  Profile  und  Leistungen  von  Universitäten  einerseits und Fachhochschulen andererseits gleichwertig seien.  Diese  wirkungsmächtige  Akteursfiktion  einer  weitgehend  stabilen  Arbeitsteilung  in‐ nerhalb  eines  binären  Hochschulsystems  bei  gleichzeitiger  geringer  Binnendifferenzierung  innerhalb der beiden Teilsysteme lässt sich heute nicht mehr halten. Das Streben der Fach‐ hochschulen,  sich  auch  in  der  Forschung  zu  profilieren,  hat  zunehmende  politische  Aner‐ kennung und Unterstützung erfahren. Die Universitäten haben im Gegenzug zunehmende  Anstrengungen  unternommen,  die  Praxisorientierung  ihrer  Studiengänge  zu  verstärken.  Die Umsetzung des Bologna‐Prozesses und die Exzellenzinitiative haben besonders deutlich  zu  einem  Paradigmenwechsel  in  der  Gestaltung  der  institutionellen  Ordnung  des  Hoch‐ schulsystems  beigetragen.  Die  Profilbildung  einzelner  Universitäten  und  Fachhochschulen  tragen ebenso zu einer – jedenfalls für deutsche Verhältnisse – bisher unbekannten Unord‐ nung bei, wie zunehmende Kooperationen zwischen Universitäten und Fachhochschulen in  der Lehre sowie vermehrte Kooperationen mit den außeruniversitären Einrichtungen in der  Forschung.  

Hochschulen und Fachhochschulen 

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Diese  neue  Unübersichtlichkeit  geht  mit  durchaus  widerstreitenden  Anforderungen  und hochschulpolitischen Trends einher, die keineswegs ein einheitliches Bild der zukünfti‐ gen  institutionellen  Ordnung  des  Hochschulsystems  ergeben.  Jede  Prognose  der  weiteren  Entwicklung wird hierdurch eher schwieriger als leichter.   Man kann sich zum Beispiel durchaus vorstellen, dass es sowohl unter den Universitä‐ ten  wie  auch  unter  den  Fachhochschulen  dauerhaft  Gewinner  und  Verlierer  geben  wird,  dass  einige  Einrichtungen  schlicht  verschwinden,  in  neuen  Zusammenschlüssen  aufgehen  oder den Sprung in eine andere Liga schaffen. Keine Überraschung ist auch, wenn die Fach‐ hochschulen sehr viel stärker ausgebaut werden, um die Universitäten oder einen Teil von  ihnen  für  die  Forschung  zu  entlasten.  Innerhalb  einer  formalisierten  binären  Struktur  wir  sich  dann  eine  praktisch  viel  bedeutendere  vielschichtige  horizontale  und  vertikale  Diffe‐ renzierung etabliert mit der die Zweiteilung in Universitäten und Fachhochschulen faktisch  obsolet wird. Vorstellbar ist aber auch, dass die binäre Zweiteilung des Hochschulsystems  formal  abgeschafft  wird,  in der  Praxis  aber  erhalten  bleibt.  Es ist  auch denkbar,  dass  jeder  Versuch  einer  horizontalen  Profilbildung  durch  die  überwältigende  Anziehungskraft  des  neuen  Leitbilds  der  weltweit  führenden  Forschungsuniversitäten  konterkariert  wird  und  das  Ringen  um  die  Mitgliedschaft  in  der  Champions  League  der  Universitäten  alle  anderen  Dynamiken überschattet.   In  jedem  Fall  wird  der  Bedarf  an  staatlichem  Monitoring  der  Entwicklung  und  Leis‐ tungsfähigkeit  des  Hochschulsystems  im  Zuge  der  Differenzierung  teilautonomer  Hoch‐ schulen  im  Wettbewerb  zunehmen.  Es  ist  keineswegs  gesagt,  dass  die  Summe  der  staatli‐ chen Regelungen und Programme in einem föderalen System sowie der strategischen Posi‐ tionierungen einzelner Hochschulen insgesamt ein leistungsfähiges Hochschulsystem erge‐ ben.  Für  die  Forschung  bedeutet  dies,  dass  sie  sich  stärker  als  in  der  Vergangenheit  der  Frage  stellen  muss,  ob  und  inwieweit  die  institutionelle Ordnung  eines  Hochschulsystems  denn überhaupt eine Determinante ihrer Performanz bildet.  Schließlich  stehen  einige  alte  und  neue  Themen  auf  der  aktuellen  politischen  Tages‐ ordnung, die für die weitere Entwicklung und Leistungsfähigkeit des deutschen Hochschul‐ systems  von  großer  Bedeutung  sind.    Zweifellos  hat  die  Exzellenzinitiative  die  Aufmerk‐ samkeit  für  die  Lage  der  Forschung  an  den  Hochschulen erhöht.  Unklar  ist  aber  nach  wie  vor, ob es im föderalen System gelingt, den politischen Willen zu mobilisieren, um die Un‐ terstützung für die Forschung an den Hochschulen flächendeckend und nachhaltig zu ver‐ bessern.  Manches  spricht  momentan  dafür,  dass  auch  zukünftig  einige  Leuchttürme  der  Forschung  besondere  Förderung  erhalten,  in  der  Fläche  aber  kaum  Verbesserungen  gelin‐ gen.  Der  Bologna‐Prozess  hat  eine  Fülle  von  Strukturreformen  in  der  Ausbildung  an  den  Universitäten  und  Fachhochschulen  angestoßen.  Unklar  ist  aber,  ob  diese  Strukturreform  unter  Bedingungen  permanenter  Überlast  bei  allem  guten  Willen  überhaupt  die  erhofften  substantiellen  Effekte  erzielen  kann,  und  ob  es  gelingt,  eine  zweite  Stufe  der  Reform  zu  implementieren, mit der sich Verbesserungen der Lehr‐ und Lernkultur an den Hochschu‐ len verbinden.      

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Hochschulen und Fachhochschulen 

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    Weitere verwendete Literatur    Hartmann,  Michael  (2006):  Die  Exzellenzinitiative  –  ein  Paradigmenwechsel  in  der  deutschen  Hoch‐ schulpolitik, In: Leviathan, Jg. 34, Heft 4, S. 447‐465  Hochschulrektorkonferenz  (HRK)  (1997).  Zur  Einführung  von  Bachelor‐  und  Masterstudiengängen/‐ abschlüssen,  Entschließung  des  183.  Plenums  der  Hochschulrektorenkonferenz,  November,  10.  Bonn: Hochschulrektorenkonferenz  Hornbostel, Stefan (2008): Exzellenz durch Differenzierung. In Kehm, Barbara M. (Hg.): Hochschule im  Wandel.  Die  Universität  als  Forschungsgegenstand.  Frankfurt  am  Main:  Campus  Verlag,  S.  253‐ 266.  Hornbostel,  Stefan/Simon,  Dagmar/Heise,  Saskia  (Hg.)  (2008):  Exzellente  Wissenschaft.  Das  Problem,  der Diskurs, das Programm und die Folgen. Bonn: iFQ‐Working Paper No.4.  Kehm, Barbara/Teichler, Ulrich (2006): Which direction for Bachelor and Master programmes? A stock‐ taking of the Bologna process. In: Tertiary Education and Management, 12, no. 4, S. 269–282.  Kultusministerkonferenz  (KMK)  (1996):  Bericht  zur  Realisierung  der  Hochschulstrukturreform.  Be‐ schluss vom 01.03.1996. Bonn: Kultusministerkonferenz.  Taylor, James S./Ferreira, José Brites/Machado, Maria de Lourdes/Santiage, Rui (2008): Non‐University  Higher Education in Europe. Dordrecht: Springer.  Walter,  Thomas  (2006):  Der  Bologna‐Prozess.  Ein  Wendepunkt  europäischer  Hochschulpolitik?  Wies‐ baden: VS Verlag.  Wissenschaftsrat (2000): Empfehlungen zur Einführung neuer Studienstrukturen und ‐abschlüsse (Bak‐ kalaureaus/Bachelor  –  Magister/Master)  in  Deutschland.  In:  Wissenschaftsrat  (Hg.):  Beschäfti‐ gungssystem – Hochschulausbildung – Studienreform: Stellungnahme und Empfehlungen. Köln:  Wissenschaftsrat, S. 99–150. 

     

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Jürgen Enders 

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