HISTORISCHES JAHRBUCH Im Auftrag der Görres-Gesellschaft herausgegeben von

Sonderdruck

110. Jahrgang Erster Halbband

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VERLAG KARL ALBER F R E I B U R G I M Ü N C H E N

INHALTSANGABE

Sizilien und das Rcich im ausgehenden 12. Jahrhundert. . . Von Privatdozent Dr. Tlieo Kölzer (Gießcn)

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3-22

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23-51

Geneaologisch-rerfassungsgcschichrliclie Problc~iic vornehmlicli im Deutschen Reicli des 10. und frühen 11. Tahrhundcrts. .. . .. .. . ... Von Prof. Dr. Wolfgang Metz (Speyer)

76-109

Johannes Haller und das Versolinungsmalil auf Canossa. Eine Korrektur. . . . . . . . .. . Von Prof. Dr. Tilman Srruve (Wuppcnal)

110-1 16

Hoffnungen der Mcnsclien in der Zeit der Pest. Von Prof. Dr. Joacliim Wollasch (Münster)

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BEITRÄGE U N D B E R I C H T E

Geschichtskundc und Geographie. Berührun.spunkre .. . zum 18. Jahrhundert. Von Prof. Dr. Ura Lindgren (Bayrcuth) BUCHBESPRECHUNGEN

vom 1 6

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129-286

Besprochene Bücher: Abineiei K., D e i Trierer Kurfürst Pli.Ch.v.Sötern U. der Wcstfälische Friede 219 f - Anron H . H., Trier 143 - Ascl~offH.-G., Welfisclie Bewegung 247 f - Auiiand F., Charles VI. 180 ff - d'Aviny D. L., Picaching of ihe Friais 177 f - Backs S., Dialektisches Denken 243 - Bade K.J., Hg., Populncion 241 - Bnidwin J.\V., The Government of Phiiip Augustus 174 f -Basrl B., Hg., Tagebucli dcs Ph.E. Fugger212 Baum W'., Sigrnund der Münzreiche 197 f - Becker H . u.a. Hg., Dic Universität Göiringen 268 f - Becker \V., Hg., Die Kapitulation von 1945 274 f - Berg D., England u. der Konrinenc 166 f - Beumaiin H., Die Oiionen 154 f - Beumann H./Schiöder W., Hg., Frühniirrelalreiliche Eihnogenese 145 f - Beumnnn H./Schröder W'., Hg., Die transalpinen Verbindungen 146 f - Bibiiograpbic Friedricii d.Gr., hg.v.H.u.E.Henning 281 f - Biograpliischcs Handbuch f.d. Preuß. Abgeordnerenhaus, bearb. V . B. Mann 282 f - Biographisclics Lexikon zur Weiniaier Republik, Iig.r.W.BenzlH. Graml 284 f - Black J., Hg., Briiish Forcign Policy 1660-1800 223 - Blackburil M., Hg., Angio-Salon Monetaq- Hisiory 172 ff - Blasrenbiei P., Die Sforza 201 - Bloch H., Monre Cassino 164 ff - Bödeker H.E. u.a. Hg., Aufklärung und Geschiclite 229 f Boeiiiclier M.v., Bearb., Urkundcnbucli Maiiengaitcn 191 - Boockmann H./Wcllenreutliei H., Hg., Gescliiclitswissenschait in Görringeii 133 f - Bonnaz Y., Cliioniques Asturiennes 151 - Boigolte M. u.a. Hg., Subsidia Sangnllensia I I52 f - Breviarium S. Lulli, hg. V. Th.Franke 150 f - Büsch O., Hg., I'riedrich \Viilielm iV. 243 ff - Bund K., Findbuch der Epiraphienbüchei U. Wappenbüclier 190 - Buiklinrdr J., Abschied vorn Religionskrieg 228 - Caibonetri Vendiielli C., Le piu aiiciclie caire di San Sisio in Roma 161 ff - Carlen L., Wailfalirr U. Rechi I30 f - Claussen P. C., Magisiri Docrissimi Romani 163 f - Dollingei H., Fiiedrich 11. von Prcußen 223 f - Eggcnberger CI,., Pralteriurn aureuni S.Galli 133 f - Elnbach M., Das Luilierbild G.Herders 231 - Erkens F.-R., Der Erzbischof von Köln U. die di. Könimwahi 175 f - Fnik A./Hammel R.. Ar:I?? . ' ;.~:>, ". ,.'>V : w < itt ~I t ~ : > . , . k >,,:: . l ' ~ ~ ~ ~ ~ ; l t i . .I I : I I I i . r l I ' . I: .>ii. \ \ r i . . : i i r i. 1'1.i?Zu 1 - ! 3u.t .\..\C\>;. . . i i L ? i > : l c . : , . . ~ I) \ I , 1 . 3 l\,~r..,d.,! ~ > C l>:r.\l!, i,.,\\,.:. I h : : 212 ff - Ferrari f . ~ . Leiiere , e documenti inediti 261 f - Fieiiz Xi., ~ a ~ s t u r k u n d e ß 280 f - Fiiediicli M., Stellung der dr.evangelischen Theologie zuni Judentum irn 17. Jli. iii i i c..rr~i:.-i T: U - n:.. r t.;."~ ...... r i. r.,.~.i..i..nl i r:..~... T> TL.. '

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VONJOACHIM WOLLASCH 1949 hat Hugo Friedrich, der Freiburger Romanist, in seinem Buch über Montaigne beschrieben, wie diesen unter dem Eindmck der Pestepidemie von 1585 >,dasSterben einfacher Menschen fesselt, diese Gefügigkeit vor einer Not, die ihnen, als das Allgültiggewordene, auch das Gleichgültige wird. '. Im 15.Jahrhundert, zu den Jahren 1462/1463 hielt in Augsburg der Chronist Burkard Zink fest: nwiewol viel leutfast krank waren und sturhen, so kümeret doch solchs wenig leut oder niemant: man tantzet, man hocl7zeitet und waren die leut frölich. wiewol doch ie vil k u t sturben, so gab niemant nichts darumb, dann w e m geschach, der ~nuest den schaden han. es wolt auch niemant den tod weder fliechen noch fürchten: esfloch niemant auß der stat, es ward niemant dester diemuetiger noch dester gotsförchtiger.e2 Ist also damals in Wirklichkeit weithin jegliche Hoffnung erloschen, sollte das Thema dieser Uberlegungen demnach verfehlt sein? Oder verfehlten hier Eindrücke von Moralisten ein Stück weit ihre Wirklichkeit? Folgt man der zitierten Aussage des Pestzeugen Burkhard Zink noch ein wenig, so wird offenbar, daß er seinen Bericht zu einem anderen Ende steigerte: >,nunstarb es ie lenger ie fester. . . und[ietz] erst ward den reichen legten grausen r~ndfluhensicher p r vil, d d man es wolprüefet ze kirchen und z u straß, es was üherai'arcetismo monasrico* verengi sicherlich die Funktion des Toiengedenkens in den Klöstern für die damalige Gesellschaft unuersräiidlich und erheblich.

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Joachim \K"ollascli

solche nämlich, hinter denen ein Autor, wie Tenenti deutete, ein genauer Dolmetsch der kollektiven Empfindlichkeit standJ3. So wurden ihm Heinrich Seuse, Francesco Petrarca, Coluccio Salutati zu Hauptzeugen, leiteten ihn Humanismus und Renaissance, Totentanz, Ars moriendi und Tenenti die das Makabre in den Mittelpunkt rückende Grabmalk~nst'~. überprüfte sein Bild nicht an nicht literarischen, nicht künstlerischen Zeugnissen, an den ungezählten Testamenten, an der Uberlieferung der Bruderschaften, an liturgischen und paraliturgischen Quellen, obwohl er sie selbst für nicht wenigerwichtig hielt''. So konnte für ihn gar nicht erst die Frage entstehen, ob die bis zum Hochmittelalter weithin vom Mönchtum geschaffene und geprägte Gedenküberlieferung mit ihren Inhalten über das von ihm genannte Datum 1348 hinaus ein Nachleben und irgendwelchen Einfluß gehabt habe. Auch die von Tenenti selbst vorgenommene Beschränkung auf Frankreich und Italien, da seiner Ansicht nach,die ,>areagerrnanica.~eine Welt für sich darstelltei6, hinderte nicht die Ubernahme seines Bildes in der Forschung - in einer Forschung, die gelernt hat, die Pest mit anderen Katastrophen, Naturereionissen und Krisenerscheinungen des 14. Jahrhunderts zu~ammenzusehe$~. Angesichts dieser urteilte Borst: >>Erstdie generelle Bedrohung der Zukunft rief vielerlei Abwehrkräfte wach. Sie widersetzten sich nicht dem Schö fergott, aber dem vorherrschenden Glauben, daß gegen die Schwäs die Ausrichtung der Hoffnungen che &r ~inrichtungenim ~ i e s s e i t bloß auf das Jenseits helfe. i i1357dte Tiniiihsunr cincs ~ll~.ilirli:lirnBitti,s~zer,i.,n mit Armenspeisung und -kleidung, die Jacoh ~ k i n g e von r ~hnigshofen U

" Ebd. 16. ''

Sein voileizies Kapirel, über Moniaigne, leidei darunter, daß T c n c n t i das Buch H . Friedrichs (wie Anm. 1) nicht benuizre. Alois M. H n a s , Todesbilder im Mirielalter Fakten und Hinweise in der deutschen Literatur (Daimstadt 1989) widmei das lerzre, kurze seiner neun Kapirel der i,Todesdrasiik im Spärmirrelalrer- und nirnmr 174 mach dem religiösen Aufschwung der deutschen Mystik in der eisren Hälfie des 14.Jahrhunderts - in Deutschland, was den Tod berriffr, eine neue Menialiiärr an. Ebd. 16. '"Ebd. 15. Orto Geihard O e s l e , Die Gegcnwair der Toren, in: Dearli in die niiddle agcs (X-ie Anm.7) 19-77, bes. 68, und Aiiio Borsr, Das Erdbeben von 1348, in:deis., Barbaren, Ketzer und Artisren. Welren des Mirrciaiiers (München-Züiicli 1988) 528-563. B o i s i (wie Anm. 17)554. 'IEbd. 544.

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Hoffnungen der Menschen in der Zeit der Pest

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in seiner Chronik abschrieb2'. In seiner eindrucksvollen und nachdenklich stimmenden Skizze >,Dreimittelalterliche Sterbefälle>Mortalitätskrisendes SpätmittelaltersdieMemoria, die sie (SC.die Menschen im 14. Jahrhundert) ihren Toten schuldeten>dieZusammenhänge zwischen Mortalitätskrisen, Religiosität und bestimmten Formen des Sozialverhaitens im Alltag dieser Zeit:C?

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P': . \\', L , !. , ~. . ,.I,..4!:.:,. .:I,, ' D; chronfh des ~ a r l i i a ;von ' j e u k b u r g (wie Anm. 59) cap. 115.264: Er nemntiri. discheii Kanzlers Nicolas Roiin sein, dic acucidings Hcrmann K a m p in seiGer Münsierer Disseriniion uniersuclir. 79 C h i f f o l e a u in: Dcath in :he niiddle aces Anrn.7) 11s soiichr von einer . (wie . .. ... ~. ,.. . % : . C . . I I i ..\tw;!i.>~.:. l::~.ni:hlu~::, :... - 7 115 :.~..::?t. LI. .. ., . ... I.:.:i-:I -:ii:i-i..>r. I : : .: .... ..i :.:I: .:. . i .'I .. :. 1,. i i . I:.: ~ .SI. I:!:.i.i.!.I.iii.:.i: ...i?::, n.\i :li,.l,i.. :;.U . L , .' 2 : : . ;-:I ;L::: . ~ r zu Anni. 131 die Anpaben über die rcsrarncnrarischeii Zuweiidungen an die Bruderschafien in Fiorenz seii der eisrrn Pesimellc dort. Ahasver von Brand:, Regcszen der Lübecker Bürgenesizmcnce des Mitrelalrcrs, 2 Bde. (= Tieröffen:licliuiigen zur Gerchicb;e der Hansesradr Lübeck 18 U. 24, Liibeck 1964 U. 3973); dcrs., >'ii~ielaire:liche Bürgerreriarncnie. Neuerschlossene Quellen zur Gesciiichie der mareriellen und geisiipen Kuliur (= SB der Heidelbeqei Akademie der wiss., phii.-hist. K1.1973, j.Abh., Heidelberg 1973); Harirnuc B o o c k m a n n , Leben oiid Sierbcn in eincr rpicmittel~kerliciicnStadc. Über ein Göiringer Tesinnieni des 15. Jahrhunderts (Göttingen 1983); vgi. ncuerdiiigs Arnold L a s s o t t a , Formen der Armui im späten >fit:elaltei und zu Begiiin der Neuzeii. Unrersuchungen vornehmlich an Kölner Quellen dcs 14. bis 17.Jahihunderrs (Diss. phil. Freibuig i.Br 1984). Die herausragenden IWiencr

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Hoffnungen der Melischen in dci Zeic der Pest

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nungen von C. Germain-I'Auxerrois in Paris, aus denen der gesteigerte Wunsch nach Begräbnis in der Kirche hervorgingS1.Man hat auch schon hervorgehoben, daß von solcher gestiegener Stiftungstätigkeit die Versorgung von Armen erheblichen Nutzen zogs2. Auch wenn die steil nach oben weisende Kurve von Stiftungen kirchlicher Einrichtungen in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts nicht auf die Pest als einzige Ursache zurückgeführt zu werden braucht - sie konnte Antwort auch auf andere Krisen der Zeit seins' -, auf jeden Fall haben die Stifter und Stifterinnen, indem sie ihre Testamente verfaßten, aehandelt wie schon viele Generationen vor ihnen. Bei genauerer, vergleichender Beobachtung dieser Stiftungen aus der Pestzeit soll freilich die Frage nicht vergessen werden, ob sich diese Stiftungen von früheren unterschieden, und wenn ja, worin. Philippe Aries hatte ja in seiner ;.>Histoirede la morte zwischen der Sorge um la mort de soi, den eigenen Tod, und um la mort de toi, den Tod des anderen, unterschieden Vom Spätmittelalter hatte er behauptet, damals

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Tesramenrsbüclier von 1395 bis 1430 sind als Edirion für 1989 niigekündigi: Wilhelni B r a u n e d e r ii. Geihard J a r i t z , Die Wicnei Siadibüclier 1395-1430, Bd. 1: 1395-1400 (= Fonres rcmm Auriiiscaium, 3 . Abi. Fontei Iuiis, Bd. 10, Wien 1989). Michel >loIlar, Notei rui ia monalir6 iParis au iemps de la Perre Noiie d'aprts lcs compres de l'muvic de Saini-Germaiii-i'Auxerrois: Le Moyen Agc 69 (1963) 505-527. Vgl. erwaRobcrt B o u r i u c h e , Aux oiigines d'uiieciisenobiliaiie: Donarioospieiiscs ei praiiques successoraies en Boidelais du XIIIe au X\'IE sieclc: Annaler d'Hisroire Sociale 1 (1939) 161-177, 257-273, bes. 166: ~Jamaisles pauvies nc sonr oublies, ni les malades des höpitaua.. .*; B u l s t (wie Anm. 10)6j. V$. z.B. Jacques C h i i f o l e a u , Lacornptabiliti de I'au-dela. Les hommes, ia morr ec la religion dans Ja iegion 8Avignon iInfin du moyen-äge (= Coilcction dc I'Ecoie Fran~aise de Rome 47, Rom 1980) 267ff., übcr das Aiiwachsen der Bruderschaften mir der Feststellung (273): sEntre 1350 er 1423 ler confreries fonc doiic viriiablemeni iriiipiion dans la vic relieieuie.. Wichrie" sind " eleichzcirie" iin Blick auf die Tesranienie als Ouellen seine zur " Vorsicht vor Folgemngcn für demographische Angaben mahnenden Beobachtungen und Bemcrkunen bes. 82; NoCl C o u l e r , Le mouvenicnt confiatcincl en Proi.cnce er dans le Comiai Veiiaisrin au rnoyen-age, in: Le mouvemeni conf:aiernel au moyen-ige. Fiance, Iralie, Suisse (= Collecrioa de I'Ecoie Fran~aisede Rome 97, Rom 1987) 96 warnt in) AnschluR an Chiffoleau vor rorciligei Behauprung ciner ~,coirilaciondirecree zaischen dem großen Sterben und dem gicichzeiiig beschleunigten Anwachsen von Bruderschafrsgründungcn. Vpl. auch Andre Vaucliez, Les confriiies au moycn-äge: esquirre d'un bilan hi~roriographi~uc: R e n e Hisrorique 275 (1996) 467-477, bes. 471, der in anderer Akzenruierung als Chiffoleau als Haupigründe für den Neuaufschn-ung der Bmdcischafren in, 14.Jh. nichi Epidemien, hochgeschnellrc Sicrbequoien, Generaiionsweciirel~iör~ngen, Angst vor einsamem Tod und Veigcssenwerden, Nachlassen der Familienbande sieht. Siehe U. Anm. 127. Philippe A r i e s , L'homme dcvani la mori (Paris 1977). Deuaieme pairie: La morr dc soi, Quatritrnc pariie: La mori de ioi. Als Einleituns zu diesem Buch betrachrcre er seine Essais rur i'hisroire de la morr cn Occidenr (Paris 1975).

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sei es um sich selbst gegangen, darum, für sich allein die Hand Gottes zu erzwingen, sich sein Heil durch eine Ka italisierung t o n Gebeten und guten Werken zu sichern, durch die ~ün%enablässe.1m.18. und 19. Jahrhundert dagegen sei die Fürbitte mehr und mehr für die anderen geleistet wordenS5.Dazu gesellt sich der Vorwurf von Soziologen des 20. Jahrhunderts, im Mittelalter habe man sich nicht so sehr um die Armen, vielmehr egoistisch-solipsistisch um das eigene Seelenheil gekümmertgG.Weil Stiftungen für das Totengedenken nicht allein zur Erlangung des ei,oenen Seelenheils, sondern auch desjenigen Verwandter und anderer Personen vorgenommen wurden, Verbrüderte die Leistungen des Totengedenkens einander gegenseitig zusicherten, erscheint die Unterscheidung von mort de soi und mort de toi im Blick auf das Mittelalter unangemessen. Und da man sich Christusnachfolge ohne Armensorge nicht vorstellen konnte und daher stellvertretend für Verstorbene, die es nicht mehr tun konnten, U:.,\ .:I>>.i:1:11 Scclen~:~:!n>:.i> >::;I r+,.~,.\r~r.cn,p.i?;~r. :&!\ ie\:cn J . I I . n1 bci::i I)i-ciiii~ri~i.::.lLiiXcii iin! i i i "n " den Anniversartagen, vornahm, reißt der moderne Vorwurf, was in1 Mittelalter zusammengehört hat, auseinander. Neu war es, daß sich seit der Mitte des 14. Jahrhunderts die Seelgerätstiftungen häuften, bei denen Tausende von Messen, j,a sogar zwischen 10 und 50000 Messen verfügt wurden, die von zahlreichen Priestern und Priesterkapiteln, an verschiedenen Orten gleichzeitio und über Jahre hinweg nach dem Tod des Stifters zu zelebrieren waren P-'. In der französigesprochengs. schen Forschung hat man von einer npiire flan~bo~antee Dies erinnert an gleichzeitige Formen der Spät-otik. Ob die Formulierung vom »"saue obsessionnel de la messe,sambtallen glexbigen Selenverstanden wissen wollen. Wie bewußt diese Anschauungen erlebt wurden, mag man daran ermessen, daß sie geäußert und aufgeschrieben wurden, während die Reformation an der Familie nicht einfach vorbeiging und der Rat der Stadt den Sinn der Stiftungen bald drastisch in Frage stellte. Viele Stiftungen freilich bleiben, soll ein Bild von der tatsächlichen Vielfalt damaligen menschlichen Hoffens zustande kommen, noch zu ~ntersuchen"~.Und ungezählte Bürgertestamente liegen noch als unge-

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Ebd. 35. Ebd. 38, vgl. auch bes. 50 55.

Ebd. 45 mir Abb. 55. Ebd. Sieheo. Anm. 111.

Hoffnun%cnder Mensclien iii der Zeir der Pest

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hohene Schätze in den Archiven der europäischen Länderu4. Aber wenn es um Hoffnungen der Menschen in der Pestzeit geht, dann darf man an einem Feld nicht vorübergehen, das nach dem bahnbrechenden Bucli Gilies Gerard Meerssemans, Ordo fraternitatis'", gerade in letzter Zeit mehr und mehr beackert worden ist, ohne schon erschlossen worden zu sein: am Feld der Bruder~chaften"~. Nun hat zwar Andre Vauchez eben erst gescliriehen, für die in1 14. Jahrhundert entstandenen Bruderschaften seien die Hauptgründe nicht in Epidemien, hochgeschnellten Sterbequoten, Generationswechselstörungen, Angst vor einsamem Tod und Vergessenwerden oder im Nachgeben der Familienbande zu suchen, sondern: nies confreries constituent dans les annees 1300-1500 un instrument d'integration i la vie civile et un mo .en d'acces a la respectabilite sociale des individus ou des gmu es*'" Es sind aber gerade im 14. Jahrhundert die Bruderscliaften wie ! i e ~ i l z eaus dem Boden gewachsen, so daß man von einer rrenaissance du mouvement confraternel au XIVe s i & ~ l e « ' ~ % ~ r e c hkonnte. en Vor allem fallt auf, daß die neue Blüte der Bruderschaften besonders ausgeprägt in Landschaften und an Orten begegnet, die schlimmer als andere von der Pest betroffen waren, so etwa in Avignon, ini Comtat Venaissin, in Aix-en-Provence, Mar~eille'~?Trotzdem hat man dort einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen den Zeiten besonders hoher Sterblichkeit und der Beschleunigung der Bruderschaftsbewegung ahzeieiint. weil eine exakte Gleichzeitiekeit beider Erscheinungen " " niclit festzusrelien sei "O. Für Florenz, von dem man weiß, wie dort die Pest wütete, ist ausgerechnet worden, dai3 dort vor 1200 zwei Bruderschaften. 1250 sechs, anfangs des 14. Jahrhunderts 22 Bruderschaften gegründet wurden; 30 wurden zu 1325 festgestellt, 38 zu l350,42 zu 1375,52 zu 1400. Und im Contado waren 1320 53 Bruderschaften zu verzeichnen, arn Ende des

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Dieiiich P o c c k gelii z.Zr. in eiiieiii DFG-seföidcnen Piojckr mir Hilfe des \'erglciclis von Tcsiniiieiiien lind Anniuersarbüchern in, Bereich der Hansesiadre dcni Zosamiiienhaiis roii Toren- und Armensorge in deisp~rrnirtelairerlichcnSradr nach. "I Gilics Ger-id Meei-sseman, Ordo fvaternitaris. Confrateinire picti dci laici nel incdioevo (= Iralia szciz 24-26, Rom 1977). "6 Vgl. die Lirciatuiangaben zu Rudolf \Veigand, Bmderscliaften J U . 5, in: Lexikon des Mittelalters I1 (München - Zürich 1985) i l i f . ; zuieizr Joncliini V o i l a s c h , Come>-er Bmdciscliafren ini hohen Mirtelalter, in: Der Liber riiae der Abiei Conc>-, iI.Sriidieii, lirsg. von Kzrl Schrnid iind Joachim Woilnsch (Wiesbaden 1989) 107-123. Vaiichez liu-ieAnm.S3)471. ""oulei (wie Anm.S3)99f. C o e l e r (vic Anrn.ipj), bcs. jedoch nocli immer: P. Paiisiei, Les Coiifriiies c?Avignoii au XiVEsiecle:Annales d'Avignoii er du Corntar Vcnairsin 20 (1931) 5-43. 'j3 \VieAnrn.Sj.

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Joachim \Xbllascli

14. Jahrhunderts 180, fast das Vierfache der Bruderschaften in der Stadt Florenz 13'. Cliarles M. de la Ronciere konnte außerdem in der Beobachtung der berühmtesten Florentiner Bruderschaft, O r San Michele, nachweisen, daß speziell während der Pest diese Bruderscllaft durch überreiche testamentarische Zuwendungen für ihre Armensorge ausgestattet . sehr er für wurdei3', er sprach von nder Explosion von 1 3 4 8 ~ ' ~ 'So Florenz das Zusammenfallen von Pest und Aufschwung der Bruderschaften heraushob, nde maniere spectaculaire~'j4, s o kennzeiclinete er doch zugleich die Bruderschaften als überempfindliche Resonanzböden nicht allein für Todesangst und Hinwendung zum Beten, sondern auch für langfristige Wandlungen im alltäplichen Leben, für die Stellung der Familie in der Gesellschaft, für Staatstheorie und Aufstieg des Humanismus, die Umwandlung des sozialen Gefüges in der Stadt usw. Tatsächlich wird man die stürmische Aufwärtsentwicklung der unter: schiedlichsten Bruderschaften im 14. Jahrhundert nicht einfach auf die Pest z~irückführen.Selbstverständlich werden alle Krisenpunkte jener Zeit im Blick zu behalten sein'j6. Und wie könnte man vergessen, wie Renaissance und Humanismus die Zeit nach der Pest zu prägen begannen, wie iin 15. Jahrhundert - Horst Fuhrmann hat unter Berufung auf Jan Huiziuga daran erinnert, daß *Feste von barbarischer Piunkhaftigkeita init dem nBewußtsein der Hinf'alligkeitrerbätiden, sogar bei Rzndgnippen bczeugr sind.,< Ders., Randgruppen der srädiischen Gcsellscliafi iiii Spirmirielnlicr: Zeirsclirifi für hisroiischc Forschung S (19Sl) 335-437, liicr 430: .Dagegen oi~anisieriensicli Raiidsrändice selbsr öfter in der universalen Forni der rnittciaireiliclien Gemeinscliaftsbildun:en, in ieliciösen Bnideischafren.,~ 'il Horst Fuiiirnann. Einladun~ins\.iirrelaliei(M(inchen 19S7)24S.

Hoffnungen der Meiischcn in der Zeit der Pest

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auch schrieb, bei aller Verscliiedetiheit von Bruderscliaftstype~ltiacli 1300 sei das gängigste Modell, besonders nördlich der Alpen, die ;.>confrerie funiraire; dcs 1C. uii:>I . :rll:..I.iI. l l i e i l . I,, - i i : . . , i.:,I.i.-.< . r j . ' . ~ : :.,I r . !\:I::II . . ~ , , , ! \ \ \ .. . ,.I.:,:',T. . . .... :. ,:?...\.I. ,..,:- 1 I), .I: , .:.: J,. !$..L,. ,.:~?,-.,:v, .,I% ' . i I ,i...i.. ., .. . . .. -.. !\ . ~ ~ r i : , i : i i : . . . . : ! J . i i i . i , i i 1.::. .-.li,i .i. h:i:ia . r i . c < 1 Thieme .. (wie Anm. 143) nichr in seine Berrachrung mir einbezogen. '""'dnlrici Zasii.. . Episiolae (w-ie Anm. 145) 372: -Fntigamui templa et arar, iirpplica:ionibia, liianiii, officiis deiwnplacarcpcrgimar.. 14; Ebd.: ,~.!'arniceisen mdniperpcriram celebrari ita fronte, oreqze obdilno incediturEbd.: :sPeplaae er mntranae incedi~nr,etpnellikze, obdirnirin fronrempilcir, indvi~iii collipend~ii!liioiroi videni ingrcdi. . . Hic Limymae, illic lamentaiionc~,eiirlatzi alibi, alibi nirerimoniae. ";lbil es:. oimd nlrrr mihi oiaseai. nizam nnod totam video ciiritate>nobiloiopbem. Foei, ct domi, in ompitii, in ri~breiliii,prii,Clement(i)a- quia Vnkrut verdirbt nit - conualuit, deo laus. Timuimus et Kathari~amkculutam, sed sanguinis minutio luem d ~ p i i l i t ' ~Clementia, '. da ja Unkraut nicht verdirbt, ist wieder gesund geworden. Gottlob! Auch um Katharina, die es niedergeworfen hatte, haben wir gebangt, aber der Aderlaß hat die Seuche vertrieben.Datierungshorizonteinerist im großen Sterben von >4Scgeboren (die Welche Hoffnungen sagen 30 Jahre später schlicht >4S45