Erfahrungsbericht Brasilien-Santos

Hochschule für Technik Stuttgart (HfT) Förderer des Stipendiums: Knödler-Decker-Stiftung Student: Holger Knapp Matrikelnummer: 254640 Studiengang: Infrastrukturmanagement E-Mail: [email protected] und [email protected] Gasthochschule: Universidade Santa Cecília,www.unisanta.br Praktikumsfirma: CET Santos,www.cetsantos.com.br Dauer des Auslandsaufenthalts: 2. September 2013 -31. Januar 2014

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Vorbereitungen: Sprachkenntnisse: Sich mit Englisch in Brasilien zu verständigen ist nicht selbstverständlich. Deshalb ist es sehr empfehlenswert einen Portugiesischkurs der Stufen A1-A2 vor der Abreise einzuplanen. In Kenntnis dieses Sachverhaltes absolvierte ich bereits während meines ersten Semesters an der HfT Portugiesisch I-II und lernte darüber hinaus Portugiesisch in meiner Freizeit. Die Volkshochschule Stuttgart bietet ebenso preiswerte Portugiesischkurse für höhere Sprachstufen an. Visum: Es ist nicht leicht ein Visum für einen längeren Aufenthalt in Brasilien zu erhalten. Für die Ausstellung eines Visums ist sowohl ein Vertrag der Praktikumsstelle als auch die Benennung einer akademischen Aufsichtsperson (Universität oder Professor) aus Brasilien notwendig. Dank einiger persönlicher Kontakte in Brasilien übernahm die Universität Santa Cecília in Santos die Aufsichtspflicht für meinen Aufenthalt. Das brasilianische Generalkonsulat in München teilte mir jedoch mit, dass es dabei ohne Bedeutung ist, in welchem Staat bzw. Stadt sich die Aufsichtsperson in Brasilien befindet. Das Visum für Brasilien wird zwar auf der Homepage des Generalkonsulates als gratis beschrieben, dennoch ist eine Gebühr von rund 80€ zu entrichten. Das Visum ist bei der örtlichen Polizei nach Ankunft in Brasilien zu registrieren und zu bezahlen. Dabei sollten einige Stunden (oder auch Tage), viel Geduld und falls vorhanden eine portugiesisch sprechende Begleitperson eingeplant werden. Zahlungsmittel: Brasilianer zahlen oft und auch kleinere Beträge mit Kreditkarte. Daher ist der Zahlungsverkehr vor allem mit Visa immer möglich. Persönlich empfehle ich aber die Beantragung einer Prepaid-Visakarte. Diese ermöglicht nur so viel Geld abzuheben wie auch wirklich auf der Karte vorhanden ist. Sie kann dabei selbstständig über Onlinebanking oder von Deutschland aus von Familienmitgliedern aufgeladen werden. Der Vorteil: Bei Verlust, Entwendung oder zur späten Sperrung kann somit kein Minus auf dem Konto entstehen. Impfungen: Wegen des ganzjährigen angenehmen und warmen Wetters sind Moskitos als auch Stechmücken jeglicher Art immer vertreten. Empfohlen wird deshalb eine Impfung gegen Gelbfieber für viele Regionen als auch Standardimpfungen gegen Tetanus, Diphtherie und Hepatitis A/B. Auf der Homepage des Auswärtigen Amtes werden die betroffenen Staaten und Regionen beschrieben. Krankenversicherung: Eine Auslandskrankenversicherung unter Einbeziehung von besonderen Leistungen bei Unfällen ist unbedingt angebracht. Vor allem im Falle eines Unfalles sollte ebenso eine Reiserückholversicherung in Erwägung gezogen werden. Wer auf Nummer sicher gehen möchte sollte daher eine entsprechende Zusatzversicherung zu seiner Krankenversicherung für die Dauer des Aufenthalts in Kombination mit einer Reiserückholversicherung abschließen.

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Leben und Arbeiten in Brasilien: Santos: Im Süden des Bundesstaats São Paulo liegt an der Küste auf einer Halbinsel die Stadt Santos. Santos ist die wichtigste Hafenstadt in ganz Südamerika mit dem größten gemessenen Warenumschlag. Die Bewertung als die wichtigste Hafenstadt ist gleichzeitig auch ihr Fluch. Tägliche stundenlange Staus, Unfälle und Straßenschäden sind die Folge durch Fehler in der Logistik und dem enormen Schwerverkehrsanteil. Die Stadtcharakteristik von Santos umfasst das historische Stadtzentrum mit Bauten aus der Gründungszeit, die ehemalige Kaffeebörse und die Zollabfertigung. Im Süden der Stadt liegt der 6km lange Stadtstrand, dessen Parkanlage zum UNESCOWeltkulturerbe zählt. Praktikum: Mein Praktikum absolvierte ich bei CET (Companhia de Engenharia de Tráfego),ein halbstaatliches Unternehmen, das im Auftrag der Stadtverwaltung arbeitet und für den Betrieb und Unterhalt von Straßenflächen in ganz Santos verantwortlich ist. Während meines Praktikums arbeitete ich in einer Abteilung, die zuständig für die entlegensten und am wenigsten entwickelten Regionen in Santos ist. Am meisten verwunderte mich während meines Praktikums, wie wenig das Unternehmen in die Zufriedenheit der Mitarbeiter und in das Arbeitsumfeld investierte. Auf der anderen Seite war aber der gute Charakter meiner Kollegen und die sehr angenehme und hilfsbereite Arbeitsatmosphäre hervorzuheben. Dadurch war die tägliche Arbeit motivierend und bereitete Freude.

Lebenshaltungskosten: In Brasilien herrscht eine sehr hohe Preisdifferenzierung. Dabei spielt es vor allem eine Rolle, in welcher Gegend/ Stadtteil man wohnt/einkauft. Ich empfehle daher, zuerst Preise zu vergleichen und in größeren Supermärkten, wie z.B. Dia oder Extra einkaufen zugehen. Die Preise für Nahrungsmittel sind im Vergleich zu Deutschland in Brasilien gut bezahlbar und um einiges günstiger. Ebenso sieht es mit Preisen in Restaurants aus. Beachten sollte man aber, dass es in Brasilien sehr häufig vorgeschriebene Tarifentlohnungen für Praktikanten gibt. Mein Gehalt lag monatlich bei rund 300€ inklusive Bezahlung für Verpflegung Alle technischen Produkte, die man zum täglichen Gebrauch benötigt, sollte man aus Deutschland mitbringen. In Brasilien bezahlt man dafür bis zu 50 % mehr.

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Verkehr/ ÖPNV: Im empfehle jedem in Brasilien an Fußgängerüberwegen so lange zu warten bis die Autos halten (dies kann sehr lange dauern) bzw. keine Autos in Sicht sind. Brasilianer respektieren die Zebrastreifen/Fußgängerüberwege nicht auf vorgeschriebene Weise wie in Deutschland. Seine Hand auszustrecken hilft dabei an den Hauptstraßen zum Überqueren sehr. Der ÖPNV beschränkt sich in Santos auf den Busverkehr. Je nach Uhrzeit und Linien sind die Busse auf Grund von Pendlern überfüllt (Stoßzeiten). Nur mit Not bekommt man einen Stehplatz. Dennoch sind die Busse in Santos sauber und teilweise mit Klimaanlage ausgerüstet. Nicht jede Haltestelle (können je nach Stadtteil nur aus einem farbigem Holzpfahl bestehen) verfügt über einen Fahrplan. Busse halten nicht automatisch. Damit ein Bus hält muss man seine Hand ausstrecken. Als Alternative zum Bus empfehle ich in Santos als Fortbewegungsmittel das Fahrrad. Die Fahrradwege sind in gutem Zustand und führen durch die ganze Stadt. Wegen des starken Straßenverkehrs und mangelnder Rücksicht sollte man das Fahrradfahren auf der Straße meiden und nur die ausgewiesen Fahrradwege benutzen. Freizeit: Santos ist eine sehr sportliche Stadt. Für jeden Geschmack ist etwas dabei. Für jeden der einmal den Surfsport ausprobieren möchte empfehle ich einen Surfkurs. Skateboard-/Longboard- und Bmxfahrer kommen in zwei große Skateparks ebenso auf ihre Kosten. Jogger können die 6km lange Parkanlage am Strand nutzen. Als günstige Reisemöglichkeit an Wochenenden empfehlt sich der naturbelassene Großraum von Santos zu erkunden. Dazu zählen alle Städte der Metropolregion Baixada Santista.

Essen: So wie das Land selbst ist auch kulinarisch eine Vielfalt in Brasilien geboten. Je nach Region ist das Essen beeinflusst von Speisen aus Portugal, Spanien, Italien und Afrika. Als Grundnahrungsmittel dienen täglich Reis, Bohnen und Fleisch. Ich empfehle unbedingt den Besuch in einem Rodizio-Restaurant, ein All you can eat-Restaurant mit allen möglichen Fleischsorten. 4

Persönliche Wertung: Brasilien ist ein wunderschönes und vielseitiges Land mit einer sehr freundlichen, hilfsbereiten und aufgeschlossenen Bevölkerung. Dennoch ist Brasilien nicht ungefährlich. Die Gewalttaten und Kriminalitätsraten sind sehr hoch und ernst zunehmen. Trotzdem empfehle ich jedem, der die Möglichkeit besitzt Brasilien kennen zulernen, diese Chance wahrzunehmen. Lassen Sie sich nicht von Klischees oder einseitigen Wertungen leiten. Sie werden ganz sicher nicht enttäuscht werden. Kulturunterschiede sind vorhanden. Vor allem die Begriffe Zeit und Zuverlässigkeit haben eine andere Bedeutung. Versuchen Sie einfach deutsche Gewohnheiten auszuschalten und lassen Sie sich auf etwas Neues ein. Ich bin sehr froh darüber, dass ich die Entscheidung getroffen habe mein Praxissemster in Brasilien zu verbringen. Ich bin stolz darauf, dass ich mich sehr schnell selbstständig in ein neues und ungewohntes Arbeitsumfeld einarbeiten konnte. Ebenso erhielt ich Einblicke in die Arbeits- und Verhaltensweisen einer ausländischen Firma. Glücklich bin ich darüber neue und gute Freunde kennen gelernt zu haben und dass ich nun eine zweite Fremdsprache fließend sprechen kann. Ich möchte mich zum Schluss bei der Knödler-Decker-Stiftung für die kurzfristige und großzügige Unterstützung meines Aufenthalts bedanken. Diese hat mir sehr bei der Finanzierung geholfen. Bei Fragen können Sie sich gerne per E-Mail an mich wenden.

Holger Knapp

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