Die Umsetzung von Solvency II in Deutschland

Kapitel II: bAV und Assetmanagement Die Umsetzung von Solvency II in Deutschland Auswirkungen auf Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung im...
Author: Lothar Schäfer
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Kapitel II: bAV und Assetmanagement

Die Umsetzung von Solvency II in Deutschland Auswirkungen auf Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung im Bereich des Eigenmittel- und Kapitalanlageregimes Von Alexander Behrens und Nicolas Rößler

Zur Umsetzung der sogenannten Solvency-II-Richtlinie1 in deutsches Recht ist das Versicherungsaufsichtsgesetz2 mit Wirkung zum 1. Januar 2016 neu erlassen und inhaltlich erheblich modifiziert worden. Den Kern der Neuregelungen bilden die Vorgaben für die von den betroffenen Unternehmen vorzuhaltenden Eigenmittel und die Anforderungen an die Vermögensanlagen. Nach langen Verhandlungen konnte erreicht werden, dass die Solvency-II-Richtlinie auf Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung (EbAVs) keine Anwendung findet. Das Versicherungsaufsichtsgesetz sieht daher insbesondere für das Eigenmittel- und Kapitalanlageregime entsprechende Ausnahmen für EbAVs vor und ordnet für diese im Wesentlichen die Weitergeltung der bisherigen Regelungen an. Für die Praxis bedeutet dies, dass sich das Anlageverhalten der EbAVs vorerst nicht auf Grund gesetzlicher Vorgaben verändern wird.

Versicherungsaufsichtsgesetz

I. Einführung Bereits 2009 haben die zuständigen europäischen Organe die Solvency-II-Richtlinie verabschiedet. Die Richtlinie stellt einen Paradigmenwechsel in der europäischen Versicherungsaufsicht dar. Das Maß der erforderlichen Eigenmittel der Versicherungsunternehmen richtet sich nach Solvency II nicht mehr primär nach dem Geschäftsvolumen. Vielmehr sind im Einzelfall die Risiken des Versicherungsbetriebs gesamthaft zu ermitteln. Mit der unzweifelhaft gestiegenen Risikosensitivität gehen stark erhöhte Anforderungen an die Risikobewertung und das Risikomanagement einher. 1 Richtlinie 2009/138/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. November 2009, betreffend die Aufnahme der Ausübung der Versicherungs- und Rückversicherungstätigkeit (Solvabilität II), ABl. L 335 vom 17. Dezember 2009, Seite 1, zuletzt geändert durch die Richtlinie 2014/51/EU, ABl. L 153 vom 22. Mai 2014, Seite 1. 2 Gesetz über die Beaufsichtigung der Versicherungsunternehmen vom 1. April 2015 (BGBl. I, Seite 434), das durch Artikel 3 Absatz 6 des Gesetzes vom 26. Juli 2016 (BGBl. I, Seite 1824) zuletzt geändert worden ist.

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Umsetzung der Solvency-II-Richtlinie verschoben

Gleichzeitig stellte sich die Frage nach der richtigen Kalibrierung dieser neuen Anforderungen. Diese Herausforderungen und die Notwendigkeit, die Richtlinie nachträglich an die infolge der Finanzmarktkrise reformierte EU-Finanzaufsichtsarchitektur sowie den Vertrag von Lissabon anzupassen, führte dazu, dass die ursprünglich für den 31. Oktober 2012 geplante Umsetzung zunächst auf den 1. Januar 2014 und schließlich auf den 1. Januar 2016 verschoben werden musste. Deutschland hat die Richtlinie durch eine Neufassung des Versicherungsaufsichtsgesetzes pünktlich umgesetzt. Im folgenden Beitrag soll zunächst das Eigenmittel- und Kapitalanlageregime des Versicherungsaufsichtsgesetzes (VAG) in seiner Fassung bis zum 31. Dezember 2015 (VAG alt) dargestellt werden, um anschließend die Änderungen durch die Neufassung des VAG (VAG neu) zu skizzieren. Dabei soll jeweils nach einem Überblick über das Regime für Versicherungsunternehmen, also Solvency I3 bzw. Solvency II, der Fokus auf die Besonderheiten für die EbAVs gerichtet werden.

II. VAG in seiner bisherigen Fassung 1. Grundzüge des Eigenmittel- und Kapitalanlageregimes von Solvency I Nach Solvency I orientierte sich der Umfang der Eigenmittel, die ein Versicherungsunternehmen vorhalten muss, im Wesentlichen an dem Geschäftsvolumen des jeweiligen Versicherungsunternehmens. Einzelheiten wurden in Deutschland durch die Verordnung über die 3

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Das als „Solvency I“ bezeichnete Aufsichtsregime setzte sich aus mehreren Richtlinien zusammen. Dies waren insbesondere die Erste Richtlinie 73/239/EWG des Rates vom 24. Juli 1973 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften, betreffend die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Direktversicherung (mit Ausnahme der Lebensversicherung), die Erste Richtlinie 79/267/EWG des Rates vom 5. März 1979 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über die Aufnahme und Ausübung der Direktversicherung (Lebensversicherung), die Zweite Richtlinie 88/357/EWG des Rates vom 22. Juni 1988 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Direktversicherung (mit Ausnahme der Lebensversicherung) und zur Erleichterung der tatsächlichen Ausübung des freien Dienstleistungsverkehrs sowie zur Änderung der Richtlinie 73/239/EWG, die Zweite Richtlinie 90/619/EWG des Rates vom 8. November 1990 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Direktversicherung (Lebensversicherung) und zur Erleichterung der tatsächlichen Ausübung des freien Dienstleistungsverkehrs sowie zur Änderung der Richtlinie 79/267/ EWG und die Richtlinie 92/96/EWG des Rates vom 10. November 1992 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Direktversicherung (Lebensversicherung) sowie zur Änderung der Richtlinien 79/267/EWG und 90/619/EWG (Dritte Richtlinie Lebensversicherung).

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Kapitalausstattung von Versicherungsunternehmen (Kapitalausstattungs-Verordnung) geregelt. Kapitalanlagerisiken wurden durch Vorgaben für die Anlage des gebundenen Vermögens, also für die Bestände des Sicherungsvermögens und des sonstigen gebundenen Vermögens, adressiert. Dazu legte Paragraph 54 Absatz 2 VAG alt in Verbindung mit der Verordnung über die Anlage des gebundenen Vermögens von Versicherungsunternehmen (Anlageverordnung) (AnlV alt) Vorgaben für zulässige Assetklassen, quantitative Mischungs- und Streuungsgrenzen und Bestimmungen zur Kongruenz und zur Belegenheit der Anlagen fest. Sie verpflichtete zudem zu einem qualitativen Anlagemanagement und zur Einrichtung und Durchführung interner Kontrollverfahren. Die AnlV alt wurde zuletzt durch eine Änderungsverordnung vom 3. März 2015 angepasst, die sich insbesondere auf Modifikationen im Fondsbereich bezog.

Kapitalanlagerisiken adressieren

Die gesetzlichen Regelungen im Anlagebereich wurden ihrerseits durch Schreiben der BaFin konkretisiert, namentlich durch das BaFinRundschreiben 4/2011 (VA) zu „Hinweisen zur Anlage des gebundenen Vermögens von Versicherungsunternehmen“ und die gleichzeitig veröffentlichte Sammelverfügung, die „Hinweise zum Rundschreiben 4/2011 (VA) Abschnitt B.4.3 Buchstabe d zur Anlage in Unternehmensdarlehen“ vom 10. Juni 2013, die „Verlautbarung zum Refinanzierungsregister“ vom 1. Januar 2014 und das Rundschreiben 7/2004 (VA) zur „Anlage in Hedgefonds“ vom 20. August 2004. 2. B  esonderheiten für Einrichtungen der bAV Das bisherige Regime sah in den Paragraphen 112 ff. VAG Sonderregelungen für Pensionsfonds einerseits und Pensionskassen andererseits vor. Für Pensionskassen galten im Eigenmittel- und Kapitalanlagebereich aber qua Verweis die allgemeinen Vorschriften, grundsätzlich einschließlich der verschiedenen Konkretisierungen der BaFin. Auch Pensionsfonds unterlagen schon immer strukturell ähnlichen Vorschriften. Allerdings galt für Pensionsfonds bereits seit Einführung des Pensionsfonds als fünftem Durchführungsweg der bAV nicht die Anlageverordnung für Versicherungsunternehmen, sondern die – mehr Spielräume bei Kapitalanlagen einräumende – Verordnung über die Kapitalanlage von Pensionsfonds (Pensionsfonds-

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Kapitalanlageverordnung – PFKapAV); statt der KapitalausstattungsVerordnung für Versicherungsunternehmen galt zudem die Pensionsfonds-Kapitalausstattungsverordnung (PFKAustV). Nicht vom VAG alt erfasst waren hingegen die berufsständischen Versorgungswerke. Für diese galten vielmehr die jeweils einschlägigen Landes- und Satzungsbestimmungen, die ihrerseits in der Regel auf die Anlageverordnung verwiesen.

III. VAG in seiner heutigen Fassung 1. Umsetzung der Solvency-II-Richtlinie in Deutschland Neues Gesetz zur Modernisierung der Finanzaufsicht

Schon Anfang 2012 legte die Bundesregierung mit dem Zehnten Gesetz zur Änderung des Versicherungsaufsichtsgesetzes einen ersten Entwurf zur Umsetzung der Solvency-II-Richtlinie per 31. Oktober 2012 vor. Infolge der Verschiebung und Anpassung der SolvencyII-Richtlinie wurde allerdings dieses Gesetzgebungsverfahren unterbrochen und im September 2014 ein neuer Regierungsentwurf veröffentlicht, nun bezeichnet als Gesetz zur Modernisierung der Finanzaufsicht über Versicherungen. Das Gesetz wurde am 1. April 2015 verkündet und trat am 1. Januar 2016 in Kraft. Rechtstechnisch sieht das Gesetz vor allem eine an die Solvency-IIRichtlinie angepasste Neufassung des VAG vor. Die Wahl des Gesetzgebers, das VAG nicht zu ändern, sondern es vollständig neu zu erlassen, hatte zur Folge, dass zahlreiche der im bisherigen VAG enthaltenen Verordnungsermächtigungen außer Kraft traten und durch neue, angepasste Verordnungsermächtigungen ersetzt werden mussten. Infolgedessen mussten neue Rechtsverordnungen auf der Grundlage des VAG neu erlassen werden. Dazu wurde am 21. April 2016 eine Vielzahl an Rechtsverordnungen aufgehoben und durch neue Verordnungen ersetzt.4 Überwiegend wurden dadurch allerdings keine inhaltlichen Änderungen bezweckt. 4 Folgende Rechtsverordnungen wurden neu erlassen: Versicherungs-Meldeverordnung, Verordnung über die aufsichtsrechtlichen Anforderungen an Vergütungssysteme im Versicherungsbereich, Verordnung über die Prüfung des Jahresabschlusses und des Lageberichts von Versicherungsunternehmen durch einen unabhängigen Sachverständigen, Verordnung über die versicherungsmathematische Bestätigung, den Erläuterungsbericht und den Angemessenheitsbericht des Verantwortlichen Aktuars, Verordnung über Rechnungsgrundlagen für die Deckungsrückstellungen, Verordnung über die Anlage des Sicherungsvermögens von Pensionskassen, Sterbekassen und kleinen Versicherungsunternehmen, Verordnung über die Kapitalausstattung von Versicherungsunternehmen, Verordnung über die Mindestbeitragsrückerstattung in der

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2. G  rundzüge des Eigenmittel- und Kapitalanlageregimes von Solvency II Das wesentliche Ziel von Solvency II besteht darin, die tatsächlichen Risiken, denen ein Versicherungsunternehmen ausgesetzt ist, zu ermitteln, um hieran angepasste Eigenmittel zur Risikoabdeckung zu verlangen.5 Angelehnt an das Basel-II-Regime im Bankbereich wird dazu ein 3-Säulen-Modell errichtet. Die Säule I umfasst dabei quantitative Anforderungen an die Eigenmittelausstattung. Dazu haben Versicherungsunternehmen sämtliche Risiken ihrer Geschäftstätigkeit, insbesondere auch die Risiken aus der Kapitalanlage, zu ermitteln. Dies geschieht entweder auf der Basis der gesetzlichen Vorgaben oder aber mittels eigener interner Modelle, die vorher durch die Aufsicht zugelassen werden müssen.

3-Säulen-Modell

Säule II verlangt weiter ein angemessenes Risikomanagement und dessen Überprüfung durch die Aufsicht. Unter Säule III werden schließlich Veröffentlichungspflichten verstanden, die an den Gedanken einer Marktdisziplinierung anknüpfen. Der aufgezeigte Ansatz bedeutet unter anderem, dass die Eigenmittelanforderungen steigen, sofern ein Versicherungsunternehmen in Assetklassen mit höheren Risiken investiert. Dieser Logik folgend, ließe sich argumentieren, dass es keiner Beschränkung der Kapitalanlagemöglichkeiten bedürfte, da in jedem Fall durch variable Eigenmittelanforderungen die Risiken angemessen abgedeckt würden. Und in der Tat enthält Artikel 133 der Solvency-II-Richtlinie den Grundsatz, Lebensversicherung, Verordnung betreffend die Aufsicht über die Geschäftstätigkeit in der privaten Krankenversicherung, Verordnung über Finanzrückversicherungsverträge und Verträge ohne hinreichenden Risikotransfer, Verordnung betreffend die Aufsicht über Pensionsfonds, Verordnung über die Finanzierung des Sicherungsfonds für die Lebensversicherer. Demgegenüber wurden folgende Verordnungen nicht ersetzt und sind daher unverändert anwendbar: Verordnung zur Freistellung von Versicherungsunternehmen von der Aufsicht nach dem Versicherungsaufsichtsgesetz vom 16. April 1988, Verordnung zur Freistellung von Versicherungsunternehmen von der Aufsicht nach dem Versicherungsaufsichtsgesetz vom 12. Oktober 1994, Verordnung zur Durchführung der Richtlinie des Rates vom 20. Juni 1991 über die Anwendung des Abkommens zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Schweizerischen Eidgenossenschaft betreffend die Direktversicherung mit Ausnahme der Lebensversicherung (91/371/EWG) vom 26. Oktober 1994, Verordnung über die Übertragung von Aufgaben und Befugnissen eines Sicherungsfonds für die Lebensversicherung an die Protektor Lebensversicherungs-AG vom 11. Mai 2006, Verordnung über die Übertragung von Aufgaben und Befugnissen eines Sicherungsfonds für die Krankenversicherung an die Medicator AG vom 11. Mai 2006 und RfB-Verordnung vom 10. März 2015. 5 Vgl. nur Knauth/Schubert, Versicherungsaufsicht vor Paradigmenwechsel – Von der Produktgenehmigung zum unternehmerischen Risikomanagement, VW 2003, 902.

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dass die Mitgliedstaaten Versicherungsunternehmen nicht zur Anlage in bestimmte Vermögenswertkategorien verpflichten, sondern nur den Grundsatz der unternehmerischen Vorsicht verlangen sollen. Paragraph 124 VAG

Der deutsche Gesetzgeber hat dies in Paragraph 124 VAG neu aufgegriffen. Der Grundansatz besteht darin, dass Versicherungsunternehmen ihre Vermögenswerte nach dem Grundsatz der unternehmerischen Vorsicht anzulegen haben, aber nicht mehr an eine enumerative Aufzählung der zulässigen Anlageformen – in Form der Anlageverordnung – gebunden sind. Praktisch haben die Versicherungsunternehmen dazu eigene Leitlinien für die Kapitalanlage zu erstellen und diese zu berücksichtigen. Zusätzlich zur Festlegung der zulässigen Anlageformen werden diese Leitlinien auch eine Klassifizierung der Kapitalanlagen in die Qualitätsklassen „Tier 1“ bis „Tier 3“ und vermutlich – entsprechend dem Ansatz der Anlageverordnung – auch quantitative Grenzen zwecks Mischung und Streuung enthalten. Zumindest anfangs dürfte sich das Anlageverhalten der Versicherungsunternehmen nach dem Verständnis der Regierungsbegründung nicht gravierend ändern. Denn zum einen hebt die Regierungsbegründung hervor, dass der bisherige Sicherheitsstandard nicht gelockert werden sollte; vielmehr werde den Versicherungsunternehmen „lediglich mehr Eigenverantwortung bei der vorsichtigen Kapitalanlage abverlangt“6. Zum anderen heißt es hier mit Blick auf Paragraph 125 VAG neu, dass Versicherungsunternehmen, sofern sie Anlagen halten, die den Anlagen entsprechen, in denen das Sicherungsvermögen bisher anzulegen war, diese Anlagen dem Sicherungsvermögen zuordnen sollten. Nur wenn die Anlagen nicht ausreichen, um den Mindestbetrag des Sicherungsvermögens zu bedecken, könnten auch andere Anlagen dem Sicherungsvermögen zugeführt werden. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass die Anlagegrundsätze nach Paragraph 124 VAG neu künftig ausdrücklich auf die gesamten Vermögenswerte bezogen sind. 3. Besonderheiten für Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung Wie oben dargelegt, gilt die Solvency-II-Richtlinie nicht für EbAVs. Dennoch folgt das VAG neu dem bekannten Grundansatz, auch EbAVs in seinen Anwendungsbereich einzubeziehen und nicht etwa 6 Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung der Finanzaufsicht über Versicherungen, BT-Drucks. 18/2956, Seite 267.

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ein separates Aufsichtsgesetz für EbAVs zu schaffen. Wie schon das VAG alt sieht das VAG neu aber Sonderregelungen für diese Einrichtungen vor. Diese Regelungen befinden sich in Teil 4 des VAG und zeichnen sich dadurch aus, dass sie im Wesentlichen eine Beibehaltung des schon unter dem VAG alt bestehenden Regimes vorsehen. a) Pensionskassen Wie schon im Rahmen des VAG alt arbeitet das Gesetz mit einer (doppelten)7 Verweisung. Grundsätzlich gelten danach für Pensionskassen die Vorschriften für Versicherungsunternehmen. Nicht für Pensionskassen gelten die Vorschriften über die finanzielle Ausstattung sowie über die Kapitalanlage und damit der Kernbestandteil des Solvency-II-Regelungswerkes8.

Doppelte Verweisung

Hierbei handelt es sich um eine bewusste Entscheidung des Gesetzgebers, der den Diskussionen auf EU-Ebene zur Frage, ob Teile des Solvency-II-Regimes oder vergleichbare Regelungen auch auf Pensionskassen und Pensionsfonds anzuwenden sein sollen, nicht vorgreifen wollte. Stattdessen gelten die unter dem VAG alt für Pensionskassen geltenden Regelungen weitgehend fort. Die Fortgeltung der früheren Regelungen ergibt sich rechtstechnisch dabei durch die Anwendbarkeit von Verordnungen, die zwar neu erlassen wurden, ohne dass hiermit aber wesentliche inhaltliche Änderungen verbunden waren. Im Bereich der Kapitalanlage gilt zwar grundsätzlich auch für Pensionskassen der Paragraph 124 VAG neu9 und damit der Grundsatz der Anlagefreiheit. Allerdings ermächtigt Paragraph 235 Absatz 1 Nummer 10 VAG neu zum Erlass einer Verordnung zur Festlegung qualitativer und quantitativer Regelungen. Hiervon wurde mit Erlass der Verordnung über die Anlage des Sicherungsvermögens von Pensionskassen, Sterbekassen und kleinen Versicherungsunternehmen (Anlageverordnung) (AnlV neu), die die Verordnung über die Anlage des gebundenen Vermögens von Versicherungsunternehmen vom 20. Dezember 2001 ersetzt, Gebrauch gemacht. Die AnlV neu gilt anders als ihre Vorgängerin nur für diejenigen Versicherungsunter7 So gelten nach Paragraph 234 VAG neu für Pensionskassen grundsätzlich die für kleine (Lebens-)Versicherungsunternehmen relevanten Vorschriften, die ihrerseits in Paragraph 212 VAG neu auf die Regelungen für Erstversicherungsunternehmen verweisen. 8 Vgl. Paragraph 212 Absatz 2 VAG. Anders als kleine Versicherungsunternehmen sollen Pensionskassen auch nicht die Möglichkeit haben, sich freiwillig per Antrag der Anwendung der Solvency-II-Richtlinie zu unterwerfen. 9 Vgl. den Verweis in Paragraph 234 Absatz 2 Satz 1 VAG neu.

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nehmen, die nicht unter das Solvency-II-Regime fallen, und damit ausschließlich für kleine Versicherungsunternehmen, Sterbekassen und Pensionskassen. Inhaltlich ergeben sich keine Änderungen bezüglich der Anlagevorschriften. Trotz des in Paragraph 124 VAG neu enthaltenen Grundsatzes der Anlagefreiheit gilt daher für Pensionskassen das bekannte Regime der Anlageverordnung, also der gesetzgeberischen Vorgaben zu Kapitalanlagen, fort; auch die hierzu ergangenen Rundschreiben der BaFin sollten bis zu ihrer Anpassung grundsätzlich fortgelten.10 Auf der Seite der Eigenmittelanforderungen wurde die Verordnung über die Kapitalausstattung von Versicherungsunternehmen ersetzt durch die gleichlautende Verordnung über die Kapitalausstattung von Versicherungsunternehmen (Kapitalausstattungs-Verordnung – KapAusstV) neue Fassung, ohne dass damit materielle Änderungen verbunden wären. Terminologisch ist zu beachten, dass entsprechend der geänderten Terminologie im VAG neu der Begriff „Solvabilitätsspanne“ ersetzt wird durch „Solvabilitätskapitalanforderung“, der Begriff „Garantiefonds“ durch „Mindestkapitalanforderung“. b) Pensionsfonds Sonderregelungen für Pensionsfonds

Auch für Pensionsfonds gilt die Solvency-II-Richtlinie nicht. Auch hier hat sich der Gesetzgeber trotz grundsätzlichen Verweises auf die Vorschriften für Versicherungsunternehmen dagegen entschieden, das Solvency-II-Regime aufgrund nationaler Vorschriften für anwendbar zu erklären. Stattdessen werden auch insofern im Bereich der Kapitalanlage und der Eigenmittel im Wege von Verordnungen Sonderregelungen geschaffen. Auch hier gilt dabei, dass zwar neue Verordnungen geschaffen wurden, diese aber weitgehend der Rechtslage bis zum 31. Dezember 2015 entsprechen. So trat mit Wirkung zum 19. April 2016 die Verordnung betreffend die Aufsicht über Pensionsfonds in Kraft. Diese ersetzt die bisher bestehenden fünf für Pensionsfonds geltenden Verordnungen. In diesem Zuge wurde auch die Pensionsfonds-Kapitalausstattungsverord10 Insbesondere ist eine Anpassung der Rundschreiben an die Modifikationen der Anlageverordnung durch die Änderungsverordnung vom 3. März 2015 erforderlich. Zu berücksichtigen ist, dass Paragraph 54 Absatz 1 VAG alt zwischen dem Sicherungsvermögen und dem sonstigen gebundenen Vermögen unterschied und dies entsprechend in der AnlV alt gespiegelt wurde, die sich auf Vorschriften zum gebundenen Vermögen bezog. Das VAG neu und damit auch die AnlV neu sehen demgegenüber nur noch das Sicherungsvermögen vor.

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nung vom 20. Dezember 2001 aufgehoben, deren Regelungen sich nun in Kapitel 6 der Verordnung betreffend die Aufsicht über Pensionsfonds befinden. Inhaltlich werden grundsätzlich die Regelungen der bisherigen Pensionsfonds-Kapitalausstattungsverordnung übernommen; die Änderungen sind insbesondere terminologischer Natur; vor allem tritt entsprechend der geänderten Terminologie im VAG auch hier an die Stelle des Begriffs „Solvabilitätsspanne“ der Begriff „Solvabilitätskapitalanforderung“ und an die Stelle des Begriffs des „Garantiefonds“ der der „Mindestkapitalanforderung“.11 Auch die Pensionsfonds-Kapitalanlagenverordnung vom 21. Dezember 2001 wird durch die Verordnung betreffend die Aufsicht über Pensionsfonds (Kapitel 4) ersetzt.12 Damit ist festzuhalten, dass sich mit Blick auf Kapitalanforderungen und Anlagegrundsätze bei Pensionsfonds durch die Anpassungen des VAG keine Änderungen ergeben haben. c) Berufsständische Versorgungswerke Berufsständische Versorgungswerke unterliegen weiterhin nicht dem VAG. Ihre Regelung obliegt vielmehr dem jeweiligen Landesoder Satzungsrecht. Dabei bestehen unterschiedliche Regelungsansätze. So wird teilweise auf die alte Anlageverordnung in ihrer zum 31. Dezember 2015 aufgehobenen Fassung verwiesen, so zum Beispiel durch die bayerische Verordnung zur Durchführung des Gesetzes über das öffentliche Versorgungswesen. In anderen Fällen wie zum Beispiel dem Versorgungswerk der Rechtsanwälte im Land Hessen wird festgelegt, dass das Vermögen „entsprechend den Grundsätzen des Paragraphen 215 Absatz 1 des Versicherungsaufsichtsgesetzes in seiner jeweiligen Fassung“ anzulegen ist; hier wird also mit einer dynamischen Verweisung operiert, die die Anlageverordnung in ihrer neuen Fassung in Bezug nimmt. Angesichts der Tatsache, dass keine inhaltlichen Unterschiede bestehen, dürfte diese Unterscheidung in der Praxis derzeit kaum bedeutsam sein. Demgegenüber wurde in anderen Landesgesetzen eine Ermächtigung zum Erlass von Rechtsverordnungen eingefügt, mittels derer landeseigene Regelungen eingeführt werden könnten.

Berufsständische Versorgungswerke unterliegen dem jeweiligen Landesoder Satzungsrecht.

11 Wie im Bereich der Pensionskassen gilt auch bei den Pensionsfonds, dass zwar grundsätzlich auch der Paragraph 124 VAG durch den Verweis des Paragraphen 237 Absatz 2 Satz 1 VAG gilt. Allerdings ermächtigt Paragraph 240 Absatz 1 VAG zum Erlass einer Verordnung zur Festlegung qualitativer und quantitativer Regelungen. Hiervon wurde durch die Verordnung betreffend die Aufsicht über Pensionsfonds Gebrauch gemacht. 12 Auch hier gilt, dass in allen Normen dieses Kapitels der Begriff „gebundenes Vermögen“ durch den Begriff „Sicherungsvermögen“ ersetzt wird, da das VAG ein gebundenes Vermögen nicht mehr kennt.

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IV. Zusammenfassung und Ausblick Entlastung für Pensionsfonds und Pensionskassen

Der deutsche Gesetzgeber hat sich bewusst dagegen entschieden, im Zuge der Umsetzung der Solvency-II-Richtlinie diese im Rahmen eines Gold-Platings in Deutschland auch auf die EbAVs zu erstrecken. Stattdessen hat er trotz einiger Änderungen an Struktur und Semantik des Rechtsregimes für die EbAVs dessen Inhalt weitgehend unverändert gelassen. Aus Sicht der Pensionskassen und -fonds ist das sehr zu begrüßen. Denn nicht nur werden hierdurch die mit dem Solvency-II-Regime verbundenen hohen administrativen Anforderungen vermieden. Es wird auch sichergestellt, dass Pensionsfonds und -kassen sich nicht im Jahr 2016 aufwendig auf ein anderes Eigenmittel- und Kapitalanlageregime einstellen müssen, während sie sich ohnehin großen Herausforderungen durch die andauernde Niedrigzinspolitik ausgesetzt sehen. Im Übrigen sieht es ganz danach aus, als ob der deutsche Gesetzgeber damit auf einer Linie mit der geplanten Reform der EbAV-Richtlinie13 liegt, deren Verabschiedung kurz bevorzustehen scheint und die eine zweijährige Umsetzungsfrist vorsieht. Zwar steht die formale Verabschiedung noch aus. Sollte es beim Ergebnis der Trilogverhandlungen zwischen Kommission, Rat und Europäischem Parlament bleiben, dürfte es aber auf absehbare Zeit keine vereinheitlichten Solvabilitätsanforderungen für EbAVs geben. Denn weder enthält der Text selbst entsprechende Vorschriften, noch sieht er eine Ermächtigungsgrundlage für hierauf zielende Vorschriften der EIOPA vor. I

13 Richtlinie 2003/41/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 3. Juni 2003 über die Tätigkeiten und die Beaufsichtigung von Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung; vgl. hierzu Rößler/Zeppenfeld, BB 2006, 1221.

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