Die elamischen Tempel und ihr Schmuck

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Die elamischen Tempel und ihr Schmuck

Die elamischen Tempel und ihr Schmuck Von den frühen Tempelbauten auf der Terrasse von Susa hat sich so gut wie nichts erhalten, da die Gebäude immer wieder zerstört worden und die Lehmziegel zerflossen sind. Doch haben die Archäologen eine ganze Reihe von Hinweisen auf diese Bauten gefunden und winzigste Fragmente dem ursprünglichen Ganzen zugeordnet. So können wir erahnen, was sich einst auf der Akropolis von Susa erhoben hat. Beispielsweise fand man ganze Reihen von Tonnägeln. Sie lagen offenbar noch so da, wie sie bei einer gewaltsamen Zerstörung des Bauwerks heruntergefallen waren. Sie kennzeichnen somit durch ihre Lage die Ausmaße des Gebäudes, das sie einstmals schmückten. Es läßt sich erschließen, daß die Bewohner von Susa um die Mitte des 4. Jts. v. Chr. nach den vorangegangenen Zerstörungen direkt auf der großen Plattform der frühesten Zeit (4200 –3500 v. Chr.) zunächst einen 1 m hohen Sockel und darauf eine weitere, 3 m hohe Plattform errichtet hatten. Sie muß in Nord-Süd-Richtung mindestens 60 m lang gewesen sein (die Ost-West-Ausmaße sind unbekannt) und diente wohl als Unterbau für den Haupttempel der Stadt. Geschmückt war er mit den genannten Tonnägeln. Derartige Verzierungen waren ja bereits in der frühesten Stufe von Susa üblich. Sie sind im Laufe der Zeit zu immer kleineren Stiften geworden, deren Köpfe gern rot, schwarz oder weiß eingef ärbt wurden. Es gab sogar eine besondere Form von gleichmäßig kleinen Stiften, die dicht an dicht in die Wände gesetzt wurden, so daß große Mosaikflächen mit verschiedenen Zickzackmustern entstanden. Solche Mosaikstifte hat man sogar in verschiedenen Dörfern der Susiana gefunden. Demnach müssen auch dort prächtig ausgestattete Bauten, vielleicht Tempel oder herrschaftliche Anlagen, gestanden haben. Der oben betrachtete Siegelabdruck von etwa 3200 v. Chr. aus Susa, der sich in mehreren Exemplaren erhalten hat, gibt uns auch eine gute Vorstellung von dem Aussehen eines Tempels dieser Zeit. Ein mit riesigen Hörnern versehenes, hohes Gebäude steht auf einem Sockel. Hörner waren offenbar eine Besonderheit elamischer Tempel. Steinböcke mit überdimensionalen Hörnern und Hörner allein als Symbole fallen von Anfang an bei der Keramik von Susa auf. Doch auch in anderen alten Siedlungsstätten des iranischen Hochlandes spielten sie eine hervorragende Rolle. Sie hatten offenbar für die Bewohner Irans eine besondere Bedeutung. Aus sehr viel späterer Zeit bestätigt uns der Assyrerkönig Assurbanipal (668 – 627 v. Chr.), daß Hörner an Tempeln etwas typisch Elamisches waren. Er rühmt sich nämlich, Susa geschleift zu haben; und ganz besonders hebt er hervor: »Ich zerstörte die Zikkurat von Susa, die aus Lapislazuli-Ziegeln erbaut war; ich zerbrach ihre Hörner, die aus glänzendem Kupfer gegossen waren«. Kupferhörner haben sich nicht erhalten, doch sind große, aus Stein gearbeitete Hörner gefunden worden, die von der Verzierung eines frühen Tempels stammen könnten. Kleine, aus besonders feinem Ton gearbeitete Hörner, die mit roten Streifen bemalt waren, sind aus den frühesten Schichten von Susa zutage gekommen. Auch ihre Bedeutung wird in kultischem Zusammenhang zu suchen sein; vermutlich dienten sie als Amulette oder einfache Weihegaben. Auf dem Siegelbild steht der Tempel auf einem Sockel, ebenso wie es auch die archäologischen Funde gezeigt haben. Der Sockel ist durch mehrfach abgestufte Felder gegliedert. Auch das Bauwerk zeigt hochgezogene, dreifach gestufte Nischen, in deren

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linker wohl die quergegliederte Tür angegeben ist. Darüber zieht sich eine Reihe kleiner Rechtecknischen entlang, die über der Tür etwas breiter zu sein scheinen. Zwei schmale Streifen bilden den oberen glatten Abschluß. Auf der rechten Ecke (die linke ist nicht erhalten) ist eine kleine Spitze zu sehen. Wir gewinnen hier also einen recht guten Eindruck von einem Tempelbau der zweiten Hälfte des 4. Jts.v. Chr. in Susa. Dieser kann noch durch weitere Funde ergänzt werden. So zeigen Reste eines kleinen Modells aus einem weichen, grau-rosa Stein, ebenfalls von der Akropolis von Susa, eine ganz ähnliche Front. Dieses Modell muß nach der Fundlage zu den frühesten Schichten von Susa gehören. Wir hätten damit einen wichtigen Hinweis darauf, daß die schlichte, doppelt gegliederte Fassade bereits zu Beginn des 4. Jts. v. Chr. eingeführt worden war. Eine ganze Reihe von weiteren Siegelabdrücken, die sich auf Tonbullen der zweiten Hälfte des 4. Jts. v. Chr. befinden, zeigt Gebäude. Diese sind teilweise noch reicher gegliedert und haben mitunter eine große zentrale Tür und zu beiden Seiten zwei oder sogar drei hohe Nischen. Auf einem Beispiel sind zu beiden Seiten des Gebäudes hohe Standarten mit einem seitlich abstehenden, ringförmigen Gebilde angegeben. Sie stehen auf einem massiven Sockel und überragen das Gebäude. Ihr Aussehen erinnert an die Symbole auf Sockeln, die bereits auf der frühesten Susa-Keramik begegneten, doch sind sie hier ins Monumentale gesteigert. Ihre Form erinnert an die Bügelschäfte, die im mesopotamischen Bereich als Symbol für den Weisheitsgott Enki bekannt sind. Mit

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Abb. 22a Modell aus Stein, das eine Tempelfassade zeigt (ursprüngliche Größe etwa 10 cm x 9,5 cm x 5 cm).

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Abb. 22b Tempelfassade auf einem Siegelabdruck.

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ihm wird in später Zeit der elamische Gott Napirischa gleichgesetzt. Ob allerdings auch er mit dem Symbol der Bügelschäfte zu verbinden ist und wir dann auf dem Siegel einen frühen Hinweis auf diesen Gott hätten, der in mittel-elamischer Zeit zusammen mit Inschuschinak die bedeutendste Rolle spielte, läßt sich nicht entscheiden. Doch wird auf jeden Fall deutlich, daß es sich bei diesen stark gegliederten Gebäuden um Heiligtümer handelte. Ihre Fassaden wurden anscheinend immer reicher ausgestaltet. Trotz des schlechten Erhaltungszustandes kann man also eine Vorstellung von den Bauten in der zweiten Hälfte des 4. Jts. v. Chr. auf der Terrasse von Susa erhalten.

Die Menschen und ihre Umwelt Depotfunde und Weihegaben Weiterhin können einige kostbare Weihegaben erahnen lassen, wie reich und blühend das alte Zentrum auch in dieser Zeit gewesen sein muß. Einen lebendigen Eindruck vermittelt eine Reihe von Objekten, die auf der Akropolis von Susa gefunden worden ist. Hervorzuheben sind zwei Fundstellen, die nur einen Meter voneinander entfernt lagen und an denen viele kleine Objekte zusammengetragen waren. In einem Falle wurden sie sogar durch senkrecht aufgestellte, dünne Steinplatten geschützt. Die Ausgräber haben sie daher als Depots bezeichnet. Jedenfalls scheint es sich um Weihegaben zu handeln, die in engem Zusammenhang mit einem Heiligtum zu sehen sind. Vielleicht handelte es sich sogar um Gründungsdepots eines Tempels. Diese Sitte war weitverbreitet und wird uns im folgenden noch häufiger begegnen. So wie man bis heute bei Baubeginn mit der Grundsteinlegung eine besondere Zeremonie ausführt, so stiftete man seit alters ausgewählte Objekte, um einen Bau zu weihen und vor allem Übel zu schützen. Späterhin, mit Einführung der Schrift, wurde es dann Sitte, auch beschriebene Urkunden auf Stein, Bronze oder Ton beizufügen. Wenn derartige Dokumente bei Ausgrabungen gefunden werden, sind sie eine wertvolle Hilfe für die Datierung und Zuordnung. Doch kann damit frühestens im 3. Jt. v. Chr. gerechnet werden. Obwohl die Objekte nur klein sind, sind sie doch sehr kostbar. Zu den Funden gehörten Perlen verschiedener Form aus bunten Marmorsorten und Halbedelsteinen, z. B. aus Bergkristall, ferner große Mengen an Meermuscheln, kleine Bronzegeräte und vor allem überraschend viele Steinfiguren, die meisten aus Alabaster. Diese Figuren waren damals etwas ganz Neues und Kostbares, denn für die Herstellung von Steinskulpturen gibt es keinerlei Vorläufer. In der Susiana und im benachbarten Mesopotamien, einem Schwemmland, gab es keine Steine, sondern nur Lehm. Sie mußten aus dem iranischen Hochland herbeigebracht werden. Deshalb sind die Figuren auch nur sehr klein. Aber dennoch zeigt ihre Ausführung eine ungewöhnliche Lebendigkeit. Dort ist z. B. eine Frau auf die Knie gesunken. Ihr Haar f ällt im Bogen auf den Rücken herab und wird von einem Band gehalten. Diese Frisur erinnert an die des Gottes neben seinem Tempel. Männer und Frauen trugen also gleiche Haartracht. Übergroße, mandelförmige Augen bestimmen das kleine Gesicht. Ihre Hände hat sie unter die vollen Brüste gelegt. Obwohl das Figürchen nur 6,2 cm hoch ist, wirkt es in seinen Proportionen doch recht monumental und wie ein geschlossenes Kunstwerk. Die weich

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Abb. 23 Betende Frau aus einem Tempeldepot in Susa (6,2 cm hoch, um 3300 v. Chr., Paris, Louvre).

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geschwungenen Konturen zeigen nur sparsame Eintragungen, wobei aber bei den zurückgenommenen winzigen Füßen sogar die einzelnen Zehen angegeben sind. Vielleicht haben wir hier einen frühen Vertreter einer Gattung, die dann im 3. Jt. v. Chr. durch die sog. Beterfiguren vor allem im mesopotamischen Bereich belegt ist. Sie wurden in Heiligtümern aufgestellt und beteten dort gleichsam in Vertretung ihres Stifters Tag und Nacht. Während die späteren Figuren mit übereinander gelegten Händen dastehen oder, wenn sie besonders vornehm sind, auch sitzen, spricht bei dem Figürchen aus Susa vor allem die kniende Haltung den Betrachter an. Zu den Depotfunden gehören auch kleine Steinvasen. Meist waren sie aus Alabaster hergestellt. Einige trugen zudem eine Bemalung in Rot und Schwarz, wie noch Spuren zeigen. Auch diese Gef äße sind nur wenige Zentimeter groß. Unter ihnen f ällt eine ganz charakteristische Form auf. Sie ist langgestreckt, an den Schmalseiten nach unten zu abgerundet, so daß sie einem Boot ähnelt. Mehrfach ist in die Oberfläche ein Zickzack-Muster eingetieft, das an Geflecht erinnert, so als habe man das kostbare Gef äß zu seinem Schutz noch in einen Korb gesteckt. Auf dem Rücken sind zwei oder sogar drei Öffnungen angegeben. Doch sind diese im Innern nicht tief ausgehöhlt und auch nicht miteinander verbunden. Man hat daher vorgeschlagen, daß sie kostbares Parfüm enthalten haben könnten, wovon man dann eben nur ganz kleine Mengen hätte hineinfüllen wollen. Die Fundzusammenhänge, das kostbare Steinmaterial und die eigenartige Gestalt sprechen dafür, daß es sich um Kultgegenstände handelte. Erstaunlicherweise begegnet diese Form auch auf einer ganzen Reihe von Siegelabdrücken dieser Zeit. Dort werden die Vasen zum Beispiel von Fabelwesen herbeigetragen oder sind zwischen Schlangen angeordnet. Des öfteren sind sie zusammen mit amphorenartigen Gef äßen abgebildet, die wiederum wie in einem Korb zu stecken scheinen. Aus die-

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sen ragen oft schalartige Gebilde heraus, die breiter werden und leicht gerundet hervortreten; sie enden in »Fransen«. Mitunter hängen diese aus den Öffnungen herab, mitunter stehen sie aber auch starr zu den Seiten weg. Diese Gebilde kommen auch einzeln neben Gef äßen vor oder werden von Männern herbeigetragen. Mehrfach wehen sie vom Hals von Ziegen oder Löwen nach hinten weg. Ihre Form erinnert an Darstellungen, die schon auf den frühesten Vasen aus Susa vorkamen und dort nicht näher zu bestimmen waren. All dieses spricht dafür, daß die betrachteten Gegenstände im Kult der Elamer bereits seit Jahrhunderten eine wichtige Rolle spielten. Wahrscheinlich waren sie – wie auch die Tiere – bestimmten Gottheiten zugeordnet. Bei den bootsförmigen Vasen kommt unverhofft eine Erklärung von ganz anderer Seite. Unter den frühen Schriftzeichen aus Uruk findet sich nämlich eines, das genau dieser Vasenform entspricht. Und dieses Zeichen GA bedeutet »frische Milch«. In Uruk selbst hat man keine derartigen Originalgef äße gefunden, dagegen in Susa häufiger. So können sich beide Quellen gegenseitig ergänzen. Die kleinen Vasen in Susa sind offenbar auf Kleinformat reduzierte Abbilder von Milchgef äßen. Aus Uruk weiß man, daß ein Milchgef äß etwa 8 Liter faßte. Die aus Ton hergestellten Originale wurden offen-

= GA = Milch Abb. 24 Modell zweier Milchgefäße im Korb (etwa 10 cm lang, Teheran, Nationalmuseum) und das entsprechende frühe Schriftzeichen.

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Abb. 25 Verschiedene Siegelabdrücke mit Gefäßen, darunter auch Milchgefäße. Häufig kommen auch schalartige Gebilde vor.

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bar in Körbe gestellt, damit sie geschützt und besser transportiert werden konnten. Dabei hat man wohl meist zwei oder sogar drei Krüge zusammen in einen Korb gestellt. Bei den kleinen Modellen sieht es dann so aus, als handele es sich um ein einziges Gef äß mit mehreren Öffnungen. Nun fragt man sich natürlich, warum diese Abbilder von Milchgef äßen so oft auf Siegelbildern, die offenbar zum Kult gehörige Gef äße zeigten, oder sogar als kleine steinerne Modelle in den Gründungsdepots zu finden waren. Die Ursache hierfür können wir nur vermuten. Frische Milch hielt sich im Vorderen Orient – ohne Kühlschrank – nur wenige Stunden. Sie wurde daher nur neugeborenen Kindern und kleinen Tieren gegeben. Ansonsten war sie für Opfer bestimmt. Dies mag schon ein wichtiger Grund für das Vorkommen der Milchgef äß-Modelle gewesen sein. Ebenso wie die Beterfiguren die Gottheit an das ständige Gebet des Stifters erinnern sollten, mögen die Milchgef äße ein Symbol für ein versprochenes regelmäßiges Milchopfer gewesen sein. Zudem waren Milch und die aus ihr hergestellten Produkte gewiß eine wichtige und kostbare Nahrungsgrundlage für die Bevölkerung. Es war daher äußerst wichtig, daß sie immer in ausreichendem Maße vorhanden waren. Um dies zu sichern, wandte man sich vermutlich an die Götter und bat sie darum, daß sie für die stets ausreichende Versorgung mit Milch sorgen möchten. Als allgegenwärtige Erinnerung mag dann auch ein solches kleines Modell eines Korbes mit Milchgef äßen in das Gründungsdepot des Tempels gelegt worden sein. Es wäre denkbar, daß für die Bereitstellung von Milch sogar eine bestimmte Gottheit zuständig war, am ehesten wohl eine Muttergöttin. Die steinernen Kultgef äße, von denen uns glücklicherweise eine ganze Reihe in den Depotbeigaben und weiteren verstreuten Funden von der Akropolis in Susa im Original erhalten ist, sind oft auch selbst in Form eines Tieres gestaltet. Recht zahlreich begegnen Vögel oder auch Frösche. Unter anderen kleinen Tierskulpturen findet sich ein aus rosa Alabaster gearbeitetes Schweinchen, das als Weihegabe eine ähnliche Bedeutung gehabt haben mag wie die Milchgef äße. Denn Schweine dienten neben der Gerste als wichtigste Lebensgrundlage, und Schweinefett wurde an die Arbeiter auch als Ration ausgegeben. Das kostbare Schweinchen dürfte ein Symbol für das entsprechende Opfer an die Gottheit darstellen, verbunden mit der Bitte, daß man immer genug von diesen nützlichen Tieren als Nahrung zur Verfügung haben möge. Häufig treten kleine Affen und Bären auf, die sich oft recht possierlich gebärden. Ihre Haltungen sind sehr naturnah. So sitzt zum Beispiel ein Äffchen versonnen da und hat beide Hände auf die angezogenen Knie gelegt, oder ein Bär hat sich hingesetzt und trinkt aus einem Gef äß, das er mit beiden Händen vor die Schnauze hält. Diese Art von Braunbären soll es übrigens noch heutzutage in Iran geben, vor allem im Zagrosgebirge. Die Tiere werden wohl eher bestimmten Gottheiten zugeordnet gewesen sein und kaum Bedeutung für das tägliche Leben gehabt haben. Neben all diesen Tieren, die recht naturalistisch wiedergegeben sind, gab es in der Vorstellung der Elamer noch eine Fülle verschiedenster Fabelwesen. Diese in immer wieder anderer Gestalt auszusinnen, scheint eine besondere Vorliebe und ein Charakteristikum der Elamer gewesen zu sein. So begegnen die ersten Beispiele für greifenartige Tiere. Mitunter ähneln sie Tapiren mit langen Rüsseln, die auf dem Rücken Flügel tragen. Wie auch bei den Raubvögeln üblich, sind diese Flügel in der Seitenansicht nach vorn und hinten ausgebreitet. Die Flügel können auch aus anderen Tieren gebil-

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Abb. 26 Schweinchen aus Susa (6,8 cm lang, 2. Hälfte 4. Jts. v. Chr., Teheran, Nationalmuseum).

Abb. 27 Ein aus Alabaster gefertigter Bär trinkt aus einem Becher (10 cm hoch, Paris, Louvre).

det werden. Die Kombination der Fabeltiere aus mehreren Arten wurde mit viel Phantasie betrieben und führte zu den seltsamsten Darstellungen. So sind auf elamischen Siegeln nicht nur die Vorläufer der Chimaira (Löwe mit Ziegenkopf auf dem Rücken und Schlangenschwanz) sondern auch der Kentauren (Menschenoberkörper mit Pferdeleib) aus den späteren griechischen Sagen zu finden.

Alltag und kultische Feiern

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Die schon so oft herangezogenen Siegelabdrücke gewähren auch einen interessanten Einblick in das tägliche Leben der Menschen und ihre Tätigkeiten. So sehen wir sie beispielsweise auf dem Acker hacken, vom gelungenen Fischfang heimkehren, bei der Wildschweinjagd oder große Pressen betätigen, mit denen man vielleicht Öl aus Sesam gewinnen oder Filz herstellen konnte. Andere sind dabei, mit großen, abgerundeten Ziegeln eine Mauer aufzurichten, oder sie steigen eine Leiter hinauf, Gef äße auf der Schulter tragend, wohl um einen Speicher, der mit Kuppeln versehen ist, von oben zu füllen. Daneben legt man Stäbe zurecht, bei denen es sich vielleicht um »Zählstäbe«

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Abb. 28 Siegelbilder mit Raubvogel und Greifen, die aus mehreren Tieren zusammengesetzt sind. Unten Vorläufer der Kentauren, die mit Schlangen zusammengefügt sind.

handelt, um die Anzahl der Gef äße mit Getreide zu zählen, die in das Silo geschüttet werden. Wir hätten hier also das Vorbild für die kleinen Ton-Symbolsteinchen, bei denen ein stabförmiges Gebilde für die Zahl 1 steht. Mehrfach sind auch Webstühle wiedergegeben. Auff ällig ist eine Darstellung, bei der man von oben auf einen solchen blickt. Männer arbeiten stets unbekleidet, Frauen dagegen tragen lose herabfallende Gewänder, die etwa knielang sind. Zudem haben sie öfter längere Haare, die in einem »Pferdeschwanz« nach hinten wehen.

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