Analoge Planung. Kapitel 3 Analoge Planung

3 Analoge Planung Während der Planungsphase einer Präsentation ist es von elementarer Bedeutung, sich von seinem Computer fernzuhalten. Einer der grö...
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3 Analoge Planung Während der Planungsphase einer Präsentation ist es von elementarer Bedeutung, sich von seinem Computer fernzuhalten. Einer der größten Fehler, den viele Personen begehen, ist, dass sie vor ihrem Monitor sitzen und sich Gedanken machen, wie sie ein Thema präsentieren möchten. Bevor man aber mit dem Design einer Präsentation beginnt, sollte man sich das große Ganze vorstellen und sich die Kernaussage(n) überlegen. Und es ist nicht einfach, diesen Gedankengängen zu folgen, während man vor seinem Rechner sitzt und sich mit Slideware auseinandersetzt. Ein Großteil aller Personen plant Präsentationen mithilfe einer bestimmten Software. Und obwohl die Software-Hersteller diese Herangehensweise als optimal darstellen, rate ich davon ab. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass es oftmals besser ist, seine Ideen und Gedanken mittels Bleistift und Papier festzuhalten und erst später in digitale Form zu übertragen. Ich bezeichne diese Vorgehensweise als „analoge Planung“. Demgegenüber steht die „digitale Vorbereitung“, also die Übertragung Ihrer skizzierten Ideen in das SlidewareFormat Ihrer Wahl.

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Fahrrad oder Auto? Die Software-Hersteller haben es wirklich übertrieben. Kaum ein Programm verzichtet auf Assistenten, die den Nutzer Schritt für Schritt zum Ziel führen. Das Problem: Das Ziel wird von der Software bestimmt, nicht vom Anwender. Das Ergebnis bestätigt Edward Tuftes Aussage, dass die PowerPoint-Bedienerführung zu einer extremen Vereinfachung der Inhalte und zu einer starken Verwässerung unserer Kernaussagen führt. Slideware-Programme wie PowerPoint und Keynote sind perfekt geeignet, um unseren Vortrag unterstützende Multimedia-Elemente wiederzugeben. Wer aber nicht aufpasst und sich voll und ganz in die Hände der Software begibt, wird in eine Richtung getrieben, die er niemals freiwillig eingeschlagen hätte. Vor mehr als 20 Jahren diskutierten Steve Jobs und andere im Silicon Valley über das große Potenzial von Personalcomputern. Auch machten sie sich Gedanken, wie diese Geräte designt und genutzt werden sollen, um das in uns allen innewohnende Potenzial ausschöpfen zu können. Der Dokumentarfilm Memory and Imagination hat Steve Jobs Worte für die Nachwelt festgehalten: “Für mich ist der Computer das bemerkenswerteste Werkzeug, das wir je erfunden haben. Ich sehe den PC als Fahrrad für meinen Geist an.” — Steve Jobs Menschen sind in Sachen Fortbewegungsmöglichkeit bei weitem nicht so effektiv wie Tiere. Doch ein Mensch, der auf einem Fahrrad unterwegs ist, ist das effizienteste Lebewesen unseres Planeten: Das Fahrrad verstärkt unsere „Eingaben“ auf eine unvergleichlich produktive Art und Weise. Kann man dies nicht auch von einem PC, immerhin dem größten Hilfsmittel, das uns zur Verfügung steht, erwarten? Gehen Sie in sich und denken Sie nach, ob Ihr PC während der Planungsphase Ihr „Fahrrad für den Geist“ ist und – entsprechend dieser Definition –

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Ihre „Eingaben“, Fähigkeiten und Ideen verstärkt. Oder ob Sie lieber in das „Auto für den Geist“ einsteigen und sich mit Assistentenunterstützung in Rekordzeit durch die komplette Planungsphase klicken? Ihr Geist profitiert davon, wenn Sie den PC als eine Art Fahrrad verwenden. Setzen Sie den Computer hingegen wie ein Auto ein, hat das den gegenteiligen Effekt. Es ist wesentlich wichtiger, sich die Grundlagen der Präsentationsgestaltung anzueignen, anstatt Slideware perfekt bedienen zu können. Herausragende Programme zeichnet aus, dass sie den Nutzer nicht an die Hand nehmen und zum Ziel ziehen, sondern ihm die Freiheiten lassen, um seine eigenen Ideen einzubringen. Wollen Sie während der Planungsphase sicherstellen, dass Ihnen Ihr Computer nicht in die Quere kommt, sollten Sie ihn einfach ausschalten.

Ist Ihr Computer das Fahrrad Ihres Geistes?

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Papier, Weißwandtafel oder ein Stock im Sand Meine wichtigsten Helfer, auf die ich bei der Planung einer Präsentation vertraue, sind ein Schreibblock, verschiedenfarbige Stifte und ein in Leder gebundenes Notizbuch, respektive eine große Weißwandtafel, die mir im Büro zur Verfügung steht. So wundervoll die Digitaltechnik auch ist – nichts hat sich in der Praxis so bewährt wie die Nutzung von Papier und Bleistift. Ein Großteil aller Fachkräfte und sogar Studenten erledigen die komplette Vorbereitung einer Präsentation mithilfe von Slideware. Dabei könnten diese Personen viel von Designern lernen. Nahezu alle Berufsdesigner, selbst junge Media-Designer, die mit dem PC aufgewachsen sind, greifen in der Planungsphase zu Papier und Bleistift, um ihre Ideen zu skizzieren. Klar wurde mir das während meiner Zeit bei Apple. Ich stattete dem Senior Director eines der Kreativ-Teams einen Besuch ab, um seine Meinung zu einem Projekt, an dem wir gerade arbeiteten, zu erfahren. Er erklärte mir, dass er bereits eine Menge Ideen skizziert habe und sie mir zeigen wolle. Ich erwartete aufwändig gestaltete Folien, ein kleines Video oder zumindest Farbausdrucke von Illustrator- und Photoshop-Dateien. Als ich aber sein Büro betrat, fiel mir sofort auf, dass sein Mac ausgeschaltet war – später erfuhr ich, dass er den Mac teilweise tagelang nicht einschaltete. Stattdessen zeigte er auf eine rund fünf Meter breite Papierbahn, auf der er alle seine Ideen skizziert hatte. Das Ganze war eine Mischung aus Zeichnungen und Texten, so dass ich sofort an einen Comicstrip denken musste. Er begann seine Präsentation an einem Ende der Papierbahn und führte mich an das andere Ende. Während er erzählte, erweiterte er seine Präsentation um zusätzliche Schlagwörter und Grafikelemente. Nach dem Meeting rollte er die Papierbahn zusammen und gab sie mir mit. Viele seiner Ideen habe ich in die interne Präsentation, mit der ich unser gemeinsames Projekt vorgestellt habe, integriert.

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„Haben Sie die Ideen, sind Sie nicht zwangsläufig auf Maschinen angewiesen. Denn sobald Sie die Ideen haben, lassen Sie die Maschinen für sich arbeiten … Fast alle Ideen kann man mittels eines Stocks in den Sand zeichnen.” — Alan Kay (Interview aus Electronic Learning, April 1994)

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Bleistift und Papier Ich habe viel Zeit außerhalb meines Büros verbracht und in Cafés, Parks und Zügen wie dem japanischen Schnellzug Shinkansen, in den ich bei Reisen nach Tokio einsteige, gearbeitet. Und obwohl ich nahezu immer mein MacBook Pro oder einen PC dabei habe, nutze ich beim Anfertigen von Listen, dem Skizzieren von Ideen und dem Festhalten von Gedanken Bleistift und Papier. Natürlich lassen sich diese Tätigkeiten auch mit dem Computer erledigen. Doch ich bin – wie viele andere Personen – der Meinung, dass allein schon das Halten des Bleistifts eine Verbindung zwischen Hand und rechter Gehirnhälfte herstellt, so dass es mir leichter fällt, meinen Gedanken zu folgen und sie zu Papier zu bringen. Demgegenüber stellt das Sitzen vor der Tastatur und das Starren auf den Monitor eine unnatürliche Beschäftigung dar.

Weißwandtafeln Im Büro nutze ich oft meine große Weißwandtafel, um Ideen zu skizzieren. Das Arbeiten an der Tafel gibt mir ein Gefühl von Freiheit, da mir sehr viel Platz zur Verfügung steht und ich meine Ideen großflächig skizzieren kann. Auch kann ich einige Schritte zurücktreten, einen Blick auf das Ganze werfen und überprüfen, ob und wie sich die Gedankengänge in Folienform präsentieren lassen. Die Vorteile von Weißwand- und Schiefertafeln liegen auf der Hand: Konzepte und Strategien lassen sich von mehreren Personen ausarbeiten. Während ich die wichtigsten Punkte notiere und versuche, sie zu strukturieren und in eine Form zu bringen, kann ich Gedanken, die mir währenddessen durch den Kopf gehen, notieren. Auch zeichne ich einfache Bilder, die in der Präsentation durch Elemente wie Diagramme, Fotos und Ähnliches ersetzt werden.

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Der eine oder andere wird nun denken, dass dies reine Zeitverschwendung ist: Warum Bilder erst skizzieren und dann in PowerPoint nachbauen? Die Antwort ist einfach. Würde ich versuchen, das Grundkonzept mit PowerPoint zu realisieren, müsste ich mehr Zeit investieren, da ich gezwungen wäre, permanent zwischen Folien- und Gliederungsansicht umzuschalten, um das Ganze zu sehen. Mein analoger Ansatz erlaubt es mir hingegen, meine Ideen zu skizzieren, eine grobe Gliederung zu definieren und gleichzeitig darüber nachzudenken, was ich eigentlich erreichen will, sprich, welche Aussage ich transportieren will. Die Umsetzung dieses Entwurfs mit PowerPoint oder Keynote ist einfach. Oft muss ich dabei gar nicht mehr auf meine Notizen blicken, da ich mir – dank der analogen Planung, bei der ich mitdenken muss – den kompletten Ablauf eingeprägt und die Inhalte plastisch vor Augen habe. Lediglich wenn es an die Auswahl der Fotos geht und ich bei iStockphoto.com oder in meiner eigenen Sammlung nach Motiven suche, greife ich auf meine Notizen zurück.

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Post-its Papier und Marker werden heutzutage zwar als hoffnungslos „old school“ angesehen, nichtsdestotrotz sind sie prima geeignet, um Ideen zu skizzieren oder die Gedanken anderer zu notieren. Als ich noch bei Apple angestellt war, setzte ich bei Brainstormings auf die Kraft der Post-it-Klebenotizen. Ich schrieb die Ideen auf oder meine Kollegen gingen nach vorne, um ihre Ideen zu skizzieren und die Gedankengänge anderer zu ergänzen. Es war chaotisch, doch das Chaos hat sich gelohnt. Am Ende des Brainstormings war die ganze Wand voller Post-its, die ich abnahm und an die Wand meines Büros klebte. Als ich zusammen mit anderen Strukturen und Aussehen zukünftiger Präsentationen entwickelte, bezogen wir uns immer wieder auf die Klebezettel, die teilweise tage- und wochenlang an den Wänden hingen. Allein schon die Tatsache, dass die Zettel an der Wand klebten, erleichterte es uns, das ganze Bild zu sehen. Ebenfalls einfacher war es, Überflüssiges zu eliminieren und uns voll und ganz auf die Kernaussage zu beschränken. Und obwohl Sie Computer und Software, also digitale Helfer, einsetzen, um Ihre Ideen während einer Präsentation zu visualisieren, sollten Sie niemals vergessen, dass das Vortragen und die Kontaktaufnahme mit den Zuhörern – das Überzeugen, Verkaufen und Informieren – in höchstem Maße analoge Tätigkeiten sind. Es liegt also nahe, bei der Vorbereitung einer Präsentation ebenfalls auf analoge Techniken zu vertrauen, um Inhalt, Sinn und Ziel der Präsentation zu verdeutlichen.

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Entspannen und das Ganze sehen Entspannung ist nicht nur im Zusammenhang mit einem gesünderen und ausgefüllteren Leben wichtig. Auch bei der Vorbereitung von Präsentationen ist Innehalten angesagt, da es Ihnen hilft, klarer zu denken. Ihre Instinkte schlagen nun Alarm und melden, dass das Business nur mit Höchstgeschwindigkeit funktioniert. Schnell von der Idee zur Marktreife. Erster und Schnellster. Worauf ich hier jedoch anspiele, ist die Gemütsverfassung. Sie haben viel um die Ohren, keine Frage. Sie sind sehr beschäftigt. Doch das „Beschäftigtsein“ allein ist nicht das Problem. Natürlich hat es den Anschein, dass der Tag viel zu kurz ist, um alle Dinge so zu erledigen, wie sie Ihrer Meinung nach erledigt werden müssen. Wir alle haben damit zu kämpfen. Doch wie bereits erwähnt, kann diese Einschränkung gleichzeitig eine große Motivation sein, da sie für positiven Druck sorgt, der das kreative Denken anregen und zu neuen Lösungsansätzen führen kann. Somit ist nicht das „Beschäftigtsein“ das Problem. Es ist die „Geschäftigkeit“. Die Geschäftigkeit ist das unangenehme Gefühl, das Sie haben, wenn Sie gedrängt, abgelenkt, unkonzentriert und mit Ihren Gedanken woanders sind. Auch in diesem Zustand erledigen Sie Ihre Arbeit. Sie wünschten aber, Sie wären effektiver. Und Sie wissen, dass Sie das können. Dennoch gelingt es Ihnen nicht, Ihren Geist so auszurichten, dass Sie sich voll und ganz auf eine Aufgabe konzentrieren und agieren, anstatt zu reagieren. Sie versuchen es. Sie holen tief Luft. Sie denken an die nächste Woche anstehende, extrem wichtige Präsentation. Sie starten ein Slideware-Programm und machen sich an die Arbeit. Das Telefon klingelt, doch Sie gehen nicht ran, da gleichzeitig Ihr Boss auf dem Handy anruft und Ihnen mitteilt, dass er „die Machbarkeitsstudie SOFORT benötigt!“ Und während Sie sich noch überlegen, wie viele Ausrufezeichen Ihr Boss ausgesprochen hat, landen neue E-Mails im Posteingang. Darunter eine Nachricht Ihres wichtigsten Kunden mit dem Betreff „Wichtig! Machbarkeitsstudie benötigt!!!“. Zu allem Überfluss steckt auch noch der nervige Kollege den Kopf in Ihr Büro und erkundigt sich, ob „auch Sie mitbekommen haben, dass die Machbarkeitsstudie nicht aufzufinden ist?“ Ein ganz normaler Arbeitstag, der zeigt, dass Entspannen unmöglich ist. Geschäftigkeit unterdrückt Kreativität. Geschäftigkeit führt dazu, dass lieblose PowerPoint-Präsentationen fruchtbare Diskussionen, Meetings und

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Seminare ersetzen. Die Menschen fühlen sich gedrängt, ja sogar unter Druck gesetzt. Aus diesem Grund klatschen sie ein paar Folien aus alten Präsentationen zusammen und machen sich auf den Weg zur Bühne. Kommunikation und Auditorium leiden. So ist das eben, wenn wir alle so furchtbar beschäftigt sind. Andererseits: Wenn wir alle so beschäftigt sind, warum langweilen wir unser Publikum dann mit niveaulosen Präsentationen? Wer etwas besser machen will, muss seine Rastlosigkeit in den Griff bekommen und sich Zeit nehmen. Die wirklich kreativen Köpfe sehen Dinge aus einem anderen Blickwinkel, sie haben ihre eigenen Ansichten und Meinungen und sie stellen andere Fragen. Doch diese speziellen Eigenschaften – und auch das gute alte Bauchgefühl – können wir meist nur dann abrufen, wenn wir Innehalten und alle Aspekte einer bestimmten Situation analysieren. Ganz gleich, ob Sie Ingenieur, Mediziner oder Marketing Manager sind – während der Vorbereitung einer Präsentation sind Sie ein „Kreativer“. Und in dieser Eigenschaft müssen Sie sich von Computern, digitalen Denkweisen und Folien lösen und sich – falls möglich – eine Auszeit nehmen, während der Sie allein sind. Ein Grund dafür, dass so viele Präsentationen ineffektiv sind, ist, dass sich die Menschen keine Zeit nehmen – oder keine Zeit haben –, um einen Schritt zurückzutreten und durch einen Blick auf das Ganze zu erkennen, was eigentlich wichtig ist. Sie schaffen es nicht, die Präsentation um einzigartige, kreative oder neue Elemente zu erweitern. Und zwar nicht, weil sie uninspiriert sind, sondern weil ihnen einfach keine Zeit zum Innehalten und Reflektieren des Problems bleibt. Dabei ist es bekannt, dass das Erkennen der Problematik und die Suche nach der Kernaussage Zeit kostet. Zeit, die man nicht zwangsläufig allein verbringen muss. Entscheidend ist, dass man selbst zur Ruhe kommt und seine Gedanken auf die Aufgabe fokussieren kann. Ich behaupte nicht, dass Sie mit ein wenig Entspannung Lösungen für alle Probleme finden oder dass Sie kreativer werden. Allerdings werden Sie positiv überrascht sein, wie gut diese Form der Einsamkeit tun kann. Für meinen Teil kann ich nur bestätigen, dass mir das Innehalten hilft, klarer und strukturierter zu denken und das große Ganze zu erkennen. Und Klarheit sowie das große Ganze sind Elemente, die man in vielen Präsentationen vergeblich sucht. Auch will ich die Einsamkeit nicht überbetonen. Wir alle wissen, dass Einsamkeit auch negative Effekte haben kann. Allerdings dürfte kaum jemand, der voll in seinem Beruf aufgeht, über zu viel Einsamkeit klagen. Das Gegenteil dürfte wohl eher der Realität entsprechen.

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Das Bedürfnis nach Einsamkeit Viele glauben, dass die Einsamkeit zu den menschlichen Grundbedürfnissen zählt und dass ein Mangel Körper und Geist negativ beeinflussen kann. Dr. Ester Buchholz, eine Psychoanalytikerin und Psychologin, die 2004 im Alter von 71 Jahren verstorben ist, hat einige Untersuchungen zum Thema Einsamkeit, die sie übrigens als „Alleinzeit“ bezeichnet hat, durchgeführt. Dr. Buchholz war der Ansicht, dass die Gesellschaft Einsamkeit und allein verbrachte Zeit unterschätzt und der Gemeinsamkeit einen zu hohen Stellenwert einräumt. Sie vertrat die Auffassung, dass Zeiten der Einsamkeit wichtig sind, um unser kreatives Potenzial auszuschöpfen. „Kreative Lösungen erfordern Alleinzeit“, so Dr. Buchholz. „Das Unterbewusstsein nutzt temporäre Einsamkeit, um Probleme zu analysieren und Lösungen zu finden.“ Den zweiten Teil von Dr. Buchholz’ Zitat lesen Sie in der unten abgebildeten Folie, die ich bei meinen Ausführungen zum Thema Kreativität verwendet habe.

“Andere inspirieren uns, Informationen lehren uns, Übung verbessert uns. Doch wir benötigen Zeit, ” zu um zu reflektieren, die neuen Informationen



verarbeiten und die richtigen Antworten zu finden. — Ester Buchholz

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Um sich der Kreativität zu öffnen, muss man in der Lage sein, die Einsamkeit konstruktiv nutzen zu können. Man muss die Angst vor dem Alleinsein überwinden. —Rollo May

Die richtigen Fragen stellen Es heißt, Buddha hätte den Zustand der Menschheit mit einem Mann verglichen, der von einem Pfeil getroffen wurde. Die Situation ist dringlich und schmerzhaft. Lassen Sie uns annehmen, der Mann würde nicht nach sofortiger medizinischer Hilfe rufen. Er würde sich mehr für den Bogen interessieren, mit dem der Pfeil abgeschossen wurde. Er würde sich nach dem Hersteller des Bogens erkundigen. Fragen, woher die Personen, die Pfeil und Bogen angefertigt haben, kommen und welche Kriterien der Farbauswahl zugrunde lagen. Er stellt belanglose Fragen und vergisst darüber das dringendste Problem. In unserem Leben geht es oft so zu und wir sehen die Realität vor unseren Augen nicht, weil wir zu sehr Nebensächlichkeiten wie mehr Geld hinterherhecheln. Der Buddhist würde sagen, dass das Leben voller „Duhkha“ steckt, dass also Leiden und Unglück allgegenwärtig sind. Wir müssen nur die Augen öffnen, um das zu realisieren. Auf das Thema Präsentationen gemünzt, bedeutet dies: Ein Großteil aller Präsentationen ist mit Leiden verbunden. Dieses materialisiert sich in Form von Ineffektivität, verlorener Zeit und Unzufriedenheit, die sowohl den Präsentierenden als auch sein Publikum umfasst. Heutzutage diskutieren viele Berufstätige darüber, wie sich Präsentationen und Präsentationsstil verbessern lassen. Die Situation ist auf gewisse Weise gleichzeitig dringlich und schmerzhaft. Es ist wichtig. Dennoch dreht sich ein Großteil der Diskussionen um die Wahl der Slideware und die besseren Techniken. Welches Programm soll ich nutzen? Mac oder PC? Welche Animationen und Überblendungen sind cool? Was ist die beste Fernbedienung? Fragen wie diese sind zwar nicht gänzlich unerheblich, Diskussionen zum Thema „effektiver Präsentieren“ sollten sie aber nicht dominieren. Denn wenn wir den Fokus auf die Software und die Technik legen, lassen wir uns von dem ablenken, was wichtig ist. Viele Personen vergeuden während der Vorbereitung Zeit mit Überlegungen zu idealen Bulletformen, anstatt sich um die Entwicklung einer Geschichte zu kümmern, die perfekt auf die Zielgruppe zugeschnitten ist.

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Die falschen Fragen Dadurch, dass wir uns so sehr um Techniken, Tricks und Effekte kümmern, gleichen wir dem Mann, der von einem Pfeil getroffen wurde. Unsere Situation ist dringlich und schmerzhaft, doch wir stellen die falschen Fragen und fokussieren auf das relativ Unwichtige. Zwei der relativ unwichtigen Fragen, die ich erhalte – und ich erhalte wirklich viele – sind: „Wie viele Aufzählungszeichen soll ich pro Folie verwenden?“ und „Wie viele Folien soll ich in meine Präsentation einbauen?“ Meine Antwort? „Das hängt von vielen Faktoren ab … wie wäre es mit null?“ Mit dieser unpopulären Antwort gewinne ich sofort die Aufmerksamkeit der Leute. Auf Aufzählungszeichen gehe ich im Abschnitt Foliendesign (Kapitel 6) ein. Und die Frage nach der Anzahl der Folien darf sich gar nicht stellen. Ich habe langweilige Präsentationen erlebt, bei denen gerade fünf Folien zum Einsatz kamen. Und ich habe unterhaltsame Vorträge gesehen, bei denen weit über 200 Folien genutzt wurden. Die Anzahl spielt keine Rolle. Denn wenn die Präsentation gelungen ist, wird sich hinterher kein Mensch daran erinnern können, wie viele Folien verwendet wurden. Gut ist eben gut.

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Fragen, die Sie unbedingt stellen müssen Sie sind allein? Gut. Sie haben Bleistift und Papier? Noch besser. Sie sind entspannt und Ihr Geist ist klar? Hervorragend! Stellen Sie sich nun vor, welche Präsentation Sie nächsten Monat, kommende Woche oder gar morgen abhalten möchten (möchten, nicht müssen!). Beantworten Sie dann folgende Fragen: ■

Wie viel Zeit steht mir zur Verfügung?



In welcher Umgebung präsentiere ich?



Zu welcher Tageszeit findet die Präsentation statt?



Wie ist die Zusammensetzung des Publikums?



Welchen Background bringt das Publikum mit?



Was erwartet das Publikum von mir (uns)?



Warum wurde ich als Präsentierender ausgewählt?



Wovon möchte ich mein Publikum überzeugen?



Welches visuelle Medium ist unter den gegebenen Umständen am besten geeignet?



Was ist der grundlegende Sinn meiner Präsentation?



Und worauf kommt es an?



Das ist die mit Abstand wichtigste Frage, die bei der kompletten Vorbereitung im Mittelpunkt stehen sollte:

Was ist meine wichtigste Aussage? Oder anders ausgedrückt: Könnte sich das Publikum nur an ein einziges Detail Ihrer Präsentation erinnern, welches müsste es sein?

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Zwei Fragen: Worum geht’s? Und warum ist es wichtig? Die meisten Präsentationen, die ich besuche, laufen unter folgenden Bedingungen ab: Ein Spezialist auf seinem Gebiet erklärt – meist mit Unterstützung durch PowerPoint – einem Business-Publikum, das mit dem Fachgebiet nicht so vertraut ist, etwas Bestimmtes. Beispielsweise könnte ein Experte in Sachen Biokraftstoff den Mitgliedern einer Handelskammer die grundlegenden Informationen näherbringen und ihnen erklären, wo die Vorteile liegen. Kürzlich war ich exakt bei so einer Präsentation als Gast anwesend. Nachdem die Stunde vorüber war, erkannte ich, dass ich soeben Zeuge eines Wunders geworden war. Ich hatte es bis zu diesem Zeitpunkt nicht für möglich gehalten, dass ich eine Stunde lang einem in meiner Muttersprache gehaltenen Vortrag lauschen könnte, ohne auch nur ein einziges Wort zu verstehen. Zu „verdanken“ war dieser Umstand aber nicht PowerPoint oder schlecht gemachten Folien. Nein, schuld war der Präsentierende, der die Zuschauer mit seinem Fachchinesisch an den Rand der Verzweiflung trieb. Er hatte vergessen, sich zu fragen: Was ist mein Standpunkt? Und warum ist es wichtig? Keine Frage, für den Präsentierenden ist es nicht einfach, die Kernaussage so zu formulieren, dass alle Zuhörer verstehen, was wichtig ist. Warum das so wichtig ist? Hier geraten viele ins Stocken. Denn da der Präsentierende so sehr mit der Thematik vertraut ist, erscheint ihm die Frage nach der Wichtigkeit trivial. Ein Großteil seines Publikums wartet hingegen darauf, endlich zu erfahren, warum es sich mit dem Thema ernsthaft beschäftigen soll. Der Präsentierende muss überzeugend wirken, emotional sein, Einfühlungsvermögen an den Tag legen und schlüssig argumentieren. Einfühlungsvermögen bezieht sich in diesem Fall auf die Fähigkeit, zu erkennen, dass ein Teil des Publikums das – in seinen Augen so Offensichtliche – nicht erkennt und sich ein anderer Teil der grundlegenden Problematik zwar bewusst ist, jedoch keinen Anlass findet, sich damit ernsthaft auseinanderzusetzen. Erfahrene

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Präsentatoren versuchen, sich während der Vorbereitungsphase in die Rolle ihrer Zuhörer zu versetzen. Doch zurück zur langweiligsten Stunde der letzten Jahre. Der unheimlich intelligente, auf seinem Fachgebiet herausragende Präsentierende hat die Aufmerksamkeit des Publikums bereits vor dem ersten Satz verloren: Die Folien sahen aus, als wären sie bereits bei einer firmeninternen Präsentation zum Einsatz gekommen, bei der das Publikum aus Personen bestand, die detailliert mit der Thematik vertraut sind. Damit hat er die entscheidende Frage: „Warum ist es wichtig?“ ignoriert. Auch hat er während der Vorbereitung vergessen, sich Gedanken über seine Zuhörer zu machen. Zwei unverzeihliche Fehler.

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Dakara Nani? (Na und?) Ich stelle mir oft die Fragen „dakara nani?“ und „sore de …“; frei übersetzt: „Na und?“ und „Sie wollen auf … hinaus?“. Meist stelle ich diese Fragen während der Vorbereitung einer Präsentation oder wenn ich anderen Personen bei ihren Vorarbeiten helfe. Auch Sie sollten sich während der Vorbereitungsphase in die Rolle des Publikums versetzen und sich fragen: „Na und?“ Seien Sie hart und stellen Sie sich während der Planung die richtigen Fragen. Überlegen Sie, ob Ihre Argumente relevant sind. Sind Ihre Aussagen von allgemeingültiger Bedeutung oder sind sie nur für Sie – und eine Handvoll anderer Personen – von Interesse? Mit Sicherheit waren Sie selbst schon einmal unter den Zuhörern und haben sich gefragt, warum der Präsentierende von Dingen spricht, die in keinem Zusammenhang mit der Thematik stehen. Können Sie Ihre eigene Frage nicht beantworten, sollten Sie dieses Argument schleunigst verwerfen.

Bestehen Sie den „Fahrstuhltest?“ Kommen Sie mit „dakara nani“ nicht zum Erfolg, sollten Sie die Deutlichkeit Ihrer Kernaussage mit dem Fahrstuhltest prüfen. Diese Übung erfordert es, dass Sie Ihre Kernaussage in 30 bis 45 Sekunden „an den Mann bringen“. Stellen Sie sich diese Situation vor: Sie müssen eine neue Idee dem Marketingvorstand Ihrer Firma, einem weltweit führenden Technologieunternehmen, präsentieren. Die Zeit drängt, das Budget ist nicht groß. Dennoch haben Sie die große Chance, den Vorstand von Ihrer Idee zu überzeugen. Kaum im Vorstandssekretariat angekommen, kommt der Marketingvorstand aus seinem Büro und sagt, dass er einen dringenden Termin habe und ob es Ihnen etwas ausmache, ihm die Idee auf dem Weg in die Tiefgarage zu „präsentieren“. Wären Sie in der Lage, Ihre Idee während der 30 Sekunden langen Fahrt im Aufzug zu verkaufen? Klar, diese Situation ist fiktiv. Undenkbar ist sie aber nicht. Auch ist es möglich, dass Sie kurz vor Beginn Ihrer Präsentation darauf hingewiesen werden, dass die zur Verfügung stehende Zeit halbiert wurde. Würden Sie das hinkriegen? Probieren Sie es einfach aus, da diese Übung Ihnen hilft, Ihre Aussagen zu präzisieren und Ihre Präsentation zu schärfen.

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Bestehen Sie den Fahrstuhltest?

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Handzettel verschaffen Freiraum Haben Sie vor, nach der Präsentation Handzettel an das Publikum auszugeben, könnte Sie während der Planungsphase das Gefühl beschleichen, dass Sie nicht verpflichtet sind, alle Aspekte des Themas im Rahmen Ihres Vortrags zu behandeln. Die Gestaltung eines optimalen Dokuments – in dem so viele Detailinformationen stecken, wie Ihrer Meinung nach wichtig sind – ermöglicht es Ihnen, sich ganz genau zu überlegen, welche Informationen für die Zuhörer von größtem Interesse sind. Auch führt das Verfassen eines einwandfreien Dokuments dazu, dass Sie sich keine Gedanken über das Weglassen von Tabellen, Diagrammen und ähnlichen Elementen machen müssen. Niemand kann alle Aspekte in seinem Vortrag abhandeln. Dennoch stopfen viele Personen die Folien voll, bloß um zu zeigen, dass sie mit dem Thema bestens vertraut sind. Auch hat es sich eingebürgert, die vollgeschriebenen Folien auszudrucken und als Handzettel zu verteilen. Ein sehr großer Fehler, wie die Beispiele in diesem Buch zeigen. Sinnvoller ist es, ein stringentes Dokument zu gestalten, es dem Publikum nach dem Vortrag zu überreichen und die Präsentation bewusst einfach zu halten. Tun Sie mir einen Gefallen und verteilen Sie niemals die ausgedruckten Folien als Handzettel. Warum? David Rose, ein Experte auf dem Gebiet der Präsentationen kennt die Antwort: “Geben Sie niemals Kopien Ihrer Folien an das Publikum aus. Weder nach – und schon gar nicht vor der Präsentation! Dies würde das Ende bedeuten. Der Definition zufolge stellen Folien nichts weiter als Hilfsmittel dar, die den mündlichen Vortrag begleitend unterstützen. Und wer hält den Vortrag? SIE! Ohne Ihre mündlichen Erläuterungen ist der Informationsgehalt gering. Zudem werden die Zuhörer in Versuchung geführt, durch die Handzettel zu blättern, was ebenfalls ein KOKriterium ist. Stellen Sie sich folgende Frage: Sind Ihre Folien so gut, dass sie das Thema perfekt vermitteln? Ja? Schön für Sie, doch warum stehen Sie dann immer noch vorne herum? —David Rose

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Der Präsentationsdreisatz Ausgehend von der Prämisse, dass eine Präsentation aus drei Komponenten besteht – Folien, Notizen und Handzettel – liegt der Gedanke nahe, dass die Folien nicht zu viele Informationen enthalten sollten. Stattdessen lagern Sie die „nicht ganz so wichtigen“ Informationen in Ihre Notizen aus oder integrieren Sie in die Handzettel. Und obwohl diese Regel weder neu noch weltbewegend ist, wird sie von unzähligen Präsentatoren ignoriert. Sie füllen jede Folie bis zum Bersten, drucken die Folien aus und verteilen sie als Handzettel. Diese vier Folien habe ich übrigens während einer Präsentation zu diesem Thema verwendet, um diese Problematik zu visualisieren.

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Sie gestalten ein Dokument, keine Dokument gewordene Folienpräsentation Folien sind Folien. Dokumente sind Dokumente. Versuche, beide Elemente zu kombinieren, resultieren in einem Mischmasch, den ich scherzhaft als „Folienument“ bezeichne. Der Grund dafür, dass solche „Folienumente“ oft anzutreffen sind, ist die Zeit. Wer Stunden in die Vorbereitung einer Präsentation investiert, hat meist keine Zeit mehr, um auch noch ein ansehnliches Dokument zu verfassen. Um also zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen – oder wie wir in Japan zu sagen pflegen: iiseki ni cho – wird aus Folien per Copy&Paste ein Dokument. Die Intention ist zwar ehrenwert, das Ergebnis in höchstem Maße ernüchternd. Folien, die bei Präsentation zum Einsatz kommen, müssen Ihre mündlich vorgetragenen Argumente auf visuelle Art und Weise unterstützen und Ihre Aussagen verstärken. Die stärkste Waffe in der Argumentationskette ist das gesprochene Wort. Die von Ihnen angefertigten Handzettel folgen anderen Regeln. Denn da der Leser die im Handzettel zu Papier gebrachten Argumente ohne weitere Ausführungen und Erklärungen verstehen und akzeptieren muss, ist ein gänzlich anderer Ansatz zu verfolgen als bei der Präsentation. Oftmals ist es sogar nötig, bei den im Handzettel aufgeführten Informationen sehr ins Detail zu gehen. Menschen können schließlich wesentlich schneller lesen als zuhören. Oftmals basieren Präsentationen auf einem vom Präsentierenden verfassten Buch oder Artikel. In solchen Fällen ist klar, dass als „Handzettel“ das Buch bzw. Kopien des Artikels verteilt werden, so dass sich alle Interessierten tiefer in die Thematik einlesen können. Fördern Tagungen die Verbreitung von Folienumenten? Wie schon an anderer Stelle erwähnt, zeigen Tagungen, wie sehr die Welt von PowerPoint dominiert wird: Präsentationen müssen einem Muster folgen und weit vor Tagungsbeginn dem Organisator vorgelegt werden. Diese Präsentationen werden ausgedruckt und gebunden – oder auf eine DVD gebrannt – und den Teilnehmern ausgehändigt. Die Organisatoren scheinen also wirklich der Meinung zu sein, dass sich die Foliensammlungen sowohl zur Unterstützung des Präsentierenden als auch als Handzettel eignen. Wie wir alle wissen, ein Irrglaube, der dazu führt, dass sich Vortragende die Frage stellen müssen, ob sie die Folien so designen, wie es

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sich für eine Präsentation gehört oder ob sie bereits beim Foliendesign auf die Verwendung als Handzettel achten. Der goldene Mittelweg führt hier in die Irre. Die Folge: mittelmäßige Präsentationen, da die Folien bewusst schlicht gehalten sind. Und mittelprächtige Dokumentation, da die Seiten nicht sonderlich gut gelayoutet sind. Kurz: ein typisches Beispiel für ein „Folienument“. „Folienumente“ sind ineffektiv, kontraproduktiv und hässlich. Dazu passt der bekannte Spruch „Everybodies Darling is Everybodies Depp“. Und das ist schade, da der Präsentierende es gut gemeint hat. Allerdings hat er vergessen, dass die Präsentationsprogramme PowerPoint und Keynote nicht zum Gestalten aufwändiger Dokumente geeignet sind. Solche Tätigkeiten erledigt man idealerweise mit einer Textverarbeitung. Als ob Sie das nicht wüssten ... Ein Geheimnis ist, warum die Organisatoren nicht verlangen, dass die Redner ein Dokument einsenden, in dem die wichtigsten Punkte ihres Vortrags detailliert dargelegt sind. Eine klar strukturierte, ansehnlich gelayoutete und um ein Quellen- oder Literaturverzeichnis erweiterte Word- oder PDF-Datei wäre um ein Vielfaches sinnvoller. Glauben die Organisatoren allen Ernstes, dass ich seitenlange PowerPointPräsentationen „lesen“ will? Oder dass ich Lust habe, mehrere Monate alte Ausdrucke von PowerPoint-Präsentation hervorzukramen und zu versuchen, einen Sinn in den Diagrammen zu erkennen? Demgegenüber macht es immer Spaß, sich in gut geschriebene Texte zu vertiefen, um sein Wissen aufzufrischen. Um sich von der Masse der Präsentierenden abzuheben und bleibenden Eindruck zu hinterlassen, sollten Sie so vorgehen: Gestalten Sie eine einfache, von passenden Multimedia-Elementen unterstützte Präsentation. Verfassen Sie ein gut geschriebenes, perfekt ausformuliertes und ins Detail gehendes Dokument als Handzettel. Mit dieser Kombination machen Sie auf sich aufmerksam. Zwar müssen Sie deutlich mehr Zeit aufwenden, doch der Erfolg wird Ihnen Recht geben. Und schlussendlich kommt es nur darauf an.

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Folienumenten vorbeugen Die links unten abgebildete Folie zeigt die Häufigkeit von Fettleibigkeit in 30 Ländern. Dabei kommen zwei Präsentationsformen zum Einsatz: Tabelle und Diagramm. Beide Elemente wurden mit Excel gestaltet und in PowerPoint importiert. Diese Vorgehensweise ist völlig normal; nahezu alle Personen übernehmen mit Word oder Excel erstellte Elemente in ihre PowerPoint-Präsentationen. Dabei ist es für eine Präsentation nicht zwingend nötig alle Datensätze zu übernehmen. Sind alle Daten wichtig, etwa um Trends und Zusammenhänge zu visualisieren, sollten Sie diese Details in die Handzettel auslagern und sie den Zuhörern bereitstellen. Die Darstellung solcher Zahlenkolonnen per Folie ist problematisch, da nur wenig Platz zur Verfügung steht. Besser ist es, so wie in der rechten Folie gezeigt, die wichtigsten Datensätze zu präsentieren, sodass das Publikum auf einem Blick erkennt, worauf Sie hinauswollen, und ansonsten auf die Handzettel zu verweisen. So ist sichergestellt, dass Sie die ungeteilte Aufmerksamkeit des Publikums besitzen und Sie die Zuhörer gleichzeitig mit allen Details versorgt haben.

Anstatt Ihre Zuhörer mit Detailinformationen zu bombardieren, sollten Sie alle nicht zwingend nötigen Details aus Ihren Folien verbannen. Im Handzettel können Sie dann Ihrer Leidenschaft für Tabellen, Diagramme und Statistiken frönen. So schlagen Sie zwei Fliegen mit einer Klappe: Die Präsentation geht auf den Punkt; weiterführende Informationen finden alle Interessierten im Handzettel.

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Der Vorteil guter Planung Sind Sie gut vorbereitet und in der Lage, Ihre Aussagen zu schärfen – und den Fahrstuhltest zu bestehen –, können Sie die Kernaussage unter allen Rahmenbedingungen kommunizieren. Jim, einer meiner Bekannten aus Singapur, schickte mir diese E-Mail, in der er beschreibt, wie wertvoll gute Planung ist. Lieber Garr … wir haben einen neuen Interessenten und versuchten schon lange, einen Termin zu erhalten. Endlich hatte der Typ Zeit. Ich weiß, dass seine Aufmerksamkeitsspanne kurz ist. Deswegen habe ich einen simplen Ansatz gewählt und mich durch Inhalte, Kernaussage und Grafiken gequält. In seinem Büro angekommen, unterhielten wir uns ganz locker, so wie das vor Meetings üblich ist. Allerdings bewegte sich unser Gespräch immer mehr in Richtung des eigentlichen Themas, das wir sukzessive vertieften. Dann blickte er auf die Uhr und bedankte sich für den Besuch. Als wir das Büro verließen, meinte mein Begleiter, dass wir unsere Notebooks nicht eingeschaltet und den Interessenten dennoch überzeugt hätten. Zunächst fragte ich mich, warum ich so viel Zeit in eine Präsentation investiert hatte, die er nicht zu Gesicht bekommen hat? Doch schon bald ging mir ein Licht auf. In der Vorbereitungsphase geht’s in erster Linie um das Ordnen der Gedanken und die Entwicklung einer Geschichte, die das zu präsentierende Thema transportiert. Und da ich mich im Vorfeld recht tief in die Thematik eingearbeitet hatte, fiel es mir sehr leicht, meine Argumente mündlich vorzutragen. Selbst die Grafiken, die ebenfalls auf dem Notebook schlummerten und deren Gestaltung auch viel Zeit gekostet hatte, halfen mir beim Gespräch mit dem Interessenten. Jims Gedankengang ist sehr interessant. Bereitet man sich gut vor, stellt die Vorbereitungsphase eine große Hilfe dar, um sich noch besser mit einem Thema vertraut zu machen. Auch führt eine optimale Vorbereitung dazu, dass man auf alle Eventualitäten reagieren kann. Geht der Projektor fünf Minuten vor Ihrer Präsentation kaputt? Kein Problem, Sie tragen aus dem Stegreif vor.

Kapitel 3 Analoge Planung

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Fällt Ihrem Kunden ein, dass er keine Lust auf PowerPoint-Folien hat, setzen Sie sich an den Tisch und legen ihm Ihre Ideen mündlich dar. In der Planungsphase kommt es darauf an, dass Ihr Geist klar ist, Sie sich auf das Thema fokussieren und sich nicht ablenken lassen. Ich stehe sehr auf Technologie und bin auch der Meinung, dass Slideware in vielen Situationen eine große Hilfe darstellt. Doch in der Planungsphase vertraue ich auf „analoge Techniken“: Papier und Bleistift, Weißwandtafel, ein Notizbuch, in dem ich während der Fahrt ins Büro meine Ideen skizziere. Erlaubt ist, was für Sie funktioniert. Peter Drucker bringt es auf den Punkt: „Der Computer ist ein Idiot.“ Nur Sie, Ihre Ideen und Ihr Publikum zählen. Ignorieren Sie den PC in der frühen Planungsphase, also genau dann, wenn Kreativität gefragt ist. Ich für meinen Teil weiß, dass ich dann die besten Ideen habe und am klarsten denken kann, wenn meine Computer nicht in der Nähe sind. Der Sinn, der dahintersteckt, ist klar: Entspannung, Ruhe und die Nutzung „analoger Techniken“ helfen, die Kernaussage während der Vorbereitungsphase zu identifizieren, zu präzisieren und zu transportieren. Mit der Kernaussage steht und fällt jede Präsentation. Wie schon erwähnt, sollten Sie sich Folgendes überlegen: Wenn sich Ihre Zuhörer nur ein Detail merken könnten. Welche Aussage sollte das sein? Und warum? Je besser Sie Ihre Ideen und die Kernaussage in Gedanken ausformulieren und sie dann auf Papier festhalten, desto einfacher wird es Ihnen fallen, Folien und Multimedia-Elemente, die Sie bei der Präsentation Ihrer Ideen unterstützen sollen, zu designen und zu organisieren.

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ZEN oder die Kunst der Präsentation

Auf einen Blick ■

Bremsen Sie sich. Gönnen Sie Ihrem Geist Ruhe, um Probleme und Ziele klarer vor Augen zu haben.



Verbringen Sie ein wenig Zeit allein, um das große Ganze zu sehen.



Fahren Sie den Rechner herunter, um Ihre Sinne für das Wesentliche zu schärfen.



Skizzieren Sie Ihre Ideen mittels Papier und Bleistift – oder auf eine Tafel.



Die zwei wichtigsten Fragen, die Sie sich immer wieder stellen müssen: Was ist die Kernaussage? Warum ist etwas wichtig?



Könnte sich Ihr Publikum nur an ein einziges Detail erinnern, für was würden Sie sich entscheiden?



Die Gestaltung aufwändiger Handzettel sorgt dafür, dass Sie nicht jedes kleine Detail in die Folien quetschen müssen.

Kapitel 3 Analoge Planung

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