DOKUMENTATION. Fortbildungsangebot zum Programm Jugensozialarbeit an Berliner Schulen

2010 1. BERLINER FACHTAG - BEREICH GRUNDSCHULEN MIT „SCHWIERIGEN“ SCHÜLERN UNTERSTÜTZEND ARBEITEN 03. UND 10.06. 2010 IM PÄDAGOGISCHEN INFORMATIONSZE...
Author: Melanie Beltz
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1. BERLINER FACHTAG - BEREICH GRUNDSCHULEN MIT „SCHWIERIGEN“ SCHÜLERN UNTERSTÜTZEND ARBEITEN 03. UND 10.06. 2010 IM PÄDAGOGISCHEN INFORMATIONSZENTRUM MITTE (PIZ)

Fortbildungsangebot zum Programm „Jugensozialarbeit an Berliner Schulen“ Sozialpädagogisches Fortbildungsinstitut Berlin-Brandenburg in Kooperation mit der Regionalen Fortbildung Berlin

Programm „Jugendsozialarbeit an Berliner Schulen“ gefördert von

DOKUMENTATION

IMPRESSUM Herausgeber Senatsverwaltung für Bildung, Wissenschaft und Forschung Otto-Braun-Str. 27 10178 Berlin

Redaktion Renate Jakobs, Sozialpädagogisches Fortbildungsinstitut Berlin-Brandenburg Birgit Haupt, Senatsverwaltung für Bildung, Wissenschaft und Forschung, Regionale Fortbildung

Tagungsplanung und Durchführung Renate Jakobs, Sozialpädagogisches Fortbildungsinstitut Berlin-Brandenburg Birgit Haupt, Senatsverwaltung für Bildung, Wissenschaft und Forschung, Regionale Fortbildung

Fotos Michaela Streich, Renate Jakobs

Gestaltung und Bearbeitung Bernd Mahrin, Berlin Winnie Mahrin, Berlin

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1. BERLINER FACHTAG - BEREICH GRUNDSCHULEN MIT „SCHWIERIGEN“ SCHÜLERN UNTERSTÜTZEND ARBEITEN 03. UND 10.06. 2010 IM PÄDAGOGISCHEN INFORMATIONSZENTRUM MITTE (PIZ)

DOKUMENTATION Fortbildungsangebot zum Programm „Jugensozialarbeit an Berliner Schulen“ Sozialpädagogisches Fortbildungsinstitut Berlin-Brandenburg in Kooperation mit der Regionalen Fortbildung Berlin

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Inhalt

1. Fachtag Sozialarbeit an Berliner Grundschulen 3. und 10. Juni 2010

INHALT Impressum Vorwort Programm Grußworte Brigitte Meier, Sen BFW

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Anne Lersch, SFBB

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Hartmut Brocke, SPI Impulsreferat Zur Rolle der Schulsozialarbeit im Kontext kompensatorischer und entwick-

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lungsförderlicher Grundschulerziehung Prof. Dr. Ulf Preuss-Lausitz, TU Berlin Übersicht Worshops Workshops Für die Bezirke Neukölln, Friedrichshain-Kreuzberg, Steglitz-Zehlendorf, 03.06.2010 Tempelhof-Schöneberg und Treptow-Köpenick

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Time-out: Life Space Crisis Intervention (LSCI) – Deeskalation in Alltagssituationen Gabriele Hofmann, Sonderpädagogin, Trainerin für Entwicklungspädagogik

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Konfrontative Pädagogik in der Arbeit mit Kindern mit Migrationshintergrund Mohamed Akkad, Dipl.-Psychologe

40-46

Kommunikation mit Kindern – helfende Worte im Konflikt Simone Hohberg, Erzieherin, Multiplikatorin Ganztag

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Reise in das Selbst – Neue Wege der Prävention in der sozialen Gruppenarbeit André Raguse, Erzieher

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Selbstwertstärkung für Mädchen durch Selbstverteidigung und Karate Bärbel Seiler, Schulsozialarbeiterin

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Ins Spiel kommen Gabriele Meisner, Dipl.-Sozialpädagogin, Dozentin für Spielpädagogik

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Mobbing – Nein danke! Ute Winterberg, Lehrerin, Schulmediatorin

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1. Fachtag Sozialarbeit an Berliner Grundschulen 3. und 10. Juni 2010

Inhalt

Workshops Für die Bezirke Mitte, Charlottenburg-Wilmersdorf, Spandau, Pankow, 10.06.2010 Lichtenberg-Hohenschönhausen, Marzahn-Hellersdorf und Reinickendorf Kommunikation mit Kindern – helfende Worte im Konflikt Simone Hohberg, Erzieherin, Multiplikatorin Ganztag

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Sag einfach Stopp! Christine Spies, Lehrerin, Trainerin für Gewaltprävention, Coolness-Trainerin

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Konfrontative Pädagogik Susanne Zimmermann, Sozialpädagogin

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Reise in das Selbst – Neue Wege der Prävention in der sozialen Gruppenarbeit 52-53 André Raguse, Erzieher Ins Spiel kommen Gabriele Meisner, Dipl.Sozialpädagogin, Dozentin für Spielpädagogik

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Wahrnehmungsförderung durch Bewegung Margit Szlezak, Lehrerin, Tanzpädagogin

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Mobbing – Nein danke! Ute Winterberg, Lehrerin, Schulmediatorin

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Abschluss mit dem Playback Theater Berlin Eindruck einer Beobachterin Resumee Teilnehmende Schulen und Träger Gäste und Dozentinnen/ Dozenten Weiterführende Literatur 2010 Regionale Fortbildung Berlin und SFBB

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Vorwort Anne Lersch und Antje Ipsen-Wittenbecher

1. Fachtag Sozialarbeit an Berliner Grundschulen 3. und 10. Juni 2010

ANNE LERSCH ANTJE IPSEN-WITTENBECHER Leiterin des Sozialpädagogischen Fortbildungsinstituts Berlin-Brandenburg (SFBB)

Referentin Regionale Fortbildung Berlin (Sen BWF)

Nachdem im Jahr 2006 das aus ESF- und Landesmitteln finanzierte Programm „Jugendsozialarbeit an Berliner Schulen“ durch die Senatsverwaltung für Bildung, Wissenschaft und Forschung an Berliner Hauptschulen eingeführt wurde, konnte es im Schuljahr 2009/10 auch auf den Bereich der Berliner Grundschulen ausgeweitet werden. Die bisherigen Ergebnisse zeigen, dass die verstärkte Kooperation der Schule mit der Jugendhilfe durch den Einsatz von Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen der freien Träger der Jugendhilfe unmittelbar an den Schulen eine gute Voraussetzung für eine intensive und bessere individuelle Förderung aller Schülerinnen und Schüler sowie eine Verbesserung individualisierter Lernprozesse ist. Damit wurden auch die Erfahrungen aus den Schulstationen der Ganztagsgrundschulen berücksichtigt. Seit September 2009 kooperieren nun Lehrerinnen und Lehrer sowie Erzieherinnen und Erzieher in 74 Berliner Ganztagsgrundschulen mit Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen von 43 freien Trägern der Jugendhilfe mit dem Ziel, Kinder auf ihren individuellen Bildungswegen systematisch zu unterstützen und für eine gute soziale Integration zu sorgen. Für eine umfassende Bildung der Kinder bietet das ganztägige Lernen beste Chancen. Alle beteiligten Pädagogen haben sich erfolgreich an die Erarbeitung einer schulspezifischen Konzeption gemacht. Diese gilt es nun mit den Partnern umzusetzen. In Anknüpfung an die Erfahrungen der erfolgreichen Begleitung von Kooperationen zwischen Lehrkräften und Sozialpädagogen im Tandem für den Bereich der Berliner Hauptschulen wird auch das Programm für die Grundschulen durch eine berufsübergreifende Fortbildung für das Schultridem Lehrkraft - Sozialpädagog/in - Erzieher/in begleitet. Das Fortbildungsprogramm wird vom Sozialpädagogischen Fortbildungsinstitut Berlin-Brandenburg (SFBB) und der Regionale Fortbildung der Senatsverwaltung Bildung, Wissenschaft und Forschung im Rahmen von regionalen Veranstaltungen und Fachtagungen durchgeführt. 6

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1. Fachtag Sozialarbeit an Berliner Grundschulen 3. und 10. Juni 2010

Vorwort Anne Lersch und Antje Ipsen-Wittenbecher

Während der ersten sieben Regionalkonferenzen präsentierten die Tridems der am Programm teilnehmenden Schulstandorte Schwerpunkte ihrer Kooperation •

zur Unterstützung der Schülerinnen und Schüler in der Bewältigung ihres schulischen Alltags unter Berücksichtigung ihres sozialen Umfeldes



zur Förderung des Selbstvertrauens und der Lernmotivation, des Sozialverhaltens und der Leistungsbereitschaft der Schülerinnen und Schüler



zur sozialräumlichen Vernetzung der Angebotsstrukturen im Bereich Schule und Jugendhilfe



zum engen integrierten Zusammenwirken von Schul- und Sozialpädagogik im Rahmen der schulischen Gesamtkonzeption.

Darüber hinaus wurde geschildert, wie die Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen an der Schule angekommen sind und welche ersten Schritte zum Aufbau der Zusammenarbeit der Tridempartner gegangen wurden. Im Rahmen des Tridemfortbildungsprogramms wurden im Juni 2010 die am Programm beteiligten Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen, Lehrerinnen und Lehrer sowie Erzieherinnen und Erzieher zum 1. Berliner Fachtag für den Bereich der Grundschulen eingeladen. Damit eine gute Arbeitsatmosphäre für alle Teilnehmenden gewährt werden konnte, wurde der Fachtag am 3. Juni 2010 für die Regionen Neukölln, Friedrichshain-Kreuzberg, Steglitz-Zehlendorf, Tempelhof-Schöneberg und TreptowKöpenick und am 10. Juni 2010 für die Regionen Mitte, Charlottenburg-Wilmersdorf, Spandau, Pankow, Lichtenberg-Hohenschönhausen, Marzahn-Hellersdorf und Reinickendorf ausgerichtet. Mit diesem ersten Fachtag „Mit ‚schwierigen‘ Schülern unterstützend arbeiten - Kompetenzen entwikkeln, Prävention stärken, Entwicklungen fördern“ wurde ein Thema aufgegriffen, welches in besonderem Maße die enge Zusammenarbeit aller pädagogischen Fachkräfte an der Schule herausfordert. Rezepte dafür gibt es nicht, jedoch verdeutlichten sowohl das Impulsreferat von Professor Preuss-Lausitz als auch die Workshops, dass es unterschiedliche Zugänge und Ansätze gibt, sich diesem Thema zu stellen und dabei die unterschiedlichen schulischen und sozialpädagogischen Ansätze zu nutzen und die jeweiligen Ressourcen in einem integrierten Konzept zu verzahnen. Das bedeutet auch, das eigene Rollenverständnis zu überprüfen. Die vorliegende Dokumentation gibt einen Überblick über den Verlauf beider Tage und fasst die Inhalte des Einführungsreferats und der verschiedenen Workshops zusammen. Im Schuljahr 2010/11 wird das Fortbildungsprogramm mit weiteren regionalen Fortbildungen und Fachtagungen die Arbeit der Tridems unterstützen.

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Vorwort

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A. Lersch und A. Ipsen-Wittenbecher

1. Fachtag Sozialarbeit an Berliner Grundschulen 3. und 10. Juni 2010

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2. Tanden-Fachtag Jugensozialarbeit an Berliner Hauptschulen16.10.2008

Programm

PROGRAMM 9.00 - 9.10 Uhr

Begrüßung Birgit Haupt, SenBWF Renate Jakobs, SFBB

9.10 - 9.30 Uhr

Grußworte Brigitte Meier, SenBWF Anne Lersch, SFBB Hartmut Brocke, SPI

9.30 - 10.30 Uhr

Impulsreferat Zur Rolle der Schulsozialarbeit im Kontext kompensatorischer und entwicklungsfördernder Grundschulerziehung Prof. Dr. Ulf Preuss-Lausitz, TU Berlin

10.30 - 10.45 Uhr

Kaffeepause

10.45 - 12.30 Uhr

Workshops I

12.30 - 13.30 Uhr

Mittagspause

13.30 - 15.15 Uhr

Workshops II

15.15. -15.30 Uhr

Pause

15.30 - 16.00 Uhr

Abschluss mit dem Playback Theater Berlin

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Grußwort Brigitte Meier

1. Fachtag Sozialarbeit an Berliner Grundschulen 3. und 10. Juni 2010

BRIGITTE MEIER Sen BWF Referat II D

Liebe Kolleginnen und Kollegen, gern bin ich der Einladung von Frau Jakobs und Frau Haupt gefolgt und freue mich, Sie heute im Namen des Referats Grundsatzangelegenheiten der Grundschule der Senatsverwaltung für Bildung herzlich begrüßen zu dürfen. Vor etwas mehr als einem Jahr konkretisierte sich die Erweiterung des Programms Jugendsozialarbeit in Berliner Schulen dahingehend, dass die Finanzierung aus Landesmitteln von 74 Stellen für Sozialpädagogen und Sozialpädagoginnen an Grundschulen in Berlin gesichert war. Auch wenn von Seiten unseres Referats kein Einfluss auf die Auswahl der beteiligten Grundschulen genommen wurde, dies oblag den regionalen Außenstellen im Zusammenwirken mit den Jugendämtern, haben wir in vielen Punkten versucht, die Weichen für einen guten Start des Programms zu stellen. So konnten wir in enger Kooperation mit dem SPI an der Formulierung der Kooperationsvereinbarungen zwischen den Schulen und den Trägern der freien Jugendhilfe mitwirken. Auch die frühzeitige Informationsveranstaltung, an der neben den Schulleitungen und Koordinierenden Erzieherinnen die Vertreter der Träger eingeladen waren, hat sicherlich zu einem relativ reibungslosen Beginn der Maßnahme in Ihren Schulen geführt. Und dass Sie die Projekte auch gleich mit viel Energie und Innovationsbereitschaft angegangen haben, konnte ich den Berichten entnehmen, die Sie am Ende des Jahre 2009 an das SPI übermittelt haben. Von Anfang an habe ich großen Wert darauf gelegt, dass stets die Erzieherinnen und Erzieher einbezogen werden, die in unseren gebundenen oder offenen Ganztagsgrundschulen mit den Kindern und mit den Lehrkräften arbeiten. Ich selbst blicke auf eine jahrzehntelange Praxis als Lehrerin in einer ge-

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1. Fachtag Sozialarbeit an Berliner Grundschulen 3. und 10. Juni 2010

Grußwort Brigitte Meier

bundenen Ganztagsgrundschule und die Erfahrungen im Zusammenwirken mit Erzieherinnen zurück. Nur wenn wir die vielbeschriebene Kooperation auch wirklich leben, kann die Qualitätsentwicklung der Berliner Schullandschaft voranschreiten. Nun ist in diesem Programm zu der in vielen Schulen bereits erprobten und bewährten Kooperation zwischen Lehrkräften und Erzieherinnen die Zusammenarbeit mit den Sozialpädagog/innen hinzu gekommen. Einige wenige von Ihnen werden bereits in den vergangenen Jahren Erfahrungen mit Schulstationen bzw. Schülerclubs gesammelt haben, für die meisten hieß es jedoch wahrscheinlich Neuland betreten, wenn mit Beginn des laufenden Schuljahres eine neue Profession als Mitglied der Schule aufgenommen werden sollte. Um diese Zusammenarbeit zu einem festen Bestandteil des Schullebens zu machen, wurde bereits in den Verträgen Wert darauf gelegt, dass die Schulen feste Ansprechpartner sowohl aus dem Lehrerkollegium als auch aus dem Erzieherbereich benennen. In dieser Dreierkonstellation, den „Tridems“ haben Sie bereits an Fortbildungen teilgenommen und sind auch heute zu diesem Fachtag erschienen. Mit dem Fortbildungsprogramm leisten Frau Haupt und Frau Jakobs einen wichtigen Beitrag zur Entwicklung der Schulqualität – an dieser Stelle dafür meinen ganz herzlichen Dank. Schon lange können wir Schule nicht mehr mit Unterricht gleichsetzen. Es geht vielmehr darum, die jungen Menschen in ihrer Gesamtheit zu betrachten, die ganzheitliche Bildung im Blick zu haben, neben formalem Lernen möglichst viel informelle Lernsituationen anzubieten, wie es im rhythmisierten Ganztag möglich ist. Wegen stärkerer Gewichtung der Kompetenzorientierung, die in den Rahmenlehrplänen verankert ist, gegenüber einem Defizitansatz übernimmt Schule vermehrt Aufgabenstellungen über ihren „klassischen“ Auftrag der Wissensvermittlung hinaus. Schule öffnet sich in den Sozialraum, es entstehen Bildungsbündnisse - hier kann uns Jugendsozialarbeit in vielerlei Hinsicht als kompetenter Partner mit großem Erfahrungsschatz z. B. in Hinblick auf Netzwerke zur Seite stehen. Die intensive und systematische Kooperation von Schule und Jugendhilfe im Sinne einer gemeinsamen Verantwortung für die Entwicklung und den Schulerfolg aller Schüler/innen, wie sie in den vielen Projekten in Ihren Schulen sichtbar wird, trägt ganz wesentlich dazu bei, die jungen Menschen zu einem selbstverantwortlichen Leben als mündige Bürger in unserer Demokratie zu erziehen. Heute geht es um „schwierige“ Kinder, die unsere Unterstützung brauchen. Hier haben wir den Ansatz der Intervention im Blick. Ich denke, wir sollten uns fragen: Ist nicht eher die Situation, in der sich das Kind befindet, eine schwierige und das Kind ist gezwungen, darauf zu reagieren? Kann bereits präventiv so gearbeitet werden, dass sich die Anzahl der schwierigen Bedingungen für das Kind verringert? Wo liegen die Ursachen für schwierige Konstellationen? Das sind meine Fragen - Sie werden Ihre speziellen Fragen und Erwartungen an die heutige Tagung haben. Ich wünsche Ihnen, dass Sie in den vielfältigen Arbeitsgruppen Antworten finden, interessante Gespräche führen werden und viel Anregung für Ihre tägliche Arbeit mitnehmen können. Jugendsozialarbeit ist sicherlich kein Allheilmittel, um schwierige Situationen zu glätten, „schwierige“ Schüler zu beruhigen, doch ich empfinde Ihre Arbeit als eine große Bereicherung, es ist für die Schulen fantastisch, dass wir Sie haben, vielen Dank.

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Grußwort Anne Lersch

1. Fachtag Sozialarbeit an Berliner Grundschulen 3. und 10. Juni 2010

ANNE LERSCH Leiterin des Sozialpädagogischen Fortbildungsinstituts Berlin-Brandenburg (SFBB)

Sehr geehrte Frau Meier, sehr geehrter Herr Brocke, sehr geehrter Herr Professor Preuß-Lausitz, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Referenten, Mitwirkende und Teilnehmende, hiermit begrüße ich Sie herzlich zum 1. Berliner „Tridem – Fachtag“ im Rahmen des ESF Fortbildungsprogramms „Jugendsozialarbeit an Berliner Grundschulen“. Unter dem Dach von SFBB und Regionaler Lehrerfortbildung treffen sich hier Lehrer/-innen, Sozialpädagogen/-innen und Erzieher/-innen von Grundschulen und freien Trägern der Jugendhilfe zum Austausch, zur Meinungsbildung und für eine Art Bilanz zum Stand der gegenseitigen Kenntnisse der Arbeitsfelder, der Kooperationsbeziehungen und von Erfahrungen. Der staatliche Erziehungsauftrag richtet sich in sehr ähnlichen Formulierungen an die Schule und die Jugendhilfe. Um aus dem Jugendhilfe Gesetz zu zitieren: „Jeder junge Mensch hat ein Recht auf Förderung seiner Entwicklung und auf Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit“ (SGB VIII §1) Zur Erreichung dieses Ziels werden vielfältige Leistungen angeboten, zu denen die schulbezogene Kinder- und Jugendarbeit und die Jugendsozialarbeit gehören. Sie kennen diese Beispiele: Nico kommt unregelmäßig und ständig verspätet zur Schule, Laila hat trotz guter Noten erhebliche Probleme in ihrer Familie. Beide suchen nach einem Weg für ihr Leben, haben Hoffnung auf Teilhabe und Integration.

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1. Fachtag Sozialarbeit an Berliner Grundschulen 3. und 10. Juni 2010

Grußwort Anne Lersch

In der Begründung für das Gesetzeswerk aus dem Jahr 1991 steht: „Die individuellen Lebensgeschichten von schulmüden und schulschwachen Kindern und Jugendlichen sind der Hintergrund für die Angebote der Jugendsozialarbeit. Dabei ist Jugendsozialarbeit nicht einfach soziale Arbeit mit Jugendlichen, sondern ein Feld der Jugendhilfe, was sich mit der Lebensplanung rund um den Übergang von Schule in den Beruf, in die Arbeits- und Ausbildungswelt beschäftigt“. Jugendsozialarbeit bietet Hilfen zum Ausgleich sozialer Benachteiligungen und zur Überwindung individueller Beeinträchtigungen, besonders für die, die in erhöhtem Maße auf Unterstützung angewiesen sind. Die sozialpädagogischen Hilfen fördern die soziale Integration und den Übergang in die Oberschulen und Ausbildungswege. Die Maßnahmen beziehen sich auf das gesetzliche Oberziel: „Erziehung junger Menschen zur eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit“. Dieser Fachtag möchte – wie das gesamte Fortbildungsangebot – einen Anstoß geben, dass • Sozialpädagogen/-innen, Lehrer/-innen und Erzieher/-innen gemeinsame Methoden entwickeln, um Kinder und Jugendliche auf dem Weg in die Selbständigkeit zu begleiten, •

sich eine integrative – nicht nur additive Sozialarbeit – an den Grundschulen entwickelt,



Schüler/-innen zusätzliche Unterstützung bekommen und



eine Partnerschaft von öffentlichen und freien Trägern der Jugendhilfe mit Schule begründet wird.

Dieses Tridem-Modell ist eine lebendige Chance einer sinnvollen Kooperation, damit ein abgestimmtes Maßnahmenpaket zum Nutzen junger Menschen und ihrer Lebensgestaltung entwickelt wird. 1. Die Fortbildung dankt dem großen Kreis an Partnern und Mitorganisatoren, ohne die das große Spektrum an Themen, dass in Foren und Workshops vorgestellt wird, nicht möglich wäre, insbesondere SenBildWiss, den Grundschulen, dem SPI, den freien Trägern der Jugendhilfe, dem Caterer, der uns heute bewirtet und den beiden Organisatorinnen Frau Haupt und Frau Jakobs. 2. Diese Tagung dient durch die mit Spannung erwarteten Vorträge und Workshops der Qualifikation der Fachkräfte, damit diese ihre Bildungs-, Betreuungs-, und Beratungs-Leistungen für die ihnen anvertrauten Jugendlichen und Heranwachsenden erbringen können und damit sie die Rat und Hilfe suchenden Eltern und Familien unterstützen und begleiten können. Im vorliegenden Programm sind Impulse aus der Praxis und aus der Wissenschaft aufgegriffen, um den Herausforderungen zu entsprechen. 3. Möge diese Tagung angesichts der Herausforderungen an die Schüler/-innen, die aus Sicht der Jugendhilfe „junge Menschen“ sind, das Engagement, die Visionen und die Empathie von Lehrern/ -innen, Erzieher/-innen und Sozialpädagogen beflügeln. Vielen Dank Anne Lersch

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Grußwort Hartmut Brocke

1. Fachtag Sozialarbeit an Berliner Grundschulen 3. und 10. Juni 2010

HARTMUT BROCKE Direktor der Stiftung Sozialpädagogisches Institut „Walter May“ Berlin (SPI), Leiter der Programmagentur „Jugendsozialarbeit an Berliner Schulen“

Sehr geehrte Damen und Herren, gern möchte ich Sie im Namen der Programmagentur – die Stiftung SPI ist als Programmagentur Koordinatorin und Verwalterin des Gesamtprogramms – zur ersten gemeinsamen Fachtagung aller 74 Grundschulen-Tridems am heutigen Tag herzlich begrüßen. Im Folgenden möchte ich Ihnen einen kurzen Überblick über das Programm geben und ein paar – durchaus anerkennende – Worte zum Start und zur Umsetzung des Programms an den Grundschulen an Sie richten. Zum Gesamtprogramm: Rahmen und Daten Die Senatsverwaltung für Bildung, Wissenschaft und Forschung hat 2006 ein aus ESF- und Landesmitteln finanziertes Programm initiiert, um Jugendsozialarbeit an Berliner Schulen verstärkt zu etablieren. Das Programm „Jugendsozialarbeit an Berliner Schulen“ ist eine intensive und systematische Kooperation von Schule und Jugendhilfe im Sinne einer gemeinsamen Verantwortung für die Entwicklung und den Schulerfolg aller Schüler/innen. Ziel des Programms ist es, mehr Bildungsgerechtigkeit zu verwirklichen. Über Kooperationsverträge wird sichergestellt, dass Schule und Jugendhilfe verbindlich zusammenarbeiten, regelt dieser doch die Grundlagen Ihrer gemeinsamen Arbeit: Ziele, Inhalte, Raumnutzung, Sachkosten, Personal, Weisungsrechte, Unfallversicherung, Datenschutz und vieles mehr. Der unterzeichnete Kooperationsvertrag zwischen Träger und Schule muss durch die bezirkliche Jugend- und Schulverwaltung sowie durch das Schulamt mitgezeichnet werden. Zur Historie des Programms: Im Jahr 2006 ist das Programm „Jugendsozialarbeit an Berliner Schulen“ an 50 Hauptschulen gestartet, 2007 kamen 50 Förderzentren und 2008 eine Berufliche Schule dazu. Zum September 2009 erfolgte schließlich eine große Erweiterung auf 74 Grundschulen und 11 weitere

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Grußwort Hartmut Brocke

Berufsschulen. Insgesamt sind Sozialarbeiter/innen auf 161,5 Stellen an 186 beteiligten Schulen über 70 verschiedene Träger der Kinder- und Jugendhilfe mit der Umsetzung des Programms „Jugendsozialarbeit an Berliner Schulen“ beauftragt. Umsetzung des Programms an den Grundschulen: Rahmen und Daten Mittlerweile haben Sie bereits den zweiten Antrag für das aktuelle Programmjahr 2010 gestellt und dazu will ich Ihnen im Folgenden einige Zahlen und inhaltliche Schwerpunktsetzungen nennen, die auch für die Einordnung Ihrer eigenen Arbeit interessant sind. Zum 01.01.2010 sind insgesamt 74 Berliner Grundschulen am Programm beteiligt. Die Finanzierung der Projekte erfolgt für den Förderzeitraum vom 01.01.2010 bis zum 31.12.2010 aus Landesmitteln. Auf den 74 Stellen arbeiten insgesamt 117 Fachkräfte der Sozialen Arbeit: 80 Sozialarbeiterinnen (entspricht ca. 70%) und 37 Sozialarbeiter (entspricht ca. 30%). Einen eigenen Migrationshintergrund – überwiegend türkisch/arabisch – haben 17 Sozialarbeiter/innen (entspricht ca. 15%). An 43 von den 74 Grundschulen sind die Stellen gesplittet: an 26 Schulen bestehend aus einem gemischtgeschlechtlichen Team. Umsetzung des Programms an den Grundschulen: Arbeitsschwerpunkte In den ersten vier Monaten 2009 lag der Schwerpunkt an den Grundschulen in der Herstellung der eigenen Arbeitsfähigkeit und dem Kennenlernen der Strukturen und Personen vor Ort. Die Einrichtung der Räumlichkeiten wurde durch Schule, Träger und an einigen Standorten auch durch die Eltern unterstützt. Die Sozialarbeiter/innen haben sich persönlich auf relevanten Schulveranstaltungen und in den Klassen vorgestellt. Auch durch Flyer oder Aushänge im Schulgebäude oder sogar durch eine Schnitzeljagd mit dem Büro der Sozialarbeiterin als Ziel wird auf die Angebote der Schulsozialarbeit aufmerksam gemacht. An das Kennenlernen schlossen sich Aktivitäten zur schulinternen Vernetzung an. Tridems und Steuerungsgruppen (unter Einbezug der Schulleitung und Trägerleitung/-koordination) konkretisieren die Bedarfe an den einzelnen Standorten und definieren die Aufgaben und Rollen der Akteure. Die Einzelfallarbeit mit den Schülern/innen stellt von Beginn an einen der wichtigsten Arbeitsbereiche dar. In gemeinsamen Gesprächen mit den Schüler/innen, ihren Eltern und in Absprache mit den (Klassen-)Lehrer/innen werden hier schulische, persönliche und familiäre Probleme beraten und ggf. weiterführende Hilfe angebahnt. Bedingt durch das Alter der Schüler/innen bestand bereits in den Vorgaben des Programms ein weiterer Arbeitsschwerpunkt an den Grundschulen in der Elternarbeit. Die persönliche Vorstellung der Sozialarbeiter/innen erfolgte auf Elternabenden, in den Elterncafés, durch die Teilnahme an Eltern-Gesprächen oder anhand von Elternbriefen und Flyern. Erste Angebote zur Unterstützung der Eltern in ihren Erziehungskompetenzen werden bereits unterbreitet, so zum Beispiel der Kurs „Starke Eltern – Starke Kinder“, die Initiierung eines themenorientierten Eltern- oder Erzählcafés oder auch die Überreichung einer Elternschultüte mit Informationsmaterial und Spielen für die Kinder. Die Sozialarbeiter/innen stehen den Eltern zu regelmäßigen Sprechzeiten zur Verfügung, individuell vereinbarte Termine nehmen Eltern aktuell jedoch häufiger in Anspruch.

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Grußwort Hartmut Brocke

1. Fachtag Sozialarbeit an Berliner Grundschulen 3. und 10. Juni 2010

Ebenfalls von Beginn an sind die Sozialarbeiter/innen in die Angebote zur Stärkung der Sozialen Kompetenzen einbezogen. Zielgruppe sind hier vielfach die höheren Klassenstufen (4.-6. Klasse), um deren Sozial- und Handlungskompetenz auch im Hinblick auf den Übergang in die Sekundarstufe I zu stärken. Das „Soziale Lernen“ wird gemeinsam mit der Klassenlehrerin oder dem Klassenlehrer durchgeführt. Darüber hinaus wird die Ausbildung und Begleitung von Streitschlichtern oder Konfliktlotsen durch die Sozialarbeiter/innen unterstützt oder beispielsweise das Projekt „Streit entknoten“ initiiert. Die Schüler/innen können weiterhin (teilweise geschlechterspezifische) Angebote der Jugendsozialarbeit am Nachmittag (Sport, Musik, Yoga, Tanz, Basteln, Gartenarbeit oder auch Hausaufgabenhilfe) nutzen. Diese werden häufig durch die Kooperation mit Vereinen aus dem Sozialraum realisiert. Zu den Angeboten mit partizipativen Ansätzen zählen die Unterstützung von Klassensprechern/innen oder Schülervertretern/innen, die Einführung eines Klassenrates oder auch die Durchführung der U18-Wahlen. Nicht zuletzt bildet die sozialräumliche Vernetzung und externe Gremienarbeit einen weiteren gewichtigen Arbeitskern, der auch zukünftig eine zentrale Aufgabe bleiben wird. In den ersten vier Monaten stellten sich die Sozialarbeiter/innen bei den verschiedenen Akteuren im Umfeld der Schule (Jugendund Familienberatungszentren, Kita´s, Nachhilfewerke etc.) und bei den zuständigen Mitarbeitern/innen des Jugendamtes vor. Zudem nutzten sie Vernetzungstreffen im Kiez oder mit anderen Sozialarbeiter/innen an umliegenden Grundschulen. Fazit und Abschluss Die Berichte und Anträge lassen einen professionellen Start des Programms an den Grundschulen erkennen. Dazu möchte ich Ihnen recht herzlich gratulieren und mich für diesen gelungenen Auftakt auch herzlich bedanken. Wie wir festgestellt haben, waren verschiedene Faktoren – neben dem organisatorischen Rahmen – dafür ausschlaggebend: die Erfahrungen der Träger im Arbeitsbereich Jugendhilfe-Schule, die Erfahrungen der Träger und Schulen miteinander sowie die bestehenden Angebote an den Grundschulen etc. Bereits in der Anfangszeit waren die Sozialarbeiter/innen so in der Lage, eine Vielfalt an differenzierten Angeboten zu machen, die beim Programmstart an den anderen Schularten derart und derart schnell nicht zu verzeichnen waren. Die Tridem-Fortbildung als verbindlicher Programmbestandsteil soll Sie bei der Etablierung und Spezifizierung Ihrer Angebote sowie bei der weiteren Ausgestaltung Ihrer Konzepte und Kooperationen unterstützen. Somit wünsche ich Ihnen abschließend viel Erfolg für die weitere Arbeit und eine spannende Veranstaltung heute!

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Impulsreferat Prof. Dr. Ulf Preuss-Lausitz

1. Fachtag Sozialarbeit an Berliner Grundschulen 3. und 10. Juni 2010

PROF. DR. ULF PREUSS-LAUSITZ Professor (i.R.) für Schulpädagogik Institut für Erziehungswissenschaft Technische Universität Berlin

ZUR ROLLE DER SCHULSOZIALARBEIT IM KONTEXT KOMPENSATORISCHER UND ENTWICKLUNGSFÖRDERLICHER GRUNDSCHULERZIEHUNG Zukunftsfähige Grundschularbeit und moderne Schulsozialarbeit aufeinander zu beziehen, schließt die in den ganztätig offenen Grundschulen tätigen Erzieherinnen und Erzieher ein. Auch sie sind am Lern- und Lebensort Schule ebenso wie Sozialarbeiter Teil des Schulteams, auch wenn beide Gruppen zuweilen von anderen Trägern finanziert werden. Erzieherarbeit heute ist auch Schulsozialarbeit, ebenso wie Lehrertätigkeit auch Erziehungs- und Sozialarbeit geworden ist. Und Sozialarbeit ist heute auch Bildungsarbeit. Wenn ich also im Folgenden von Schulsozialarbeit spreche, meine ich sowohl die Sozialarbeiter/-innen als auch die Erzieher/-innen. Dabei gehe ich davon aus, dass nicht nur durch den gemeinsamen Arbeitsplatz Grundschule sich sowohl für die Schulsozialarbeiter/-innen, die Erzieher/-innen als auch für die Grundschullehrkräfte ein neues Verhältnis entwickeln wird. Vor einer Generation verstanden sich viele Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen als die kinderfreundliche Gegenmacht gegen die repressive Sozialisationsagentur Schule (vgl. KONRAD 1999, 26), und wenn denn, meist in Gesamtschulen, doch Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter in die Schule integriert wurden, dann wurden sie von vielen Lehrkräften als „pädagogische Hilfsarbeiter“ angesehen (TILLMANN 1972 nach KONRAD 1999, 26). Aber der falsche Gegensatz, Lehrer/innen stünden für Leistung, Disziplin, Anstrengung und Schulzwang, Sozialarbeiter/-innen dagegen für Freiwilligkeit und Freiraum, Kreativität, Spaß, Geborgenheit und Nähe (vgl. FELS/KRIEG1997), blockiert eine produktive Zusammenarbeit. Es geht darum, Bildungs- und Erziehungsarbeit an Schnittstellen und in Schnittmengen innerhalb des Ortes Schule, aber in der Verzahnung mit dem Wohnumfeld in ein neues Verhältnis zu bringen (vgl. PREUSS-LAUSITZ 2005).

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1. Fachtag Sozialarbeit an Berliner Grundschulen 3. und 10. Juni 2010

Impulsreferat Prof. Dr. Ulf Preuss-Lausitz

Hinzu kommt, dass die heutigen Aufwachsbedingungen von Kindern und die damit veränderte Aufgabe von Schule beide Gruppen zur Zusammenarbeit geradezu zwingen. Ich begrüße es daher sehr, dass feste Stellen Schulsozialarbeit in den Grundschulen eingerichtet werden, die die schulische Entwicklungs- und die Lernarbeit unterstützen sollen (wobei die Aufgaben der außerschulischen Jugendhilfe unstrittig bleiben, diese aber ebenfalls mit innerschulischer Sozialarbeit abgestimmt werden muss). Lehrer/-innen, Erzieher/-innen und Sozialarbeiter/-innen sind zwar für alle Kinder da, aber es ist verständlich, dass wir heute danach fragen, wie Schulsozialarbeit besonders für „schwierige“ Kinder – Kinder, die mit sich und der Welt um sie herum, und wir mit ihnen Schwierigkeiten haben – unterstützend tätig sein kann. Ich möchte daher vier Fragen beantworten und diese Antworten zur Diskussion stellen: I.

In welchem Kontext diskutieren wir die neuen Herausforderungen für Schule, Schulsozialarbeit und Lehrtätigkeit? Ich greife sieben Stichworte auf. Dazu gehört nicht zuletzt die Frage, wie sich die Anforderungen für Kinder und die Aufwachsbedingungen verändert haben.

II. Was ist guter Unterricht – auch mit „schwierigen“ Kindern? Welche Rolle spielt dabei die Ganztagsschule? Was hat guter Unterricht mit Schulsozialarbeit zu tun? III. Wie kann das Klassen- und Schulklima verbessert und die Außenseiterrolle mancher Kinder durch Schulsozialarbeit verringert werden? IV. Welche neuen Aufgaben für Schulsozialarbeit und Lehrkräfte entstehen aus der Zusammenarbeit am Ort Grundschule? Durch welche schulinternen und schulexternen Einrichtungen kann Hilfe und Bildung gerade gefährdeter Kinder verbessert werden?

, In welchem Kontext diskutieren wir die neuen Herausforderungen für Schule, Schulsozialarbeit und Lehrtätigkeit? Ich möchte auf sieben Aspekte hinweisen, die die Arbeit aller Arten von Pädagoginnen und Pädagogen in der Grundschule beeinflussen. Stichwort Individualisierung Pädagogisch scheint mir die gesellschaftliche Entwicklung hin zur „Individualisierung in einer Risikogesellschaft“ von zentraler Bedeutung zu sein. Individualisierung in heterogenen Zusammenhängen ist das zentrale Stichwort nicht nur innerhalb von Reformansätzen in der Schule, sondern seit langem in allen Gesellschaften, die als nach-sozialistische, postindustrielle, von ständischen Traditionen sich befreiende demokratische kapitalistische Konsumgesellschaften beschrieben werden können. Gesellschaften, die durch die globalisierten Wanderungsbewegungen von Kriegsflüchtlingen, Vertriebenen, Armuts- und Arbeitsimmigranten und durch die Öffnung, ja Verflüchtigung zumindest der europäischen Grenzen eine Mischung von Herkünften, Sprachen, Religionen, Wertvorstellungen, Essgewohnheiten und Kleidungsformen geschaffen haben. Die durch das Profitstreben des globalen Kapitals bedingte Finanzkrise, die zur Verschärfung des Gegensatzes von reichen und armen Ländern, aber auch innerstaatlich zum

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Anwachsen arbeitsloser und armer Familien führen wird, hat die Nachteile der Globalisierung drastisch vorgeführt. Andererseits leben wir gern vom Export von Maschinen, Dienstleistungen und Kulturen, wie wir auch das täglich frische Gemüse aus Übersee, die kurzfristige Urlaubsreise ans Mittelmeer, den download amerikanischer Popmusik oder den Kauf japanischer Flachbildschirme als selbstverständlichen Teil unseres Lebensstils ansehen. Um in dieser widersprüchlichen, teilweise unübersichtlichen Vielfalt nicht nur überleben zu können, sondern ein subjektiv sinnerfülltes, „gutes Leben“ zu erreichen, denken wir die Bürger unserer Gesellschaft als Einzelne, die gleichsam ihr eigenes Planungsbüro sind, ihre Selbstmanager, ihre Ich-AGs fürs eigene Leben. Der Anspruch an die Individualisierung geht so weit, dass wir nicht mehr nur für unser berufliches Leben, unsere privaten Beziehungen und unser öffentliches Handeln als verantwortlich gelten, sondern auch für unseren Körper und unsere Gesundheit. Wer schiefe Zähne hat, dem werfen wir vor, dass er sie nicht richtet – es sei denn, er oder sie findet das gut so; dann loben wir ihn oder sie für ihre Individualität. Auch die Geschlechterrolle – was ist ein richtiger Mann, was eine richtige Frau – darf, soll, muss heute jeder und jede für sich entscheiden – und nur wenn er und sie dazu stehen, akzeptieren wir dies als „this is my way“. Zugleich werden die Alltagsnormen immer situationsabhängiger, was jeden dazu zwingt, nachzudenken, zu reflektieren, ob die Entscheidung von gestern heute und hier gültig sein kann („Informalisierung“). Gerade deshalb wird zunehmend über „Werte“ – genauer: über richtiges Handeln, also über Moral – diskutiert, schon in der Kindheit, und die Verunsicherung darüber ist groß, was als allgemeingültige, also universalistische Maxime, was situationsabgängig als angemessen zu gelten hat. Die Konventionen, denen die Menschen sich früher zu fügen hatten, die Traditionen bei Kleidung, Umgangsformen, Esssitten, Schulbildung, Berufswahl, Religions- oder Vereinszugehörigkeiten, sie sind der Selbstverständlichkeit beraubt. Wenn Einzelne heute diese Zugehörigkeiten fortführen, dann – und dies ist der Individualismus – dann ist dies eine bewusste Entscheidung, ein Teil der gewählten Bastelbiografie, ein Leben auf höherem Reflexionsniveau. Wir sind in der „reflexiven Moderne“ (BECK u.a. 1996) angekommen. Dem Selbst-Konstruktivismus scheinen also keine Grenze mehr gesetzt. Jeder sei für sich selbst verantwortlich – selbst wenn die Verhältnisse die Selbstverantwortlichkeit zur Fiktion machen. Wo aber Krieg, Gewalt, Diktatur, Armut, Arbeitslosigkeit oder Naturkatastrophen herrschen, da sind der Selbstverantwortung (und der eigenen Würde) doch enge Grenzen gesetzt, und nur Neoliberale mit ihrem Partikularinteresse an der Verteidigung von Reichtum und Macht leugnen dies. Gesamtstaatliche Solidarität wird zum Schutzschild für diesen – wachsenden – Anteil der Bevölkerung in modernen Gesellschaften, und der Abbau von Solidarität geht auf deren Kosten – tendenziell landen wir dann wieder in neoständischen Strukturen einer Zwei-Drittel-Gesellschaft. Zugleich gilt aber auch: Erwachsene wie Kinder haben ein anthropologisches Bedürfnis nach Sozialität von Anfang an, nach Anerkennung und emotionaler Sicherheit, nach sozialem Austausch und gemeinsamem Handeln, auch nach privater Harmonie. Dieses Urbedürfnis leugnet der entfesselte Individualismus – wie er sich derzeit auch in der Politik wiederfindet. Individualisierung und Selbstverantwortung kann aber nur eingebettet in Sozialität gelingen. Zygmunt Baumann setzt daher auf die „ethische

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Gemeinschaft neuen Typs“, die auf freiwillig von autonomen Individuen der Moderne eingegangenen Verpflichtungen zum „brüderlichen Teilen“ und auf der Bereitschaft beruht, Sicherheit und Schutz zu schaffen, in den kommunalen ehrenamtlichen oder öffentlich finanzierten Aktivitäten, in Vereinen und Initiativen und nicht zuletzt in der öffentlichen Schule (BAUMANN 2009, 90). Die Schule ist heute der zentrale Ort, wo sowohl eine größere Selbständigkeit als auch solche konkrete neue Gemeinschaftlichkeit praktisch erfahren und gelebt werden könnte – wenn die Schule für alle offen ist und alle respektiert, wenn das Schulleben, die Zeitgestaltung, der Schulethos, ja die Gestaltung der Räume und der Umgangsformen dies gestatten und fördern, und dies ist die gemeinsame Aufgabe aller Erwachsenen in der Schule, trotz unterschiedlicher Funktionen. Die Schule der Zukunft kann so der Dreh- und Angelpunkt einer modernen Zivilität, einer Balance von Individualismus und Solidarität werden. Stichwort veränderte Kindheitsdiskurse und Kindheitsbedingungen Dieser Wandel der Gesellschaft betrifft auch die Kinder, sowohl was die Realität als auch was den Blick auf Kinder betrifft. Ich will zuerst von Letzterem sprechen: Er ist durchaus widersprüchlich. Zum einen sehen wir Kinder heute als aktive Akteure mit eigenem Recht (und die Kinderrechtskonvention der UN hat dazu ebenso beigetragen wie ein verändertes Erziehungsverhalten), und je weniger Kinder es gibt, desto besorgter sind wir, weil wir Kinder als Zukunftsinvestition betrachten. Andererseits führen wir einen Diskurs, in dem Kinder als Opfer und Objekte von Verhältnissen betrachtet werden – der Armut, der familiären Gewalt, der sexuellen Übergriffe usw. Auch wird über bedrohte und bedrohliche Kinder gesprochen – gewalttätige Kinder, suchtgefährdete Kinder, reaktionäre Kinder (Stichwort die kleinen Machos und die Barbie-Mädchen), ungesund lebende Kinder, schulversagende Kinder, Kinder als künftige Sozialfälle. Und nicht zu vergessen die alte Vorstellung, dass auch in Kindern die Erbsünde, also das Böse, stecke, das durch Disziplin und Strafe unterdrückt werden müsse, und andererseits das Kind als das unschuldige, reine, rettende, gute Wesen angesehen wird, das vor der verderbenden Gesellschaft bewahrt werden müsse (vgl. HONIG 1999). Alle diese Blicke auf Kinder haben Momente von Realität, es sind eher die Verallgemeinerungen, die fragwürdig sind. Aber in jedem Fall gilt: Kindheit ist einerseits in vielem Kindheit wie immer, vor allem was die Sehnsüchte, Bedürfnisse, Ängste und Hoffnungen aller Kinder betrifft. Kindheit ist jedoch andererseits zugleich radikal umgewälzt, vor allem was die gesellschaftlichen Erwartungen betrifft – und zwar Erwartungen an alle Kinder, unabhängig von sozialer und ethnischer Herkunft, Geschlecht, Religion oder Kultur. Wir erwarten von allen Kindern (vgl. PREUSS-LAUSITZ 1990, 1993, 1994), dass sie

‡ immer früher ebenfalls selbstständig und selbstverantwortlich werden, ‡ dass sie redegewandt und kommunikativ mit anderen umgehen – wenn nötig auch mehrsprachig,

‡ dass sie die Individualitäten und Lebensweisen der anderen respektieren, so wie sie selbst respektiert werden wollen

‡ dass sie eine flexible Jungen- oder Mädchenrolle erwerben,

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‡ dass sie ihre Wünsche und Bedürfnisse in die Familie und in die Peergroup einbringen und im Modus des Aushandelns Ergebnisse für alle erreichen, so wie wir dies auch von den Eltern erwarten („Verhandlungspädagogik“);

‡ dass sie Freunde haben und diese Freundschaften pflegen, ‡ dass sie ihre Termine kennen und einhalten, ‡ dass sie ihre Freizeitaktivitäten entscheiden und realisieren, ‡ dass sie ihre Kleidungs- und ihre Körperkultur verantworten, ‡ dass sie die modernen Alltagstechnologien – Computer, Internet, DVD-Player, Fernseher, Handy, aber auch Mikrowelle, Geschirrspüler und Waschmaschine – vernünftig, d.h. selbstverantwortlich nutzen,

‡ und nicht zuletzt: Wir erwarten von solchen planungsfähigen, selbstständigen und zugleich kooperativen Jungen und Mädchen, dass sie alle diese Kompetenzen in ihre Rolle als Schüler/-innen einbringen oder doch bereit sind, diese Fähigkeiten im praktischen Schulalltag zu erwerben und ihre Schulkarriere als Teil ihrer selbstverantworteten Bastelbiografie zu begreifen. Wir erwarten gut gelaunte, kooperative, kommunikative, lernbereite und teilhabende Schüler/-innen. Es verwundert nicht, dass angesichts sozialer und familiärer Rahmenbedingungen nicht alle Kinder diesen Ansprüchen genügen können. Diese sind es, über die wir besorgt reden, die wir „schwierig“ oder gar „verhaltensgestört“ nennen, denen die besondere Verantwortung nicht nur, aber auch am Ort Grundschule gehört, und für die sowohl die Sozialarbeit als auch die Lehrer verantwortlich sind. Die Forschung (vgl. ARNOLD 2004) zeigt, dass als „schwierige“ Kinder in der Grundschule angesehen werden vor allem

‡ hyperaktive Kinder, ‡ Kinder mit geringer Frustrationstoleranz und aggressive Kinder, ‡ überängstliche und selbstverletzende Kinder, ‡ Kinder mit Wahrnehmungs- und Auffassungsschwierigkeiten. Seltener, zu selten zählen dazu:

‡ chronisch kranke Kinder, ‡ gesundheitlich belastete Kinder, ‡ misshandelte, missbrauchte und vernachlässigte Kinder, ‡ trennungsgeschädigte Kinder und nicht zuletzt ‡ durch Krieg und Flucht geschädigte, traumatisierte Kinder. Aber jedes heutige Kind hat, ob mit oder ohne Belastungen, trotz oder gerade wegen der Erwartung an seine Individualität und seine ständige Selbstverantwortung eine Sehnsucht nach Gemeinschaft, nach Freundschaften, nach Verlässlichkeit, nach emotionaler und körperlicher Sicherheit. Wo es diese nicht realisieren kann – in der eigenen Familie, bei Freunden, auch in der Schule – ist es verloren, sozial, emotional, auch kognitiv. Die Kinderpanels des Deutschen Jugendinstituts München (ALT 2005 ff.) sagen

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uns, dass in Deutschland um 90% aller Kinder subjektiv glücklich aufwachsen und sich emotional eingebettet fühlen; die Jugendstudien und World Vision Studien, dass die Mehrheit sich gelingend sozial verankert und gesund aufwächst. Aber das bedeutet auch, dass bundesweit etwa jedes zehnte Kind – Jungen stärker als Mädchen, in Brennpunktstadtteilen mehr als in gutbürgerlichen – bedroht ist, von Isolation, von Ausschluss, von seelischer Verarmung und körperlicher Beeinträchtigung, und seine Hoffnung auf ein „gutes Leben“ in selbstgewählter und selbst verantworteter Gemeinschaft nur schwer realisieren kann – und unsere Unterstützung braucht. Das gilt vor allem für Kinder und Jugendliche, die familiär stark belastet aufwachsen, die physische Beeinträchtigungen und längere Krankheiten haben, die Probleme des Lernens oder Probleme der emotionalen und sozialen Entwicklung zeigen – und von diesen Kindern gibt es bekanntlich in manchen Orten und Stadtteilen mehr als in anderen. Stichwort veränderte Grundschule Die Grundschullehrerinnen und -lehrer modernisierten zwar seit den 1970er Jahren ihren Unterricht – im Sinne der inneren Differenzierung –, die GS schien aber lange ohne strukturellen Reformbedarf. Das hat sich deutlich geändert:

‡ Es wird früher eingeschult; ‡ die Schulanfangsuntersuchungen belegen eine große Gruppe in ihrer gesamten Entwicklung beeinträchtigte Kinder;

‡ auf Zurückstellungen wird (zu Recht) verzichtet, d.h. es werden mehr Kinder mit Entwicklungsverzögerungen aufgenommen;

‡ die Akzeptanz des zwangsweisen Sitzenbleibens schwindet noch deutlicher als bisher, weil sich die Lern- und Sozialwirkungen als eher ungünstig zeigen;

‡ es gibt mehr Behindertenintegration, d.h. Sonderpädagogen ergänzen die allgemeinen Lehrkräfte – was den Zwang und die Chance zur Teamarbeit im Unterricht bewirkt.

‡ Die Verlängerung der Tageszeit am Morgen und am Nachmittag durch die verlässliche Halbtagsschule und die Ganztagsschule bringt Erzieher/-innen und/oder Sozialarbeiter/-innen in die Grundschule. Das pädagogische Personal wird also vielfältiger, die Unterstützungsbedürfnisse im Lern- und im Entwicklungsbereich der Kinder werden größer und breiter.

‡ Nicht zuletzt: Ein erheblicher Teil der Kinder beherrscht die Unterrichtssprache Deutsch nur mäßig (und das gilt nicht nur für Migrantenkinder).

Kurzum: Die gewachsene Heterogenität der Kinder stellt eine deutlichere Herausforderung als in den letzten Jahrzehnten dar – und die alte GS als Lehrer/-innen-Halbtagsschule wird Vergangenheit. Die GS wird zum zentralen, ganztägigen Sozialisationsort in der Kindheit und braucht sozialpädagogische Kompetenz ebenso wie ein neues Berufsbild der Grundschullehrkräfte, weil sich auch der Arbeitsplatz GS erweitert und zeitlich ausdehnt.

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Stichwort Lernwirksamkeit Die Effektivität der Schule ist bekanntlich nicht zureichend – nicht nur am unteren, sondern auch am oberen Ende: Es gibt zu viele Jugendliche ohne oder mit geringwertigem Abschluss, aber auch zu wenige Abiturienten und zu viele Abbrecher während der beruflichen Ausbildung. Das wirkt sich seit Jahren als verstärkter Leistungsanspruch auch auf die GS aus, wenngleich die größeren Probleme sich in der Sekundarstufe zeigen. Mit anderen Worten: Leistungsschwache und besonders talentierte und leistungsstarke Kinder und Jugendlichen müssen bei ihren Bildungskarrieren individueller beraten, betreut und auch konkret unterstützt werden. Ein bisschen innere Differenzierung ist also auch in der GS nicht zureichend – jede Schule muss sich fragen, und zwar durch das gesamte pädagogische Personal, wie sie die Lern- und die Entwicklungsziele ihrer Schülerinnen und Schüler je individuell optimieren kann. Stichwort Ungerechtigkeit Die allgemein bekannte soziale, ethnische und geschlechterbezogene Benachteiligung des gegenwärtigen Schulsystems gilt auch für Berlin, sie gilt auch für die GS (vgl. RAMSAUER/WAGNER 2008). Alle schulinternen Selektionsmaßnahmen treffen besonders häufig Arbeiterkinder, Arbeitslosenkinder, Jungen, Migrantenkinder bestimmter Ethnien, Kinder Alleinerziehender. Um dafür wenigstens ein Bewusstsein zu schaffen, sollten nicht nur ganzheitliche Lern- und Entwicklungsausgangslagen zu Beginn der GS von jedem Kind erhoben werden, es sollten in jeder GS auch die individuellen Schulbiografien in allen ihren Facetten dokumentiert werden, um bei Risikosituationen gezielte Förderung und Unterstützung anbieten zu können. Solch ein Verfahren ist individuell effektiver als auf landesweite oder gar bundesweite Vergleichsarbeiten zu setzen. Diese haben die Funktion für landesweite Rückmeldungen und allgemeine Trends, nicht, wie oft behauptet, für individuelle Förderung. Stichwort Schule als Lern- und Lebensort Viele Schulen sind oft noch nicht zureichend ein sozial befriedigender Lern- und Lebensort, eine Polis, in der Respekt, Anerkennung und Partizipation an seinen Abläufen für die Kinder ebenso erfahrbar sind wie die Möglichkeit, Freundschaften nicht nur zu schließen, sondern sie auch durch gemeinsames Handeln zu leben. Dazu braucht es eine gut organisierte Ganztagsschule, dazu braucht es für Kinder wie ihre Pädagogen ästhetisch befriedigende und mitgestaltete Räume, auch für das konzentrierte Lernen, wie für Gespräche und Entspannung, also kleine Lern- und Beratungsorte, schallschluckende Unterrichtsräume, schalldichte Musikgruppenräume, eine Caféteria, eine Mediathek und Bibliothek auf technisch neuestem Niveau, das Ganze barrierefrei. Zu kurz kommt in den öffentlichen Debatten um eine bessere GS – und die Schulsozialarbeit – die Bedeutung des pädagogischen Raums für Lernen und Kommunikation. Stichwort inklusive Behindertenintegration Berlin dehnt seit Jahrzehnten den gemeinsamen Unterricht von Kindern mit und ohne sonderpädagogischen Förderbedarf aus. In den GS Berlins sind etwa die Hälfte aller Kinder mit Förderbedarf integriert. Dennoch ist nun ein neuer Impuls hinzugekommen, der die Entwicklung beschleunigen kann. Die ein24

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stimmig von Bundestag und Bundesrat übernommene UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderung (UN-BRK) hat seit März 2009 innerdeutsche Rechtsgültigkeit. Die UN-Konvention argumentiert nicht pädagogisch-psychologisch oder ökonomisch, wie dies vor 15 Jahren, 1994, die sogenannte Salamanca-Erklärung der Unesco tat, die ebenfalls schon von „inclusion“ sprach. Damals wurde zu Recht argumentiert, gemeinsames Lernen sei sowohl lernwirksamer als auch ökonomischer. Die UNKonvention argumentiert vielmehr menschenrechtlich: Jeder Mensch mit Behinderungen (disabilities, dazu gehören auch die Kinder mit Lernschwierigkeiten) habe ein Individualrecht auf das Lernen und Aufwachsen gemeinsam mit den anderen Kindern des Umfeldes, in der jeweiligen gesellschaftlichen Normalität. Menschenrechtliche Individualrechte können, das ist ihr Wesen, nicht unter staatliche Vorbehalte gestellt werden; vielmehr ist der Staat gehalten, ihre je individuelle Realisierung zu gewährleisten. Damit ist ein grundsätzlicher Wandel vom fürsorgerischen Denken (charity, wir handeln für Behinderte) hin zu „human rights“ (Behinderte haben Rechtsansprüche, sie handeln selbst) vollzogen. Wir „gewähren“ (z.B. im Rahmen der Finanzmittel) nicht mehr integrative Unterrichtung, sondern wir haben sie zu realisieren. Wenn also ein Kind inklusiv lernen will (bzw. dessen Erziehungsberechtigte es wünschen), kann der Staat (die Schulaufsicht, die Sonderpädagogen, die Schulleitung einer Sonder- oder Regelschule) dies zwar für pädagogisch falsch halten, das ist jedoch menschenrechtlich irrelevant. Auch das Deutsche Institut für Menschenrechte, das für die Bundesregierung die Umsetzung der UN-Konvention begleitet (monitoring), geht davon aus, dass Kinder mit Behinderungen nicht mehr gegen ihren Willen in Sonderschulen überwiesen werden dürfen. In Berlin muss daher das Berliner Schulgesetz, das – in § 37 - noch einen staatlichen Vorbehalt kennt, geändert und der Bezug auf die UN-Konvention ausdrücklich in das Schulgesetz aufgenommen werden. Als erstes Bundesland hat Bremen dies schon vollzogen. Für alle Grundschulen sollte daher gelten: Alle, die um unsere Schule wohnen, sind willkommen – und wir Lehrer/-innen, Erzieher/-innen und Sozialarbeiter/-innen werden als Team zusammen mit dir, deinen Eltern, deinen Mitlernern und vielleicht auch deinen Familienhelferinnen und Familienhelfern deinen ganz eigenen Weg in unserer Klasse, in unserer – und deiner – Schule herausfinden. Vielleicht ist das nicht so einfach, wir werden deshalb oft miteinander etwas aushandeln, überprüfen, verbessern. Auf jeden Fall gehörst du zu uns, solange du willst. Wir schätzen dich, und wir hoffen, dass auch du uns schätzt. Vor dem Hintergrund der diskutierten sieben Stichworte, die den Rahmen für gegenwärtige pädagogische Arbeit liefern, scheint es mir wichtig, dass alle Pädagoginnen und Pädagogen in jeder GS ein gemeinsames Bildungs- und Entwicklungsziel haben. Es könnte sich an den Bildungszielen der Unesco für das 21. Jahrhundert orientieren (vgl. UNSESCO 1996): Learn to know – lernen, wie man lernt Learn to be – lernen, wer man ist Learn to do – lernen, wie man handlungsfähig wird Learn to live together – lernen, gemeinsam zu leben (und zu handeln, in multikulturellen europäischen Gesellschaften). 2010 Regionale Fortbildung Berlin und SFBB

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Guter Unterricht – auch mit „schwierigen“ Kindern

Mir scheint es wichtig, dass nicht nur GS-Lehrkräfte, sondern auch die in ihr wirkenden Erzieher/-innen und Sozialarbeiter/-innen wissen, was „guter Unterricht“ sein kann. Sie können damit ihre Wahrnehmung schärfen, aber auch in gemeinsamen Besprechungen auf Augenhöhe über Hilfepläne für einzelne Kinder besser mitberaten. Über „guten Unterricht“, bei dem sowohl leistungsstarke als auch Kinder mit Lern- und Verhaltensproblemen individuell profitieren, weiß die Schulforschung zum Glück heute mehr als noch vor einer oder gar zwei Generationen (JÜRGENS/STANDORP 2010, HELMCKE 2004, 2006, MEYER 2004). Auch haben uns zahlreiche Reformschulen, Schulpreisschulen oder andere, gezeigt, wie Schulen zu Treibhäusern der Zukunft werden können. Nicht zuletzt liegen deutsche und internationale Erfahrungen vor, die in der gemeinsamen Erziehung von behinderten und nichtbehinderten Kindern gemacht wurden (MEIJER 2003). Grundsätze für einen besonders lernwirksamen und zugleich sozialintegrativen Unterricht sind u.a.: 01. Lernen mit allen Sinnen 02. Lernen durch Handeln 03. Lernen durch Partizipation (Wahlmöglichkeiten bei Inhalten, Lernzeiten, Sozialformen, Präsentationstechniken) 04. Differenzierte Leistungsansprüche an alle Schülerinnen und Schüler, „individuelle Passung“ mit Lerntagebüchern; individuellen Arbeitsabläufen mit Zielvereinbarungen usw. 05. Individualisierung der Arbeitsabläufe 06. Häufigerer Wechsel der Sozialformen (Einzelarbeit, Partnerarbeit, Kleingruppen, ganze Klasse), auch beim intelligenten Üben! 07. Vielfältiger Medieneinsatz 08. Möglichkeiten der Selbst- und Lehrerbewertung 09. kommunikatives Lernen, Peer-Peer-Lernen 10. klarer und freundlich-anerkennender Lehrersstil 11. gemeinsam erarbeitete und gemeinsam durchgesetzte Regeln 12. Verantwortungsübergabe auch an „schwierige Kinder 13. Förderpläne und Zielvereinbarungen in kürzeren Abständen, unter verbindlicher Einbeziehung der Erziehungsberechtigten und der Schülerinnen und Schüler 14. Rechenschaftslegung über Erfolge und offene Probleme der Förderung In jeder Klasse sind „schwierige“ Kinder mit Verhaltensproblemen – ob mit oder ohne diagnostische Feststellung. Daher möchte ich diese Merkpunkte ergänzen durch Erkenntnisse, die aus dem gemeinsamen Unterricht mit verhaltensschwierigen Kindern in allgemeinen Schulen stammen und zum besseren Lernklima insgesamt beitragen (vgl. NOLTING, 2002, PREUSS-LAUSITZ 2005, 2010):

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01. Zügig die Stunden beginnen mit Ritualen, die gemeinsam festgelegt wurden. 02. Bei Doppelbesetzung ist der gemeinsame Unterricht innerhalb eines Raumes lerneffektiver und zugleich störungsreduzierender, als wenn eine zweite Person (Sonderpädagogin/Sonderpädagoge, Erzieher/in, Schulhelfer/-in, Sozialarbeiter/-in) mit einer Kleingruppe im Gruppenraum arbeitet (4-Augen-Prinzip). Wenn diese Kleingruppe aus immer denselben Schülern gebildet wird, kommt ein Stigmatisierungseffekt hinzu. 03. Wahlmöglichkeiten (z. B. bei Themen oder im Anspruchsniveau oder in der Präsentationsform) erhöhen deutlich die Lernorientierung auch schwieriger Kinder, sollten jedoch nicht zur Desorientierung führen: je maximal zwei Optionen reichen aus, mehr verwirrt. 04. Die Vielfalt von Sozialformen – Alleinarbeit, Partnerarbeit, Kleingruppen – stärkt die Lernorientierung, sie darf jedoch nicht dazu führen, dass durch freie Wahl abgelehnte Kinder isoliert werden. Die Lehrer/-innen müssen die Verantwortung für Zusammenarbeit im Blick behalten. 05. Bei manchen Schülerinnen und Schülern sinkt die Aufmerksamkeit nach rund 20 Minuten – Methodenwechsel ist daher nach je 15 Minuten eine lernförderliche und störungsreduzierende Strategie, ggf. auch klar begrenzte Entspannungsübungen – selbst im Fachunterricht der Sekundarstufe! 06. Regeln in der Klasse sollten einfach, klar, gemeinsam entwickelt und gemeinsam durchgesetzt werden. Gerade schwierigen Kindern kann durch Verantwortungsübernahme das Selbstbewusstsein und die Konzentration gestärkt werden. 07. Bei Störungen unmittelbar reagieren, aber nonverbal – nicht die Lernprozesse der anderen unterbrechen. Ggf. Gespräche nach der Stunde vereinbaren. 08. In die Verhaltensabsprachen mit verhaltensauffälligen Kindern sollten, wenn Kinder zustimmen, auch die Freunde und möglichst die ganze Klasse einbezogen werden. Bei Erfolg Belohnungen vereinbaren (vgl. HOFFMANN 2004)! Dies alles sind Hinweise für den Unterricht und für die Teamarbeit bei Doppelbesetzung. Aber vier Aspekte scheinen mir in der Diskussion um die Verbesserung von Schulfreude und Lernfreude gerade von „Risikokindern“ zu kurz zu kommen. Ich möchte sie als Merkposten erwähnen, ohne dies hier ausführen zu können: 01. Schulen, auch Grundschulen, sollten mehr „bewegte Schule“ werden (Konzentrations- und Toberäume, Rhythmisierung des Schulalltags durch Wechsel von Lernen und Entspannung, mehr spezifische Bewegungsangebote wie Karate und andere Regel-Kampfarten, Jazz- und andere Tanzpraxen heutiger Jugendlicher, Akrobatik, Gruppen-Ballspiele usw.) 02. Reflexive Koedukation – jetzt auch für Jungen (vgl. MATZNER/TISCHNER 2008). Wir haben in den letzten 20 Jahren zwar viel über Mädchenförderung, zu wenig aber über die Frage nachgedacht, wie Schule jungenfreundlicher werden kann. Jungen-Konferenzen, Mädchen-Konferenzen; mehr Wahlangebote mit „Jungen-Themen“ sollten ebenso diskutiert werden wie eine stärker Männer einbeziehende Einstellungspolitik, auch für den Nachmittagsbereich von Ganztagsschulen (vgl. MATZNER/TISCHNER 2008). Das bedeutet nicht, dass nur männliche Pädagogen jungenadäquate An2010 Regionale Fortbildung Berlin und SFBB

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gebote machen können; im Gegenteil: Die Verantwortung für den Abbau von Jungenbenachteiligung in der GS haben alle, also überwiegend Frauen. Von manchen wird diese Verantwortung allerdings immer noch abgelehnt – und gleichzeitig im Lehrerzimmer über „missratene Türkenjungen“ gejammert, über die „verlorenen Söhne“ im Sinne von NECLA KELEK (2006). 03. Damit hängt zusammen, ob es jenseits von methodisch gutem Unterricht nicht nötig ist, verstärkt auch über die subjektiven Schlüsselthemen heutiger Kinder im GS-Unterricht nachzudenken: Technik, Medien, Weltraum, Natur(katastrophen), Körper/Gesundheit/Schönheit, Phantasiewelten, Zukunft(svisionen und -ängste), Freundschaften… Wer über Schuldistanz mancher Kinder klagt, sollte von neuen Bildungsinhalten nicht schweigen. 04. Die Chancen der Ganztagsschule (GTS) besonders für schwierige Kinder mit Lern- und Verhaltensproblemen werden oft für deren Einführung hervorgehoben. Aber wissen wir wirklich, was sie bewirkt? Neueste Studien über die Praxis der bisherigen Ganztagsschulen (vgl. HOLTAPPELS u.a. 2007, RADISCH 2009, REH/SCHÜTZ 2008) zeigen:

% GTS sind extrem heterogen. Die Unterscheidung in offene und gebundene GTS ist zu formal; die Fülle der unterschiedlichen Angebote, Regelungen, Verbindlichkeiten und Offenheit gegenüber dem Umfeld ist außerordentlich groß.

% Die Rhythmisierung von Lernen und Entspannung, Bewegung und Arbeit meist nur bei Anwesenheitsverpflichtung einführbar, d.h. faktisch nur in der gebundenen Form.

% Wirkungen der GTS im Leistungsbereich sind leider (noch) kaum erreicht – der Ungleichheitsabbau ist also (noch) offen. Lernhilfen, die manche GTS als Alternative zur privaten Nachhilfe anbieten, sind also in der Regel noch nicht optimal organisiert! Wir brauchen gerade in diesem zentralen Ganztags-Ziel eine experimentelle Haltung und mehr selbstkritische Rechenschaft in jeder Grundschule.

% Dafür können positive Wirkungen der GTS beim Schulklima und beim Gewaltabbau belegt werden, besonders wenn schülernahe Angebote und Partizipation bei Inhalten und Durchführung durch Schülerinnen und Schüler verwirklicht werden.

% Auch die Sprachentwicklung scheint durch die GTS gefördert zu werden, vor allem wenn sprechorientierte Freizeitangebote mit körperbetonten Angeboten verbunden werden. Die GTS macht eine Änderung des Tagesablaufs innerhalb der GS möglich, etwa größere Lerneinheiten, größere (Bewegungs-)Pausen, mehr Wochenplan- und Projektarbeit unter Einbeziehung von Schulsozialarbeiterinnen/Schulsozialarbeitern und Erzieherinnen/Erziehern. Das verlangt auch feste Absprachetermine – nichts ist unproduktiver als das flüchtige Tür- und Angelabstimmen. Und wenn Kinder den ganzen Tag in der Schule sind, das ist es bei Förderplänen effektiver und nötig, dass Erzieherinnen/Erzieher und die Schulsozialarbeiterinnen/Schulsozialarbeiter in die Förderpläne der Sonderpädagogen und GS-Lehrkräfte ebenso einbezogen sind, wie diese in eventuell vorhandene außerschulische Hilfepläne. Diese bisherigen Ergebnisse aus der GTS-Forschung weisen darauf hin, dass einerseits von der GTS – auch im GS-Bereich – keine automatischen Wirkungen auf die Lernentwicklung ausgehen, dass aber indirekt über Schulklima und Eigenaktivitäten von Schülern – mit Unterstützung der Schulsozialarbei-

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terinnen/Schulsozialarbeiter – die Schulmotivation gestärkt wird. Der Schulsozialarbeit kommt also bei der Konzeption in jeder Schule eine wichtige, aber nicht ausschließliche Rolle zu – Schulleben und Schulerfolg gehören auch hier zusammen. Ich warne daher von falscher Arbeitsteilung!

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Förderung der prosozialen Interaktion in Klasse und Schule: Aufgabe (auch) der Schulsozialarbeit

Manche sehen die Schule als Theater: Es gibt eine Vorderbühne – den Unterricht – und eine Hinterbühne – die Freundschaften und Feindschaften der Kinder untereinander, zu ihren Lehrerinnen/Lehrern und weiteren Pädagoginnen/Pädagogen usw. Grundschüler gehen in der Regel gern zur Schule (vgl. ALT 2005). Fragt man wieso, hört man wenig von Lerninhalten, eher selten auch von Pädagogen, sondern in der Regel: Weil ich dort meine Freunde treffe. Wenn man welche hat. Außenseiter und Isolierte gibt es in jeder Klasse, ebenso wie Stars und dominante Cliquen. Daher ist es eine zentrale Aufgabe moderner Schulsozialarbeit, zusammen mit den Klassenlehrern an der Überwindung von Ablehnung und Isolation zu arbeiten. Zwar führt der individualisierende Unterricht generell zu einem besseren Klassenklima und einer besseren Einstellung aller Kinder zum Lernen. Aber das genügt nicht. Schulsozialarbeit sollte sich daher engagieren, etwa bei der soziometrischen Feststellung der informellen Strukturen der Klasse, im Gespräch mit abgelehnten Kindern, in Vorschlägen zu ihrer Überwindung und auch bei der Realisierung solcher Prozesse. Dazu gehört auch, die mit ungünstigem Klassenklima oft verbundenen verbalen Beleidigungen und Abwertungen aktiv zu bekämpfen. Die zentrale Rolle kommt hier den Klassenlehrerinnen/Klassenlehrern zu, die Sprach-Tabus in der Klasse besprechen sollten. Kinder wissen genau, wie sie andere beleidigen können – und was sie selbst als abwertend („gemein“) empfinden. Zumindest in Anwesenheit von Erwachsenen sollten solche „Tabu-Wörter“ tabu sein. Sozialpädagoginnen/Sozialpädagogen kokettieren ja zuweilen damit, dass sie die Schülersprache kennen – indem sie sie selbst verwenden. Das ist in der Regel nicht nur peinlich – Erwachsene sind keine Kinder –, sondern auch pädagogisch falsch; es trägt nicht zum Schutz der Beleidigten und Ausgegrenzten bei, sondern suggeriert eine Nähe, die nicht vorliegt. Lehrer/-innen und Sozialarbeiter/-innen sollten darüber gemeinsam und mit den Kindern beraten, wie mit dieser Art Kindersprache umzugehen ist! Kinder mit Verhaltensproblemen sind – fast – Kinder wie alle anderen auch. Sie haben Zuwendungsund Anerkennungswünsche, sie sind hilfsbereit wie alle Kinder, sie haben aber deutlich häufiger Gesundheitsprobleme, stammen häufiger als Familien mit geringem Einkommen und sind eher nach außen agierend (hyperaktiv, aggressiv) als nach innen (depressiv, überängstlich) (vgl. PREUSS-LAUSITZ 2005b). Meist sind sie aber genauso zufrieden (oder unzufrieden) mit ihren Lehrerinnen/Lehrern wie die übrigen Kinder. In einer Berliner Untersuchung wurden Kinder in 22 GS-Klassen mit integrierten verhaltensauffälligen Förderkindern der Klassen 1-6 gefragt, wie sie ihre Lehrerinnen/Lehrer finden. Das Ergebnis ist erfreulich: nur wenige Kinder waren unzufrieden mit ihren Lehrerinnen/Lehrern, und mehr als drei

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Viertel waren sehr zufrieden. Das zeigt, dass auch „schwierige“ Kinder in der GS bereit sind, sich auf die Erwachsenen einzulassen. Grafik: Lehrerzufriedenheit in Berliner Grundschulklassen bei allen Schülern und bei integrierten Schülerinnen/Schülern mit sonderpädagogischem Förderschwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung (emsoz): Mit meinen Lehrern bin ich zufrieden.

          







 

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Quelle: PREUSS-LAUSITZ 2005b, 179 ff. Ich möchte zeigen, wie man mit einfachen Mitteln, nämlich der Befragung der Kinder, die informelle Klassenstruktur abbilden kann (3 Soziogramme):

(Wahlen in einer 1. Klasse; links Jungen, rechts Mädchen; gelb markiert: emsoz-Förderkind)

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(Wahlen in einer 6. Klasse; links Jungen, rechts Mädchen; gelb markiert: Förderkinder)

Ablehnungen in einer 6. Klasse

Dass die Arbeit am Abbau von Ausgrenzung und Isolation auch erfolgreich, wenngleich noch verbesserungsfähig, sein kann, zeigt die Entwicklung des Sympathiestatus der emsoz-Förderkinder von der 4. bis zur 6. Klasse:  

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emotionale und sozi-



ale Entwicklung, Kl. 4-6 (Quelle: ebda)

  

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Zusammenfassend: Ich sehe für die Schulsozialarbeit in der Arbeit an der Verbesserung der Position von abgelehnten und isolierten Kindern eine wichtige, eigenständige Aufgabe, die jedoch nicht ohne die Lehrerinnen/Lehrer, insbesondere die Klassenlehrerinnen/Klassenlehrer, realisiert werden kann. So wie die Sonderpädagogen/Sonderpädagogen für die Konzeption und Umsetzung besonderer Förderung Verantwortung übernehmen könnten, so könnten die Schulsozialarbeiterinnen/Schulsozialarbeiter dies für die Stärkung der sozialen Beziehungen und der sozialen Kompetenz tun – im Team mit den Regelschullehrkräften einer Klasse und eines Jahrgangs.

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Erweitertes Aufgabenspektrum von Schulsozialarbeiterinnen/Schulsozialarbeitern und Lehrkräften

Das führt zu der Frage, welche Aufgaben in dem Gesamtensemble Schule/Unterricht/Entwicklungsförderung die Schulsozialarbeiterinnen/Schulsozialarbeiter und die übrigen Pädagoginnen/Pädagogen künftig haben werden. Weder sollen Schulsozialarbeiterinnen/Schulsozialarbeiter zu Lehrerinnen/Lehrern werden, noch diese zu Sozialpädagoginnen/Sozialpädagogen oder Erzieherinnen/Erziehern. Dennoch wird es ein neues Berufsbild der Schulsozialarbeit geben: Weg von der alten Selbstzuschreibung, das „freie Kind“ gegen den „Schulzwang“ zu verteidigen. Schulsozialarbeit ist, am Ort Schule, als Entwicklungsund Bildungsarbeit für alle Schülerinnen und Schüler da – nicht nur für die sogenannten „schwierigen“, aber für diese besonders. Auch macht sie nicht nur freie Angebote, sondern mischt sich in für Kinder verpflichtende Aktivitäten der Lernarbeit ein. Kinder sind, in der GTS, teilweise anwesenheitspflichtig, und möglicherweise werden sie auch – etwa bei Lernhilfen oder nach Absprachen – zu bestimmten Aktivitäten der Schulsozialarbeit verpflichtet werden. Schulsozialarbeit sollte auch zusammen mit den Lehrkräften und den Sonderpädagoginnen/Sonderpädagogen klären, welche Rolle ihr im Einzelfall bei den individuellen Förderplänen behinderter Kinder bzw. von Kindern mit sonderpädagogischer Förderung in und um den Unterricht zukommen kann. Aber den Schulsozialarbeiterinnen/Schulsozialarbeitern bleibt ein Vorzug, der ihnen nicht genommen werden darf und kann: Alle ihre Gespräche mit Kindern können vertraulich bleiben – solange die Kinder dies wollen. Sie werden also viel über Eltern, Lehrerinnen/Lehrer und andere Kinder erfahren, und es wird zu ihrer Kompetenz gehören, damit verantwortlich umzugehen. Vertraulichkeit hat aber, noch mehr als bei Priestern oder Rechtsanwälten, ihre Grenzen: Wenn Misshandlungen oder eklatantes Fehlverhalten von Erwachsenen mitgeteilt wird, werden auch Schulsozialarbeiterinnen/Schulsozialarbeiter den Kindern sagen müssen, dass dies nicht geheim bleiben kann; ich halte es für wichtig, dass im Kollegium – aber auch unter den Schulsozialarbeiterinnen/Schulsozialarbeitern – diese Frage der Vertraulichkeit offen besprochen und geklärt wird. Die Schulsozialarbeit kann eine neue Rolle im Schulleben erhalten – wenn und weil sie die Lern- und Bildungsarbeit der Lehrkräfte ernst nimmt und dabei kooperativ ihre eigene Kompetenz klärt. Schulsozialarbeiterinnen/Schulsozialarbeiter sollten in der Steuerung der GT-GS vertreten sein, sie sollten ihre besondere Kompetenz in der Vermittlung zur Jugendhilfe (SGB VIII) und zu anderen Hilfe- und Unterstützungsangeboten außerhalb der Schule sichtbar machen: von den lokalen Beratungs-, Sport-, Musik32

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und Akrobatikangeboten über das Quartiersmanagement und die lokale Polizeistation bis zum Schulpsychologischen Dienst und Hilfeeinrichtungen für Familien. Ich empfehle, dass alle Pädagogen, die neben den GS-Lehrern in der GS tätig sind, organisatorisch und räumlich in einem Zentrum unterstützender Pädagogik (ZUP) zusammen organisiert sind, wozu die Schulstation und der Schülerclub ebenso gehören wie betreute Tobe- und Konzentrationsräume. Im ZUP könnte auch die Eltern- und Schülerberatung vertraulich organisiert werden, zusammen mit den Sonderpädagoginnen/Sonderpädagogen und eventuell anderen vorhanden Erwachsenen. Das ZUP könnte zudem der Ort der Hilfegespräche und ihrer Dokumentation sein. Dieses Zentrum sollte auch die Schnittstelle für alle Kooperationen zu außerschulischen Einrichtungen und ansprechend gestaltet sein. Bremen hat in seinem neuen Schulgesetz solche ZUP für jede Schule, sowohl der GS als auch der neuen Oberschulen und der Gymnasien, beschlossen und baut sie nun schrittweise auf. Auch für die GS-Lehrkräfte kommen mit dem ganztätigen Betrieb und weiteren Pädagoginnen/Pädagogen teilweise neue Rollen hinzu. Der Blick wird sich durch diese Kooperation erweitern auf die ganzheitliche, nicht nur unterrichtliche, Entwicklung einzelner Kinder, auf die Unterstützungsmöglichkeiten im GT-Bereich und im außerschulischen Feld. Gerade ihre Einbeziehung in regelmäßige Fallbesprechungen über und mit Risikokindern (und ihren Eltern) erholt das Wissen um die individuellen Lern- und Entwicklungsvoraussetzungen einzelner, „schwieriger“ Kinder und fließt produktiv in den Unterricht zurück. GSLehrkräfte lernen, wie wichtig die Ansprüche etwa der Kinderrechtskonvention, der Behindertenrechtskonvention oder der Jugendhilfe (SGB VIII) sind. Nicht neu, aber immer noch zu wenig akzeptiert ist bei vielen Lehrkräften die Rechenschaftslegung (Dokumentation) individueller Lern- und Entwicklungsverläufe gerade bei schwierigen Kindern und Kindern mit sonderpädagogischem und/oder jugendhilfespezifischem Förderbedarf. Dazu gehört auch die regelmäßige Prüfung, ob bestimmte Förder- und Hilfepläne wirksam waren und ob sie verändert werden müssen oder abgeschlossen werden können. * Eine Schule braucht ein Schulethos, an dem sich die Kinder, die Eltern, die Pädagoginnen/Pädagogen und alle anderen Akteure einer GS, also auch die Erzieher/-innen, Sonder- und Sozialarbeiter/-innen orientieren können. Es könnte so lauten: Kein Kind wird zurückgelassen, kein Kind wird beschämt, kein Kind wird ausgegrenzt. Kein Kind hat – und macht – nur Schwierigkeiten, sondern jedes Kind hat – oft außerunterrichtliche, oft außerschulische – Stärken. Wir finden mit den Kindern heraus, welche das sind und fördern sie. Damit die Probleme an anderer Stelle mit überwunden werden.

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Literatur ALT, Chr. (2005 ff.): Kinderleben. 3 Bde., Verlag Sozialwissenschaften: Wiesbaden. ARNOLD, K.-H. (2004): Von den Schwierigkeiten der Diagnostik „verhaltensgestörter“ Schülerinnen und Schüler. In: PREUSS-LAUSITZ, U. (Hrsg.): Schwierige Kinder – Schwierige Schule. Konzepte und Praxisprojekte zur integrativen Förderung verhaltensauffälliger Schülerinnen und Schüler. Weinheim und Basel: Beltz, 24-36. BAUMANN, Z. (2009): Gemeinschaften. Ed. Suhrkamp Frankfurt/M. BECK, U. / Giddens, A. /Lash, S. (1996): Reflexive Modernisierung. Frankfurt/M.: Ed. Suhrkamp. BRÄU, K. / SCHWERDT, U. (Hrsg.) (2005): Heterogenität als Chance. Vom produktiven Umgang mit Gleichheit und Differenz in der Schule. Münster u.a.: LIT (u.a. mit Beiträgen von Annedore Prengel und Anne Ratzki). FATKE, R. / VALTIN, R. (Hrsg.) (1997): Sozialpädagogik in der Grundschule. Beiträge zur Reform der Grundschule, Bd. 100 des Arbeitskreises Grundschule/ Der Grundschulverband e.V., Frankfurt/M. FELS, S. / KRIEG, E. (1997): Aufgaben für Erzieherinnen in der Ganztagsschule – Ein Modellversuch zur Integration schul- und sozialpädagogischer Handlungskonzepte. In: FATKE/VALTIN .a.a.O., 114-125. HELMKE, A. (2004): Unterrichtsqualität. 3. Aufl. Seelze: Friedrich. HELMKE, A. (2006): Was wissen wir über guten Unterricht? In: Pädagogik 58, H. 2, 42-45. HOFFMANN, G. (2004): Classroom Management: Anleitung zur Verhaltensmodifikation in der Schule. In: Preuss-Lausitz 2004, a.a.O, 65-78. HOLTAPPELS, H.G. u.a. (2007): Ganztagsschule in Deutschland. Weinheim und München: Juventa. HONIG, M.-S. (1999): Entwurf einer Theorie der Kindheit. Frankfurt/M.: Suhrkamp. JÜRGENS, E. / STANDORP, J. (Hrsg.) (2010): Was ist ‚guter’ Unterricht? Bad Heilbrunn: Klinkhardt. KELEK, N.: Die verlorenen Söhne. Plädoyer für die Befreiung des türkisch-muslimischen Mannes. Köln: Kiepenheuer & Witsch. KONRAD, F.-M.: Von der Konfrontation zur Kooperation. Zur Geschichte des Verhältnisses von Schule und Sozialpädagogik/Sozialarbeit. In: FATKE/VALTIN, 1997, a.a.O., 20-32. MATZNER, M. / TISCHNER, W. (Hrsg.) (2008): Handbuch Jungen-Pädagogik, Weinheim und Basel: Beltz (u.a. mit Beiträgen zur Schule von Uli Boldt, Tim Rohrmann und Ulf Preuss-Lausitz). MEIJER, C.W. (Hrsg.) (2003): Integrative Schulbildung und Unterrichtspraxis. Middlefart (www.europeanagency.org). MEYER, H. (2004): Was ist guter Unterricht? Berlin: Cornelsen. NOLTING, H.-P. (82008): Störungen in der Schulklasse. Weinheim und Basel: Beltz. PREUSS-LAUSITZ, U./ RÜLCKER, T. / ZEIHER, H. (Hrsg.) (1990): Selbständigkeit für Kinder – die große Freiheit? Weinheim und Basel: Beltz. 34

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PREUSS-LAUSITZ, U. (1993): Die Kinder des Jahrhunderts. Zur Pädagogik der Vielfalt in der Gemeinsamkeit. Weinheim und Basel: Beltz. PREUSS-LAUSITZ, U. (Hg.) (2004): Schwierige Kinder – Schwierige Schule. Weinheim und Basel: Beltz. PREUSS-LAUSITZ, U. (2005): Notweniger Wandel – veränderte Herausforderungen. Erziehungshilfe an Schnittstellen und in Schnittmengen. In: Ev. Jugendhilfe, H. 2, 198-205. PREUSS-LAUSITZ, U. (Hg.) (2005b): Verhaltensauffällige Kinder integrieren. Zur Förderung der sozialen und emotionalen Entwicklung. Weinheim und Basel: Beltz. PREUSS-LAUSITZ, U. u.a. (41995): Kriegskinder, Konsumkinder, Krisenkinder. Zur Sozialisationsgeschichte seit dem Zweiten Weltkrieg. Weinheim und Basel: Beltz. RADISCH, F. (2009): Qualität und Wirkung ganztägiger Schulorganisation. Weinheim und München: Juventa. RAMSEGER, J. / WAGENER, M. (Hrsg.) (2008): Chancenungleichheit in der Grundschule. Wiesbaden: Verlag Sozialwissenschaften. REH, S. / SCHÜTZ, A. (2008): Ganztagsschule – bessere Bildungschancen für alle? In: PREUSS-LAUSITZ, U., Gemeinschaftsschule – Ausweg aus der Schulkrise? Konzepte, Erfahrungen, Problemlösungen. Weinheim und Basel: Beltz, 156-166. UNESCO (Ed.) (1996): Learning – The treasure within. Paris: Unesco.

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Workshops 03.06.2010

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WORKSHOPS 03.06.2010 – ÜBERSICHT 1 Time-out: Life Space Crisis Intervention (LSCI) – Deeskalation in Alltagssituationen

38-39

Gabriele Hofmann, Sonderpädagogin, Trainerin für Entwicklungspädagogik 2 Konfrontative Pädagogik in der Arbeit mit Kindern mit Migrationshintergrund

40-46

Mohamed Akkad, Dipl.-Psychologe 3 Kommunikation mit Kindern – helfende Worte im Konflikt

48-51

Simone Hohberg, Erzieherin, Multiplikatorin Ganztag 4 Reise in das Selbst – Neue Wege der Prävention in der sozialen Gruppenarbeit

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André Raguse, Erzieher 5 Selbstwertstärkung für Mädchen durch Selbstverteidigung und Karate

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Bärbel Seiler, Schulsozialarbeiterin 6 Ins Spiel kommen

58-59

Gabriele Meisner, Dipl.-Sozialpädagogin, Dozentin für Spielpädagogik 7 Mobbing – Nein danke!

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Ute Winterberg, Lehrerin, Schulmediatorin 36

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Workshops 10.06.2010

WORKSHOPS 10.06.2010 – ÜBERSICHT 1 Kommunikation mit Kindern – helfende Worte im Konflikt

38-39

Simone Hohberg, Erzieherin, Multiplikatorin Ganztag 2 Sag einfach Stopp!

64-66

Christine Spies, Lehrerin, Trainerin für Gewaltprävention, Coolness-Trainerin 3 Konfrontative Pädagogik

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Susanne Zimmermann, Sozialpädagogin 4 Reise in das Selbst – Neue Wege der Prävention in der sozialen Gruppenarbeit

52-53

André Raguse, Erzieher 5 Ins Spiel kommen

58-59

Gabriele Meisner, Dipl.Sozialpädagogin, Dozentin für Spielpädagogik 6 Wahrnehmungsförderung durch Bewegung

72-74

Margit Szlezak, Lehrerin, Tanzpädagogin 7 Mobbing – Nein danke!

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Ute Winterberg, Lehrerin, Schulmediatorin 2010 Regionale Fortbildung Berlin und SFBB

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Workshop 1 - 03.06.2010

1. Fachtag Sozialarbeit an Berliner Grundschulen 3. und 10. Juni 2010

GABRIELE HOFMANN Sonderpädagogin, Trainerin für Entwicklungspädagogik

WORKSHOP 1 (03.06.10) TIME-OUT: LIFE SPACE CRISIS INTERVENTION (LSCI) – DEESKALATION IN ALLTAGSSITUATIONEN Programm 01. Begrüßung und Vorstellung 02. Was ist Time-out (Einführung) Klärungsraum, Erstellung eines Klärungsplans und ein Rückkehrgespräch führen; Vereinbarungen treffen 03. Gesprächsgrundlagen Spiegeln als Technik; praktische Übungen zu Konfliktsituationen 04. LSCI Entwicklung der grundlegenden theoretischen Elemente: Definition, Erläuterungen zu den 6 Ablaufschritten der Konfliktaufarbeitung 05. LSCI a) Simulation des kompletten Konfliktgesprächs b) Reflexion der Teilnehmer über ihre Erfahrungen Sechs Schritte einer Life Space Crisis Intervention (LSCI) Den Schwerpunkt des Workshops bildete die Vorbereitung und praktische Umsetzung des LSCI. In Theorie und Praxis wurden folgende sechs Handlungsschritte umgesetzt:

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Workshop 1 - 03.06.2010

01. Die Situation strukturieren (Das Gespräch vorbereiten) Beruhigung von Emotionen, zur Gesprächsfähigkeit finden. Der Erwachsene vermittelt Halt, Orientierung und Verständnis für die emotionale Situation des Kindes (des Jugendlichen). 02. Das Gespräch eröffnen Rekonstruktion des Vorfalls aus der Sicht des Kindes (des Jugendlichen). Der Erwachsene hört zu und gibt Hilfen - ohne zu werten oder die Wahrnehmung des Kindes (des Jugendlichen) in Frage zu stellen. 03. Den zentralen Problempunkt finden Sich durch einfühlsames Nachfragen der „inneren Realität“ des Kindes (des Jugendlichen) nähern. Bedürfnisse, Anliegen oder Ängste beschreiben und benennen, die den Konflikt antreiben und mit dem gezeigten Verhalten in Zusammenhang stehen. 04. Eine/die Lösung entwickeln Eine faire Lösung finden, die Verhaltensalternativen enthält und dem Kind (dem Jugendlichen) konstruktivere Umgänge mit persönlichen Ängsten oder Anliegen ermöglicht. 05. Den Erfolg der Lösung planen Besprechen, wie die Lösung „funktionieren“ wird; eventuell künftige Konfliktsituationen im Rollenspiel vorwegnehmen. 06. Rückkehr vorbereiten Konkrete Absprachen, wie das Kind (der Jugendliche) sich wieder in die Gruppe einbinden kann. Literatur BALKE, Stefan: Eigenverantwortliches Denken in der Schule. In: neue deutsche schule 4/1998 und im www.trainingsraum.de BALKE/HOGENKAMP: Drei Regeln reichen aus. Soziales Verhalten kann trainiert werden. In: Friedrich Jahresheft 2000 Internetquellen www.lsci.org www.learn-line.nrw.de/angebote/p21/lfs/demprog lsci01.html www.reclaiming.com/LSCI

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Workshop 2 - 03.06.2010

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MOHAMED AKKAD Dipl.-Psychologe

WORKSHOP 2 (03.06.10) KONFRONTATIVE PÄDAGOGIK IN DER ARBEIT MIT KINDERN MIT MIGRATIONSHINTERGRUND In diesem Workshop wurden Ziele, Inhalt und Erziehungsstil der Konfrontativen Pädagogik dargestellt. Anhand konfrontativer Gesprächsführung wurden den Teilnehmer/innen neue Wege in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen aufgezeigt. Darüber hinaus wurden alternative Handlungsstrategien im Umgang mit muslimischen Kindern vermittelt. Im Focus einer Konfrontativen Pädagogik stand der Umgang mit aggressivem Verhalten. An Hand von Fallbeispielen und Rollenspielen wurden Lösungsmöglichkeiten aufgezeigt und eingeübt. Konfrontative Pädagogik Die Erfahrung zeigt, dass bereits in der Grundschule pädagogische Fachkräfte mit Regelbrüchen, Grenzüberschreitungen und eskalierenden Gewaltsituationen konfrontiert sind. Viele Lehrer/-innen und Erzieher/-innen zeigen sich verunsichert oder gar verängstigt und reagieren dann instinktiv und impulsiv. Konfrontative Gesprächsführung Konfrontatives Gespräch heißt, dass die pädagogische Fachkraft die Motive, die für das deviante (abweichende) Verhalten nicht relevant sind, zwar versteht, aber als Begründung nicht akzeptiert. Die Fachkraft bezieht sich nur auf die mit dem Jugendlichen getroffene Vereinbarung und konfrontiert den Jugendlichen permanent mit der Nichteinhaltung der verhandelten Zielvereinbarung.

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Workshop 2 - 03.06.2010

Konfliktlösungsmodelle nach VAN DIEKEN, C., ROHRMANN, T. & SOMMERFELD, V. (2004). Richtig streiten lernen. Neue Wege in der Konfliktbewältigung unter Kindern. Die Autoren stellen in ihrem Buch drei unterschiedliche Arten der Konfliktlösung vor: 1. Macht entscheidet. 2. Regeln entscheiden/Recht entscheidet 3. Interessen entscheiden Van Dieken, Rohrmann und Sommerfeld schlagen vor, dass,… … für den größten Teil der Konflikte der Weg der Vermittlung gewählt wird, … für einen kleinen Teil der Hinweis auf Regeln erfolgen soll und … nur ein geringer Teil durch Anweisung von oben erledigt werden soll. Erstes Fallbeispiel Der zwölfjährige Youssef lebt in der Wohngruppe einer stationären Jugendhilfeeinrichtung und bestimmt mit seinem aggressiven Verhalten oft das Geschehen in der Gruppe. Youssef ist in der Vergangenheit schon oft verbal und auch körperlich ausgerastet. Situation Für den Abend plant er, mit seinem Kumpel Hassan einige Runden durch den beschaulichen Ort am See mit dem Fahrrad zu drehen. Am Morgen hat er zwei Unterrichtsstunden versäumt. Die diensthabende Erzieherin wurde von der Schule über dieses Fehlen informiert. Youssef will sich am späteren Nachmittag zum geplanten Fahrradfahren bei ihr abmelden, als sie noch damit beschäftigt ist, die Küche aufzuräumen und abzuwaschen. Reaktionen Die Erzieherin erklärt ihm während ihrer Aufräumarbeiten, dass er ja am Morgen bereits genug Freizeit hatte und er sich jetzt an seine Schulaufgaben setzen solle. Youssef beschimpft daraufhin die Erzieherin mit den übelsten, lautstarken Beschimpfungen und verlässt den Raum mit lautem Türenschlagen. Er verzieht sich anschließend auf sein Zimmer. Nach einigen Schrecksekunden widmet sich die Erzieherin wieder anderen Jugendlichen. Ende der Situation Nach circa 20 Minuten, während die Erzieherin mit den anderen Jugendlichen im Gespräch ist, stößt Youssef wieder dazu. Er versucht sich nett in das Gespräch einzubringen und fragt die Erzieherin, ob er sich einen Apfel holen dürfe. Die Erzieherin, zwar noch verärgert, aber andererseits froh, dass die Situation nicht weiter eskaliert ist, gibt Youssef die Erlaubnis sich einen Apfel zu holen. Rückblick Die Erzieherin erteilt Youssef die Absage für das geplante Fahrradfahren nebenbei während sie Abwasch und Aufräumen erledigt. Youssef fühlt sich vermutlich nicht genügend beachtet. Er interpretiert das Verhalten der Erzieherin möglicherweise als Desinteresse an seiner Person. Durch die Grenzsetzung verbunden mit dieser Wahrnehmung rastet der Junge aus.

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Workshop 2 - 03.06.2010

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Lösungsmöglichkeit Das Gespräch könnte z. B. fünf Minuten aufgeschoben werden, z. B.: „Bitte warte einen Moment, ich werde gleich mit dir darüber sprechen!“ Eine nachdrückliche Bitte, dass er sich z. B. noch mal kurz auf den Stuhl setzen soll, weil sie gerade noch beschäftigt ist, hilft nonverbal, eine adäquate Statussituation herzustellen. Danach folgt die Konfrontation der Erzieherin mit dem Regelverstoß und der daraus resultierenden und zu begründenden Sanktion. In dieser Phase sollte die Erzieherin aber ein Höchstmaß an Aufmerksamkeit für Youssef haben, weil sie nur dann ihre autoritative Führung (vgl. WEIDNER) und gleichzeitige Wertschätzung verbal und nonverbal ausdrückt. Gleichzeitig muss unter Umständen beharrlich der lautstarken und einschüchternden „Argumentation“ von Youssef auf der Sachebene begegnet werden, ohne sich dabei in einen Konflikt hineinziehen zu lassen. Sollte Youssef dennoch ausrasten und wutentbrannt, beleidigend und Türen schlagend in sein Zimmer rennen, sollte die Situation des „Wiederkommens“ anders gestaltet werden. Auch in der Situation des Wiederkommens gilt, dass die Erzieherin „das Heft in der Hand behält“ und nicht Youssef. Dem Ärger und der Wut der Erzieherin, die sich die Beleidigungen anhören musste, sollte sich Youssef zeitnah stellen müssen. Die Erzieherin sollte Youssef damit konfrontieren, dass er gerade Regeln des gemeinsamen Zusammenlebens verletzt hat, statt innerlich zu brodeln, aber äußerlich eher distanziert und harmonisierend zu kommunizieren. Dies ist im Sinne der eigenen Authentizität wichtig. Er sollte sich z. B. mit der Frage beschäftigen müssen: Was tust du der Gruppe jetzt angemessenes zum Ausgleich?“. Dabei geht es dann nicht um Schuldzuweisung, sondern um Verantwortungsübernahme für das eigene Verhalten und das Wohlergehen der anderen. Die gut dosierte Konfrontation mit dem eigenen destruktiven Verhalten, die Rückmeldung über deren Wirkungen, das provozierende zur Verfügungstellen von Bildern und Assoziationen ermöglicht eine emotionale Beteiligung von Youssef. Diese emotionale Beteiligung oder auch Verankerung hat eine Art Depotwirkung, die es Youssef zunehmend schwierig machen wird, sein Verhalten auf Dauer unverändert fortzusetzen. Fazit Immer dann, wenn Erwachsene mit Kindern und Jugendlichen nicht in die Auseinandersetzung gehen, weil sie deren Folgen befürchten, nehmen sie ihre Erziehungsverantwortung nicht an. Hier ist es im autoritativen Sinne notwendig, Regeln und Grenzen gemeinsam auszuhandeln, Konsequenzen für Überschreitungen zu vereinbaren, die für alle gelten. Hingegen sind autoritäre Erwachsene, die ohne vorherige Absprachen willkürliche Strafen aussprechen und sich selbst wenig verbindlich und konsistent gegenüber Kindern und Jugendlichen verhalten, in destruktiver Weise über das Ziel deutlich hinaus geschossen. Eine konfrontativ-provokative Erziehungshaltung ist von Herzlichkeit und Humor geprägt und wird –wenn es erforderlich ist – durch konsequente, transparente und beharrliche Interventionen ergänzt. Denn wenn ich mich für einen Menschen interessiere, meine Wahrnehmung ernst nehme und darüber hinaus noch in gewissem Maße Verantwortung für das Wohlergehen dieses Menschen habe, darf mir ein schädigendes und grenzüberschreitendes Verhalten nicht gleichgültig sein. Zweites Fallbeispiel Ali ist zehn Jahre alt und besucht die vierte Klasse einer Grundschule. Er muss morgens mit dem Bus in die Schule kommen. Der Bus fährt alle zehn Minuten. Ali kommt eine halbe Stunde verspätet in die erste Unterrichtsstunde und entschuldigt sich für sein spätes Kommen durch das Verpassen des Busses.

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Reaktion und Konsequenz Akzeptiert die Klassenlehrerin jetzt diese Entschuldigung (was meistens der Fall ist), so wirkt dies als Verstärkung: Ali ist durchaus in der Lage zu wissen, dass dieses Verhalten eine Grenzüberschreitung ist. Ist er mit seiner Entschuldigung erfolgreich, wird er mit hoher Wahrscheinlichkeit diese oder stärkere Grenzüberschreitungen beim nächsten Mal zeigen. Lösungsmöglichkeit Das Gespräch wird jetzt nach den Standards der Konfrontativen Gesprächsführung konstruiert. Diese Entschuldigung von Ali wird nicht akzeptiert und der Sachverhalt intensiver hinterfragt: A:

Guten Morgen, Frau Müller! Entschuldigung, ich habe den Bus verpasst. Er ist vor meiner Nase weg-

gefahren. M: Moment, wann musstest du hier sein? A:

Ja, um acht Uhr.

M: Wie spät ist es jetzt? A:

Ja, wie? ... Ich weiß nicht.

M: Dann schau mal auf die Uhr. A:

Ja, es ist 8:30 Uhr.

M: Wie oft fährt dein Bus? A:

Ja, ich habe den Bus verpasst.

M: Ich habe dich gefragt, wie oft dein Bus fährt. A:

Der ist vor meiner Nase weggefahren.

M: Du sollst meine Frage beantworten! A:

Ja, halt alle zehn Minuten.

M: Und warum bist du eine ganze halbe Stunde verspätet? A:

Ja, weil ich den Bus verpasst habe.

M: Der Bus fährt alle zehn Minuten, und du bist eine halbe Stunde später dran. Das stimmt also so A:

nicht. Ja, ich habe zu spät das Haus verlassen, und...

M: Beim nächsten Mal verlässt du das Haus rechtzeitig, damit du pünktlich in die Schule kommst. A:

Warum hast du so spät das Haus verlassen? Ja, ich musste frühstücken.

M: Dann musst du früher aufstehen, um zu frühstücken. Dass du zu spät kommst, hat mit dir zu tun. Daran ist nicht der Bus Schuld und auch nicht das Frühstück. Bedingungen für den Einsatz der Konfrontativen Gesprächsführung Die Konfrontative Gesprächsführung ist kein Allheilmittel. Diese Methode wird als eine Ergänzung verstanden. Sie soll von anderen begleitet werden, wie z. B. die Stärken des Jugendlichen hervorheben, loben oder sensibel gegenüber seinen persönlichen und sozialen Rahmenbedingungen sein.

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Denn die bloße Konfrontation kann bei Jugendlichen kontraproduktiv sein, wenn sie nicht an anderer Stelle verarbeitet wird. Fingerspitzengefühl und maßvoller Einsatz stärken die Beziehungsebene. Nicht für jedes Kind und jeden Jugendlichen ist dieser Stil geeignet. Das Kind beziehungsweise der Jugendliche muss persönlich und intellektuell in der Lage sein, die Konfrontation anzunehmen. Bei ruhigen und zurückhaltenden Kindern und Jugendlichen sollte man eher auf die Konfrontation verzichten, bei auffälligen sie aber bewusst einsetzen. Wichtig ist, dass die Konfrontation erst dann zum Einsatz kommt, wenn der Jugendliche die Konfrontation latent oder bewusst sucht. Abwertung von Wertvorstellungen, Gebräuchen oder Sitten muss vermieden werden. Konfrontationen, die von unüberlegten Vorurteilen geprägt sind, wie z. B. „Alle Arabischen Jungen sind Gewalttäter“ oder „Der Islam erlaubt dir nicht, zu schlagen“, können verletzend, kränkend und schließlich kontraproduktiv sein. Einsatz der Konfrontativen Gesprächsführung Regelbruch Die Konfrontative Gesprächsführung wird primär eingesetzt, wenn eine Regel oder eine Vereinbarung nicht eingehalten wird. Der Pädagoge konfrontiert den Jugendlichen mit dem Bruch der Regel. Konfliktfall Die Entscheidung darf nicht den Kontrahenten überlassen werden (sonst gewinnt automatisch der Stärkere). Der Pädagoge konfrontiert jeden nur mit seinem eigenen Verhalten. Es geht nicht um Schuldzuweisung sondern um Übernahme der Teilverantwortung. Ziel ist es, dass jede Konfliktpartei ihren Anteil der Verantwortung übernimmt. Prävention z. B. durch Diskussionen Bei sehr vielen Jugendlichen ist es pädagogisch sinnvoll die konfrontative Gesprächsführung auch ohne Anlass einzusetzen, weil viele arabisch-türkische Jungen die Konfrontation suchen und die Grenzen der Pädagogen ausloten möchten. Wird die Grenze sehr früh und konsequent gesetzt, ist die Wahrscheinlichkeit gering, dass es zur Eskalation und Grenzüberschreitung kommt. Interkulturelle Kompetenz Interkulturelle Kompetenz in der Sozialen Arbeit mit aggressiven Jugendlichen gehört zu den wichtigsten Schlüsselkompetenzen überhaupt, wenn man beispielsweise bedenkt, dass circa 50 Prozent der Teilnehmer in den Anti-Aggressions-Trainings einen Migrationshintergrund aufweisen. Die Konfrontation muss in der Realität und in der Lebenswelt der Jugendlichen verlaufen, wenn sie erfolgreich und effizient sein soll. Die pädagogischen Fachkräfte sollten über Kenntnisse der kognitiven Hypothesen der Zielgruppe verfügen, damit sie sicherer und bewusster die Jugendlichen konfrontieren oder an geeigneter Stelle schweigen können, um eine Eskalation zu verhindern.

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Erziehungsstile und Erziehungsziele in Migrantenfamilien Kulturelle Wertvorstellungen und Einstellungen werden zum großen Teil durch die Erziehung in den Herkunftsfamilien vermittelt. Für die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen anderer kultureller Herkunft ist es daher von entscheidender Bedeutung, die Erziehungsstile und die Erziehungsziele dieser Migrantenfamilien kennen zu lernen. Die Erziehungsstile a. der religiös-autoritäre Erziehungsstil b. der autoritäre Erziehungsstil c. der verständnisvoll-nachsichtige Erziehungsstil d. der leistungsorientiert-einfühlsame Erziehungsstil Die wichtigsten Erziehungsziele (vgl. TOPRAK 2004) 1. Respekt vor Autoritäten Die Erziehung zu Respekt, Gehorsam, Höflichkeit, Ordnung und gutem Benehmen hat das Ziel, die familiären Bindungen zu festigen und einen auf das Funktionieren der Familie gerichteten Orientierungssinn für das gesellschaftliche Leben zu entwickeln. (Autoritäten: Eltern, Großeltern, Onkel und Tanten) 2. Erziehung zur Ehrenhaftigkeit Ein Unterschied zum Orient besteht u.a. darin, dass die sozialen Kontrollinstanzen, wie z. B. Familiennetzwerke, Nachbarschaftshilfe, Dorfgemeinschaft fehlen. 3. Erziehung zur Zusammengehörigkeit Durch das Fehlen des üblichen sozialen Netzwerks in der Heimat gewinnt das Erziehungsziel „Zusammengehörigkeit“ an Bedeutung. Das Erziehungsziel „Zusammengehörigkeit“ hat im Orient keine zentrale Bedeutung (vgl. KAGITCIBASI 1996). Dieses Erziehungsziel ist im Zuge der Migration entstanden, weil die Eltern dadurch die innerfamiliäre Bindung, die sie in der Migration gefährdet sehen, verfestigen wollen. 4. Erziehung zum Lernen und Leistungsstreben Es gibt viele Beispiele dafür, dass Diener mit Leistung und Fleiß bis zur Position eines Ministers des Staates gelangt sind. 5. Erziehung zur Identität Im Ausland fühlen sich orientalische Eltern verpflichtet, die Erziehung zur nationalen Identität selbst zu übernehmen. „Die Kinder dürfen nicht vergessen, woher sie kommen“. Fazit Die Erziehungsziele der orientalischen Migranten erscheinen auf dem ersten Blick als konservativ und traditionell. Sie werden aber in den Migratenfamilien der zweiten oder dritten Generation anders interpretiert als dies beispielsweise noch bei der ersten Generation der Fall war. Die wichtigsten Erziehungs-

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ziele der zweiten Generation: der Zusammenhalt der Familie in der „Fremde“ und die persönlichen Erfolge der Kinder. Es kann zwar nicht von einem homogenen Erziehungsstil gesprochen werden, aber autoritäre Erziehungsstile werden von den orientalischen Eltern mehr praktiziert.

Literatur VAN DIEKEN, C., ROHRMANN, T. & SOMMERFELD, V. (2004). Richtig streiten lernen. Neue Wege in der Konfliktbewäl-

tigung unter Kindern. Freiburg i. Br.: Lambertus. ALAMDAR-NIEMANN, MONIKA (1992). Türkische Jugendliche im Eingliederungsprozess. Eine empirische Untersuchung zur Erziehung türkischer Jugendlicher in Berlin (West) und der Bedeutung ausgewählter individueller und kontextueller Faktoren im Lebenslauf, Hamburg. MERKENS, HANS (1997). Familiäre Erziehung und Sozialisation türkischer Kinder in Deutschland. In: MERKENS/ SCHMIDT (Hrsg.): Sozialisation und Erziehung in ausländischen Familien in Deutschland, Hohengehren. KAGITCIBASI, CIGDEM (1996). Insan - Aile - Kultur, 3. Basim, (Mensch - Familie - Kultur, 3. Auflage), lstanbul. KREISER, KLAUS/WIELANDT, ROTRAUD (1992) (Hrsg.). Lexikon der Islamischen Welt. Völlig überarbeitete Neuausgabe, Stuttgart/Berlin/Köln. TOPRAK, AHMET (2002). „Auf Gottes Befehl und mit dem Worte des Prophten...“ Auswirkungen des Erziehungsstils auf die Partnerwahl und die Eheschließung türkischer Migranten der zweiten Generation in Deutschland, Herbolzheim. TOPRAK, AHMET (2004). „Wer sein Kind nicht schlägt, hat später das Nachsehen“. Elterliche Gewaltanwendung in türkischen Migrantenfamilien und Konsequenzen für die Elternarbeit, Herbolzheim. VORHOFF, KARIN (1995). Die Aleviten - eine Glaubensgemeinschaft in Anatolien. Vortrag am 30.03.1995, Orient Institut Istanbul, unveröffentlichtes Manuskript.

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2010 Regionale Fortbildung Berlin und SFBB

1. Fachtag Sozialarbeit an Berliner Grundschulen 3. und 10. Juni 2010

2010 Regionale Fortbildung Berlin und SFBB

Workshop 2 - 03.06.2010

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Workshop 3 - 03.06.10 / Workshop 1 - 10.06.10

1. Fachtag Sozialarbeit an Berliner Grundschulen 3. und 10. Juni 2010

SIMONE HOHBERG Multiplikatorin für Ganztägige Bildung und Erziehung

WORKSHOP 3 (03.06.10) / WORKSHOP 1 (10.06.10) KOMMUNIKATION MIT KINDERN – HELFENDE WORTE IM KONFLIKT Ziel des Workshops war es, zu zeigen, wie wir mit Hilfe gelungener Kommunikation präventiv den Kindern in der Grundschule Werkzeug an die Hand geben können, um ein friedliches Miteinander, gegenseitigen Respekt und einen konstruktiven Umgang mit Konflikten zu erlernen beziehungsweise zu fördern, damit sich alle sicher und wohl fühlen. Dabei geht es um das Formulieren von Grenzen, um Deeskalation, Ressourcenentdeckung und die Sicht auf das eigene Handeln. Ein Konflikt besteht, wenn zwei Elemente gegensätzlich und unvereinbar erscheinen wie z.B. Gedanken, Bedürfnisse, Verhaltensweisen, Absichten, Personen, Gruppen oder Ideologien. Jeder Tag beginnt schon mit einem Konflikt, wenn z. B. der Wecker klingelt: Stehe ich gleich auf, erst in fünf Minuten oder bleibe ich gar im Bett? Konflikte gehören zum Leben wie Freude und Harmonie und haben ebenso ihren Sinn. Wichtig ist immer, wie ich mit ihnen umgehe: •

möglichst frühzeitig ansprechen



den Sinn (das Bedürfnis) herausarbeiten



offen angehen!

So kann Klarheit geschaffen werden und Veränderung stattfinden. „Stopp! Wo der Schmerz anfängt, hört der Spaß auf.“ - „Keiner hat das Recht einen anderen zu verletzen. Das werden wir hier alle nicht dulden.“ - „Wir helfen uns gegenseitig.“ Diese Sätze signalisieren: 1. dass Kinder bestärkt werden, deutlich mitzuteilen, wenn sie mit dem Handeln oder Verhalten des anderen nicht einverstanden sind, 48

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1. Fachtag Sozialarbeit an Berliner Grundschulen 3. und 10. Juni 2010

Workshop 3 - 03.06.10 / Workshop 1 - 10.06.10

2. ein einheitliches Vorgehen der Erwachsenen, geben dadurch Orientierung und 3. wir achten aufeinander; sehen, wenn es jemandem nicht gut geht; bieten Hilfe an. Wie schon PAUL WATZLAWICK in seinem 2. Axiom: „Jede Kommunikation hat einen Inhalts- und Beziehungsaspekt. Der letztere bestimmt den ersteren.“ feststellte, ist die Beziehung zum Menschen von größter Bedeutung (das A und O). 3% laufen über die Sachebene und 97% über die Beziehungsebene ab – in Stresssituationen blenden Kinder den Empfangskanal „Inhaltsebene“ aus. Den Aufbau einer positiven Erwachsenen-Schüler-Beziehung erreicht man durch: •

Bedürfnisse und Problemsituationen erkennen



Vertrauen schaffen



Gelegenheit für Einzelgespräche geben



Interessen, Sorgen, Wünsche erfahren



positive Wertschätzung geben = sich offen und vorurteilsfrei begegnen



Empathie zeigen = den anderen verstehen



authentisch sein = Echtheit, keine Rolle spielen



Ressourcen erkennen = welche positiven Eigenschaften gibt es, welche Verantwortung übernimmt das Kind gern, welche Spiele und Personen mag es besonders?

Die Ressourcen der Kinder sind eine große Chance, um Stärken statt Defizite zu fördern. Sie geben Vertrauen, Sicherheit und ein positives Gefühl. Kinder haben natürliche Aggressionen und sind noch nicht in der Lage, sie zu steuern oder sich wie ein Erwachsener ein Ventil für den Abbau zu suchen. Hierbei benötigen sie unbedingt die Begleitung der Bezugspersonen, damit sie reifen können. Für das pädagogische Verhalten bei Aggressivität einzelner Kinder ist von enormer Bedeutung: •

bestimmt, ruhig und besonnen auftreten



sich mit echter, vorbehaltloser Aufmerksamkeit begegnen



Blickkontakt suchen und halten, aktiv zuhören/ interessiert nachfragen



anerkennender Körperkontakt, wenn es das Kind zulässt



Publikum vermeiden (andere Kinder eventuell aus der Gefahrenzone bringen)



Annahme und Wertschätzung



Verständnis signalisieren, Gefühle verbal reflektieren/spiegeln



dennoch konsequent bleiben und an Regeln festhalten

Faustregel: Keine Verhandlungen! Sprechen Sie in kurzen Sätzen, deutlich, sachlich, unmissverständlich und trotzdem warm! (Kinder spüren, wenn Erwachsene freundlich tun, aber innerlich kalt und abweisend/distanziert sind.) •

Mimik, Gestik, Körpersprache sowie Stimmlage müssen übereinstimmen



Zeit und Geduld aufbringen



Sanktionen und autoritäres Verhalten vermeiden



Positive Verhaltensweisen oder Anstrengungsbereitschaft verstärken durch Loben im Sekunden-

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Workshop 3 - 03.06.10 / Workshop 1 - 10.06.10

1. Fachtag Sozialarbeit an Berliner Grundschulen 3. und 10. Juni 2010

fenster, denn dann verarbeitet das Kind dieses Lob in jedem Fall mit Hilfe der unbewussten Verarbeitung; genau benennen, was gut war; Lob und Kritik nicht vermischen •

Ich-Botschaften formulieren/benennen den Sachverhalt und geben Auskunft über Gefühle, z. B.: „Ich finde es nicht in Ordnung, wenn du dich nicht abmeldest. Ich mache mir wirklich Sorgen.“

Helfende Worte können sein: •

„Ich sehe: o

es geht dir gerade nicht gut.“

o

du bist gerade sehr wütend, sauer, enttäuscht… Das hat sicher einen Grund.“



„Ich habe dich sehr gern, aber dein Verhalten war gerade nicht in Ordnung.“



Trennung von Person und Verhalten = respektvoller Umgang



„Ich habe gesehen, dass du eben jemanden verletzt hast. Hilfst du mir, die Situation zu verstehen und erzählst mir einfach was los war.“



„Wer kann dir wie helfen?“



„Hast du eine Idee, was ich tun kann, wenn du die Absprache nicht einhältst?“



„Keiner hat das Recht einem anderen weh zu tun. Das werden wir hier alle nicht dulden.“

Selbstinstruktionen, die man mit Kindern trainieren kann: •

„Bewahre Ruhe!“



„Zähle bis zehn!“



„Atme dreimal tief durch!“



„Drehe dich um und gehe aus der Situation!“



„Lass dich nicht provozieren!“



„Wer entscheidet denn, wer/wann/womit du dich provoziert fühlst?“

Bei einem Konfliktgespräch nach einer Eskalation können folgende Phasen hilfreich sein: 1. Definition des Problems 2. Erhellung des Problems 3. Sammlung von Lösungsideen 4. Operationalisieren der Lösungsideen - Wer tut was mit wem? 5. Überprüfung der vereinbarten Lösung WICHTIG: Schimpfen, Ermahnen, Diskutieren etc. sind eine intensive Art der Zuwendung. Verhalten lohnt sich nicht, wenn es keine Beachtung findet. Praktische Übungen/Spiele

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„Fröhlich oder traurig… wie zeigst du Gefühle?“, Kosmos Verlag



„Mimürfel + Mimürfelbuch“ von HAJO BRÜCKEN



Kippbilder (www.illusionswork.com) Ziel: aufzeigen, dass es unterschiedliche Sichtweisen auf ein und dieselbe Sache gibt; wie schwer es ist, den Blick für etwas anderes zu öffnen



Tierbilder (Memory) 2010 Regionale Fortbildung Berlin und SFBB

1. Fachtag Sozialarbeit an Berliner Grundschulen 3. und 10. Juni 2010

Workshop 3 - 03.06.10 / Workshop 1 - 10.06.10

Ziel: Sich selbst und andere besser kennen lernen: Kinder suchen sich ein Tier, dessen Eigenschaft zu ihnen passt oder die sie erwerben wollen und berichten darüber Literatur DAMM, ANTJE (2008). Frag mich (Philosophieren mit Kindern). Moritz Verlag MC KEE, DAVID (2010). Du hast angefangen! Nein, du! 18. Aufl., Sauerländer Verlag ALIKI (2010). Gefühle sind wie Farben. 10. Aufl., Beltz Verlag ABEDI, ISABEL (2009). Blöde Ziege! Dumme Gans! Ars Edition Verlag

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Workshop 4 - 03.06.10 und 10.06.10

1. Fachtag Sozialarbeit an Berliner Grundschulen 3. und 10. Juni 2010

ANDRÉ RAGUSE Erzieher

WORKSHOP 4 (03.06.10 UND 10.06.10) REISE IN DAS SELBST – NEUE WEGE DER PRÄVENTION IN DER SOZIALEN GRUPPENARBEIT Erst Erfahrenes führt zum Verständnis und lässt es uns bewusst werden. Der Workshop war eine spannende und unterhaltsame Reise zu einem Selbst. Interessant und humorvoll wurden Bereiche an und in uns wiederentdeckt. Die Umsetzungsfähigkeit, Konzentration und Motorik wurden so zum Inhalt des Workshops. Sehr zur Nachahmung mit Kindern empfohlen! Das Eki-Kinkyo Konzept: Training von Körper und Geist als Ergänzung zur herkömmlichen Pädagogik Die Zielsetzung des Eki-Kinkyo Konzeptes ist die Vermittlung einer ganzheitlichen Pädagogik. Da der heutige Zeitgeist mehr rationellen Charakter besitzt, wird die Ganzheitlichkeit auch nur aus der Rationalität heraus betrachtet. Im Eki-Kinkyo werden die natürlichen Eigenschaften, die einen Menschen ausmachen, wie z. B. die Konzentration oder Reaktion, durch eine spezielle Trainingsmethodik, für den Übenden zur Erfahrung. Kurz zu meiner Person: André Raguse, geb. im April 1958, ich praktiziere seit 1973 Kampfkunst (Kung Fu, Karate u.a.) und seit 1979 Yoga, meine ganzheitliche Erfahrungen, die ich dabei über Jahrzehnte machte, ließen in mir eine neue Sichtweise entstehen. 1990 begann meine pädagogische Arbeit als Erzieher. Seit 1996 existiert das von mir entwickelte Eki-Kinkyo Konzept als pädagogische Ergänzung. Es wird derzeit in Zusammenarbeit mit elf Kitas, zwei Grundschulen und einer Oberschule sowie einem Abenteuerspielplatz umgesetzt. Zusätzlich biete ich das Konzept durch meinen 2004 gegründeten Verein Eki-Kinkyo Dojo e.V. auch in offenen Gruppen an.

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1. Fachtag Sozialarbeit an Berliner Grundschulen 3. und 10. Juni 2010

Workshop 4 - 03.06.10 und 10.06.10

„Eki-Kinkyo (alt chinesisch: „Training von Körper und Geist“) wurde vor ca. 1500 Jahren von dem gelehrten Boddhidharma in China entwickelt. Die Begriffe Zen oder Do (der Weg im mentalen Sinne) entsprangen seiner Philosophie. Er entwickelte u. a. die These, dass der mensch aus 18 natürlichen Eigenschaften besteht. Die ersten sieben Eigenschaften sind mentaler Natur und die weiteren elf Eigenschaften körperlich-geistiger Natur. (…) Die Zielsetzung ist es, die natürlichen Eigenschaften durch gezielte, spezielle Übungen zu stärken, verbessern beziehungsweise zu erweitern oder zu formen.“ (aus: www.eki-kinkyo.com/sportschule.html) Die Anwendung und Methodik In Workshops, Seminaren oder Multiplikatoren-Fortbildungen für Pädagogen, werden die Kursteilnehmer/-innen mit speziellen Übungen aus dem Yoga, dem Kung Fu und von mir eigens dafür entwickelten Techniken herangeführt. Dabei erfahren sie auf höchst humorvolle, aber auch spannende Weise ganzheitlich die unterschiedlichsten natürlichen Eigenschaften, die einen Menschen ausmachen. Bei Beginn jeden Unterrichtes ist das forcieren der Konzentration die Voraussetzung für die optimale Aufnahmefähigkeit. Die Konzentration, die man mit einem Fundament vergleichen kann, wird durch spezielle Balance-Übungen so zur spannenden Herausforderung. Spezielle statische Halteübungen (Asanas aus dem Yoga) zielen darauf ab, die Willenskraft beziehungsweise die eigenen Grenzen zu ermitteln. Zielsetzung ist es, über die Erfahrungsschiene die natürlichen Eigenschaften eines Menschen verständlich werden zu lassen. Einige von mir entwickelte Techniken zur Verbesserung der Reaktion und des Timings sind für jeden Übenden, ob jung oder alt, ein besonderer Spaß. Das Timing wird besonders herausgefordert, in dem die Teilnehmer durch einen rotierenden Stab laufen sollen. Die Reaktion wiederum zeigt sich beim Ausweichen einer langen Schaumstoffnudel. Diese Übungen stellen bei jedem Workshop den Höhepunkt dar. Die Teilnehmer/innen erfahren mit viel Spaß die Bedeutung der Reaktion und des Timings. Dabei spielt der Humor die entscheidende Rolle. Für mich ist der Humor mit einer Brücke zum anderen Ich zu vergleichen. Der Erfolg spricht für sich. In den letzten drei Jahren nahmen mehr als 120 Pädagoginnen und Pädagogen an meinen Multiplikatoren-Fortbildungen teil. Die Fachtagung am 3. und 10. Juni wurde von den Teilnehmern/-innen mit großer Begeisterung angenommen. Angebote Yoga Eki-Kinkyo-Yoga beinhaltet Elemente aus dem Tai-Chi, Kung-Fu und dem traditionellen Hata-Yoga. Schwerpunkte sind die Stärkung und Verbesserung der Stabilität, Mobilität sowie der Atmung und Konzentrationsfähigkeit - die Reise zu einem Selbst. Purzelbaum Training für Kinder ab 2 ½ - 6 Jahren Schwerpunkte sind: Konzentration, Fein-Grobmotorik, Koordination sowie Mobilität und Stabilität. Spielerisch werden die Kinder durch Balance- und Bewegungsspiele an ihre Grenzen geführt. Einfachste anatomische Grundkenntnisse vermitteln den Kindern ein besseres Verständnis zum eigenen Körper. Kungfu ab 14 Jahren In Anlehnung der 18 Eigenschaften des Eki-Kinkyo trainieren die Übenden, durch spezielle Yoga- und Koordinations-Übungen, ihren Körper und Geist. Im Vordergrund des Stils liegt die Intuition. Effektive Selbstverteidigung aber auch Angriffstechniken bilden den Inhalt des Trainings. Tai-Chi ab 14 Jahren Die Ruhe in der Bewegung suchen, führt zur Harmonie. (www.eki-kinkyo.com/sportschule.html) 2010 Regionale Fortbildung Berlin und SFBB

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Workshop 5 - 03.06.2010

1. Fachtag Sozialarbeit an Berliner Grundschulen 3. und 10. Juni 2010

BÄRBEL SEILER Schulsozialarbeiterin

WORKSHOP 5 (03.06.10) SELBSTWERTSTÄRKUNG FÜR MÄDCHEN DURCH SELBSTVERTEIDIGUNG UND KARATE Im Mittelpunkt des Workshops standen diverse Selbstbehauptungs- und Karatetechniken, Spiele und Entspannungsübungen. Es wurde gezeigt, wie besonders Mädchen im Umgang mit Ihren Gefühlen bestärkt werden, wie sie den Umgang mit Angst, mit verbalen und körperlichen Angriffen lernen können. Die Teilnehmer/-innen erfuhren, wie man Mädchen unterstützen und sich mit ihren eigenen Grenzen und mit Grenzüberschreitungen auseinandersetzen kann. Jede von uns kennt in ihrem Alltag verschiedene Situationen, in denen sie Streitereien, Bedrohungen und Gewalt begegnet ist. • • • •

Wie reagiert ihr darauf? Wie könnt ihr euch wehren? Oder eine bedrohliche Situation beenden oder vermeiden? Wie geht ihr mit Streitereien um? Von wem könnt ihr Hilfe erwarten?

In dem Workshop wollten wir herausfinden, wo „Gewalt “anfängt und woran wir sie erkennen können. Viele Bedrohungen, Belästigungen oder Angriffe können durch frühzeitiges Reagieren entschärft werden. Wir wollten ausprobieren, wie wir uns verhalten können und welche Wirkung wir auf andere haben. Dazu gehört, die eigene Körperhaltung, Stimme, Atmung und die eigenen Worte zu überprüfen. Im Mittelpunkt des Workshops standen diverse Selbstbehauptungs- und Karatetechniken, Spiele und Entspannungsübungen. Ziel des Workshops war, die eigenen Stärken wahrzunehmen, bewusst einzusetzen und die eigenen (Körper-) Kräfte auszuprobieren. 54

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1. Fachtag Sozialarbeit an Berliner Grundschulen 3. und 10. Juni 2010

Workshop 5 - 03.06.2010

Wir lernten den Umgang mit verbalen und körperlichen Angriffen, den Umgang mit Angst und den Umgang mit unseren Gefühlen. Wir setzten uns mit unseren eigenen Grenzen (und die unserer Partnerin) und mit Grenzüberschreitungen auseinander. Das Selbstbewusstsein und das Selbstwertgefühl wurden gestärkt. Wir lernten laut zu schreien, und uns durchzusetzen, Grenzen aufzuzeigen und uns mit unserem Rollenverhalten auseinanderzusetzen. Der Workshop beinhaltete verschiedene Themen 1. Kennenlernen 2. Körpersprache 3. Grenzen wahrnehmen 4. Stimme einsetzen 5. Karatetechniken erlernen 6. Selbstverteidigungstechniken erlernen 7. Selbstbehauptung von Mädchen und Frauen Zu 1. Kennenlernen Kleine Methoden zum Auflockern Zum Einstieg in die jeweilige Gruppensituation eignen sich verschiedene Aufwärmspiele. Diese dienen der Auflockerung der Situation, dem gemeinsam Spaß haben und vermitteln ein erstes Erleben miteinander. Beispiel: gegenseitiges Interview, Ballspiele etc. Zu 2. Körpersprache Übung: Durch den Raum gehen Die Übungsleiterin gibt verschiedene Personen vor, die sie während des Gehens verkörpern. „Ihr seid: … … Geschäftsleute, die zu einem wichtigen Termin gehen.“ … Mitglieder einer Gang, die durch ‚ihr‘ Viertel geht.“ … wohlhabende Damen, die einen Einkaufsbummel machen.“ … Fußballspielerinnen/ Fußballspieler, die auf das Spielfeld kommen.“ … Fernsehstars. Ihr geht durch euer Viertel und grüßt freundlich nach rechts und links.“ … Polizistinnen/ Polizisten, die langsam die Straße entlang gehen.“ … ihr selbst und geht auf eure eigene Art selbstbewusst.“ Bei dieser Übung geht es darum, die Bewegungsmuster von Personen nachzuspielen, die sich sehr selbstbewusst darstellen und, in Verbindung mit den anderen Übungen, die eigenen Ausdrucksmöglichkeiten zu erweitern. Übung: Eine Straße langgehen In dieser Übung gehen die Teilnehmerinnen ein Stück „Straße“ entlang (die Teilnehmerinnen sagen vorher, welche Straße sie entlang gehen: dunkel, ruhig belebt etc.), und zwar einmal in betont ängstlicher Haltung, dann möglichst selbstbewusst.

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Workshop 5 - 03.06.2010

1. Fachtag Sozialarbeit an Berliner Grundschulen 3. und 10. Juni 2010

Anschließend wird darüber gesprochen, welche Körperhaltungen und Bewegungen eher selbstbewusst wirken und welche nicht. Zu 3. Grenzen wahrnehmen Übung: „Stopp“ sagen Bei dieser Übung geht es darum, einen möglichen Angreifer mit Worten und Körpersprache auf Distanz zu halten. Jede Teilnehmerin sucht sich eine Partnerin. A stellt sich mit dem Rücken zur Wand. B geht aus einiger Entfernung in normalem Tempo auf sie zu. Wenn A meint, dass B dicht genug herangekommen ist, macht sie ihr mit Worten und einer eindeutigen Körpersprache klar, dass sie stehen bleiben soll. Das kann z. B. durch ein laut und deutlich ausgesprochenes „Stopp!“ mit ausgestreckter Hand geschehen. Zu 4. Stimme einsetzten Übung:„Ja - Nein!“ Jede sucht sich eine Partnerin. Die Paare verteilen sich im Raum und stellen sich einander zugewandt auf. Mit dieser Übung trainieren wir die Stimme und stärken das Durchsetzungsvermögen A sagt sehr leise zu B: „Ja“. B antwortet etwas lauter: „Nein“. A wiederholt – nun etwas lauter als B – „Ja!“ B steigert die Lautstärke wieder ein bisschen: „Nein!“ ... solange, bis beide brüllen. Dann werden A und B stufenweise leiser, bis beide wieder flüstern. Danach folgt ein zweiter Durchgang, in dem B „Ja“ sagt und A „Nein“. Dann folgt eine Auswertung. Ist es einfacher „Nein“ zu sagen oder „Ja“? Zu 5./6. Karatetechniken/Selbstverteidigung erlernen und 7. Selbstbehauptung von Mädchen und Frauen Nach dem die Teilnehmerinnen zu den Themen „Körpersprache“, „Grenzen wahrnehmen“ und „Stimme einsetzen“ bestimmte Übungen gemacht haben, lernen sie jetzt einige Karate- und Selbstverteidigungstechniken anzuwenden (Vorwärtsfußtritt, Kniestoß, Fauststoß, Handrückenschlag etc.). Übung mit Schlagkissen zu zweit Eine schlägt mit dem Schlagkissen ans Ohr (wie Ohrfeige), die andere wehrt mit einem Unterarmblock ab. Selbstverteidigungsübung zu zweit Eine greift an mit „Fassen mit beiden Händen von vorne an den Kragen“ Die Verteidigung: 1. Stimme einsetzen: „Fass mich nicht an“ laut brüllen 2. Schock mit einem Fußtritt zum Knie 3. mit dem steifen Arm von oben nach unten (mit Hüfte drehen) die Arme des Gegners herunterschlagen und anschließend mit einem Handrückenschlag an die Schläfe kontern 4. laut „Feuer“ schreien und wegrennen (bei „Hilfe“ rufen reagieren Menschen nicht!)

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Workshop 5 - 03.06.2010

Katjas Geschichte – Gespräch über Selbstverteidigung Diese Geschichten sind eine gute Grundlage, um in einer der ersten Stunden ein Gespräch über Selbstverteidigung zu führen, mit dem Ziel, Handlungsmöglichkeiten zu erkennen. Sie finden sie auf der Internetseite www.hegubald.com. Dort sind auch alle anderen Übungen und noch mehr zu finden! Diese und noch viel mehr Methoden dienen der Gewaltprävention und der Selbstermächtigung von Mädchen. Schritt für Schritt erlernen die Mädchen, sich durchzusetzen und selbstsicher aufzutreten. Ziel ist es, die Mädchen selbst zu befähigen, sich vor gewaltsamen Übergriffen zu schützen, indem sie lernen, durch Selbstbewusstsein Situationen einzuschätzen, sich zuversichtlich zu zeigen, die Fähigkeit zur Selbstständigkeit haben und sich zu wehren. Die Mädchen sollen in ihrem Prozess der selbstsicheren Persönlichkeitswerdung unterstützt werden.

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Workshop 6 - 03.06.2010 / Workshop 5 - 10.06.2010

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GABRIELE MEISNER Dipl.-Sozialpädagogin, Dozentin für Spielpädagogik

WORKSHOP 6 (03.06.10) / WORKSHOP 5 (10.06.10) INS SPIEL KOMMEN In diesem Workshop stand Spielraum nicht zum Chillen oder Chatten zur Verfügung, sondern zum „Play on“ - freizeitpädagogische Inputs in Sachen Spiel fließen auf die „Festplatten“ von gestressten Schulpädagogen, deren Alltag keine „Spielerei“ ist. Ob sie dort „gespeichert“ werden, wird sich zeigen. In einer Stunde Spiel kann der Mensch mehr lernen, als in einem ganzen Leben Gespräch. (Platon) Der Workshop bot einen „Schnellimbiss“ in Sachen Spiel und ermöglichte durch dynamische Kommunikationsspiele eine Auseinandersetzung mit Zitaten zum Thema Spiel u.a. von Platon, Schiller, Shakespeare und Huizinga sowie verbale Spielformen wie das Erfinden eines Märchens, welches aus 2010 Nächten (und einem Fachtag) bestand. Rahmen dieses Märchens war der Sitz des Märchenerzählers, der im Arabischen als „Hakkawati“ bezeichnet wird und den es noch heute im Cafe´Noufara in Damaskus, der ältesten, durchgehend besiedelten Stadt der Welt, gibt. Drei authentische orientalische Gegenstände wie eine Badehausschüssel, ein Gewand und eine Tonscherbe dienten zur Anregung der Fantasie, sich in Kleingruppen ein Märchen auszudenken und dies unter Einbeziehung der Gegenstände auf dem angedeuteten Hakkawati sitzend, vorzutragen. Natürlich war den Fantasie entwickelnden Pädagogen klar, dass es hiermit um die Förderung des verbalen Talents ging.

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Workshop 6 - 03.06.2010 / Workshop 5 - 10.06.2010

Auch war klar, dass dieser Workshop keinesfalls den Anspruch erhob, „Rezepte“ für die Praxis anzubieten, sondern eben Inputs, die für die sogenannten Endverbraucher modifiziert werden müssen. Dies kann bedeuten, Kindern eventuell für sie konkreter begreifbare Gegenstände zum Erfinden eines Märchens anzubieten, wenn sie nicht den arabischen oder türkischen Migrationshintergrund haben beziehungsweise schriftliche und sprachliche Defizite haben, so dass dieses Spiel eingeschränkter mit der Vorgabe, z. B. nur drei Sätze zu formulieren, etc. umgesetzt werden müsste. Zentraler Anspruch des Workshops war es, den homo ludens des Einzelnen zu animieren, um ihn in Kommunikation mit dem der anderen Gruppenmitglieder weiter zu entwickeln und in diesem Dialog gemeinsames Spielen als Wert zu erfahren, das den Schulalltag als Unterrichtselement und im freizeitpädagogischen Bereich nicht nur beleben kann, sondern gerade für die sogenannten „schwierigen“ Kinder Hilfe und Unterstützung bietet. Dazu dienten auch die New Games, die neuen Spiele, die einen kooperativen Charakter besitzen. Eine Kreismassage, ein Reaktionsspiel mit Ah- und Oh – Effekten sowie ein verspielter Austausch von zu beantwortenden Fragen zum Thema. So kam man dazu, die Skulptur des sogenannten „schwierigen“ Kindes zu viert unter einem Fallschirm zu kreieren und durch gleich viele Personen mit verbundenen Augen nachstellen zu lassen – eine kooperative Leistung. Die Frage bleibt, wie der Umgang mit dem sogenannten „schwierigen“ Kind in der Praxis weiter gehen kann. Den gestandenen Pädagogen schien zumindest die Möglichkeit des gezielten Einsatzes von diesem schöpferischen Element wieder neu ins Bewusstsein gerückt worden zu sein, sodass nach diesem Schnellimbiss ein „Dinner“ gewünscht wurde, denn „der gute Appetit ist da“.

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Workshop 7 - 03.06.10 und 10.06.10

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UTE WINTERBERG Lehrerin, Schulmediatorin

WORKSHOP 7 (03.06.10 UND 10.06.10) MOBBING - NEIN DANKE! In einer kurzen Einführung erfuhren die Teilnehmer/innen einiges über die Grundstruktur von Mobbing in Schulen und Jugendeinrichtungen. Ausgehend von der eigenen Erfahrungswelt im Arbeitsbereich wurden Fälle besprochen und einige Methoden der Aufklärung von Mobbingstrukturen aufgezeigt. Was ist Mobbing? Wie erkennt man Mobbing? Welche Auswirkungen hat Mobbing auf das Klassenklima? Welche Auswirkungen hat Mobbing auf den Betroffenen? Was kann man dagegen tun?

Blaue Flecken auf der Seele Es fing unspektakulär an, erinnert sich der Vater von Mark. Sein neunjähriger Sohn klagte von Zeit zu Zeit über Kopfschmerzen, war ab und an unkonzentriert, kam mal mit blauen Flecken aus der Schule. Alles Symptome, die für sich allein zunächst nicht auffielen. Blaue Flecken sind – gerade bei Jungen – keine Seltenheit, Kopfschmerzen gelten als Allerweltsleiden und mit Konzentrationsproblemen haben viele Schülerinnen und Schüler zu kämpfen. Doch bei Mark hatten die Symptome einen einzigen Grund: Mobbing.

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Workshop 7 - 03.06.10 und 10.06.10

Der Viertklässler aus einem Landkreis wurde systematisch von seinen Mitschülern gequält. Es fing mit Beschimpfungen an und endete oft mit Prügel. Ein Entkommen war nicht möglich: Das Mobbing fand überall statt, im Klassenzimmer, im Umkleideraum der Turnhalle, auf dem Pausenhof, auf dem Schulweg. Mark ist kein Einzelfall. Märkische Allgemeine Zeitung (MAZ), 03.03.2006 Mobbing ist kein Kavaliersdelikt. Viele Kinder und Jugendliche sind in der Schule schon einmal mit Ausgrenzung, Beleidigung und Schikanen in Berührung gekommen. Viele von ihnen haben diese Erfahrung auch anonym, also über „das Netz“ gemacht. Cyber-Mobbing – zunehmend brutaler und besonders verletzend, da auch die Einspielung von Videos möglich ist und so die gemobbten Personen für alle Welt sichtbar wird. Die Täter- sie tauchen anonym im World Wide Web unter. Die Betroffenen leiden nicht nur unter den aktuellen Angriffen. Angst vor weiteren Schikanen, Scham und Furcht lassen sie lange nicht los. Oftmals vertrauen sie sich keinem Freund oder auch keinem Erwachsenen an, aus Angst, dass alles dann noch viel schlimmer wird. Gravierende Folgen dieser Mobbingangriffe sind Vereinsamung – Isolation – Depressionen und körperliche Symptome von Krankheiten. Dieser Workshop richtete sich an alle Pädagoginnen und Pädagogen, Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter und an alle Personen, die etwas gegen Mobbing tun wollen. Achtsamkeit und klares, konsequentes Handel sind die einzige Möglichkeit, Mobbing-Strukturen zu beenden. Literatur KASPER, HORST; STREBER, PETZE (2000). Sündenböcke. Wege aus dem täglichen Elend des Schülermobbing. AOL-Verlag, Lichtenau-Scherzheim. KASPER, HORST (2003). Arbeitsmappe Konfliktmanagement in der Schule. AOL-Verlag, Lichtenau-Scherzheim. KNEIP, WINFRIED (2002). Das Buddy-Projekt. Soziale Kompetenzen für Schüler. Vodaphone Stiftung Deutschland, Düsseldorf. OLWEUS, DAN (1996). Gewalt in der Schule. Was Eltern und Lehrer wissen sollten. Huber, Bern. ROSENBERG, MARHALL B. (2003): Gewaltfreie Kommunikation. Junferman, Paderborn. SCHILLING, DIANNE (2003). Soziales Lernen in der Grundschule. Verlag an der Ruhr, Mülheim an der Ruhr. STEWART, JAN (2003). Wut-Workout. Verlag an der Ruhr; Mülheim an der Ruhr. WATZKE, ED (1997). Äquilibristischer Tanz zwischen den Welten. Bonn. WÖBKEN-EKERT, GUNDA (1998). „Vor der Pause habe ich richtig Angst.“ Gewalt und Mobbing unter Jugendlichen. Was man dagegen tun kann. Campus, Frankfurt.

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Workshop 7 - 03.06.10 und 10.06.10

1. Fachtag Sozialarbeit an Berliner Grundschulen 3. und 10. Juni 2010

Klassenlektüre MAUREEN, STEWART (2010). Leichte Beute. Mit Download von Unterrichtsmaterial, Ravensburger Buchverlag. MAAR, PAUL (2001). Jakob und der große Junge. Oetinger, Hamburg. RHUE, MORTON (2010). Ich knall euch ab! 14. Aufl., Ravensburger Buchverlag. THEISEN, MANFRED (2007). Täglich die Angst. cbt/cbj Verlag, München. THOR, ANNIKA (2009). Ich hätte Nein sagen können. Weinheim/Basel, Beltz & Gelberg WELSH, RENATE (2007). Sonst bist du dran! Arena, Würzburg. ZÖLLER, ELISABETH (2004). Und wenn ich zurückhaue? Carlsen, Hamburg. Video Bully Dance. Medienforum, AV Medienverleih 42 02664 Internetadressen www.seitenstark.de informiert Kinder, Lehrkräfte und Eltern. Es gibt u.a. eine umfassende Literaturliste für Kinderbücher zu dem Thema sowie Materialien für Schülerinnen und Schüler, Lehrkräfte und Eltern, Expertenchat www.lehrer-online.de Im Rahmen der Aktion „MOBBING in der Schule – Schluss damit!“ der Arbeitsgemeinschaft vernetzter Kinderseiten „Seitenstark“ stellt Lehrer-Online Erfahrungsberichte und Unterrichtsmaterialien zum Thema für Lehrkräfte bereit. www.bzga.de Achtsamkeit und Anerkennung Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung stellt Materialien zur Verfügung, in denen präventive und intervenierende Strategien zum Thema Mobbing beschrieben werden.

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1. Fachtag Sozialarbeit an Berliner Grundschulen 3. und 10. Juni 2010

2010 Regionale Fortbildung Berlin und SFBB

Workshop 7 - 03.06.10 und 10.06.10

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Workshop 4 - 03.06.2010 und 10.06.2010

1. Fachtag Sozialarbeit an Berliner Grundschulen 3. und 10. Juni 2010

CHRISTINE SPIES Lehrerin, Trainerin für Gewaltprävention, Coolness-Trainerin

WORKSHOP 2 (10.06.10) SAG EINFACH STOPP! Der Workshop gab eine Einführung in das ritualisierte, gewaltpräventive Modell zum schulübergreifenden Einsatz. Mit der systematischen, konsequenten Umsetzung der Stopp-Regel auf den entscheidenden schulischen Ebenen gelingt es innerhalb kurzer Zeit, eskalierende Konflikte im Schulalltag signifikant zu verringern. Die pädagogischen Fachkräfte werden entlastet und Kinder aller Klassenstufen lernen, sich eigenständig zum richtigen Zeitpunkt gewaltfrei zu wehren. Für den Umsetzungsprozess sind umfangreiche Materialien vorgesehen. Sag’ einfach STOPP! Die Stopp-Regel als schulübergreifendes, gewaltpräventives Konzept1 Der Workshop wurde mit einer Betrachtung der heutigen schulischen Ausgangssituation eröffnet, wonach brutale, massive Gewaltvorfälle an Schulen, entgegen der öffentlichen Auffassung und der Darstellung in den Medien, eher die Ausnahme darstellen. Was den Schulalltag negativ prägt, ist eher die Vielzahl der kleinen Konfliktanlässe, bei denen ‡ ‡ ‡ ‡ ‡

beleidigt, geschubst, geschlagen, getretenen, gedroht wird.

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Workshop 4 - 03.06.2010 und 10.06.2010

Diese alltäglichen Gewaltformen haben inzwischen den Charakter einer destruktiven Normalität angenommen und werden von allen Beteiligten, Kindern und Pädagogen, als kaum beeinflussbar wahrgenommen. Meist sind es folgende drei Standardsituationen, die regelmäßig zu eskalierenden Konflikten führen: ‡

Es erfolgt eine gezielte Provokation (mit direkter verbaler oder körperlicher Attacke)

‡

Es passiert eine harmlos gemeinte „Anmache“ (oft beiläufig, „aus Versehen“, im Vorbeigehen)

‡

Eine spielerische Aktion „kippt“: „Aus Spaß wird Ernst“ (eine eingangs spaßige Aktion schlägt um und mündet in Gewaltverhalten)

Am Ende sagen alle Beteiligten übereinstimmend: „Ich hab‘ doch gar nichts gemacht!“ Die Dynamik dieser eskalierenden Auseinandersetzungen wurde mit einer Kurzgeschichte veranschaulicht: ‡

Negative Emotionen setzen eine Eskalationsspirale in Gang, die zu einem Point of no Return und am Ende zu einer Win-Lose oder in eine Lose-Lose-Situation führt

‡

Bei einem Ausstieg aus dem Streit müssen die Kontrahenten Status- und Gesichtsverlust innerhalb der Peer-Group befürchten

‡

Beide Konfliktpartner bewerten ihr Verhalten im Hinblick auf ihre subjektive Wahrnehmung und sehen ihre Handlungsweise deshalb als berechtigt an

‡

Der Konflikt kann von den Beteiligten auf eine konstruktive Weise nicht eigenständig beigelegt werden

Die Workshop-Teilnehmer/-innen bestätigten die Erfahrung, dass sich Schüler/-innen und schulische und andere Pädagoginnen und Pädagogen gleichermaßen an diesen Konflikten aufreiben. Sie ‡

belasten das Beziehungsgefüge,

‡

blockieren Energien,

‡

„schwappen“ ins Unterrichtsgeschehen hinein und

‡

verwirken das von der Institution zugesicherte Recht auf ungestörte Entwicklung des Einzelnen, störungsfreien Unterricht und Sicherheit im Schulzusammenhang.

Zusammenfassend verhindern sie ein positives Schulklima. Im Folgenden wurde erörtert, dass gewaltpräventive Modelle nur dann nachhaltigen Erfolg versprechen, wenn sie in den maßgeblichen schulischen Ebenen verankert sind und wenn sie die produktiven Ressourcen der sogenannten Peer Group, also den Einfluss und die Mitbeteiligung von Gleichaltrigen, konsequent einbeziehen. Es wurde aufgezeigt, wie Sag’ einfach STOPP! - Die Stoppregel als schulübergreifendes, gewaltpräventives Konzept© dem geschilderten Problemkreis systematisch entgegen wirkt: Das Regelritual ist eindeutig, unmissverständlich, unmittelbar einleuchtend und für jede Altersgruppe, auch im Grundschulbereich sofort zu verstehen. Es versetzt Kinder und Jugendliche eigenständig in die Lage, eine stress-, wut- oder angstbesetzte Situation konstruktiv zu managen, sich gewaltfrei zu steuern, abzugrenzen beziehungsweise erfolgreich zu wehren, meistens ohne dass Erwachsene eingeschaltet werden müssen. Die erfolgreiche Umsetzung auf gesamtschulischer Ebene erfordert die Schulung,

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Workshop 4 - 03.06.2010 und 10.06.2010

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Betreuung und den Einsatz einer Gruppe von Gleichaltrigen. Der Einbezug der Mitarbeiter/-innen der schulischen Sozialarbeit und der Erzieher/-innen in das Konzept ist wünschenswert. Voraussetzungen und Bedingungen für die erfolgreiche Implementierung und dauerhafte Weiterführung des Konzeptes: ‡

Das Kollegium erhält eine Fortbildung über die gewaltpräventiven Hintergründe und Grundsätze der Stopp-Regel sowie fortlaufende Unterstützung bei der Einführung.

‡

Alle Beteiligten setzen sich an Projekttagen mit der Entstehung und der konstruktiven Vermeidung eskalierender Konflikte auseinander.

‡

Die Lehrpersonen trainieren die Schüler/-innen im Einsatz des Regel-Rituals.

‡

Das Konzept wird schulübergreifend in allen Klassen und auf allen schulischen Ebenen eingeführt und als normatives und sozialintegratives Instrument anerkannt.

‡

Die geschulten Peers vertreten im Namen aller Friedfertigen, also der Mehrheit, die Einhaltung der Stopp-Regel im Schulalltag: In den Pausen, im Schulhaus, im Klassenalltag, auf dem Schulweg.

‡

Jeder Verstoß gegen die Regel hat, zur Normdynamisierung und Werteverdeutlichung, eine Konsequenz und Wiedergutmachung zur Folge.

‡

Wiederholte Regelverstöße werden im Klassenverband behandelt.

‡

Diese Aufarbeitung in der Klasse wird als Chance zur moralischen Entwicklung des Einzelnen gesehen. Hier ist sowohl die Korrektur des Fehlverhaltens wie auch das konkrete Training neuer, sozialintegrativer Verhaltensweisen vorgesehen.

‡

Die ausgebildeten Peers unterstützen und beraten in einer weitergehenden Funktion auch außerhalb des Stoppregel-Zusammenhangs ihre Mitschüler und sind bei anfallenden Problemstellungen verlässliche Ansprechpartner.

‡

Es erfolgt auf allen schulischen Ebenen ein regelmäßiger Austausch über den Erfolg der StoppRegel.

‡

Nach einem Jahr der Durchführung erfolgt eine Evaluation auf Kollegiums-, Schüler- und Elternebene.

Im zweiten Teil des Workshops wurde in die Praxismaterialien eingeführt. Weiterhin wurde ein inhaltlicher Aufriss über die Gestaltung einer Projektwoche für die unterschiedlichen Klassenstufen vorgestellt. Die Teilnehmer/-innen beteiligten sich lebhaft bei den vorgestellten Interaktionsübungen. Das Konzept ist inzwischen an zahlreichen Schulen im Einsatz. Auch im Nachgang dieses Workshops kamen konkrete Anfragen von Schulen mit dem Interesse an einer Umsetzung des Konzeptes.

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Workshop 4 - 03.06.2010 und 10.06.2010

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Workshop 3 - 10.06.2010

1. Fachtag Sozialarbeit an Berliner Grundschulen 3. und 10. Juni 2010

SUSANNE ZIMMERMANN Sozialpädagogin

WORKSHOP 3 (10.06.10) KONFRONTATIVE PÄDAGOGIK Konfrontative Elemente in der Gesprächsführung unterstützen Pädagogen in der Arbeit mit Schülerinnen und Schülern in problemhaften Lebenssituationen. Oft ist es schwierig, diesen Kindern zu helfen, sich in der Schule zu integrieren. und mit ihnen zu arbeiten. Die Methode der konfrontativen Gesprächsführung zeigt eine Lösungsmöglichkeit auf, dem Kind gegenüber als konsequenter Gesprächspartner Verbindlichkeiten im sozialen Miteinander einzufordern. Der folgende Text stammt im Wesentlichen aus der Jahresfortbildung von Roland Büchner, Pädagoge zur Vermittlung sozialer Kompetenzen und Gewaltprävention an der Alice Salomon Hochschule. In seiner Fortbildung ist die Konfrontative Gesprächsführung einer der Methodenbausteine. Eine steigende Zahl als auffällig und aggressiv bezeichneter Schüler gerät in eine Spirale von Schulschwänzen, Schulverweigerung, Ausbildungsabbruch, Integrations- und Selbst-Ausgrenzung und Kriminalität. Dies stellt eine Herausforderung an Pädagoginnen und Pädagogen dar. Sie fühlen sich zunehmend überfordert. Die Mehrzahl der pädagogischen Fachkräfte macht dabei die Erfahrung, dass in der Schule schulische Erziehungs- und Ordnungsmaßnahmen sowie polizeiliche/juristische Sanktionen alleine keine wirksamen Handlungskonzepte sind. Insbesondere bei muslimischen Jungen stoßen die Pädagoginnen/Pädagogen immer öfter an ihre Grenzen, weil diese und ihre Eltern sich häufig auf die Besonderheiten ihrer traditionellen Wertvorstellungen berufen. Während die deutsche Schule und ihre Pädagoginnen/Pädagogen die Ziele Eigenverantwortung, Individualismus und Selbstreflexion sowie Selbstverwirklichung fördern, kommen die muslimischen Kinder aus Elternhäusern mit von der Schule verschiedenen Wertvorstellungen zu den Begriffen Solidarität, Loyalität, Gehorsam und Unterordnung

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1. Fachtag Sozialarbeit an Berliner Grundschulen 3. und 10. Juni 2010

Workshop 3 - 10.06.2010

in die Institution Schule. Hier kollidieren zwei völlig unterschiedliche Konzepte, die wesentlich dazu beitragen, dass so viele Jungen im deutschen Bildungssystem scheitern und oft durch erhöhte Aggressivität und Gewaltbereitschaft auffallen. Konfrontative Gesprächsführung heißt, als Pädagoge die Motive zu kennen die für das abweichende Verhalten relevant sind, sie zwar zu verstehen, aber als Begründung nicht zu akzeptieren. Die Pädagogin/ der Pädagoge bezieht sich nur auf die zuvor mit dem Jugendlichen ausgemachten Regeln. Der Jugendliche wird mit der Regelverletzung konfrontiert. Die Gründe die den Jugendlichen hinderten, sind zwar als Hintergrundwissen von Bedeutung, spielen aber bei der konkreten Handlung und Einhaltung der Regeln bzw. Vereinbarungen keine Rolle. Die Konfrontative Gesprächsführung wird erfolgreich im schulischen Bereich eingesetzt: Die Konfrontation im Unterricht bei Störungen erfolgt in ritualisierter Form, so dass der Jugendliche zunächst die Wahl hat zu bleiben oder den Unterricht zu verlassen. Erst beim nächsten Regelverstoß entscheidet sich der Schüler durch sein Verhalten den Unterricht zu verlassen. Die Lehrerin / der Lehrer muss sich aber mit dem Verhalten und dem Schüler zu einer anderen Zeit nochmals auseinandersetzen. Der Vorteil ist dabei, dass die Phase der Konfrontation kurz ist und für beide Seiten durchschaubar ist. Das reflektierende für den Schüler hilfreiche unterstützende Gespräch kann der Pädagoge in Ort und Zeit bestimmen. Konfrontieren darf nur, wer zuvor als Pädagogin/Pädagoge eine Beziehung zum Schüler aufgebaut hat. Der konfrontative Gesprächsstil wird in der Regel von mehrfach auffälligen insbesondere von türkisch stämmigen oder arabisch stämmigen Jugendlichen gut angenommen. Sofern Mädchen sich ebenfalls auffällig und aggressiv verhalten, ist die Methode auch für sie einsetzbar. Allerdings darf die Methode sich nicht nur auf den kulturellen Aspekt reduzieren, denn mehrfach auffällige Jugendliche setzen häufig Nachgiebigkeit mit Schwäche gleich. Mit dieser Methode können Fachkräfte sich Respekt verschaffen, weil sie die Sprache der Jugend sprechen. Dabei soll gerade im Alltag konfrontiert werden nach dem Prinzip: Bei kleinen Sachen reagieren, damit die großen nicht passieren. Jugendliche wollen Grenzen austesten, daher kann sich die Pädagogin / der Pädagoge nicht aussuchen, ob sie/er den Konflikt austrägt, sondern nur wo und welche sie/er austrägt. Kriterien des Konfrontativen Gesprächstils 1. Vereinbarungen/Regeln: es geht nur darum, den Jugendlichen mit dem Bruch der Vereinbarung zu konfrontieren und diese jetzt durchzusetzen. Dies muss der rote Faden im Gespräch bleiben. 2. Unnachgiebigkeit: unabhängig davon, welche Motive für die Nichteinhaltung der vereinbarten Regel vorgebracht werden, dürfen die Pädagoginnen/Pädagogen nicht nachgeben und müssen standhaft sein. Türkische und arabische Jungen legen Nachgiebigkeit und Verständnis sowie Basisdemokratie als Schwäche von Erwachsenen aus, insbesondere bei männlichen Fachkräften. Nachgiebige Pädagoginnen/Pädagogen unter Druck zu setzen, geschieht bewusst. Die auffälligen Jungen wissen aus Erfahrung, wie Pädagoginnen/Pädagogen „funktionieren“, weil sie „Pädagogen trainiert“ und „Sozialarbeiter gesättigt“ sind. Ihre Devise heißt: Ich erzähle ihr/ihm eine schlecht traurige Kindheit, schon habe ich meine Ruhe. Gerade der verständnisvolle Ansatz der Pädagoginnen/Pädagogen wird von vielen dieser Jugendlichen missbraucht und gegen sie verwendet.

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Workshop 3 - 10.06.2010

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3. Widerlegen: wenn sich Jugendliche in ihrer Ausführung häufig rechtfertigen und widersprechen, soll dies deutlich aufgedeckt und so entkräftet werden. 4. Ständiges Wiederholen: Die Jugendlichen versuchen mit vielfältigen Strategien (Verharmlosungen, Rechtfertigungen, Ausreden) für ihr Verhalten keine Verantwortung zu übernehmen. Diesen penetranten Rechtfertigungsstrategien müssen Pädagoginnen/Pädagogen mit Penetranz begegnen um das oben genannte Ziel zu erreichen. Das heißt, sie müssen so lange wiederholt auf ihn einreden bis er genervt aufgibt, seine Verantwortung für das eigene Handeln übernimmt, den Spaß an dieser Strategie verliert und keine Entschuldigung beziehungsweise Ausreden mehr sucht. 5. Unterbrechen und verunsichern: Wenn die Jugendlichen nicht zum Punkt kommen oder aber bewusst vom Problem ablenken, dann sollten die Pädagoginnen/Pädagogen sie unterbrechen und zur Ausgangsfrage zurückkehren. Dies unterstreicht die unter erstens angesprochene Zielstrebigkeit. 6. Keine Einsicht verlangen: Einsicht verlangen ist nach wie vor die beliebtesten Form der Pädagoginnen/Pädagogen in Deutschland. Einsicht lässt sich nicht erzwingen oder anders formuliert: Einsicht auf Kommando verhindert Einsicht, verlorene Einsicht der Gruppe „Jugendliche“ zu gewinnen! Einsichtige Jugendliche geben uns Recht, Anerkennung und Bestätigung entschuldigen, entlasten uns; clevere Jugendliche spielen Einsicht! Die meisten Jugendlichen zeigen sich einsichtig, weil sie sehr genau wissen dass sie in diesem Fall meistens milder bestraft werden. Hier lautet die Devise der auffälligen Jugendlichen: Ich erzähle den Pädagoginnen/Pädagogen, was sie hören möchten, dann komme ich gut weg! - Vorteile und Chancen des konservativen Gesprächsstils. Abschließend ist zu beachten, dass Konfrontative Gesprächsführung keine symmetrische Kommunikationsart ist, sondern eine hierarchische, asymmetrische. Daher ist sie in gleichen Partnerschaften oder gegenüber Kollegen sowie bei sozial gehemmten oder gar regressiven Jugendlichen nicht anwendbar. Verfügt eine Pädagogin / ein Pädagoge über eine gerade Linie mit Herz und verbinden sich gute Kenntnisse von Erziehungsvorstellungen muslimischer Eltern sowie des Ehrbegriffes und der interkulturellen Kommunikationskompetenz, so ist die konfrontative Gesprächsführung auch eine Möglichkeit, einen Gesprächskontakt leichter, beziehungsweise erst möglich zu machen. Literatur BÜCHNER, R. (2009a). „Damit kommst du nicht durch...!“ Die konfrontative Methodik im Umgang mit muslimischen Jungen. In: SENATSVERWALTUNG FÜR BILDUNG, WISSENSCHAFT UND FORSCHUNG / SOZIALPÄDAGOGISCHES FORTBILDUNGSINSTITUT BERLIN-BRANDENBURG (SFBB). Dokumentation – Fortbildungsangebot zum ESF – Programm. 2. Berliner Tandem-Fachtag „Jugendsozialarbeit an Berliner Hauptschulen. Kompetenz entwickeln – Kooperation vertiefen – Berufsfähigkeit fördern, 16. Oktober 2008, Berlin

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Workshop 3 - 10.06.2010

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Workshop 6 - 10.06.2010

1. Fachtag Sozialarbeit an Berliner Grundschulen 3. und 10. Juni 2010

MARGIT SZLEZAK Lehrerin, Tanzpädagogin

WORKSHOP 6 (10.06.10) WAHRNEHMUNGSFÖRDERUNG DURCH BEWEGUNG „Schwierige Schüler“ haben oft Probleme, sich selbst und ihre Mitmenschen wahrzunehmen und Verhalten anderer Schüler/-innen zu deuten. Sie stehen unter Stress und leiden unter Bewegungsmangel. Durch selektive Wahrnehmung entstehen dann oft Missverständnisse. In diesem Workshop wurden kreative Bewegungsspiele und unterstützende Übungen vorgestellt, die lockern, sensibilisieren und die eigene Befindlichkeit bewusst machen. Außerdem ist Bewegung ein Mittel zum Tanken neuer Energie. Die eigene Körperwahrnehmung und Sinneswahrnehmung wird verfeinert und geschult, ebenso das verbale Austauschen über Gefühle bei sich und anderen. Verlauf des Workshops Kurze Vorstellungsrunde:

Satz und Geste: Bewegung ist für mich…

Alltagswahrnehmung testen

Hände verschieden falten, Unterschied wahrnehmen, welche Hand? Arme verschränken, welcher Arm?

Aspekte der Wahrnehmung

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Allgemeine Körperwahrnehmung



Sinneswahrnehmung (sehen, riechen, hören, schmecken, fühlen)



Muskelwahrnehmung



Herz-Kreislauf-Wahrnehmung

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Workshop 6 - 10.06.2010



Atemwahrnehmung



Schmerzwahrnehmung



Eigenwahrnehmung/Fremdwahrnehmung



Wohlbefinden/Stress



Bewusstes/unbewusstes Wahrnehmen

Praxis 1. Kreuz und Quer

flotte Musik Jeder für sich, durch den Raum mit Aufmerksamkeit auf Körper, Füße… Bei Begegnung mögl. viele begrüßen Handschlag, Abfolgen… Unterschiedliche Körperteile berühren einander Namen sagen Fußkanten…

2. Pendeln

Teilnehmer/-innen stehen im Kreis auf 2 Beinen, pendeln seitlich, vor- rück, rundherum, auf einem Bein, Arme benutzen/ Augen schließen, nachspüren

3. Schütteln

ganzen Körper, Körperteile, innerlich kleine Körnchen vorstellen und losschütteln, innehalten, nachspüren

4. Stopp and Go

flotte Musik beim Stopp: erstarren, Bewegung am Platz, marschieren und andere Aufgaben… Möglich auch ohne Musik mit Ansage „Stopp“/“Go“ durch Teilnehmer/-innen

5. Würfelaugen

auf Ansage wie Würfelaugen formieren

6. Muster im Raum

4-5 Personen laufen als Schlange hintereinander, erste/r denkt sich Raumwegmuster (Herz, Dreieck, Blume etc.) aus, Gruppe soll erraten, erste/r geht ans Ende der Schlange, die/der Nächste ist an der Reihe

7. Sortieren ohne Worte

nach Größe, Haarfarbe, -länge, Augenfarbe, Schuhgröße, Geburtsmonat, etc., Zeichensprache ist erlaubt

8. In den Rücken atmen

Partnerarbeit, ruhige Musik, A steht, B dahinter legt sanft die Hände an verschiedene Stellen des Rückens von A, dieser versucht dorthin zu atmen, wechseln und austauschen

9. Magische Hände

heben einzelne Körperteile, die anschließend wieder in die Ausgangslage fallen, sitzend oder stehend, ruhige Musik, Partnerarbeit

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Workshop 6 - 10.06.2010

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10. Blind führen

mit Partner im Wechsel, behutsam, irgendwann stehen lassen, neuen Partner suchen Austausch, wie man sich gefühlt hat, welche Eindrücke wurden wahrgenommen… Variation

11.

Abklopfen – Ausstreichen – Hände massieren

12.

Schluss-Blitzlicht

Impulse geben, immer mehr reduzieren bis zum Tanz

Ich fühle mich jetzt fit? Müde? Erfrischt?

Ziele •

Interaktion



Kommunikation



Kooperation



Entspannung/Anspannung



Körpergrenzen / Körperzentrum wahrnehmen



Atmung



Koordination



Bewegungsmuster



Orientierung im Raum



Gleichgewichtskoordination

Für Fragen und weitere Informationen stehe ich gern zur Verfügung [email protected]

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2010 Regionale Fortbildung Berlin und SFBB

1. Fachtag Sozialarbeit an Berliner Grundschulen 3. und 10. Juni 2010

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Workshop 6 - 10.06.2010

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Abschluss mit dem Playback Theater Berlin

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ABSCHLUSS MIT DEM PLAYBACK THEATER BERLIN „Play back“ bedeutet wertfreies „Zurück-Spielen“: Die von den Tagungsteilnehmerinnen und -teilnehmern geschilderten Erlebnisse wurden unter fachkundiger Moderation von den Schauspielern in berührende Szenen verwandelt. Als künstlerisches Instrument zur Verdeutlichung und Analyse von Handlungs- und Entwicklungsprozessen vermag die Methode des „Playback-Theaters“ wesentliche Anstöße für die Weiterentwicklung zu geben. Es stärkt das kreative Potential von Einzelnen, Gruppen und Teams. (Quelle: http://www.playback-theater-berlin.de)

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1. Fachtag Sozialarbeit an Berliner Grundschulen 3. und 10. Juni 2010

Eindruck einer Beobachterin

MICHAELA STREICH Praktikantin in der Senatsverwaltung für Bildung, Wissenschaft und Forschung

Im Rahmen meines Praktikums bekam ich die Möglichkeit, die erste Berliner Fachtagung am 10.06.2010 zu begleiten. Die Teilnehmer der Tagung wurden an diesem heißen Sommertag von einem gut organisierten und freundlichen Tagungsteam begrüßt. Gut gelaunt begaben sich die Tagungsteilnehmer in die Aula der Rudolf-Wissell-Grundschule. Nach einführenden Worten von Frau Jakobs und Frau Haupt startete der Fachtag in den Vormittag mit freundlichen Grußworten von Frau Meier, Frau Lersch und Herrn Brocke. Es folgte ein äußerst informativer Vortrag von Herrn Prof. Dr. Preuss-Lausitz zur Rolle der Schulsozialarbeit im Kontext kompensatorischer und entwicklungsfördernder Grundschulerziehung. Im Anschluss gab es Raum für Fragen, Statements und Rückmeldungen. Dieses Plenum wurde von den Teilnehmern rege genutzt. Anschließend ging es in die Workshop-Phasen. Die Pausen dienten nicht nur dem leiblichen Wohl, sondern wurden auch von vielen Teilnehmern zum Kontakteknüpfen und Gedankenaustausch genutzt. Während einige Workshops theoretische Handlungskonzepte mit einem Austausch der praktischen Erfahrungen verknüpften, fokussierten sich andere Workshops auf die Wissensvermittlung durch Selbsterfahrung wie zum Beispiel Bewegung und Spielförderung. Mein Eindruck von den Workshops war sehr positiv. Trotz teilweise schwieriger Inhalte arbeiteten die Teilnehmer in einer gelösten Stimmung produktiv an den jeweiligen Themen. Es entwickelten sich rege Diskussionen, in denen jeder persönliche Erfahrungen aus der Berufspraxis einbrachte. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Fachtag sehr informativ, spannend und interessant war. Aufgrund der guten Organisation des Tagungsablaufes konnten sich die Teilnehmer in einer angenehmen Atmosphäre dem Thema widmen. In diesem Zusammenhang vielen Dank an Frau Jakobs und Frau Haupt.

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Resumee

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BIRGIT HAUPT RENATE JAKOBS Regionale Fortbildung Sen BWF

Sozialpädagogisches Fortbildungsinstituts Berlin-Brandenburg (SFBB)

RESUMEE Der Fachtag wurde von 200 Teilnehmerinnen und Teilnehmern besucht. Von den 74 im Programm vertretenen Schulen haben etwa die Hälfte in Tridems teilgenommen. Die Auswertung anhand der Evaluationsbögen ergab ein positives Bild: Neben den fachlichen Aspekten wurde insbesondere auch die Atmosphäre des Fachtages als gelungen empfunden. In seinem Impulsreferat ging Prof. Dr. Ulf Preuss-Lausitz auf die neuen Herausforderungen von Schule in der sich verändernden Gesellschaft (Individualisierung, Aushandlungskultur) ein. Der Schule kommt immer größere Bedeutung als Sozialisationsort zu. Entwicklungsförderung heißt Lernen mit allen Sinnen. Hier sind alle in der Schule arbeitenden Pädagoginnen und Pädagogen gefordert, gerade im Umgang mit den sogenannten. „schwierigen“ Schülerinnen und Schülern individuelle Lernprozesse im Sinne einer unterstützenden Pädagogik zu schaffen. Dabei sind Bildungs- und Erziehungsarbeit in ein neues Verhältnis zu bringen, in dem sich auch die Rollen von Lehrer/-innen, Sozialarbeiter/-innen und Erzieher/-innen verändern. Neue Schnittmengen müssen geschaffen werden. Die Ganztagsgrundschule bietet hier die Chance, durch gemeinsame Arbeit aller Professionen ein gutes, gewaltfreies Schulklima zu schaffen. Dies beinhaltet eine gemeinsame kooperative Arbeit von schul- und sozialpädagogischen Fachkräften auch im Rahmen der Schulsteuerung. Hierfür muss die Schule allerdings auch die strukturellen Voraussetzungen schaffen: Arbeitsplatz, feste, regelmäßige Kooperationszeiten und insbesondere auch eine den Erfordernissen der Schülerinnen und Schüler angepasste Raumgestaltung. Die Workshops waren an den Bedürfnissen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer orientiert. Sie wurden

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1. Fachtag Sozialarbeit an Berliner Grundschulen 3. und 10. Juni 2010

Resumee

im Durchschnitt von 15 bis 20 Teilnehmenden besucht. Dadurch waren ein intensiver Austausch und ein Eingehen auf die Bedürfnisse der einzelnen in besonderem Maße möglich. In den Workshops •

erhielten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer konkrete Handlungsalternativen im Umgang mit sogenannten „schwierigen“ Schülerinnen und Schülern,



konnten sie durch praktisches Tun z. B. in Rollenspielen und spielerischen Übungen ihre Kompetenzen im Bereich des Sozialen Lernens für die Gruppenarbeit mit Kindern in und außerhalb des Unterrichts erweitern.

Viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer fanden die Mischung aus Theorie und Praxis sehr erfrischend und entspannend. Auch bei 30 Grad Hitze wurde sich freudig in den Workshops bewegt. Das Mittagessen und die Pausen wurden für das Kennen lernen untereinander und den fachlichen Austausch sehr geschätzt. Mit dem interaktiven Abschluss des Playback Theaters Berlin, bei dem die Schauspielerinnen und Schauspieler die Eindrücke der Teilnehmerinnen und Teilnehmer vom Fachtag aufnahmen und auf der Bühne wieder spiegelten, fand der Fachtag einen humorvollen Ausklang. Fazit und Ausblick Wichtig für die weiteren Fortbildungen im Rahmen des Programms „Jugendsozialarbeit an Berliner Schule – Bereich Grundschulen“ sind •

an der Praxis der Teilnehmenden orientierte Fortbildungen im Sinne von Learning by doing,



vielfältige Angebote für die unterschiedlichen Bedürfnisse und den unterschiedlichen Kenntnisstand der Programmteilnehmerinnen und Programmteilnehmer,



Zeit für den Austausch untereinander und



thematische Schwerpunktsetzung auf den Aspekt der Gestaltung der Kooperation bei den zukünftigen Themen.

An dieser Stelle möchten wir uns bei all denen bedanken, die zum Gelingen der beiden Fachtage entscheidenden Anteil hatten: bei Herrn Professor Preuss-Lausitz für das Impulsreferat, bei allen Workshopleiter/-innen, beim Pädagogischen Informationszentrum Mitte und seiner Leiterin, Frau Schmitt, bei der Schulversorgung & Catering Thomas Warnhoff GmbH, bei den Helfer/-innen im Hintergrund, die für die notwendigen Rahmenbedingungen sorgten.

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Teilnehmende Schulen und Träger

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TEILNEHMENDE SCHULEN UND TRÄGER Bezirk Mitte Schule (BSN)

Träger

City-Grundschule (01G10)

Ottokar e.V.

Kurt-Tucholsky-Grundschule (01G11)

Moabiter Ratschlag e.V.

F.-Homberg-Grundschule (01G14)

Stadtteilverein Tiergarten e.V.

Gotzkowsky-Grundschule (01G17)

Moabiter Ratschlag e.V.

Rudolf-Wissell-Grundschule (01G25)

casablanca gGmbH

Gesundbrunnen-Grundschule (01G27)

Sozialwerk Pro Gemeinsinn e.V.

Brüder-Grimm-Grundschule (01G28)

Trialog e.V.

Wilhelm-Hauff-Grundschule (01G29)

tjfbg gGmbH

Carl-Kraemer-Grundschule (01G32)

Frecher Spatz

Andersen-Grundschule (01G36)

casablanca gGmbH

Heinrich-Seidel-Grundschule (01G37)

tjfbg gGmbH

Gustav-Falke-Grundschule (01G38)

Moabiter Ratschlag e.V.

Vineta-Grundschule (01G39)

tjfbg gGmbH

Anna-Lindh-Grundschule (01G42)

tjfbg gGmbH

Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg Schule (BSN)

Träger

Blumen-Grundschule (02G05)

Einhorn gGmbH

Grundschule am Traveplatz (02G08)

Zwischenzeit gGmbH

Zille-Grundschule (02G09)

Einhorn gGmbH

Modersohn- Grundschule (02G10)

Zwischenzeit gGmbH

Thalia-Grundschule (02G11)

Einhorn gGmbH

Charlotte-Salomon-Grundschule (02G13)

Pestalozzi-Fröbel-Haus

Galilei-Grundschule (02G14)

Ev. Johannesstift Jugendhilfe gGmbH

E.-O.-Plauen-Grundschule (02G15)

RAA Berlin

Lenau-Grundschule (02G16)

LebensWelt Berlin

Fanny-Hensel-Grundchule (02G19)

Ev. Johannesstift Jugendhilfe gGmbH

Bürgerm.-Herz-Grundschule (02G20)

NHU e.V.

Otto-Wels-Grundschule (02G24)

Pestalozzi-Fröbel-Haus

Bezirk Neukölln

80

Schule (BSN)

Träger

Rixdorfer Schule (08G01)

LebensWelt Berlin

Eduard-Mörike-Schule (08G18)

LebensWelt Berlin

Schule in der Köllnischen Heide (08G35)

AspE e.V.

Karl-Weise-Schule (08G06)

Diakonisches Werk N-O

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Teilnehmende Schulen und Träger

Martin-Lichtenstein-Schule (08G32)

GHOST e.V.

Zürich-Schule (08G23)

Fipp e.V.

Walter-Gropius-Schule (08G02)

Trialog e.V.

Walt-Disney-Schule (08G10)

Südstadt e.V.

Janusz-Korczak-Schule (08G31)

GSJ gGmbH

Hugo-Heimann-Schule (08G16)

Thessa e.V.

Schule am Regenweiher (08G22)

Jugendwohnen im Kiez

Christoph-Ruden-Schule (08G26)

Jugendwohnen im Kiez

Matthias-Claudius-Schule (08G28)

Trialog e.V.

Sonnen-Schule (08G20)

AspE e.V.

Bezirke Charlottenburg-Wilmersdorf und Spandau Schule (BSN)

Träger

Eosander-Schinkel-Grundschule (04G12)

Pestalozzi-Fröbel-Haus

Nehring-Grundschule (04G13)

DASI Berlin gGmbH

Katharina-Heinroth-Grundschule (04G20)

Nachbarschaftsheim Schöneberg e.V.

Lynar-Grundschule (05G07)

Jugendwohnen im Kiez

Birken-Grundschule (05G03)

Evangelisches Johannesstift Berlin

Grundschule an der Pulvermühle (05G28)

Ev. Johannesstift Jugendhilfe gGmbH

Christoph Földerlich-Grundschule (05G05)

GSJ gGmbH

Grundschule am Birkenhain (05G10)

Evangelisches Johannesstift Berlin

Bezirke Treptow-Köpenick, Steglitz-Zehlendorf und Tempelhof-Schöneberg Schule (BSN)

Träger

Schule am Pegasuseck (09G11)

JAO e.V.

Schule in der Köllnischen Vorstadt (09G18)

tjfbg gGmbH

Sachsenwald-Grundschule (06G14)

Nachbarschaftsheim Schöneberg e.V.

Giesendorfer-Grundschule (06G22)

Stadtteilzentrum Steglitz e.V.

Marienfelder Grundschule (07G34)

JaKuS gGmbH

Havelland-Grundschule (07G05)

Täks e.V.

Peter-Paul-Rubens-Schule (07G39)

Nachbarschaftsheim Schöneberg e.V.

Paul-Simmel-Grundschule (07G19)

Nusz ufaFabrik e.V.

Bezirke Lichtenberg-Hohenschönhausen und Marzahn-Hellersdorf Schule (BSN)

Träger

Sonnenuhr-Grundschule (11G01)

Neues Wohnen im Kiez

Grundschule am Roederplatz (11G02)

RBO

H.-Gmeiner-Grundschule (11G07)

JULI

Feldmark-Schule (11G28)

Spik e.V.

Grundschule an der Mühle (10G11)

pad e.V.

Grundschule am Schleipfuhl (10G25)

JAO e.V.

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Teilnehmende Schulen und Träger

1. Fachtag Sozialarbeit an Berliner Grundschulen 3. und 10. Juni 2010

Falken-Grundschule (10G04)

Kiek in e.V.

Peter-Pan-Grundschule (10G10)

GSJ gGmbH

Ebereschen-Grundschule (10G05)

DRK/KV Berlin Nord-Ost e.V.

Wilhelm-Busch-Grundschule (10G08)

DRK/KV Berlin Nord-Ost e.V.

Bezirke Pankow und Reinickendorf

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Schule (BSN)

Träger

Turnvater Jahn-Grundschule (03G06)

tandem gBQGmbH

Schule am Hohen Feld (03G10)

Deutscher Regenbogen e.V.

Grundschule Wolkenstein (03G39)

GFAJ e.V.

Till-Eulenspiegel-Grundschule (12G04)

LebensWelt Berlin

Hausotter-Grundschule (12G06)

LebensWelt Berlin

Mark-Twain-Grundschule (12G07)

Albatros gGmbH

Grundschule an der Peckwisch (12G09)

Alep e.V.

Hannah-Höch-Grundschule (12G31)

LebensWelt Berlin

2010 Regionale Fortbildung Berlin und SFBB

1. Fachtag Sozialarbeit an Berliner Grundschulen 3. und 10. Juni 2010

Gäste und Dozentinnen/Dozenten

GÄSTE Hartmut Brocke

Stiftung Sozialpädagogisches Institut „Walter May“ Berlin (SPI) Schicklerstraße 5-7, 10179 Berlin [email protected]

Anne Lersch

Sozialpädagogisches Fortbildungsinstitut Berlin-Brandenburg (SFBB) Jagdschloss Glienicke, Königsstr. 36b,14109 Berlin [email protected]

Brigitte Meier

Senatsverwaltung für Bildung, Wissenschaft und Forschung Referat II D Otto-Braun-Str. 27, 10178 Berlin [email protected]

DOZENTINNEN/DOZENTEN Mohamed Akkad

Dipl.-Psychologe

Gabriele Hofmann

Sonderpädagogin, Trainerin für Entwicklungspädagogik

Simone Hohberg

Erzieherin, Multiplikatorin für Ganztägige Bildung und Erziehung

Gabriele Meisner

Dipl.-Sozialpädagogin, Dozentin für Spielpädagogik

Prof. Dr. Ulf Preuss-Lausitz

Professor (i.R.) für Schulpädagogik, TU Berlin

André Raguse

Erzieher

Bärbel Seiler

Schulsozialarbeiterin

Christine Spies

Lehrerin, Trainerin für Gewaltprävention, Coolness-Trainerin

Margit Szlezak

Lehrerin, Tanzpädagogin

Ute Winterberg

Lehrerin, Schulmediatorin

Susanne Zimmermann

Sozialpädagogin

2010 Regionale Fortbildung Berlin und SFBB

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Weiterführende Literatur

1. Fachtag Sozialarbeit an Berliner Grundschulen 3. und 10. Juni 2010

WEITERFÜHRENDE LITERATUR ASSHAUER, MARTIN u.a. (2002): Fit und stark fürs Leben, 1./2. Schuljahr, 3./4. Schuljahr; Ahrens-Eipper, Sabine: Fit und stark für Leben, 5./6.Schuljahr, Düsseldorf. BRÜNDEL, HEIDRUN/SIMON, ERIKA (2007): Die Trainingsraum-Methode; Umgang mit Unterrichtsstörungen: klare Regeln, klare Konsequenzen, Beltz Praxis BLUM, EVA UND HANS-JOACHIM (2006): Der Klassenrat. Verlag an der Ruhr, Mühlheim BUNDESZENTRALE FÜR GESUNDHEITLICHE AUFKLÄRUNG (Hrsg.)( 2002):Achtsamkeit und Anerkennung, Klasse 1-4, Köln CIERPKA, MANFRED (Hrsg.) (2001): FAUSTLOS. Ein Curriculum zur Prävention von aggressivem und gewalt bereitem Verhalten bei Kindern der Klassen 1 bis 3. Hogrefe, Göttingen. FALLER, KURT/KNEIP, WILFRIED: Handbuch für Buddy-Trainer. Kontakt: buddy e.V. Düsseldorf, www.buddy-ev.de HAGEDORN, ORTRUD (2005): Mediation – durch Konflikte lotsen, Stuttgart/Leipzig JEFFERY-DUDEN, KARIN (2000): Mediation in der pädagogischen Arbeit, ein Handbuch für Kindergarten, Schule und Jugendarbeit. Weinheim und Basel. LANDESINSTITUT FÜR SCHULE UND MEDIEN BERLIN - BRANDENBURG - LISUM (Hrsg.) (2007): Handbuch für Beraterinnen und Berater für Demokratiepädagogik, Ludwigsfelde LANDESINSTITUT FÜR SCHULE UND MEDIEN BERLIN - BRANDENBURG - LISUM (2005): Erziehen heißt bilden. Eine Handreichung für Erzieher/innen, Lehrer/innen LANDESINSTITUT FÜR SCHULENTWICKLUNG (Hrsg.): Das Programm „Sozialer Trainingsraum“- Umgang mit Unterrichtsstörungen. Stuttgart LIEBERTZ, CHARMAINE: Spielekartei zum ganzheitlichen Lernen (Gefühle und Rituale – Wahrnehmung, Konzentration, Entspannung – Bewegung und Rhythmus), Don Bosco Verlag LIEBERTZ, CHARMAINE (2007): Spiele zur Herzensbildung, Emotionale Intelligenz und soziales Lernen, Don Bosco Verlag, 1. Auflage LOHMANN-LIEBEZEIT, BIRGIT (2007): Respekt üben – Achtung zeigen. Vorschule und Klasse 1/2. Sozialtraining – Übungen – integriertes Känguru-Bilderbuch. AOL-Verlag, Lichtenau LOHMANN-LIEBEZEIT, BIRGIT (2007): Respekt üben – Achtung zeigen. Klasse 3-4. 24 Projektstunden zur Gewaltprävention – auch einzeln einsetzbar. AOL-Verlag, Lichtenau PETERMANN, FRANZ u.a. (2006): Verhaltenstraining für Schulanfänger - Ein Programm zur Förderung sozialer und emotionaler Kompetenzen, 2.veränderte und erweiterte Auflage (mit CD-Rom). Hogrefe, Göttingen PETERMANN, FRANZ u.a.(2007): Verhaltenstraining in der Grundschule - Ein Präventionsprogramm zur Förderung emotionaler und sozialer Kompetenzen. (mit CD-Rom), Hogrefe, Göttingen RAA BRANDENBURG u.a. (Hrsg.) (2006): Klasse werden – Klasse sein! Potsdam. Von Klassenregeln, Klassenrat, Gruppenfeedback und Wir-Werkstatt. Eine Handreichung zur Stärkung der Beteiligung von Schülerinnen und Schülern, Potsdam 84

2010 Regionale Fortbildung Berlin und SFBB

1. Fachtag Sozialarbeit an Berliner Grundschulen 3. und 10. Juni 2010

Vorwort

A. Lersch und A. Ipsen-Wittenbecher

WALKER, JAMIE (2004): Gewaltfreier Umgang mit Konflikten in der Sekundarstufe I, Spiele und Übungen, Berlin WALKER, JAMIE (2004): Gewaltfreier Umgang mit Konflikten in der Grundschule: Grundlagen und didaktisches Konzept. Spiele und Übungen für die Klassen 1-4, 5. Auflage, Cornelsen Verlag SENATSVERWALTUNG BILDUNG, WISSENSCHAFT UND FORSCHUNG (2010): Berliner Bildungsprogramm für die offene Ganztagsgrundschule. Berlin

2010 Regionale Fortbildung Berlin und SFBB

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