documents of native mentality

Feldforschung • Untersuchung 'fremder', 'nicht-westlicher' Gesellschaften und Kulturen • Laien, Reisende, armchair anthropologists • Ziel: Sammlung zu...
Author: Fritzi Brahms
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Feldforschung • Untersuchung 'fremder', 'nicht-westlicher' Gesellschaften und Kulturen • Laien, Reisende, armchair anthropologists • Ziel: Sammlung zuverlässiger Daten "aus erster Hand" • "A collection of ethnographic statements, characteristic narratives, typical utterances, items of folk-lore and magical formulae has to be given as a corpus inscriptionum, as documents of native mentality" (B. Malinowski, Argonauts of the Western Pacific, 1922, 24; Hvhbg. HF) • Holismus – Versuch, diese Gesellschaften in allen Aspekten zu erfassen: • Erzeugnisse der materiellen Kultur, Erzählungen, Lebensweisen, Religion (bzw. Glaubenssysteme und Kosmologien), Wirtschaftsweisen und Austauschsysteme, soziale und politische Beziehungen (Verwandtschaftssysteme) • Anspruch: Generierung positiven Wissens, objektive Erklärung und Analyse fremder Lebenswelten.

• vermeintlich ahistorische und räumlich isolierte Gemeinschaften (‘Gesellschaften ohne Geschichte’, ohne Interdependenzen) • Die Anderen als Untersuchungsobjekte • Der Informant als Repräsentant der sozialen und kulturellen Ordnung • methodische Orientierung an Naturwissenschaften

Teilnehmende Beobachtung • Spannung und ‘begriffliche Gegensatzpaare’ (Reinhart Koselleck) zwischen • Subjektivität und Objektivität • Emotion und Distanz • Partikularität und Universalismus (bzw. Allgemeingültigkeit) um positives, gesichertes Wissen zu generieren und Wahrheit zu begründen

Einwände und Kritik • Abgrenzungen und negative Bestimmungen • Vergleich, Abgrenzung, Othering (Johannes Fabian) • Wir Sie • Hier und Jetzt Dort und Damals • Fortgeschritten Rückständig, primitiv • Vernunft Emotion • Rational Irrational • Kultur Natur

http://www.spiegel.de/reise/fernweh/0,1518,594725,00.html PAPUA-BILDBAND Nach mir die Touristenflut Von Stephan Orth

• „Hier findet man noch Männer, die den Geschmack von Menschenfleisch kennen: In Papua-Neuguinea leben Ureinwohner fast genauso wie vor 20.000 Jahren. Ein Fotograf machte sich auf die Suche nach den "letzten wahren Menschen". Ihm ist ein faszinierender Bildband gelungen - gerade noch rechtzeitig.Iago Corazza hatte es eilig. Schon bald konnte es zu spät sein - zu spät, um noch Menschen zu begegnen, die fast genauso wie ihre Vorfahren vor 20.000 Jahren leben. Menschen, die noch nicht vom Verwestlichungszwang der Globalisierung erfasst wurden, deren Rituale noch nicht zur Touristenfolklore verkommen sind. Und die gleichzeitig möglichst spektakulär fotogen aussehen“

Repräsentation und Text • Ethnographisches Schreiben wird – nach James Clifford – auf unterschiedliche Arten und Weisen determiniert: • Durch den Kontext (beruht auf und schafft bedeutungsvolle soziale Milieus) • Rhetorisch (Tropen, Konventionen) • Genre (wissenschaftlicher Text literarische Form) • Institutionell (wissenschaftliche Institutionen, Disziplinen) • Politisch • Historisch • (J. Clifford, Writing Culture, 1986: 6)

• Nicht Erfassung von Gesetzmässigkeiten sozialen Lebens oder objektiver Strukturen, sondern Handlung, Praktiken • Frage nach Interpretation, Deutung, Sinnhorizonten, Bedeutungen • Frage danach, wie 'Wissen' sich konstituiert, wie andere 'Wirklichkeiten' re-präsentiert (also gegenwärtig und dargestellt) werden.

Dichte Beschreibung (C. Geertz) • • • •

Interpretative Anthropogie Verstehen und Erklären Hermeneutik Kultur als Geflecht von Bedeutungen: ‘the analysis of it to be therefore not an experimental science in search of law but an interpretative one in search of meaning’ (Interpretation of Cultures, 1973:5) • Neubestimmung methodischer Verfahren

Veränderungen • Statik (ahistorisch) • Der Andere als Objekt • Positives Wissen • Objektivität • Stationäre Feldforschung

• Dynamik (historisch) • Subjekt und Dialogpartner • Interpretation von Lebenswelten und Reflexivität • Subjektivität • Gesellschaftlicher Kontext und Machtbeziehungen • Multi-sited Feldforschung

Ein Forschungsvorhaben ‚Die Grenzen der Gastfreundschaft‘ • Skizze des Projektes • Gastfreundschaft und ‚irreguläre‘ Migration • Historische Bedeutungen von Gastfreundschaft • Kritische Befragung des Begriffes ‚irreguläre‘ Migration

• Unterschiedliche Akteure und Interpretationsebenen • Lokale Akteure und die Wege der Migranten • Netzwerke der Migranten • Transitorische Orte • Rechtliche und politische Rahmenbedingungen • Interdisziplinär

Explorative Phase und Arbeitsprogramm Theoretisches Programm und Ziele • Transnationalismus • Theorie der Gastfreundschaft • Aufnahme von Migranten in Europa (in heutigen Nationalstaaten)

Umsetzung • Literaturrecherche und Forschungsstand • Skizze des Untersuchungsfeldes • Bildung erster Hypothesen • Formulierung von Untersuchungszielen • Zeitplan (‘Meilensteile’)

2. Feldforschung Lokale Einstellungen und Bedingungen Lokale Akteure (Polizei, Gemeinde, Politiker, NGO) Migranten Ethische Fragen http://www.aaanet.org/c ommittees/ethics/ethcod e

• Orte und Grenzen des Feldes • Dokumentation (historisch und aktuell) • Zensus, demographische Daten, historische Entwicklung (Archivarbeit) • Erfassung von Netzwerken, sozialen Beziehungen • Qualitative Interviews • Biographische Interviews • Multi-sited fieldwork, Feld als Netz von Beziehungen

Multi-Sited Fieldwork • Kontext: transnationalen Verflechtungen und Mobilität • Theoretische und forschungspragmatische Herausforderungen • Neue Beziegungen zwischen ‚dwelling‘ und ‚travel' (Clifford, 1997, 22) • Feldforschung ist multi-sited • Mehrere, heterogene Orte, hohe Flexibilität und Mobilität des Forschenden • 'Feld als Netzwerk von Lokalitäten' (Hannerz) ---Clifford, James, 1997: Routes. Travel and Translation in the Late Twentieth Century, Cambridge/Mass.: Harvard University Press. Hannerz, Ulf, 1998: 'Transnational research'. In: H. Russel Bernard (Hg.), Handbook of Methods in Cultural Anthropology. Walnut Creek: AltaMira Press.

Feldtagebuch (Auszug) • • •





Inskription Dienstag 22.5. (Einwohnermeldeamt). Der Bürgermeister begrüsst mich freundlich. Frage L. nach den angemeldeten Ausländern. Daten bekomme ich ohne probleme. Sage, zu meiner zeit gabs die nicht, ich sehe, jetzt sind pakistani.. ja sagt sie, die haben geschäft via roma, eines hier, eines dort. Sage, in porto empdocle sind viele Chinesen, wie benehmen die sich? fragt sie. Ich sage, die leute dort sind ganz zufrieden, weil die billige sachen verkaufen. Der tote gestern giuseppe C. war der sohn von Franco, esponente locale forza italia, ex assessore. Pubbl. Istruzione giunta siracusa (voir clip GdS vom Tage). Tatsächlich hat FI plakatiert, ‘si stringe attorno’. Die fragen ausweiten. Stelle fest, dass mittlerweile 84 migranten hier leben, die ungefähr die gruppen abbilden, die hier auch ankommen. (pakistani, senegal, marocco, tunisi neben rumänen, polacchi – letztere meist frauen). Wie leben die, wie wurden die aufgenommen? Wichtig! ‘verdoppelung’ – wohnen dort, wo conazionali ankommen und erstmal im lager verschwinden. Sind die auch hier angekommen?

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Freitag, 25.5. Am vormittag, chef der Hafenpolizei. Muss warten und komme mit wartenden Fischern ins gespräch /siehe I 1 vom Tage/ Sauer. Ton: Hier geht alles den bach runter. Die clandestinen gemeint – tunesische Fischer, die alles wegfangen (ton populistisch), 1000 militari und die kümmern sich nicht drum, weil sie an uns vorbeirauschen und denen helfen… Schonzeit müssten die einhalten feb- märz (wenn die fische laichen) – stattdessen deklariert man august – november. Keiner kontrolliert, das ist alles ein witz. Die tunesier fischen mit unsichtbaren plastiknetzen, die ganz klein sind. Wir kommen mit 4 cassette heim, das macht nach abzug kosten (diesel und steuern etc.) dann 200 euro, das reicht für zigaretten und kaffe und sprit im monat. Verabreden uns für ein gespräch morgen. Fragen Riten der gastfreundschaft hier? Der kaffee, wenn man kommt, der tee, man muss sich setzen. Assettati! Gastfreundschaft gehört zum selbstbild. Im gegensatz zum norden, wo man kühl und zurückhaltend ist. Hier wird man mit einer öffnenden geste der arme aufgenommen. Was kosten die clandestinen? Welche lokalen firmen sind beteiligt? (pasti etc. pp.) (u.a. albergo amore per i carabinieri). Abhängig von innenministerium. Wer arbeitet hier bei der misericordia. Küstenwache: Kompetenzen klären: carabinieri (nochmal nachfragen) Fragen: wo wohnen die, wie oft wechseln die? Schichten? Ausrüstung adäquat? Mit naut. Karte, wo genau die aufgefischt werden – und wo genau die tunisini fischen. Wie wird der dienst konkret erlebt? Ein ding ist die theorie, ein anderes die praxis. Stehen politisch zugleich zwischen den fronten: die antirassisten, die militarisierung beklagen, die populisten, die die clandestini am liebsten absaufen lassen würden. Certa dialettica politica.

Transkription

• GAT = gesprächs-analytisches Transkriptionssystem (Selting, Margret et al., 1998: „Gesprächsanalytisches Transkriptionssystem (GAT)”. In: Linguistische Berichte 173, 91-122. • HIAT = halb-interpretative Arbeits-Transkription (Ehlich, Konrad/Switalla, Bernd, 1976: Transkriptionssysteme - Eine exemplarische Übersicht. Studium Linguistik 2: 78-105. • http://www.mediensprache.net/de/medienanalyse/tra nscription/gat/gat.pdf

Literatur • • • • • • • • • • • • • • • • •

Zu dieser Sitzung Marcus, George E., 1998: Ethnography in/of the world system: The emergence of multi-sited ethnography. In: Ethnography Through Thick/Thin. Princeton: Princeton University Press. Coleman, Siman and Collins, Peter (eds), 2006: Locating the Field. Space, Place and Context in Anthropology. ASA Monographs no. 42. Oxford and New York: Berg. Literatur (allgem) Clifford, James and Marcus, George (eds), 1986: Writing Culture. The Poetics and Politics of Ethnography. Berkeley: University of California Press. Clifford, James, 1988: On Ethnographic Authority. In The Predicament of Culture. Twentieth-Century Ethnography, Literature, and Art. Cambridge, pp. 21-54. Coleman, Siman and Collins, Peter (eds), 2006: Locating the Field. Space, Place and Context in Anthropology. ASA Monographs no. 42. Oxford and New York: Berg. Emerson, Robert M., Fretz, Rachel I. and Shaw, Linda L., 1995: Writing Ethnographic Fieldnotes. Chicago and London: The University of Chicago Press. Fabian, Johannes, 1983: Time and the Other - How Anthropology Makes Its Object. New York: Columbia University Press. Fabian, Johannes, 1990: Presence and Representation. The Other and Anthropological Writing. Critical Inquiry, 16, 4:753-772. Geertz, Clifford. 1972. "Deep Play": Bemerkungen zum balinesischen Hahnenkampf. In Dichte Beschreibung. Beiträge zum Verstehen kultureller Systeme. Frankfurt/M.: Suhrkamp, 202-260. Hastrup, Kirsten, 1992: Writing ethnography: state of the art. In: Okely, Judith and Callaway, Helen (eds), Anthropology and Autobiography. ASA Monographs 29. London: Routledge, 116-133. Marcus, George E. 1998. Ethnography in/of the world system: The emergence of multi-sited ethnography. In: Ethnography Through Thick/Thin. Princeton: Princeton University Press. McLean, Athena and Leibig, Annette (eds). 2007: The Shadow Side of Fieldwork. Exporing the Blurred Borders between Ethnography and Life. Malden and Oxford: Blackwell. Okely, Judith and Callaway, Helen (eds), 1992: Anthropology and Autobiography. ASA Monographs 29. London: Routledge. Sanjek, Roger (ed), 1990: Fieldnotes. The Making of Anthropology. Ithaka and London: Cornell University Press. Stocking, George W., 1983: The Ethnographers's Magic: Fieldwork in British Anthropology from Tylor to Malinowski. In: Observers Observed. Madison: University of Wisconsin Press.