DIENSTAG, 23. SEPTEMBER 2008

23-09-2008 Verhandlungen des Europäischen Parlaments DE DIENSTAG, 23. SEPTEMBER 2008 VORSITZ: HANS-GERT PÖTTERING Präsident 1. Eröffnung der Sitzu...
Author: Harry Maurer
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Verhandlungen des Europäischen Parlaments

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DIENSTAG, 23. SEPTEMBER 2008 VORSITZ: HANS-GERT PÖTTERING Präsident

1. Eröffnung der Sitzung (Die Sitzung wird um 9.05 Uhr eröffnet.)

2. Vorlage von Dokumenten: siehe Protokoll 3. Anfragen zur mündlichen Beantwortung (Vorlage): siehe Protokoll 4. Terrorismusbekämpfung - Schutz personenbezogener Daten (Aussprache) Der Präsident. − Als nächster Punkt folgt die gemeinsame Aussprache über: – den Bericht von Roselyne Lefrançois im Namen des Ausschusses für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres über den Vorschlag für einen Rahmenbeschluss des Rates zur Änderung des Rahmenbeschlusses 2002/475/JI zur Terrorismusbekämpfung (KOM(2007)0650 – C6-0466/2007 – 2007/0236(CNS)) (A6-0323/2008) und – den Bericht von Martine Roure im Namen des Ausschusses für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres über den Entwurf für einen Rahmenbeschluss des Rates über den Schutz personenbezogener Daten, die im Rahmen der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen verarbeitet werden (erneute Konsultation) (16069/2007 – C6-0010/2008 – 2005/0202(CNS)) (A6-0322/2008). Roselyne Lefrançois, Berichterstatterin. − (FR) Herr Präsident! Vor allem anderen möchte ich all meinen Kollegen danken, die mit mir an diesem Dossier gearbeitet haben, weil unsere Zusammenarbeit während des ganzen Verfahrens wirklich ganz hervorragend war. Der Text, über den wir heute abstimmen werden, behandelt ein besonders sensibles Thema, da bei der Diskussion über die Terrorismusbekämpfung immer auch die Gefährdung der Rechte der Europäischen Bürger eine Rolle spielt, ungeachtet dessen, ob diese Gefahr nun von den Terroristen selbst oder von dem freiheitsvernichtenden Potenzial der Maßnahmen ausgeht, die zur Bekämpfung des Problems ergriffen werden. In der Tat konnte das Ausmaß der terroristischen Bedrohung in den letzten Jahren von bestimmten Regierungen übertrieben hoch dargestellt werden, mit dem Ziel, innen- oder außenpolitisch eine bestimmte Sicherheitspolitik durchzusetzen. Die Bedrohung ist jedoch durchaus real, und die Europäische Union muss sich so entschlossen wie möglich darum bemühen, sie zu verhindern und zu bekämpfen. Die Sicherheit ihrer 500 Millionen Einwohner und die Verteidigung der fundamentalen Werte und Grundsätze, auf denen sie beruht, hängen davon ab. Seit den Anschlägen vom 11. September 2001 war das Gebiet der EU selbst mehrfach das Ziel von Terroranschlägen mit dramatischen Folgen, wie wir alle wissen: in Madrid im März 2004 und in London im Juli 2005. Sicherlich haben Sie alle von der Anschlagswelle gehört, die sich erst gestern in Kantabrien ereignet hat. Die immer intelligenteren und vielfältigeren Instrumente und Methoden der Terroristen machen diese Aufgabe noch viel schwieriger. Durch die Entwicklung der Informations- und Kommunikationstechnologien, insbesondere des Internets, ist es einfacher geworden, terroristische Netzwerke zu organisieren und Propaganda oder sogar Ausbildungshandbücher online zu verbreiten. Derzeit gibt es mutmaßlich ca. 5 000 Websites dieser Art. Daher der vollkommen legitime Wunsch der Europäischen Kommission, die gemeinschaftliche Gesetzgebung anzupassen, um zu versuchen, nicht nur Terroranschläge, sondern auch die Vorbereitung dieser Anschläge zu verhindern. Zu diesem Zweck hat sie sich direkt vom Übereinkommen des Europarates zur Verhütung des Terrorismus inspirieren lassen. Das Problem ist, dass sie sich dafür entschieden hat, nur die repressiven Aspekte zu übernehmen und die Bestimmungen über den Schutz der Grundfreiheiten, die laut Europarat das wesentliche Gegengewicht darstellen, zu ignorieren. Meine Bedenken bezogen sich hauptsächlich auf den Begriff der „öffentlichen Aufforderung“ und auf die Gefahr, die dieser für die freie Meinungsäußerung darstellt. Durch

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die Kriminalisierung dieses Begriffs wird alles strafbar, was jemand sagt oder schreibt und was mutmaßlich zu einem Terrorakt geführt hat oder einfach nur wahrscheinlich zu einem Terrorakt führen könnte. Anlässlich des im April gemeinsam mit den nationalen Parlamenten organisierten Runden Tischs stellten wir fest, dass wir nicht die einzigen waren, die gegen bestimmte Aspekte im Text der Kommission Vorbehalte äußerten. Einige nationale Parlamente drückten ihre Zweifel an der Umsetzung dieses Rahmenbeschlusses aus sowie an der Reichweite des Begriffs der „öffentlichen Aufforderung“. Der Europarat betonte außerdem das mögliche Risiko, wenn Schutzklauseln weggelassen würden. Im Rahmen verschiedener Studien äußerten schließlich auch unabhängige Experten ihre Vorbehalte, insbesondere in Bezug auf die Definition der „öffentlichen Aufforderung“ und den Grad der Rechtssicherheit des Textes. Auf Initiative einer Reihe nationaler Delegationen, die besonders um den Schutz der Grundrechte besorgt waren, führte der Rat selbst eine Reihe von Schutzklauseln in den Text des Rahmenbeschlusses ein. Er schlug jedoch auch bei ein oder zwei spezifischen Punkten eine Verschärfung des Rahmenbeschlusses vor. In jedem Fall war noch weitere Arbeit erforderlich, um eine gänzlich zufrieden stellende Rechtssicherheit und den Schutz der Freiheitsrechte zu erreichen. Mit unseren Kollegen im Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres haben wir daher versucht, ein ausgewogenes Verhältnis zwischen diesen beiden scheinbar gegensätzlichen, im Grunde jedoch untrennbaren Zielen zu finden, nämlich der Terrorismusbekämpfung und dem Schutz der Grundrechte und -freiheiten. Hierzu mussten wir einen schwierigen Balanceakt vollführen – dies umso mehr, als es in der Praxis manchmal schwierig ist, festzustellen, wo die freie Meinungsäußerung endet und die Verletzung der Menschenrechte beginnt. Denken Sie nur an die Empörung, die vor zwei Jahren durch die dänischen Cartoons verursacht wurde, oder an den Skandal wegen des Kurzfilms des niederländischen Abgeordneten Geert Wilders über den Islam. Angesichts dessen glaube ich, dass der erzielte Kompromiss gut ist. Die wichtigsten Änderungen, die wir vorgenommen haben, sind: Erstens die Ersetzung des Begriffs „Aufforderung“ durch den Begriff „Anstiftung“, der präziser ist und in der Rechtssprache häufiger verwendet wird; zweitens eine strengere Definition der „öffentlichen Anstiftung“, die das kriminalisierte Verhalten klarer definiert und somit dem Missbrauch vorbeugt, der zu einer Einschränkung der freien Meinungsäußerung führen würde; drittens die Aufnahme zahlreicher Bestimmungen in Bezug auf den Schutz der Menschenrechte und der Grundfreiheiten, insbesondere auf die freie Meinungsäußerung und die Pressefreiheit, in den Text; viertens, eine Erinnerung an die notwendige Sicherstellung, dass die ergriffenen Maßnahmen den angestrebten Zielen angemessen sind, ein Punkt, der in einer demokratischen, nicht diskriminierenden Gesellschaft von wesentlicher Bedeutung ist. Dies sind die wichtigsten Punkte in diesem Dossier. Ich bin sehr froh darüber, dass dieses Thema in der heutigen Vollversammlung Priorität erhalten hat, und ich freue mich auf eine umfassende und lebhafte Aussprache. Martine Roure, Berichterstatterin. − (FR) Herr Präsident, Herr amtierender Ratsvorsitzender, Herr Kommissar, meine Damen und Herren! Ich freue mich außerordentlich über die heutige gemeinsame Aussprache über den Bericht meiner Kollegin, Frau Lefrançois, über die Terrorismusbekämpfung und meinen eigenen Bericht über den Schutz personenbezogener Daten, die im Rahmen der polizeilichen und juristischen Zusammenarbeit verarbeitet werden. Wir dürfen nicht vergessen, dass die Terrorismusbekämpfung nur dann wirklich effektiv und angemessen sein kann, wenn wir garantieren, dass die Grundrechte aller Bürger gestärkt werden. Wir müssen unsere Grundwerte, nämlich die Beachtung der Grundrechte, einsetzen, um die terroristischen Bewegungen zu bekämpfen, die unsere demokratischen Gesellschaften bedrohen. Meiner Ansicht nach war der der Vorschlag der Kommission zur Terrorismusbekämpfung unausgewogen, weil er lediglich die Sicherheit erhöht, dabei aber zahlreiche Maßnahmen zum Schutz der Grundfreiheiten vernachlässigt hat. In dieser Hinsicht gratuliere ich Frau Lefrançois und ihren Kollegen erneut zu der ausgewogenen Neugestaltung des Textes, damit dieser die Einhaltung der Menschenrechte und der Freiheiten wahrt. Wie wir wissen, nutzen terroristische Netzwerke zunehmend die neuen Informationstechnologien, beispielsweise das Internet, für ihre Anstiftungs- und Rekrutierungsaktivitäten. Um diese Art von Aktivitäten im Internet zu überwachen, muss man umfassende personenbezogene Daten erheben. Hierbei muss jedoch ein umfassender Schutz dieser personenbezogenen Daten gewährt werden. Ich möchte den Rat an die Zusagen im Zusammenhang mit der Annahme der Richtlinie über die Vorratsspeicherung von Daten erinnern. Damals gaben wir unserem Wunsch Ausdruck, dass wertvolle

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Informationen für die Terrorismusbekämpfung tatsächlich verwendet werden könnten. Im Gegenzug muss nun der der Rat seine Verpflichtung erfüllen und einen Rahmenbeschluss zum Schutz personenbezogener Daten annehmen, der einen umfassenden Schutz bietet. Mein besonderer Dank gilt all meinen Kollegen im Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres und allen, die mit mir gemeinsam gearbeitet haben, insbesondere den Schattenberichterstattern, denn die Änderungen, die wir in meinem Bericht vorschlagen, wurden im Ausschuss einstimmig gebilligt. Diese Änderungen sind der Beweis dafür, dass wir uns nicht mit der Harmonisierung auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner zufrieden geben werden. Wir glauben, dass der Geltungsbereich des Rahmenbeschlusses möglichst groß sein sollte, sodass er sich nicht auf die Daten beschränkt, die zwischen den Mitgliedstaaten ausgetauscht werden. Er muss auch für die auf nationaler Ebene verarbeiteten Daten gelten – dies würde eine engere Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Polizei- und Justizbehörden der Mitgliedstaaten ermöglichen, gleichzeitig aber ein gleichwertiges Datenschutzniveau innerhalb der gesamten Europäischen Union garantieren. Die Grundsätze der Zweckbindung und der Verhältnismäßigkeit müssen garantiert werden, indem die Fälle spezifiziert und eingeschränkt werden, in denen Daten weiterverarbeitet werden können. Sie müssen sich darüber klar werden, wie wichtig das ist! Die Daten dürfen nicht für andere Zwecke verwendet werden als die, für welche sie erfasst wurden. Wir möchten nicht alle Datentransfers in Drittländer verbieten, da sich diese im Rahmen der Terrorismusbekämpfung als notwendig erweisen können. Für jeden Transfer muss jedoch eine Beurteilung erfolgen, ob das betreffende Drittland einen angemessenen Schutz der personenbezogenen Daten bietet, und ich möchte die Tatsache unterstreichen, dass diese Beurteilung von einer unabhängigen Behörde durchgeführt werden muss. Wir bitten den Rat, in den Rahmenbeschluss Bestimmungen über die nationalen Behörden aufzunehmen, die Zugriff auf die von privaten Parteien erfassten Daten haben, entsprechend den Verpflichtungen – darf ich Sie noch einmal daran erinnern –, die nach der Annahme der Richtlinie über die Vorratsspeicherung von Daten durch den britischen Vorsitz eingegangen wurden. Schließlich muss die Verwendung sensibler Daten, beispielsweise Daten zu politischen Ansichten, religiösen Überzeugungen, Gesundheit oder Sexualität, grundsätzlich verboten werden. Dies steht im Gegensatz zu dem, was derzeit im Rahmenbeschluss vorgeschlagen wird. Sie werden bemerken, dass das Europäische Parlament mit dieser Änderung den Vorschlag des Rates umkehrt, der die Verarbeitung dieser Daten unter bestimmten Bedingungen gestattet. Das Parlament möchte aber im Gegenteil, dass die Verarbeitung dieser Daten verboten wird, wobei Ausnahmen vorgesehen sind. Der Prozess wurde vollkommen umgekehrt, und das ist für uns von großer Bedeutung. Mit diesem Standpunkt möchte das Europäische Parlament die Würde der Menschen achten, und wir denken, dass der Rat uns bei dieser Notwendigkeit zustimmen können sollte. Jean-Pierre Jouyet, amtierender Ratsvorsitzender. − (FR) Herr Präsident, Herr Kommissar, Herr Vorsitzender des Ausschusses für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres, Herr Deprez, sehr geehrte Berichterstatterinnen, meine Damen und Herren! Das ist ein Tag für die Franzosen, und das ist auch mein Tag: Ich möchte Sie bitten, das unerwartete Fehlen von Rachida Dati freundlicherweise zu entschuldigen, doch es ist eine Ehre für mich, wieder einmal an der Arbeit Ihres Parlaments teilzunehmen, vor allen bei den sensiblen Themen, die soeben angesprochen wurden. Ich möchte insbesondere im Namen des Ratsvorsitzes Frau Roure und Frau Lefrançois für ihr persönliches Engagement und ihr Interesse an den Fragen der Terrorismusbekämpfung und des Datenschutzes danken. Mit diesen beiden Texten hat das Parlament jetzt einen staken Einfluss auf die aktuellen Entwicklungen und auf den Alltag der Europäischen Gesellschaft. Wir müssen unsere Bürger vor terroristischen Bedrohungen schützen und zudem ihr Privatleben und ihre Privatsphäre schützen. Das ist politische Verantwortung in ihrem besten Sinne. Ich möchte in Bezug auf die beiden soeben vorgestellten Berichte auf verschiedene Punkte eingehen. Zunächst möchte ich im Hinblick auf den Entwurf des Rahmenbeschlusses zur Terrorismusbekämpfung sagen, dass die Terrorismusbekämpfung eine Herausforderung für die Europäische Union darstellt, die eine Bündelung all unserer Kräfte erfordert. Herr de Kerchove, der EU-Koordinator für die Bekämpfung des Terrorismus, den ich vor einigen Wochen getroffen habe, berichtete diesem Parlament auch, dass beispielsweise die Aktivitäten der Al-Qaida besonders Besorgnis erregend seien. Im Jahr 2007 gab es auf europäischem Boden 583 Terroranschläge. Der Rahmenbeschluss, den Sie heute prüfen, ist daher ein wichtiger legislativer Schritt bei der Bekämpfung der Ausbreitung terroristischer Methoden. So ist es inakzeptabel, dass heute völlig straffrei auf einer Website erklärt werden kann, wie sich Bomben selbst zu Hause herstellen lassen. Gegenwärtig gibt es fast 5 000 Websites, die zur Radikalisierung junger Menschen in Europa in diesen Fragen beitragen. Wie Sie wissen, gelang es dem slowenischen Ratsvorsitz, in

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der Sitzung des Rates für Justiz und Inneres am 18. April in Bezug auf diese Herausforderungen eine Übereinkunft zu erzielen. Ich begrüße den Bericht von Frau Lefrançois, die das Ziel des Rates unterstützt hat, die Straftaten in den Rahmenbeschluss vom 13. Juni 2002 zu integrieren, die in dem Übereinkommen des Europarates behandelt wurden. Ihre Vorschläge stimmen weitgehend mit den Änderungen überein, die der Rat während der Verhandlungen vorgenommen hat, und wie Sie wissen, wurde dieser Text im Rat sehr lebhaft diskutiert. Wir befinden uns eindeutig mitten in einer klassischen Debatte aller demokratischen Gesellschaften, die versuchen, den Terrorismus effektiv zu bekämpfen, gleichzeitig aber die fundamentalen Regeln des Rechtsstaats und die fundamentalen Prinzipien wie freie Meinungsäußerung zu wahren, die jegliches demokratische Leben bestimmen. Ich möchte Sie auf zwei Punkte aufmerksam machen: Erstens hat dieser Rahmenbeschluss zum Ziel, drei Verhaltensweisen, die mit einiger Wahrscheinlichkeit im Vorfeld von Anschlägen auftreten, unter Strafe zu stellen, bevor tatsächlich Anschläge verübt werden: Das „öffentliche Auffordern“ zum Terrorismus – und ich betone hier das Wort „öffentlich“, das somit die Regulierung von privater Korrespondenz ausschließt – sowie das Ausbilden und schließlich das Rekrutieren von Terroristen. Damit würden für die Europäische Union Straftaten geschaffen, mit denen die Mitgliedstaaten durch das 2005 fertig gestellte Übereinkommen des Europarates zur Verhütung des Terrorismus bereits vertraut sind. Die Definitionen dieser Straftaten wurden Wort für Wort in dem Rahmenbeschluss übernommen, mit wenigen geringfügigen Änderungen zum Zweck der Konsistenz mit den Begriffen der „terroristischen Straftat“ und der „Terrorgruppe“, die seit 2002 im Europäischen Recht existieren. Daher, Frau Lefrançois, stammt der Begriff der „öffentlichen Aufforderung“’ anstellt des Begriffs „Anstiftung“, den Sie vorschlagen. Durch die Annahme eines Textes auf europäischer Ebene ist seine Umsetzung in den Mitgliedstaaten leichter zu kontrollieren, und er kann auf dem gesamten EU-Gebiet rascher angewendet werden. Die zweite Überlegung ist, dass der Rat besonders auf die Wahrung der Grundrechte geachtet hat. Diese Befürchtung wurde am Runden Tisch geäußert, den das Parlament am 7. April dieses Jahres organisiert hat. Der Rat war sich der Diskussionen im Parlament sehr wohl bewusst und bemüht, dem im Europarat angenommenen Ansatz zu folgen. Dem ursprünglichen Vorschlag wurden Schutzklauseln hinzugefügt – insbesondere zwei, nämlich einerseits zur Pressefreiheit und zur freien Meinungsäußerung und andererseits zur Verhältnismäßigkeit der Kriminalisierung von Straftaten, die im nationalen Recht definiert sind. Ich möchte außerdem darauf hinweisen, dass der Rat den Vorschlag zur Einführung von Regeln über eine exterritoriale Gerichtsbarkeit, dem Ihre Berichterstatterin ohnehin nicht zustimmte, aufgegeben hat. Daher war der Rat während der Verhandlungen um Ausgewogenheit bemüht, was zu einem Text führte, der Ihre Vorbehalte weitgehend berücksichtigt. Nun zum Rahmenbeschluss über den Schutz personenbezogener Daten, den Frau Roure vorgestellt hat – Tatsache ist, dass es nur eine geringfügige oder gar keine Regulierung im Hinblick auf so genannten hoheitliche Dateien gibt, insbesondere was die öffentliche Sicherheit betrifft, wie Sie hervorgehoben haben, Frau Roure. In diesem Bereich ist es jedoch besonders wichtig, den Datenaustausch zu verwalten und zu regulieren, um die öffentliche Freiheiten zu schützen. Sie haben Recht, wir müssen schnell und effektiv handeln und gleichzeitig die Rechte derer respektieren, deren Daten ausgetauscht, aufbewahrt und gespeichert werden. Die Justizminister haben sich am 8. November 2007 auf einen Entwurf für einen Rahmenbeschluss geeinigt. Wie Sie selbst betont haben, wären einige Abgeordnete hier gerne noch weiter gegangen. Der Ratsvorsitz ist sich dessen bewusst, doch der Rahmenbeschluss, dessen einstimmige Annahme der Rat am Ende einer über zwei Jahre währenden Debatte erreichen konnte, ist ein erster Schritt, der für Mindeststandards der EU im Hinblick auf personenbezogene Daten im Rahmen der Zusammenarbeit in Strafsachen sorgt. Bislang gab es im Rahmen der dritten Säule noch keine gemeinsamen Regeln. Es ist ein Kompromiss; so funktioniert Europa, besonders auf diesem Gebiet. Es ist ein Kompromiss, aber das macht ihn nicht zu einer zweitklassigen Entscheidung. Er stellt vielmehr das heute bestmögliche Ergebnis dar, da er eine Lücke schließt und den Weg für künftige Entwicklungen bereitet. Es ist der erste Schritt hin zur Regulierung des Datenaustauschs zu rechtlichen Zwecken im Rahmen der Europäischen Union, dessen Anwendung wesentlich effektiver kontrolliert werden kann als innerhalb des Europarats. Die Umsetzung und Anwendung dieses Rahmenbeschlusses könnte dem Rat für Justiz und Inneres zur Bewertung vorgelegt werden, wie es beispielsweise beim Europäischen Haftbefehl der Fall war.

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Schließlich, wenn unser institutioneller Rahmen weiterentwickelt ist – worauf wir alle hoffen –, wird es möglich sein, dass Vertragsverletzungsverfahren von der Kommission eingeleitet werden, Herr Vizepräsident. In Europa stellt sich häufig die Frage, ob wir besser mit Mindeststandards fahren, die später angehoben werden können, oder ob wir beim Status quo bleiben – das bedeutet heute extrem unterschiedliche Standards beim Datenschutz, keine richtige Kontrolle durch die europäischen Institutionen und bilaterale Verhandlungen über den Datenaustausch mit Drittländern, was unseren Bürgern keine ausreichenden Garantien bietet und ohne unsere Zustimmung erfolgen kann. Dies ist der Fall bei den bilateralen Abkommen mit den Vereinigten Staaten. Ich persönlich glaube, es ist besser, vorwärts zu gehen, als den Status quo beizubehalten. Unserer Ansicht nach ist der Rahmenbeschluss der erste wesentliche Schritt. Außerdem versetzt uns die Arbeit der früheren Ratsvorsitzenden grundsätzlich in die Lage, Aspekte der Ausgewogenheit zu finden, die auch Ihre Bedenken berücksichtigen. Ich werde einige davon anführen, Frau Roure. Zunächst wird der künftige Rahmenbeschluss, wie Sie erwähnt haben, tatsächlich nur auf die zwischen Mitgliedstaaten ausgetauschten Daten angewendet, doch die Mitgliedstaaten haben sich ebenfalls verpflichtet, ihren jeweiligen Datenschutz anzupassen. Sie sollten sich Artikel 27 ansehen, verstärkt durch Erwägung 8 dieses Rahmenbeschlusses, der die Kommission auffordert, den Geltungsbereich des Textes nach einem Zeitraum von fünf Jahren zu erweitern; dies könnte nationale Daten betreffen. Wie der Ratsvorsitz sehen auch wir hier keine Nachteile. Zweitens unterliegt sämtlicher Datenaustausch dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, es kann also auf Einzelfallbasis geprüft werden, zu welchem Zweck die Daten übertragen werden und ob die ausgetauschte Datenmenge größer ist als unbedingt notwendig. Drittens unterliegt der Transfer von Daten in Drittländer wichtigen Bedingungen und Schutzklauseln, um einen angemessenen Schutz zu bieten. Sie wissen sehr gut, dass diese Bestimmung von einigen unserer externen Partner sehr wohl zur Kenntnis genommen wurde, deren Namen ich bereits genannt habe. Artikel 14 ist ein Bollwerk, auf das wir uns verlassen können, um zu verhindern, dass personenbezogene Daten, die wir an einen anderen Mitgliedstaat übermittelt haben, ohne unsere Zustimmung in Drittländer transferiert werden. Er gibt uns außerdem Sicherheit in Bezug auf den gleichwertigen Datenschutz in diesem anderen Mitgliedstaat. Viertens – und das ist der letzte Punkt – haben sich die Mitgliedstaaten verpflichtet, der Kommission über ihre nationalen Maßnahmen Bericht zu erstatten, die dem Parlament und dem Rat dann ihre Beurteilung und Vorschläge für die Änderung dieses ersten Rahmenwerks vorlegen wird. Daher werden Sie bei dem weiteren Vorgehen zu diesem Rahmenbeschluss in vollem Umfang eingebunden werden. Herr Präsident, sehr geehrte Berichterstatterinnen, meine Damen und Herren! Der Ratsvorsitz ist sich vollkommen bewusst, dass Sie größten Wert auf die Einhaltung der Grundrechte in der Europäischen Union legen, und ich möchte betonen, dass die künftige Gruppe, die die sechs Justizminister aus Deutschland, Portugal, Slowenien, Frankreich, der Tschechischen Republik und Schweden vereint hat, die Verschärfung des Datenschutzes zu einer Priorität für die Europäische Union in den kommenden Jahren gemacht hat. Diese Bedenken werden von allen Mitgliedstaaten geteilt, und alle Justizminister haben sie in der informellen Ratssitzung am 25. Juli unterstützt. Das wollte ich dem Parlament sagen, Herr Präsident. Jacques Barrot, Vizepräsident der Kommission. − (FR) Herr Präsident! Ich begrüße natürlich den amtierenden Ratsvorsitzenden, Herrn Jouyet, und unsere beiden Berichterstatterinnen, die eine beachtliche Arbeit geleistet haben. Frau Lefrançois berichtete über den Vorschlag zur Änderung des Rahmenbeschlusses zur Terrorismusbekämpfung und Frau Roure über den Rahmenbeschluss zum Schutz von personenbezogenen Daten. Natürlich danke ich auch dem Ratsvorsitz. Die Kommentare von Herrn Jouyet sollten zeigen, wie sehr der Vorsitz darum bemüht ist, die unterschiedlichen Standpunkte zusammenzuführen. Ich will versuchen, mich kurz zu fassen, Herr Präsident, da wir heute Morgen eine sehr interessante Aussprache im Parlament erwarten. Zunächst möchte ich etwas zu dem Vorschlag für einen Rahmenbeschluss zur Terrorismusbekämpfung sagen. Wie der amtierende Ratsvorsitzende ganz richtig gesagt hat, spielen moderne Informations- und Kommunikationstechnologien eine wichtige Rolle bei der Verbreitung der terroristischen Bedrohung. Das Internet, das billig, schnell und einfach zugänglich ist und fast die ganze Welt umspannt, wird von den Terroristen in der Tat genutzt.

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Die Vorteile des Internets, die von gesetzestreuen Bürgern geschätzt werden, werden leider auch zu kriminellen Zwecken genutzt. Terroristen verwenden das Internet, um Propaganda zum Zweck der Mobilisierung und der Rekrutierung sowie Anweisungen und Online-Handbücher zur Ausbildung von Terroristen und Planung von Anschlägen zu verbreiten. Diese Bedrohung zu verhindern hat ganz offensichtlich eine hohe politische Priorität. Die Europäische Union muss den modernen Terrorismus und seine neuen Methoden mit derselben Entschlossenheit bekämpfen, die sie bei der Bekämpfung des traditionellen Terrorismus gezeigt hat. Der Vorschlag, den die Kommission vorbereitet hat, aktualisiert den Rahmenbeschluss zur Terrorismusbekämpfung und passt ihn an das Übereinkommen des Europarates zur Verhütung des Terrorismus an, indem in den Begriff des Terrorismus auch die öffentliche Aufforderung zur Begehung einer terroristischen Straftat sowie die Rekrutierung und die Ausbildung zum Terrorismus aufgenommen wird. Die Kommission freut sich über die positive Aufnahme des Berichts von Frau Lefrançois, der den Mehrwert dieses Vorschlags unterstreicht. Aber, Frau Lefrançois, Sie haben auch Vorbehalte gegen den Vorschlag sowie den Wunsch nach einer Reihe von Änderungen geäußert. Ich versuche, kurz zu antworten. Zunächst hinterfragt Ihr Bericht die Verwendung des Begriffs „öffentliche Aufforderung“; Sie sagen klar und deutlich, dass Sie den Begriff „öffentliche Anstiftung“ für präziser halten. Tatsächlich basiert der Vorschlag der Kommission jedoch auf dem Übereinkommen des Europarats und folgt sehr genau den Definitionen der Straftaten in diesem Übereinkommen, und zwar aus zwei Gründen. Zunächst wollten wir die einmalige Fachkenntnis des Europarates in Sachen Menschenrechte und die Arbeit nutzen, die der Rat bei der Erstellung des Textes für das Übereinkommen geleistet hat, das wir hier diskutieren. Das Übereinkommen basiert zudem auf der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in Bezug auf die freie Meinungsäußerung. Zweitens wollte es die Kommission den Mitgliedstaaten leichter machen, sowohl den modifizierten Rahmenbeschluss als auch das Übereinkommen des Europarates umzusetzen. Würden unterschiedliche Begriffe die Anwendung nicht wieder komplizierter gestalten? Das ist die Frage, die ich Ihnen stellen möchte. In Hinblick auf den zweiten Punkt, der in dem Bericht angeführt wird, unterstützt die Kommission Ihre Idee, Schutzklauseln zu den Menschenrechten in den geänderten Text aufzunehmen, die denen in Artikel 12 des Übereinkommens des Europarates zur Verhütung des Terrorismus entsprechen. Tatsächlich, Herr Jouyet, enthält der gemeinsame Standpunkt des Rates vom 18. April 2008 bereits zusätzliche Schutzklauseln parallel zu denjenigen in Artikel 12. Ich komme jetzt zu dem Wunsch, jegliche Verpflichtung, den Versuch der Begehung einer Straftat zu kriminalisieren, auszuschließen. Hier stimmen wir zu. Der Vorschlag der Kommission hat – wie der gemeinsame Standpunkt des Rates vom 18. April 2008 – bereits den Ausschluss dieser Verpflichtung garantiert. Zudem möchte ich sagen, dass wir im Hinblick auf die Vorschriften zur gerichtlichen Zuständigkeit, die für die neuen Straftaten gelten, weitgehend – aber nicht ganz – mit den in dem Bericht vorgeschlagenen Änderungen übereinstimmen. Die Kommission kann daher die Streichung der zusätzlichen Vorschriften zur gerichtlichen Zuständigkeit akzeptieren, die in ihrem Vorschlag enthalten waren. Die Kommission teilt jedoch nicht die in dem Bericht vertretene Auffassung zu den bestehenden Vorschriften zur gerichtlichen Zuständigkeit im gegenwärtigen Rahmenbeschluss, da dies eine Einschränkung in Bezug auf die neuen Straftaten darstellen würde. Die in dem Bericht vorgeschlagene Änderung schafft die Verpflichtung eines Mitgliedstaats ab, neue Straftaten zu verfolgen, wenn diese außerhalb des Hoheitsgebiets dieses Mitgliedstaats, aber im Namen einer juristischen Person begangen werden, die in diesem Staat ansässig ist, oder wenn sich diese Straftaten gegen seine Institutionen oder seine Bevölkerung oder gegen eine europäische Institution mit Hauptquartier in dem betroffenen Mitgliedstaat richten. Wir befürchten, dass die Streichung dieser Verpflichtung zur Strafverfolgung durch den betreffenden Mitgliedstaat die Effektivität des Vorschlags der Kommission beeinträchtigt, da die neuen Straftaten sehr häufig transnational begangen werden, insbesondere dann, wenn sie über das Internet begangen werden. Die Kommission hofft jedoch, dass die Weiterentwicklung dieses Dossiers vor allem das kurzfristige Inkrafttreten des geänderten Rahmenbeschlusses ermöglicht. Die Aktualisierung unserer Gesetzgebung ist aller Mühen wert, und ich danke sowohl dem Parlament als auch dem Ratsvorsitz dafür, dass sie alles in ihrer Macht Stehende unternehmen, um dieses Ergebnis zu erzielen. Wir brauchen dieses neue Instrument.

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Ich komme nun zu dem Bericht von Frau Roure, die in ihrer sehr starken Verteidigung gewichtige Gründe für den Wunsch des Parlaments anführt, einen aussagekräftigen Rahmenbeschluss zu erwirken, der den Weg für weitere Fortschritte ebnet. Der Rahmenbeschluss muss in der Tat die polizeiliche und juristische Zusammenarbeit in Strafsachen fördern, indem er ihr durch eine echte Legitimierung und die Wahrung der Grundrechte Effektivität verleiht. Dies betrifft insbesondere das Recht auf Privatleben und das Recht auf den Schutz personenbezogener Daten. Die gemeinsamen Regeln für die Verarbeitung und den Schutz personenbezogener Daten, die zur Verhütung und Bekämpfung von Verbrechen verarbeitet werden, können dazu beitragen, diese beiden Ziele zu erreichen. Herr Jouyet, es wird Sie nicht überraschen, dass die Kommission über den recht beschränkten Geltungsbereich des Rahmenbeschlusses enttäuscht ist. Wir wollten noch weiter gehen, aber ich weiß, dass der gegenwärtige Ratsvorsitz diese Ansicht weitgehend teilt. Der Text des Rahmenbeschlusses regelt lediglich den grenzüberschreitenden Austausch von personenbezogenen Daten, daher wollten wir noch weiter gehen. Die Verarbeitung von personenbezogenen Daten durch diese Behörden auf nationaler Ebene wird noch nicht auf europäischer Ebene harmonisiert. Diese Aktivitäten werden noch auf nationaler Ebene durch die nationale Gesetzgebung zum Datenschutz geregelt. Es stimmt, Frau Roure, dass alle Mitgliedstaaten dem Übereinkommen 108 des Europarates zum Datenschutz zugestimmt haben. Dennoch gehöre auch ich zu denen, die denken, wir sollten weiter gehen. Die anschließende Bewertung der Anwendung des Rahmenbeschlusses, auf die sich Herr Jouyet bezogen hat, ist offensichtlich eine Möglichkeit, die Anwendung der Regeln im Rahmenbeschluss zu überprüfen und zudem zu prüfen, ob die Grundsätze der Zweckbindung und der Verhältnismäßigkeit wirklich eingehalten werden, die Sie ganz zu Recht erwähnt haben und die in diesem Bereich von wesentlicher Bedeutung sind. Es stimmt, dass eine Revision, eine Evaluierungsklausel, vor dem Hintergrund der Beurteilung durch die Mitgliedstaaten sicherlich eine Erweiterung des Geltungsbereichs dieses Datenschutzes ermöglichen würde. Sicher ist – und ich muss gar nicht besonders darauf bestehen, da es der Ratsvorsitz eben bereits angedeutet hat –, dass der Text nicht nur für die Europäer, sondern auch in unseren Verhandlungen mit Drittländern von Bedeutung sein wird. Wir werden uns insbesondere in Verhandlungen mit den Vereinigten Staaten, die ich nicht aus den Augen verloren habe in einer wesentlich stärkeren Position befinden, wenn wir uns auf eine Datenschutzmaßnahme berufen können, die den Bedürfnissen und Erwartungen unserer Bürger wirklich entspricht.−− Daher hoffe ich, dass der Rat dieses Dossier vorantreiben wird und wir eine Einigung erzielen können. Das ist ein erster Schritt, Herr Jouyet, aber dieser Schritt muss hinreichend aussagekräftig sein. Das ist mein Wunsch. Herr Präsident, ich werde mich in jedem Fall freuen, wenn wir mit diesen beiden Vorschlägen und Berichten−, die, was die Kommission anbelangt, von erheblichem Interesse und Wert sind,− eine Einigung erzielen können. Das würde ich mir wirklich wünschen. Luis de Grandes Pascual, Verfasser der Stellungnahme des Rechtsausschusses. − (ES) Herr Präsident, Herr Jouyet, Herr Kommissar, meine Damen und Herren! Ich spreche in meiner Eigenschaft als Verfasser der Stellungnahme des Rechtsausschusses zum Bericht des Ausschusses für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres in dieser Angelegenheit. Ich möchte dem Rechtsausschuss für seine Unterstützung danken und auch der Berichterstatterin, Frau Lefrançois, meinen Dank aussprechen. Sie war bei der Ausführung dieser Aufgabe verständnisvoll und offen für einen Dialog, um einen Konsens zu erreichen, der in dieser Angelegenheit von entscheidender Bedeutung ist. Meine Damen und Herren, dieser Vorschlag für einen Rahmenbeschluss könnte als überflüssig betrachtet werden. Der Europarat hat dieses Thema bereits in seinem Übereinkommen zur Verhütung des Terrorismus behandelt und die drei Arten von Straftaten anerkannt, die die Kommission in ihren Vorschlag aufgenommen hat: Die „öffentliche Aufforderung“ zu terroristischen Straftaten sowie das Rekrutieren von Terroristen und ihre Ausbildung. Es ist jedoch ebenso wahr, dass der Beschluss durchaus einen Mehrwert bietet, da er eine bessere Definition des Terrorismus enthält und umfassender ist, da er eine maßgebliche Liste von Strafen enthält. Ich möchte ganz ehrlich sagen, dass diese Maßnahme der Kommission notwendig ist und es sich dabei um einen extrem wertvollen Beitrag handelt. Es gibt keinen Anlass, sich um die Grundrechte Sorgen zu machen, und es besteht kein Konflikt mit der freien Meinungsäußerung. Meine Damen und Herrn, in Spanien steht die terroristische Vereinigung ETA

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nicht wegen ihrer Aussagen, sondern wegen ihrer Taten auf der Liste der Terrorgruppen der Europäischen Union, weil sie erpresst, entführt, Gewalt anwendet, Terroranschläge verübt und tötet, um ihre Ziele zu erreichen. Deshalb steht sie auf der Liste; nicht wegen ihrer Worte, sondern wegen ihrer Taten. Im spanischen Parlament gibt es die pro-unabhängigen Fraktionen, die ganz legitim ihre Meinung äußern, die Unabhängigkeit verteidigen und deswegen selbstverständlich keineswegs verfolgt werden. Es geht nicht darum, Meinungen als Straftaten zu definieren, sondern um die Zusammenarbeit bei der Nutzung moderner Technologie und um eine effektive Terrorismusbekämpfung. Darf ich Sie daran erinnern, dass in Spanien gestern eine unbescholtene Person, ein Mitglied der Streitkräfte, ein Offizier namens Juan Luis Conde von der Terrorgruppe ETA auf niederträchtige Weise durch eine Autobombe ermordet wurde. Die Europäische Union muss in dieser Sache mit einer Stimme sprechen, entschlossen und kompetent. Wir müssen in der Lage sein, leicht handhabbare Typen von Straftaten einzuführen, denn wenn die Gerichte davon ausgehen, dass es Schwierigkeiten gibt, wird sich stets die Unschuldsvermutung durchsetzen, und wir dürfen diese Chance nicht ungenutzt lassen. Die ETA und alle Terrorgruppen der Welt sollten wissen, dass die Europäische Union ihnen gegenüber mit einer Stimme spricht, sie sollten alle Hoffnung verlieren, sie sollten wissen, dass das ganze demokratische Gewicht der Union auf ihnen lasten wird und nicht aufgeben, bis sie gänzlich aus dem Leben unserer Länder verschwunden sind. Panayiotis Demetriou, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – (EL) Herr Präsident, Herr Kommissar, Herr amtierender Ratsvorsitzender! Uns liegen heute zwei sehr wichtige Berichte vor. Sie sind ungewöhnlich aufgrund ihrer ausgewogenen Herangehensweise und weil sie das Ergebnis einer übergreifenden Zusammenarbeit zu Themen sind, die beim Kampf gegen den Terrorismus, beim Schutz der Menschenrechte und beim Schutz der personenbezogenen Daten allgemein Zustimmung fanden. Der Terrorismus ist die Geißel unserer Zeit. Er hat die nachwachsenden Köpfe der Hydra, ist unmenschlich, barbarisch und unbarmherzig. Wir müssen ihn daher mit allen rechtlichen Mitteln bekämpfen, wobei wir immer darauf achten müssen, dass die Menschenrechte nicht verletzt werden. Dies ist genau das, was der Bericht von Frau Lefrançois erreicht. Es wurde gesagt, dass der Vorschlag zur Bekämpfung des Terrorismus auf dem Übereinkommen des Europarates beruht. Wir haben es jedoch vorgezogen, die Definition des Begriffs „öffentliche Aufforderung“ zu ändern, sodass sie in allen Ländern juristisch greifbarer wird. Wir reden über „öffentliche Anstiftung“, ein Begriff, der dem Geist des Übereinkommens wesentlich näher kommt und das Ziel, das wir erreichen wollen, besser beschreibt. Unsere Bedenken bei der Diskussion dieses Berichts konzentrierten sich auf das Thema der Menschenrechte. Wir haben ausführliche Diskussionen geführt, uns auf eine Formulierung geeinigt und Maßnahmen aufgenommen, um die Ausgewogenheit zu wahren, die ich genannt habe. Alles Weitere wird diese Ausgewogenheit wahrscheinlich stören, und jeder Versuch einer weiter gefassten Definition von Terrorismus ist äußerst problematisch: Es war keine leichte Aufgabe für Europa, sich auf eine Definition zu einigen. Ich war drei Jahre lang im Europarat. Wir haben erfolglos versucht, eine Definition für Terrorismus zu finden. Nun, da wir uns auf diese Definition geeinigt haben, besteht keine Notwendigkeit für Einwände. Zum Thema Menschenrechte gibt es auf jeden Fall Absatz 10 im einleitenden Teil des Vorschlags; dieser behandelt ausführlich und gründlich die spezifischen zu schützenden Rechte: das Recht auf Versammlungsfreiheit und der Gewerkschaften und alle damit verbundenen Rechte. In dieser Richtung gibt es daher keinen weiteren Handlungsbedarf. Lassen Sie mich abschließend hinzufügen, dass all das in guten Händen ist. Es gibt jedoch einen anderen Bereich, den wir beachten sollten: Wir sollten unsere Aufmerksamkeit auf die Gesellschaften richten, die den Terrorismus fördern. Wir sollten mit vernünftigen Personen reden, mit den gemäßigten Elementen, sodass die moralische Unterstützung, die Terroristen in diesen Gesellschaften gewährt wird, beseitigt wird. Wir sollten unsere Anstrengungen, unser Denken, unsere Programme und Kampagnen auf dieses Ziel richten. (Beifall)

23-09-2008

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Claudio Fava, im Namen der PSE-Fraktion. – (IT) Herr Präsident, Herr Jouyet, Herr Barrot, meine Damen und Herren! Nach sieben Jahren der Terrorismusbekämpfung glaube ich, dass wir jetzt in der Lage sind, die Risiken des Terrorismus, seine Auswirkungen und verheerenden Konsequenzen einzuordnen. Ich glaube auch, dass eine der dramatischsten Konsequenzen der Verlust der Ausgewogenheit ist – ein Verlust des Gespürs für Ausgewogenheit bei der Reaktion auf die Bedrohung durch den Terrorismus. Diese Ausgewogenheit ist erforderlich, um nicht die oberflächlichen, sondern die tieferen Ursachen zu ermitteln, die dieser Gewalt zu Grunde liegen. Es ist extrem wichtig, eine Präventions- und Sanktionspolitik umzusetzen, ohne die fundamentalen Prinzipien unserer Rechtskultur aufzugeben. Dies ist eine wertvolle, aber schwierige Ausgewogenheit, weil sie in Regeln übersetzt werden muss, die keinen Ermessensspielraum lassen. Ich begrüße daher die Initiative der Kommission, den Rahmenbeschluss von 2002 zu überarbeiten, sofern die sehr zeitgerechten Empfehlungen berücksichtigt werden, die in den zwei heute zur Debatte stehenden Berichten gemacht wurden. Herr Jouyet und Herr Barrot, die erste Empfehlung lautet, eine Kultur des Verdachts zu verhindern, denn wenn wir unsere Gesellschaft auf Verdächtigungen gründen und uns eine Integrations- und Einwanderungspolitik nach dem Prinzip des gegenseitigen Misstrauens erträumen, machen wir dem Terrorismus ein Geschenk, denn das Ziel des Terrorismus besteht vor allem darin, Spaltungen zu erzeugen. Aus diesem Grund bevorzugen wir bei der Diskussion über terroristische Straftaten und den Begriff der Aufforderung – der uns als ein sowohl allgemeiner als auch subjektiver Begriff erscheint – den juristisch konsistenteren und spezifischeren Begriff der öffentlichen Anstiftung. Ich glaube, dass dies ein weniger verwirrendes und weniger subjektives Prinzip ist, und das ist keine Terminologiefrage, Herr Barrot, sondern eine wesentliche Fragestellung: Aufforderung eignet sich für Missbrauch, Übertreibung, für eine zu starke Beachtung des sozial-emotionalen Aspekts, der häufig zu exzessiven und verworrenen Reaktionen führt. All dies führt uns zu dem zweiten Risiko, das wir vermeiden müssen: Die Interpretation der Terrorismusbekämpfung als Rechtfertigung für die Überarbeitung, Einschränkung und Änderung des Umfangs der Grundrechte. Von diesen zwei Berichten erwarten wir ein klares und unzweideutiges Signal zu diesem Punkt. Dies ist die Herausforderung, die wir als Gesetzgeber in Angriff nehmen müssen: Die Verbindung des Kampfes gegen den Terrorismus und gegen Aktivitäten, die dem Terrorismus den Weg bereiten, mit der Achtung der Grundrechte-Charta, insbesondere der freien Meinungsäußerung und der Versammlungsfreiheit, ohne die unsere Kulturen in das Zeitalter der Barbarei zurückfallen würden. Herr Barrot, wir müssen die Wahrheit sagen: Es besteht die Gefahr, dass die Terrorismusbekämpfung zu einem Konflikt zwischen den Kulturen oder Religionen wird, dass wir die Sprache des Rassismus sprechen; dies ist eine reale Gefahr, wie sich bei dem Treffen vor ein paar Tagen in Köln mit der unverantwortlichen Teilnahme eines Mitglieds dieses Parlaments, Herrn Borghezio, herausstellte. Daher sollte hier und von diesem Parlament ganz deutlich gesagt werden: Faschistische Intoleranz hat nichts mit dem Krieg gegen den Terrorismus zu tun! Die wertvolle Arbeit der beiden hier debattierten Berichte geht auch in diese Richtung: Bekämpfung von Terrorismus, Vermeidung der extremen Gewalt des Terrorismus, aber gleichzeitig Wahrung einer angemessenen Ausgewogenheit zwischen dem Sicherheitsbedürfnis unserer Bürger und ihrer Freiheiten und Grundrechte. In diesem Punkt fordern wir, Herr Präsident, Herr Jouyet und Herr Barrot, den Rat und die Kommission zur Wachsamkeit auf, und wir versprechen, dass das Parlament sein Möglichstes tun wird, um mit Ihnen zusammenzuarbeiten. Alexander Alvaro, im Namen der ALDE-Fraktion. – (DE) Herr Präsident, sehr geehrter Herr Minister, Herr Vizepräsident! Frau Lefrançois und Frau Roure haben mit beiden Berichten sehr viel Arbeit geleistet, und ich habe mich auch sehr gefreut, mit ihnen in dieser Zeit zusammenarbeiten zu können. Wir haben viel erreicht und auch viel bewegt. Ich bedaure, dass der Bericht von Martine Roure nach wie vor im Rat hängt, obwohl wir ihn überarbeitet haben. Mir fehlt da ein bisschen das, was Herr Minister Jouyet gesagt hat, nämlich dass wir Themen aufgreifen und sie zur Priorität erklären. Das haben wir vielfach auch zuletzt von der deutschen Ratspräsidentschaft gehört. Es ist nur leider nicht in Fakten umgesetzt worden. Auf die Dauer kann man das Parlament nicht mit reinen Lippenbekenntnissen befriedigen. Zum Bericht von Frau Lefrançois: Es gibt an diesem Bericht durchaus etwas Bemerkenswertes, das bis jetzt keiner von Ihnen angesprochen hat. Es impliziert nämlich, dass wir hier einen der seltenen Fälle haben, in dem wir – ganz klar außerhalb des Umweltbereichs – materielles Strafrecht harmonisieren. Das ist etwas, was weit über das hinausgeht, was die Europäische Union bis jetzt gemacht hat. Im Zivilrecht kennen wir es bei grenzüberschreitenden Punkten. Aber dass wir materielles Strafrecht harmonisieren, geht wesentlich mehr in die Details der Materie hinein, als hier angesprochen worden ist. Deswegen versteht die Kommission

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vielleicht, warum wir die Diskussion über öffentliche Aufforderung oder Anstiftung so intensiv führen. Anstiftung ist ein justizüblicher Begriff in allen Mitgliedstaaten. Der Begriff Aufforderung ist von den Mitgliedstaaten des Europarats in einem Kompromiss gefunden worden. Da sind Staaten mit dabei wie Russland. Ich glaube nicht, dass wir darüber diskutieren müssen, ob wir damit alle eine gemeinsame juristische Basis haben. Ich habe auch in den Gesprächen mit Frau Lefrançois nach wie vor deutlich gemacht, dass ich allein aus meiner nationalen Perspektive ein Problem mit dem Begriff Anstiftung habe, wie er auch hier formuliert ist, weil es unserem System fremd ist, dass eine Anstiftung bestraft werden kann, ohne dass es eine vorsätzliche rechtswidrige Haupttat gibt. Der Paragraph sieht Anstiftung oder Aufforderung vor, insofern sind diese beiden Begriffe im schlimmsten Fall sogar reine Spiegelfechterei. Beiden Begriffen fehlt der Vorsatz des Täters. Es kommt nur noch auf den Dritten an, ob er wahrnimmt, dass das, was jemand gesagt hat, eine Aufforderung sein könnte, ernsthaft eine terroristische Straftat zu begehen oder nicht. In dem Moment frage ich mich, wo Sie die Trennlinie zwischen dem Terroristen und dem aufgebrachten Bürger am Stammtisch, der von seinem Nachbarn denunziert wird, ziehen. Insofern müssen wir uns auch in den gegebenen Rechtsordnungen bewegen. Ich weiß, dass es in Spanien zum Teil anders ist, aber eben zur Bekämpfung des national gewachsenen Terrorismus. Glauben Sie mir: Ich bin Gott sei Dank jung genug, um die schlimme Zeit in Deutschland während der RAF-Phase nicht miterlebt zu haben. Aber auch da sind entsprechende Gesetze diskutiert worden. Natürlich müssen Staaten in Sonderfällen auch besonders handeln, aber in den letzten sieben Jahren haben wir auch gesehen, dass vieles, was am Anfang in einer Hyperaktivität entschieden wurde, jetzt wieder zurückgenommen werden muss. Insofern freue ich mich auch, dass wir fraktionsübergreifend in diesem Bericht einen Schwerpunkt auf Menschen und Grundrechte gelegt haben. Bezüglich des Berichts Martine Roure ist es viel entscheidender, dass der Rat hier handelt. Was den Vertrag von Lissabon betrifft, da müssen wir uns nichts vormachen. Dass der bis zu den Europawahlen 2009 steht, wollen wir alle, aber wir wissen auch, was Kinder bekommen, die etwas wollen! Jetzt müssen wir versuchen, diesen Bericht – gerade auch im Hinblick auf die Gespräche, die zurzeit von der Kommission mit den USA zu einem EU/US-Datenschutzabkommen geführt werden – in diese Diskussionen einzuflechten. Es kann ja nicht sein, dass beides losgelöst voneinander existiert. Deswegen wünsche ich mir, dass nicht nur der politische Wille, sondern endlich auch der politische Beschluss gefasst wird, damit der Rahmenbeschluss zum Datenschutz endlich in Kraft treten kann. Mit einer unglaublichen Aktivität bemühen sich Kommission und Rat, im Bereich des wirtschaftlichen Schutzes personenbezogener Daten zu handeln. Wenn wir sehen, was in Großbritannien, in Deutschland und in anderen Mitgliedstaaten mit persönlichen Daten geschieht, die von öffentlichen Behörden verwaltet werden und zum Teil verloren gehen oder gestohlen werden, haben wir dort einen genauso dringenden Handlungsbedarf. Hier geht es schließlich mehr denn je um die Rechte des Bürgers, denn gegen das Verhalten seines Staates kann er sich nicht wehren. Bei einem Unternehmen kann er im Zweifelsfall noch ein anderes wählen. Brian Crowley, im Namen der UEN-Fraktion. – Herr Präsident! Ich möchte dem amtierenden Ratsvorsitzenden und dem Vizepräsidenten der Kommission ebenso wie den Berichterstatterinnen für die meiner Meinung nach sehr wichtigen Berichte danken. Wenn wir über Themen in Verbindung mit Terrorismus und Datenschutz sprechen, dann erscheint, wie einige meiner Kollegen bereits erwähnt haben, manchmal, wenn Sie auf den Kern einer Aussprache im Parlament achten, ein Konflikt zwischen denen, die mehr Schutz der individuellen Rechte und Freiheiten fordern, und denen, die mehr Schutz für die Bevölkerung vor dem Risiko und der Bedrohung durch Gewalt oder sogar durch die Anstiftung zur Gewalt verlangen. Wenn wir nun im Hinblick auf diese Vorschläge fortfahren, sollten wir daher sicher sein, dass die Gesetze, die wir vorschlagen, die wir in diesem Parlament ändern, über eine klar umrissene Rechtsgrundlage verfügen, sodass sie über jeden Zweifel und Vorwurf erhaben sind, wenn sie in Kraft treten. Eine der Schwierigkeiten besteht darin, dass wir aufgrund des Rahmenbeschlusses, aufgrund der Rechtsgrundlage – bzw. der fehlenden Rechtsgrundlage – im Hinblick auf bestimmte Aspekte dieses Rahmenbeschlusses Gefahr laufen, dass man uns der Scheinheiligkeit bezichtigt, dass man sagt, wir würden nur scheinbar handeln, ohne eine echte Entscheidung zu treffen. Wenn Sie auf die Geschichte der polizeilichen und juristischen Zusammenarbeit zurückblicken, die wir hier in diesem Parlament angeregt haben, so basiert diese Zusammenarbeit zu 90 % auf gegenseitigem Vertrauen zwischen den betreffenden Behörden auf Ebene der Mitgliedstaaten. Dies war die einzige effektive Möglichkeit, einen Mechanismus zu finden, der uns voranbringt: Auch wenn Sie Abkommen schließen oder Beschlüsse

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fassen, gibt es keine echte, sinnvolle Zusammenarbeit und keinen Fortschritt, wenn die Behörden in den einzelnen Mitgliedstaaten nicht bereit sind, zusammenzuarbeiten und diese Informationen auszutauschen. Wir müssen beim Thema Datenschutz und Erfassung personenbezogener Daten sehr vorsichtig sein, da viele von uns wissen, dass es in unseren eigenen Mitgliedstaaten zahllose Behörden auf nationaler und auf lokaler Ebene gibt, die zu jeder einzelnen Person Daten erfassen. Der größte Schrecken, der derzeit Großbritannien erschüttert, betrifft diese Angelegenheit des Identitätsdiebstahls und es gibt große Bedenken, weil Computer verloren gegangen sind, die Informationen von staatlichen Behörden enthalten – ob es nun Sozialämter oder Verteidigungs- oder Polizeibehörden sind – persönliche Daten, Informationen, die Sie selbst niemals weitergeben würden. Dennoch scheint es keinen Schutz für diese Daten zu geben. Deshalb müssen wir auf dieser Ebene – auf der Europäischen Ebene – sorgfältig darauf achten, dass wie einen Europäischen Rahmenbeschluss erstellen, der die Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten ermöglicht, aber nicht den nationalen Mitgliedstaaten diese Kontrollen auferlegt. Ich sage das, weil Einzelpersonen bessere Mittel haben, um bei falscher Verwendung oder Missbrauch von Daten oder Datenverlust gegen nationale Behörden vorzugehen, als es in diesem Rahmenbeschluss der Fall ist. Wenn wir durchsetzen, dass dieser Rahmenbeschluss zum Schutz personenbezogener Daten auch für nationale Daten gilt, werden wir die bereits bestehenden Rechte in vielerlei Hinsicht untergraben. Weil wir mit einem neuen Plan auf europäischer Ebene fortfahren, gibt es einen gewissen Spielraum für eine etwas flexiblere Reaktion auf die Schwierigkeiten, vor denen wir in Hinblick auf den Datenschutz stehen. Damit diese Gesetzgebung jedoch auch wirklich effektiv ist, muss ihre Funktion eindeutig und klar umrissen formuliert sein, zudem muss sie das Vertrauen der Menschen gewinnen, dass sie dem Datenschutz dient, nicht dem Datenmissbrauch. Kathalijne Maria Buitenweg, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – (NL) Herr Präsident! Ich bin davon überzeugt, dass der Rat die Sicherheit der Bürger wirklich verbessern möchte und dass großen Wert auf die Bürgerrechte legt. Auch wenn Sie die vorliegenden Berichte mit großem Enthusiasmus begrüßen, werden Sie bei sorgfältiger Lektüre feststellen, dass sich unsere Schlussfolgerung völlig von der Ihren unterscheidet. Tatsächlich glauben wir, dass die von Ihnen angenommenen Vorschläge schlicht unangemessen sind und die Bürgerrechte zu verletzen drohen. Wie kommt es, dass wir die Dinge unterschiedlich beurteilen? Zunächst achten die Parlamente traditionell stärker auf die Bürgerrechte als Regierungen, was ein Problem darstellt, wenn eine Entscheidung getroffen werden soll. Vor allem aber ist das Parlament an den langfristigen Auswirkungen dieser Entscheidungen auf die Gesellschaft interessiert. Wenn wir die Beziehung zwischen Regierung und Bürger aus der historischen Perspektive betrachten, sehen wir, dass die Regierung das Gewaltmonopol innehat und die Bürger über Grundrechte verfügen, die von der Regierung nur verletzt werden dürfen, wenn dies notwendig, effektiv und angemessen ist. Wenn die Bürger aber allzu oft feststellen müssen, dass Maßnahmen der Regierung weder notwendig noch gerechtfertigt sind, wird ihr Vertrauen in diese Regierung und damit ihre Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit ihr schwinden. Dann werden wir langfristig massive Sicherheitsprobleme erleben. Vertrauen ist schwer zu gewinnen, aber leicht zu verlieren. Meiner Ansicht nach bietet der Vorschlag zum Datenschutz nicht den beabsichtigten Schutz, und der Rat bewegt sich mit seiner Erweiterung des Rahmenbeschlusses auf dünnem Eis. Beginnend mit dem Bericht von Frau Roure möchte ich der Berichterstatterin herzlichst für all die Jahre danken, in denen sie diesen Bericht durch das Parlament gesteuert hat. Ich möchte vor allem dem Rat eine Reihe von Fragen stellen. Der Vorschlag bezieht sich auf die polizeiliche und juristische Zusammenarbeit in Europa, also auf die Behörden, die mit der Sicherheit befasst sind. Dennoch – und der amtierende Ratsvorsitzende kann mir hier vielleicht widersprechen – fühlt sich der Rat nach meinem Verständnis nicht durch diese Vorschläge gebunden, wenn grundlegende nationale Sicherheitsinteressen betroffen sind. Von welchen Interessen sprechen wir hier, und können Sie uns ein Fallbeispiel nennen, bei dem Sie diesen Rahmenbeschluss einfach in den Papierkorb werfen würden? Ein weiterer Punkt, den Frau Roure bereits selbst erwähnt hat, sind die sensiblen Daten. Es gibt gewisse Daten, bei denen ich verstehe, dass der Rat sie haben möchte; aber kann er mir erklären, wann es von Vorteil sein könnte, zu wissen, ob jemand Gewerkschaftsmitglied war? Ich würde von Ihnen gerne ein Beispiel hören, wann es nützlich wäre, zu wissen, ob jemand Mitglied des Bunds Niederländischer Gewerkschaften (FNV) in den Niederlanden war. Soll das etwa auf ein widerspenstiges Verhalten hindeuten? Unter welchen Umständen wäre das um Gottes Willen relevant? Das Sexualleben der Menschen? Wenn wir über aktive Pädophilie sprechen, gut: Das ist ein Verbrechen und kann selbstverständlich erfasst werden. Aber wofür benötigen Sie noch mehr Informationen?

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In Bezug auf den Transfer von Daten in Drittländer erinnere ich mich noch gut an eine lustige Begebenheit während des deutschen Ratsvorsitzes, als ein Vertreter des Rates ausführte, es sei manchmal tatsächlich notwendig, sehr schnell Daten in den Iran zu übermitteln. Das ganze Haus war sprachlos; das konnte nicht sein Ernst sein – Datentransfers in den Iran! Daher möchte ich nun die Frage stellen, ob dieses Ratsmitglied garantiert, dass sensible Daten unter keinen Umständen in den Iran übermittelt werden. Könnten Sie mir vielleicht auch die Nummer des Artikels nennen, auf dem diese Garantie beruht? Auch wenn ich den Schutz für unzulänglich halte, begrüße ich doch das Ziel: Eine bessere Zusammenarbeit zwischen den polizeilichen und juristischen Behörden auf europäischer Ebene (das funktioniert bekanntermaßen schon auf nationaler Ebene nicht besonders gut). Ein Schlüsselbegriff bei der Frage der Verbesserung dieser Zusammenarbeit ist „Vertrauen“ – auch dies ist vor allem eine Frage des Vertrauens. Was ich dem Rat vorwerfe, ist, dass er nicht hart genug daran arbeitet, dieses Vertrauen und damit auch die Zusammenarbeit zu verbessern. Schließlich muss Vertrauen auf etwas beruhen, beispielsweise auf einem substanziellen Datenschutz oder auf den Rechten von Verdächtigen, die unserem Rechtsstaatsprinzip entsprechen – aber es gelingt Ihnen nicht, diese Erwartungen zu erfüllen. Sie arbeiten nun bereits seit meiner gesamten Amtszeit an den Verfahrensrechten von Verdächtigen und haben noch keine Ergebnisse erzielt. Zudem haben Sie es nicht geschafft, die Zusammenarbeit voranzutreiben, wo Sie einen Beitrag hätten leisten können. Stattdessen präsentieren Sie den kruden Rahmenbeschluss zur Terrorismusbekämpfung. Frau Lefrançois hat dazu einen treffenden Bericht vorgelegt, wofür ich ihr ebenfalls meinen herzlichen Dank aussprechen möchte. Meine Frage bleibt: Welches Problem möchte der Rat hier eigentlich lösen? Die Anstiftung zur Gewalt ist in allen Mitgliedstaaten verboten und so sollte es auch sein – aber jetzt wird auch die Aufforderung unter Strafe gestellt. Was genau ist eine „Aufforderung“? Jemand, der schreibt, dass die Vereinigten Staaten ein Schurkenstaat sind, eine Achse des Bösen, die bekämpft werden muss? Wenn diese Person auch noch schreibt: „Wer nicht für uns ist, ist gegen uns“, ist das dann eine Aufforderung? Wenn jemand aus dem Westen bewusst einen anti-islamischen Film macht, um Menschen zu beleidigen, provoziert er dann damit einen Anschlag? Bin ich selbst gerade provokativ? Eine unklare Gesetzgebung ist eine schlechte Gesetzgebung. Sie haben meine Unterstützung im Hinblick auf die Kriminalisierung der Anstiftung zur Gewalt auch auf europäischer Ebene, aber nicht mit diesen Mitteln. Wenn man all diese sprachlichen Versionen vergleicht, ist nicht einmal klar, ob über „Aufforderung“ oder „Anstiftung“ gesprochen wird. Eine Frau kann sich provokativ kleiden, aber das bedeutet noch lange nicht, dass sie andere zur Vergewaltigung anstiftet. Artikel 1(1) ist in dieser Hinsicht alarmierend, denn er besagt, dass eine Person wegen terroristischer Straftaten verurteilt werden kann, unabhängig davon, ob sie terroristische Straftaten unmittelbar befürwortet. Für meine Fraktion geht diese Formulierung wirklich viel zu weit. VORSITZ: MARIO MAURO Vizepräsident Sylvia-Yvonne Kaufmann, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. – (DE) Herr Präsident, Herr Minister, Herr Vizepräsident der Kommission! Ich möchte aufgrund der geringen Zeit, die mir zur Verfügung steht, nur auf den Bericht von Frau Roure eingehen. Wenn wir über die Verarbeitung personenbezogener Daten im Rahmen der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen sprechen, dann will ich ganz klar sagen, dass ich der Meinung bin, wir brauchen einheitliche europäische Regelungen. In den letzten Jahren sind mehrere Projekte auf den Weg gebracht worden, die die Verarbeitung solcher Daten betreffen, insbesondere das Schengener Informationssystem der zweiten Generation oder das Visa-Informationssystem (VIS). Wichtig wären sie aber auch im Hinblick auf den Vorschlag, Strafregisterdaten zwischen den Mitgliedstaaten auszutauschen, oder auch bei Einführung eines europäischen PNR-Systems. Ein hohes Datenschutzniveau liegt im Interesse aller Bürgerinnen und Bürger, und ein solches kann meines Erachtens nur durch einheitliche Regelungen auf EU-Ebene gewährleistet werden. Minister Jouyet hat davon gesprochen, dass der jetzt vorliegende Beschluss des Rates die beste Lösung gewesen sei, die man erreichen konnte. Ich muss Ihnen sagen, Herr Minister, dass ich über den erneuten Vorschlag des Rates enttäuscht bin, denn zentrale Forderungen des Parlaments sind nicht berücksichtigt, und ich denke, er bietet ein Datenschutzniveau, das teilweise noch unter dem des Übereinkommens 108 des Europarates liegt. Die Kritik an dem Vorschlag wird übrigens von allen Fraktionen über die Fraktionsgrenzen hinweg geteilt, und ich finde, dass diese eindeutige Botschaft dem Rat doch zu denken geben müsste.

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Insbesondere muss gewährleistet werden, dass der Rahmenbeschluss auch auf die nationale Datenverarbeitung Anwendung findet; andernfalls ist die Sinnhaftigkeit des gesamten Vorschlags in Frage gestellt. Hervorheben möchte ich auch, was unsere Berichterstatterin Martine Roure gesagt hat, nämlich dass besonders sensible Datenkategorien, also Daten, aus denen die ethnische Herkunft, die politische Meinung oder die religiöse Überzeugung einer Person hervorgeht, nicht verarbeitet werden dürfen. Wenn man überhaupt Ausnahmen von diesem Prinzip erlauben sollte, dann ist es unverzichtbar, dass z. B. zuvor die Genehmigung einer zuständigen Justizbehörde eingeholt wurde, und diese Datenkategorie darf auch nicht einfach automatisch verarbeitet werden. Der Rat hat dem Parlament die Verabschiedung dieses Rahmenbeschlusses schon lange versprochen. Ich finde, es ist höchste Zeit, dass der Rat dem nun endlich nachkommt, und zwar mit einem Rahmenbeschluss, der das Papier auch wert ist, auf dem er steht. Ich stimme allen Änderungen, die das Parlament in dem Bericht vorschlagen wird, zu, denn ich denke, wir brauchen ein höchstmögliches Datenschutzniveau, und das ist mit dem jetzt vorliegenden Rahmenbeschluss des Rates noch nicht gewährleistet. Gerard Batten, im Namen der IND/DEM-Fraktion. – Herr Präsident! Diese Beschlüsse des Rates sind Teil des Prozesses zur Harmonisierung unserer nationalen Justiz und unserer Rechtssysteme in ein gemeinsames EU-System. Bereits jetzt kann jeder EU-Bürger mithilfe eines europäischen Haftbefehls mit minimalen Schutzklauseln von einem EU-Land in ein anderes ausgeliefert werden. Selbst wenn ein nationales Rechtssystem oder eine nationale Regierung wissen, dass großes Unrecht geschieht, können sie dies nicht verhindern. Nach den neuen Prozessregeln in absentia können wir nun in einem anderen EU-Staat vor Gericht gestellt und verurteilt werden, ohne auch nur davon zu erfahren, und dann ausgeliefert und inhaftiert werden. Wir können mit Geldstrafen belegt werden, unser Eigentum kann beschlagnahmt werden – auch das, ohne dass unser eigenes Rechtssystem oder unsere Regierung das verhindern oder uns schützen kann. Im Vertrag von Lissabon ist ein Europäischer Staatsanwalt vorgesehen, der über weit reichende Befugnisse verfügt, Erkundigungen einzuziehen und Personen zu verfolgen, denen Delikte gegen die Interessen der Union vorgeworfen werden – mit Unterstützung durch Europol, deren Beamte jedoch im Hinblick auf alles, was sie bei der Ausübung ihrer Pflichten tun oder sagen, Straffreiheit genießen. Und natürlich haben wir die eigene paramilitärische Polizei der Europäischen Union, die Europäische Gendarmerietruppe, die derzeit in Vicenza aufgestellt wird und grenzüberschreitend tätig werden darf, um in den EU-Mitgliedstaaten gegen zivile Unruhen vorzugehen. All das geschieht unter dem Vorwand, uns vor dem Terrorismus zu schützen; tatsächlich handelt es sich hierbei aber eindeutig um die niemals endende Mission der Europäischen Union, ihre eigene Macht und Vorherrschaft in allen Bereichen unseres nationalen Lebens zu stärken und zu etablieren. Der Terrorismus ist in der Tat eine reale Gefahr, deren bedeutendste Quelle heute weltweit die Ideologie des fundamentalistischen, schrifttreuen und extremistischen Islams darstellt. Doch der Terrorismus sollte durch die nationalen Regierungen in enger Zusammenarbeit bekämpft werden und nicht als Ausrede herhalten, um die Macht der Europäischen Union zu stärken. Koenraad Dillen (NI). – (NL) Herr Präsident! Häufig hören wir aus unterschiedlichen Richtungen, dass die Bekämpfung des Terrorismus unsere Freiheiten bedroht – aber das ist eine falsch verstandene Gegensätzlichkeit. Die freie Meinungsäußerung, die Pressefreiheit und das Recht auf Privatsphäre sind in der Tat fundamentale Merkmale unserer westlichen Gesellschaft, aber wie der vorherige Redner bereits sagte, sind genau diese offenen Gesellschaften derzeit von einem islamischen Extremismus bedroht, der zu Terrorakten gegen diese Werte anstiftet. Die Maßnahmen in diesem Bericht sind ein Schritt – aber nur einer – in die richtige Richtung. Die Staaten haben nicht nur die Pflicht, ihre Bürger vor dem Terrorismus zu schützen, sie müssen auch in der Lage sein, alle notwendigen Maßnahmen zum Schutz der öffentlichen Ordnung zu ergreifen. Ich möchte hier jedoch eine Randbemerkung machen, da sich viele Redner heute am Rande dieser Aussprache auf Italien bezogen haben. Die italienische Regierung hat jedes Recht, gegen illegale Einwanderung und Verbrechen so vorzugehen, wie sie es für notwendig hält, sofern dieses Vorgehen durch objektive, legitime Faktoren gerechtfertigt ist. Zudem stellte die beschämende Anhörung der letzten Woche in Rom, bei der einige extrem linksgerichtete Mitglieder dieses Hauses die italienischen carabinieri beschuldigten, Kinder von Roma gefoltert zu haben, eine Beleidigung für das italienische Volk dar, die diesem Haus in keiner Weise

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zusteht. Ich hoffe daher, dass sich der Präsident des Europäischen Parlaments in unser aller Namen bei der italienischen Regierung entschuldigen wird. Jean-Pierre Jouyet, amtierender Ratsvorsitzender. − (FR) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte gerne jetzt sprechen, da ich leider weiter muss, um an einem interinstitutionellen Dialog teilzunehmen. Ich bitte das Parlament und die Berichterstatterinnen um Entschuldigung. Ich wollte nur den Fraktionsführern antworten und zunächst in Bezug auf den Bericht von Frau Lefrançois und im Anschluss an die Beiträge insbesondere zur Unterscheidung zwischen „Anstiftung“ und „Aufforderung“ sagen, dass der Text des Rates den Artikel 5 aus dem Übereinkommen des Europarates übernommen hat, um Unterschiede in der Anwendung zu vermeiden. Wir denken, dass wir den Richtern vertrauen sollten, dass sie diese strafrechtliche Behandlung vernünftig einsetzen und – wie Herr de Grandes Pascual ganz richtig sagte – den Kontext angemessen berücksichtigen, insbesondere, was den spanischen Terrorismus betrifft. Schließlich möchte ich betonen, dass der Text des Rates einerseits die Klausel zur freien Meinungsäußerung in Artikel 2 und andererseits die Klausel zur Verhältnismäßigkeit in Artikel 14 weitgehend berücksichtigt. In Hinblick auf den Bericht von Frau Roure möchte ich sagen, dass ich ebenfalls mit Frau Buitenweg und Herrn Alvaro übereinstimme: Die Regulierung in der dritten Säule, die Regressansprüche behandelt, ist in der Tat ein Fortschritt. Ich habe auch Ihre Forderungen in Bezug auf den Geltungsbereich gehört, insbesondere die von Frau Kaufmann. Frankreich war derselben Meinung wie die Kommission, aber wir müssen realistisch sein. Wir könnten einstimmig einen anderen Text annehmen. Wir wären – wie schon Kommisse Barrot sagte – gerne weiter gegangen, allerdings nur, wenn der Geltungsbereich erweitert würde, was wirklich gut wäre; ich glaube nicht, dass wir kurzfristig einen solchen Fortschritt erzielen könnten. Es muss einen Kompromiss geben, eine ausgewogene Lösung. Ich stimme Frau Roure zu, dass dies nicht ganz zufrieden stellend ist, aber es ist immerhin ein Fortschritt, und wir müssen ihn als das akzeptieren, was er ist. Wie ich bereits sagte, haben wir aber in jedem Fall noch die Evaluierungsklausel. Ich möchte die Kommission und den Vizepräsidenten auffordern – und ich weiß, er wird meinem Wunsch nachkommen –, den bestmöglichen Nutzen aus der Evaluierungsklausel und den Vorschriften im Bereich der Datenerhebung zu ziehen, die vorsehen, dass wir auch an Dateien unter der nationalen Souveränität denken. Sie haben die Aufnahme bestimmter Daten erwähnt, die in diesem Beschluss erscheinen. Ich persönlich würde es auch begrüßen, wenn die Aufnahme von Daten zu Religion oder Sexualität überprüft würde oder zumindest die Formulierung im Vergleich zum jetzigen Wortlaut verbessert werden würde. Herrn Dillen möchte ich zur Frage der Roma Folgendes antworten: Wie er weiß, hat der Roma-Gipfel am 16. September das Engagement des französischen Ratsvorsitzes und der Kommission in der Frage der Roma gezeigt. Der Vizepräsident war anwesend, und es gab eine Bestandsaufnahme der vergangenen Maßnahmen, zu denen die Mitgliedstaaten sich künftig selbst verpflichten können, um die Integration der Roma in unsere Gesellschaften zu fördern; ein Problem, das auf der sozialen Agenda von Kommissar Špidla einen wichtigen Platz einnimmt. Das ist alles, was ich zu den Beiträgen dieser wirklich spannenden Aussprache sagen wollte. Manfred Weber (PPE-DE). – (DE) Herr Präsident, Herr Vizepräsident, Herr Ratsvorsitzender! Zunächst ein Lob an den französischen Ratsvorsitz, dass wir diese Themen gemeinsam diskutieren, weil sie die Balance der Herausforderung deutlich machen: auf der einen Seite der Kampf gegen eine große Herausforderung – den Terror –, auf der anderen Seite der Datenschutz. Es ist schade, dass der Ratsvorsitzende nicht die ganze Zeit anwesend sein kann. Das wäre für diese Debatte sehr wertvoll. Zunächst zum Datenschutz: Wir haben hier bereits viele Präsidentschaften gehört, die uns alle berichtet haben, wie groß und wichtig die Fortschritte sind. Für die EVP-Fraktion möchte ich zum Ausdruck bringen, dass unsere Berichterstatterin, Martine Roure, bei dieser Frage die volle Unterstützung des gesamten Parlaments hat, weil wir hier Fortschritte brauchen. Drei Punkte sind für uns besonders wichtig. Ich möchte ausdrücklich unterstreichen, dass das Ja zum Datenaustausch immer wieder betont werden muss. Wir wissen durch das Schengen-Informationssystem, dass wir durch den Datenaustausch viele Verbrecher aufspüren können, dass der Datenaustausch Erfolg sichert und auch Sicherheit garantiert. Aber es sind weitere Punkte wichtig: Das Auskunftsrecht für die Bürger ist mir besonders wichtig – Bürgerrechte stärken – und der Anwendungsbereich, der bereits mehrfach diskutiert worden ist. Der Herr Vizepräsident hat darauf hingewiesen, dass es insbesondere bei den Verhandlungen mit den Vereinigten Staaten für ihn wichtig ist, diese Beschlusslage als Rückendeckung zu haben. Ich möchte aber hinzufügen: Wenn die Amerikaner uns entgegenhalten, dass dieser Rechtsrahmen leider Gottes nur bei europäischen Fragen, aber nicht innereuropäisch im Zusammenhang mit der Situation

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in den Mitgliedstaaten greift, dann werden sie ein Argument gegen uns haben, weil wir uns ja selbst nicht trauen, diesen Rechtsrahmen in der Europäischen Union voll umzusetzen. Zum Kampf gegen den Terror: Ich finde es schade, dass der Rat hier zwar immer wieder neue Ansätze startet, aber in der praktischen Umsetzung vieler operativer Maßnahmen nicht vorankommt. Wir erinnern uns alle, dass die Benennung des neuen EU-Anti-Terror-Koordinators de Kerchove über ein Jahr gedauert hat, dass wir bei der Vorratsdatenspeicherung schnell gehandelt haben, es aber leider bei der Umsetzung hakt, und dass wir bei Europol immer noch keine Taskforce haben, eine eigene Abteilung für diesen Bereich. Wir müssen dort engagierter arbeiten und kämpfen und dürfen nicht nur über Formulierungen streiten, sondern müssen operativ vorankommen. Wir erleben insbesondere beim islamistischen Terror die größten Probleme mit Konvertiten – Menschen, die in unserer Gesellschaft aufwachsen, groß werden und dann zum islamischen Glauben übertreten. Da müssen wir uns die Frage stellen, was in unseren Gesellschaften falsch läuft und was im islamischen Umfeld falsch läuft, dass diese Menschen radikal werden. Das müssen wir bedenken. In Europa dürfen wir auch deshalb sicher leben, weil wir eine engagierte Polizei haben, der an dieser Stelle gedankt werden soll. Bárbara Dührkop Dührkop (PSE). – (ES) Vorab möchte ich den Berichterstattern zu ihren ausgezeichneten Berichten gratulieren, aber ich werde mich hauptsächlich zum Lefrançois-Bericht äußern. Schritt für Schritt, immer mithilfe der Gesetzgebung, versuchen wir weiterhin, dem Terror auf den Fersen zu bleiben. Der Rahmenbeschluss von 2002 hat uns ermöglicht, eine gemeinsame Definition und gemeinsame gesetzliche Rahmenvorschriften für terroristische Straftaten zu etablieren. Die heute vorgelegten Änderungen schließen drei neue Straftaten ein, vor denen wir uns schützen müssen. Dies ist eine Reaktion auf alte und neue terroristische Bedrohungen und die zunehmende Nutzung von Informationstechnologien einschließlich des Cyberterrorismus. Es gibt eine lange Liste von Terrorakten, von der Indoktrination und dem Wecken des Fanatismus in einem Kind bis hin zum Mord. Diese vorgeschlagene Änderung beschränkt sich auf die öffentliche Aufforderung zur Begehung terroristischer Straftaten und die Rekrutierung und Ausbildung von Terroristen, womit nun die traditionellen und modernen Methoden der Ausbreitung des Terrorismus abgedeckt sind. Allerdings unterscheiden wir nicht zwischen den Methoden, doch wir müssen extrem darauf achten, wo wir die Grenze ziehen zwischen dem, was inakzeptabel ist und daher bestraft werden sollte und der freien Meinungsäußerung als einem Grundrecht. Im Fall der öffentlichen Aufforderung ist diese Grenze eher verschwommen. Daher sind die Absicht und die offenkundige Gefahr wesentliche Voraussetzungen dafür, etwas als Straftat zu beschreiben. Alles andere ist freie Meinungsäußerung, die ihrerseits durch den Rahmenbeschluss selbst geschützt ist, durch Artikel 6 des EU-Vertrags, durch die Grundrechte-Charta und das Übereinkommen des Europarates. Im Fall des Übereinkommens besteht das Problem, dass es von vielen Mitgliedstaaten noch nicht ratifiziert wurde, was zur Bekämpfung des Terrorismus oder zum Schutz der Freiheiten wenig hilfreich ist. Weder der ursprüngliche Rahmenbeschluss noch die aktuelle, erweiterte Version ist ein Ersatz für das Übereinkommen; seine Ratifizierung würde die europäische Gesetzgebung vielmehr stärken, sie würde aufgewertet und erhielte einen vollständigeren gesetzlichen Rahmen. Wie im Prümer Vertrag und vielen anderen Texten unterscheidet die europäische Gesetzgebung nicht zwischen verschiedenen Terroristentypen; sie gilt sowohl innerhalb der Union als auch für den internationalen Terrorismus. Im letzten Jahr verzeichnete Europol insgesamt 583 Terrorakte, 24 % mehr als in dem Jahr davor, davon wurden 517 von Separatistengruppen begangen, die in Spanien und Frankreich operieren. 201 Personen wurden wegen des Verdachts auf islamistische Terrorakte festgenommen. Ich möchte den Polizeikräften zu ihrer vorbildlichen Arbeit und ihren Anstrengungen gratulieren, dem Terror ein Ende zu bereiten und die Terroristen zu inhaftieren. Herr Präsident, leider ist mein Land erneut in den Schlagzeilen. Wir verfügen über eine lange und verachtenswerte Tradition des Terrorismus. Wir wissen, dass in einer Demokratie kein Platz für Terroristen

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ist, doch ebenso wenig ist hier Platz für die, die Terroristen ermutigen, beherbergen und unterstützen. Ich denke daher, dass ein weiterer gesetzlicher Begriff unsere Gesetzgebung vervollständigen würde: Die strafrechtliche Ahndung von Demonstrationen, die die Opfer von Terrorismus oder ihre Familien diskreditieren oder beleidigen. Es wäre gut, sich dies für die nächsten Änderungen im Text zu merken. Herr Präsident, ich möchte abschließend mein Bedauern zum Ausdruck bringen, dass wir nicht das Protokoll 10 des Vertrags von Lissabon anwenden können, das die Vergemeinschaftung der Angelegenheiten beschleunigt hätte, die für die Bürger so wichtig und dringend sind. Sophia in ‘t Veld (ALDE). - Herr Präsident! Um mit einem Hinweis zur Geschäftsordnung zu beginnen, möchte ich die Präsidentschaft dieses Hauses auffordern, dem französischen Ratsvorsitz mitzuteilen, dass wir es inakzeptabel finden, dass der französische Ratsvorsitz nicht für die gesamte Dauer einer so wichtigen Aussprache zur Verfügung steht. (NL) Herr Präsident, der Terrorismus wurde nicht am 11. September 2001 erfunden; es gab ihn schon immer. Zudem stellt der Bericht über die Lage und die Entwicklung von Terrorismus in der EU („EU Terrorismus Situation and Trend Report“) von Europol, wie meine Vorrednerin bereits erwähnt hat, in der Tat fest, dass die Mehrzahl der Angriffe nicht von islamistischen Extremisten begangen wird, sondern von Separatisten, von Kräften der extremen Rechten und extremen Linken. Neu ist seit 2001 jedoch, dass die Regierungen weltweit die Bekämpfung des Terrorismus nutzen, um die Bürgerrechte und bürgerlichen Freiheiten einzuschränken. Ich befürworte uneingeschränkt die Zusammenarbeit bei der Bekämpfung von Kriminellen, und ich stimme voll und ganz den Worten von Herrn Weber zu, doch sehr oft wurden Maßnahmen wie die Erfassung personenbezogener Daten aus Gründen ergriffen, die absolut nichts mit Terrorismus zu tun haben. So werden z. B. die Fluggastdatensätze zur Einwanderungskontrolle oder bei der Bekämpfung „gewöhnlicher“ Verbrechen verwendet. An sich ist dies völlig legitim, aber in diesem Fall sollten wir die Sache beim Namen nennen. Die feierlichen Erklärungen des Rates über Bürgerrechte und Privatsphäre klingen recht hohl, wenn der Rat noch nicht einmal hier ist und insbesondere nicht dazu bereit ist, die Empfehlungen des Europäischen Parlaments, wie sie im Roure-Bericht festgehalten sind, umzusetzen. Vielleicht sollte der Rat daher aufhören, über das irische „Nein“ Krokodilstränen zu vergießen. Abschließend habe ich zwei konkrete Fragen. Ich möchte die Kommission – da der Rat nicht anwesend ist – um Informationen zu der hochrangigen Kontaktgruppe bitten. Nach zwei Jahren der Verhandlungen hinter geschlossenen Türen und ohne Mandat drängt nun der US-Minister für Heimatschutz, Michael Chertoff, Kommissar Barrot, im Dezember eine Vereinbarung zu unterzeichnen. Ich wüsste gerne, ob Kommissar Barrot in unserem Namen „Nein“ sagen wird. Meine zweite Frage lautet: Im Namen der EU werden Verhandlungen über ein System geführt, das dem Zoll – in Europa, ohne jede Erklärung oder Einschränkungen – erlaubt, Laptops an der Grenze zu durchsuchen und zu beschlagnahmen. Ich würde gerne wissen, wie der Stand in dieser Sache ist. Der Präsident. − Ich halte es für wichtig, Sie darüber zu informieren, dass der französische Ratsvorsitz vor Beginn der Aussprache seine Entschuldigung korrekt mitgeteilt und uns darüber informiert hat, dass Frau Dati nicht an der Aussprache teilnehmen konnte, da sie aus unvermeidbaren Gründen verhindert war, und dass Herr Jouyet, der sie vertreten hat, nicht länger bleiben konnte. Ihr Einwand ist aber dennoch wichtig, und wir werden ihn weiterleiten, doch ich muss betonen, dass die Entschuldigungen des französischen Ratsvorsitzes im Voraus mitgeteilt wurden. Bogusław Rogalski (UEN). – (PL) Herr Präsident! Der Terrorismus ist eine der größten Bedrohungen der modernen Zeit. Die Angriffe vom 11. September haben uns dies unmissverständlich bewusst gemacht. Der Terrorismus basiert sowohl auf einem psychologischen als auch auf einem sozialen und medialen Effekt. Folglich ist aus der endlosen Liste von Fragen das Problem entstanden, wie Bedrohungen dieser Art, die eine globale Dimension erreicht haben, zu verhindern sind. Die Saat der Angst und des Terrors und die Angriffe auf die Zivilgesellschaft – das ist das Gesicht des Terrorismus. Die EU muss ihre Bürger umfassend schützen. Besondere Aufmerksamkeit muss auf die Nutzung der Informations- und Kommunikationstechnologien durch Terroristen gerichtet werden, besonders auf das Internet, über das Propagandasendungen und Ausbildungshandbücher verbreitet werden. Dem müssen wir entschieden entgegenwirken. Die Bekämpfung des Terrorismus muss für uns in der EU zur Priorität werden, besonders die Bekämpfung seiner bedrohlichsten Variante, des islamistischen Terrorismus, der das Ziel der

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vollständigen Zerstörung der westlichen Zivilisation verfolgt. Was können wir tun? Die Entscheidung ist einfach: Entweder wir löschen den Terrorismus aus, oder der Terrorismus wird die Welt in die Apokalypse führen. Angelika Beer (Verts/ALE). – (DE) Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir können diese Grundsatzdebatte führen – wir müssen sie führen –, aber nicht, ohne über ein bestimmtes Instrument zu reden. Ich rede von der sogenannten Terrorliste. Wir wissen seit dem Gerichtsurteil des Europäischen Gerichtshofs vom 3. September, dass die juristische Bewertung vollkommen klar ist. Das Terrorlistensystem sowohl der EU als auch der UN verletzt die bürgerlichen Grundrechte und muss deshalb reformiert werden. Was ist passiert? Diese Terrorliste der Europäischen Union funktioniert in einer absoluten Grauzone ohne jede parlamentarische Kontrolle. Es ist schon skurril, wenn wir als Parlament hören, dass am 15. Juli bei einem Ratstreffen der Agrarminister – ich sage, der Agrarminister, die Fachpolitiker für Wald, Wiesen und Landwirtschaft sind – ohne Debatte eine neue Terrorliste der EU verabschiedet wurde, ohne dass man wusste, was darin steht. Wir wissen, dass es zu außenpolitischen Verwicklungen kommt, weil hier in einer absoluten Grauzone internationales Recht mit Füßen getreten wird. Das wollen wir ändern, und ich bitte dabei um Unterstützung. Vielen Dank. Giusto Catania (GUE/NGL). – (IT) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich bin ebenfalls enttäuscht, dass der französische Minister uns verlassen hat, weil er z. B. hätte erfahren können, dass die Informationen, die er uns gegeben hat, nicht stimmen. Frau Dührkop hat in der Tat Recht, wenn sie sagt, das die große Mehrheit der Terrorakte, die in der Europäischen Union verübt werden, unabhängig ausgeführt werden und nichts mit Al-Qaida zu tun haben, im Gegensatz zur Erklärung von Herrn Jouyet. In diesem Fall hätten wir die zweideutige Gleichsetzung von Islam und Terrorismus, die oft angeführt wird, vermeiden können. Dies ist eine häufige Tendenz, und bedauerlicherweise findet sie auch in diesem Parlament Anhänger. Ich denke an die bei der jüngsten Demonstration in Köln vertretene Position von Herrn Borghezio: Wenn dieser Rahmenbeschluss Gültigkeit hätte, würde er sicherlich der Aufforderung zum Terrorismus angeklagt werden. Ich würde die Aktivitäten von Herrn Borghezio als Aufforderung definieren, und im Namen der Konföderalen Fraktion der Vereinigten Europäischen Linken/Nordische Grüne Linke möchte ich an den Parlamentspräsidenten die formelle Bitte richten, Herrn Borghezio offiziell zu ermahnen. Ich glaube, dass die Strategie zur Bekämpfung des Terrorismus der letzten Jahre nicht erfolgreich war, und dass sie sich mit der Formulierung der Terrorliste und den Einschränkungen des Rechtsstaatsprinzips zu stark den US-Interessen im Krieg im Irak und in Afghanistan untergeordnet hat. Es gab zu viele Fälle eines regelwidrigem Umgangs mit personenbezogenen Daten, und ich glaube, dass wir alle zusammenarbeiten müssen – und damit komme ich zum Schluss –, um zu gewährleisten, dass wir die persönlichen Freiheiten nicht einschränken, um demokratische Bereiche zu erweitern und um sicherzustellen, dass wir nicht im Namen der Sicherheit und der Bekämpfung des Terrorismus dazu beitragen, dass die Terrororganisationen ihre eigentlichen Ziele erreichen. Nils Lundgren (IND/DEM). – (SV) Herr Präsident! Frau Lefrançois schlägt wichtige Änderungen vor, um Vertraulichkeit, freie Meinungsäußerung und Rechtssicherheit zu garantieren. Was als kriminell angesehen werden sollte, ist die Anstiftung, nicht die Aufforderung, terroristische Straftaten zu begehen. Der Schutz der Privatsphäre muss auch auf E-Mails und andere Formen der elektronischen Korrespondenz Anwendung finden, und die Grundprinzipien unserer gesamten Gesetzgebung, nämlich die Verhältnismäßigkeit, die Notwendigkeit und die Nichtdiskriminierung, werden betont. Ausgezeichnet. Aber, und es gibt ein großes „Aber“: Was geschieht mit dem Subsidiaritätsprinzip? Welche Art Terrorismus wird auf EU-Ebene behandelt? Vergangenes Wochenende wurde in Spanien ein furchtbares terroristisches Verbrechen begangen, und unser Mitgefühl gehört der spanischen Bevölkerung, aber dieses Verbrechen ist keine EU-Angelegenheit. Ebenso wenig wie der Terror, der Jahrzehnte in Nordirland andauerte. Offensichtlich wird die Angst vor dem Terrorismus bewusst instrumentalisiert, um die EU-Positionen in den Bereichen Justiz und Polizeiwesen auf Kosten der Mitgliedstaaten voranzubringen. Das Subsidiaritätsprinzip ist ein passendes Thema für politische Reden, in der Gesetzgebung kommt es jedoch nicht vor. Jana Bobošíková (NI). – (CS) Meine Damen und Herren! An diesem Wochenende wurde der Botschafter der Tschechischen Republik in Pakistan dort Opfer eines Bombenanschlags. Gestern wurden drei tschechische Soldaten bei einem Raketenangriff in Afghanistan verwundet. In diesen Tagen wirkt sich der Terrorismus auch direkt auf die Bürger meines Landes aus. Es besteht kein Zweifel, dass dies eines der heimtückischsten und gefährlichsten Phänomene der Zivilisation ist und dass wir diesem feigen und niederträchtigen Übel nicht nachgeben dürfen, sondern es bekämpfen müssen. Dennoch darf die Bekämpfung des Terrorismus

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nicht zur allumfassenden Beschwörungsformel werden. Trotz der blutigen Folgen des Terrorismus dürfen wir das alltägliche Misstrauen und die Angst um die Sicherheit nicht über die Freiheit stellen. Ich weise daher den Vorschlag der Europäischen Kommission zurück, dass die Anstiftung zum Begehen einer terroristischen Straftat ein Verbrechen sein soll. Der Vorschlag zielt darauf ab, mündliche und schriftliche Reden zu bestrafen, und dies stellt eine klare Bedrohung für die freie Meinungsäußerung und die grundlegenden Menschenrechte dar. Für mich als demokratischer Politiker ist dies nicht akzeptabel. Carlos Coelho (PPE-DE). – (PT) Herr Präsident, Herr Vizepräsident der Kommission, meine Damen und Herren! Ich werde mit dem Bericht von Frau Roure beginnen, dessen Bemühungen um eine politische Vereinbarung über den Vorschlag für einen Rahmenbeschluss zum Schutz personenbezogener Daten im Rahmen der dritten Säule, die nicht auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner, einem minimalen Datenschutz und ernsthaften Mängeln basiert, ich erneut unterstütze. Ich möchte meinen Standpunkt wiederholen, die ich hier bereits mehrfach zum Ausdruck gebracht habe: Es muss unbedingt und dringend ein Rechtsinstrument angenommen werden, das den Schutz personenbezogener Daten im Rahmen der dritten Säule garantiert und ein Schutzniveau für personenbezogene Daten sicherstellt, das zumindest dem Schutzniveau entspricht, welches unter der ersten Säule durch die Richtlinie 95/46/EU garantiert wird. Ich habe es sehr genossen, den Erklärungen des Vizepräsidenten Barrot zuzuhören. Er hat in die Anliegen des Parlaments eingestimmt, aber ich bedaure, dass der leere Sitz des Rates ein echtes Zeichen für die politische Taubheit ist, die bei jedem Ratsvorsitz zum Vorschein kommt. Ich bin in Bezug auf die Antwort des Rates keineswegs optimistisch. Zum Lefrançois-Bericht: Im Jahr 2002 nahmen wir einen Rahmenbeschluss an, in dem wir die Definition von „Terrorismus“ und die anwendbaren Strafmaßnahmen in Einklang brachten. Verschiedene Redner haben bereits auf das Internet hingewiesen, die neuen Informationstechnologien und die Vorteile, die diese mit sich bringen, aber auch auf die mögliche Nutzung des Netzes durch Kriminelle. Wie bereits gesagt, gibt es etwa 5 000 Internetseiten mit terroristischer Propaganda, die für die Radikalisierung und Rekrutierung eingesetzt werden und als Informationsquelle für terroristische Mittel und Methoden dienen. Aus diesem Grund müssen wir die Richtlinie von 2002 erweitern, um die notwendigen Instrumente für den Umgang mit dieser Form des Cyberterrorismus zu schaffen. Ich unterstütze die Vorschläge von Frau Lefrançois, die die Dringlichkeit dieses Kampfes mit der unabdingbaren Wahrung der Rede- und Versammlungsfreiheit verbinden. Abschließend, Herr Präsident, ist es sehr wichtig, dass die Mitgliedstaaten das Übereinkommen des Europarates zur Verhütung des Terrorismus von 2005 ratifizieren, um die parallele Umsetzung beider Instrumente zusammen mit einer entschiedeneren und umfassenderen rechtlichen Regelung sicherzustellen. Stavros Lambrinidis (PSE). – (EL) Herr Präsident! Im Laufe der letzten Jahre leitete sich die Diskussion zum Terrorismus in der Europäischen Kommission und dem Rat beinahe immer von der selbstverständlichen Übereinstimmung zum Schutz unserer Grundrechte her. Die meist ebenso unvermeidlichen Konsequenzen sind perverse Gesetzesvorschläge, die ebendiese Rechte verletzen. Ein typisches Beispiel ist der Vorschlag zur Bekämpfung des Terrorismus im Internet, über den wir heute beraten. Dieser basiert auf der Erkenntnis, dass einige Terroristen das Internet nutzen, zum Terror anzustiften, und dass wir sie aufhalten müssen. Der Vorschlag schließt aber mit der folgenden extremen Maßnahme: Um den Terrorismus im Internet zu bekämpfen, sollten wir alle Bürger einsperren, die irgendetwas schreiben, das von der Polizei als etwas interpretiert werden kann, das zu Terrorismus ermutigt – noch nicht einmal „dazu anstiftet“, wohlgemerkt. Zudem ist jeder schuldig, der terroristische Verbrechen direkt oder indirekt unterstützt. Mit anderen Worten, jeder, der es wagt, eine Meinung schriftlich oder mündlich zu äußern, die als eine Unterstützung von Terrorismus interpretiert werden könnte, riskiert eine Verhaftung. Der Vorschlag erklärt an anderer Stelle, dass Personen auch dann verfolgt werden können, wenn sie mit ihren Schriften gar nicht die Absicht haben, zum Terrorismus zu ermutigen, ihre Worte aber nach Ansicht der Polizei eine solche Wirkung hatten. Mit anderen Worten, eines der Grundprinzipien des Strafprozesses wird vollständig verkehrt. Glücklicherweise liegt nun der Lefrançois-Bericht vor, um diesem verrückten Rahmenbeschluss die selbstverständlichen Werte einer demokratischen Gesellschaft zurückzugeben. Er schützt die Pressefreiheit und die Inhalte unserer E-Mails vor dem präventiven Ausspähen durch Behörden und erklärt ausdrücklich, dass eine Kriminalisierung nicht zur Folge haben soll, „die Äußerung radikaler, polemischer oder kontroverser Ansichten in der öffentlichen Debatte über sensible politische Themen einschließlich Terrorismus (...) zu beschränken oder zu behindern.“ Ich hoffe, dass der Rat diese selbsterklärenden Änderungen akzeptiert.

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Niemand in diesem Haus unterschätzt die Notwendigkeit, den Terrorismus zu bekämpfen, aber der Kampf gegen ihn gibt Anlass zu Maßnahmen, die unsere Demokratie letztlich ersticken, daher ist das Europäische Parlament völlig zu Recht dazu verpflichtet, diese nicht zu unterstützen. Denn es ist absurd, zu behaupten – nochmals eine dieser selbstverständlichen Wahrheiten, die Gefahr laufen, im heutigen Europa nicht länger zu gelten –, dass wir den Terrorismus bekämpfen, um „unsere Demokratie zu schützen“, und dabei Maßnahmen vorschlagen, die den Grundprinzipien dieser Demokratie entgegenstehen. Die moralische Überlegenheit der Demokratie beruht auf der Tatsache, dass es viele Möglichkeiten gibt, auf sie zu reagieren und sie zu schützen, aber diese schließen sicherlich nicht die präventive Überwachung der Gedanken und Worte ihrer Bürger ein, ganz abgesehen vom präventiven Abwürgen oder Kriminalisieren der Selbstdarstellung derer, die dem widersprechen, was für die Mehrheit selbstverständlich ist. Ich fordere Sie auf, die Lefrançois- und Roure-Berichte zu unterstützen. Zum abwesenden Rat sage ich: Beherzigen Sie diese Vorschläge. Sarah Ludford (ALDE). - Herr Präsident! Es gibt grundlegende Mängel in der Art und Weise, wie die EU gegenwärtig in den Bereichen Justiz und Inneres vorgeht. Es mangelt durch das Fehlen des Vertrags von Lissabon insbesondere an einer vollständig transparenten und demokratischen Gesetzgebung (ich bedaure ebenfalls, dass Herr Jouyet durch sein Weggehen gezeigt hat, dass ihm unsere Meinungen gleichgültig sind, ob er sich nun entschuldigt hat oder nicht), und es mangelt zweitens an Ausgewogenheit und an der Achtung der Grundrechte. Leider treten beide Mängel bei den beiden hier diskutierten Maßnahmen ganz deutlich zutage. Die Kriminalisierung der „öffentlichen Aufforderung zum Begehen von Terrorakten“ – ein unklarer Begriff – kann eine abschreckende Wirkung für die freie Meinungsäußerung darstellen, während die Straftat der Anstiftung, die ja bereits besteht, vollkommen angemessen ist. Die andere Maßnahme gewährt nur einen schwachen Schutz für die personenbezogenen Daten, die angeblich zu Zwecken der Strafverfolgung ausgetauscht werden, und weist enorme Lücken auf. Ich kann dem Haus berichten, dass in Großbritannien die Richtlinie über die Vorratsspeicherung von Daten – der Meilenstein des britischen Ratsvorsitzes vor drei Jahren – dazu genutzt wird, hunderten von Behörden, die nicht mit der Strafverfolgung befasst sind, Zugang zu persönlichen Daten zu gewähren. Gemeinden verwenden sie, um zu überprüfen, ob Eltern lügen, wenn sie angeben, im Einzugsbereich einer beliebten Schule zu leben – was nicht richtig wäre, aber kein schweres Verbrechen ist. Es ist beschämend, dass die Innenminister den EU-Gegnern wie der UK Independence Party und den britischen Konservativen die Möglichkeit geboten haben, die gesamten Anstrengungen der EU hinsichtlich der grenzüberschreitenden Kriminalität zu geißeln. Wir wissen, dass eine große Mehrheit der europäischen Bevölkerung, auch in Großbritannien, die EU-Maßnahmen zur Ergreifung von Kriminellen und Terroristen, beispielsweise durch den Europäischen Haftbefehl, unterstützt. Die UKIP und die Tories, die enormen Wert auf Recht und Ordnung legen, winken jedem Kriminellen, der über den Kanal entkommt, fröhlich hinterher. Wir sollten ihre Propaganda nicht zulassen – insbesondere, weil die Innenminister ihr Bestes tun, um die öffentliche Unterstützung für die Zusammenarbeit der Polizei durch ihren bornierten Ansatz zu unterminieren, der die bürgerlichen Freiheiten zu wenig achtet, ob es nun um den Schutz vor Eingriffen in die Privatsphäre oder um den Schutz der Rechte von Beklagten geht. Die EU-Regierungen haben unklugerweise zugelassen, dass Herr Batten und seinesgleichen beim Thema der Anerkennung von Urteilen in absentia enormen Druck aufbauen konnten, indem sie es, angeführt von der britischen Regierung, nicht schafften, die Rechte der Verteidigung zu stärken. Das nenne ich eine unheilige Allianz zwischen den EU-Gegnern und einer Labour-Regierung ohne Rückgrat! Abschließend möchte ich die Frage stellen, wo die Justizminister bei dieser Veranstaltung bleiben. Sie müssen diesen Zirkus der Innenminister in den Griff bekommen und damit beginnen, einen echten europäischen Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts zu schaffen. Wir brauchen den Vertrag von Lissabon, um endlich Transparenz und Demokratie in dieses Projekt zu bringen, und zwar schnell, vor den Wahlen zum Europäischen Parlament. Konrad Szymański (UEN). – (PL) Wenn ich mir diese Aussprache so anhöre, habe ich bisweilen den Eindruck, dass wir vergessen, dass der Rahmenbeschluss für demokratische Staaten gedacht ist, für EU-Mitgliedstaaten mit einer solide basierten Demokratie. Daher besteht kein dringender Grund, kein dringender Bedarf, die Auswirkungen des Rahmenbeschlusses einzuschränken, indem Begriffe wie „Anstiftung“ oder „konkrete terroristische Bedrohung“ eingeführt werden. Das ist die Kultur der Verdächtigung, von der

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Herr Fava gesprochen hat, der Verdächtigung in Hinblick auf den Staat. Wer sollte beurteilen, wie konkret die Bedrohung tatsächlich ist? Muss in den Straßen der einen oder anderen europäischen Stadt erst Blut fließen, ehe wir hundertprozentig sicher sind, dass die Bedrohung im Zusammenhang mit der Ausbildung, der Anstiftung oder der Aufforderung konkret geworden ist? Diese und andere Schutzklauseln können auf der Ebene der Gerichte beispielsweise böswillig ausgelegt werden. Sie können möglicherweise als Ausdruck einer Ideologie, einer falschen Einschätzung der Menschenrechte gedeutet werden, was in dieser Hinsicht die Effektivität des Kampfs gegen den Terrorismus unterminieren würde. Ich rufe die Mitgliedstaaten auf, mehr Vertrauen zu zeigen, den Rahmenbeschluss nicht zu verwässern und die Konvergenz des Rahmenbeschlusses mit dem Anti-Terrorismus-Übereinkommen beizubehalten, das zwischen der Familie der Nationen des Europäischen Rates geschlossen wurde. Adamos Adamou (GUE/NGL). – (EL) Herr Präsident! Der Akt des Terrorismus muss von allen in diesem Haus anwesenden Mitgliedern verurteilt werden. Das sollte uns jedoch nicht dahin führen, dass wir den Schutz unserer eigentlichen Sicherheit erschweren. In Wirklichkeit führen die Entscheidungen der EU, um diese abscheulichen Verbrechen auszumerzen, bei uns zur Spaltung und zu einer tiefen Verunsicherung. Die Annahme der zunehmend reaktionären Maßnahmen bestätigt, dass wir das Ethos des gesamten Unterfangens zu Recht von Anfang an nicht gebilligt haben und dass wir uns jetzt zu Recht Sorgen um den wesentlichen Schutz der bürgerlichen Freiheiten machen. Die vorgestellten Reformvorschläge verlangen noch intensivere Investitionen in Maßnahmen und Strategien, die unschuldige Menschen ins Gefängnis bringen und zu ihrer Verurteilung führen können. Allein auf der Grundlage des Verdachts kehren sie das grundsätzliche Rechtsprinzip der Unschuldsvermutung um. Wie können öffentliche Anstiftung oder Aufforderung ein Verbrechen darstellen, wenn sie keine Konsequenzen haben oder zu keiner Aktion führen? Wie weit kann man die Definition von Aufforderung herholen? Wann wird etwas als öffentlich betrachtet? Wann stellt es eine konkrete Gefahr dar und ist damit strafbar? Der erklärende Charakter einiger Bestimmungen zum Schutz der freien Meinungsäußerung ist nicht ausreichend: Was die Umsetzung des Vorschlages bestimmt, ist die Denkweise hinter den Definitionen. Diese stehen im Gegensatz zu Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention und führen möglicherweise zu einer Kriminalisierung von Demonstrationen, Reden usw. Unserer Ansicht nach ist die EU erneut im Begriff, eine Entscheidung zu treffen, die auf politischer Opportunität beruht, statt auf dem Versuch, die wahren Freiheiten der Bürger zu schützen. Sie versucht, unsere Befürchtungen mit erklärenden Klauseln zu zerstreuen, die den Schutz derer, die manche gerne als potenzielle Terroristen sehen würden, nicht garantieren können. Georgios Georgiou (IND/DEM). – (EL) Welchen Kummer, welches Leid, welche Schmerzen, welchen Hass der Terrorismus mit sich bringt! Glücklicherweise hat man uns gelehrt, uns zu verstecken, uns zu schützen und zu hassen, denn das sind unsere Grundrechte, und darauf wurden sie reduziert. Eine grundlegende Pflicht hat man uns jedoch nicht beigebracht: Nicht zum Terrorismus aufzufordern. Der Terrorismus ist kein Laster; er ist vielleicht ein Verbrechen, das aus Protest begangen wird, das aus Rache begangen wird, und er ist zweifellos ein schreckliches Verbrechen, aber er ist kein Laster. Ich habe noch keine Terroristen gesehen, die pervers sind und mit ihren Opfern sterben. Zum Terrorismus wird aufgefordert. Und in dem Maße, wie durch diejenigen zum Terrorismus aufgefordert wird, die ihn nutzen, kann Terrorismus töten. Wir im Parlament müssen die Europäer schützen, aber wir müssen auch die schützen, die in Islamabad, in Sharm el-Sheikh und, wie erst kürzlich, in Algeriengetötet werden. Es ist nun die Pflicht des Parlaments, die zu schützen, denen man keinen Vorwurf machen kann. (Der Präsident entzieht dem Redner das Wort.) Ashley Mote (NI). - Herr Präsident! Vor zwei Wochen besuchte der Vorsitzende des Rates der Muslime in Großbritannien (Muslim Council of Great Britain) eine Sitzung in diesem Gebäude, in der er kategorisch eine wechselseitige Beziehung zwischen den Religionen ablehnte und forderte, dass die eingeborene Bevölkerung die Verpflichtung habe, Neuankömmlinge willkommen zu heißen und diese Neuankömmlinge ein Recht darauf hätten, für sich zu bleiben. Er gab keinen wie auch immer gearteten Hinweis darauf, die islamischen Fundamentalisten aus seiner eigenen Gemeinde auszuschließen, obwohl er weiß – das muss er wissen – dass Muslime, und nur Muslime, wissen, wie man ihre Fanatiker finden und aufhalten kann.

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Es waren keine schottischen Rugbyspieler, die die U-Bahnen in London in die Luft jagten, auch keine walisischen Bauern oder englische Kricketspieler. Es war ein Haufen junger Muslime, die einer Gehirnwäsche unterzogen worden waren, die auf die 72 Jungfrauen im Paradies hofften und glaubten, dass sie das gottgegebene Recht hätten, Ungläubige abzuschlachten. Wir kämpfen nicht gegen Terrorismus. Wir kämpfen in einem Religionskrieg und es wird Zeit, dass wir diesen Unterschied endlich wahrnehmen. Urszula Gacek (PPE-DE). - Herr Präsident! Viele Kolleginnen und Kollegen haben kluge Kommentare dazu abgegeben, wie das richtige Gleichgewicht zwischen der Verhütung terroristischer Akte und dem Schutz unserer bürgerlichen Freiheiten erreicht werden kann, insbesondere in Hinblick auf die Datenspeicherung und -erfassung. Ich möchte hier darüber sprechen, welche Daten von unseren Bürger erfasst werden, wie sie gespeichert werden und wie der Zugriff zu diesen Daten erfolgt. Lassen Sie mich nur ein Beispiel für die Datenerfassung nennen, die wahrscheinlich die meisten meiner Kolleginnen und Kollegen in diesem Halbkreis betrifft. Wir reisen häufig mit dem Flugzeug und sind Kunden in den Flughafenläden. Bei jedem Kauf dort muss die Bordkarte vorgelegt werden. Das mag durch die unterschiedlichen Steuersätze für Parfum, Alkohol und Tabak gerechtfertigt sein, aber haben Sie jemals darüber nachgedacht, warum Ihre Bordkarte notwendig ist, wenn Sie eine Zeitung kaufen? Wer muss wissen, ob Sie den eher rechts orientierten Daily Telegraph oder die mehr linksgerichtete Libération kaufen? Wenn es keinem Zweck dienen würde, warum sollte das jemand erfassen? Zweitens müssen wir den Schutz bei der Datenspeicherung und beim Zugriff auf Daten erhöhen. Wie in aller Welt wollen wir unsere Bürger davon überzeugen, dass die Opfer gerechtfertigt sind, die man ihnen in Bezug auf ihre persönlichen Freiheiten abverlangt, wenn Regierungsbehörden in den Mitgliedstaaten enorme Datenbanken verlieren, wie es in Großbritannien der Fall war, oder sie sogar im Internet veröffentlichen, wie die Steuerdaten in Italien? Allein diese Beispiele zeigen, warum die Kommission und der Rat auf den Ausschuss für Bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres (LIBE) hören sollten, der – wie auch andere Stellen – fordert, dass die Verarbeitung von Daten, die auf politische Meinungen hinweisen, verboten werden und der Rahmenbeschluss auch für die nationale Datenverarbeitung gelten sollte. Nur mit diesen und weiteren Schutzklauseln, die das Parlament vorgeschlagen hat, werden die Bürger die Datenerfassung akzeptieren. Ohne diese Zusicherung haben wir einen europäischen Heuhaufen von Informationen mit einzelnen, vom Winde verwehten Halmen, ohne jegliche Hoffnung, die sprichwörtliche Nadel zu finden, die die notwendigen Schlüsselinformationen enthält, um einen Terroranschlag zu verhindern. Wolfgang Kreissl-Dörfler (PSE). – (DE) Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Es besteht überhaupt kein Zweifel daran, dass wir die Bekämpfung des Terrorismus mit aller Entschiedenheit weiterführen müssen. Daher begrüße ich es ausdrücklich, dass wir die notwendigen Instrumente fortentwickeln und an die gewonnenen Erkenntnisse anpassen. Doch eines muss klar sein: Diesen Kampf können wir nur auf dem Boden des Rechtsstaates gewinnen. Ohne Gesetz und Moral wird der Terrorismus nur gestärkt, nicht geschwächt. Das hat uns das Vorgehen der Regierung Bush deutlich vor Augen geführt. Hier hat Europa eine Vorbildfunktion. Die Sicherheit und die Freiheit der Allgemeinheit stehen jedoch immer im Zusammenhang mit der Freiheit des Einzelnen. Man sehe sich zum Beispiel das Baskenland an. Menschen leben in Angst und Schrecken, das Betreten der Straße oder ein Besuch der falschen Kneipe kann tödliche Folgen haben. Es ist unsere Aufgabe, unsere Bürger vor solchen Bedrohungen zu schützen. Dazu sind mitunter Einschränkungen anderer persönlicher Freiheiten nötig. Aber unsere Bürger müssen darauf vertrauen können, dass diese Einschränkungen auch angemessen sind und ihre Daten nicht weltweit unter Geheimdiensten verteilt werden. Kurzum: Unsere Bürger sollen nicht eines Tages die Augen aufmachen und feststellen müssen, dass Orwells Visionen keine Utopie mehr sind. Genau darum geht es hier, die Sicherheit für Leib und Leben zu gewährleisten, ohne dabei die Privatsphäre zu zerstören. Ich möchte mich an dieser Stelle bei meinen beiden Kolleginnen bedanken, die hier zwei ausgezeichnete Berichte vorgelegt haben. Denn beide machen deutlich: Wir verlangen vom Rat größere Anstrengungen beim Schutz der Grundrechte, wir wollen größere Sorgfalt und besseren Schutz beim Umgang mit persönlichen Daten. Wir werden den Rat bei allen sinnvollen und angemessenen Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus voll und ganz unterstützen.

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Wir Sozialdemokraten werden stets dafür einstehen, dass sich jeder Bürger sicher fühlen kann, ob auf der Straße, bei Großveranstaltungen oder in seiner Wohnung. Die Freiheit ist ein zu hohes Gut, um es zerstören zu lassen, ganz gleich von welcher Seite! Das wissen wir aus unserer eigenen leidvollen Geschichte in Europa zur Genüge. Jean-Marie Cavada (ALDE). – (FR) Herr Präsident! Vieles wurde bereits besprochen, daher möchte ich dieses Thema nicht weiter vertiefen. Ich möchte einfach die Aufmerksamkeit auf eine neue Sachlage richten: Der Terrorismus hat etwas in unsere Gesellschaft eingeführt, das es zuvor nicht gab. Der Terrorismus hat den Regierungen erlaubt und die Staaten gelehrt, nicht einem externen Angreifer zu misstrauen, sondern allen Bürgern, und hier liegt das Problem der Regierungen. Nichts ist schwieriger, als unter diesen Bedingungen Sicherheit zu garantieren und die Rechte zu wahren. Aus dieser Perspektive stellen die Berichte von Frau Lefrançois und Frau Roure meiner Meinung nach eine äußerst ausgewogene Synthese der notwendigen Fortschritte dar, um die Sicherheit der Bürger und den Schutz ihrer Freiheit sicherzustellen. Zwischen diesen beiden Notwendigkeiten zu vermitteln ist etwas, was Regierungen schwer fällt. Es ist nicht Teil ihrer Tradition und sie müssen das nun Schritt für Schritt lernen; es ist sicherlich eine Ehre für das Europäische Parlament und für diese Kammer, dass sie dem Streben nach Fortschritten in diesen beiden Bereichen den Stempel der Ausgewogenheit aufdrücken: Schutz der Bürger und Schutz ihrer Freiheit. Unter den gegebenen Umständen scheint mir der Rahmenbeschluss, erweitert durch die beiden Berichte von Frau Roure und Frau Lefrançois, das Ergebnis einer langjährigen Arbeit und daher äußerst wertvoll zu sein. Dies ist jedoch nur ein Schritt auf dem Weg. Die Regierungen müssen lernen, sich um ein Gleichgewicht zwischen dem Regieren ihrer Bürger und dem Schutz ihrer Leben zu bemühen. In dieser Hinsicht können wir eine wertvolle Rolle spielen, indem wir sie dabei unterstützen, die erforderlichen Entscheidungen zu treffen, die sie meiner Meinung nach nicht allein treffen oder innerhalb ihrer nationalen Grenzen umsetzen können. Mirosław Mariusz Piotrowski (UEN). – (PL) Herr Präsident! Terroristische Angriffe wie der jüngste Anschlag in Islamabad zeigen klar, dass der Terrorismus wirklich eine schreckliche Realität ist. Wir müssen daher jeden Vorschlag begrüßen, den Terrorismus effektiv zu bekämpfen – mit anderen Worten, die Nationen Europas zu schützen. Auf der einen Seite spricht sich der hier diskutierte Bericht gegen diese Ziele aus, indem er versucht, bereits in der Phase der Anstiftung gegen das Phänomen des Terrorismus vorzugehen. Auf der anderen Seite verweist er auf den abgelehnten Vertrag von Lissabon. Die in diesem Bericht genannten Ziele und seine Begründung schließen sich gegenseitig aus. Wir können den Terrorismus nicht wirkungsvoll bekämpfen, ohne bestimmte Bürgerrechte zu beschneiden oder einzuschränken. Dies ist leider der Preis, den wir zahlen müssen. Die Europäische Union hat bislang keine Schritte unternommen, um internationale Aktionen zu koordinieren, und sie simuliert die Bekämpfung des Terrorismus in einer virtuellen und verbalen Sphäre. Auf Initiative der sozialistischen Fraktion im Europäischen Parlament wurde ein so genannter Ausschuss zu CIA-Angelegenheiten im Europäischen Parlament eingerichtet, dem es nicht gelungen ist, irgendetwas nachzuweisen, und der lediglich die Bekämpfung des Terrorismus unterminiert hat. Wir müssen hoffen, dass wir unter dem Vorwand, die Grundrechte zu schützen, nicht erneut in eine ähnliche Richtung drängen. Athanasios Pafilis (GUE/NGL). – (EL) Herr Präsident! Der Vorschlag des Rates und der Kommission, mit dem der Bericht im Allgemeinen übereinstimmt, ist ein zutiefst reaktionärer Angriff auf die grundlegendsten bürgerlichen demokratischen Rechte und Freiheiten. Sein Ziel ist es, den institutionellen Rahmen der Unterdrückung zu verstärken, sodass er dazu verwendet werden kann, die Anstrengungen der Menschen zunichte zu machen. Durch die Einführung der neuen Begriffe „Radikalisierung und Gewaltbereitschaft“, die schließlich in dem Begriff von den „extremen Ideologien“ gipfeln, kriminalisiert der Vorschlag willkürlich jede Form des Ausdrucks, jede Meinung, jede Ansicht und jede ideologische Sichtweise, die das ausbeuterische System des Kapitalismus infrage stellt. In diesem Zusammenhang fügt der Zusatz zu dem europäischen Terrorismusrecht drei neue Straftaten hinzu, die sich alle auf die Nutzung des Internets beziehen. Innerhalb dieses mittelalterlichen institutionellen Rahmens sind repressive Mechanismen erlaubt, um die Verbreitung von Ideen unter dem Vorwand zu verbieten und zu bestrafen, dass sie Terrorakte fördern oder dazu anstiften. Gleichzeitig werden entsprechend

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derselben Philosophie die verschiedenen Formen des Aufbegehrens und des Kampfes, die die Politik der Europäischen Union infrage stellen und diese zu verändern suchen, als Terrorakte eingestuft. Die Bevölkerung muss darauf doch mit Ungehorsam und Widerspenstigkeit antworten, anstatt diese reaktionären Gesetze zu akzeptieren. Sylwester Chruszcz (NI). – (PL) Herr Präsident! Wir sprechen heute über die Form des Rahmenbeschlusses des Rates zum Schutz von personenbezogenen Daten, die im Rahmen der Zusammenarbeit von Polizei und Gerichten in Strafsachen verarbeitet werden. Hierbei handelt es sich um eine sehr wichtige Angelegenheit, die eine sorgfältige Analyse erfordert. Zu Beginn des Berichts gibt es jedoch einen Verweis auf den Vertrag von Lissabon und die Änderungen, die sein Inkrafttreten mit sich bringen wird. Ich darf Sie daran erinnern, dass dieser Vertrag nach dem irischen Referendum ohne Zweifel obsolet ist, und es ist nicht richtig, die Dinge auf diese Weise zu beeinflussen. Die in diesem Bericht vorgeschlagenen parlamentarischen Änderungsanträge werden sogar zu einer noch stärkeren Harmonisierung führen, als dies von der Kommission vorgeschlagen wurde. Meiner Ansicht nach sollten wir es den Mitgliedstaaten überlassen, auf nationaler Ebene stärker detaillierte Definitionen auszuarbeiten, anstatt alles schon aus Brüssel vorzugeben; dies gilt auch für den Schutz der personenbezogenen Daten. Ioannis Varvitsiotis (PPE-DE). – (EL) Herr Präsident! Lassen Sie mich zunächst den beiden Kolleginnen gratulieren, die die Berichte verfasst haben, welche wir heute erörtern. Die Bekämpfung des Terrorismus ist zweifellos für uns alle ein selbstverständliches gemeinsames Ziel. Dennoch erfordern unsere rechtlichen Rahmenbedingungen den Schutz der individuellen Rechte und der personenbezogenen Daten. Daher muss ich es kategorisch ablehnen, dass sich der Rat in die individuellen Rechte einmischt. Aber ich möchte eigentlich eine andere Frage in den Mittelpunkt stellen. Die zahlreichen Verluste großer Mengen personenbezogener Daten in verschiedenen Mitgliedstaaten haben mich davon überzeugt, dass der Schutz solcher Daten bislang ineffektiv ist. Muss ich Sie an die Zwischenfälle in Großbritannien erinnern, die keinen anderen als Premierminister Gordon Brown gezwungen haben, sich bei seinen Bürgern zu entschuldigen? Sollte ich Sie daran erinnern, dass laut einem Bericht die Hälfte der Bevölkerung Großbritanniens von Fälschungen und Bankbetrug bedroht ist? Muss ich Sie daran erinnern, dass es auch in Deutschland schon Fälle gegeben hat, die die Regierung gezwungen haben, strikte Maßnahmen zu ergreifen? Ich bin sicher, auch in anderen Ländern gibt es ähnliche Zwischenfälle, von denen ich nichts weiß. Angesichts solcher Ereignisse bin ich extrem zögerlich, was den Transfer von personenbezogenen Daten von einem Land in ein anderes anbelangt. Ich fürchte, mit diesem Verfahren erzielen wir nur das, was auch die Terroristen anstreben: Den Verlust des Vertrauens, das Bürger in den Staat setzen sollten. Das muss vermieden werden. VORSITZ: LUIGI COCILOVO Vizepräsident Genowefa Grabowska (PSE). – (PL) Herr Präsident! Das Gesetz beinhaltet keine Definition von Terrorismus, aber wir alle wissen, worauf dieses Phänomen basiert. Tausende Europäer haben selbst die Gräueltaten erlebt, die von Terroristen verübt wurden. Wir wünschen uns eine Gesellschaft, die frei von dieser mentalen Verseuchung ist, die der Terror darstellt. Daher müssen wir uns selbst wappnen. Wir müssen uns selbst gegen dieses Phänomen wappnen, aber wir müssen dabei klug und effektiv vorgehen. Wir müssen den Terrorismus bekämpfen, aber nicht nach dem Prinzip der Rache, auch wenn dies in der Bibel steht: „Auge um Auge, Zahn um Zahn.“ Wir sind eine demokratische Gesellschaft, und wir haben in die EU-Standards Werte aufgenommen, an die wir zutiefst glauben – das sind die Grundrechte, der Respekt vor der Würde des Menschen und der Schutz der Privatsphäre, wozu auch die personenbezogenen Daten gehören. Ich danke den Berichterstatterinnen daher für ihre Arbeit. Ich freue mich, den Änderungsvorschlag zu den Schlussfolgerungen der Kommission zu sehen, gleichzeitig möchte ich aber zu effizienten und harmonisierten Maßnahmen aufrufen, die allen Menschen Schutz vor terroristischer Propaganda und Aufhetzerei bieten, insbesondere unseren Kindern und den jungen Menschen. Diese Menschen, die am empfänglichsten sind, weil sie jung, offen und vertrauensvoll sind, müssen vor den gefährlichen Texten geschützt werden, die über das Internet und andere Medien verbreitet werden, häufig gerade unter dem Deckmantel der Redefreiheit.

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Anstiftung ist eine gute Definition für solche Aktionen, aber es genügt nicht, diesen Begriff in den Rahmenbeschluss zu schreiben. Wir müssen Mechanismen schaffen, wir müssen ein effizientes europäisches System und bewährte Verfahren einrichten, um das, was wir heute ein Verbrechen nennen, bedacht durchzusetzen. Ohne solche Instrumente, ohne eine gemeinsame Politik in dieser Sache werden wir den gewünschten Erfolg nicht erzielen. Marek Aleksander Czarnecki (ALDE). – (PL) Die Aussprache über den Umgang mit dem Terrorismus wird zunehmend dringlicher, insbesondere angesichts der tragischen Ereignisse der letzten Tage in Pakistan und Spanien. Die Europäische Union, die sich zum Ziel gesetzt hat, ihren Bürgern ein hohes Niveau an Sicherheit und Recht zu bieten, steht nun aufgrund der Entwicklung der Informations- und Kommunikationstechnologien wie dem Internet vor neuen Herausforderungen und Gefahren. Das Auftreten neuer Methoden, die von Terroristen verwendet werden – beispielsweise die Erstellung von Tausenden Websites, die sie zu Zwecken der terroristischen Propaganda einsetzen – verlangt eine entschlossene Reaktion der Europäischen Union. Ich unterstütze den Standpunkt der Berichterstatterin, Frau Lefrançois, dass der entscheidende Punkt darin besteht, geeignete gesetzlichen Rahmenvorschriften für den Cyberterrorismus zu schaffen, dabei aber die grundlegenden Freiheiten und Rechte der EU-Bürger, die in der Grundrechte-Charta garantiert sind, zu schützen. Zudem ist es meiner Meinung nach von wesentlicher Bedeutung, dass alle Mitgliedstaaten das Übereinkommen des Europarates zur Verhütung des Terrorismus ratifizieren. Mario Borghezio (UEN). – (IT) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Das Europäische Parlament verteidigt die Redefreiheit in ganz Europa – auch in Köln, da Köln zu Europa gehört – für jeden, der sich gegen den Fundamentalismus und den islamischen Totalitarismus aussprechen möchte, dessen ideologische Basis nicht der Islam, sondern der fundamentalistische Islam des Terrorismus ist. Lassen wir also das Zensieren – lassen Sie uns dieses Recht verteidigen! Es gibt Versuche, heimliche Deals abzuschließen und das Recht auf Freiheit zu verteidigen, indem alle, die in den Moscheen für den Terrorismus sprechen möchten, dazu Gelegenheit erhalten. Wenn sie ein paar Worte gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit einfließen lassen, können wir sie nicht länger zensieren, und wir können sie nicht daran hindern, ihre Propaganda zu verbreiten. Wir wurden am Reden gehindert, und deshalb knebele ich mich selbst! Der Präsident. − Vielen Dank, Herr Borghezio; ich glaube, oder vielmehr schließe ich aus Ihrer Entscheidung, sich selbst zu knebeln, dass Ihr Beitrag beendet ist. Luca Romagnoli (NI). – (IT) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wie immer versuchen die Berichte, den Datenschutz und die Verhütung des Terrorismus miteinander zu verbinden. Natürlich wünschen wir uns alle, den Kampf zu verstärken und den Krieg gegen den Terrorismus zu gewinnen. Angesichts dieser beiden Ziele frage ich mich aber ehrlich gesagt, ob das, was wir da diskutieren, nicht wie alle Kompromisse damit enden wird, dass die Initiativen verwässert werden. Gut, die Zusammenarbeit der Polizeibehörden und der Schutz der individuellen Rechte sind nicht selten einander entgegengesetzte Ziele, doch hier gelingt ihnen eine vernünftige Ausgewogenheit. Sicher ist aber, dass die Bürger der EU andauernden, um nicht zu sagen erstickenden, Einschränkungen ihrer Privatsphäre ausgesetzt sind. Ebenso sicher ist es, dass dies vollkommen nutzlos ist, um uns vor Terroristen zu schützen. Tatsächlich gewinnen die Terroristen ungeachtet der globalen Kontrolle von Kommunikation und Personenbewegungen immer neue Anhänger und säen die Saat des Todes. Leider reichen unsere Initiativen nicht so weit wie der kriminelle Arm eines gewissen islamischen Radikalismus, daher sollten wir möglicherweise einen anderen Ansatz ergreifen, um diesen zu bekämpfen. Herbert Reul (PPE-DE). – (DE) Herr Präsident, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Mein Vorvorredner hat hier – finde ich – zu Unrecht eine Verbindung gezogen. Das, was in Köln passiert ist, war nicht das Verbieten von Reden gegen Fundamentalismus oder Reden von Demokraten, sondern das war die drohende Gefährdung von Bürgerinnen und Bürgern. Das waren Rechtsradikale, die dort unterwegs waren, die sich in einer Art und Weise öffentlich gebärdet haben, die die öffentliche Sicherheit gefährdet hat. Das ist etwas anderes und kann nicht vermischt werden, auch nicht so mal eben in einem kleinen Show-Effekt hier im Parlament – das regt mich schon sehr auf! Zweitens: Dass wir uns hier im Parlament darauf verständigt haben, gegen Terrorismus vorzugehen, ist klug, richtig und zwingend notwendig. Da das immer eine schwierige Abwägung gegenüber dem Datenschutz

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ist, fällt jede einzelne Entscheidung jedem einzelnen hier im Parlament wahnsinnig schwer. Aber wahr ist natürlich: Wenn so etwas passiert wie im Hotel Marriott in Islamabad oder wie jetzt wieder in Spanien, wenn wir permanent mit solcher Gewalt konfrontiert werden – und wir alle wissen, dass das, was diese Mörder vorbereiten, über moderne Informationskanäle vorbereitet wird und dass das nachher medial über moderne Informations- und Kommunikationstechnologien bearbeitet wird –, bleibt uns auch kein anderer Weg. Da war der Vorschlag der Kommission richtig, dass wir den Versuch unternehmen, hier europaweit zu Verabredungen zu kommen. Es ist eine schwierige Gratwanderung und bleibt es auch. Wir aber haben zuerst und zuvorderst die Pflicht, Menschenleben zu schützen. Was nützt der Datenschutz, um es einmal ganz platt zu sagen, wenn Menschen nachher tot sind? Deshalb ist es richtig, dass wir hier bezüglich der Rekrutierung, Finanzierung, Durchführung von Anschlägen und der Verherrlichung von Anschlägen einfach auch die modernen Informationstechnologien in den Blick nehmen und zu Verabredungen darüber kommen, wie wir europaweit dagegen vorgehen, und hier auch nationale Vorschriften ergänzen durch europäische Absprachen und Verabredungen. Das ist unsere zwingende Pflicht. Es geht darum, hier tätig zu werden. Es ist am Ende auch eine positive Werbung für Europa, dass wir in der Lage sind, solche wichtigen Fragen zu lösen, auch wenn sie im Einzelfall gar nicht so leicht zu entscheiden sind. Jörg Leichtfried (PSE). – (DE) Herr Präsident! Ich möchte zuerst einmal die Gelegenheit nutzen, den Berichterstatterinnen Frau Lefrançois und Frau Roure herzlich zu gratulieren, weil sie in ihren Berichten etwas geschafft haben, was meines Erachtens ganz besonders wichtig ist. Immer wenn es um Terrorismus geht, müssen wir ganz stark darauf achten, dass wir mit den Gesetzen, die wir machen, nicht den Zielen der Terroristen dienen, nämlich unserer Gesellschaft, die in Gleichheit, Freiheit und Rechtsstaatlichkeit besteht, diese Instrumente zu nehmen, denn dann haben sie wahrscheinlich wirklich ihr Ziel erreicht, und das wollen wir alle nicht. Deshalb ist es für mich immens wichtig, dass es wesentliche Beschränkungen bei der Weitergabe von Daten geben wird, dass sensible Daten nur in ganz streng geregelten Ausnahmefällen weitergegeben werden dürfen und dass die Weitergabe von Daten an Drittstaaten ganz stark eingeschränkt werden kann. Darüber hinaus bin ich auch der Meinung, dass das Wort „Aufforderung“ falsch ist. Es entspricht nicht unserem rechtsstaatlichen System, und „Anstiftung“ wäre sicherlich besser gewesen. Genauso ist es wichtig, auf Pressefreiheit, Meinungsfreiheit und das Brief- und Fernmeldegeheimnis zu achten. Ich kann jetzt nur appellieren, dass das alles geschieht. Hätten wir den Vertrag von Lissabon, bräuchte ich jetzt nicht zu appellieren, dann wären wir im Mitentscheidungsverfahren. Aber es ist schön, dass diejenigen Kolleginnen und Kollegen, die da ganz rechts oben hinten gegen den Vertrag von Lissabon gepöbelt haben, dadurch entlarvt werden. Sie wollen weniger Bürgerrechte, sie wollen weniger Datenschutz, sie wollen weniger Freiheit und sie wollen ein schwächeres Parlament! Ich bin sicher, die Wählerinnen und Wähler werden das beim nächsten Mal erkannt haben. Toomas Savi (ALDE). - Herr Präsident! Natürlich unterstütze ich die Berichte, aber ich finde es merkwürdig, den Kampf der Europäischen Union gegen den Terrorismus gerade zu diesem Zeitpunkt zu diskutieren, da der Ratsvorsitz diesen Kampf ernsthaft unterminiert hat, indem er die Organisation der Volksmudschaheddin des Iran (PMOI) auf die Liste terroristischer Organisationen der EU gesetzt hat, und zwar entgegen der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs, des Gerichts Erster Instanz und des Beschwerdeausschusses für verbotene Organisationen in Großbritannien. Es hat sich herausgestellt, dass die frühere Entscheidung, die PMOI auf die schwarze Liste zu setzen, vermutlich das Ergebnis zweifelhafter diplomatischer Verhandlungen war, die von kleinlichen nationalen Interessen geleitet wurden. Die Europäische Union kann nicht kontinuierlich vom Rechtsstaatsprinzip abweichen, und daher rufe ich meine Kolleginnen und Kollegen auf, sich dem neu eingerichteten Europäischen Ausschuss für Justiz unter der Leitung des Vizepräsidenten Alejo Vidal-Quadras anzuschließen, der die sofortige Streichung der PMOI von der schwarzen Liste fordert. Geoffrey Van Orden (PPE-DE). - Herr Präsident! Unsere offenen demokratischen Gesellschaften sind eine Stärke, aber ebendiese Offenheit macht sie auch verletzlich, wenn sie ausgenutzt wird. Dieser Aspekt ist es, den wir heute diskutieren. Natürlich ist Sicherheit nicht einfach ein technischer Prozess. Sicherheit und Freiheit ergänzen sich gegenseitig, und unser stärkster Schutz ist eine im Zusammenhalt vereinte Gesellschaft

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in allen unseren Nationen, die auf gemeinsamen demokratischen Werten und gegenseitigem Vertrauen basiert. In den letzten Jahren waren unsere Einrichtungen und unsere traditionellen Werte jedoch ständigen internen und externen Angriffen ausgesetzt. Gleichzeitig sahen wir eine Zunahme der Subkulturen innerhalb unserer Gesellschaften, die unsere liberalen Werte verachten und gezielt versuchen, alternative politische und juristische Strukturen zu etablieren, manchmal mithilfe von Gewalt, und die sich hinter unseren komplexen und großzügigen Rechtssystemen und unserer liberalen Sicht der Menschenrechte verbergen. Die EU hat nur selten geholfen. Leider betrachtet sie jede Krise als Gelegenheit, ihre eigenen Machtbefugnisse auszuweiten, und sie fragt selten, ob sich ihre Maßnahmen auf einem Gebiet möglicherweise nachteilig auf einem anderen Gebiet auswirken. So halte ich die Politik der offenen Grenzen, die nachlässige Haltung zu Asyl und Immigration und die Versuche, die Grundrechte-Charta in das Gesetzbuch einzubringen, für recht fragwürdig. Ich bin zwar sicher, dass wir alle Möglichkeiten zur Bekämpfung der Bedrohung durch den Terrorismus finden wollen, aber ich bin mir nicht ganz darüber im Klaren, warum die EU es für notwendig hält, mit ihrem Rahmenbeschluss eine Maßnahme zu duplizieren, die bereits im Europarat ergriffen wurde. Alle Mitgliedstaaten der EU sind zusammen mit 19 weiteren Staaten Mitglieder dieses Gremiums, und wahrscheinlich haben sie bereits geeignete Gesetze verabschiedet. Es gibt jedoch einen Kompetenzbereich des Europarats, der von der Überprüfung profitieren würde, und damit meine ich die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK). Diese Konvention wurde vor über 50 Jahren unter ganz anderen Umständen verfasst. Ihre gerichtliche Auslegung verhindert nicht selten die Ausweisung von Terroristen aus unseren Ländern. Wenn wir etwas Sinnvolles tun möchten, könnten wir uns vielleicht darauf einigen, dass es zweckdienlich wäre, die EMRK erneut zu prüfen. Marianne Mikko (PSE). - (ET) Meine Damen und Herren! Personenbezogene Daten sind sensible Daten, die äußerst vorsichtig behandelt werden müssen. Es darf keine Lücken im Datenschutz geben; dieser muss ordnungsgemäß funktionieren. Dies ist genau das Ziel der Änderungsanträge, die von der Berichterstatterin im Hinblick auf den Vorschlag für einen Entwurf für einen Rahmenbeschluss des Rates über den Schutz personenbezogener Daten eingebracht wurden, die im Rahmen der polizeilichen und juristischen Zusammenarbeit in Strafsachen verarbeitet werden. Ich gratuliere der Berichterstatterin zu dieser Arbeit. Der Rahmenbeschluss wird beträchtliche Auswirkungen auf eines der Grundrechte der Bürger der Europäischen Union haben: Das Recht auf Privatsphäre. Da das Europäische Parlament stets einen starken, schützenden Rahmenbeschluss entschlossen unterstützt hat, der ein hohes Datenschutzniveau ermöglicht, sollte der Rat die Änderungsanträge des Parlaments gründlich überdenken. Der Austausch personenbezogener Daten sollte durch einen allgemeinen, leicht verständlichen Leitfaden geregelt werden; seine Aufgabe besteht darin, einen zuverlässigen Schutz zu bieten, der die Einhaltung der Grundrechte garantiert. Die Frage, wie personenbezogene Daten tatsächlich genutzt werden, muss mit oberster Priorität behandelt werden. Die Verarbeitung personenbezogener Daten, die über den rassischen oder ethnischen Hintergrund, die politischen Ansichten, die religiösen oder philosophischen Überzeugungen, die Mitgliedschaft in Berufsverbänden, die Gesundheit oder die sexuelle Orientierung einer Person Auskunft geben, muss so streng reguliert werden wie eine Apotheke. Sie darf nicht lediglich durch eine Klausel eingeschränkt werden, die besagt, es sei erlaubt, wenn es von wesentlicher Bedeutung ist, und dass ausreichende Sicherheitsmaßnahmen garantiert sind – das ist zu allgemein gehalten. Ausnahmen müssen explizit beschrieben werden. Der Zugriff auf personenbezogene Daten und ihre Offenlegung müssen gesetzlich geregelt und ihr Schutz muss uneingeschränkt garantiert sein. Hierzu benötigen wir einen wasserdichten, spezifischen, schützenden Rahmenbeschluss und ein Kontrollsystem. Unsere Aufgabe ist es, die Grundrechte unserer Bürger zu schützen und gleichzeitig dem Terrorismus den Wind aus den Segeln zu nehmen. Lassen Sie uns beide Vorhaben mit äußerster Sorgfalt angehen. Olle Schmidt (ALDE). – (SV) Herr Präsident, Herr Kommissar! Ich möchte den Berichterstatterinnen für ihre ausgezeichnete Arbeit danken, die die Vorschläge der Kommission signifikant verbessert hat. Zuvor hatte ich Mühe, Berichte zum Thema Terrorismus zu unterstützen, ungeachtet der Tatsache, dass ich den Terrorismus für eine der härtesten Prüfungen der Glaubwürdigkeit der Union und ihrer Fähigkeit zur Solidarität und zu einer gemeinsamen Verantwortung halte. Mit allem gebotenen Respekt für meine Kolleginnen und Kollegen aus Mitgliedstaaten, die von dem Wahnsinn des Terrorismus betroffen sind, muss ich doch sagen, dass unsere Pflicht zur Sicherstellung, dass die Demokratie niemals mit undemokratischen Mitteln verteidigt

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werden darf, Vorrang hat. Das Rechtsstaatsprinzip muss eingehalten werden, zusammen mit dem Respekt der Privatsphäre der Bürger. Die vagen Formulierungen der Kommission zur Kriminalisierung der öffentlichen Aufforderung und die anderen Vorschläge, den Geltungsbereich auf Äußerungen auszudehnen, welche den Terrorismus entschuldigen, sind so schwammig und offen für Interpretationen, dass sie Gefahr laufen, den Zweck der Gesetzgebung – nämlich ein gemeinsames Sicherheitsniveau in der ganzen Union zu schaffen – ernsthaft in Misskredit zu bringen. Der Kampf gegen den Terrorismus muss auf einer gemeinsamen Grundlage geführt werden, jedoch mit Respekt vor den verschiedenen rechtlichen Traditionen und Normen der Union und nicht zuletzt mit Respekt vor den demokratischen Traditionen und Werten. Jas Gawronski (PPE-DE). – (IT) Herr Präsident, Herr Kommissar, meine Damen und Herren! Heute Morgen haben viele hier über den Krieg gegen den Terrorismus gesprochen. Es wurde gesagt, dass es schwierig sei, gegen etwas Krieg zu führen, das keine konkrete Einheit bildet, keine Armee besitzt und über kein eigenes Gebiet verfügt, sondern schlicht und einfach nur eine Taktik ist. Dieser seltsame Krieg ist noch nicht gewonnen, und er wird sicher schwer zu gewinnen sein, doch es gibt bereits einige gute Ergebnisse, beispielsweise allein die Tatsache, dass es in den Vereinigten Staaten seit dem 11. September keine weiteren Anschläge mehr gab. Diese Erfolge haben jedoch ihren Preis, und ich teile die Bedenken von Frau Lefrançois, dass die Grenze zwischen der freien Meinungsäußerung und einer Straftat manchmal eher unscharf ist. Ich sehe die Gefahr, dass die Bemühungen um eine erhöhte Sicherheit der europäischen Bürger in der Praxis zu einer Einschränkung der Rechte und Freiheiten ebendieser Bürger führen werden. Es ist sehr schwierig, ein ausgewogenes Verhältnis zwischen diesen beiden Anforderungen zu finden, was teilweise daran liegt, dass wir uns auf unbekanntem Gelände bewegen: Der Terrorismus ist für uns als Phänomen zu neu, als dass wir bereits auf Präzedenzfälle zurückgreifen oder aus unseren Erfahrungen lernen könnten. Es besteht kein Zweifel daran, dass im Namen des Kriegs gegen den Terrorismus illegale Aktionen ausgeführt wurden, vor allem von dem Land, das im Kampf gegen den Terrorismus am meisten getan hat, auch in unserem Interesse – nämlich von den Vereinigten Staaten. Um den Terrorismus unter Kontrolle zu halten, muss nämlich ein Preis gezahlt werden, und das ist die Einschränkung der bürgerlichen Freiheiten. Auf der anderen Seite ist es einfach, keine Fehler zu machen, wenn man nur wenig oder gar nichts tut. Daher müssen wir in der Europäischen Union mehr tun, wenn wir eine sicherere Zukunft garantieren wollen, wir müssen die Koordination der Maßnahmen der Mitgliedstaaten und der Initiativen der Geheimdienste verbessern und dürfen vor allem nicht zulassen, dass die Vereinigten Staaten die Last dieser Verantwortung allein tragen. Wenn wir das tun, können wir vielleicht versuchen, den Vorrang unserer Grundsätze und unserer Ideen in Bezug auf diese vage Grenze zwischen der Sicherheit der Bürger und den Verstößen gegen die Menschenrechte sicherzustellen. Daciana Octavia Sârbu (PSE). - (RO) Die Zusammenarbeit zwischen den EU-Organen im Kampf gegen den Terrorismus muss reibungslos funktionieren, insbesondere, da sich dieses Phänomen intensiviert hat. Der Terrorismus ist zum größten Feind der Stabilität und des Weltfriedens geworden. Wenn wir an die Ereignisse vom 11. September oder an die Anschläge in Madrid und London vor einigen Jahren denken, haben wir ein perfektes Bild von Terror, Angst und Leid. Um für die Sicherheit der Bürger zu sorgen, müssen wir in enger Zusammenarbeit mit den lokalen und regionalen Behörden dringend Maßnahmen zur Terrorismusbekämpfung ergreifen. Kein Element in dem Rahmenbeschluss kann so ausgelegt werden, dass es eine Verringerung oder Einschränkung der Grundrechte und -freiheiten darstellt, beispielsweise der freien Meinungsäußerung, der Vereinigungs- oder Versammlungsfreiheit. Die Äußerung radikaler, polemischer oder kontroverser Meinungen in Bezug auf sensible politische Themen, wie zum Beispiel den Terrorismus, fällt nicht in den Geltungsbereich des Rahmenbeschlusses. Solange wir die Ausgewogenheit zwischen der Wahrung der Freiheiten und dem Schutz der Sicherzeit der Bürger beibehalten, sollte uns jede Initiative willkommen sein. Mihael Brejc (PPE-DE). - (SL) Die beiden Berichte zu den Rahmenbeschlüssen bilden zwei weitere Teile in dem Puzzle aus einer Vielzahl von Regulierungen, Richtlinien und anderen Dokumenten zum Kampf gegen den Terrorismus. Ich unterstütze beide Berichte, weil ich glaube, dass wir beide Rahmenbeschlüsse brauchen, und weil eine angemessene Ausgewogenheit zwischen den Maßnahmen erreicht wurde, um sowohl die Sicherheit als auch die individuelle Freiheit zu gewährleisten. Ich denke, dass die Kommission und der Rat den folgenden Themen künftig größere Aufmerksamkeit widmen müssen.

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Da sind zunächst die wachsende Anzahl der Anti-Terrorismus-Gesetze und die Schaffung einer größeren Transparenz in diesen Gesetzen. Auch in dieser Hinsicht gibt es unnötige und unpraktische Gesetze oder Bestimmungen in diesen Gesetzen, die neu überdacht oder nach einer erneuten Beurteilung außer Kraft gesetzt werden müssen. Zweitens hängt die Anwendbarkeit von Gesetzen und damit die effektive Bekämpfung des Terrorismus nicht allein von einer soliden Gesetzgebung ab, sondern auch von einer effektiven Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten und ihren Polizei- und Sicherheitskräften. Hier haben wir das richtige Maß an Zusammenarbeit noch nicht erreicht. Wir müssen die Kontrollmechanismen der Europäischen Union und der Mitgliedstaaten prüfen und vergleichen. Dabei müssen wir ein besonderes Augenmerk auf Fälle von Datenbankverlusten oder Datenmissbrauch richten, zu diesem Thema sollte es zudem einen wechselseitigen Informationsaustausch zwischen den Mitgliedstaaten geben. Schließlich müssen wir mehr tun, um das öffentliche Bewusstsein zu wecken, damit die Menschen besser verstehen, warum bestimmte Maßnahmen notwendig sind. Meinen Glückwunsch zu beiden Berichten. Iliana Malinova Iotova (PSE). – (BG) Leider sind die jüngsten Entwicklungen in Pakistan ein weiterer kategorischer Beweis dafür, wie zeitgemäß die heutige Diskussion ist. Diese Aussprache muss eine klare und kategorische Antwort auf zwei grundsätzlichen Frage geben: Erstens, ob wir mit dem vorgeschlagenen Dokument wirklich genug für die Unterstützung des Kampfes gegen das Verbrechen getan haben, und zweitens, ob wir dabei die Menschenrechte beachtet und einen angemessenen Schutz für die personenbezogenen Daten unserer Bürger sichergestellt haben. In seiner langen Geschichte hat dieses Dokument zahlreiche Kontroversen ausgelöst und wurde oft geändert, und ich möchte an dieser Stelle den beiden Berichterstatterinnen ein großes Lob für ihre ausgezeichnete Arbeit aussprechen, um schließlich einen einvernehmlichen und ausgewogenen Text zu erzielen. Wir sollten besonders die Änderungen in dem Bericht von Frau Roure betrachten, die eine Erfassung personenbezogener Daten für rechtliche Zwecke und die Einhaltung des Übereinkommens 108 sowie die obligatorische Benachrichtigung der betreffenden Person fordern, zu welchem Zweck ihre Daten verarbeitet werden. Dennoch geben einige vom Rat vorgeschlagenen Bestimmungen Anlass zur Besorgnis. Ich unterstütze uneingeschränkt den Vorschlag von Frau Roure, Artikel 1, Absatz 1 im Vorschlag des Rates auszulassen, der Fälle nationaler Sicherheit aus dem Geltungsbereich des vorliegenden Rahmenbeschlusses praktisch ausschließt. Ich bin überzeugt: Falls diese Bestimmung beibehalten wird, dann wird man das Gesetz mit dem legislativen Beschluss, über den wir in einigen Stunden abstimmen, umgehen und sogar missbrauchen können, weil „nationale Sicherheit“ ein zu allgemeiner Begriff ist und unterschiedliche Interpretationen zulässt. So gab es kürzlich einen Fall in Bulgarien, in dem versucht wurde, unerlaubt personenbezogene Daten von der gesetzlichen Krankenversicherung abzurufen, was nur durch das zügige Handeln der Leitung der Krankenkasse verhindert wurde. Die Kontrollfunktionen, die Befugnisse der nationalen Überwachungsbehörden und die des Europäischen Datenschutzbeauftragten müssen verstärkt werden. Leider zeigt die Analyse, dass diese Behörden eher und relativ häufig nur für die Überwachung der spezifischen rechtlichen Bestimmungen eingesetzt werden, tatsächlich aber nicht über Funktionen zur Sanktionierung oder Untersuchung verfügen. Den Mitgliedstaaten der Europäischen Union muss empfohlen werden, diese Funktionen zu erweitern. Hubert Pirker (PPE-DE). – (DE) Herr Präsident, Herr Kommissar! Ich möchte zuerst auf den zweiten Bericht, nämlich den Rahmenbeschluss zur Terrorismusbekämpfung, eingehen. Wir wissen, dass Aktivitäten zur Terrorismusbekämpfung notwendig sind, weil es ein Faktum ist, dass es über 300 Al-Qaida-Initiativen innerhalb der Union geben soll und über 500 Websites zur Verfügung stehen, die sogar Anleitungen für die der Herstellung von Bomben enthalten. Das ist klar, und ich glaube, dass es notwendig ist, zu versuchen, die Balance zu halten, also die Grundfreiheiten zu schützen, aber andererseits auch alle erdenklichen Maßnahmen zu setzen, die verhindern, dass es terroristische Aktivitäten mit Toten gibt. Hier möchte ich auf einen Punkt aufmerksam machen. Ich glaube, dass das Europäische Parlament einen ganz entscheidenden Fehler machen würde, wenn es hier zu einer Änderung der Begrifflichkeit käme, nämlich dass die öffentliche Aufforderung zur Begehung einer terroristischen Straftat ersetzt wird durch die Anstiftung. Und zwar aus dem ganz einfachen Grund, weil der Nachweis zur Anstiftung erst erbracht werden kann, wenn es bereits Tote gibt. Dann ist es aber zu spät! Das würde niemand verstehen und akzeptieren können.

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Wenn es aber die öffentliche Aufforderung in diesem Rechtsakt gibt, dann besteht die Möglichkeit, einzugreifen, wenn bereits zu einem allgemeinen Ungehorsam gegen ein Gesetz aufgefordert wird oder wenn zu einer Tat aufgefordert wird, die mit einer Strafe im Zusammenhang mit einer Terroraktivität bedroht ist. Das heißt, es besteht hier die Chance, Leben zu retten, bevor ein terroristischer Akt begangen wird. Daher würde ich es bedauern, wenn das Parlament hier einen falschen Weg einschlagen und eine Abänderung in der Begrifflichkeit vornehmen würde. Auch deshalb, weil der Europarat festgelegt hat, dass es die öffentliche Aufforderung sein sollte. Wenn ich es richtig verstanden habe, sind auch der Rat und die Kommission dieser Meinung, und wir sollten – und das ist ein Appell an Sie alle – uns der Meinung anschließen und hier den Begriff „öffentliche Aufforderung“ belassen, weil damit Leben gerettet werden können, bevor terroristische Aktivitäten erfolgen. Andrzej Jan Szejna (PSE). – (PL) Herr Präsident! Ich möchte zunächst Frau Roure für ihren Bericht über den Schutz personenbezogener Daten danken, die im Rahmen der polizeilichen und juristisch Zusammenarbeit in Strafsachen verarbeitet werden. Es besteht kein Zweifel daran, dass die rasche Annahme eines Rahmenbeschlusses zum Schutz personenbezogener Daten in der dritten Säule dazu beitragen wird, die personenbezogenen Daten, die Privatsphäre und die Grundrechte aller Bürger der Mitgliedstaaten zu schützen. Diese Angelegenheit hat für uns Sozialisten hohe Priorität. Der Grund dafür ist nicht nur, dass die gegenwärtigen rechtlichen Lösungen in diesem Bereich nicht angemessen sind; sondern vielmehr die enorme Bedeutung dieser Frage für alle, die in der EU leben. Meiner Meinung nach enthielt der vorherige vom Rat entworfene Rechtsakt zu viele Lücken. Er garantierte den Schutz nur in einem minimalen und sicher nicht angemessenen Umfang. Daher unterstütze ich uneingeschränkt die von der Berichterstatterin vorgeschlagenen Änderungen an dem Entwurf des Rates, mit dem wir nicht zufrieden waren, insbesondere die Änderungen in Bezug auf den Schutz von Daten über die DNA, Gesundheit oder die sexuelle Orientierung der Bürger. Jegliche Daten, die sich auf persönliche und sensible Lebensbereiche beziehen, beispielsweise die rassische oder ethnische Herkunft oder Informationen zu religiösen Überzeugungen oder Weltanschauungen, erfordern einen speziellen Schutz. Ihre Verarbeitung sollte nur in gesetzlich genau definierten Ausnahmesituationen und nur mit einer gerichtlichen Zustimmung zulässig sein. Es ist zudem von außerordentlicher Bedeutung, dass die Berichterstatterin sich die Mühe gemacht hat, das Problem des Datenschutzes in Fällen zu regeln, in denen die Daten weiterverarbeitet, in Drittländer oder an private Stellen weitergegeben werden, weil es gerade hier am häufigsten zu Missbrauch kommt. Was wir brauchen, ist ein präziser Rahmenbeschluss für einen Datenschutz, der mindestens dem Schutzniveau der ersten Säule gemäß der Richtlinie von 1995 und dem Übereinkommen 108 entspricht. Charles Tannock (PPE-DE). - Herr Präsident! Manchmal fürchte ich, dass die Tatsache, dass dieses Haus so oft über den Terrorismus debattiert, einen Besorgnis erregenden Mangel an Konsens in unserer Reaktion darauf zeigt. Sicher hätten uns die terroristischen Gräueltaten, die über Jahrzehnte in der ganzen Welt verübt wurden – einschließlich des jüngsten Bombenanschlags in Islamabad – die Augen öffnen sollen für seine wahre, böse Natur und die Notwendigkeit, uns entschlossen und klar gegen die existenzielle Bedrohung zu stellen, die er für die westliche Demokratie und Lebensweise darstellt. Daher begrüße ich es, dass die EU-Länder gemeinsam schwere Strafen für diejenigen definieren, die zum Terrorismus anstiften. Ich erinnere mich an die Demonstrationen in London bei der Veröffentlichung von Cartoons in Dänemark, die den Propheten Mohammed zeigten. Wir in Europa sind natürlich stolz auf unser Recht auf freie Meinungsäußerung, und die Demonstranten, die Plakate mit dem Aufruf trugen, diejenigen zu köpfen, die den Islam beleidigen, haben eindeutig die Grenze zwischen der freien Meinungsäußerung und der Hassrede, die zur Gewalt anstiftet, überschritten. In Großbritannien hatten wir kürzlich die Debatte über die Grenzen der Untersuchungshaft ohne Anklage bei Verdacht auf eine Beteiligung am Terrorismus. Ich persönlich bin der Meinung, dass wir der Polizei und den Sicherheitskräften die Ressourcen geben müssen, die sie brauchen, um unsere Bürger zu schützen, selbstverständlich unter Einhaltung strenger rechtlicher Schutzklauseln. Das ist es sicherlich, was sich laut der Umfragen die meisten Menschen in meinem Land und im Rest Europas wünschen. Zudem bin ich in Hinblick auf die Datenhaltung oft bestürzt über die Art und Weise, wie dieses Haus eine so absolutistische und keineswegs ausgewogene Haltung zu den bürgerlichen Freiheiten einnehmen

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kann. Auch hier gilt, dass wir unsere Strafverfolgungsbehörden unterstützen müssen – sofern es klare Schutzklauseln darüber gibt, wie die Informationen weitergegeben werden. Schließlich sollte die EU die Hisbollah auf de Liste der verbotenen terroristischen Organisationen setzen. Dies in der Vergangenheit trotz aller Anscheinsbeweise versäumt zu haben, zeigt den offensichtlichen Mangel an Entschlossenheit der EU, was denen hilft, die unsere Lebensweise in einer Demokratie zerstören wollen. Proinsias De Rossa (PSE). - Herr Präsident! Der Informationsaustausch zwischen den Polizeikräften unserer Mitgliedstaaten ist von wesentlicher Bedeutung im Kampf gegen terroristische Bedrohungen, und er verhindert in der Tat schreckliche Verbrechen. Viele Gräueltaten wurden auf meiner eigenen Insel, Irland, durch diesen Austausch verhindert. Lange Zeit waren Irland und Großbritannien auf Grund eines tiefsitzenden Misstrauens nur zögernd dazu bereit. Die Folgen waren entsetzlich. Es ist daher keine Überraschung, dass ich den Informationsaustausch weitgehend unterstütze. Ich bin jedoch wie meine Kolleginnen und Kollegen besorgt, dass die vom Rat überarbeiteten Vorschläge keinen hinreichenden Schutz für personenbezogene Daten bieten, wie der Bericht von Martine Roure betont. Wir werden Organisationen wie die ETA und IRA und andere, die die Demokratie und die Menschenrechte verachten, nicht besiegen, wenn wir unsere demokratischen Normen selbst untergraben. Ich appelliere daher an die Kommission und den Rat, unsere Bedenken als direkt gewählte Politiker ernst zu nehmen. Es ist von wesentlicher Bedeutung, dass der Fortschritt der Europäischen Union nicht blockiert wird und wir den Eindruck vermeiden, die EU könne sich über die Gesetze der Mitgliedstaaten hinwegsetzen. Ich hatte gehofft, dass wir diese Angelegenheiten mithilfe des neuen Mitentscheidungsverfahrens des Vertrags von Lissabon hätten erledigen können. Leider ist dies jetzt nicht möglich, aber wir müssen weiter daran arbeiten, die Legitimität dieses Parlaments und der Europäischen Union zu erweitern. Das wird uns nicht gelingen, wenn wir die Persönlichkeitsrechte untergraben. Gay Mitchell (PPE-DE). - Herr Präsident! Ich begrüße diesen Bericht. Ich möchte zu Beginn sagen, dass ich die Bekämpfung des Terrorismus entschieden unterstütze, und dass ich mein ganzes politisches Leben mit dem Widerstand gegen den Terror der IRA und der so genannten Loyalisten in Irland verbracht habe, daher nehmen Sie dies bitte als gegeben an. Doch wir müssen sicherstellen, dass wir über ausreichende Überprüfungen und eine angemessene Ausgewogenheit verfügen, um die Bürger vor Staatsterrorismus oder einem Missbrauch der Daten schützen, sei es durch den Staat, die Union oder durch Journalisten, Organisationen, Einzelpersonen oder Behörden im Allgemeinen und diejenigen, die persönliche und vertrauliche Daten stehlen oder anderweitig in ihren Besitz gelangen. Die Behandlung darf nicht mehr Schaden anrichten als die Krankheit. Die Speicherung und Verfügbarkeit solcher Daten ist ein kritischer Bestandteil dieser Sicherung. Jeder Versuch, Einzelpersonen in Verlegenheit zu bringen, oder jegliche Form der versuchten Erpressung – sei es politisch, finanziell oder anderweitig – sollte eine besondere Straftat darstellen und von allen vernünftig denkenden Menschen scharf verurteilt werden. Die Entsorgung dieser Daten wird häufig dem privaten Sektor überlassen, der sie nach einem bestimmten Zeitraum löschen soll. Ich für meinen Teil bin nicht davon überzeugt, dass gerade der private Sektor – oder auch der öffentliche Sektor – über ausreichende Sicherungsmechanismen zum Löschen von Daten verfügt, die zur Bekämpfung des Terrorismus nicht mehr benötigt werden. Meiner Ansicht nach sollten diejenigen, die personenbezogene Daten nicht schützen und sie offen dem Missbrauch und der Fehlinterpretation aussetzen, strengstens bestraft werden, gleich, ob sie im öffentlichen oder im privaten Sektor tätig sind, und ich bitte die Kommission dringend, dies zu berücksichtigen. Unsere Aufgabe als Parlamentarier besteht darin, das Überleben der Demokratie sicherzustellen. Wir müssen daher sicherstellen, dass wir über alle erforderlichen Mittel verfügen, um uns nach Kräften gegen den Terrorismus zu wehren; dies bedeutet jedoch nicht, dass wir mit der Reputation, der Vertraulichkeit oder der Privatsphäre unserer Bürger sorglos umgehen können, und ich bitte die Kommission dringend, dies zu berücksichtigen. Libor Rouček (PSE). – (CS) Meine Damen und Herren! Der Terrorismus stellt eine der größten Bedrohungen für die Demokratie und die wirtschaftliche und soziale Entwicklung in Europa und der ganzen Welt dar. Moderne Informations- und Kommunikationstechnologien spielen leider eine signifikante Rolle bei der Ausbreitung der terroristischen Bedrohung. Das billige, schnelle, leicht zugängliche und weltweit verfügbare Internet wird oft von Terroristen missbraucht, um terroristische Informationen zu verbreiten und neue

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Mitglieder und Sympathisanten zu gewinnen. Ich begrüße daher den Rahmenbeschluss des Rates zur Änderung des Rahmenbeschlusses 2002/475/JI zur Terrorismusbekämpfung, und zwar unter anderem, weil er die strafbaren Handlungen der Anstiftung zur Begehung einer terroristischen Straftat, das Rekrutieren von Terroristen und ihre Ausbildung einschließt. Ich begrüße diesen Änderungsantrag, weil ich überzeugt bin, dass es ausschlaggebend ist, eine internationale Antwort auf die internationale Bedrohung durch den Terrorismus zu finden. Kein Mitgliedstaat der EU kann dieses Problem allein lösen. Hier sind die koordinierten Anstrengungen aller Mitgliedstaaten erforderlich. In einer Demokratie, in der demokratischen Union der Europäischen Staaten, muss der Kampf gegen den Terrorismus jedoch im Rahmen eines demokratischen Rechtsstaatsprinzips unter Berücksichtigung der Menschen- und Bürgerrechte geführt werden. Daher unterstütze ich die von unseren beiden Berichterstatterinnen vorgeschlagenen Änderungsanträge zur Stärkung gerade dieser Elemente. Abschließend möchte ich alle hier Beteiligten, den Rat, die Kommission und das Parlament, dringend auffordern, den Kompromissvorschlag schnell anzunehmen. Dumitru Oprea (PPE-DE). - (RO) Im dritten Jahrtausend wird die Schönheit des globalen Dorfes vom globalen Terrorismus bedroht. Da einzelne Länder auf Grund des Subsidiaritätsprinzips nur 10-15 % des Cyberspace kontrollieren können und der Rest die Angelegenheit von privaten Unternehmen und Familien ist, glauben wir, dass erstmals ein weltweiter Ansatz erforderlich ist. Die Antwort auf den globalen Terrorismus sollte ein neues Konzept sein, die „Globale Sorge für das globale Dorf“. Durch einen solchen Ansatz und eine Strategie zum Schutz des weltweiten Cyberspace beweist die Europäische Union, dass ihr ebenso viel an der weltweiten Sicherheit gelegen ist wie an ihrer eigenen. Ioan Mircea Paşcu (PSE). - Herr Präsident! Trotz seiner schrecklichen Folgen ist der internationale Terrorismus bedauerlicherweise immer noch ein kontrovers diskutiertes Thema. Wir wollen Sicherheit, aber wir protestieren gegen die Kosten und Probleme für Behörden, wenn sie entsprechende Maßnahmen vorschlagen. Wir beklagen Terrorakte, aber wir protestieren gegen die Einschränkungen der uneingeschränkten Ausübung unserer Rechte, obwohl wir sehr wohl wissen, dass die Angreifer unser demokratisches System missbrauchen. Idealerweise sollte jede Einschränkung unserer Rechte durch einen entsprechenden Zuwachs an Sicherheit im Hinblick auf Terrorakte kompensiert werden. Ebenso tendieren wir dazu, uns einheitlichen Gesetzen gegen den Terrorismus zu widersetzen, obwohl wir wissen, dass die Folgen gleichermaßen zerstörerisch sind. Darüber hinaus nimmt die Häufigkeit der Angriffe möglicherweise zu, wenn die Bestrafung milder ist. Um uns effektiv vor Terrorismus zu schützen, sollten wir vielleicht zunächst diese widersprüchlichen Ansichten in Einklang bringen. Marios Matsakis (ALDE). - Herr Präsident! Es vergeht kaum ein Tag ohne einen Terrorakt. Der Terrorismus ist eine virulente Infektion im Körper unserer Gesellschaft. Wie alle Infektionen wird er sich weiter ausbreiten, bis der Patient handlungsunfähig wird oder sogar stirbt, sofern er nicht behandelt wird. Daher sind drastische Maßnahmen erforderlich. Einige dieser Maßnahmen sind nicht unumstritten und stellen zweifellos einen Eingriff in die persönlichen Freiheiten dar, aber insgesamt gesehen sind sie notwendig. In einer idealen Welt hat der strikte Schutz der personenbezogenen Daten Vorrang, aber in einer vom Terrorismus infizierten Welt müssen leider Zugeständnisse gemacht werden. Außergewöhnliche Umstände verlangen außergewöhnliche Maßnahmen. Ich denke, wir müssen die Entscheidungen zur Bekämpfung des Terrorismus unter diesem Gesichtspunkt betrachten. Wenn uns nur die Wahl bleibt zwischen ein paar kleinen Kompromissen bezüglich der persönlichen Freiheiten und einer deutlich effektiveren Methode zur Bekämpfung des Terrorismus, sollten wir uns meiner Ansicht nach für Letztere entscheiden. Abschließend möchte ich folgende Frage stellen: Wenn die Begünstigung bestimmter schrecklicher Verbrechen wie Pädophilie über das Internet – zu Recht – ein Verbrechen darstellt, warum sollte das nicht auch für die Begünstigung des Terrorismus gelten? Carlo Fatuzzo (PPE-DE). – (IT) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Für die Pensionäre und die Pensionärspartei, die mich hier in das Europäische Parlament entsandt hat, möchte ich unsere Ansicht zur Bekämpfung des Terrorismus darlegen: Die Finanzmittel des Europäischen Parlaments und von Europa sollten in größerem Maße verwendet werden, um das Leiden derer zu verringern, von denen die Terroristen die größte Unterstützung erhalten. Diese Mittel müssen kontrolliert werden, sodass sie den Menschen zu Gute kommen, nicht den illegitimen Interessen einiger korrupter Anführer. Daher glaube ich, dass sie für den von Italiens Premierminister Silvio Berlusconi vorgeschlagenen „Marshallplan“ verwendet werden sollten, um die Menschen in Palästina zu unterstützen.

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Silvia-Adriana Ţicău (PSE). - (RO) Ich möchte mich zu Frau Roures Bericht äußern. Das Recht auf den Schutz personenbezogener Daten ist ein Grundrecht. Die Bürger, deren Daten verarbeitet werden, haben Rechte, die sowohl auf nationaler Ebene als auch auf Ebene der EU eingehalten werden müssen. Es gibt zahlreiche EU-Verordnungen und Richtlinien, die einen Informationsaustausch in Bezug auf Straftaten fordern, die von Europäischen Bürgern einem anderen Mitgliedstaat begangen werden als dem, in dem sie wohnhaft sind. Zu den betreffenden Fällen gehört die Verordnung für die Zulassung zum Beruf des Kraftverkehrsunternehmers oder die Richtlinie zur Erleichterung der grenzübergreifenden Durchsetzung von Verkehrssicherheitsvorschriften. All diese europäischen Verordnungen erfordern die Einrichtung von Informationssystemen, die es ermöglichen, Nachrichten und Informationen zwischen den Mitgliedstaaten auszutauschen. Alle entsprechenden IT-Systeme müssen sowohl eine öffentliche Komponente als auch eine gesicherte Komponente mit Daten über die in Mitgliedstaaten begangenen Straftaten enthalten; Letztere sollte nur für die relevanten Organe und nur unter Einhaltung der Vorschriften zum Schutz personenbezogener Daten zugänglich sein. Jim Allister (NI). - Herr Präsident! Angesichts der weiteren schrecklichen Terroranschläge in den letzten Tagen in Pakistan, Spanien und Jerusalem und der verschiedenen neuerlichen terroristischen Anschläge der IRA in meinem eigenen Land kann keiner von uns die abscheuliche Geißel des Terrorismus selbstgefällig abtun. Es wäre jedoch naiv zu glauben, dass es ein paneuropäisches Allheilmittel gibt. Ja, wir brauchen eine effektive Auslieferung und ja, wir brauchen eine effektive Zusammenarbeit, aber eine so stark harmonisierte Rechtsprechung, die auf den kleinsten gemeinsamen Nenner reduziert wird, ist eher hinderlich als hilfreich. Zuerst und vor allem handelt es sich hier um Angelegenheiten, die auf nationaler Ebene entschieden werden sollten. Großbritannien zum Beispiel versucht, eine 42-tägige Inhaftierung zu erwirken, was meiner Meinung nach mehr ist als notwendig, aber London, nicht Brüssel, hat das Recht, diese Entscheidung zu treffen. Wenn wir dem Ansatz dieser Vorschläge folgen würden, hätten wir den Mitgliedstaaten diesen Ermessensspielraum bald genommen. Das entspricht vielleicht dem Expansionsbedürfnis der EU, aber es dient nicht der Bekämpfung des Terrorismus. Nicolae Vlad Popa (PPE-DE). - (RO) Als Vertreter der rumänischen Bürger halte ich es für extrem wichtig, dass das Europäische Parlament an der Entscheidungsfindung zum Schutz der personenbezogenen Daten, die im Rahmen der Strafverfolgung erfasst werden, beteiligt ist. Wir sollten nicht vergessen, dass das Recht der europäischen Bürger auf Datenschutz ein Grundrecht darstellt; gleichzeitig müssen die in den Kampf gegen Terrorismus und Verbrechen involvierten Institutionen jedoch Zugriff auf solche Informationen erhalten. Dieser Bericht spielt eine besonders bedeutende Rolle bei der Erstellung der gesetzlichen Rahmenvorschriften, die die Qualität, die Definition und die Merkmale der personenbezogenen Daten und ihre Weitergabe an Drittstaaten oder Einzelpersonen festlegen. Ich befürworte die Bestimmung, dass Daten nicht länger als notwendig aufbewahrt werden sollten, und die Mitgliedstaaten sind nun aufgerufen, die verfahrensrechtlichen und technischen Maßnahmen einzuführen, um diese Einschränkungen durchzusetzen. Antonio Masip Hidalgo (PSE). – (ES) Herr Präsident! Ich möchte meinen Kolleginnen Frau Lefrançois und Frau Roure zu ihren Berichten gratulieren. Bei dieser Gelegenheit möchte ich Sie informieren, dass die französische Polizei gerade einen wichtigen Terroristen verhaftet hat, und daher gratuliere ich auch der französischen Regierung und der französischen Polizei. Ich denke, dass die politischen Behörden in allen Ländern mit unserer Polizei, unseren Richtern und unseren Regierungen zusammenarbeiten sollten. Jacques Barrot, Vizepräsident der Kommission. − (FR) Herr Präsident! Ich möchte zunächst dem ganzen Europäischen Parlament zu dem hohen Niveau dieser Aussprache gratulieren. Das Europäische Parlament erwartet zu Recht die Ratifizierung des Vertrags von Lissabon, doch es hat heute Morgen große Reife gezeigt, da eine große Mehrheit Ihre beiden Berichte unterstützt – die Berichte von Frau Lefrançois und Frau Roure. Diese beiden Berichte suchen die richtige Ausgewogenheit zwischen dem kollektiven Schutz gegen Terrorismus, den wir unseren Bürgern garantieren müssen, und dem individuellen Schutz unserer Freiheiten. Ich glaube, dass wir hier, in dieser zweifachen Ausgewogenheit, die richtigen Lösungen suchen müssen. Herr Präsident, ich möchte die Diskussion ganz kurz zusammenfassen. Zunächst zum Bericht von Frau Lefrançois zur Bekämpfung des Terrorismus. Ich möchte lediglich sagen, dass, obwohl die freie Meinungsäußerung – einschließlich des Rechts auf Kritik – eine der fundamentalen Säulen ist, auf denen die Europäische Union beruht, die Anstiftung zu Rassenhass auch unter dem Vorwand der freien

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Meinungsäußerung nicht akzeptabel ist. Rassistische Reden sind ein Missbrauch der freien Meinungsäußerung und können nicht toleriert werden. Zweitens möchte ich Sie daran erinnern, dass der Vorschlag der Kommission auf der Basis einer eingehenden Folgenabschätzung erstellt wurde. Zahlreiche Konsultationen haben stattgefunden, und der Vorschlag der Kommission basiert in der Tat auf dem Übereinkommen des Europarates zur Verhütung des Terrorismus. Wir haben versucht, der ausgewogenen Formulierung der Straftaten in dem Übereinkommen zu folgen. Wenn Frau Lefrançois und die zahlreichen MdEP, die sich für den Begriff der „Anstiftung“ ausgesprochen haben, es mir gestatten, möchte ich einige Minuten darauf verwenden, den Begriff der „Aufforderung“ zu verteidigen. Der Vorteil des Begriffs „Aufforderung“ ist, das er neu ist. Deshalb hat ihn der Europarat verwendet; seine Neuheit bedeutet, dass er in der Europäischen Union gemeinsam und präzise definiert werden kann. „Aufforderung“ ist kein Begriff, der sich interpretieren lässt. Ich glaube, dass er durch das Fallrecht richtig identifiziert werden kann. Richtig ist: Wir wollen vermeiden, dass irgendeine Form von terroristischen Angriffen tatsächlich verübt wird, während wir diejenigen kriminalisieren, die hauptsächlich durch Worte zu einem solchen Angriff aufgerufen haben, auch wenn gar kein Angriff stattgefunden hat, und eben hier liegt das eigentliche Problem. Ich werde es der Weisheit des Dialogs zwischen dem Rat und dem Parlament überlassen, hier eine Lösung zu finden. Ich möchte auch sagen, dass Artikel 1(2) des aktuellen Textes des Rahmenbeschlusses eine Schutzklausel in Bezug auf die Menschenrechte enthält, die – ich denke, hier stimmt Frau Lefrançois mir zu – den gesamten Rahmenbeschluss betrifft. Schließlich möchte ich hervorheben, Herr Präsident, wie wichtig es ist, dass diese Maßnahme zur Bekämpfung des Terrorismus in den institutionellen Rahmen der Europäischen Union integriert wird. Wenn wir diesen Text in das Europäische Recht aufnehmen, haben wir eine Garantie für seine Wirksamkeit. Er bietet für bestimmte Taten einheitliche gesetzliche Rahmenvorschriften in Bezug auf Art und Umfang von strafrechtlichen Sanktionen und Vorschriften zur gerichtlichen Zuständigkeit. Damit wird es möglich, die Mechanismen der Europäischen Union zur Zusammenarbeit anzuwenden, auf die im Rahmenbeschluss von 2002 verwiesen wird. Abschließend, Herr Präsident, möchte ich der Berichterstatterin und dem Parlament noch einmal für ihre Arbeit der letzten beiden Jahre zu dieser wichtigen Frage danken. Ich hoffe, dass nun, angesichts all der geleisteten Arbeit und der Notwendigkeit – die viele von Ihnen betont haben – den Terrorismus effektiv zu bekämpfen, rasch eine Entscheidung getroffen wird. Nun komme ich zum zweiten Text, der untrennbar mit dem ersten verbunden ist, und ich denke, es war eine gute Idee des Parlaments, die beiden zu verbinden und gleichzeitig Datenschutz und den Schutz der persönlichen Freiheit zu fordern. Mein Dank gilt selbstverständlich Frau Roure, die diese Ausgewogenheit und den Datenschutz so energisch verteidigt hat. Es war in der Tat wichtig, dass dieser Text gleichzeitig mit dem Text zur Bekämpfung des Terrorismus erstellt wurde, sodass die Ordnungskräfte in naher Zukunft über spezifische Regeln zum Datenschutz verfügen. Wie ich bereits sagte, und ich möchte dies nicht überstrapazieren, wäre natürlich auch die Kommission beim Datenschutz wie auch das Parlament gerne weitergegangen. Der Minister, Herr Jouyet, hat erwähnt, dass sich der französische Ratsvorsitz danach richten musste, ob ein Kompromiss erzielt werden konnte, obwohl er dasselbe wollte. Ich kann nur sagen, dass die Kommission versuchen wird, die Evaluierungsklausel und die Erwägung 6a gut umzusetzen. Daher hören wir auf den Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres und versuchen, Ihrem Wunsch nach einer gründlichen Revision des Rahmenbeschlusses nachzukommen, um eine Erweiterung seines Geltungsbereichs zu beurteilen. Das ist es, was die Kommission tun kann und was ich persönlich zu tun versuchen werde. Ich weiß, dass das Europäische Parlament eine baldige Revision anstrebt. Ich hoffe nur, der Rat wird einer Revision innerhalb eines Zeitrahmens zustimmen, der es ermöglicht, schon bald eine europäische Maßnahme zu entwickeln. Das ist alles, was ich sagen wollte, Herr Präsident. Ich möchte außerdem allen Rednern sagen, dass ich das hohe Niveau der Aussprache zu einer so wichtigen Angelegenheit sehr schätze – einer Angelegenheit, in der Europa mit gutem Beispiel vorangehen muss, indem wir sowohl einen effektiven gemeinsamen Schutz gegen terroristische Bedrohungen garantieren als auch natürlich sehr stark auf den Schutz der individuellen Freiheiten und der persönlichen Autonomie achten. Ich glaube, das Parlament hat wieder einmal ganz eindeutig seine Reife und seine Fähigkeit bewiesen, künftig als Mitentscheider in dieser Sache zu handeln. Roselyne Lefrançois, Berichterstatterin. − (FR) Herr Präsident, Herr Kommissar, meine Damen und Herren! Ich möchte zunächst all meinen Kolleginnen und Kollegen, die heute Morgen gesprochen haben, für das

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hohe Niveau ihrer Beiträge danken. Allein die Anzahl der Beiträge zeigt ganz deutlich, wie groß das Interesse an diesem Thema ist. Ohne noch einmal im Einzelnen auf all die verschiedenen Beiträge einzugehen, möchte ich nur drei oder vier hervorheben. Herr Fava hat uns deutlich gezeigt, was für ein schwieriger Balanceakt dies ist. Wir müssen eine Kultur des Verdachts und des Misstrauens vermeiden, doch gleichzeitig müssen wir den Kontext berücksichtigen und sowohl die Sicherheit der Bürger als auch den Schutz der Freiheiten garantieren. Herr de Grandes Pascual hat anschaulich erklärt, welchen Mehrwert die Definition von Terrorismus bietet, indem er sagte, dass die von uns verwendete Definition wichtiger sei und auf der Liste der Straftaten bestand. Da es hier darum geht, im Kampf gegen den Terrorismus zusammenzuarbeiten, müssen wir ein klares Signal aussenden und gleichzeitig die individuellen Freiheiten schützen. Herr Demetriou, Sie haben erwähnt, was für eine Geißel der Terrorismus darstellt und dass wir ihn bekämpfen müssen. Sie haben jedoch den Begriff der „öffentlichen Anstiftung“ verwendet und gesagt, dass dieser Begriff von allen Mitgliedstaaten besser verstanden wird. Frau Ludford teilt diese Bedenken ebenfalls. Sie war zudem der Ansicht, dass der Begriff besser geeignet sei, da wir die Grundfreiheiten schützen müssen. Der Bericht ist in der Tat das Ergebnis eines langen und schwierigen Verhandlungsprozesses. Ich glaube jedoch, dass wir mit dem Ergebnis zufrieden sein können, insbesondere aus Sicht der Ausgewogenheit zwischen der Bekämpfung des Terrorismus und der Wahrung der Grundfreiheiten. Der Bericht meiner Kollegin Frau Roure fällt eindeutig in diese zweite Kategorie, da der Schutz der personenbezogenen Daten eine seiner zentralen Komponenten bildet. Ich bedaure nur eines, und ich weiß, dass viele hier im Parlament auch dieser Meinung sind, insbesondere meine Kolleginnen und Kollegen aus der Fraktion der Grünen / Freie Europäische Allianz. Das ist die Tatsache, dass die Umsetzung eines Textes mit so großen Auswirkungen auf die Freiheiten der europäischen Bürger nicht der uneingeschränkten gerichtlichen Kontrolle des Gerichtshofs unterliegt. Um dies zu erreichen, wäre es erforderlich gewesen, den Rahmenbeschluss unter dem Vertrag von Lissabon anzunehmen. Selbst vor der Ablehnung bei dem irischen Referendum und der Unsicherheit im Hinblick auf das Inkrafttreten des neuen Vertrags am 1. Januar 2009 hatte der Rat eindeutig den Wunsch, so schnell wie möglich zu handeln, um den Wechsel zur Mitentscheidung zu vermeiden. Im Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres haben wir dennoch versucht, sehr bewusst und detailliert zu arbeiten und gleichzeitig mit dem vom Rat vorgegebenen Tempo Schritt zu halten. Bei der Abstimmung im Ausschuss am 15. Juli wurde mein Berichtsentwurf mit 35 zu 4 Stimmen mit 1 Enthaltung angenommen. Ich hoffe, dass er auch im Plenum eine solide Mehrheit erhält. Martine Roure, Berichterstatterin. − (FR) Herr Präsident! Ich möchte zunächst all meinen Kolleginnen und Kollegen danken, denn diese Aussprache hat gezeigt, dass das Europäische Parlament bei diesem sehr schwierigen Thema einer Meinung war, und wir sind die Vertreter des Europäischen Parlaments, wir sind die Vertreter des Volkes. Das sollte einmal gesagt werden. Heute wende ich mich besonders an den französischen Ratsvorsitz. Wir fordern den Rat auf, seine Zusagen einzuhalten, die vor langer Zeit unter verschiedenen aufeinander folgenden Präsidentschaften gegeben wurden. Es ist dringend erforderlich, diesen Rahmenbeschluss zügig anzunehmen und die Änderungen des Europäischen Parlaments zu berücksichtigen. Der Rat muss zu seinem Wort stehen. Es ist zwingend notwendig, dass wir in einer vertrauensvollen Atmosphäre arbeiten. Das ist wesentlich. Ich hoffe, diese Nachricht wird an Frau Dati weitergeleitet, die zu unserer großen Enttäuschung bei dieser äußerst wichtigen Aussprache leider nicht anwesend ist. Ich möchte auch ganz besonders Herrn Kommissar Barrot für seine Unterstützung danken, die sehr wertvoll für uns ist. Der Präsident. − Die gemeinsame Aussprache ist geschlossen. Die Abstimmung erfolgt heute um 12.00 Uhr. Schriftliche Erklärungen (Artikel 142) Titus Corlăţean (PSE), schriftlich. – (RO) Die Erstellung von gesetzlichen Rahmenvorschriften für den Schutz von personenbezogenen Daten innerhalb der dritten Säule ist ein Punkt, der alle EU-Ratsvorsitzenden der letzten Jahre beschäftigt hat. Der im Jahr 2006 angenommene Rahmenbeschluss war dennoch eine Art

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Kompromiss, in dem der kleinste gemeinsame Nenner beim Schutz der personenbezogenen Daten festgehalten wurde. Dennoch können wir die neue Konsultation des Europäischen Parlaments zur Erweiterung des Geltungsbereichs des Rahmenbeschlusses und zu einer Analyse seiner Auswirkungen auf die Grundrechte nur begrüßen. Das Hauptziel der Änderungen ist, das gleiche Niveau beim Datenschutz sicherzustellen wie bei der ersten Säule; von diesem Standpunkt aus bedaure ich, dass der ursprüngliche Vorschlag der Kommission vom Rat geändert wurde. Ebenso bedauerlich ist die Tatsache, dass die Bestimmung zu einer Arbeitsgruppe der nationalen Datenschutzbehörden vom Rat gestrichen wurde; dies ist ein bei der Einrichtung eines effektiven Systems zum Schutz personenbezogener Daten. Petru Filip (PPE-DE), schriftlich. – (RO) Der effektive Schutz der personenbezogenen Daten bleibt eine natürliche Forderung der modernen Demokratie. Wenn dieser Schutz unter bestimmten Bedingungen die Änderung der gemeinschaftlichen Datenbanken erfordert, um eine Korrelation bestimmter persönlicher oder materieller Informationen mit identifizierbaren Personen zu verhindern, sollten wir uns darüber im Klaren sein, dass zur Verwaltung dieses globalen Systems zur Speicherung und Verarbeitung von Informationen ein Sicherungssystem nach dem neuesten Stand der Technik gehört. Da echte Sicherheit nicht einfach durch unsere Unterstützung für eine Reihe gemeinsamer Grundsätze garantiert werden kann, glaube ich, dass wir eine pragmatische Analyse der Risiken benötigen, die mit der Zusammenarbeit zwischen den Strafverfolgungsbehörden und der Justiz der Länder einhergehen, die hier über unterschiedliche Erfahrung verfügen. Zum besseren Verständnis möchte ich nochmals betonen, dass die neuen Mitgliedstaaten einen schnellen Transfer der Fachkenntnisse benötigen, um die globale Sicherheit des Systems nicht zu gefährden. Dumitru Oprea (PPE-DE), schriftlich. – (RO) Angesichts der wachsenden Bedrohung durch den Terrorismus und seiner Vereinnahmung des Cyberspace mit der Möglichkeit, die Massen noch schneller zu manipulieren, und angesichts der beschränkten Möglichkeiten, Terroristen hinreichend schnell zu identifizieren, halte ich eine solche Entscheidung im allgemeinen Kontext des Schutzes der bürgerlichen Rechte und Freiheiten aller Bürger und der Schaffung von günstigen Rahmenbedingungen zur raschen Identifizierung und Verfolgung von Verbrechen, insbesondere von Verbrechen gegen die Sicherheit von Personen, Ländern und nationale Infrastrukturen, für begrüßenswert. Ich begrüße die Entscheidung, die im Rahmenbeschluss festgelegten Ziele als vorrangige europäische Interessen zu betrachten, insbesondere im Hinblick auf die gemeinsamen Regelungen zum Schutz personenbezogener Daten, die es den Mitgliedstaaten ermöglichen werden, dieselben Regeln und Grundsätze durchzusetzen. Darüber hinaus glaube ich, dass eine Empfehlung in Hinsicht auf die Klassifizierung von Informationen durch eine Bezugnahme auf internationale Klassifizierungen notwendig ist, um sämtliche Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten und anderen Staaten bei der Durchsetzung von Sicherheitsmaßnahmen zu beseitigen. Es gibt zwei grundlegende Strategien, die beim Schutz von Daten und Sicherheitssystemen berücksichtigt werden sollten: „Was nicht ausdrücklich verboten ist, ist erlaubt“ und „Was nicht ausdrücklich erlaubt ist, ist verboten“. Andrzej Tomasz Zapałowski (UEN), schriftlich. – (PL) Das Problem der zunehmenden Bedrohung Europas durch Terrorakte ist eine der größten Herausforderungen für die Sicherheit unseres Kontinents. Wir werden heute bedroht durch kriminelle Gruppen und durch den politischen Terror, der von Staaten kontrolliert wird, die die Zusammenarbeit mit uns erklärt haben, doch es scheint, dass die größte Bedrohung vom islamischen Fundamentalismus ausgeht. Ich bin überrascht, wie wenig sich diejenigen betroffen zeigen, die Europa regieren. Unsere totale Offenheit für eine unbegrenzte Anzahl von Neuankömmlingen aus islamischen Ländern, wie sie von Sozialisten und Liberalen befürwortet wird, wird in Zukunft zu einer Reihe von Tragödien für die Bevölkerung der Gemeinschaft führen. Eine unbegrenzte Islamisierung Europas kann nicht angehen! Wir sollten die armen Länder unterstützen, aber wir sollten unseren Kontinent nicht zu einem Ort machen, an dem die Grenzen unserer Toleranz auf den Prüfstand gestellt werden. Die Neuankömmlinge verlangen derzeit immer mehr Rechte, und die traditionellen Völker in Europa müssen all dem zustimmen. Hinzu kommt die Vernichtung von Traditionen, die seit Jahrhunderten bestehen. Das ist gefährlich. Ein Beispiel, wohin das führen kann, ist Nordirland – allerdings sind die Gruppen, die dort Krieg führen, einfach Menschen, die unterschiedliche christliche Religionen praktizieren.

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Marian Zlotea (PPE-DE), schriftlich. – Die Anschläge vom 11. September 2001 haben die Welt tief greifend verändert. Die Terroranschläge dieses Tages haben nicht nur die Weltsicht und das Weltverständnis der Amerikaner verändert, sondern auch dazu geführt, dass alle demokratischen Gesellschaften weltweit eine neue Sicht dieser modernen Welt haben, in der die terroristische Bedrohung wie die Anschläge in Madrid (März 2004) und London (Juli 2005) eine häufige und beängstigende Herausforderung darstellt. Nun setzen Terroristen moderne Kommunikationsmittel wie das Internet ein, um die Ausbildung, Rekrutierung und Planung von Anschlägen voranzutreiben. Die Nutzung dieser Technologie stellt für die gesamte Union eine besondere Bedrohung dar, und wir sollten alle gemeinsam den Terrorismus mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln bekämpfen. Damit unsere demokratische Gesellschaft jedoch effektiv gegen diese Bedrohungen vorgehen kann, muss mit dem Kampf gegen den Terrorismus auch die Stärkung unserer Grundrechte und -freiheiten einhergehen. Um uns der Bedrohung durch den Terrorismus anzunehmen, müssen wir in der EU über gemeinsame Bestimmungen verfügen, zudem sollte die bestehende Rechtsprechung entsprechend geändert werden. Der moderne Terrorismus nutzt neue Methoden, doch er muss von der EU mit derselben Stärke und Entschlossenheit bekämpft werden, die sie beim Kampf gegen den traditionellen Terrorismus gezeigt hat. Gerard Batten (IND/DEM). - Herr Präsident, ich werde mich kurz fassen. Ich möchte mich hier auf Artikel 145 beziehen, um Anmerkungen und Kommentare zurückzuweisen, die Baroness Sarah Ludford in ihrem Beitrag in dieser Aussprache gemacht hat. Sie sagte eine ganze Reihe von Dingen, aber insbesondere sagte sie, dass ich „antieuropäisch“ sei und beim Thema Auslieferung „jedem Kriminellen, der über den Kanal entkommt, fröhlich hinterher winken“ würde. Ich möchte hier eine sachliche Korrektur anbringen. Ich bin nicht antieuropäisch. Ich liebe den Kontinent Europa, seine Geschichte, seine Kultur, seine Errungenschaften so wie alle anderen auch, doch ich bin ein Euroskeptiker. Ich hasse die Europäische Union, die antidemokratisch und undemokratisch ist. In Bezug auf den Europäischen Haftbefehl und die Prozesse in absentia wünsche ich mir, dass ein englisches oder schottisches Gericht einen Anscheinsbeweis gegen einen Verdächtigen berücksichtigen kann, bevor der Auslieferung zugestimmt wird, und auch wirklich dazu befugt ist, dies zu verhindern. Es muss entscheiden können, ob hier ein echter Fall vorliegt, und es muss für eine faire Verhandlung sorgen können. Ich möchte damit die Interessen britischer Bürger schützen, wie im Fall von Andrew Symeou, einem 19 Jahre alten Londoner, dem wegen mutmaßlichen Totschlags die Auslieferung nach Griechenland am 30. September bevorsteht. Der Beweis gegen ihn ist äußerst unseriös, und weder dieser Beweis noch die Tatsache, dass angeblich Zeugen gefoltert wurden, um Aussagen zu erpressen, kann herangezogen werden. Ich verstehe die Reaktion von Baroness Sarah in diesem Punkt, da ihre Partei, die Liberaldemokraten, offensichtlich auf das falsche Pferd gesetzt hat und sie – zu Recht – die Folgen bei den Wahlen im Jahr 2009 fürchtet. Der Präsident. − Bevor wir die Sitzung unterbrechen, möchte ich die Sicherheitsdienste beruhigen, da das Gerücht verbreitet wird, dass jemand mit vermummtem Gesicht in die Kammer gekommen ist. Das war nur Herr Borghezio, der sich selbst geknebelt hat, daher besteht für die Kammer keinerlei Gefahr in Bezug auf die Sicherheit. Ich wollte nur die Sicherheitsdienste beruhigen. (Die Sitzung wird um 12.00 Uhr, vor der Abstimmung, unterbrochen und um 12.05 Uhr wieder aufgenommen) VORSITZ: DIANA WALLIS Vizepräsidentin

5. Abstimmungsstunde Die Präsidentin. − Als nächster Punkt folgt die Abstimmung. (Ergebnisse und andere Einzelheiten der Abstimmung: siehe Protokoll)

5.1. Gemeinschaftsstatistiken des Außenhandels mit Drittländern (A6-0267/2008, Helmuth Markov) (Abstimmung)

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5.2. Schutz von Exemplaren wildlebender Tier- und Pflanzenarten durch Überwachung des Handels (Durchführungsbefugnisse der Kommission) (A6-0314/2008, Miroslav Ouzký) (Abstimmung) 5.3. Statistische Erfassung des Güterkraftverkehrs (Durchführungsbefugnisse der Kommission) (A6-0258/2008, Georg Jarzembowski) (Abstimmung) 5.4. Europäisches Jahr der Kreativität und der Innovation (2009) (A6-0319/2008, Katerina Batzeli) (Abstimmung) 5.5. Bestimmung der Gruppen von Beamten und sonstigen Bediensteten der Europäischen Gemeinschaften, auf welche das Protokoll über die Vorrechte und Befreiungen der Gemeinschaften Anwendung findet (A6-0339/2008, Agustín Díaz de Mera García Consuegra) (Abstimmung) 5.6. Berichtigungshaushaltsplan Nr. 6/2008 (A6-0353/2008, Kyösti Virrankoski) (Abstimmung) 5.7. Folgemaßnahmen der Konferenz von Monterrey (2002) über Entwicklungsfinanzierung (A6-0310/2008, Thijs Berman) (Abstimmung) 5.8. Binnenmarktanzeiger (A6-0272/2008, Charlotte Cederschiöld) (Abstimmung) 5.9. Verbesserung der Qualität der Lehrerbildung (A6-0304/2008, Maria Badia i Cutchet) (Abstimmung) 5.10. Der Bologna-Prozess und die Mobilität der Studierenden (A6-0302/2008, Doris Pack) (Abstimmung) 5.11. Anpassung von Rechtsakten an den neuen Komitologie-Beschluss (A6-0345/2008, József Szájer) (Abstimmung) 5.12. Hedge-Fonds und Private Equity (A6-0338/2008, Poul Nyrup Rasmussen) (Abstimmung) - Vor der Abstimmung: Jonathan Evans (PPE-DE). - Frau Präsidentin! Ich beziehe mich auf Artikel 9, 93 und 94 zum Thema der Transparenz. Ich möchte erklären, dass ich von den Themen betroffen bin, über die abgestimmt wird, und daher nicht an der Abstimmung teilnehmen werde. Ich habe meine Befangenheit auch erklärt, als wir diese Angelegenheit im Ausschuss behandelt haben, und bei dieser Gelegenheit weder an der Diskussion noch an der Abstimmung teilgenommen.

5.13. Transparenz von institutionellen Anlegern (A6-0296/2008, Klaus-Heiner Lehne) (Abstimmung) 5.14. Verhütung, Kontrolle und Tilgung bestimmter transmissibler spongiformer Enzephalopathien (Durchführungsbefugnisse der Kommission) (A6-0279/2008, Gyula Hegyi) (Abstimmung)

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5.15. Abfallstatistik (Durchführungsbefugnisse der Kommission) (A6-0282/2008, Johannes Blokland) (Abstimmung) 5.16. Anpassung einiger Rechtsakte an den Beschluss 1999/468/EG in der Fassung des Beschlusses 2006/512/EG — Regelungsverfahren mit Kontrolle (zweiter Teil) (A6-0100/2008, József Szájer) (Abstimmung) 5.17. Gewinnung von und Handel mit natürlichen Mineralwässern (Neufassung) (A6-0298/2008, József Szájer) (Abstimmung) 5.18. Stoffe zur Färbung von Arzneimitteln (Neufassung) (A6-0280/2008, József Szájer) (Abstimmung) 5.19. Lebensmittel für eine besondere Ernährung (Neufassung) (A6-0295/2008, József Szájer) (Abstimmung) 5.20. Technische Überwachung von Kraftfahrzeugen und Kraftfahrzeuganhängern (Neufassung) (A6-0299/2008, József Szájer) (Abstimmung) 5.21. Extraktionslösungsmittel zur Verwendung bei der Herstellung von Lebensmitteln und Lebensmittelzutaten (Neufassung) (A6-0284/2008, József Szájer) (Abstimmung) 5.22. Terrorismusbekämpfung (A6-0323/2008, Roselyne Lefrançois) (Abstimmung) 5.23. Schutz personenbezogener Daten (A6-0322/2008, Martine Roure) (Abstimmung) 5.24. Beratungen des Petitionsausschusses (2007) (A6-0336/2008, David Hammerstein) (Abstimmung) - Zu Ziffer 31: David Hammerstein, Berichterstatter. − (ES) Zur Berücksichtigung der kürzlich erfolgten Rechtsentscheidungen reiche ich diesen mündlichen Änderungsantrag ein, den ich auf Deutsch vorlesen werde: „die Zollbehörden auch weiterhin, ausschließlich in Ausnahmefällen, die Fahrzeuge griechischer Staatsangehöriger beschlagnahmen“, ich füge hinzu, „vorübergehend“, und ich füge den letzten Satz hinzu: „nimmt das Urteil des Gerichtshofs in der Rechtssache C-156/04 (07.06.2007) zur Kenntnis, das die Erklärungen der griechischen Behörden in diesem Fall überwiegend für zufrieden stellend hält; begrüßt die Umsetzung neuer Gesetze, die von den Behörden angenommen wurden, um die in dem genannten Urteil genannten Mängel anzugehen;“. Die Präsidentin. − Ich sehe keine Einwände gegen diesen mündlichen Änderungsantrag. - Nach der Abstimmung: Zbigniew Zaleski (PPE-DE). - Frau Präsidentin! In Anbetracht unserer effizienten Abstimmungsstunde denke ich, ich kann eine kurze, aber gerechtfertigte Anmerkung machen. Im Namen derjenigen, die die Ergebnisse auf dem Bildschirm lesen können und dies auch tun, möchte ich Ihnen für Ihre Effizienz danken. Ich hoffe, dass die anderen Präsidentinnen und Präsidenten – einschließlich Herrn Pöttering, der sehr effizient arbeitet – diesem Beispiel folgen werden. Die Präsidentin. − Ich danke Ihnen. Wir tun unser Bestes!

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5.25. Situation und Perspektiven der Landwirtschaft in Berggebieten (A6-0327/2008, Michl Ebner) (Abstimmung) 6. Stimmerklärungen Mündliche Stimmerklärungen – Bericht: Katerina Batzeli (A6-0319/2008) David Sumberg (PPE-DE). - Frau Präsidentin! Dieser Bericht gibt mir die Gelegenheit, die Stadt Liverpool zu erwähnen, meinen Wahlkreis. Liverpool hatte das Glück, zur Kulturhauptstadtgewählt zu werden, und hat sich in dieser Rolle außerordentlich gut entwickelt. Die Bevölkerung von Liverpool hat die Wahl großartig aufgenommen. Viele der Ziele des Europäischen Jahres sind in diesem Bericht lobenswert, doch wir müssen auch die finanziellen Implikationen berücksichtigen, die damit verbunden sind. Übermäßige Bürokratie und die Konzentration auf staatliche Bemühungen, etwas zu unterstützen, was als „Kreativität und Innovation“ bezeichnet wird, sind nicht wirklich begrüßenswert. Das Geld der Steuerzahler wäre wesentlich besser angelegt, wenn wir diese Art der Werbung unterlassen und uns einfach darauf konzentrieren würden, den Menschen die Wahl zu lassen. – Bericht: Thijs Berman (A6-0310/2008) Koenraad Dillen (NI). – (NL) Frau Präsidentin! Ist es verwunderlich, dass einige Mitgliedstaaten Ermüdungserscheinungen bezüglich der Entwicklungshilfe erkennen lassen – um diesen Bericht wortwörtlich zu zitieren? Ich denke nicht. Immer mehr Mitgliedstaaten und andere Geber haben genug davon, Gelder in alle möglichen korrupten Regimes zu pumpen, die sich wirklich keinen Deut um Rechtsstaatlichkeit oder um das Wohlergehen ihrer eigenen Bürger scheren. Vor nahezu einem Jahr erfuhren wir von einer sehr zuverlässigen Quelle, der Hilfsorganisation Oxfam, dass die Kriege in Afrika bereits etwa die Hunderte Milliarden Euro gekosten haben, die der Kontinent in den letzten Jahren an Entwicklungshilfe erhalten hat. Es ist an der Zeit, dass Afrika echte Schritte in den Bereichen Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und vor allem im Kampf gegen die Korruption unternimmt. Nur dann können wir von einer wirklich gezielten Entwicklungshilfe sprechen. Die einfache Befürwortung der Aufstockung der Entwicklungsgelder ohne eine Qualifizierung und die Darstellung aller möglichen Prozentsätze als Dogma ist vollkommen unverantwortlich, daher habe ich gegen diesen Bericht gestimmt. – Bericht: Maria Badia i Cutchet (A6-0304/2008) Frank Vanhecke (NI). – (NL) Frau Präsidentin! Es ist ein Klischee, aber die Jugend ist unsere Zukunft, daher wäre ich der erste, der zustimmt, dass die Qualität unserer Lehrer und ihre Ausbildung extrem wichtig sind. Die Frage ist natürlich, ob es Aufgabe des Europäischen Parlaments ist, die Mitgliedstaaten hierüber zu belehren. Steht es dem Parlament zu, seine Meinung zur Zusammensetzung der Lehrerschaft in allen Stufen der Schulbildung in den Mitgliedstaaten zu äußern? Muss die Bildung in den Mitgliedstaaten strikt mit der „multikulturellen“ Gesellschaft konform gehen – wir wissen, was damit gemeint ist – und muss die Bildung in den Mitgliedstaaten den „Genderaspekt“ berücksichtigen, was immer das sein mag? Muss das alles in der Lehrerbildung zur Pflicht werden, weil Europa das so will? Was mich betrifft, kann das Parlament denken, was es will, aber es ist in diesem Bereich absolut nicht zuständig. Die Bildung liegt in der Zuständigkeit der Mitgliedstaaten, und so sollte es meiner Meinung nach auch bleiben. Das wird auch als Subsidiarität bezeichnet, und die muss beachtet werden. Hannu Takkula (ALDE). - (FI) Frau Präsidentin! Ich möchte einige Worte zu diesem Bericht von Frau Badia i Cutchet zur Verbesserung der Qualität der Lehrerbildung sagen, den ich für ausgezeichnet halte. Es ist richtig, dass die Lehrerbildung weitgehend in die Zuständigkeit der nationalen Regierungen fällt, und so sollte es auch sein. Da wir jedoch das gemeinsame Ziel der Förderung von Kompetenz, Wissen und Innovation in der gesamten Europäischen Union und der Entwicklung des Europäischen Wirtschaftsraums verfolgen, müssen wir auch bestimmte gemeinsame Regeln aufstellen. Deshalb benötigen wir eine breitere Form der Zusammenarbeit beim Austausch bewährter Methoden im Bereich der Lehrerbildung, da laut PISA-Studie der OECD – wie wir alle wissen – derzeit zu große Unterschiede beim Ausbildungsniveau für Lehrer in den Mitgliedstaaten bestehen. Diese Lücke muss kleiner werden, und

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wir brauchen ein Instrument, ein offenes Koordinationssystem auf EU-Ebene, sodass alle Kinder und Jugendlichen eine angemessene, solide Grundbildung erhalten können. In dieser Hinsicht ist der Bericht hervorragend. Ich möchte Sie alle auffordern, den großartigen Bericht von Frau Badia i Cutchet zu lesen, wenn Sie dies noch nicht getan haben. Ich danke Ihnen. – Bericht: Doris Pack (A6-0302/2008) Miroslav Mikolášik (PPE-DE). – (SK) Ich möchte zunächst der Berichterstatterin für den Bericht zum Bologna-Prozess und seinen Auswirkungen auf die Mobilität der Studierenden danken. Die Einführung der Harmonisierung des dreigliedrigen Systems der höheren Bildung in den Ländern der Europäischen Union, die Qualitätssicherung und insbesondere die Anerkennung von Qualifikationen stellen ein wesentliches Ziel dieser zwischenstaatlichen Initiative dar. In der heutigen Abstimmung habe ich den Bericht von Doris Pack uneingeschränkt unterstützt, in dem die Berichterstatterin den partnerschaftlichen Ansatz und die Zusammenarbeit bei der Politikgestaltung und der Umsetzung des Bologna-Prozesses betont. Diese Initiative ist ein Beispiel für eine dynamische Zusammenarbeit nicht nur zwischen EU-Ländern, sondern darüber hinaus. Ich stimme auch der Ansicht zu, dass die wechselseitige Anerkennung von Qualifikationen weiter vereinfacht und der Bologna-Prozess auf nationaler Ebene in den Mitgliedstaaten stärker vereinheitlicht werden sollte. Die Unterstützung der Mobilität der Studierenden ist eine grundlegende Voraussetzung für die Schaffung eines gemeinsamen europäischen Hochschulraums. – Bericht: Poul Nyrup Rasmussen (A6-0338/2008) Kurt Joachim Lauk (PPE-DE). – (DE) Frau Präsidentin! Der Bericht Rasmussen firmiert unter der Überschrift Hedge-Fonds und Private Equity. Wenn man den Inhalt genauer ansieht, hat dieser Bericht inhaltlich mit Hedge-Fonds und Private Equity so gut wie nichts mehr zu tun, sondern bezieht sich jetzt zu Recht auf die gesamten Finanzinstitutionen und die Finanzakteure insgesamt. Das ist wichtig. Wir haben eine Punkteliste zur Regulierung und zur Abschaffung des Chaos in den Finanzmärkten vorgeschlagen. Ich bin froh, dass Kollege Rasmussen in den Verhandlungen mit uns unsere Position im Wesentlichen übernommen hat. Daniel Hannan (NI). - Frau Präsidentin! Die Europäische Union ist eine Lösung auf der Suche nach einem Problem. Ganz gleich, was die Frage ist, die Antwort lautet stets mehr Regulierung. Dementsprechend wurden die jüngsten Ereignisse auf den Finanzmärkten als Rechtfertigung für weitere Regeln aus Brüssel genutzt, was ja abzusehen war. Das erinnert mich an die Situation nach den Anschlägen vom 11. September 2001, als eine Reihe von Vorschlägen zur Harmonisierung der Bereiche Justiz und Inneres, die bereits seit Jahren kursierten, als Maßnahmen gegen den Terrorismus neu verpackt wurden. In der fiebrigen Atmosphäre nach diesen schrecklichen Anschlägen wollte sich dann niemand die Blöße geben, dagegen zu stimmen. In ähnlicher Weise wird nun ein Bündel von Legislativvorschlägen als Maßnahme zur Verbesserung der finanziellen Stabilität neu geschnürt, für die zur Behebung des Problems eigentlich kein angemessener Bedarf besteht. Es gehört schon eine Portion Mut dazu, sich als MdEP als Spekulantenfreund zu outen, wie wir an der heutigen Abstimmung sehen konnten. Ich muss sagen, dass ich bei Betrachtung der zu Grunde liegenden Ursachen der jüngsten Finanzprobleme den Eindruck habe, dass „zu viel Regierung“ eher das Problem war als die Lösung. Die Zinssätze waren zu lange zu niedrig gehalten worden, und das war ein Problem in Europa, in den Vereinigten Staaten und in Japan. Wenn zu viel Regierung aber das Problem war, kann man sich nur schwer vorstellen, wie wir dieses Problem durch eine weitere Regulierung auf Brüsseler Ebene lösen können. – Bericht: Klaus-Heiner Lehne (A6-0296/2008) David Sumberg (PPE-DE). - Frau Präsidentin! Ich würde in vielerlei Hinsicht die Kommentare zum Lehne-Bericht meines guten Freundes und Kollegen Herrn Hannan wiederholen, da der Lehne-Bericht nur ein weiterer Versuch ist, die Märkte mit Gesetzen und Regulierungen zu überziehen. Wir sollten hier nicht vorschnell urteilen. Wir sollten auch nicht vorschnell Regulierungen und Gesetze in Bezug auf alle Märkte in Europa erstellen. Märkte sind per definitionem unterschiedlich. Die Märkte in den verschiedenen Ländern Europas sind

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unterschiedlich, daher sollten wir nicht versuchen, eine flächendeckende Regulierung anzuwenden, die für alle gilt. Der wichtigste Punkt, den Europa und die Europäische Union in dieser Frage niemals vergessen dürfen, ist, dass wir uns in einem globalen Umfeld befinden. Europa und die einzelnen Nationen Europas stehen im Wettbewerb mit der Welt. Wenn wir gegen uns selbst Schranken errichten, schaden wir unseren eigenen Interessen und denen der Menschen, die wir vertreten. – Bericht: Roselyne Lefrançois (A6-0323/2008) Hubert Pirker (PPE-DE). – (DE) Frau Präsidentin! Ich spreche hier auch für die ÖVP-Delegation. Wir haben für diesen Bericht gestimmt, ganz einfach deshalb, weil alles unternommen werden muss, um Terrorismus rechtzeitig zu bekämpfen. Ich mache aber auf einen Punkt aufmerksam, gegen den wir ganz entschieden auftreten, und ich bin der Meinung, dass das Parlament einen Fehler gemacht hat. Wir sollten nicht den Straftatbestand der „öffentlichen Aufforderung zur Begehung einer terroristischen Straftat“ durch den Straftatbestand der „Anstiftung zur Begehung einer terroristischen Straftat“ ersetzen, aus dem ganz einfachen Grund, weil der Nachweis zur Anstiftung erst nachher erbracht werden kann, wenn die Tat bereits vollzogen ist, d. h. es womöglich Tote gegeben hat. Wir sind dafür, dass zeitgerecht eingeschritten werden kann, wenn ein terroristischer Akt noch nicht begangen wurde, d. h. vorher, damit Leben gerettet werden können. Frank Vanhecke (NI). – (NL) Frau Präsidentin! Ich bin natürlich dafür, Terrorismus effektiv zu bekämpfen, und ich halte diesen besonderen Bereich – den Kampf gegen Terrorismus – für einen Bereich, der eine sehr intensive grenzübergreifende Zusammenarbeit in Europa erfordert. Dieses eine Mal stimme ich weniger – man könnte fast sagen, gar nicht – mit den eher euroskeptischen Stimmen überein. Ich habe das Gefühl, dass in diesem Bereich zu stark auf die Karte der nationalen Souveränität gesetzt wird. Wir sollten aber den Mut haben, deutlicher zu werden – beispielsweise auch in diesem Bericht. Der Terrorismus in Europa kommt von der extremen Linken und/oder dem Islam. Dasselbe gilt für die Anstiftung zum Terrorismus, und diese findet nicht zuletzt in einigen der Moscheen statt, die sich vor nichts und niemandem verantworten müssen und in Europa derzeit wie die Pilze aus dem Boden schießen. Da liegt der Kern des Problems für ein Europa des 21. Jahrhunderts. Der Islam ist mit unseren westlichen Werten und Freiheiten nicht kompatibel, und ich fürchte, wir werden unsere Politik der offenen Türen und der offenen Grenzen noch heftig bereuen. David Sumberg (PPE-DE). - Frau Präsidentin! Dies ist eine wichtige Angelegenheit. Es ist wahrscheinlich eine der wichtigsten Fragen, vor denen wir heute im Westen stehen – die Bedrohung durch den internationalen Terrorismus. Wahrscheinlich weiche ich darin ein wenig von meine eigenen Partei ab, denn ich denke, wenn wir einen Preis in Bezug auf die bürgerlichen Freiheiten zahlen müssen, um die wahre Freiheit unserer Bürger zu schützen – nämlich ihre Gesundheit, Sicherheit und ihr Wohlergehen – dann muss dieser Preis eben gezahlt werden. Im Zweiten Weltkrieg wurden in meinem Land Maßnahmen ergriffen, die nicht mit den bürgerlichen Freiheiten in Einklang standen, um die Bevölkerung vor der Bedrohung von außen zu schützen. Die Menschen haben das akzeptiert. Heute stehen wir in Europa und in der zivilisierten Welt vor einer Bedrohung durch diejenigen, die nicht zivilisiert sind und das menschliche Leben nicht als heilig und als unverletzliches Gut betrachten. Wenn wir daher Gesetze brauchen, um sie an der Ausübung ihrer Taten zu hindern, dann sollten wir diese Gesetze machen, und zwar schnell. Czesław Adam Siekierski (PPE-DE). – (PL) Die Anschläge auf das World Trade Center im Jahr 2001 haben der ganzen Welt deutlich gezeigt, welch enorme Bedrohung von organisierten terroristischen Bewegungen ausgeht. Dank des Zugangs zu modernen Technologien haben diese Gruppen Zugriff auf bis dahin unerreichbare Kommunikationsmittel, die sie heute in Verbindung mit den Schwarzmärkten für Waffen zum größten Feind der demokratischen Welt machen. Trotz entschlossener Maßnahmen ist es der Europäischen Union nicht gelungen, sich vor solchen Anschlägen zu schützen. Angesichts des besonderen Handlungsbedarfs zum zuverlässigen Schutz der der EU-Bürger möchte ich feststellen, dass eine supranationale Zusammenarbeit zwischen den zuständigen Sicherheitsorganen die beste Methode darstellt, organisierte terroristische Gruppen zu bekämpfen. Die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik hat dafür eine gute Grundlage geschaffen, und ihre Weiterentwicklung liegt in unser aller Interesse.

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Philip Claeys (NI). – (NL) Frau Präsidentin! Ich habe für den Lefrançois-Bericht gestimmt. Es ist natürlich nicht perfekt, aber zumindest befasst er sich mit dem Problem der Islamisten, die zur Gewalt anstiften und die Muslime zum Dschihad aufrufen. Wir alle wissen, dass es unzählige Moscheen gibt, die Brutstätten des Fundamentalismus sind, in denen junge Menschen für terroristische Organisationen rekrutiert werden und in denen die Gläubigen Tag für Tag zu einem Heiligen Krieg gegen unsere europäischen Werte aufgerufen werden. Es ist höchste Zeit, dem ein Ende zu setzen und harte Maßnahmen auch gegen diejenigen zu ergreifen, die als Komplizen an Terrorakten beteiligt sind. – Bericht: Martine Roure (A6-0322/2008) Hubert Pirker (PPE-DE). – (DE) Herr Präsident! Ich habe für diesen Bericht gestimmt, ganz einfach deshalb, weil es notwendig ist, dass wir alle Maßnahmen ergreifen, damit die polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit über die Grenzen hinweg effizient gestaltet wird. Dazu brauchen wir den Datenaustausch, aber wir müssen darauf achten, dass es hier europaweit einheitliche Standards gibt. Was mir nicht behagt und wogegen ich gerne gestimmt hätte – es hat aber kein „separate vote“ gegeben –, das war der Änderungsantrag 10. Hier wollte Frau Roure nicht, dass wesentliche und ganz spezifische nationale Sicherheitsinteressen unberührt bleiben. Ich möchte im Gegensatz dazu, dass es in einem Rahmenbeschluss selbstverständlich auch möglich sein muss, ganz spezifische nationale Sicherheitsinteressen, die die innere Sicherheit eines Landes betreffen, tatsächlich unberührt zu lassen und eigenständig zu handeln. Ich halte das für absolut notwendig im Interesse einzelner Mitgliedstaaten. Frank Vanhecke (NI). – (NL) Frau Präsidentin! Dieses Haus hat, wie auch der Ausschuss, soeben mit großer Mehrheit beschlossen, dass die rassische oder ethnische Herkunft oder eine Reihe von anderen Parametern bei der Verarbeitung persönlicher Daten unter keinen Umständen berücksichtigt werden darf. Meiner Ansicht nach war der ursprüngliche Artikel 7 im Vorschlag des Rates klug und ausgewogen, aber das Parlament – dessen politische Korrektheit legendär ist – hat ihn natürlich geändert. Hier liegt das Parlament falsch. Präzise Basisinformationen sind nicht nur im Kampf gegen Verbrechen, sondern auch für eine verantwortungsvolle öffentliche Verwaltung erforderlich – und die ethnische oder nationale Herkunft einer Person könnte in dieser Hinsicht besonders bedeutsam sein. Das hat nichts mit Rassismus oder Diskriminierung zu tun. Ich bin immer wieder überrascht, wie manche MdEP, die in stalinistischer Manier dazu aufrufen, öffentliche Reden zu ahnden oder sogar Haftstrafen oder die Aufhebung der parlamentarischen Immunität für rechtsgerichtete Dissidenten fordern, kalte Füße bekommen, wenn es um ganz normale Datenverarbeitung geht – im Zusammenhang mit dem Kampf gegen Terrorismus, wohlgemerkt. – Bericht: David Hammerstein (A6-0336/2008) Victor Boştinaru (PSE). - Frau Präsidentin! Die heutige Abstimmung war ein wichtiger Moment im Kampf der Bürger für ihre Rechte, ihre europäischen Rechte. Die nationalen Regierungen lassen bisweilen ihre Bürger im Stich und weisen ihre berechtigten Ansprüche zurück. Mittels Petitionen können europäische Bürger ihre Stimme erheben und ihre Regierung zur Rechenschaft ziehen. Schließlich erhalten sie das ihnen zustehende Recht. Aber das ist nicht nur ein wichtiger Moment für die europäische Bevölkerung: Es ist auch ein äußerst wichtiger Zeitpunkt für das Europäische Parlament. Heute hat das Europäische Parlament mit der Abstimmung für den Hammerstein-Bericht seine Bereitschaft bewiesen, die europäischen Bürger zu verteidigen und zu schützen. Heute hat das Europäische Parlament die Gelegenheit ergriffen, wenigstens einen Teil des Vertrauens und der Glaubwürdigkeit zurückzugewinnen, die einige in Europa verloren haben. Viele unserer Mitbürger haben hart daran gearbeitet, in die EU aufgenommen zu werden, doch bei der Mitgliedschaft geht es nicht nur um Pflichten – es geht auch um Rechte. Wir sind heute hier, um unser Engagement für das Europa zu zeigen, das unsere Bürger von uns erwarten. Frank Vanhecke (NI). – (NL) Frau Präsidentin! Die Fraktion der Grünen/Freie Europäische Allianz hat soeben die Abstimmung zum Hammerstein-Bericht genutzt, um heimlich – ganz im Stillen – eine Abstimmung über den Sitz des Europäischen Parlaments abzuhalten, auch wenn dies tatsächlich gar nichts mit dem Bericht selbst zu tun hatte.

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Ich möchte klarstellen, dass ich für diesen Änderungsantrag der Grünen gestimmt habe, da auch ich der Meinung bin, dass das reisende Volkstheater, das das Europäische Parlament ist, bereits genug Steuergelder verschwendet, auch ohne die monatlichen Umzüge von Brüssel nach Straßburg. Daher befürworte auch ich – und das spiegelt sich in meiner Abstimmung wider – einen Sitz und einen Arbeitsplatz in Europa. Zum besseren Verständnis möchte ich noch hinzufügen, dass es meiner Meinung nach eine offene Aussprache geben müsste und dieser eine Sitz meiner Ansicht nach nicht unbedingt Brüssel sein muss. Schließlich bringt das Vorhandensein der Europäischen Organe in dieser Stadt auch soziale und politische Kosten sowie Personalkosten mit sich, die besprochen werden müssen und keinesfalls zu unterschätzen sind. – Bericht: Michl Ebner (A6-0327/2008) Czesław Adam Siekierski (PPE-DE). – (PL) Berggebiete sind ein wichtiger Raum der Biodiversität, ein Refugium für zahlreiche Tiere, wo sich zudem einmalige Pflanzenarten finden. Sie werden häufig auch Wassertürme genannt, da sie die Quellgebiete der Flüsse darstellen. Ihre landschaftlichen und ökologischen Besonderheiten werden von Touristen in der ganzen Welt geschätzt. Das Leben der Bewohner und die landwirtschaftlichen Tätigkeiten in diesen Gebieten sind jedoch alles andere als leicht. In den meisten Bergregionen der EU erleben wir einen Prozess der Entvölkerung, nachlassende Aktivitäten bei denen, die dort bleiben, und die Einstellung der landwirtschaftlichen Tätigkeiten. Das gilt insbesondere für Gegenden, die für Touristen weniger attraktiv sind und in Vergessenheit geraten. Zu den Problemen gehören die signifikante Entfernung von Städten, harte klimatische Bedingungen, Kommunikationsschwierigkeiten, hohe Produktionskosten und ein inadäquater Zugang zu Dienstleistungen aller Art, selbst zu Bildung und Gesundheitsversorgung. Das regionale Missverhältnis zwischen Bergregionen und Flachland liegt klar auf der Hand. Daher besteht eine dringende Notwendigkeit für eine besondere Unterstützung der Bergbauern, die nicht nur traditionell umweltfreundliche, gesunde Produkte herstellen, sondern sich auch um die Umwelt kümmern und Kulturen und Traditionen bewahren. Die Gemeinsame Agrarpolitik sollte mehr tun, um diese Regionen und die dort lebenden Menschen in ihrem Kampf gegen die Herausforderungen zu unterstützen, vor denen sie stehen. – Berichte: Poul Nyrup Rasmussen (A6-0338/2008), Klaus-Heiner Lehne (A6-0296/2008) Peter Skinner (PSE). - Frau Präsidentin! Niemand ist so blind wie die, die nicht sehen können. Ich stelle fest, dass Herr Hannan und Herr Sumberg die Kammer leider bereits verlassen haben, aber jeder, der meint, es gebe keine Turbulenzen auf den Finanzmärkten, sollte einfach die Zeitung lesen oder fernsehen. Wer glaubt, dass der Rasmussen- und der Lehne-Bericht etwas anderes getan haben als uns die Notwendigkeit bewusst zu machen, dass wir handlungsfähig sein müssen und dass auf einer gemeinsamen legislativen Ebene gehandelt werden muss, ignoriert die Wahrheit und auch die Realität einer globalen Weltwirtschaft. Ehrlich gesagt mag es das Gewissen bestimmter Leute erleichtern, wenn sie sich in einem kleinen England gemütlich zurücklehnen, aber es hilft den Leuten nicht, ihre Hypotheken zu tilgen, es hilft den Leuten nicht, ihre Häuser zu behalten und es hilft den Leuten nicht, ihre Arbeitsplätze im Dienstleistungssektor und in der Industrie zu halten. Nur durch die Europäische Union und Regulierungsmaßnahmen, worin wir extrem gut sind, werden wir etwas dagegen unternehmen können. Es stimmt, dass die Märkte von uns erwarten, dass wir feinfühlig vorgehen, aber sie erwarten auch keine überstürzte Reaktion. Tatsache ist jedoch: Wenn wir nichts tun, einfach stillhalten und schweigen, dann wird man uns angesichts des Tumults und der Krise ehrlich gesagt der Feigheit bezichtigen. – Bericht: Roselyne Lefrançois (A6-0323/2008) Avril Doyle (PPE-DE). - Frau Präsidentin! Ich unterstütze uneingeschränkt das Ziel des Lefrançois-Berichts, aber in diesem Kontext möchte ich meine Erklärung nur nutzen – da ich den Bericht unterstützt habe und nicht in der Position bin, darüber sprechen zu können –, um Kommissar Tajani dringend aufzufordern, die laufenden bilateralen Abkommen mit den Flughafenbehörden anderer Drittländer in Bezug auf die Flughafensicherheit zu beschleunigen, die aufgrund der terroristischen Zwischenfälle eingefroren wurden, insbesondere die bilateralen Abkommen im gesamten Bereich zum Kauf zollfreier Flüssigkeiten. Das ist vielleicht ein sehr kleines Problem im Kontext der enormen Herausforderungen, vor denen wir heute weltweit stehen, aber wir in der EU müssen bei unserem Handeln das Herz und den Verstand unserer Bürger ansprechen. Erneut wurden in diesem Sommer allen Auslandsreisenden oder Besuchern aus Australien, den USA und anderen Ländern, die nach Irland, Großbritannien, Deutschland und Frankreich reisten, ihre zollfreien Flüssigkeiten – die sie vermeintlich legal gekauft hatten – beim Transit über die großen Flughäfen Europas

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zu ihren Zielorten abgenommen. Das ist nur ein kleines Problem – diejenigen unter uns, die jede Woche reisen, haben sich schon an den Unfug gewöhnt, dass man uns den Lippenstift abnimmt, und ich bin sicher, das ist ein wesentlicher Beitrag zum Kampf gegen den Terrorismus. Ich möchte hier ein sehr ernstes Problem nicht auf die leichte Schulter nehmen, aber ich hätte gerne ein bisschen Sinn, Vernunft und bilaterale Zusammenarbeit in der ganzen Sache, sodass unsere Bürger – unsere Wähler – verstehen, was wir tun und weshalb wir es tun. – Bericht: David Hammerstein (A6-0336/2008) Avril Doyle (PPE-DE). - Frau Präsidentin! In Bezug auf den Hammerstein-Bericht bin ich der Linie der PPE-DE gefolgt und habe gegen den Änderungsantrag der Grünen über die beiden Sitze des Parlaments gestimmt. Ich möchte erklären, weshalb. Nicht deshalb, weil ich diesen monatlichen und manchmal zweimonatlichen Umzug nach Straßburg befürworte. Aus historischer Sicht verstehe ich, wie wir in diese Lage gekommen sind, in der wir uns nun befinden. Ich verstehe, dass 12 Besuche in Straßburg pro Jahr Teil des Vertrags sind, und wir akzeptieren dies, aber auf rationale und ruhige Art. Diejenigen unter uns, die ernsthafte Bedenken im Hinblick auf den mangelnden Zugang, die erschwerten Arbeitsbedingungen und die Notwendigkeit haben, all unsere Unterlagen, unsere Mitarbeiter, das Personal der Ausschüsse, des Parlaments und der Arbeitsgruppen 12 Mal im Jahr für vier Tage nach Straßburg zu schaffen, glauben, dass dies angesichts der enormen Kosten nicht mehr gerechtfertigt ist. Es ist ein schönes Gebäude, und wenn die Schwierigkeiten erst geklärt sind, könnten wir meiner Meinung nach eine andere wirklich seriöse Verwendung für dieses Gebäude finden. Straßburg und Frankreich verdienen es, dass dieses Gebäude eine große Institution beherbergt. Aber von uns zu erwarten, in Bezug auf personelle Ressourcen und Personalkosten effizient zu arbeiten und dabei weiterhin diese Pilgerfahrten nach Straßburg zu unternehmen, ist nicht mehr gerechtfertigt. Daher unterstütze ich mit meiner Abstimmung diejenigen, die nur einen Sitz für die Plenarsitzungen fordern, wünsche mir in dieser Frage aber eine rationale Aussprache, keine polarisierte, politische Debatte. Schriftliche Stimmerklärungen − Bericht: Helmut Markov (A6-0267/2008) Jean-Pierre Audy (PPE-DE), schriftlich. – (FR) Ich stimme für den Bericht meines deutschen Kollegen Herrn Markov für den Ausschuss für internationalen Handel als Änderung des Vorschlags für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über Gemeinschaftsstatistiken des Außenhandels mit Drittländern und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1172/95 des Rates. Ich begrüße die Entscheidung der Kommission, die Rechtsvorschriften klarer, einfacher und transparenter zu gestalten; das System der Statistik des Handels mit Drittländern an die einzuführenden Änderungen der Zollverfahren anzupassen; die Relevanz, Genauigkeit, Aktualität und Vergleichbarkeit der Außenhandelsstatistik zu verbessern und ein System der Qualitätsbewertung einzuführen; die Verknüpfung von Handelsstatistik und Unternehmensstatistik zu unterstützen; den Bedarf der Nutzer zu berücksichtigen und zusätzliche Handelsstatistiken zu erstellen, die die Daten der Zollanmeldungen nutzen, und schließlich entsprechend dem Verhaltenskodex für europäische Statistiken den privilegierten Zugang zu sensiblen Außenhandelsdaten zu kontrollieren. Ich unterstütze die Änderungsanträge, die zum Ziel haben, das Komitologieverfahren stärker und sorgfältiger einzusetzen. Rovana Plumb (PSE), schriftlich. − (RO) Ich stimme für diesen Bericht, weil der Entwurf dieser Verordnung die erforderlichen gesetzlichen Rahmenvorschriften bildet, um die Qualität und die Transparenz von EXTRASTAT (der Statistik für den Außenhandel zwischen den Mitgliedstaaten und Drittländern) zu verbessern, indem eine einfache Zollanmeldung in das Zollverfahren aufgenommen wird, um die Meldeverfahren zu vereinfachen. Die angemessene Durchsetzung dieser Verordnung ermöglicht eine bessere Vergleichbarkeit der Außenhandelsstatistiken und eine Stärkung der Kontrolle über den Zugang zu internen Daten in Bezug auf sensible Themen des Außenhandels. − Bericht: Katerina Batzeli (A6-0319/2008) John Attard-Montalto (PSE), schriftlich. − Wir haben uns oft gefragt, ob es sich lohnt, ein Jahr einem bestimmten Thema zu widmen. Die ganze Idee besteht darin, die Sichtbarkeit des Themas selbst zu erhöhen. Es ist eine Möglichkeit, Aufmerksamkeit zu erregen und ein bestimmtes Thema in den Mittelpunkt zu stellen. Das kann nicht schaden.

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Die Idee ist so populär geworden, dass wir bei der Auswahl des Themas sehr sorgfältig vorgehen müssen. Häufig geht es lediglich um die Priorität. Kreativität und Innovation sind ein ideales Thema, weil sie den Kern dessen betreffen, was Europa repräsentiert, und die Richtung vorgeben, die Europa einschlagen muss. Kreativität und Innovation können nicht in einem Vakuum bewertet werden. Man muss sie anhand des Beitrags verstehen, den sie leisten können. Sie sind insbesondere im Bereich der Verarbeitung von Bedeutung. Die Bedeutung von Kreativität und Innovation muss jedoch auch im Bereich der Dienstleistungen betrachtet werden. Nur durch kreative und innovative Ideen kann Europa wettbewerbsfähig bleiben. Einige Sektoren können nur überleben, wenn sie immer einen Schritt voraus sind. In gewissem Maß hat Europa erkannt, wie wichtig es ist, stärker in Forschung und Entwicklung zu investieren, und das ist gleichbedeutend mit dem gegenwärtigen Thema kreativer und innovativer Ideen. Jean-Pierre Audy (PPE-DE), schriftlich. – (FR) Ich stimme für den Bericht meiner griechischen Kollegin, Frau Batzeli, und unterstütze den Vorschlag für eine Entscheidung des Europäischen Parlaments und des Rates zum Europäischen Jahr der Kreativität und Innovation (2009). Ich unterstütze auch die Änderungsanträge, die prinzipiell zum Ziel haben, die Ziele des Vorschlags zu klären und prägnanter zu formulieren. Bei der Finanzierung stimme ich ebenfalls zu, dass in dem Vorschlag alle Verweise auf das Programm des lebenslangen Lernens gestrichen werden, sodass gegebenenfalls auch Programme und Strategien anderer Bereiche genutzt werden können, etwa Kultur, Kommunikation, Unternehmen, Kohäsion, Entwicklung des ländlichen Raums, Forschung und Informationsgesellschaft. Edite Estrela (PSE), schriftlich. − (PT) Ich habe für den Batzeli-Bericht über den Vorschlag für eine Entscheidung des Europäischen Parlaments und des Rates zum Europäischen Jahr der Kreativität und Innovation (2009) gestimmt, da ich glaube, dass Kreativität und Innovation von wesentlicher Bedeutung sind, damit Europa in einer globalisierten Welt wettbewerbsfähig bleibt. Kreativität ist sowohl aus wirtschaftlichen als auch aus sozialen Gründen ein zentraler Faktor für Innovation. Das Europäische Jahr der Kreativität und Innovation wird die politische Debatte fördern, die Öffentlichkeit für die Bedeutung von Innovation und Kreativität sensibilisieren und zur Verbreitung von Informationen über bewährte Verfahren innerhalb der Union führen. Ich halte es zudem für wichtig, dass sich das Parlament für die Mitentscheidung in diesem Bereich ausgesprochen hat, sodass es bei diesem wichtigen Thema Einfluss nehmen kann. Hélène Goudin und Nils Lundgren (IND/DEM), schriftlich. – (SV) Wir haben früher die verschiedenen Kampagnen für „Europäische Jahre“ kritisiert, die unterschiedlichen Themen gewidmet waren, beispielsweise dem interkulturellen Dialog oder der Kreativität und Innovation. Diese „Europäischen Jahre“ gehen zu Lasten des EU-Haushalts, also der Steuerzahler, zeigen in der Realität aber nur wenig Wirkung. Wenn ein Bedarf an „Europäischen Jahren“ besteht, sollten diese von privaten Sponsoren getragen werden, nicht von den Steuerzahlern. Daher haben wir uns entschlossen, gegen den vorgelegten Bericht zu stimmen, auch wenn er sich nur mit detaillierten Änderungsanträgen zum Vorschlag der Kommission befasst. Mikel Irujo Amezaga (Verts/ALE), schriftlich. − (ES) Ich habe für den Bericht gestimmt, sofern sich die Kommission verpflichtet, selbst für Innovation in allen Bereichen zu sorgen. Im Jahr der Kreativität und Innovation sollte Innovation für alle Organisationen und Institutionen gelten, ob öffentlich oder privat, gewinnorientiert oder gemeinnützig, und alle Aspekte des Lebens; insbesondere sollten soziale Innovation und Innovation zur Unterstützung der ökologischen Nachhaltigkeit gefördert werden. Wir sollten zudem die nichtstaatlichen Stellen berücksichtigen, die in diesem Bereich eine zentrale Rolle spielen. Zusätzlich sollte ein Konzept der offenen Innovation angeregt werden. Innovation, die sowohl auf internen Fähigkeiten beruht als auch alle möglichen Quellen einschließt – Benutzer, Anbieter, Netzwerke usw. – und die, indem sie über Produkte und Technologien hinausgeht, die immateriellen und in der Regel äußerst vielfältigen Aspekte beinhaltet, die zur Wertschöpfung führen. Schließlich müssen wir die Kultur der Zusammenarbeit erweitern, indem wir in Netzwerken arbeiten und Werkzeuge und Methoden nutzen, um die Dynamik in diesen Netzwerken zu erzeugen, damit sie sich mit ihrer Umgebung weiterentwickeln, und wir müssen für eine führende Forschung und sichtbare Ergebnisse in puncto Wettbewerbsfähigkeit und Wertschöpfung für die Gesellschaft sorgen.

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Jörg Leichtfried (PSE), schriftlich. − (DE) Ich stimme für den Bericht von Katerina Batzeli über das Europäische Jahr der Kreativität und der Innovation 2009. Informations- und PR-Kampagnen sowie Veranstaltungen und Initiativen auf europäischer, nationaler und lokaler Ebene zur Förderung von Kreativität und Initiative empfinde ich als überaus wichtig. Kreativität ist auch ein wichtiger Faktor für die Entwicklung persönlicher und sozialer Kompetenzen. Dieses Förderungsjahr soll die Kreativität und Innovationsfähigkeit Europas verbessern, um auf bestimmte Herausforderungen der Globalisierung reagieren zu können. Dieser Bericht unterstreicht die Wichtigkeit von Kreativität und Innovation. Ich sehe dieses Förderungsjahr als eine gute Möglichkeit, Wissen über Kreativitätsprozesse und verschiedene Vorgehensweisen zu verbreiten. David Martin (PSE), schriftlich. − Ich unterstütze Katerina Batzelis Bericht über die Einrichtung eines Europäischen Jahrs der Kreativität und Innovation 2009. Der Bericht bietet nicht nur eine stärker detaillierte Darstellung der Initiative, sondern er befasst sich auch in angemessener Weise mit der Gefahr, dass diese „Europäischen Jahre“ zu einer reinen PR-Veranstaltung werden könnten. Andreas Mölzer (NI), schriftlich. − (DE) In Gegenden, in denen die Natur den Menschen schwierige Rahmenbedingungen entgegenstellt, müssen diese kreativ und innovativ agieren, um zu überleben. So können die europäischen Völker heute auf eine Geschichte bahnbrechender Errungenschaften zurückblicken, und Fachfirmen sind ob ihres Einfallsreichtums weltweit gefragt. Aber Europa gilt auch als kulturelle Hochburg – und gerade darauf sollte im Rahmen des „Europäischen Jahres der Kreativität und Innovation 2009“ besonderes Augenmerk gelegt werden. Derzeit bereitet sich neben dem litauischen Vilnius Linz auf die Rolle als „Kulturhauptstadt 2009“ vor. Dabei werden kreative und innovative Projekte unter Einbeziehung der Umlandregionen für ein Kulturerlebnis der besonderen Art sorgen. Es ist zu begrüßen, wenn im Rahmen dieses prestigeträchtigen Titels ganze Stadtviertel in neuem Glanz erstrahlen, neue Bauwerke und Projekte angegangen werden, sofern dabei nicht auf die Nachhaltigkeit vergessen wird. Es muss in der EU ein Schwerpunkt darauf liegen, dass die Gelder nicht in Einmal-Events verpuffen, damit geschaffene Strukturen nicht sofort nach Ablauf des Jahres in der Versenkung verschwinden. Ein Kulturhauptstadt-Projekt ist nur dann erfolgreich und innovativ, wenn Kultur in der jeweiligen Stadt dauerhaft etabliert bleibt. Gerade dieser Überlegung sollte im vorliegenden Bericht mehr Geltung geschenkt werden, weshalb ich mich meiner Stimme enthalten habe. − Bericht: Augustín Díaz de Mera García Consuegra (A6-0339/2008) Jean-Pierre Audy (PPE-DE), schriftlich. – Ich stimme für den Bericht meines spanischen Kollegen, Herrn Díaz de Mera García Consuegra, zur Billigung des Vorschlags für eine Verordnung des Rates zur Änderung der Verordnung (Euratom, EGKS, EWG) Nr. 549/69 zur Bestimmung der Gruppen von Beamten und sonstigen Bediensteten der Europäischen Gemeinschaften, auf welche die Artikel 12, 13 Absatz 2 und Artikel 14 des Protokolls über die Vorrechte und Befreiungen der Gemeinschaften Anwendung finden. Der Beschluss des Rates zur Einrichtung des Europäischen Polizeiamtes (Europol), der die Finanzierung von Europol aus dem gemeinschaftlichen Haushalt vorsieht, gilt ab dem 1. Januar 2010 oder dem Datum der Anwendung des Vorschlags zur Änderung der Verordnung des Rates (Euratom, EGKS, EWG) Nr. 549/69, wenn diese später erfolgt. Um sicherzustellen, dass die Europol-Entscheidung ab dem 1. Januar 2010 gilt, war es notwendig, die Verordnung des Rates (Euratom, EGKS, EWG) Nr. 549/69 rechtzeitig zu ändern, die besagt, dass die Befreiung von der Gerichtsbarkeit nicht für Europol-Bedienstete gilt, die einer gemeinsamen Ermittlungsgruppe angehören, die von mindestens zwei Mitgliedstaaten auf ihre eigene Initiative hin eingerichtet wird. Gerard Batten (IND/DEM), schriftlich. − Dieser Änderungsantrag scheint die Befreiung von einer Strafverfolgung von Europol-Beamten einzuschränken, doch dies gilt nur für Bedienstete, die einer gemeinsamen Ermittlungsgruppe angehören. Das ist lediglich ein Vorwand, damit es so aussieht, als würde die Immunität von Europol-Beamten eingeschränkt, wohingegen die Befugnisse von Europol nach dem Jahr 2010 tatsächlich erweitert werden und die Immunität seiner Beamten noch weiter greift. Ich glaube nicht, dass Europol-Beamte überhaupt von Strafverfolgungen befreit werden sollten, daher habe ich gegen diesen Änderungsantrag gestimmt.

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David Martin (PSE), schriftlich. − Der Bericht von Augustín Díaz de Mera García Consuegra zum Status von Bediensteten in Bezug auf Vorrechte und Befreiungen versucht, bereits bestehende Richtlinien zu diesem Thema zu klären. Daher habe ich für den Bericht gestimmt. − Bericht: Kyösti Virrankoski (A6-0353/2009) Jean-Pierre Audy (PPE-DE), schriftlich. – (FR) Ich stimme für den Bericht meines finnischen Kollegen Herrn Virrankoski mit dem Vorschlag zur Billigung des Entwurfs des Berichtigungshaushaltsplans Nr. 6/2008 der Europäischen Union für das Haushaltsjahr 2008, der Folgendes enthält: Stärkung des Rahmenprogramms für Wettbewerb und Innovation – Unternehmerische Initiative und Innovation durch die Aufstockung der Verpflichtungsermächtigungen um 3,9 Millionen Euro; Erhöhung der Verpflichtungsermächtigungen von 2,24 Millionen Euro, unter anderem zur Deckung eines Teils der Anmietung und der damit verbundenen Kosten eines neuen Gebäudes für Eurojust; Haushaltsanpassungen an die Anzahl der Stellen in drei Exekutivagenturen; Schaffung der notwendigen Haushaltsstruktur für das Gemeinsame Unternehmen „Brennstoffzellen und Wasserstoff“ (FCH JU), dem fünften Gemeinsamen Unternehmen im Rahmen des Siebten Rahmenprogramms, sowie Zuweisung von Verpflichtungsermächtigungen in Höhe von 30 Millionen Euro und von Zahlungsermächtigungen in Höhe von 1,9 Millionen Euro. Ich teile uneingeschränkt die Ansicht des Berichterstatters, dass das Europäische Parlament als Teil der Haushaltsbehörde gemäß Artikel 179 Absatz 3 der Haushaltsordnung über das Immobilienprojekt für Eurojust hätte unterrichtet werden müssen, da es erhebliche finanzielle Auswirkungen auf den Haushaltsplan hat. − Bericht: Thijs Berman (A6-310/2008) Jean-Pierre Audy (PPE-DE), schriftlich. – (FR) Ich stimme für den Initiativbericht meines niederländischen Kollegen Herrn Berman über die Nachfassaktionen zu der Konferenz von Monterrey (2002) über Entwicklungsfinanzierung. Wir müssen das Engagement des Parlaments für die Beseitigung der Armut, eine nachhaltige Entwicklung und das Erreichen der Millenniums-Entwicklungsziele (MDG) als einzigen Weg zu sozialer Gerechtigkeit und einer besseren Lebensqualität für die rund eine Milliarde Menschen, die weltweit in extremer Armut leben, kontinuierlich bekräftigen. Die Europäische Union ist der weltgrößte Geber von Entwicklungshilfe und leistet knapp 60 % der weltweiten öffentlichen Entwicklungshilfe. Ich unterstütze den Vorschlag, Kleinunternehmern, insbesondere Bauern, Zugang zu Mikrokrediten zu gewähren, um die Nahrungsmittelproduktion anzukurbeln und die Lebensmittelkrise nachhaltig zu lösen. Ich begrüße auch den Vorschlag, die Europäische Investitionsbank (EIB) aufzufordern, einen Garantiefonds zur Unterstützung von Programmen für Mikrokredite und Risikobegrenzung zu schaffen, die genau auf die Bedürfnisse lokaler Nahrungsmittelerzeuger in ärmeren Entwicklungsländern abgestimmt sind. Dieser Vorschlag ist allerdings nur im Rahmen eines Mandats der Kommission sinnvoll. Marie-Arlette Carlotti (PSE), schriftlich. – (FR) Im Jahr 2001 ging die EU eine große Verpflichtung ein: 0,7 % ihres Vermögens sollte bis 2015 in die Entwicklungshilfe fließen. Im Jahr 2007 hielt Europa diese Verpflichtung nicht ein, und die gemeinsamen Anstrengungen erlebten einen drastischen Rückgang. Das entspricht insgesamt 1,7 Milliarden Euro, die die Ärmsten auf diesem Planeten nicht erhalten. 1,7 Milliarden Euro, die für tausende Kinder eine Gesundheitsversorgung hätten bereitstellen können, in einer Zeit, da jährlich 11 Millionen Menschen sterben, weil sie keinen Zugang zu Gesundheitsversorgung haben. 1,7 Milliarden Euro, die für einige der 114 Millionen Kinder ohne Grundschulbildung den Zugang dazu ermöglicht hätten. Die Hauptverantwortung der EU in Bezug auf die internationale Solidarität besteht darin, ihr Wort zu halten. Die EU muss jedoch die Effektivität ihrer Hilfen garantieren, um eine echte Verbesserung der Situation der Ärmsten zu erreichen. Die Konferenz von Monterrey im Jahr 2002 hat einen Fahrplan erstellt, der sich insbesondere mit dem Ende der gebundenen Entwicklungshilfe, der Beschleunigung von Initiativen zum Schuldenerlass und der Einführung innovativer Finanzierungsprogramme wie der „Tobin-Steuer“ befasst.

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Nach sechs Jahren hat die EU immer noch einen weiten Weg vor sich. Bei der Doha-Konferenz in einigen Wochen sollte es möglich sein, weitere Fortschritte zu machen. Die Hälfte der Menschheit zählt darauf… Hélène Goudin und Nils Lundgren (IND/DEM), schriftlich. – (SV) Der Bericht 2008 der Vereinten Nationen zu den Millenniums-Entwicklungszielen führt aus, dass die internationale Gemeinschaft weiterhin bereit sein muss, einen Großteil der Verantwortung für die Herausforderungen zu übernehmen, vor denen die Menschheit steht. Extreme Armut und Hunger, Kindersterblichkeit, schlechte Gesundheit der Mütter, HIV/AIDS, Malaria und andere Krankheiten und das Fehlen einer allgemeinen Grundschulbildung sind nur einige der Herausforderungen, die die Aufmerksamkeit und die Anerkennung aller Länder weltweit verdienen. In Übereinstimmung mit der Position der Juniliste sagt der Bericht, dass bei diesen Herausforderungen in vielen Fällen eine internationale Koordination erforderlich ist. Die Juniliste ist jedoch der Ansicht, dass eine solche Zusammenarbeit durch Organisationen mit einer breiten internationalen Legitimation und langjähriger Erfahrung koordiniert werden sollte, beispielsweise die Vereinten Nationen, jedoch nicht durch die EU. Die Juniliste kann auch die Passagen des Berichts, die sich ganz offen für eine direkte Kontrolle der bilateralen Hilfsprogramme der einzelnen EU-Länder aussprechen, nicht unterstützen. Staatshilfen sind eine nationale Angelegenheit und müssen das auch bleiben. Daher hat die Juniliste gegen diesen Bericht gestimmt. Pedro Guerreiro (GUE/NGL), schriftlich. − (PT) Neben den vielen Fragen und Kommentaren, die der Inhalt (und die Auslassungen) des Berichts aufwerfen, sollte auch seine Verurteilung des Umfangs der öffentlichen Entwicklungshilfe hervorgehoben werden: - „… stellt aber einen alarmierenden Rückgang der EU-Hilfe von 47,7 Milliarden Euro im Jahr 2006 (…) auf 46,1 Milliarden Euro im Jahr 2007 (…) fest ...“; - „weist darauf hin, dass die EU 75 Milliarden Euro weniger gegeben haben wird als für den Zeitraum 2005-2010 zugesagt wurde, sollte sich der derzeitige Trend fortsetzen“; - „ist ernsthaft besorgt, dass es einer Mehrheit der Mitgliedstaaten (18 von 27, insbesondere Lettland, Italien, Portugal, Griechenland und der Tschechischen Republik) nicht gelungen ist, den Umfang ihrer öffentlichen Entwicklungshilfe zwischen 2006 und 2007 aufzustocken, und dass in einigen Ländern wie Belgien, Frankreich und dem Vereinigten Königreich sogar ein spektakulärer Rückgang von mehr als 10 % zu verzeichnen ist; …“; - „stellt fest, dass der Rückgang der gemeldeten Hilfe im Jahr 2007 in einigen Fällen auf das künstliche Aufblähen der Zahlen von 2006 durch Schuldenerlasse zurückzuführen sind; …“; - „betrachtet die Diskrepanz zwischen den regelmäßigen Zusagen von mehr finanzieller Hilfe und den erheblich geringeren Beträgen, die tatsächlich zur Auszahlung gelangen, als vollkommen unannehmbar …“; Worte, die für sich selbst sprechen … Filip Kaczmarek (PPE-DE), schriftlich. − (PL) Ich habe für den Bericht gestimmt. Die Finanzierung der Entwicklungshilfe ist keine leichte Aufgabe. Es ist nicht leicht, den europäischen Steuerzahlern zu erklären, warum ihr Geld so weit entfernt von seinem „Herkunftsland“ ausgegeben wird. Auf der anderen Seite besteht angesichts des Wunsches, die Millenniums-Entwicklungsziele (MDG) zu erreichen, und aufgrund früherer Zusagen ein enormer Bedarf an Hilfsfonds. Im EU-Maßstab wird die Haltung einiger Staaten zu einem besonderen Problem. Einige Mitgliedstaaten, zum Beispiel Frankreich und Großbritannien, haben ihre öffentliche Entwicklungshilfe gekürzt. Man kann sich leicht vorstellen, welch abschreckende Wirkung dies auf Länder hat, die weniger wohlhabend sind als diese und in denen die Entwicklungshilfe noch ganz am Anfang steht. Wir müssen auch genau prüfen, wie die Hilfestatistiken zustande kommen. Jedes Land möchte der Kategorie „Entwicklungshilfe“ möglichst viele Ausgaben zuweisen. Das führt in der Tat zu einigen eher lächerlichen Situationen. In meinem Land, Polen, wurde letzte Woche ein Bericht über die Entwicklungshilfe im Jahr 2007 veröffentlicht. Daraus geht hervor, dass kein Geringerer als China der größte Empfänger polnischer Entwicklungshilfen war. Der Grund dafür liegt nicht darin, dass China das ärmste Land der Welt ist China als bevorzugtes Ziel für die polnische Entwicklungshilfe betrachtet wird. China wurde aus dem einfachen Grund zum größten Empfänger polnischer Entwicklungshilfen, weil ein Exporthandelsvertrag mit diesem Land unter der Kategorie Entwicklungshilfe ausgewiesen wurde. David Martin (PSE), schriftlich. − In Bezug auf die Effektivität, Transparenz und Flexibilität der Finanzierung der Entwicklungshilfe muss vor der Doha-Konferenz zur Entwicklungsfinanzierung Ende November ein

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gemeinsamer europäischer Standpunkt erarbeitet werden. Der Bericht von Thijs Berman geht in diese Richtung. Ich stimme zu, dass wir eine Reform brauchen, damit die Entwicklungsländer bei IWF und Weltbank stärker vertreten sind. Auch stimme ich der Forderung des Berichterstatters zu, die Mitgliedstaaten zu ermutigen, einen entsprechenden Zeitplan zu erstellen, damit 0,7 % des europäischen BSP bis 2015 in die öffentliche Entwicklungshilfe fließen. Daher habe ich für den Bericht gestimmt. Jan Mulder (ALDE), schriftlich. – (NL) Die Mitglieder der Volkspartei für Freiheit und Demokratie (VVD) im Europäischen Parlament haben für den Berman-Bericht gestimmt. Einer der Gründe dafür ist, dass er nützliche Kommentare zu der möglichen Rolle der Europäischen Investitionsbank in den Entwicklungsländern enthält. Die Mitglieder der VVD distanzieren sich jedoch von dem 0,7-%-Ziel für die Entwicklungszusammenarbeit, das in diesem Bericht festgehalten wird. Bei der Entwicklungszusammenarbeit zählt Qualität, nicht Quantität. Toomas Savi (ALDE), schriftlich. − Durch die Turbulenzen an den globalen Finanzmärkten sind die Regierungen der Mitgliedstaaten schwer unter Druck geraten. Die estnische Regierung zum Beispiel bemüht sich seit Monaten um einen ausgeglichenen Haushaltsentwurf für das Jahr 2009. Ich haben den Bericht von Thijs Berman zwar unterstützt, habe jedoch ernsthafte Zweifel, dass der anvisierte Umfang der öffentlichen Entwicklungshilfe in den nächsten Jahren erreicht werden kann. Da die EU in Bezug auf die Entwicklungshilfe keine Zwangsmaßnahmen ergreifen kann, wäre es naiv zu erwarten, dass die Mitgliedstaaten ihren Beitrag angesichts der finanziellen Unsicherheit signifikant erhöhen. − Bericht: Charlotte Cederschiöld (A6-0272/2008) Małgorzata Handzlik (PPE-DE), schriftlich. − (PL) Der europäische Binnenmarkt ist eine der wichtigsten Errungenschaften im Prozess der europäischen Integration. Nur ein gut funktionierender Binnenmarkt kann unternehmerischen Wettbewerb garantieren und die Entwicklung der europäischen Wirtschaft unterstützen. Der Binnenmarktanzeiger ist ein Instrument, mit dem der Fortschritt bei der Einführung, der ordnungsgemäßen Umsetzung und der korrekten Anwendung von Richtlinien zum Binnenmarkt überwacht werden kann. Die Analyse der Daten im Binnenmarktanzeiger bietet einige außergewöhnlich interessante Informationen über die Arbeit der Mitgliedstaaten bei der Einführung von EU-Rechtsvorschriften. Sie ist ein typisch politisches Instrument, das jedoch nicht leichtfertig abgetan werden sollte. Sie sollte vielmehr als Instrument dienen, um verantwortungsvolle Mitarbeiter zu ermutigen, für eine schnellere und ordnungsgemäße Umsetzung zu sorgen. Das gilt besonders für die neuen Mitgliedstaaten, in denen das Defizit bei der Umsetzung von Rechtsvorschriften oftmals über das Ziel hinausgeht, das die Staats- oder Regierungschefs festgelegt haben. Der Binnenmarktanzeiger sollte zudem häufiger in Diskussionen zum Stand des Binnenmarkts herangezogen werden. Es ist daher von wesentlicher Bedeutung, den Anzeiger klarer zu gestalten, sodass er auch von Bürgern genutzt werden kann, die sich für den Binnenmarkt interessieren. Die Berichterstatterin hat insbesondere auf die Tatsache aufmerksam gemacht, dass bestimmte Richtlinien, beispielsweise die Dienstleistungsrichtlinie, für ein effektives Funktionieren des Binnenmarkts wichtiger sind als andere. Ich teile diese Ansicht der Berichterstatterin und denke daher, dass die Europäische Kommission Indikatoren beachten sollte, die die unmittelbare Bedeutung von Richtlinien für Unternehmen und Bürger besser darstellen. Marian Zlotea (PPE-DE), schriftlich. − (RO) Mit meiner heutigen positiven Abstimmung für den Binnenmarktanzeiger unterstütze ich die rechtzeitige Durchsetzung und die korrekte Umsetzung der Binnenmarktrichtlinien in nationales Recht, da diese Richtlinien die Voraussetzung für das effektive Funktionieren des Binnenmarkts und für die Förderung der Wettbewerbsfähigkeit sowie des sozialen und wirtschaftlichen Zusammenhalts innerhalb der EU bilden. Diese beiden Instrumente, der Binnenmarktanzeiger und das Verbraucherbarometer, tragen gemeinsam zur Verbesserung des Binnenmarkts bei, was für die Verbraucher von Vorteil ist. Der Anzeiger sollte eine rechtzeitige und korrekte Umsetzung fördern, gleichzeitig aber auch zu einem Hilfsmittel werden, mit dem politische Entscheidungsträger Hemmnisse und Bereiche identifizieren können, in denen neue Initiativen erforderlich sind. Ich hoffe, dass die Ergebnisse der heutigen Abstimmung zu einer Stärkung des SOLVIT-Netzwerks führen und die Mitgliedstaaten die Dienste dieses Netzwerks zum Nutzen der Verbraucher unterstützen werden. Die Mitgliedstaaten müssen außerdem sicherstellen, dass die SOLVIT-Zentren über eine angemessene Personalausstattung verfügen, um die Bearbeitungsdauer reduzieren und Beschwerden schneller regeln zu können.

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− Bericht: Maria Badia i Cutchet (A6-0304/2008) John Attard-Montalto (PSE), schriftlich. − Die Gewinnung der besten Kandidaten für den Lehrerberuf sollte für Bildungsministerien Priorität haben. Der Beruf muss ausreichend attraktiv sein. Die Vergütung der Lehrer muss ihre Bedeutung für die Gesellschaft widerspiegeln. Investitionen in Bildung sind immer gut angelegt. Für die Lehrerbildung müssen mehr Mittel zur Verfügung gestellt werden. Dieser Beruf muss ein erfüllender Beruf sein. Er sollte hoch angesehen sein. Es ist entscheidend, dass die Lehrerbildung im Rahmen des Programms „Lebenslanges Lernen“ unterstützt wird. Durch den Lehreraustausch zwischen Schulen in verschiedenen Ländern kann für frischen Wind gesorgt werden. Der Platz eines Lehrers ist das Klassenzimmer. Bürokratie in Form zunehmender administrativer Tätigkeiten und Büroarbeit führt dazu, dass die Lehrer weniger Zeit für ihre Schüler haben. Die Gewalt an Schulen ist ein weiterer Grund zur Besorgnis. Die Aggression an Schulen nimmt zu, ob sie von Schülern oder ihren Eltern ausgeht. Es muss alles getan werden, um Gewalt und Aggression an Schulen einzudämmen. Jean-Pierre Audy (PPE-DE), schriftlich. – (FR) Ich stimme für den Initiativbericht meiner spanischen Kollegin Frau Badia i Cutchet zur Verbesserung der Qualität der Lehrerbildung und unterstütze uneingeschränkt die Analyse, dass „durch eine höhere Qualität der Lehrerbildung die Leistungen von Schülern deutlich gesteigert werden können“. Ich stimme ebenfalls zu, dass es für alle Bildungsministerien oberste Priorität haben sollte, mehr und qualitativ bessere Lehrerbildung zur Verfügung zu stellen und die besten Kandidaten für den Lehrerberuf zu gewinnen. Es ist dringend erforderlich, die Lehrermobilität und das Erlernen von Fremdsprachen zu fördern. Wir sollten aber auch die hervorragende Beherrschung der Muttersprache fördern, denn damit können sich Schüler leichter anderes Wissen aneignen. Die Zusammenarbeit in all diesen Bereichen wird bei der Organisation eines Schulaustauschs (von Schülern und Lehrern) äußerst nützlich sein, der unabhängig von der Jahrgangsstufe und auf der Basis des bereits im Erasmus-Programm für Studierende verwendeten Modells erfolgt. Koenraad Dillen (NI), schriftlich. – (NL) Als ehemaliger Lehrer an einer als multikulturelle Problemschule bekannten Schule in Antwerpen kann ich die Bedenken der Berichterstatterin bezüglich der Unterrichtsqualität in der EU nur begrüßen. Es ist jedoch Sache der einzelnen Mitgliedstaaten und nicht der EU, sich Gedanken zu machen, was in Bezug auf die Qualität des Unterrichts zu tun ist. Wenn es ein Gebiet gibt, in dem das Subsidiaritätsprinzip und der Respekt vor unterschiedlichen Kulturen gelten müssen, dann ganz sicher die Bildung. Die Bildung muss nicht multikulturell sein, wie es in diesem Bericht heißt; sie muss lediglich qualitativ hochwertig sein. Ich habe beispielsweise in Flandern allzu oft gesehen, dass die Qualität gerade an den multikulturellen „konzentrierten“ Schulen – den Schulen mit hohem Migrantenanteil – ein Problem darstellt. Ideologische Scheuklappen sind hier kein Heilmittel. Aus diesem Grund habe ich aus voller Überzeugung gegen diesen Bericht gestimmt. Edite Estrela (PSE), schriftlich. − (PT) Ich stimme für den Bericht von Frau Badia i Cutchet über die Verbesserung der Qualität der Lehrerbildung, da ich überzeugt bin, dass die Verbesserung der Bildung in der Europäischen Union ein zentraler Faktor zur Förderung einer hochwertigen allgemeinen und beruflichen Bildung ist, die wiederum dazu beiträgt, Arbeitsplätze zu schaffen und die Wettbewerbsfähigkeit und das Wachstum Europas zu steigern, was auch den Zielen der Lissabon-Strategie entspricht. Zum Thema der Gewalt an Schulen möchte ich die Empfehlung der Berichterstatterin wiederholen, dass es notwendig ist, die erforderlichen Instrumente und Mechanismen zu schaffen, um diesem Phänomen wirksam entgegenzuwirken, wofür eine Zusammenarbeit zwischen den Lehrkräften und den Eltern erforderlich ist. Hélène Goudin und Nils Lundgren (IND/DEM), schriftlich. – (SV) Wir haben uns entschieden, in der Schlussabstimmung gegen diesen Bericht zu stimmen. Dies ist eine extrem wichtige Angelegenheit – so wichtig, dass sie in der politischen Verantwortung der Mitgliedstaaten und ihrer jeweiligen Behörden verbleiben muss. Die Mitgliedstaaten müssen die alleinige Verantwortung für die Organisation der Bildung und die Ausbildungsinhalte haben. Das ist ein weiterer Versuch des Ausschusses für Kultur und Bildung des

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Europäischen Parlaments, sich in einen Bereich einzumischen, der derzeit gar nicht in die Zuständigkeit der Union fällt, obgleich es einige gerne sehen würden, dass sich die Union zu unser aller Wohl einbringt. Dieser Initiativbericht ist eine Verschwendung von Steuergeldern, mit der das Europäische Parlament nichts zu tun haben sollte. Ian Hudghton (Verts/ALE), schriftlich. − Der Badia-Bericht enthält viele positive Punkte. Die Qualität der Lehrerbildung hat direkte und erhebliche Auswirkungen auf die Bildung unserer Kinder. Die EU-weite Zusammenarbeit sollte gefördert werden, um einen hohen Unterrichtsstandard zu erreichen. Ich bin jedoch der Ansicht, dass die Entscheidungen über den Inhalt der Lehrpläne und die Führung der Schulen im kulturellen und politischen Kontext der jeweiligen Bildungssysteme der verschiedenen Nationen getroffen werden sollten. Bisweilen tendiert der Badia-Bericht dazu, Themen auf einer EU-weiten Basis vorzuschreiben, daher habe ich mich in der Schlussabstimmung enthalten. David Martin (PSE), schriftlich. − Der Bericht von Maria Badia i Cutchet hat meine volle Unterstützung. Um die hohe Qualität unserer jeweiligen Bildungssysteme zu bewahren, brauchen wir gut ausgebildete Lehrkräfte. Die Lehrerbildung muss im Kontext der Anforderungen eines modernen Unterrichts entwickelt werden, und ich glaube, dass dieser Bericht dieser Tatsache Rechnung trägt. Mary Lou McDonald (GUE/NGL), schriftlich. − Der Bericht von Frau Badia i Cutchet über die Verbesserung der Qualität der Lehrerbildung von heute berührt einige wichtige Fragen. Der Bericht weist zu Recht auf die Notwendigkeit einer angemessenen Vergütung für Lehrer, einer angemessenen Ausbildung und einer geeigneten Lehrmittelausstattung hin. Die letzte Entscheidung liegt jedoch bei den nationalen Regierungen, die unsere Bildungssysteme finanzieren, um die Bildung unserer Kinder zu gestalten. In Irland werden Kinder heute noch in Fertighäusern anstatt in ordentlichen, sicheren Gebäuden unterrichtet. Das Schüler-Lehrer-Verhältnis ist nach wie vor zu hoch, als dass wir unseren Kindern die bestmögliche Bildung bieten könnten. Diese Probleme müssen mithilfe geeigneter kurz- und langfristiger Investitionen zuerst angegangen werden, vor allen Dingen in Irland. Zita Pleštinská (PPE-DE), schriftlich. − (SK) Die Entwicklung von Informations- und Kommunikationstechnologien sorgt derzeit für größere Anforderungen an den Lehrberuf, da das Bildungsumfeld zunehmend komplexer und vielseitiger wird. Ich habe für den Bericht von Frau Badia i Cutchet gestimmt, der sich mit der Mitteilung der Kommission mit dem Titel „Verbesserung der Qualität der Lehrerausbildung“ befasst. Die Mitteilung beurteilt die derzeitige Situation in der EU im Hinblick auf die Aus- und Fortbildung von Lehrern. Der Bericht geht auf die diversen Optionen in den EU-Mitgliedstaaten ein. Innerhalb der Union gibt es mehr als 27 unterschiedliche Lehrerausbildungssysteme, aber die Herausforderungen, mit denen die Lehrer konfrontiert werden, sind im Wesentlichen in allen Mitgliedstaaten dieselben. Lehrer müssen eine Ausbildungsqualität erhalten, die nicht nur direkte Auswirkungen auf den Kenntnisstand der Schüler hat, sondern auch auf die Herausbildung ihrer Persönlichkeit, insbesondere in den ersten Jahren ihrer schulischen Laufbahn. Darüber hinaus sehen sich Lehrer auch einem enormen psychischen Stress ausgesetzt, wodurch ihnen wenig Energie für die eigenständige Fortbildung bleibt. In der Vergangenheit wurde der Lehrerberuf respektiert und geschätzt. Heute ist er nicht mehr attraktiv. Lehrer, von denen der Großteil Frauen sind, genießen nicht die ihnen zustehende soziale Anerkennung und den ihnen gebührenden Status, und vor allem ihr Verdienst ist viel zu niedrig. So liegt zum Beispiel in meinem Land, der Slowakischen Republik, das Lehrergehalt weit unter dem nationalen Durchschnitt. Ich denke, dass der Bericht die Aufmerksamkeit der Mitgliedstaaten auf sich ziehen wird, wodurch sichergestellt wird, dass der Lehrberuf die Anerkennung bekommt, die er verdient. Zdzisław Zbigniew Podkański (UEN), schriftlich. − (PL) Wir stimmen heute über zwei Berichte ab, die sich gegenseitig zu ergänzen scheinen: Frau Packs Bericht über den Bologna-Prozess und Frau Badia i Cutchets Bericht über die Verbesserung der Lehrerausbildung. Ziel dieser zwei Initiativen ist die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Bildung und damit natürlich auch die Steigerung des Potenzials und der Wettbewerbsfähigkeit der Europäischen Union als Ganzes.

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Das Setzen des Schwerpunkts auf die Bildung ist eine hervorragende Herangehensweise, aber es ist leicht, dies zu vernachlässigen. In zahlreichen Ländern haben wir es mit allen grundlegenden Sünden des Lehrerausbildungssystems zu tun. Es fehlen Anreize und Motivationen für die besten Schulabgänger, den Lehrerberuf zu wählen; der Status der Lehrer (insbesondere in der Grund- und Sekundarstufe) ist offen gestanden schlecht, Lehrer werden schlecht bezahlt und es werden keine Investitionen in ihre Fortbildung gemacht. Der Zusammenhang zwischen der Qualität der Lehrerausbildung und der Lehrqualität und damit dem Kenntnisstand der Schüler ist offensichtlich. Eine Nachlässigkeit auf diesem Gebiet kann daher katastrophale Folgen haben, nicht nur kulturell, sondern auch wirtschaftlich. Die im Bericht enthaltenen Empfehlungen für die Mitgliedstaaten scheinen die richtigen zu sein, nämlich Einstellung der besten Kandidaten, Verbesserung des Status, der Anerkennung der Lehrer und des Verdienstes, Investitionen in die Fortbildung auf allen Ebenen der Laufbahn eines Lehrers, Austausch der bewährten Praktiken unter den 27 unterschiedlichen Bildungssystemen in der EU und eine Ausweitung der Befugnisse von Schulen. Bernard Wojciechowski (IND/DEM), schriftlich. − (PL) Ein hohes Lehrniveau ist ein wesentliches Element einer guten Bildungsqualität, die ein entscheidender Faktor für die langfristige Wettbewerbsfähigkeit Europas und dessen Fähigkeit zur Schaffung neuer Arbeitsplätze sein sollte. Die Analyse der Kommission hat Folgendes ergeben: • Eine Fortbildung während der Arbeitszeit ist lediglich in 11 Mitgliedstaaten Pflicht (Österreich, Belgien, Deutschland, Estland, Finnland, Ungarn, Litauen, Lettland, Rumänien, Malta und Großbritannien). • In den Ländern, in denen es eine Fortbildung während der Arbeitszeit gibt, beläuft sich diese in der Regel auf weniger als 20 Stunden im Jahr und erstreckt sich in keinem Fall über mehr als fünf Tage im Jahr. • Lediglich die Hälfte der Länder in Europa bietet neuen Lehrern in den ersten Jahren ihrer Beschäftigung eine Art systematischer Unterstützung an (z. B. Einführungen in den Beruf, Fortbildung und pädagogische Betreuung). Wenn Schüler in geeigneter Weise auf das Leben in der EU vorbereitet werden sollen, sollten die Lehrer dazu angehalten werden, die neuesten Bildungsmethoden anzuwenden. Eine Verbesserung der Qualität der Lehrerausbildung kann gewährleisten, dass die EU über die hochqualifizierten Lehrkräfte verfügt, die es braucht, um sich den Herausforderungen des 21. Jahrhunderts stellen zu können. − Bericht: Doris Pack (A6-0302/2008) Jean-Pierre Audy (PPE-DE), schriftlich. – (FR) Ich habe für den Initiativbericht meiner geschätzten deutschen Kollegin Frau Pack über den Bologna-Prozess und die Mobilität der Studierenden gestimmt. Ich teile die Ansicht meiner Kollegin, dass eine zunehmende Mobilität der Studierenden und eine bessere Qualität der unterschiedlichen Bildungssysteme eine Priorität des Bologna-Prozesses über das Jahr 2010 hinaus sein sollte, mit dem ein Europäischer Hochschulraum geschaffen werden soll. Zur Förderung der Mobilität der Studierenden muss eine ganze Reihe von Maßnahmen ergriffen werden, da das Problem der Mobilität über das Gebiet der Hochschulbildung hinausgeht und die Bereiche soziale Angelegenheiten, Finanzen, Zuwanderung und Visapolitik betrifft. Studierenden aus benachteiligten Gruppen in der Gesellschaft muss eine besondere Unterstützung zuteil werden, indem beispielsweise günstige und ordentliche Unterkünfte angeboten werden. Ich unterstütze die Einführung eines einheitlichen Europäischen Studentenausweises, um die Mobilität zu erleichtern und es den Studierenden zu ermöglichen, Preisnachlässe für Unterkünfte, Unterhalt, Kultur und öffentliche Verkehrsmittel zu erhalten. Nicodim Bulzesc (PPE-DE), schriftlich. − Ziel des Bologna-Prozesses, der im Juni 1999 in Bologna eingeführt wurde, ist die Schaffung eines Europäischen Hochschulraums bis 2010. Die Hauptziele des Prozesses sind die Reform des Hochschulsystems und die Beseitigung bestehender Hindernisse in Bezug auf die Mobilität der Studierenden und des Lehrkörpers. Ich habe für den Bericht gestimmt, da ich zustimme, dass unsere Universitäten eine innovative und methodische Lehrplanreform brauchen, die die Mobilität der Studierenden und die Anerkennung von Qualifikationen stärker fördert. Des Weiteren unterstütze ich die Empfehlung der Berichterstatterin, zuverlässige Statistiken über die Mobilität der Studierenden und das sozioökonomische Profil der Studenten zu erstellen.

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Carlos Coelho (PPE-DE), schriftlich. − (PT) Der im kommenden Jahr anstehende zehnte Jahrestag der Unterzeichnung der Bologna-Erklärung signalisiert die Notwendigkeit einer Neudefinierung der Ziele des Prozesses. Eine ernsthafte Neudefinierung dieser Ziele wird eine Untersuchung darüber erforderlich machen, wie der Bologna-Prozess in den Mitgliedstaaten umgesetzt worden ist. Wir werden prüfen müssen, ob die im Namen von Bologna verfolgten Politiken tatsächlich zur gewünschten Schaffung eines Europäischen Hochschulraums geführt haben, der sich den Herausforderungen der Wettbewerbsfähigkeit auf internationaler Ebene stellen kann. Ich unterstütze diese Initiative – sie leistet einen konkreten Beitrag einerseits zur Erkennung von Problemen und Herausforderungen, die sich in den 10 Jahren der Umsetzung ergeben haben, und andererseits zur Festlegung der Themen, die weiterhin Prioritäten bleiben müssen. Dies ist bei der Mobilität der Studierenden der Fall, dem Eckpfeiler einer vielseitigeren und konkurrenzfähigeren Bildung, die einen wesentlichen Beitrag zur Entwicklung des Konzepts einer Unionsbürgerschaft leistet. Es ist wichtig, an die Mitgliedstaaten zu appellieren, die Auswirkungen dieses Prozesses zu beurteilen, um sicherzustellen, dass junge Menschen auf geeignete Weise ausgebildet und vorbereitet werden. Wie unsere Berichterstatterin herausstellt, dürfen wir die Ziele des Prozesses oder des Konzepts nicht vergessen, dass die Studierenden in alle Fragen, die ihre Bildung betreffen, mit einbezogen werden müssen. Edite Estrela (PSE), schriftlich. − (PT) Ich habe für den Pack-Bericht über den Bologna-Prozess und die Mobilität der Studierenden gestimmt, denn ich glaube, dass eine erstklassige, effektive und innovative europäische Hochschulbildung, die für alle europäischen Bürgerinnen und Bürger zugänglich ist, für die Europäische Union entscheidend ist, um angesichts der Anforderungen der Globalisierung weiterhin wettbewerbsfähig und erfolgreich zu sein. Angesichts dessen denke ich, dass Maßnahmen wie die Förderung der Wechselwirkung bezüglich des Studentenstroms, der laufenden Fortbildung der Lehrkräfte in den diversen Lehrfächern und der Ausarbeitung von Mitteln zur Finanzierung der Mobilität der Studierenden zur Erreichung der Ziele des Bologna-Prozesses wesentlich sind. Ilda Figueiredo (GUE/NGL), schriftlich. − (PT) Wenngleich die Berichterstatterin erklärt, sie sorge sich insbesondere um die Mobilität der Studierenden innerhalb der Europäischen Union, und wenngleich sie dafür plädiert, dass die Mitgliedstaaten in ihren Anstrengungen zur Modernisierung und innovativen Reformierung ihrer jeweiligen Hochschulbildungssysteme unterstützt werden sollten, ist es tatsächlich so, dass der gesamte Bericht diese Frage durch die Schwerpunktlegung auf den Bologna-Prozess und das absolut Notwendige angeht, um den Herausforderungen der Globalisierung zu begegnen, wobei darauf bestanden wird, dass der Prozess vertieft werden sollte. Wir haben uns deshalb enthalten, denn wir sind mit dieser Analyse nicht einverstanden. Allerdings stimmen wir zu, dass es nun an der Zeit ist, über den Bologna-Prozess nachzudenken und zu debattieren, insbesondere um zu versuchen herauszufinden, wie sich die Bildungssysteme verändert haben und wie diese Entwicklungen und Veränderungen die Qualität der Hochschulbildung in den diversen Mitgliedstaaten beeinflusst haben. Der Zugang zu einer erstklassigen Bildung muss für alle Bürgerinnen und Bürger möglich sein, ungeachtet ihrer Nationalität, ihres Herkunftslandes oder ihrer Geburtsregion. Darüber hinaus kann die Mobilität äußerst positive Auswirkungen haben, nicht nur für diejenigen, die an einem Mobilitätsprogramm teilnehmen, sondern auch für Institutionen für Hochschulbildung und die Gesellschaft als Ganzes. Zudem sollte ihre soziale Dimension nicht vergessen werden, wie es bislang der Fall war. Hélène Goudin und Nils Lundgren (IND/DEM), schriftlich. – (SV) Dieser Initiativbericht des Ausschusses für Kultur und Bildung des Europäischen Parlaments überschreitet wie üblich die Kompetenz des Ausschusses, indem er neue Ideen darüber vorlegt, wie die EU stärker in die Bildung eingreifen kann. Dies ist ein Gebiet, das derzeit in die Verantwortung der Mitgliedstaaten fällt, und das sollte unserer Ansicht nach auch so bleiben. Unter anderem schlägt der Bericht die Einführung eines einheitlichen Studentenausweises in der EU vor. Wir können es kaum glauben, dass diese Vorschläge an sich die Mobilität der Studierenden erhöhen würden; sie werden viel eher die Bürokratie im Zusammenhang mit der Studentenaktivität verstärken. In ihren erklärenden Ausführungen schreibt die Berichterstatterin auch über die Notwendigkeit eines Rechtsrahmens für Studierende auf EU-Ebene.

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Mit diesen Vorschlägen wird versucht, die Vereinbarungen in der EU bezüglich der Ebenen der politischen Verantwortung für diverse Politikbereiche zu umgehen. Aus diesem Grund haben wir gegen diesen Bericht gestimmt. Vasco Graça Moura (PPE-DE), schriftlich. − (PT) Der im kommenden Jahr anstehende zehnte Jahrestag der Unterzeichnung der Bologna-Erklärung signalisiert die Notwendigkeit einer Neudefinierung der Ziele des Prozesses. Eine ernsthafte Neudefinierung dieser Ziele wird eine Untersuchung darüber erforderlich machen, wie der Bologna-Prozess in den Mitgliedstaaten umgesetzt worden ist. Wir werden prüfen müssen, ob die im Namen von Bologna verfolgten Politiken tatsächlich zur gewünschten Schaffung eines Europäischen Hochschulraums geführt haben, der sich den Herausforderungen der Wettbewerbsfähigkeit auf internationaler Ebene stellen kann. Ich unterstütze diese Initiative – sie leistet einen konkreten Beitrag einerseits zur Erkennung von Problemen und Herausforderungen, die sich in den 10 Jahren der Umsetzung ergeben haben, und andererseits zur Festlegung der Themen, die weiterhin Prioritäten bleiben müssen. Dies ist bei der Mobilität der Studierenden der Fall, dem Eckpfeiler einer vielseitigeren und konkurrenzfähigeren Bildung, die einen wesentlichen Beitrag zur Entwicklung des Konzepts einer Unionsbürgerschaft leistet. Es ist wichtig, an die Mitgliedstaaten zu appellieren, die Auswirkungen dieses Prozesses zu beurteilen, um sicherzustellen, dass junge Menschen auf geeignete Weise ausgebildet und vorbereitet werden. Wie unsere Berichterstatterin herausstellt, dürfen wir die Ziele des Prozesses oder des Konzepts nicht vergessen, dass die Studierenden in alle Fragen, die ihre Bildung betreffen, mit einbezogen werden müssen. Małgorzata Handzlik (PPE-DE), schriftlich. − (PL) Ziel des Bologna-Prozesses ist die Schaffung eines Europäischen Hochschulraums bis Ende 2010. Unter anderem ist geplant, den Studierenden dabei behilflich zu sein, aus dem vielseitigen Bildungsangebot auszuwählen. Die Einführung von drei Bildungszyklen, der Qualitätssicherung für Bildung, der Anerkennung von Abschlüssen und einheitlicher Studienzeiten sind für das Funktionieren des Hochschulraums entscheidend. Der Europäische Hochschulraum wird in jedem Fall an Attraktivität gewinnen, je besser und gleichmäßiger verteilt die Qualität der Bildung in den diversen Mitgliedstaaten ist. Daher ist es wichtig, die Mitgliedstaaten in ihren Anstrengungen zur Modernisierung und Reformierung ihrer Hochschulbildungssysteme zu unterstützen. Alle europäischen Bürgerinnen und Bürger müssen eine Chance auf eine Hochschulausbildung haben, ungeachtet ihrer Nationalität, ihres Herkunftslandes oder ihres Geburtsortes. Eine zunehmende Mobilität der Studierenden ist einer der erwarteten Vorteile des Bologna-Prozesses. Die Mobilität hat nicht nur auf die mobilen Studierenden, sondern auch auf die Institute für Hochschulbildung einen positiven Einfluss. Der Austausch von Ansichten, die Heterogenität und die Nutzung der Erfahrung anderer sind letztendlich Komponenten der akademischen Erfahrung. Wir sollten auch nicht vergessen, dass es bei alledem eine soziale Dimension gibt: Mobilität trägt zum Sammeln unbezahlbarer und vielseitiger Erfahrungen im Bereich der wissenschaftlichen, kulturellen und sozialen Vielfalt bei. Monica Maria Iacob-Ridzi (PPE-DE), schriftlich. − (RO) Auch wenn ich für diesen Bericht gestimmt habe, möchte ich auf zwei Punkte eingehen, die von der Kommission sorgfältig analysiert und reguliert werden müssen. Erstens müssen wir uns die geografische Verteilung der Stipendien ansehen, die im Rahmen des Programms für lebenslanges Lernen vergeben werden. Die meisten Universitäten, die von einem Austausch der Studierenden profitieren, sind in den alten Mitgliedstaaten konzentriert. Gleichzeitig ist die Zahl der Studierenden in den neuen Mitgliedstaaten viel niedriger. Die Kommission sollte dringend handeln, zum Beispiel durch Akkreditierung einer Reihe von Universitäten, die in der Lage sind, an akademischen Austauschprogrammen teilzunehmen, um damit die Attraktivität der neuen Mitgliedstaaten als Zielort für Studierende aus ganz Europa zu steigern. Die Kommission muss ferner sicherstellen, dass eine verhältnismäßige Zahl von Studierenden aus jedem Mitgliedstaat die Gelegenheit erhält, ein europäisches Stipendium zu erhalten. Zweitens denke ich, dass Artikel 11 des Berichts auf alle Mitgliedstaaten Anwendung finden sollte, ungeachtet seines Empfehlungsstatus. Diese Zeit der akademischen Mobilität, sei es für ein Semester oder ein Jahr, kann erheblich dazu beitragen, sowohl den Wissensstand als auch die persönliche Entwicklung junger Europäer

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zu erweitern. Allerdings muss ich hinzufügen, dass die Einbeziehung einer solchen Bestimmung durch eine entsprechende finanzielle Unterstützung der Mitgliedstaaten ergänzt werden sollte. Mikel Irujo Amezaga (Verts/ALE), schriftlich. − (ES) Diverse Sektoren, die dem Bologna-Prozess kritisch gegenüberstehen, vertreten die Auffassung, dass die Änderung dazu führen wird, dass die Universitätsausbildung elitär wird. Dieser Bericht plädiert für eine Sonderunterstützung für Studierende aus benachteiligten Gesellschaftsgruppen, indem beispielsweise „günstige und ordentliche“ Unterkünfte angeboten werden und indem berücksichtigt wird, dass häufig nach der Ankunft eine weitere Unterstützung notwendig ist. Wenngleich ich einen Änderungsantrag zu diesem Punkt eingereicht habe, um sie auf alle Kosten auszuweiten, in anderen Worten, damit die Unterstützung nicht auf die Unterkunft beschränkt wird, denke ich, dass der Bericht auf einem Konzept der Hochschulbildung basiert, die für die gesamte Gesellschaft zugänglich ist. Mieczysław Edmund Janowski (UEN), schriftlich. − (PL) Bei der Abstimmung haben Frau Pack und ihr Bericht über den Bologna-Prozess und die Mobilität der Studierenden meine Unterstützung erhalten. Es ist ein guter, geschäftsmäßiger Bericht. In der EU sind die wissenschaftliche Forschung und die akademische Ausbildung auch heute noch ungleichmäßig verteilt. Die Bologna-Idee, die nun bereits schon neun Jahre alt ist (und derzeit 46 Länder vereint), sollte dazu führen, dass 2010 ein Europäischer Hochschulraum entsteht. Die diesem Prozess zugrunde liegenden Grundsätze lassen sich auf drei Handlungsgebiete mit hoher Priorität zusammenfassen. Dies sind: der Bildungszyklus (der drei Stufen abdeckt: Bachelor, Master, Doktorat), Bereitstellung einer erstklassigen Bildung, Anerkennung der erhaltenen Qualifikationen und Hochschulstudienzeiten. Nun brauchen wir vielfältige und kohäsive Maßnahmen in allen Mitgliedstaaten, auch in unseren Universitäten. Die Leistungssysteme in Form der sogenannten ECTS-Punkte sollten klar, verständlich und einheitlich sein. Dies wird uns in die Lage versetzen, das Potenzial für die flexible und mobile Bildung junger Menschen an diversen akademischen Zentren sowie den sehr notwendigen Austausch von Lehrkräften aufrechtzuerhalten. Wenngleich die Hochschulbildung nicht zu den Kompetenzen der EU zählt, müssen wir dennoch – unter Beibehaltung der Unabhängigkeit der Mitgliedstaaten auf diesem Gebiet – eine enge Kooperation und Koordination anstreben. Wir müssen auch daran denken, den EU-Bürgerinnen und -Bürgern gleiche Chancen auf einen Zugang zum höchstmöglichen Bildungsniveau einzuräumen. Dies erfordert sowohl organisatorische Änderungen im Bildungssystem als auch eine geeignete finanzielle Ausstattung. David Martin (PSE), schriftlich. − Der Bericht von Doris Pack mit dem Titel „Der Bologna-Prozess und die Mobilität der Studierenden“ ist ein konstruktiver Beitrag zur Debatte über die Mobilität der Studierenden. Die Möglichkeit für Studierende in der gesamten EU, sich frei innerhalb der Grenzen Europas zu bewegen, muss ein Kernelement des Bologna-Prozesses bleiben. Studierende sollten ungeachtet ihrer Herkunft die Chance haben, von der Fülle der kulturellen und intellektuellen Möglichkeiten, die die EU anbietet, zu profitieren. Daher habe ich für die im Bericht enthaltenen Empfehlungen gestimmt. Andreas Mölzer (NI), schriftlich. − (DE) Natürlich ist es zu begrüßen, wenn Studierenden im Rahmen des Bologna-Prozesses die Auswahl aus einem breiten Spektrum von Studiengängen hoher Qualität erleichtert werden soll. Ein wichtiges Augenmerk hat die EU auch auf die Mobilität der Studierenden gelegt und will zudem die gegenseitige Anerkennung der Ausbildung verbessern. Dass hier noch nicht alles optimal läuft, steht außer Frage. Nicht nur bei der Anerkennung hapert es noch gewaltig, angeblich sollen einige auf Bachelor- und Master-Studium umgestellte Studiengänge so spezialisiert sein, dass kein Studienortswechsel – weder im In- noch im Ausland – mehr möglich ist, was dem Ziel eines europäischen Hochschulraums bzw. der Mobilitätssteigerung zuwiderläuft. Auch meinen Kritiker, das ECTS-Kreditpunktesystem werde von Land zu Land derart unterschiedlich gehandhabt, dass Leistungen kaum mehr vergleichbar seien. In diesem Sinne wird das Vorhaben, eine Zwischenbilanz zu ziehen, nützlich, weshalb ich auch für den Bericht gestimmt habe. Dumitru Oprea (PPE-DE), schriftlich. − (RO) Ich habe aus mehreren Gründen für den Bericht „Der Bologna-Prozess und die Mobilität der Studierenden“ gestimmt: Der Bologna-Prozess war eines der revolutionärsten Elemente auf dem Weltmarkt für Aus- und Fortbildung. Der Arbeitsmarkt selbst war noch nicht bereit für eine solche Änderung. Er ist nach wie vor nicht voll für das 3 Zyklen umfassende Bildungssystem (Bachelor, Master, Promotion) in der 3-2-3-Struktur empfänglich. Andererseits haben Unternehmen, bevor das neue System eingeführt wurde, häufig Studierende mit dem niedrigsten akademischen Grad eingestellt.

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Ein weiteres fortschrittliches Element war die Mobilität der Studierenden an europäischen Schulen und das einheitliche Graduierungssystem, das durch die ETCS-Punkte möglich wurde. Der Erfolg dieser Mechanismen ist durch die Tendenz bestätigt worden, dass die großen Universitäten weltweit Studierende an mehrere geografische Standorte geschickt haben, insbesondere, wenn sie ältere Studienzweige haben. Ein weiterer revolutionärer Vorschlag ist das ECVET (Europäisches Leistungspunktesystem für die Berufsbildung), mit dem die von einer Person erworbenen Lernergebnisse, in formellen, nicht formellen und informellen Kontexten mit dem Ziel übertragen, anerkannt und erweitert werden können, Qualifikationen ungeachtet der für das Lernen oder das Erwerben der jeweiligen Kenntnisse und Fähigkeiten aufgewendeten Zeit zu erhalten. Dies ist ein weltweiter Trend. Zdzisław Zbigniew Podkański (UEN), schriftlich. − (PL) Frau Pack verdient unseren Dank für ihren Beitrag zur Ausarbeitung des und der kreativen Abhandlung über den Bologna-Prozess(es) – eine Initiative, die es den Studierenden in Europa ermöglicht, ihren eigenen Bildungsweg und beruflichen Werdegang zu wählen, ohne sich an nationale Grenzen halten zu müssen. Diese Initiative, die die Wettbewerbsfähigkeit des europäischen Bildungssystems erhöht, bereichert auch die Länder durch die kulturelle und wissenschaftliche Durchdringung. Die Fragen bezüglich des Inhalts der Bildung und die Verbesserung ihrer Qualität auf jeder Ebene liegen derzeit eindeutig in den Händen der EU-Mitgliedstaaten. In dieser Hinsicht ist nach wie vor noch viel zu tun. Die Mobilität und ihre Förderung auf europäischer Ebene – das Leitmotiv von Frau Packs Bericht – resultiert zum Beispiel in Polen in einer Abwanderung wertvoller Arbeitskräfte, die recht häufig nicht in das Land zurückgeholt werden können. Ich stimme der These des Berichts zu, nach der die Mobilität der Studierenden an oberster Stelle steht, wofür ein System der Anreize und Erleichterungen geschaffen werden muss, damit junge Menschen Studienangebote nutzen können, wo immer sie wollen. Ein besonders wichtiger Punkt wäre jedoch, dass die vollständig ausgebildeten und vorbereiteten Studierenden wieder in ihr Herkunftsland zurückkehren, um ihr Potenzial dort nutzen zu können. Dies ist definitiv eine Herausforderung für die neuen Mitgliedstaaten, und ich denke, dass eine bedachte Fortführung des Bologna-Prozesses ein Schritt in diese Richtung ist. Andrzej Jan Szejna (PSE), schriftlich. − (PL) Ein vereinigtes Europa wird nicht nur durch eine Einheitswährung, Freizügigkeit und einen gemeinsamen Markt für Güter und Dienstleistungen erreicht. Die intellektuelle, kulturelle und soziale Dimension vonEuropa spielt ebenfalls eine wichtige oder gar eine vorrangige Rolle. Die zwischenstaatliche Initiative, die unter dem Namen Bologna-Prozess bekannt ist und vor knapp 10 Jahren ins Leben gerufen wurde, soll vorrangig dafür sorgen, dass den Studierenden die Wahl von Studiengängen der höchstmöglichen Qualität erleichtert wird. Eine der wichtigsten Elemente in Bezug auf die Idee der Schaffung eines Europäischen Hochschulraums ist die Erhöhung der Mobilität der Studierenden und die Verbesserung der Bildungsqualität, denn dies schafft die Voraussetzungen für die Möglichkeit der persönlichen, sozialen und wissenschaftlichen Entwicklung. Ich denke, dass es für die Erreichung des Ziels der Verbesserung der Qualität und Attraktivität der Bildung wichtig ist, dass Maßnahmen sowohl auf europäischer Ebene (das Europäische Parlament betrachtet die Mobilität als vorrangiges Thema) als auch auf nationaler Ebene ergriffen werden. Wir müssen uns vor Augen halten, dass die Hochschulbildung in der Europäischen Union nicht in den Aufgabenbereich der Europäischen Kommission fällt. Der Inhalt und die Organisation von Studiengängen verbleiben im Kompetenzbereich der einzelnen Mitgliedstaaten, weshalb ihre Rolle und auch die der Universitäten so bedeutend ist. Sie sollten einen Schwerpunkt auf die Notwendigkeit legen, europäische Lehrpläne für Doktoranden zu schaffen und Anstrengungen unternehmen, um Studierenden aus sozialen Gruppen, die sich in einer benachteiligten Lage befinden, besondere Unterstützung zuteil werden zu lassen. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist der Dialog und ein gegenseitiger Erfahrungsaustausch zwischen Unternehmen und Universitäten. Die Institute für Hochschulbildung sollten die Zusammenarbeit mit dem privaten Sektor verstärken, um neue und effektive Mechanismen zur Kofinanzierung der Mobilität von Studierenden zu finden. − Bericht: József Szájer (A6-0345/2008) Jean-Pierre Audy (PPE-DE), schriftlich. – (FR) Ich habe für den Initiativbericht meines ungarischen Kollegen Herrn Szájer gestimmt, der Empfehlungen an die Europäische Kommission über die Anpassung von Rechtsakten an den neuen Komitologiebeschluss beinhaltet. Für die Verbesserung der Qualität der

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Gesetzgebung wird es zunehmend erforderlich, die Ausarbeitung der zweitrangigen und eher technischen Aspekte der Gesetzgebung sowie ihre umgehende Anpassung zur Berücksichtigung des technischen Fortschritts und der wirtschaftlichen Veränderungen an die Kommission zu delegieren. Allerdings muss diese Delegation der Befugnisse dadurch erleichtert werden, dass dem Gesetzgeber die institutionellen Werkzeuge zur eingehenden Prüfung der Ausübung dieser Befugnisse an die Hand gegeben werden. Es sollte beachtet werden, dass die derzeitige Anpassung des Besitzstandes an den Komitologiebeschluss immer noch nicht vollständig abgeschlossen ist, da es noch immer Rechtsinstrumente gibt, die die Umsetzung von Maßnahmen vorsehen, auf die das neue Regelungsverfahren mit Kontrolle angewandt werden sollte. Ich unterstütze – und meines Erachtens ist dies wesentlich, wenn die europäische Demokratie ordnungsgemäß funktionieren soll – die Gewährung zusätzlicher Mittel im Europäischen Parlament für alle Komitologieverfahren, um uns auf die Möglichkeit vorzubereiten, dass der Vertrag von Lissabon in Kraft tritt, aber auch während des derzeitigen Übergangszeitraums, um sicherzustellen, dass jedes Komitologieverfahren zwischen den drei Institutionen zufriedenstellend funktioniert. Mikel Irujo Amezaga (Verts/ALE), schriftlich. − (ES) Ich pflichte dem Wortlaut des Berichts bei, der besagt, dass es zur Verbesserung der Qualität der Gesetzgebung zunehmend erforderlich ist, die Ausarbeitung der zweitrangigen und eher technischen Aspekte der Gesetzgebung sowie ihre umgehende Anpassung zur Berücksichtigung des technischen Fortschritts und der wirtschaftlichen Veränderungen an die Kommission zu delegieren. Allerdings muss diese Delegation der Befugnisse dadurch erleichtert werden, dass dem Gesetzgeber die institutionellen Werkzeuge zur eingehenden Prüfung der Ausübung dieser Befugnisse an die Hand gegeben werden. Das Parlament sollte die Aufsicht über diese Kontrolle haben, ein Punkt, der trotz des Umstands, dass seit so vielen Jahren über dieses Thema diskutiert wird, noch nicht vollständig gelöst ist. Es gibt nach wie vor parlamentarische Ausschüsse, die bei im Rahmen des Komitologiebeschlusses getroffenen Entscheidungen nicht ausreichend Informationen bereitgestellt haben. Daher muss das Parlament sehr wachsam bleiben. − Bericht: Poul Nyrup Rasmussen (A6-0338/2008) Johannes Blokland (IND/DEM), schriftlich. – (NL) Es ist sehr wichtig, weiter zu untersuchen, wie die Überwachungsstrukturen in der Europäischen Union verbessert werden können. Allerdings bezieht sich der Bericht von Herrn Rasmussen auf die Empfehlungen an die Europäische Kommission in Bezug auf Hedge-Fonds. Unter Bezugnahme auf die Geschäftsordnung unterstütze ich die Änderungsanträge der Fraktion der Grünen/Europäische Freie Allianz zu den Erwägungen nicht. Die Erwägungen sind nicht der geeignete Ort zur Aufstellung von Werturteilen über die aktuelle Lage der Finanzmärkte. Ich habe heute Morgen gegen die Änderungsanträge 6 bis 10, beide einschließlich, gestimmt, nicht weil ich gegen eine europäische Überwachung der Finanzmärkte wäre, sondern weil dieser Bericht nicht der richtige Ort ist, um diese Initiative zu starten. Ich würde befürworten, dass der Ausschuss für Wirtschaft und Währung über die Überwachung der Finanzmärkte und den Wunsch ihrer Verstärkung auf europäischer Ebene berät. Wenn ein guter Bericht hierüber vorgelegt wird, ist die Wahrscheinlichkeit sehr groß, dass ich diese Initiative der Grünen unterstützen können werde. Szabolcs Fazakas (PSE), schriftlich. − (HU) Entgegen den Erwartungen hat die Finanzkrise, die letztes Jahr in Amerika begann und durch die unregulierten, spekulativen Finanzpraktiken dort ausgelöst wurde, nun die ganze Welt, darunter auch Europa, erschüttert und ist noch weit davon entfernt, nachzulassen. Die aktuelle Krise erfordert in zwei Bereichen eine langfristige Paradigmenänderung durch die europäischen Entscheidungsträger, damit diese zukünftig nicht nur die Gefahr einer Finanzkrise mindern, sondern auch ein stabiles Wirtschaftswachstum fördern. Die Entwicklungen in Amerika haben gezeigt, dass der Markt selbst nicht imstande ist, mit diesen und ähnlichen Krisen umzugehen. Daher ist es erforderlich, dass wir so bald als möglich die zentrale europäische Finanzaufsichtsbehörde schaffen, wie im vergangenen Jahr von den Ungarn vorgeschlagen und daraufhin von der französischen Präsidentschaft angenommen, die unter anderem dafür sorgen würde, dass solche riskanten, spekulativen Geschäfte im Banken- und Finanzsystem Bedingungen unterliegen, die überwacht und kalkuliert werden können. Dies wäre die Voraussetzung dafür, dass Europa allmählich die erschütterte Rolle Amerikas in der Finanzwelt übernehmen kann.

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Damit die europäische Wirtschaft, die ebenfalls unter der aktuellen Krise gelitten hat, das von ihr gewünschte Wachstum baldmöglichst erreichen kann, wäre es erforderlich, die Finanzierung der Realwirtschaft so bald wie möglich voranzutreiben, und nicht die riskanten, spekulativen Geschäfte der Finanz- und Bankenwelt. Eine Voraussetzung hierfür ist, dass sich die Europäische Zentralbank nicht wie bisher auf die Bekämpfung der Inflation konzentriert, sondern auch die Erholung der Realwirtschaft fördert, indem sie niedrige Zinsen festlegt. Ilda Figueiredo (GUE/NGL), schriftlich. − (PT) Wir haben gegen diesen Bericht gestimmt, da er ungeachtet der unwirksamen Alibimaßnahmen und der Kritik in Bezug auf die Finanzkrise weder spezifischen Maßnahmen zur wirksamen Bekämpfung der zunehmenden Finanzialisierung der Wirtschaft, der unregulierten Spekulation und der Verbreitung von Finanzinstrumenten und -produkten zur Erzielung noch größerer spekulativer Gewinne beinhaltet noch eine Abschaffung der Steueroasen oder des Bankgeheimnisses vorsieht. Wie wir bereits in der Plenardebatte erklärt haben, sind es immer dieselben Leute, die unter den Folgen leiden werden: Arbeitnehmer, die ihre Jobs verlieren, und die Bürgerinnen und Bürger im Allgemeinen, die höhere Zinsen zahlen müssen, auch hier in der Europäischen Union, insbesondere in Ländern mit einer schwächeren Wirtschaft, wie es zum Beispiel in Portugal der Fall ist. Dort beträgt die Schuldenquote rund 120 % des BIP, während sich das Haushaltsdefizit auf rund 130 % des verfügbaren Einkommens beläuft. Daher unterstreichen wir die Priorität der Förderung der Schaffung von Arbeitsplätzen mit Rechten, der Produktion, der Überwindung der Armut, der Verbesserung der Kaufkraft von Arbeitnehmern und Rentnern, der Verbesserung der Qualität der öffentlichen Dienste und einer Zunahme von Krediten mit niedrigen Zinsen zur Unterstützung von Kleinst-, Klein- und mittleren Unternehmen. Hélène Goudin und Nils Lundgren (IND/DEM), schriftlich. – (SV) Hedge-Fonds und Private Equity sind hochriskante Anlagevehikel. Damit das Vertrauen unter den Anlegern, in der Öffentlichkeit und nicht zuletzt unter den Aufsichtsbehörden wiederhergestellt werden kann, müssen die Geschäfte sowohl der Transparenz als auch einer zufriedenstellenden Gesetzgebung unterliegen. Die Juniliste begrüßt viele der im Bericht enthaltenen Punkte und Vorschläge für Maßnahmen. Dennoch haben wir beschlossen, gegen den Bericht als Ganzes zu stimmen. Dies erfolgte aus dem Grund heraus, dass der Bericht Maßnahmen auf EU-Ebene Vorrang einräumt, und dies trotz des Umstands, dass es jedem in dieser Lage klar sein müsste, dass Lösungen im Zusammenhang mit den potenziellen Risiken, die von Vehikeln wie Hedge-Fonds und Private Equity ausgehen, in erster Linie auf globaler Ebene angestrebt werden sollten. Jens Holm und Eva-Britt Svensson (GUE/NGL), schriftlich. − Es ist bedauerlich, dass der Rasmussen-Bericht über Hedge-Fonds und Private Equity nach den Kompromissverhandlungen zwischen den drei größten Fraktionen im Parlament verwässert worden ist. Ferner ist es bedauerlich, dass die von den Grünen und der GUE/NGL-Fraktion vorgelegten Änderungsanträge, die sich direkt aus dem Entwurf des Rasmussen-Berichts ableiten, während der Abstimmung im Plenum nicht angenommen worden sind. So unterstrich beispielsweise einer der Absätze, der im Vergleich zum ursprünglichen Entwurf abgeschwächt wurde, die Notwendigkeit einer größeren Transparenz gegenüber der Öffentlichkeit, den Anlegern und den Aufsichtsbehörden, einschließlich einer künftigen neuen EU-Aufsichtsbehörde. Trotz dieses Umstands haben wir beschlossen, den Bericht in der Schlussabstimmung zu unterstützen. Grund hierfür ist die dringende Notwendigkeit, der schädlichen Finanzspekulation und der Instabilität auf den Märkten zu begegnen. In dieser Hinsicht könnte der Bericht als ein Schritt in die richtige Richtung betrachtet werden. Ian Hudghton (Verts/ALE), schriftlich. − Der Rasmussen-Bericht kommt zur rechten Zeit in der Woche nach den Turbulenzen auf dem Finanzmarkt, in der Schottlands älteste Bank „Schiebern und Spekulanten“, wie sich der schottische Premierminister ausdrückte, zum Opfer fiel. Der schottische Finanzsektor ist von den britischen Behörden schwer im Stich gelassen worden, und ich befürworte eine strengere Marktregulierung. Ich habe für den Bericht gestimmt, der eine Reihe von Empfehlungen enthält, die es wert sind, erwogen zu werden, und ich freue mich auf den Tag, an dem unabhängige schottische Behörden in diesem Bereich mit unseren EU-Partnern zusammenarbeiten. Ona Juknevičienė (ALDE), schriftlich. − Sowohl die globalen als auch die lokalen Finanzmärkte entwickeln komplexe Finanzinstrumente, die es den Finanzinstituten sehr schwer machen, geeignete Bestimmungen und Aufsichtssysteme zu entwickeln. Infolge dessen gibt es Möglichkeiten für Maßnahmen, die nicht transparent sind, und Spekulationsfälle von Finanzmarktteilnehmern, die zu einer Perversion der Finanzmärkte

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führen. In dieser Hinsicht unterstütze ich den Änderungsantrag 2, der von der Fraktion der Grünen vorgelegt wurde und für eine wesentliche Verstärkung des europäischen Regulierungs- und Aufsichtsrahmens plädiert, um die Finanzstabilität aufrechtzuerhalten. Kartika Tamara Liotard und Erik Meijer (GUE/NGL), schriftlich. − Es ist bedauerlich, dass der Rasmussen-Bericht über Hedge-Fonds und Private Equity nach den Kompromissverhandlungen zwischen den drei größten Fraktionen im Parlament verwässert worden ist. Ferner ist es bedauerlich, dass die von den Grünen und der GUE/NGL-Fraktion vorgelegten Änderungsanträge, die sich direkt aus dem Entwurf des Rasmussen-Berichts ableiten, während der Abstimmung im Plenum nicht angenommen worden sind. Trotz dieses Umstands haben wir beschlossen, den Bericht in der Schlussabstimmung zu unterstützen. Grund hierfür ist die dringende Notwendigkeit, der schädlichen Finanzspekulation und der Instabilität auf den Märkten zu begegnen. In dieser Hinsicht könnte der Bericht als ein Schritt in die richtige Richtung betrachtet werden. Astrid Lulling (PPE-DE), schriftlich. – (FR) Ich habe für den hart erkämpften Kompromiss gestimmt, der von den drei Fraktionen in diesem Parlament ausgehandelt worden ist, und ich begrüße den umfangreichen, ausgewogenen Inhalt des Berichts. Der Berichterstatter hat versucht, den Hedge-Fonds und Private-Equity-Firmen die Last der Finanzkrise aufzuerlegen, aber diese Produkte haben die aktuelle Krise weder verursacht noch sind sie der Katalysator dafür, und ich gratuliere dem Berichterstatter dazu, dass er dies anerkannt und richtiggestellt hat. Die Empfehlungen, die wir der Kommission geben, sollen alle relevanten Akteure und Finanzmarktteilnehmer abdecken und die Lücken in der bestehenden Gesetzgebung schließen, um gegen die Praktiken anzugehen, die dazu beigetragen haben, dass sich der Zusammenbruch des Immobilienmarkts in den Vereinigten Staaten zu einer globalen Finanzkrise entwickelt hat. Wir gehen damit gegen schlechte Risikomanagementpraktiken, die mangelnde Transparenz bestimmter Anlageprodukte und Interessenkonflikte bei Kreditratingagenturen vor, die die Hauptursachen der Finanzkrise sind, die wir derzeit erleben. David Martin (PSE), schriftlich. − Werte Kollegen, die jüngste Finanzkrise hat viele Opfer gefordert, zu denen auch die HBOS – das letzte Woche von Lloyds TSB übernommen wurde – zählte. Solche Pleiten großer Unternehmen destabilisieren nicht nur die Weltwirtschaft, sie verunsichern auch diejenigen, die ihr Geld und ihre Zukunft in diese Unternehmen investiert haben. In den vergangenen Wochen hat die Welt gelernt, dass unsere Herangehensweise an die Marktregulierung nicht mehr zeitgemäß ist. Wir brauchen globale Maßnahmen, um ein globalisiertes Finanzsystem zu regulieren. Die EU und das Europäische Parlament müssen daher eine bedeutende Rolle bei der Beseitigung der Kernursachen der Krise spielen und verantwortungsvoll handeln, indem sie für Herrn Rasmussens Bericht stimmen. Indem Hedge-Fonds und Private-Equity-Firmen dazu ermutigt werden, bei ihren Geschäften umsichtiger und transparenter vorzugehen, wird die EU dazu beitragen, einen soliden Rahmen zu schaffen, der die so dringend nötige Wiederherstellung der Stabilität im Finanzsektor fördern wird. Mary Lou McDonald (GUE/NGL), schriftlich. − Es ist bedauerlich, dass der Rasmussen-Bericht über Hedge-Fonds und Private Equity nach den Kompromissverhandlungen zwischen den drei größten Fraktionen im Parlament verwässert worden ist. Ferner ist es bedauerlich, dass die von den Grünen und der GUE/NGL-Fraktion vorgelegten Änderungsanträge, die sich direkt aus dem Entwurf des Rasmussen-Berichts ableiten, während der Abstimmung im Plenum nicht angenommen worden sind. Trotz dieses Umstands haben wir beschlossen, den Bericht in der Schlussabstimmung zu unterstützen. Grund hierfür ist die dringende Notwendigkeit, der schädlichen Finanzspekulation und der Instabilität auf den Märkten zu begegnen. In dieser Hinsicht könnte der Bericht als ein Schritt in die richtige Richtung betrachtet werden. Allerdings brauchen wir für die Umsetzung dieser Ideen eine stärkere Hand. Die Heimlichtuerei vieler Hedge-Fonds ist nicht hinnehmbar, da das System, wie es derzeit geregelt ist, keine Transparenz gegenüber der Öffentlichkeit zulässt. Daher ist es schwierig, die Natur von Hedge-Fonds und ihre Fähigkeit zu beurteilen, zu einer nachhaltigen sozialen Kohäsion beizutragen, und die wirtschaftliche Stabilität kann von den nicht Bürgern nicht ermittelt werden. Luís Queiró (PPE-DE), schriftlich. − (PT) Die in diesem Bericht zum Ausdruck gebrachte Besorgnis, die von einer angemessenen Anerkennung der Wichtigkeit der betreffenden Finanzprodukte begleitet wird, veranlasst mich dazu, dem Bericht in seiner Gesamtheit zuzustimmen. Wenn wir uns vor Augen halten, dass wir eine Zeit offensichtlicher Turbulenzen an den Finanzmärkten durchlaufen, ist es wichtig, entschlossen, aber auch

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besonnen und unter Berücksichtigung der Fakten zu reagieren. Ein Großteil des wirtschaftlichen Erfolgs in den vergangenen Jahrzehnten in Europa, den Vereinigten Staaten und schnell wachsenden Wirtschaftsräumen ist gerade der Flexibilität der Finanzmärkte zuzuschreiben. Was die Korrekturmaßnahmen anbelangt, die das derzeitige System braucht, ist es entscheidend, die Wurzeln der Krise anzugehen, jedoch ohne die Vorzüge des Systems zu beseitigen. Die Europäische Kommission muss diese Forderung des Europäischen Parlaments zur Ergreifung von Maßnahmen genau so verstehen. Olle Schmidt (ALDE), schriftlich. – (SV) Die Rolle des Europäischen Parlaments im EU-System ist es, die Stimme des Volkes zu sein. Diese Stimme wird insbesondere durch die vom Petitionsausschuss geleistete Arbeit gestärkt, der sich mit Themen von Bürgerinitiativen befasst. Ein gutes Beispiel hierfür ist die „Ein-Sitz“-Kampagne, mit der der Sitz des Europäischen Parlaments von Straßburg nach Brüssel verlegt werden soll – worüber aufgrund der Anstrengungen des Ausschusses formal diskutiert wurde. Sicher, manche Empfehlungen an die Mitgliedstaaten sind recht extrem, und einige Vorschläge sind nicht sehr gut überlegt. Dennoch, die Arbeit des Petitionsausschusses ist ein wesentlicher Teil der Arbeit der EU im Auftrag der Bürgerinnen und Bürger, was für mich ein entscheidender Faktor für meinen Beschluss war, diesen Bericht zu unterstützen. Bart Staes (Verts/ALE), schriftlich. – (NL) Die Finanzwelt ist in ihren Grundfesten erschüttert worden. Die normalen amerikanischen Steuerzahler bezahlen den Preis für den Rettungsplan (700 Milliarden US-Dollar), während diejenigen, die das Problem verursacht haben, ungestraft davonkommen. In Form des Rasmussen-Berichts hatte das Europäische Parlament ein Instrument, mit dem man etwas hätte tun können, um die sorgfältige Prüfung in bestimmten Segmenten des Finanzsektors, Hedge-Fonds und Private Equity, zu verbessern. Mit der Krise, die nun ein schnelles Handeln erforderlich macht, hatten wir die Gelegenheit, an die Europäische Kommission zu plädieren, eine strenge Gesetzgebung einzuführen. Die Fraktion der Grünen/Europäische Freie Allianz legte daher mehrere Änderungsanträge zu diesem Bericht vor, aber nachdem diese vom Parlament abgelehnt wurden, stimmten wir gegen den Bericht. Es soll keine europäische Aufsichtsbehörde zur Überwachung des Finanzsektors geben, keine europäische Gesetzgebung über die Zulassung und Überwachung von Hedge-Fonds und keine wirksamen Einschränkungen von privaten Investmentgesellschaften. In derselben Woche, in der das kapitalistische System kurz vor dem Zusammenbruch steht, hat das Europäische Parlament seine Chance verpasst. Wir Grünen setzen uns dafür ein, dass wir uns weiterhin für eine starke Eindämmung eines freien Marktes engagieren sollten, dessen einziges Ziel beim Spekulieren darin zu bestehen scheint, den schnellstmöglichen Profit für eine kleine Gruppe von Leuten zu machen. Das ist sozial und wirtschaftlich verantwortungslos. − Bericht: Klaus-Heiner Lehne (A6-0296/2008) Ona Juknevičienė (ALDE), schriftlich. – (LT) Ich bin immer für eine Marktliberalisierung gewesen, da dies meiner Meinung nach die Hauptvoraussetzung für den Wettbewerb unter den Marktteilnehmern ist, was sich stets vorteilhaft auf die Verbraucher auswirkt, die somit die Möglichkeit erhalten, Güter zu möglichst niedrigen Preisen auszuwählen und zu kaufen. Allerdings unterstütze ich mit der Abstimmung für die Transparenz der institutionellen Anleger den Berichterstatter, Herrn Lehne, der die Kommission dazu auffordert, bestimmte Standards vorzuschlagen, die Anleger davon abhalten, Unternehmen „auszurauben“ (der Fall des Teilverkaufs von Unternehmen) und ihre Finanzkraft mit dem Ziel zu missbrauchen, Unternehmen künftig Schwierigkeiten zu bereiten, ohne das Unternehmen selbst noch seine Beschäftigten, Gläubiger oder Geschäftspartner in irgendeiner Form dafür zu entschädigen. Meines Erachtens sollte die Europäische Kommission die von den Mitgliedstaaten ergriffenen Maßnahmen zur Verhinderung des Teilverkaufs von Unternehmen prüfen. David Martin (PSE), schriftlich. − Ich unterstütze den allgemeinen Ansatz in Herrn Klaus-Heiner Lehnes Bericht über die Transparenz institutioneller Anleger. Die jüngsten Ereignisse an den Finanzmärkten weisen auf die Notwendigkeit globaler Maßnahmen zur Verbesserung der Marktregulierung hin. Gut funktionierende Märkte hängen von der Achtung der Transparenz quer durch die Bank ab, und dieser Bericht ist ein Schritt in die richtige Richtung. Ich habe für die darin enthaltenen Empfehlungen gestimmt. Dimitrios Papadimoulis (GUE/NGL), schriftlich. – (EL) Die akute und anhaltende Krise des Kapitalismus im Casino-Stil belastet die amerikanischen Steuerzahler und die gesamte Weltwirtschaft aufgrund des Versagens der lukrativen Glücksspiele der Unternehmen. Es bedarf nun radikaler Änderungen der rechtlichen Rahmenvorschriften für die Überprüfung der Transparenz und Kontrollen. Die Kommission muss umgehend

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handeln und einen umfassenden Rahmen für ein gemeinsames Transparenzmodell vorschlagen. Die Politik der laschen Gesetzgebung ist kläglich gescheitert. Luís Queiró (PPE-DE), schriftlich. − (PT) Transparenz sollte ein Leitprinzip für das Funktionieren der Märkte sein – insbesondere der Finanzmärkte. Allerdings sollte dies nicht der einzige Gesichtspunkt sein, damit das Prinzip nicht zu Regel wird und das gewünschte Ergebnis (gesunde und effiziente Finanzmärkte) nicht mit den vorgeschlagenen Werkzeugen zum Erreichen dieses Ziels (ausreichend regulierte und überwachte Märkte) verwechselt wird. Im Kontext der aktuellen politischen und wirtschaftlichen Debatte über die Finanzmärkte ist es für die Kommission wichtig, diese Empfehlung in diesem Sinne zu interpretieren und sich zu verpflichten, die Qualität der europäischen Finanzmärkte zu verteidigen. Vergessen wir nicht, dass sich die größten wirtschaftlichen Vorteile für die Gesellschaft aus dem reibungslosen und im Wesentlichen freien Funktionieren dieser Märkte ergeben. Olle Schmidt (ALDE), schriftlich. – (SV) Transparenz ist für die Wiederherstellung des Vertrauens in den Finanzmarkt entscheidend. Die letzten Monate haben gezeigt, welche Probleme in einem komplexen und sich rasant entwickelnden Markt entstehen können, wenn es keine Möglichkeit gibt, die neuen Produkte auch zu verstehen und einzusetzen. Natürlich hat es auf dem OTC-Markt Probleme gegeben, aber auch in anderen Segmenten des Finanzmarkts muss Transparenz herrschen. Angesichts dieser breiten Problemfelder habe ich beschlossen, mich bei der Abstimmung zu enthalten, da die Änderungsanträge, die dem Bericht die Breite verliehen hätten, die er gebraucht hätte, nicht angenommen worden sind. − Bericht: Gyula Hegyi (A6-0279/2008) Jean-Pierre Audy (PPE-DE), schriftlich. – (FR) Ich habe für den Bericht meines ungarischen Kollegen Herrn Hegyi gestimmt, mit dem der Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 999/2001 betreffend die der Kommission übertragenen Durchführungsbefugnisse abgeändert wird. In dieser Verordnung werden Regelungen für die Verhütung, Kontrolle und Tilgung bestimmter transmissibler spongiformer Enzephalopathien (TSE) festgelegt. Ich unterstütze die vorgeschlagenen Änderungen, die darauf abzielen, das Regelungsverfahren mit Kontrolle anzuwenden, um bestimmte Maßnahmen in Bezug auf Produkte tierischen Ursprungs zu ergreifen, die sich aus Wiederkäuern ableiten oder Substanzen von Wiederkäuern enthalten. Dasselbe gilt für die Beurteilung, ob das von einem Mitgliedstaat angewandte Schutzniveau äquivalent ist, anhand einer Ausnahmeregelung von der Verordnung (EG) Nr. 999/2001, was die Maßnahmen nach der Feststellung des Vorliegens einer transmissiblen spongiformen Enzephalopathie (TSE) anbelangt. Ilda Figueiredo (GUE/NGL), schriftlich. − (PT) Wir haben für diesen Bericht gestimmt, da die transmissible spongiforme Enzephalopathie (TSE), die gemeinhin als Rinderwahnsinn bekannt ist, eine ernsthafte Bedrohung unserer Gesundheit darstellt. Wie wir wissen, verbreitet sich diese tödliche infektiöse Krankheit über ein Protein, das in infiziertem Fleisch nachgewiesen werden kann und das das menschliche Gehirn schädigt. Dank der strengen europäischen Regulierung ist es möglich gewesen, diese Epidemie einzudämmen. In diesem Bericht baut der Berichterstatter auf der Arbeit des früheren Berichterstatters auf, indem er neue Elemente hinzufügt, die mit dem Regelungsverfahren mit Kontrolle reguliert werden sollen. Daher stimmen wir zu, dass der Kommissionsvorschlag abgeändert werden sollte, um zu gewährleisten, dass die Kontrollen nicht gelockert werden. Wir müssen äußerst vorsichtig vorgehen, um dafür zu sorgen, dass das Regelungsverfahren mit Kontrolle die Umsetzung der Maßnahmen zur Bekämpfung dieser Krankheit nicht behindert. Des Weiteren müssen wir die Schaffung von Lücken in der Gesetzgebung vermeiden, wenn wir Mitgliedstaaten Ausnahmeregelungen gewähren. Deshalb ist dieser Bericht so bedeutend. Hoffen wir, dass die Europäische Kommission dies berücksichtigt. Nach all den bekannten Skandalen im Zusammenhang mit dieser Krankheit brauchen und verdienen die Bürger in den Mitgliedstaaten diese Transparenz. David Martin (PSE), schriftlich. − Mit Gyula Hegyis Bericht über die Änderung der Verordnung (EG) Nr. 999/2001 betreffend die der Kommission übertragenen Durchführungsbefugnisse wird versucht, Änderungen an der Verordnung über transmissible spongiforme Enzephalopathien vorzuschlagen – eine tödliche Krankheit, die über infiziertes Fleisch übertragen wird. Die Aktualisierung des Regelungsverfahrens im Zusammenhang mit diesem Thema mit dem Ziel, das Europäische Parlament stärker einzubeziehen, ist ein positiver Schritt. Daher erhält der Bericht meine Unterstützung.

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− Bericht: Johannes Blokland (A6-0282/2008) Andreas Mölzer (NI), schriftlich. − (DE) Jährlich hat die EU mit zwei Milliarden Tonnen Müll zu kämpfen, davon 40 Millionen Sondermüll. Die produzierten Mengen hausmüllähnlicher Anlagen dürften zusammen mit den Industrieabfällen den größten Anteil daran haben, obgleich natürlich letztere ein ungleich höheres Gefährdungspotenzial beinhalten. All dies teilt uns die Statistik mit, weshalb die EU sich ja auch das hehre Ziel der Reduktion der zu entsorgenden Abfallmenge um 20 Prozent bis 2010 gesetzt hat. Zu hoffen ist jedenfalls, dass etwa im Bereich landwirtschaftlicher Abfälle die Notwendigkeit der Einholung statistischer Daten nicht dazu verkommt, unsere Bauern mit Papierkrieg zuzumüllen. Da ich hierfür im Bericht keine Anzeichen entdecken konnte, habe ich dafür gestimmt. Rovana Plumb (PSE), schriftlich. − (RO) Ich habe für diesen Bericht gestimmt, da durch diesen neuen Gesetzgebungsvorschlag die Verordnung über Müllstatistiken an die Komitologie angepasst wird, also an die Regelung mit Kontrolle. Der Beschluss des Europäischen Parlaments plädiert auch an die Kommission, die Bewertungsberichte über die Pilotstudien rechtzeitig vorzulegen, um eine doppelte Vorlage der Daten in Bezug auf Müllstatistiken zu vermeiden. Daciana Octavia Sârbu (PSE), schriftlich. − (RO) Nicht ausreichende Daten über die Müllerzeugung und das Müllmanagement hindern die Europäische Union daran, eine harmonisierte Müllpolitik durchzusetzen. Statistische Werkzeuge sind für eine Beurteilung der Einhaltung des Grundsatzes der Prävention von Umweltschädigungen infolge des Umgangs mit Müll und dessen Überwachung zum Zeitpunkt der Entstehung, Abholung und Entsorgung notwendig. Die Mitgliedstaaten haben anerkannt, dass es nicht ausreichend statistische Daten gibt und dass die in diesem Bericht enthaltenen Definitionen nicht ausreichend sind, um zu vergleichbaren Ergebnissen zwischen den Mitgliedstaaten zu führen. Aus diesem Grund kann die Datenerfassung auf Gemeinschaftsebene weitaus effizienter und im Einklang mit dem Subsidiaritätsgrundsatz erfolgen. Was die Agrar-, Fischerei- und Forstwirtschaftsstatistiken anbelangt, sollten wir den Grad der Abdeckung der Behandlung von landwirtschaftlichen und biologischen Abfällen in diesem Bericht berücksichtigen. Daher gibt es mehrere wichtige Themen, die einer besonderen Aufmerksamkeit bedürfen, um die Genauigkeit der Daten und demzufolge die Harmonisierung der statistischen Informationen auf Gemeinschaftsebene sicherzustellen. − Bericht: József Szájer (A6-0298/2008) Šarūnas Birutis (ALDE), schriftlich. – (LT) Das Spektrum ist wie andere natürliche Ressourcen (Sonne, Wasser, Luft) ein öffentliches Gut. Marktmechanismen an sich können trotz des Umstands, dass sie ein wirksames Mittel zur Schaffung eines optimalen wirtschaftlichen Werts sind (privat und öffentlich), das allgemeine Interesse nicht befriedigen und keine öffentliche Vermögenswerte schaffen, die für die Entstehung einer Informationsgesellschaft entscheidend sind. Daher ist die Koordinierung von politischen und Marktmaßnahmen ein Muss. Eine bessere Koordinierung und mehr Flexibilität sind erforderlich, um diese begrenzte Ressource voll nutzen zu können. Allerdings ist es auch notwendig, das Gleichgewicht zwischen Flexibilität und Harmonisierung zu wahren, um den Mehrwert des Binnenmarktes des Spektrums zu erreichen. Das Spektrum hält sich nicht an nationale Grenzen. Um es den Mitgliedstaaten zu ermöglichen, das Spektrum effektiv zu nutzen, muss eine bessere Kooperation innerhalb der EU erreicht werden, insbesondere im Bereich der Expansion der europäischen Dienstleistungen und der Verhandlungen über internationale Abkommen. Wenngleich das Management des Spektrums weiterhin unter die nationalen Kompetenzen fallen wird, kann nur durch EU-Grundsätze sichergestellt werden, dass die Interessen der EU weltweit verteidigt werden. Urszula Gacek (PPE-DE), schriftlich. − (PL) Ich bin für den weiteren Schutz der wirtschaftlichen Interessen an Orten, an denen Mineralwasser gewonnen wird, wie es in der Richtlinie des Europäischen Parlaments über die Gewinnung von und den Handel mit natürlichen Mineralwässern garantiert wird. Der Gewinn für Bezirke und Unternehmen, insbesondere in der Provinz Małopolska, leistet einen wesentlichen Beitrag zur Entwicklung der Region und ihrer Attraktivität als Kurort und Reiseziel.

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Ich möchte darauf hinweisen, dass diese Gebiete häufig landwirtschaftlich genutzt werden und kaum Einkommensmöglichkeiten bieten, da sie auf hügeligem und gebirgigem Terrain liegen, auch wenn sie unterirdisch über sehr wertvolle Mineral- und Quellwässer mit heilenden Eigenschaften verfügen. − Bericht: József Szájer (A6-0280/2008) Šarūnas Birutis (ALDE), schriftlich. – (LT) Das Mineralwasserdokument der EU begründet einen europaweiten Standard über natürliches Mineralwasser. Diese Verordnung legt die Bedingungen fest, unter denen natürliches Mineralwasser als solches anerkannt wird, und enthält die Leitlinien für die Nutzung natürlicher Mineralwasserquellen. In den Leitlinien werden ferner spezifische Regelungen für die Versorgung des Marktes mit Mineralwasser ausgeführt. Die Diskrepanzen in diesen Verordnungen wirken sich störend auf den freien Verkehr von natürlichem Mineralwasser aus und schaffen unterschiedliche Wettbewerbsbedingungen, die einen direkten Einfluss auf das Funktionieren des Binnenmarktes für dieses Produkt haben. In diesem besonderen Fall könnten die bestehenden Hindernisse von jedem Mitgliedstaat beseitigt werden, der sich einverstanden erklärt, Mineralwasser zu akzeptieren, das von anderen Mitgliedstaaten in deren Territorium anerkannt wurde, indem allgemeine Leitlinien zur Erfüllung mikrobiologischer Anforderungen für das Produkt eingeführt werden, die den Namen einer bestimmten Mineralwassermarke festlegen würden. Das Hauptziel einer Verordnung über Mineralwasser ist der Schutz der Gesundheit der Verbraucher und die Verhinderung, dass Verbraucher durch die Informationen auf dem Produkt irregeführt werden, wodurch ein fairer Handel gewährleistet wird. − Bericht: József Szájer (A6-0299/2008) John Attard-Montalto (PSE), schriftlich. − Natürlich sind Verkehrstauglichkeitsprüfungen für Fahrzeuge ein wichtiger Faktor für die Sicherheit der Fahrer, der Passagiere und der Fußgänger. Auch im Kampf gegen den Klimawandel in Bezug auf CO –Emissionen sind sie wichtig. 2

Andererseits hat die Regierung eines Landes die Pflicht, einen Rahmen bereitzustellen, der zur Gesundheit und Sicherheit von Fahrern, Passagieren und Fußgängern beiträgt. Malta und Gozo haben gehören zu den Gebieten mit der größten PKW-Dichte pro Einwohner. Fahrzeuge sind auf Malta aufgrund der hohen Zulassungsgebühr extrem teuer. Das macht es für die Bürgerinnen und Bürger sehr schwer, auf effizientere Fahrzeuge umzusteigen. Die Regierung muss das Thema der Fahrzeugzulassung umgehend angehen, am besten schon im nächsten Haushalt. Die Bürger nutzen private PKWs, denn die Situation des öffentlichen Verkehrs ist nicht hinnehmbar. Es ist an der Zeit, dass eine Generalüberholung des öffentlichen Verkehrs durchgeführt wird. Zudem ist der Zustand vieler unserer Straßen beklagenswert. Die Zuweisung von Strukturfonds durch die EU für 2007-2013 beträgt 53 %. Unter diesen Umständen müssen alle wichtigen Straßen wieder auf den Standard gebracht werden. − Bericht: Roselyne Lefrançois (A6-0323/2008) Graham Booth, Nigel Farage und Jeffrey Titford (IND/DEM), schriftlich. − Die UKIP betrachtet den Terrorismus als großes Problem. Wir sind einfach der Ansicht, dass die EU nicht über die Maßnahmen entscheiden sollte, die zur Bekämpfung des Terrorismus ergriffen werden sollen. Unserer Auffassung nach sind die einzelnen Mitgliedstaaten am besten in der Lage, über eine zwischenstaatliche Kooperation geeignete Sicherheitsmaßnahmen zu beschließen. Philip Bradbourn (PPE-DE), schriftlich. − Die britischen Konservativen unterstützen den Bericht, wenngleich sie einige Vorbehalte in Bezug auf die Notwendigkeit der Beteiligung der EU in diesem Bereich haben, da es bereits ein Übereinkommen des Europarats gibt, das dieselben Themen abdeckt. Wir befürworten eine enge Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten, aber auch im Kontext einer globalen Herangehensweise an die Terrorbekämpfung. Wir sind jedoch von der Wirksamkeit von Einheitskonzepten auf europäischer Ebene nicht überzeugt. Marco Cappato (ALDE), schriftlich. − (IT) Ich habe gegen den Vorschlag zur Einbeziehung eines neuen Tatbestands der „Provokation“ oder einer „öffentlichen Aufforderung zum Begehen einer terroristischen

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Straftat“ in das Europarecht durch Umsetzung des Übereinkommens des Europarats gestimmt, da ich die Ansicht vertrete, dass die von der Kommission vorgelegte Definition zu vage ist und auf rein subjektiven Elementen basiert, wodurch die Menschenrechte und die Grundfreiheiten gefährdet werden, insbesondere das Recht auf freie Meinungsäußerung in Europa. Tatsächlich werden öffentliche Aussagen, Erklärungen in den Medien oder im Internet gepostete Nachrichten, die auf irgendeine Weise – entweder direkt oder indirekt auf der Grundlage des „Vorsatzes“ und der „Gefahr, dass diese Drohungen wahr gemacht werden“ – als Anstiftung zum Begehen einer terroristischen Straftat betrachtet werden können, zu einem Verbrechen auf europäischer Ebene gemacht. Das erklärte Ziel ist das Angehen der „Terroristenpropaganda“ im Internet. Die Berichterstatterin hat versucht, den Text der Europäischen Kommission dahingehend abzuändern, dass die Menschenrechte besser geachtet werden, um damit für eine größere Rechtssicherheit zu sorgen. Nichtsdestotrotz denke ich, dass wir diesen Vorschlag ablehnen sollten, teilweise deshalb, um ein klares Signal an die Kommission und den Rat zu senden, die bereits angekündigt haben, dass sie die Vorschläge des Parlaments nicht annehmen möchten. Charlotte Cederschiöld, Christofer Fjellner, Gunnar Hökmark und Anna Ibrisagic (PPE-DE), schriftlich. – (SV) Das schwedische Gesetz zur Pressefreiheit verkörpert fundamentale Werte der schwedischen Gesellschaft. Wir können keine Gesetzgebungen zur Bekämpfung des Terrorismus akzeptieren, die mit der schwedischen Verfassung in Konflikt geraten. Es gibt viele andere Wege und Möglichkeiten, mit denen dieselben Ziele erreicht werden können. Die Vorschläge, über die wir heute abgestimmt haben, bieten keinen Spielraum für ein Opt-out, was es uns ermöglichen würde, unsere Gesetzgebung in Schweden beizubehalten. Wir unterstützen die Verbesserungen, die das Europäische Parlament vorgeschlagen hat, können aber den Vorschlag als Ganzes nicht unterstützen. Da jedoch im Rat ein Übereinkommen erreicht worden ist, das der schwedischen Verfassung entspricht, haben wir beschlossen, uns zu enthalten, statt gegen den Bericht zu stimmen. Koenraad Dillen (NI), schriftlich. – (NL) Der Lefrançois-Bericht schlägt eine Reihe guter Maßnahmen zur Verbesserung der Effizienz und Koordination des Kampfs gegen den Terrorismus innerhalb der EU vor. Deshalb habe ich für ihn gestimmt. Die Anschläge der ETA vor ein paar Tagen und der mörderische Anschlag in Islamabad haben gezeigt, dass wir in diesem Kampf immer wachsam und effizient vorgehen müssen. Die grenzübergreifende Kooperation im Kampf gegen den Terrorismus – der heute in erster Linie islamischen Ursprungs ist – ist wesentlich, wenn wir Ergebnisse erzielen wollen. Allerdings dürfen wir die in der Vergangenheit begangenen Fehler ebenfalls nicht ignorieren. Schließlich hat der Schengen-Raum potenziellen Terroristen und Kriminellen jahrelang ein ideales Umfeld geboten, um ihre kriminellen Pläne durchzuführen, und dabei sind sie häufig ungestraft davongekommen. Es ist dringend erforderlich, dass Europa über seine Politik der offenen Grenzen und die schädlichen Auswirkungen dieser Politik in Bezug auf die Zuwanderung, die Kriminalität und den islamistischen Extremismus nachdenkt. Andernfalls wird sich die hier vorgeschlagene Rahmen ebenfalls als wertlos erweisen. Edite Estrela (PSE), schriftlich. − (PT) Ich habe für den Lefrançois-Bericht über den Vorschlag für einen Rahmenbeschluss des Rates gestimmt, mit dem der Rahmenbeschluss 2002/475/JI über die Bekämpfung des Terrorismus geändert wird, da ich der Auffassung bin, dass wir die Instrumente für den Kampf gegen den Terrorismus an die neuen Informations- und Kommunikationsmedien anpassen müssen, die den Terroristen zur Verfügung stehen. Die Revision des Rahmenbeschlusses der EU wird die Einbeziehung des Konzepts des Terrorismus in bestimmte vorbereitende Dokumente für Rechtsakten ermöglichen, darunter die Anwerbung und Ausbildung künftiger Terroristen und die öffentliche Aufforderung zum Begehen terroristischer Straftaten, die damit in allen Mitgliedstaaten kriminelle Straftatbestände werden. Es ist ebenfalls wichtig, die wesentlichen Änderungsanträge hervorzuheben, die von der SPE-Fraktion mit dem Ziel der Gewährleistung der Grundrechte der freien Meinungsäußerung und der Versammlungsfreiheit vorgelegt worden sind. Pedro Guerreiro (GUE/NGL), schriftlich. − (PT) Der derzeitige internationale und gemeinschaftliche Rechtsrahmen beinhaltet eine Reihe von Instrumenten, die mehr als notwendig sind, um den echten Terrorismus und das organisierte, gewalttätige und transnationale Verbrechen zu bekämpfen, die damit verbunden sind.

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Ziel dieses Vorschlags ist die Verstärkung der Sicherheitsmaßnahmen, die unter dem Vorwand der Ereignisse vom 11. September 2001 die Rechte der Bürger, die Grundfreiheiten und Garantien aufs Spiel gesetzt haben. Dieser Vorschlag beinhaltet, wie die Berichterstatterin selbst sagt, zweideutige Definitionen, die die Achtung der Grundfreiheiten nicht gewährleisten. Wie im „Rahmenbeschluss 2002/475/JI über die Bekämpfung des Terrorismus“ – mit dessen Definition des „Terrorismus“ – bleibt einmal mehr die Möglichkeit für die Umsetzung von Sicherheitsmaßnahmen und die Kriminalisierung von Personen oder Gruppen offen, die sich gegen den Terrorismus aussprechen oder über den Staatsterrorismus schreiben. Dieser Vorschlag stellt keinen Mehrwert im Kampf gegen den echten Terrorismus und die damit verbundene transnationale Kriminalität dar. Stattdessen ist er eine echte Bedrohung für die Sicherheit und die Grundfreiheiten der Bürgerinnen und Bürger in den einzelnen Mitgliedstaaten. Wie wir herausgestellt haben, müssen wir eher die tatsächlichen Ursachen für die Entstehung des Terrorismus bekämpfen als Sicherheitsmaßnahmen zu ergreifen. Wie wir bereits erklärt haben, „werden wir die Freiheit nicht gegen die Sicherheit eintauschen, da uns dann am Ende keines der beiden bleiben wird“. Aus diesem Grund haben wir gegen diesen Bericht gestimmt. Carl Lang (NI), schriftlich. – (FR) Am Samstag, den 20. September sorgte ein Selbstmordattentäter dafür, dass ein Lastwagen vor dem Marriott Hotel im Herzen der pakistanischen Hauptstadt explodierte. Übrig blieb eine ausgebrannte Ruine, und mindestens 60 Menschen starben. Dieser Anschlag wurde den pakistanischen Taliban zugeschrieben, die mit Al-Kaida verbunden sind. Am Sonntag, den 20. und am Montag, den 21. September war es die baskische Separatistenorganisation ETA, die mit drei Anschlägen Blut vergoss. Diese Anschläge sind den Vermutungen zufolge in Frankreich vorbereitet worden. Der Terrorismus kennt keine Grenzen, und der Schengen-Raum ist der ideale Ort, um anzuwerben, zu indoktrinieren und die logistischen Vorbereitungen für Anschläge zu treffen. In Frankreich sagte Innenminister Michèle Alliot-Marie zu diesem Thema, dass „französische Haftanstalten eine Hochburg für die Anwerbung radikaler Islamisten sind.“ Ein ehrliches Eingeständnis! Es ist eine Tatsache, dass der Terrorismus viele Ursachen hat, aber heute liegen sie vornehmlich im bewaffneten Kampf des radikalen Islam. Kurioserweise gibt es keine Gesetzgebungstexte, die sich auf die Erkennung und Prävention der Anwerbung in Haftanstalten oder gewissen sogenannten „anfälligen“ Wohnvierteln beziehen. Die Europäische Union plant, sich selbst ein Regelwerk zur Bekämpfung des Terrorismus zu geben. (Die Stimmerklärung wird gemäß Artikel 163 der Geschäftsordnung gekürzt.) Jörg Leichtfried (PSE), schriftlich. − (DE) Ich stimme für den Bericht von Roselyne Lefrançois, da der Vorbeugung gegen terroristische Straftaten ein zentraler Stellenwert beim Kampf gegen den Terrorismus zukommen muss. Die Aufforderung zur Begehung einer terroristischen Straftat, die Anwerbung von terroristischen Aktivisten sowie die Ausbildung zu Terroristen sind drei vorbereitende Handlungen, welche ebenfalls als Straftaten zu werten sind. Dabei müssen jedoch die Grundrechte stets gewahrt bleiben. Deshalb stimme ich für die Verwendung des Begriffs „Anstiftung“ anstelle von „Aufforderung“, da dieser genauer ist und weniger Spielraum ermöglicht. Dem Internet als virtuellem Trainingscamp muss entgegengetreten werden, denn aufgrund der neuen Informations- und Kommunikationstechnologien wird es für Terroristen zunehmend einfacher, ihre Propaganda zu verbreiten. Die EU muss dem Terrorismus klar und bestimmt entgegentreten, und die Aufnahme der drei neuen Straftaten ist dabei ein wichtiger Schritt. Pressefreiheit, Meinungsfreiheit und das Recht auf Achtung des Brief- und Fernmeldegeheimnisses, welches auch E-Mails und sonstigen elektronischen Schriftverkehr beinhaltet, dürfen aber nicht beschnitten werden, weshalb ich für die Änderungen von Roselyne Lefrançois bin. Andreas Mölzer (NI), schriftlich. − (DE) Innerhalb der EU haben wir gewiss Schläfer, die irgendwann aktiv werden könnten. Dabei darf nicht vergessen werden, dass Terroristen nicht vom Himmel fallen, sondern ins Land kommen und in einer inlandfeindlichen Umgebung aufwachsen. Wenn die EU Terrorismusbekämpfung

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wirklich effektiv betreiben will, dann muss sie sich mit Maßnahmen gegen Entstehung und Ausweitung von Parallelgesellschaften und Co. auseinandersetzen, anstatt jene, die Probleme im Zusammenleben mit Migranten aufzeigen, en gros als Rassisten zu beschimpfen. Ebenso darf die Terrorismusabwehr nicht zu einem schleichenden Abbau von Bürgerrechten führen – was kürzlich ja sogar den EuGH auf den Plan rief – oder die Kriminalitätsbekämpfung vor lauter Fixierung auf den Terrorismus ins Hintertreffen geraten. Wenn man bedenkt, dass islamistische Fanatiker an vorderster Stelle terroristischer Bedrohung stehen, ist es längst überfällig, gegen islamistische Hassprediger vorzugehen und etwa die Ausbildung in Terrorcamps zum europaweiten Straftatbestand zu machen. In diesem Sinne habe ich für den Bericht Lefrançois gestimmt. Rareş-Lucian Niculescu (PPE-DE), schriftlich. − (RO) Die jüngsten Anschläge im Baskenland zeigen einmal mehr, dass der Terrorismus tägliche Realität ist und wir wirksame Instrumente zu dessen Bekämpfung brauchen. Der neue Rahmenbeschluss des Rates über den Kampf gegen den Terrorismus ist sicherlich ein Schritt nach vorn, und ich begrüße seine Annahme. Ich bin überrascht, dass der 7-jährige Gedenktag nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 in New York vom Europäischen Parlament nicht angesprochen wurde. Wir sollten versuchen, die Opfer dieser Anschläge nicht zu vergessen, und wir hätten betonen sollen, dass die transatlantischen Beziehungen im Rahmen der täglichen Aufgaben des Europäischen Parlaments Priorität haben sollte. Luís Queiró (PPE-DE), schriftlich. − (PT) Die Rechtsklarheit des Rechtsrahmens zur Bekämpfung des Terrorismus ist genauso wichtig wie Klarheit und Entschlossenheit in dieser Angelegenheit insgesamt. In diesem Sinne ist die Besorgnis der Kommission über die Mechanismen, Mittel und Methoden zur Anwerbung von Terroristen, insbesondere derjenigen, die in europäischen Ländern angeworben werden – und häufig hier geboren und aufgewachsen sind – verständlich. In diesem Bereich müssen wir sicherstellen, dass die Polizeibehörden und der Staat über die notwendigen Mittel zum Handeln verfügen, vorzugsweise in einer präventiven Weise. Maßnahmen, die die Bekämpfung dieses Phänomens zum Ziel haben und an denen die Polizei- oder Justizbehörden nicht beteiligt sind, sind ebenfalls relevant. Es ist eine Frage der Gewährleistung, dass es neben der Reaktion des Rechtssystems auch ein Warn- und Wachsamkeitssystem gibt, über das Maßnahmen ergriffen werden können, sei es durch die Verstärkung der Integration, die Unterstützung der Stimme der moderaten Mehrheit oder das Angehen der Marginalisierung, die mit illegaler Zuwanderung einhergeht. Aus allen diesen Gründen müssen die politischen Behörden wachsam und aktiv sein. Wenngleich es unmöglich ist, alle terroristischen Straftaten zu verhindern, können wir ein Umfeld vermeiden, das den Terrorismus fördert, hervorruft und anheizt. Andrzej Jan Szejna (PSE), schriftlich. − (PL) Eines der Hauptziele der Europäischen Union innerhalb des Rahmens einer Politik für einen gemeinsamen Raum der Freiheit, Sicherheit und Gerechtigkeit ist die Gewährleistung der Sicherheit seiner 500 Millionen Bürgerinnen und Bürger. Um dies zu erreichen, müssen sich die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten dem modernen Terrorismus stellen. Das kontroverseste Thema im Kontext des Vorschlags, den Rahmenbeschluss des Rates über die Bekämpfung des Terrorismus zu überprüfen, ist die Forderung der Einführung des Konzepts der öffentlichen Aufforderung zum Begehen terroristischer Straftaten. Die Grenze zwischen der Meinungsfreiheit und einem Verstoß gegen das Gesetz ist sehr dünn. Wir können nicht zulassen, dass wir in eine Lage geraten, in der mehr Sicherheit zu einer Beschneidung der Rechte und Freiheiten der Bürger führt. Aus diesem Grund vertrete ich die Haltung, dass es unabdingbar ist, die größtmögliche Rechtssicherheit für den besagten Rahmenbeschluss sicherzustellen, und dies sollte in erster Linie über eine engere Definition des Konzepts der öffentlichen Aufforderung zum Begehen terroristischer Straftaten erfolgen. Das neu geschaffene Dokument muss aus rechtlicher Sicht klar und harmonisch sein, um es zu einem wirksamen Instrument zur Bekämpfung des Terrorismus zu machen, während es gleichzeitig ein hohes Niveau an Menschenrechten und Grundfreiheiten bietet. Bernard Wojciechowski (IND/DEM), schriftlich. − (PL) Die Anschläge in Madrid und London haben uns gezeigt, was für ein großes Problem der Terrorismus für die EU ist. Das Jahr 2008 wies eine erschreckende Bilanz aus, angefangen mit dem Anschlag in Bagdad am 1. Februar während einer Beerdigung, der 30 Todesopfer forderte, bis zum Anschlag am 20. September auf das Marriott Hotel in Islamabad, bei dem mehr als 60 Menschen starben und über 250 verletzt wurden. Insgesamt gab

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es 2008 ganze 49 Terroranschläge. Zu Vergleichszwecken sollte hinzugefügt werden, dass diese Zahl der zwischen 2002 und 2007 (beide eingeschlossen) begangenen Terroranschläge entspricht. Eine der wirksamsten Methoden zur Bekämpfung des Terrorismus ist die Beseitigung seiner Ursachen. Aus diesem Grund denke ich, dass die Europäische Union alle Anstrengungen zur Bekämpfung des Terrorismus auf globaler Ebene und unter Achtung der Menschenrechte unternehmen sollte. Die EU sollte Europa sicherer machen, um es seinen Bürgerinnen und Bürgern zu ermöglichen, Freiheit, Sicherheit und Gerechtigkeit zu erleben, was in großem Maße vom Willen der Mitgliedstaaten abhängen muss. − Bericht: Martine Roure (A6-0322/2008) Koenraad Dillen (NI), schriftlich. – (NL) Ich habe aus Überzeugung gegen diesen Bericht gestimmt. Der Roure-Bericht zeigt zum x-ten Mal, wie politische Korrektheit Europa blendet. Es ist offensichtlich, dass die Regierung im Kampf gegen Kriminalität und Terrorismus das Recht hat, so viele Daten wie möglich über potenziell Verdächtige zu sammeln, einschließlich „ethnischer“ Daten. Selbst die Berichterstatterin räumt dies ein. Aber warum sollten die Zivilbehörden nicht auch Daten in anderen Bereichen verarbeiten – bei gleichzeitigem Schutz der Privatsphäre – wenn dies eine gute Governance gewährleistet? Warum sollte zum Beispiel der italienische Staat nicht die Fingerabdrücke illegaler Zuwanderer abnehmen, wenn dies die einzige Möglichkeit darstellt, sie zu identifizieren? Der ursprüngliche Ratsvorschlag zu diesem Thema war ausreichend ausgewogen. Ähnlich wie die Linke, die Maßnahmen gegen Dissidenten in ganz Europa ergreift wie eine regelrechte Gedankenpolizei – als Flame weiß ich so einiges darüber – steckt hier die Absicht dahinter, als Wächter der bürgerlichen Freiheiten zu agieren. Es ist viel zu lächerlich, um es in Worte zu fassen. Pedro Guerreiro (GUE/NGL), schriftlich. − (PT) Unter Berücksichtigung des Umstands, dass dies ein Fall ist, bei dem der Rat das Europäische Parlament „konsultiert“, möchten wir darauf hinweisen, dass wir, wenngleich wir vom Europäischen Parlament vorgelegte Änderungsanträge unterstützt haben, obwohl diese die zuvor angenommenen Standpunkte verwässern, der Ansicht sind, dass dieser Vorschlag weit hinter dem zurückbleibt, was im Bereich des „Schutzes personenbezogener Daten, die im Rahmen der polizeilichen und juristischen Kooperation in kriminellen Angelegenheiten verarbeitet werden“ nötig ist. Neben anderen entscheidenden Aspekten unserer negativen Beurteilung dieses Vorschlags heben wir den Umstand hervor, dass er selbst anhand der enthaltenen (Pseudo-) Bedingungen „die Verarbeitung personenbezogener Daten über rassenbezogene oder ethnische Abstammung, politische Ansichten, religiöse oder philosophische Anschauungen bzw. die Gewerkschaftszugehörigkeit offenlegen, und von Daten, die die Gesundheit oder sexuelle Aktivität betreffen“ nicht ausschließt, was nicht hinnehmbar ist! Wie in der Aussprache herausgestellt worden ist, basiert der Vorschlag auf dem niedrigsten gemeinsamen Nenner bei einem Thema mit so weitreichender Bedeutung wie die Wahrung der Rechte, Freiheiten und Garantien der Bürgerinnen und Bürger in den diversen Mitgliedstaaten, also auf einem Niveau unter dem, das in anderen Rechtsinstrumenten festgelegt wurde, insbesondere in denen des Europarats. Die Gewährleistung des Schutzes personenbezogener Daten ist ein dringliches und unabdingbares Thema. Dies kann durch ein Rechtsinstrument nicht erreicht werden, das – aufgrund seiner Lücken und Fehler – uns nicht vor der Möglichkeit einer Nichteinhaltung oder eines fehlenden Schutzes bewahrt. Deshalb haben wir uns der Stimme enthalten. Jörg Leichtfried (PSE), schriftlich. − (DE) Ich stimme für den Bericht von Martine Roure, welcher ein hohes Datenschutzniveau bei der Verarbeitung personenbezogener Daten garantiert. Der Kampf gegen den Terrorismus darf nicht auf Kosten der Grundrechte der Bürger gehen, weshalb der Schutz von personenbezogenen Daten absolut gewährleistet werden muss. Die Einigung des Ministerrates weist einige Mängel auf und kann das somit nicht garantieren. Der Bericht behebt die Defizite und ändert die Ratseinigung dahingehend, dass die Verwendung und Weitergabe der personenbezogenen Daten strikter reguliert wird. Die Verhältnismäßigkeit und Zweckbestimmung der Verarbeitung der Daten werden präziser formuliert werden, die Weitergabe an Drittstaaten genaueren Kontrollen unterzogen, sowie eine Expertengruppe gefordert, welche als Kontroll- und Ausführungsstelle fungieren soll.

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Die lange Diskussion in den Europäischen Organen zeigt die Strittigkeit und Sensibilität des Themas. Hier zu einer Einigung zu kommen ist schwierig, darf aber nicht dazu führen, dass das Ergebnis oberflächlich ist und den Datenschutz in der EU verwässert. Personenbezogene Daten müssen stets mit absoluter Vorsicht und allen nur möglichen Schutzmaßnahmen behandelt werden. Mary Lou McDonald (GUE/NGL), schriftlich. − Wenngleich die von der Kommission in diesem Rahmenbeschluss vorgelegten Maßnahmen weit hinter dem zurückbleiben, was ich gerne gesehen hätte, habe ich den allgemeinen Grundsatz der Festlegung eines Mindestniveaus für den Schutz personenbezogener Daten unterstützt. Der Ausschuss für bürgerliche Freiheiten des Parlaments leistete gute Arbeit zur Verbesserung des Vorschlags, die, wie ich hoffe, angenommen wird. Sinn Féin unterstützt das höchstmögliche Niveau des Datenschutzes für Bürgerinnen und Bürger und wird alle Maßnahmen weiter unterstützen, die die Privatsphäre und die Rechte der Bürgerinnen und Bürger auf diesem Gebiet verbessern. Dimitrios Papadimoulis (GUE/NGL), schriftlich. – (EL) Der Ratsvorschlag darf unter keinen Umständen in seiner derzeitigen Form angenommen werden. Die in ihm enthaltene Forfaitierung des Schutzes personenbezogener Daten ist nicht hinnehmbar. Es wird ein umfangreicher Rechtsrahmen zum Schutz der personenbezogenen Daten benötigt, um sicherzustellen, dass ein wesentlicher Schutz gewährleistet ist und solche Daten vom Staat oder Personen auf internationaler oder nationaler Ebene nicht verarbeitet werden. Die Kritik und Empfehlungen des Europäischen Parlaments im Zusammenhang mit dem Ratsvorschlag sind im Allgemeinen ein Schritt in die richtige Richtung, aber sie reichen nicht aus. − Bericht: David Hammerstein (A6-0336/2008) Jan Andersson, Göran Färm, Anna Hedh, Inger Segelström und Åsa Westlund (PSE), schriftlich. – (SV) Wir von den schwedischen Sozialdemokraten haben beschlossen, für Änderungsantrag 1 zum Bericht über die Beratungen des Petitionsausschusses in der Sitzungsperiode 2007 (A6-0336/2008) zu stimmen. Grund hierfür ist der Umstand, dass wir der Ansicht sind, dass das Europäische Parlament selbst imstande sein sollte, über seinen Sitz zu entscheiden. Allerdings sollte das Europäische Parlament im Interesse unserer Klimaund Umweltpolitik und auch aus wirtschaftlichen Gründen nur einen Sitz haben: in Brüssel. Proinsias De Rossa (PSE), schriftlich. − Der Petitionsausschuss des Europäischen Parlaments leistet einen unschätzbaren Dienst für die Bürgerinnen und Bürger der Europäischen Union, indem er ihre Anliegen an die Kommission weiterleitet, nationale, regionale und lokale Behörden auf Unregelmäßigkeiten in der Umsetzung des EU-Rechts aufmerksam macht und sich mit Fällen der Verletzung der Bürgerrechte befasst. Die starke Zunahme der Zahl der Petitionen, die im vergangenen Jahr im Europäischen Parlament eingegangen sind, zeigt sowohl das wachsende Bewusstsein der Bürger darüber, wie ihnen das Parlament dienen kann, als auch die Notwendigkeit einer geeigneten Finanzierung und personellen Ausstattung des Ausschusses. Im Jahr 2007 gingen ganze 65 Petitionen nur in Bezug auf Irland ein, und eine Erkundungsmission des Ausschusses besuchte das Land aufgrund des Verstoßes gegen EU-Richtlinien, die das Wasser und die Umwelt betreffen. Ich bin überzeugt von der entscheidenden Rolle des Petitionsausschusses als Ansprechpartner für Bürgerinnen und Bürger, die mit Verstößen gegen Vorschriften konfrontiert werden, sowie als Brücke zwischen ihnen und allen Ebenen der Administration und der Regierung innerhalb der EU über ihre gewählten Abgeordneten. Koenraad Dillen (NI), schriftlich. – (NL) Dieser Bericht verdiente eine Enthaltung. Natürlich ist es gut, dass die europäischen Bürgerinnen und Bürger Petitionen über die Behörden – darunter auch ihre „europäischen Behörden“ – einreichen können, aber ich bedaure den föderalistischen Unterton dieses Berichts. Ein Beispiel hierfür ist die völlig irrelevante Art und Weise, in der die in den Vertrag von Lissabon einzementierte Charta der Grundrechte in den Himmel hinein gelobt wird. Ein weiteres Beispiel ist die in ihm enthaltene Aufforderung zur Erreichung einer noch größeren Effizienz – sprich „Beeinflussung“ – der Mitgliedstaaten von Seiten der Kommission. Die Art und Weise, in der dieser Bericht für einen einzigen Sitz des Europäischen Parlaments in Brüssel zu argumentieren pflegt, stört mich ebenfalls. Natürlich haben wir alle von der Geldverschwendung durch die „Fragmentierung“ des Europäischen Parlaments die Nase voll, aber dieser eine Sitz könnte natürlich genauso gut in Straßburg eingerichtet werden.

23-09-2008

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Hélène Goudin und Nils Lundgren (IND/DEM), schriftlich. – (SV) Dieser Bericht ist eigentlich ein Tätigkeitsbericht des Petitionsausschusses des Europäischen Parlaments. Aber da sich der Bericht in mehreren Punkten mit Begeisterung und in der Hoffnung seiner baldigen Ratifizierung auf den Vertrag von Lissabon bezieht, haben wir beschlossen, gegen den Bericht in seiner Gesamtheit zu stimmen. Unsere grundlegende Ansicht ist, dass der Vertrag von Lissabon abgelehnt worden ist, da die abstimmungsberechtigten Bürgerinnen und Bürger in einem Mitgliedstaat und in einem Referendum „Nein“ zum Vertrag sagten. Nun, es gibt viele weitere Mitgliedstaaten, in denen zweifellos eine Mehrheit der Abstimmungsberechtigten den Vertrag von Lissabon abgelehnt hätte, wenn ihnen die Möglichkeit dazu gegeben worden wäre. Diese Ignoranz, die der Petitionsausschuss des Europäischen Parlaments in mehreren Punkten seines Berichts zur Schau stellt, ist etwas, was wir nicht unterschreiben können. Was die Frage eines einzigen Sitzes für das Europäische Parlament anbelangt, unterstützen wir den Grundsatz, dass es an den Mitgliedstaaten gemeinsam liegt, über den Sitz des Europäischen Parlaments zu entscheiden, aber wir halten es auch für vernünftig, dass das Europäische Parlament in dieser Angelegenheit eine Stellungnahme abgibt. Ian Hudghton (Verts/ALE), schriftlich. − Ich habe für Herrn Hammersteins Änderungsantrag 1 zu seinem eigenen Bericht gestimmt. Wir haben heute festgestellt, dass das Europäische Parlament im kommenden Monat einmal mehr seinen monatlichen Umzug nach Straßburg unternimmt, was für den Steuerzahler mit Kosten in Höhe von mehreren Milliarden Euro verbunden ist. Wir müssen diesem Reisezirkus ein Ende setzen, und das Parlament selbst muss im Mittelpunkt der Debatte stehen. Mieczysław Edmund Janowski (UEN), schriftlich. − (PL) Ich habe für Herrn Hammersteins Bericht über die Beratungen des Petitionsausschusses in der Sitzungsperiode 2007 gestimmt, da er eine transparente Darstellung der positiven Auswirkungen der Tätigkeiten dieses Ausschusses ist. Der Ausschuss selbst, der von Herrn Libicki geleitet wird, hat durch sein Handeln gezeigt, dass der Ausschuss sehr benötigt wird. Er ermöglicht es EU-Bürgerinnen und Bürgern, Petitionen im Zusammenhang mit der Verletzung ihrer Rechte als Bürgerinnen und Bürger durch öffentliche Behörden in den Mitgliedstaaten einzureichen. Artikel 191 der Geschäftsordnung des Europäischen Parlaments besagt: „Alle Bürgerinnen und Bürger der Union sowie jede natürliche oder juristische Person mit Wohnort oder satzungsmäßigem Sitz in einem Mitgliedstaat können allein oder zusammen mit anderen Bürgern oder Personen in Angelegenheiten, die in die Tätigkeitsbereiche der Union fallen und die sie unmittelbar betreffen, eine Petition an das Parlament richten.“ Ich halte diese Bereitstellung der ePetition-Datenbank für eine bedeutende Errungenschaft der Arbeit dieses Ausschusses. Dank dieser Datenbank ist es nun möglich, Onlinezugang zu allen Dokumenten in Bezug auf jede Petition zu erhalten. Auch die erhebliche Zunahme der Anzahl der elektronisch eingereichten Petitionen sollte erwähnt werden. Im vergangenen Jahr waren es 42 %. Der Petitionsausschuss arbeitet gut mit den relevanten Abteilungen innerhalb der Europäischen Kommission, dem Europäischen Bürgerbeauftragten und auch mit den jeweiligen Vertretern der Mitgliedstaaten sowie den regionalen und lokalen Behörden zusammen, um geeignete Erläuterungen bereitzustellen. Die Reisen zur Feststellung der Fakten, die die Vertreter des Ausschusses gelegentlich unternehmen, sind für seine Arbeit sehr hilfreich. Das gut funktionierende Sekretariat leistet seinen Teil zur Steigerung der Effektivität seiner Arbeit. Ona Juknevičienė (ALDE), schriftlich. – (LT) Die Unterschriften von mehr als 1 Million EU-Bürger sind zur Unterstützung der EU-weiten Bürgerinitiative eingegangen, die einen ständigen Sitz für das Europäische Parlament fordert. Dies gab den beteiligten Personen das Recht, eine Petition an den Petitionsausschuss zu richten, einen ständigen Sitz für das Parlament zu benennen. Meines Erachtens ist das derzeitige System der Arbeitsregelungen des Europäischen Parlaments ineffizient und mit ungerechtfertigten finanziellen Ausgaben verbunden. Das Geld der Steuerzahler wird verschwendet, anstatt mit dem Ziel gut genutzt zu werden, einen Mehrwert für die Bürger zu erzielen. Im Jahr 2005 schlug ich während der Vorbereitung auf den Bericht über den Haushalt des Europäischen Parlaments vor, das Europäische Parlament an nur einem Standort zu verlegen, um dadurch Reisekosten zu beseitigen und das Parlament in die Lage zu versetzen, sich die Finanzierung der Reisespesen seiner Abgeordneten und seines Personals zu sparen. Allerdings unterstütze ich in der heutigen Abstimmung den von der Fraktion der Grünen/Europäische Freie Allianz vorgelegten Änderungsantrag über einen ständigen Sitz des Europäischen Parlaments in Brüssel nicht. Meiner Meinung nach ist es nicht richtig, davon auszugehen, dass ausschließlich Brüssel zum ständigen Sitz des Europäischen Parlaments werden soll. Dies ist eine Angelegenheit, die in die Kompetenz der Mitgliedstaaten fällt.

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David Martin (PSE), schriftlich. − Ich begrüße, dass im Bericht die zunehmende Bedeutung des Petitionsausschusses anerkannt wird. In diesem Jahr ist die Zahl der eingegangenen Petitionen im Vergleich zu 2006 um 50 % gestiegen. Ich erkenne ferner die Besorgnis des Berichterstatters über die von der Kommission und dem Gerichtshof benötigte Zeit für die Lösung der Fälle an, die an den Ausschuss verwiesen werden. Ich habe für den Bericht gestimmt. Mary Lou McDonald (GUE/NGL), schriftlich. − Ich begrüße den Hammerstein-Bericht über den Petitionsausschuss, über den wir heute abstimmen. Insbesondere begrüße ich den Umstand, dass der Bericht die irische Regierung in Bezug auf zahlreiche Themen ins Gebet genommen hat. Der Beschluss der irischen Regierung, den Bau der Autobahn M3 mitten durch unsere historisch wertvollsten nationalen Landstriche voranzutreiben, ist nicht zu rechtfertigen. Das Projekt sollte aufgegeben oder überarbeitet werden, um unsere nationalen Monumente zu schützen. Die Kampagne muss in Irland und Europa fortgesetzt werden, um sicherzustellen, dass dies geschieht, bevor es zu spät ist, wie uns die Regierung weiszumachen versucht. Dimitrios Papadimoulis (GUE/NGL), schriftlich. – (EL) Ich habe für den Hammerstein-Bericht über die Arbeit des Petitionsausschusses gestimmt. Er unterstützt die Arbeit dieses Ausschusses, der einer der Hauptkommunikationskanäle zwischen den Bürgerinnen und Bürgern und den europäischen Institutionen ist. Die Effektivität des Petitionsausschusses bei der Aushandlung und Unterstützung der Anliegen der Bürger muss verbessert werden, indem seine institutionelle Rolle verstärkt und seine Kooperation mit der Europäischen Kommission, dem Europäischen Bürgerbeauftragten und den Behörden der Mitgliedstaaten verbessert wird. Catherine Stihler (PSE), schriftlich. − Es ist enttäuschend, dass es dem Parlament nicht gelungen ist, Änderungsantrag 1 über das Thema eines einzigen Sitzes zu unterstützen. Dies ist die zweite Straßburger Tagung, die wir in Brüssel hatten, und wir haben bewiesen, dass wir problemlos in Brüssel zusammenkommen und abstimmen können. Wir müssen nicht länger Sitzungen in Straßburg abhalten. Ich möchte meine Kolleginnen und Kollegen dazu ermutigen, die Schriftliche Erklärung 75 zu unterzeichnen, die das Parlament dazu auffordert, künftig nur noch in Brüssel zusammenzukommen und die Sitzungen in Straßburg einzustellen. − Bericht: Michl Ebner (A6-0327/2008) Jan Andersson, Göran Färm, Anna Hedh, Inger Segelström und Åsa Westlund (PSE), schriftlich. – (SV) Wir von den schwedischen Sozialdemokraten haben beschlossen, gegen den Bericht zu stimmen, da wir gegen die Einführung einer gesonderten Unterstützung von Bauern in Berggebieten in Form einer kuhbezogenen Prämie sind. Wenngleich wir eine umfassende Strategie für Bergebiete begrüßen, ist eine höhere Unterstützung im Milchsektor nicht der richtige Weg. Wenn das Ziel darin besteht, den Anteil der gemeinsamen Agrarpolitik im EU-Haushalt als Ganzes im EU-Haushalt zu senken, sind Transfers von der ersten auf die zweite Säule ebenfalls nicht geeignet. Konstantinos Droutsas (GUE/NGL), schriftlich. – (EL) Der Bericht über die Situation und die Perspektiven der Landwirtschaft in Berggebieten nennt, wenn auch nur bruchstückhaft, die spezifischen Probleme, mit denen die Landwirtschaft und die Tierhaltung in diesen Regionen konfrontiert werden. Dazu zählen unter anderem Unzugänglichkeit, hohe Transportkosten und schwierige Bodenbeschaffenheiten für Getreide usw. Allerdings wird im Bericht nicht auf die Verantwortlichkeit der Mitgliedstaaten und der EU für die fehlende Infrastruktur und vor allem das Fehlen spezifischer Maßnahmen eingegangen. Solche Maßnahmen sollten dazu dienen, die natürlichen Nachteile dieser Regionen hinsichtlich der Produktion und Vermarktung von Agrarerzeugnissen auf ein Minimum zu beschränken und die vergleichsweisen Vorteile gut zu nutzen. Die EU benutzt vage Worte und leere Phrasen des guten Willens. Welche Maßnahmen auch ergriffen werden, sie erweisen sich als unwirksam und können die Entvölkerung dieser Regionen nicht aufhalten. Derselbe unproduktive Standpunkt wird auch im Bericht vertreten, mit dem versucht wird, die Gemeinschaftspolitik reinzuwaschen. Er geht weder auf die kontinuierliche Kürzung der EU-Mittel für die Landwirtschaft und der Haushaltsmittel noch auf die negativen Auswirkungen der GAP ein. Im Gegenteil, die EU plant lediglich eine Neuauflage derselben alten Maßnahmen, die sie an den Rahmen des bevorstehenden „Gesundheitscheck“ der GAP anzupassen versucht.

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Eine wesentliche Voraussetzung für die Verbesserung der Lebensbedingungen und die Steigerung der landwirtschaftlichen Erträge in Berggebieten ist die Auflehnung der Landwirte selbst gegen die GAP und die Forderung nach einer gesonderten Unterstützung für Berggebiete im Versuch, die Infrastruktur zu verbessern und den landwirtschaftlichen Produktionsprozess zu fördern. Hélène Goudin und Nils Lundgren (IND/DEM), schriftlich. – (SV) Der Ausschuss für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung des Europäischen Parlaments möchte allen speziellen Interessen, die es in diesem Sektor gibt, entgegenkommen. Wenn nun eine gesonderte Unterstützung für Landwirte in Berggebieten geleistet werden muss, stellt sich die Frage, ob spezielle Maßnahmen und Verträge ausgearbeitet werden müssen, um die Landwirtschaft in Norrland zu schützen. Wir sind aus Prinzip strikt gegen diesen Bericht. Die Juniliste stellt einmal mehr fest, dass es ein glücklicher Umstand ist, dass das Europäische Parlament keine Mitentscheidungsbefugnisse bezüglich der EU-Agrarpolitik hat. Wäre dies der Fall, wäre die Union in einer Falle des Protektionismus und kostspieliger Subventionen für die diversen landwirtschaftlichen Gruppen gefangen. Jan Mulder (ALDE), schriftlich. – (NL) Die Abgeordneten der Volkspartei für Freiheit und Demokratie (VVD) im Europäischen Parlament haben für den Ebner-Bericht gestimmt. Einer der Gründe hierfür war der Umstand, dass er einen guten Eindruck von den spezifischen Problemen der Landwirtschaft in Berggebieten vermittelt. Allerdings sind die Abgeordneten der VVD mit den Bestimmungen im Bericht nicht einverstanden, die das Entscheidungsfindungsverfahren in Bezug auf den „Gesundheitscheck“ der GAP vorwegnehmen, insbesondere die Forderung einer nationalen Reserve in Höhe von 20 %. James Nicholson (PPE-DE), schriftlich. − Dieser Bericht hebt die Schlüsselrolle hervor, die die Bergregionen in Bezug auf die Umwelt, die Landwirtschaft und sogar die Kultur und den Tourismus spielen. Was am wichtigsten ist: Es wurde anerkannt, dass diese Gebiete für die Erhaltung der Biodiversität und die Umsetzung einer Forststrategie wesentlich sind. Allerdings können diese einzigartigen Gebiete auch erhebliche Herausforderungen an die Menschen stellen, die in ihnen leben und arbeiten, insbesondere was die Infrastruktur, die Kommunikation und die hohen Produktionskosten anbelangt. Aus eben diesem Grund verdienen diese Gebiete eine koordinierte und integrierte Strategie ähnlich dem Konzept, das sich auf die Küstenregionen der Europäischen Union bezieht. Natürlich ist die Haltung von Schafen eng mit der Landwirtschaft in diesen Gebieten verbunden, und es muss anerkannt werden, dass das Weiden der Schafe für ihre ökologische Stabilität besonders wichtig ist. Allerdings hat die Kommission trotz des Umstands, dass diese Branche derzeit mit zahlreichen Herausforderungen konfrontiert wird, die Lage mit ihrem jüngsten Vorschlag über die elektronische Kennzeichnung noch verschlimmert. Darüber hinaus scheint es, dass obwohl eine gesonderte Unterstützung für die Schafhaltung dringend erforderlich ist, eine solche derzeit bedauerlicherweise nicht geplant ist. Neil Parish (PPE-DE), schriftlich. − Meine Kolleginnen und Kollegen der britischen Konservativen und ich begrüßen den Schwerpunkt, den dieser Bericht auf die Landwirtschaft in Berggebieten legt, die spezifischer Maßnahmen bedarf, um zu gewährleisten, dass ökologisch vorteilhafte landwirtschaftliche Praktiken in diesen Regionen weiterhin durchgeführt werden können. Bedauerlicherweise wird im Ebner-Bericht eine Reihe von Maßnahmen gefordert, die sich vornehmlich auf die erste Säule beziehen, darunter die Einführung einer kuhbezogenen Prämie für Berggebiete und die Anhebung der Mittelobergrenze gemäß Artikel 69 auf 20 %. Wir können die Einführung neuer gekoppelter Subventionen innerhalb der ersten Säule nicht befürworten. Sie sind nicht konform mit den laufenden Reformen der Agrarpolitik und bieten kein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis für den europäischen Steuerzahler. Den Herausforderungen, mit denen sich diese Regionen konfrontiert sehen, kann am besten mit einer Finanzierung der ländlichen Entwicklung in der zweiten Säule der gemeinsamen Agrarpolitik begegnet werden. Aus diesem Grund werden wir diesen Bericht nicht unterstützen. Zita Pleštinská (PPE-DE), schriftlich. − (SK) Ich habe für Herrn Ebners Bericht gestimmt, denn ich halte ihn für ein wichtiges Signal des Europäischen Parlaments an die Berggebiete in Europa. Ich basiere dies auf meiner persönlichen Erfahrung, denn ich lebe in einer Bergregion im Nordwesten der Slowakischen Republik, den Ausläufern der Hohen Tatra. Ich habe einige Studien über die Attraktivität des Lebens in Berggebieten durchgeführt. Ich danke dem Berichterstatter für die Berücksichtigung meiner Entwürfe für Änderungen in

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seinem Bericht, die ich dem Ausschuss für regionale Entwicklung vorgelegt habe und bei der Abstimmung des Ausschusses angenommen worden sind. Berggebiete können landwirtschaftliche Qualitätserzeugnisse hervorbringen und für eine größere Vielfalt derselben auf dem europäischen Markt sorgen. Daher besteht die Notwendigkeit für eine stärkere Koordination der ländlichen Entwicklung und für strukturelle Unterstützung zur Ausarbeitung gemeinsamer Programme und der Erhaltung anderer Tätigkeiten, wie die Nutzung der Biomasse und der Agrotourismus, wodurch die Einkommen der dort ansässigen Menschen steigen. Berggebiete bedürfen einer kontinuierlichen, nachhaltigen, modernisierten und multifunktionellen Landwirtschaft. Eine nachhaltige Forstwirtschaft wird die Energieerzeugung aus der Verwertung von Holzresten ermöglichen. Die Erhaltung bestimmter Tier- und Pflanzenarten, die Aufrechterhaltung von Traditionen, ökologische Aktivitäten und der Tourismus werden durch den Schutz der Biodiversität und Bindung von CO2 durch dauerhafte Graslandschaften und Wälder einen Beitrag zum Kampf gegen den Klimawandel leisten. Ich bin davon überzeugt, dass Berggebiete neue Mittel zum Schutz ihres Territoriums gegen Überschwemmungen mit einem Schwerpunkt auf der Überschwemmungsprävention benötigen, während Land- und Forstwirte die Maßnahmen gegen Überschwemmungen mithilfe der direkten gebietsbezogenen Zahlungen unterstützen könnten, die sie im Rahmen der gemeinsamen Agrarpolitik erhalten. Brian Simpson (PSE), schriftlich. − Ich unterstütze diesen Bericht, der die Förderung einer nachhaltigen Entwicklung in Berggebieten anstrebt. Der Umstieg auf eine stärker marktorientierte GAP bedeutet, dass sich Bergregionen, in denen die landwirtschaftliche Produktion weniger wettbewerbsfähig ist, nicht nur neuen Herausforderungen gegenübersehen, sondern meiner Ansicht nach auch neuen Chancen. Bergregionen sind möglicherweise nicht in der Lage, sich so leicht an wettbewerbsfähige Bedingungen anzupassen, denn dies ist eventuell auch mit höheren Kosten verbunden. Daher können sie Konkurrenzprodukte nicht zu niedrigen Preisen erzeugen. Der Schwerpunkt muss jedoch auf der Nutzung der verfügbaren Ressourcen, darunter die Schönheit der natürlichen Umgebung, um Touristen anzuziehen, und des potenziellen Wettbewerbsvorteils dieser Gebiete liegen, wie eine Palette an regionalen und traditionellen Erzeugnissen, die Fülle an traditionellen Fertigkeiten und die Herstellungsverfahren, die ihren Produkten einen Wettbewerbsvorteil verschaffen. Ich teile einige der Ansichten meiner Kolleginnen und Kollegen hier im Europäischen Parlament nicht, denn meines Erachtens liegt die Lösung für die Herausforderungen, mit denen Berggebiete konfrontiert werden, nicht darin, mehr GAP-Mittel in diese Regionen zu werfen. Sofern sich aus einer Unterstützung der Landwirtschaft in Berggebieten eindeutig Vorteile für die Öffentlichkeit ergeben, wie zum Beispiel Umweltvorteile, wäre meiner Ansicht nach eine öffentliche Finanzierung im Rahmen der Säule für die ländliche Entwicklung eher geeignet. Die Nutzung des Potenzials von Berggebieten ist ein Schlüssel zu ihrer nachhaltigen Entwicklung, die nicht dadurch erreicht wird, dass man einfach mehr öffentliche Gelder in deren Rachen wirft.

7. Berichtigungen des Stimmverhaltens und beabsichtigtes Stimmverhalten: siehe Protokoll (Die Sitzung wird um 13.00 Uhr unterbrochen und um 15.00 Uhr wieder aufgenommen.) VORSITZ: MIGUEL ÁNGEL MARTÍNEZ MARTÍNEZ Vizepräsident

8. Genehmigung des Protokolls der vorangegangenen Sitzung: siehe Protokoll 9. Gemeinschaftliches Überwachungs- und Informationssystem für den Schiffsverkehr - Untersuchung von Unfällen im Seeverkehr - Unfallhaftung von Beförderern von Reisenden auf See - Hafenstaatkontrolle (Neufassung) -

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Schiffsüberprüfungs- und -besichtigungsorganisationen und einschlägige Maßnahmen der Seebehörden (Neufassung) - Schiffsüberprüfungs- und -besichtigungsorganisationen (Neufassung) (Aussprache) Der Präsident. − Als nächster Punkt folgt die gemeinsame Aussprache über: – die Empfehlung für die zweite Lesung (A6-0334/2008) im Auftrag des Ausschusses für Verkehr und Fremdenverkehr über den gemeinsamen Standpunkt des Rates (05719/3/2008 – C6-0225/2008 – 2005/0239(COD)) im Hinblick auf die Annahme einer Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2002/59/EG über die Einrichtung eines gemeinschaftlichen Überwachungsund Informationssystems für den Schiffsverkehr (Berichterstatter: Dirk Sterckx), – die Empfehlung für die zweite Lesung (A6-0332/2008) im Auftrag des Ausschusses für Verkehr und Fremdenverkehr über den gemeinsamen Standpunkt des Rates (05721/5/2008 – C6-0226/2008 – 2005/0240(COD)) im Hinblick auf die Annahme einer Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung der Grundsätze für die Untersuchung von Unfällen im Seeverkehr und zur Änderung der Richtlinien 1999/35/EG und 2002/59/EG (Berichterstatter: Jaromír Kohlíček), – die Empfehlung für die zweite Lesung (A6-0333/2008) im Auftrag des Ausschusses für Verkehr und Fremdenverkehr über den gemeinsamen Standpunkt des Rates (06389/2/2008 – C6-0227/2008 – 2005/0241(COD)) im Hinblick auf die Annahme einer Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Unfallhaftung von Beförderern von Reisenden auf See (Berichterstatter: Paolo Costa), – die Empfehlung für die zweite Lesung (A6-0335/2008) im Auftrag des Ausschusses für Verkehr und Fremdenverkehr über den gemeinsamen Standpunkt des Rates (05722/3/2008 – C6-0224/2008 – 2005/0238(COD)) im Hinblick auf die Annahme der Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Hafenstaatkontrolle (Neufassung) (Berichterstatter: Dominique Vlasto), – die Empfehlung für die zweite Lesung (A6-0331/2008) im Auftrag des Ausschusses für Verkehr und Fremdenverkehr über den gemeinsamen Standpunkt des Rates (05724/2/2008 – C6-0222/2008 – 2005/0237A(COD)) im Hinblick auf die Annahme einer Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über gemeinsame Vorschriften und Normen für Schiffsüberprüfungs- und -besichtigungsorganisationen und die einschlägigen Maßnahmen der Seebehörden (Neufassung) (Berichterstatter: Luis de Grandes Pascual), und – die Empfehlung für die zweite Lesung (A6-0330/2008) im Auftrag des Ausschusses für Verkehr und Fremdenverkehr über den gemeinsamen Standpunkt des Rates (05726/2/2008 – C6-0223/2008 – 2005/0237B(COD)) im Hinblick auf den Erlass einer Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über gemeinsame Vorschriften und Normen für Schiffsüberprüfungs- und -besichtigungsorganisationen (Neufassung) (Berichterstatter: Luis de Grandes Pascual). Dirk Sterckx, Berichterstatter. – (NL) Herr Präsident, Herr Kommissar, Herr amtierender Präsident des Rates! Die Frage, die wir uns stellen müssen, ist die, ob wir neun Jahre nach dem Unfall der Erika und fast sechs Jahre nach dem der Prestige auf ähnliche Situationen wie diese vorbereitet sind, sollte es erneut dazu kommen. Das ist die Frage, die wir uns beantworten müssen. Ist alles in Ordnung? Haben wir eine ausreichende Zahl von Sachverständigen an der Hand, die unabhängig genug sind, um Entscheidungen zu treffen? Können sie schnell genug handeln? Haben wir alle Vorbereitungen abgeschlossen, um sie in die Lage zu versetzen, andere Spezialisten oder Katastrophenhelfer hinzuzuziehen, um die Angelegenheit zu lösen? Wird die Besatzung in einem solchen Fall angemessen behandelt? Wird Schadenersatz bezahlt? Wissen wir genug über die Schiffe, die entlang unserer Küsten verkehren? Dies sind die Fragen, die wir nach dem Unfall der Erika und dem der Prestige gestellt haben. Zu dieser Zeit hat die Kommission keine Zeit verloren, um diesbezügliche Vorschläge vorzulegen, und wir haben auch einiges auf Papier gebracht – mit all dem müssen wir uns nun detaillierter befassen. Wir hatten eine erste Lesung, in der der Rat in Form eines gemeinsamen Standpunkts geantwortet hat – welcher mich besonders enttäuscht hat. Allerdings muss ich zu meiner großen Zufriedenheit sagen, dass wir seit damals informelle Gespräche mit dem Rat geführt haben – zunächst mit der slowenischen und nun vor allem auch mit der französischen Präsidentschaft –, die sehr gute Ergebnisse gebracht haben. Was die zuständige Behörde anbelangt, haben wir es beinahe geschafft. Wir haben einen guten Text auf dem Papier, den ich meinen Kolleginnen und Kollegen in jedem Fall ans Herz legen kann. Es gibt eine Behörde,

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die an der Planung beteiligt ist, permanenter Natur ist, über die erforderliche Kompetenz verfügt und unabhängige Entscheidungen zur Verbesserung der Unterbringung der Schiffe treffen kann. Auch auf dem Gebiet der Schiffsüberwachung haben wir Fortschritte erzielt, nicht nur durch gewöhnlichen Radar, sondern auch per Satellit. Uns liegen detailliertere Informationen über die Ladung vor, und wir wissen, wer für die Bereitstellung dieser Informationen verantwortlich ist. Die Überwachung gilt auch für Fischereifahrzeuge, damit die Sicherheit kleiner Schiffe ebenfalls erhöht werden kann. Wir haben die Maßnahmen ausgearbeitet, die wir bei Eisgang ergreifen können. Wir haben also Fortschritte erzielt, aber wir sind noch nicht ganz fertig. Was muss noch gelöst werden? Die Tendenz, Besatzungen als Kriminelle zu betrachten, der Schadenersatz im Fall finanzieller Verluste für Häfen und die Meldepflicht für Bunkeröl. Schließlich können kleine Mengen dieses hochgradig verschmutzenden Bunkeröls manchmal sehr großen Umweltschaden anrichten – wie es zum Beispiel beim Unfall der Tricolor vor der belgisch-französischen Küste der Fall war. Damals liefen 180 Tonnen Öl aus, die trotz der sehr geringen Menge einen recht beträchtlichen Schaden verursachten. Herr amtierender Präsident! Ich möchte meine Wertschätzung für die Arbeit zum Ausdruck bringen, die wir – das Parlament und der Rat – im Zusammenhang mit meinem Bericht gemeinsam geleistet haben, und ich möchte das Parlament und den Rat dazu ermutigen, in dieser Weise fortzufahren. Dies bringt mich zu den beiden Texten, über die wir unterschiedliche Standpunkte vertreten. Als Berichterstatter von einem der Texte möchte ich den Rat dringend dazu auffordern, auch einen Beschluss zu den zwei fehlenden Texten zu fassen. Ich weiß, dass der amtierende Präsident hart daran arbeitet, aber die zwei Themen, nämlich die finanzielle Verantwortung von Schiffseigentümern und die Aufgabe der Flaggenstaaten, werden vom Parlament als wesentliche Komponente betrachtet, um die Sicherheit des Schiffsverkehrs zu erhöhen. Das Internationale Übereinkommen über die Haftung und Entschädigung für Schäden durch die Beförderung gefährlicher und schädlicher Stoffen auf See („HNS“-Übereinkommen) zum Beispiel muss von allen Mitgliedstaaten ratifiziert werden, wenn ein geeignetes System für die Unterbringung von Schiffen für die diversen Mitgliedstaaten und die Union ausgearbeitet werden soll. Das Parlament fordert den amtierenden Präsidenten dringend auf, alle möglichen Anstrengungen zu unternehmen, um zu gewährleisten, dass der Rat auch einen Beschluss zu diesen beiden Texten fasst. Andernfalls haben wir ein sehr ernstes Problem; die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass das Parlament alles, was wir erreicht haben, ganz gleich wie sehr ich das schätze, als nicht zufriedenstellend betrachten wird. Ich möchte den amtierenden Präsidenten daher bitten, die gute Arbeit fortzusetzen. Das Parlament und insbesondere dieser Berichterstatter stehen hinter ihm. Packen wir es an, um das bestmögliche Ergebnis für die Sicherheit auf See zu erzielen. Der Präsident. − Ich sehe Herrn Kohlíček nicht auf seinem Platz. Wir kommen nun zu den anderen Berichterstattern, und wenn er rechtzeitig kommt, werden wir ihm das Wort erteilen. Paolo Costa, Berichterstatter. – (IT) Herr Präsident, Herr amtierender Ratspräsident, Herr Kommissar, geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Wir sind im April 2007 zur ersten Lesung in diesem Plenarsaal zusammengekommen. Nun haben wir September 2008, und ich denke nicht, dass die Zeit nutzlos verstrichen ist. Es hat viele Entwicklungen gegeben, es wurden zahlreiche Fortschritte erzielt, und ich bin weiterhin zuversichtlich, dass wir imstande sein werden, auch noch die letzte Seemeile zu bewältigen, die für den Abschluss einer wichtigen Aufgabe noch vor uns liegt. Es handelt sich darum, allen europäischen Bürgerinnen und Bürgern und auch den Nichteuropäern, im Grunde all denen, die auf europäischen Gewässern unterwegs sind, Sicherheitsbedingungen zu schaffen, die besser sind als die bisherigen. Ich möchte nicht nur die Erika oder die Prestige ins Gedächtnis rufen, wie es Herr Sterckx getan hat, sondern – und das ist die Aufgabe, die ich mir selbst für meinen Bericht über den Sektor gestellt habe – ich möchte auch sagen, dass wir Havarien wie die der Princess of the Stars, die 800 Todesopfer auf den Philippinen gefordert hat, die Kollision zwischen einem Containerschiff und einem Tragflächenboot in der Meerenge von Messina, bei der es „lediglich“ zu 4 Todesfällen kam oder die La Besogne, die erst vor ein paar Tagen mit einem Bateau Mouche in Paris zusammengestoßen ist, bei der ebenfalls „nur“ 2 Todesopfer zu beklagen waren, verhindern müssen. Kurzum, auf allen Gewässern lauern Gefahren, weshalb wir in Bezug auf alle Gewässer Maßnahmen ergreifen müssen. Die Sachlage ist recht simpel: Es scheint mir, dass wir es uns schlichtweg nicht leisten können, zu bedauern, nicht die Entscheidungen getroffen zu haben, die angesichts der sich ereignenden Unfälle erforderlich waren. Ich möchte nicht noch einmal auf diesen Punkt eingehen – diese Entscheidungen beziehen sich nicht nur auf den Schutz der Umwelt, der Küsten und Meere, wie im Fall der Erika und der Prestige, sondern auch auf

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den Schutz der Menschenleben wie bei den großen Havarien, die sich zum Glück bislang auf Gewässern ereignet haben, die weit von uns entfernt liegen, sowie auf die kleineren Unfälle. Ich habe nur zwei Beispiele angeführt: eines auf der Meerenge von Messina und das andere auf der Seine vor ein paar Tagen. Mein Bericht beinhaltet ferner eine Strategie, die wir meines Erachtens alle annehmen sollten: Wir sollten das Beste aus allen europäischen Kompetenzen im Hinblick auf den Umwelt- und Verbraucherschutz herausholen. In diesem Fall bedeutet dies den Schutz von Menschenleben, von Personen sowie den Schutz der Sicherheit zur Verbesserung der derzeitigen Lage. Wir müssen jedoch vorsichtig sein: Wir müssen die Kompetenzen nutzen, die der Vertrag vorsieht, ohne absoluten Transfer weiterer Souveränität und ohne den Mitgliedstaaten Bereiche wegzunehmen, die wie wir glauben und glauben wollen, diesem Ziel voll und ganz dienen. Aus dieser Perspektive heraus denke ich daher, dass wir unsere Arbeit in dem Bereich, auf den sich mein Bericht bezieht, fortsetzen sollten, um Mechanismen zu finden, deren Umfang auf eine Art und Weise ausgeweitet werden kann, die niemand ablehnen kann, und um stufenweise Methoden der Umsetzung über einen angemessenen Zeitraum zu finden, der es jedem ermöglichen wird, sich mit der Zeit daran anzupassen, ohne zu verlangen, dass dies über Nacht geschehen soll. In Bezug auf die Haftungsbeschränkung müssen wir einen Weg finden, um die Sicherheit von Seiten des Reeders hinsichtlich der Haftung, die er übernimmt und der Schadenssumme, die ihm entstehen könnte, mit der Gewissheit von Seiten der potenziellen Opfer bezüglich des Erhalts einer Entschädigung zu kombinieren. Daher müssen wir einige Lösungen vorlegen, die sich mit der Option der Verschiebung der Ober- oder Untergrenzen befassen – die derzeit fix sind – die wir durchsetzen wollen oder werden können. Wir müssen gewährleisten, dass denjenigen bessere Informationen zur Verfügung gestellt werden, die auf unseren Schiffen reisen, und wir müssen die umgehende Ergreifung von Maßnahmen ermöglichen, wenn es zu Unfällen kommt, auch durch Vorauszahlungen in begrenzten, geeigneten Fällen, die nachgeprüft werden können. Ich glaube, dass wir sehr leicht zu einer Einigung über diese Themen kommen können; wir können einen Weg finden, um die noch offenen Punkte zu klären und das Dossier schließen. Der wesentliche Punkt bleibt jedoch bestehen: Wir dürfen es uns nicht erlauben, nur ein Thema anzugehen. Stattdessen müssen wir das Thema abschließen und imstande sein, den europäischen Bürgerinnen und Bürgern gegenüber zu sagen, dass wir an allen Fronten und in allen Sektoren arbeiten. Ich möchte das Thema in Bezug auf die zwei Berichte, die zwei Bestimmungen, die noch fehlen, nicht noch einmal aufs Tablett bringen. Der französischen Präsidentschaft möchte ich sagen, dass sie eine enorme Anstrengung unternommen hat, und ich bin mir sicher, dass sie dies auch weiterhin tun wird. Persönlich kann ich Ihnen, was das Parlament anbelangt, versichern, dass wir in jedem Fall täglich und jederzeit von heute an bis zum 31. Dezember dieses Jahres unermüdlich daran arbeiten werden, sicherzustellen, dass das Dossier noch unter dieser Präsidentschaft auf die bestmögliche Art und Weise für all diejenigen, die uns beobachten, geschlossen werden kann. Ich bin davon überzeugt, dass wir alle am Ende in der Lage sein werden, darauf stolz zu sein, dass wir in Europa Fortschritte im Bereich der Sicherheit auf See erzielt haben, ohne dass manche das Gefühl haben – wie soll ich es ausdrücken? – dass sie Kompetenzen verlieren, die sie direkt ausüben wollen. Dominique Vlasto, Berichterstatterin. − (FR) Herr Präsident, Herr amtierender Ratspräsident, Herr Kommissar, meine Damen und Herren! Zu Beginn möchte ich Sie alle daran erinnern, dass die Sicherheit auf See eine Priorität auf der politischen Tagesordnung der Europäischen Union bleiben muss. Wir können nicht warten, bis es zu einer weiteren großen Havarie auf See kommt, um festzustellen, dass die Sicherheit auf See für uns als politische Entscheidungsträger und auch für die Bevölkerung, die nicht länger zusehen will, wie ihre Küsten verschmutzt werden, eine Priorität ist, ganz zu schweigen von der Tatsache, dass diese Havarien eine Umweltkatastrophe darstellen und finanzielle Desaster verursachen. Die erste Lesung im Parlament fand im April 2007 statt. Es hat länger als ein Jahr gedauert, bis der Rat uns über seine gemeinsamen Standpunkte informiert hat, und das nur in Bezug auf fünf der sieben Texte im Paket. Ich muss gestehen, dass es mir recht schwer fällt, dies zu akzeptieren. Es kann natürlich vorkommen, dass manche Themen größere Probleme aufwerfen, und es mag schwierig sein, eine Einigung zu erzielen. Zumindest sind wir uns über das Gesetzgebungspaket einig, das in der Tat kompliziert ist, aber ich sehe kaum gültige Gründe, um eine Einigung über technische und sehr konkrete Texte zu verhindern, die in ihrer Gesamtheit ein sehr kohärentes Ganzes bilden. Ich möchte daran erinnern, dass wir alle vor einem Jahr sehr glücklich – und sogar zufrieden über uns selbst – waren. Wie einige meiner Kolleginnen und Kollegen möchte auch ich gerne erfahren, warum der Rat so lange gebraucht hat, sich mit

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diesem Dossier zu befassen. Des Weiteren hätte ich vom Rat gerne gewusst, was ihn davon abgehalten hat, eine Einigung über zwei wichtige Vorschläge zu erzielen, nämlich die zivile Haftung der Reeder und die Pflichten der Flaggstaaten, insbesondere deshalb, weil der Text über die Flaggstaaten die natürliche Ergänzung zu meinem Bericht über die Hafenstaatkontrolle darstellt. Angesichts dessen ist es recht leicht zu erkennen, wie die Interaktion eines Textes mit den anderen diesen „Paketansatz“ und die Notwendigkeit einer Einigung über alle Texte vollkommen rechtfertigt. Ich klinge vielleicht etwas hart, aber ich möchte wissen, was vor sich geht. Die echten Anstrengungen der französischen Präsidentschaft der EU begrüße ich jedoch. Sie hat versucht, die Blockade zu lösen und die Gespräche über die derzeit noch fehlenden zwei Vorschläge aus den Savary- und Fernandez-Berichten wieder in Gang zu bringen. Es war kein fehlender Fortschritt in Bezug auf jeden unserer Texte und es waren auch keine individuellen Schwierigkeiten mit jedem Vorschlag, die uns davon abgehalten haben, eine Einigung mit dem Rat zu erzielen, sondern vielmehr der Umstand, dass diese zwei Vorschläge im Moment nicht im Paket enthalten sind, was offenkundig ein Problem für alle Berichterstatter darstellt. Persönlich denke ich, dass wir bald zu einer Einigung über die jeweiligen Vorschläge kommen werden, da wir dazu gezwungen sind, selbst wenn das Schlichtungsverfahren in Anspruch genommen werden muss. Sei es wie es will, ich weiß, dass die französische Präsidentschaft daran arbeitet, und ich hoffe, dass sie Erfolg haben wird. Ich mache mir keine besonderen Sorgen um meinen Bericht über die Hafenstaatkontrolle, denn mir ist bekannt, dass am Ende unseres informellen Trilogs zahlreiche Probleme aus dem Weg geräumt wurden. Neben den diversen Unterschieden in der Formulierung bleiben weitere drei Diskrepanzen mit dem Rat, und ich habe befürwortet, dass der Standpunkt der ersten Lesung des Parlaments wieder herangezogen wird. Der erste Punkt war die Anwendung der Richtlinie auf die Ankerplätze, was ein wichtiges Thema für die Sicherheit auf See ist. Wir müssen die Ankerplätze in diesen Text aufnehmen. Ich denke, wir senden die Botschaft einer entschlossenen und konsequenten Politik aus. Schiffe, die den Standard nicht erfüllen, dürfen der Inspektion nicht entkommen, ungeachtet ihrer Schiffsroute und wo sie auf den europäischen Gewässern anlaufen. Der zweite Punkt betrifft die Anwendung dauerhafter Verbote. Einmal mehr glaube ich, dass dies eine Maßnahme ist, die als Abschreckung für schlechtes Verhalten beibehalten werden sollte. Diese Maßnahme sollte tatsächlich nur selten ergriffen werden, denn es dürfte nur wenige Schiffe geben, die ihre Anwendungsbedingungen erfüllen, aber sie muss für Schiffe zur Verfügung stehen, die den Standard nicht erfüllen, damit diese Schiffe möglichst keine neuen Probleme verursachen und den Eindruck der Straffreiheit vermitteln. Der dritte Punkt befasst sich mit den Flexibilitätsmaßnahmen für die Anwendung des Inspektionssystems. In der ersten Lesung wählten wir Flexibilitätsmechanismen basierend auf bestimmten Umständen; zum Beispiel versäumte Inspektionen, weil das schlechte Wetter die Durchführung von Inspektionen verhindert, oder wenn Sicherheitsbedingungen nicht gegeben sind. Die Möglichkeit der Verlegung der Inspektion eines Schiffes von einem Gemeinschaftshafen auf den nächsten wurde einbezogen. Der Rat will mehr. (Der Präsident entzieht der Rednerin das Wort.) Luis de Grandes Pascual, Berichterstatter. − (ES) Herr Präsident, Herr Bussereau, Herr Kommissar, liebe Kolleginnen und Kollegen! Heute kommen wir erneut zu der Debatte zurück, die wir in der ersten Lesung vor eineinhalb Jahren abgeschlossen haben. Wir tun dies aus mehr Gründen als wir damals hatten, mit den erreichten Ergebnissen zufrieden zu sein, die Frucht der Kooperation und des Konsenses in diesem Haus über ein für die Öffentlichkeit so heikles Thema wie die Sicherheit auf See waren. Allerdings bedaure ich, dass wir nicht vollkommen zufrieden sind bzw. nicht so sehr, wie wir es gehofft hatten, da uns trotz des Umstands, dass wir alle aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt haben, nehmen wir nur die tragischen Havarien der Erika und der Prestige als Beispiel, die wir nach wie vor vor Augen haben, und trotz der Notwendigkeit, jetzt zu handeln und nicht den Konsens abzuwarten, zu dem es nach Katastrophen immer kommt, das Verhalten des Rates bedauerlicherweise daran gehindert hat, die Angelegenheit heute mit der Annahme der acht Vorschläge, die „das dritte Paket“ über die Sicherheit auf See bilden, zu einem Abschluss zu bringen.

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Dies hält mich nicht davon ab, den Willen der französischen Präsidentschaft anzuerkennen und ihr dafür zu danken, denn sie hat die Angelegenheit von der portugiesischen und slowenischen Präsidentschaft übernommen und im Rat für das richtige Tempo gesorgt, mit der hehren Absicht, eine Einigung über ein Paket von Vorschlägen zu erzielen, das als Ganzes betrachtet werden sollte, ein Punkt, in dem wir uns alle einig sind, denn es gibt Überschneidungen zwischen ihnen und sie betreffen alle an der Seeverkehrskette Beteiligten. Daher gibt es keinen Spielraum für Diskussionen darüber, wie es leider viele oder zumindest einige Regierungen glauben, ob manche dieser Vorschläge unnötig oder ungeeignet sind. Jeder einzelne davon ist wesentlich. Auf dieser Grundlage plädiere ich an den Rat, eine so wertvolle Gelegenheit für uns, diese Angelegenheit einvernehmlich abzuschließen, nicht verstreichen zu lassen, nachdem einige von uns unsere Hausaufgaben fast erledigt haben, da die informellen Triloge, die bislang abgehalten worden sind, und der vollständige Konsens, der mit allen Schattenberichterstattern herrscht, sehr zufriedenstellende Ergebnisse hervorgebracht haben und eine gute Basis für die abschließende Einigung darstellen könnten. Meine Damen und Herren, nachdem dies gesagt ist, gibt es noch ein Thema, das mir große Sorgen bereitet. Ich möchte gern darauf zu sprechen kommen, da es unseres Erachtens einen wesentlichen Aspekt des Pakets betrifft. Ich beziehe mich auf die gegenseitige Abhängigkeit der Organisationen und Instanzen, die speziell zum Zweck des Fassens der bestmöglichen Beschlüsse in der kürzest möglichen Zeit geschaffen worden sind. In dieser Hinsicht spreche ich insbesondere über die unabhängige Instanz, die geschaffen werden soll, um eine Entscheidung zu treffen, die stets schwierig ist: die Unterbringung eines in Notlage geratenen Schiffes an einem Zufluchtsort. Werte Kolleginnen und Kollegen! Es gäbe kein Argument für die Schaffung einer Instanz, die vom politischen Einfluss unabhängig ist, wenn sie nicht mit den erforderlichen Mitteln und Entscheidungsbefugnissen ausgestattet wird, aber was noch wichtiger ist, ist ihre Ausstattung mit Befugnissen, wenn sie dann, wenn es ernst wird, nur eine Option hat: die Zwangsunterbringung des Schiffes, selbst wenn dieses über keine Versicherung oder Garantien verfügt. Ist dies der Fall, fällt die gesamte Last auf den betreffenden Mitgliedstaat, der am Ende das Opfer des ökologischen und sozialen Schadens sein wird, der möglicherweise durch die Unterbringung eines Schiffes an einem Zufluchtsort verursacht werden kann, und diesen Schaden tragen muss. Aus diesem Grund sage ich ja zur Schaffung dieser Behörde, aber ihr sollten Befugnisse eingeräumt werden, und ein in Notlage geratenes Schiff sollte nur dann untergebracht werden, wenn die vorherige Beurteilung der Lage zum Schluss führt, dass dies die beste Entscheidung ist und die Risiken begrenzt sind. Ich muss Ihnen sagen, dass ich in diesem Kampf nicht allein dastehe, denn auch der europäische Verband, der alle unsere Häfen vertritt, hat stark hiergegen protestiert. Nachdem dies gesagt ist, danke ich Herrn Sterckx für seine Hartnäckigkeit bei diesem schwierigen Unterfangen, bei dem er eine Schlacht zu schlagen hatte. Insbesondere begrüße ich den Fortschritt, der mit den Schiffsüberwachungswerkzeugen erzielt wurde, die für die Abschwächung von Gefahrensituationen entscheidend sind. Was die Differenzen anbelangt, wird es Zeit zur Einigung geben, und wir werden alle nötigen Anstrengungen unternehmen, um Kompromisse zu erreichen. Ich zweifle nicht daran, dass uns dies gelingen wird. Abschließend möchte ich zu meinem Bericht kommen. Nachdem der Rat geprüft hat, was zuvor nur ein Vorschlag für eine Richtlinie war, wurde er in zwei Rechtsinstrumente aufgeteilt: einen Vorschlag für eine Verordnung und ein Vorschlag für eine Richtlinie, und die Mitglieder des Ausschusses für Verkehr und Fremdenverkehr waren der Ansicht, dass dies die richtige Vorgehensweise war. Unsere Sicht des gemeinsamen Standpunkts ist daher positiv, da er die vom Parlament befürwortete Linie größtenteils übernimmt: Stärkung der Überwachungsmechanismen für anerkannte Organisationen durch Schaffung eines unabhängigen Evaluierungsausschusses mit permanenten Zuständigkeiten, der autonom handelt; Erreichung eines flexibleren und gerechteren Sanktionssystems, das letztendlich effektiver ist, da es diejenigen bestraft, die nicht handeln wie sie sollten, jedoch basierend auf der Schwere des begangenen Verstoßes und der wirtschaftlichen Kapazität der Organisation; und abschließend die erfolgreiche Erzielung von Fortschritten beim heiklen Thema der Anerkennung von Klassifizierungszertifikaten, wodurch die Bedingungen festgelegt werden, unter denen

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sich die anerkannten Organisationen gegenseitig anerkennen müssen, ohne die Sicherheit auf See zu gefährden, und unter Anwendung der strengsten Vorschriften als Referenzpunkt. In jedem Fall, meine Damen und Herren, bin ich davon überzeugt, dass es eine solide Grundlage für eine abschließende Einigung gibt, und dass wir gemeinsam eine gute Lösung für alle Menschen in Europa finden werden. Jaromír Kohlíček, Berichterstatter. − (CS) Meine Damen und Herren! In allen Transportsektoren gibt es seit Langem sorgfältige Untersuchungen der Ursachen für schwere Transportunfälle. Die einzelnen Mitgliedstaaten betrachten diese Untersuchungen und die Feststellung der technischen Ursachen als wesentlichen Bestandteil der Unfallverhütung. Die einzige Ausnahme hierbei ist bislang der Seeverkehr gewesen. Natürlich gibt es einige Rahmenverordnungen, aber der Seeverkehr und die Schifffahrt sind komplexer als andere Transportarten, was die Festlegung anbelangt, welcher Staat für die Untersuchung der Unfallursachen zuständig sein soll. Ein Schiffseigentümer muss nicht der Betreiber des Schiffes sein, wenn es zwei sind, können diese aus verschiedenen Ländern stammen. Die Besatzung kann multiethnisch und multinational sein. Auch die Passagiere können unterschiedliche Staatsbürgerschaften haben. Dasselbe gilt für die Ladung und den Kunden, der den Transport in Auftrag gibt. Ein Schiff fährt von einem Hafen in den Hoheitsgewässern eines Staates zu einem anderen, und auf seinem Weg überquert es die Hoheitsgewässer anderer Länder oder internationale Gewässer. Als ob dies noch nicht komplex genug wäre, haben manche Länder die Untersuchungsgremien, über die wir sprechen, in diverse staatliche Organisationen integriert. Sie sind daher nicht einmal unabhängig. Mit den Schattenberichterstattern und der Präsidentschaft ist über die Untersuchung der Unfälle im Bereich des Seeverkehrs gesprochen worden. Der Ausschuss für Verkehr und Fremdenverkehr hat entschieden, dass es wünschenswert ist, die Grundlinien des Richtlinienentwurfs beizubehalten. Dies beinhaltet standardisierte Untersuchungen gemäß einer gemeinsamen Methode, wobei Fristen für die Festlegung, welcher Staat die Untersuchung durchführen soll, und für die Vorlegung eines abschließenden Berichts festgesetzt werden müssen. Es steht natürlich zur Debatte, welche Unfallarten gemäß der vereinbarten Methode obligatorisch untersucht werden müssen und wie präzise die Unabhängigkeit des Untersuchungsgremiums definiert werden soll. Während des Gesprächs über die Materialien haben wir uns darauf geeinigt, dass die Schlussfolgerungen einer technischen Untersuchung für weitere, zum Beispiel strafrechtliche Untersuchungen verwendet werden können. Die Details einer technischen Untersuchung müssen jedoch vertraulich bleiben. Im Ausschuss wurde des Weiteren geklärt, dass es nicht möglich ist, die Vorschriften zu ignorieren, die eine faire Behandlung der Schiffsbesatzung verlangen, die in Havarien auf See verwickelt war, es sei denn, dies wird durch die Einbeziehung solcher Vorschriften in andere Verordnungen verhindert. Es gibt ferner eine Einigung darüber, dass sich das unabhängige Untersuchungsgremium aus Sachverständigen aus mehreren Ländern zusammensetzen muss, und dass sich die einzelnen Staaten in gegenseitigem Einvernehmen auf die Federführung bei der Untersuchung von Schiffsunglücken einigen. Ich möchte darauf hinweisen, dass eines der Hauptziele des Pakets zur Seeverkehrssicherheit, über das wir zurzeit diskutieren, darin besteht, die Zuständigkeiten des Flaggenstaates zu stärken. Daher ist es angebracht, dass der vorgeschlagene Wortlaut in Bezug auf die Schnellmittelung über erkannte technische Mängel ein Bestandteil der Richtlinie bleiben sollte, wie auch die Angabe der Schiffe, auf die sich die Richtlinie bezieht. Ich halte es nach den Erfahrungen mit Tankerhavarien vor der spanischen Küste nicht für eine gute Idee, dass es für diverse Untersuchungsgremien bei technischen Untersuchungen nach wie vor möglich sein soll, parallel zu arbeiten. Wenn die Europäische Kommission nicht das Gefühl haben sollte, ausreichend kompetent zu sein, um über die Durchführung der Untersuchungen zu entscheiden, bleibt uns nur noch die Option offen, dass der Europäische Rat die diesbezüglichen Entscheidungen trifft. Ich für meinen Teil halte die Durchführung mehrerer paralleler technischer Untersuchungen für eine schlechte Lösung. Die noch immer nicht abgeschlossene Untersuchung der Havarie des Tankers Prestige zeigt, wohin eine solche Zersplitterung der Zuständigkeiten für eine Untersuchung führen kann. Es ist richtig, dass über das gesamte Paket zur Seeverkehrssicherheit gleichzeitig diskutiert werden sollte, um die Unterschiede in den Definitionen der einzelnen Konzepte in den diversen Komponentenrichtlinien zu vermeiden und damit die Eindeutigkeit der daraus resultierenden Materialien zu erhöhen. Ich denke, dass wir selbst in Bezug auf die Richtlinie über Havarien auf See einen vernünftigen Kompromiss erreichen können, der praktisch durchführbar ist und einen Beitrag zur Minderung der Wahrscheinlichkeit leisten wird, dass es zu keinen weiteren Havarien auf See kommt, und vielleicht auch zu einer gründlichen Überprüfung, einschließlich der technischen Aspekte.

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Dominique Bussereau, amtierender Präsident des Rates. − (FR) Herr Präsident, Herr Kommissar, geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Morgen werden Sie über das Dritte Paket zur Seeverkehrssicherheit abstimmen. Wie Sie wissen, bietet die Seewirtschaft Arbeitsplätze für rund 3 Millionen Menschen, was sie zu einem Schlüsselsektor für die Europäische Union macht. Es gab sieben Legislativvorschläge im Paket, die von der Kommission Anfang 2006 vorgelegt wurden. Ihr Ziel war die Einführung von Maßnahmen zur Prävention von Unfällen auf See und die Festlegung von Maßnahmen, die nach Unfällen ergriffen werden sollen – sprich, die Ursachenanalyse und die Entschädigung der Opfer. Priorität des Pakets ist die Gewährleistung der Sicherheit und der Qualität des Seeverkehrs, der Umweltschutz und die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit des europäischen Seeverkehrssektors. Der Rat, das Parlament und die Kommission unterstützen allesamt das Ziel der Förderung der Sicherheit auf See. Auf dem europäischen Gipfel in Kopenhagen im Jahr 2002 begrüßte der Rat die Anstrengungen zur Verbesserung der Sicherheit auf See und erinnerte an die Entschlossenheit der Europäischen Union, „alle erforderlichen Maßnahmen zur Verhinderung einer Wiederholung ähnlicher Katastrophen“ wie die Havarie der Erika zu ergreifen. Der Rat kann auch keine Bedenken in Bezug auf die Annahme viele der Forderungen haben, die vom Parlament in seiner Entschließung vom 27 April 2004 gestellt wurden. Allerdings gibt es nach wie vor einige Divergenzen in Bezug auf das Dritte Paket zur Seeverkehrssicherheit, und zu deren Überwindung werden weitere Konsultationen zwischen den Parteien erforderlich sein. Da das Paket, an dem mehrere Präsidentschaften gearbeitet haben – zuletzt die slowenische Präsidentschaft – von der Kommission vorgelegt wurde, hat der Rat sechs gemeinsame Standpunkte zu folgenden Vorschlägen übermittelt: Untersuchung von Unfällen, Schiffsklassifizierungsgesellschaften, Hafenstaatkontrolle, Verkehrsüberwachung und das Athener Übereinkommen, bei denen die Stellungnahmen des Europäischen Parlaments wie die vom April letzten Jahres berücksichtigt wurden. Seit Beginn ihrer Mandatszeit hat die französische Präsidentschaft große Anstrengungen unternommen, um in der zweiten Lesung eine Einigung über diese sechs Texte zu erzielen, für die die gemeinsamen Standpunkte im Juni 2008 vom Rat übermittelt wurden. Im Verlauf der mit dem Präsidenten des COREPER geführten informellen Gespräche mit den Berichterstattern während der Sommermonate, deren Zweck es war, eine rasche Einigung zu diesen Texten zu erreichen, wurden in Bezug auf jedes Dossier echte Fortschritte erzielt. Herr Costa, Sie haben diese in einem vor kurzem verfassten Schreiben als „wesentlich“ bezeichnet. Des Weiteren hat die Präsidentschaft, wie Sie wissen, im Einklang mit den Verpflichtungen, die ich im vergangenen April eingegangen bin, die Diskussionen im Rat über die letzten beiden Texte über die zivile Haftung und die Pflichten von Flaggenstaaten energisch und enthusiastisch belebt. Diese Belebung war für die Sicherheit auf See wirklich nötig und erfolgte, Herr Kommissar, als Reaktion auf die ständigen Anfragen von Ihrer Kommission. Ihnen ist bekannt, dass dieses Thema von der Präsidentschaft auf dem informellen Treffen in La Rochelle, zu dem ich die Vertreter des Europäischen Parlaments Herrn Costa und Herrn Savary eingeladen hatte, die uns mit ihrer Anwesenheit beehrt haben, auf die Tagesordnung gesetzt wurde. Sie wissen, dass wir uns derzeit weiter mit den technischen Aspekten der Arbeit beschäftigen, damit sich der Verkehrsministerrat auf seiner nächsten Sitzung, die für den 9. Oktober vorgesehen ist, damit befassen kann. Lassen Sie mich offen mit Ihnen sprechen: Angesichts der Dynamik, die dies ausgelöst hat, hatte ich gehofft, dass es nicht in die Vermittlung geht. Nichtsdestotrotz sind wir hier. Wir müssen nun dafür sorgen, dass wir die Dynamik nicht verlieren, und vor allem dürfen wir nicht den Eindruck vermitteln, dass alle diese Fortschritte und Anstrengungen vergebens gewesen sind, denn dies würde keine gute Botschaft an die Öffentlichkeit aussenden. Aus diesem Grund und parallel zu der im Rat weiter geleisteten Arbeit im Zusammenhang mit den letzten zwei Texten ist die Präsidentschaft froh, weiterhin informelle Gespräche mit jedem der Berichterstatter der ersten sechs Texte führen zu können, um zu einer Einigung über den Inhalt zu kommen. Ich für meinen Teil wollte diese Analyse mit Ihnen teilen, und ich werde dem Rat in seiner Sitzung am 9. Oktober darüber berichten, wenn wir uns mit den letzten zwei Texten befassen werden. Der Rat wird seinen Standpunkt bezüglich der Vermittlung über die ersten sechs Texte festlegen. Herr Präsident! Ich hoffe wirklich, dass das Parlament, der Rat und die Kommission einen Weg nach vorn für eine enge Zusammenarbeit an diesen Dossiers finden können. Ich denke, wir stehen kurz vor der abschließenden Einigung, die wir alle anstreben. Antonio Tajani, Mitglied der Kommission. − (IT) Ich danke Ihnen, Herr Präsident, meinen lieben Kolleginnen und Kollegen und ganz besonders meinem Kollegen. Nach so vielen Jahren als Abgeordneter des Parlaments freue ich mich, wieder hier im Plenum zu sein. Herr Präsident, Herr Bussereau, meine Damen und Herren!

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Wie könnte ich die Sorgen und Ziele nicht teilen, die sich seit Beginn der Debatte über dieses Paket zur Seeverkehrssicherheit herauskristallisiert haben? Unser Anliegen und das des Parlaments, das die Menschen in Europa vertritt, ist die Bereitstellung von Garantien oder der Versuch der Bereitstellung von Garantien für die europäischen Bürgerinnen und Bürger, dass tragische Ereignisse wie die, die wir leider ein paar Kilometer vor den Küsten Europas miterleben mussten, nicht wieder vorkommen. Es hat Unfälle wie den jüngsten im Hafen von Tarragona gegeben, wenngleich dieser nicht so schwerwiegend war, die bestätigen, dass unser Unterfangen richtig ist und dass wir den Bürgerinnen und Bürgern Antworten schulden. Natürlich ist es unmöglich, zu verhindern, dass es zu Unfällen kommt, aber wir müssen auf jeden Fall alles in unserer Macht Stehende tun, um ihnen durch die Gesetzgebung und politische Maßnahmen vorzubeugen. Wie können wir dies tun? Zunächst können wir skrupellosen Betreibern mit rigoroseren, systematischen Kontrollen an allen EU-Häfen sowie mit wirksameren Vorschriften bezüglich der Aufnahme eines in Notlage geratenen Schiffes an einen Notliegeplatz das Leben schwerer machen. Zudem können wir strengere Kontrollen der Organisationen durchführen, die zur Inspektion von Schiffen berechtigt sind, und Sicherheitszertifikate im Auftrag der Mitgliedstaaten ausstellen. Kurzum, wir müssen die Art und Weise verbessern, in der wir mit den Unfallfolgen umgehen, indem faire Entschädigungen für Passagiere oder ihre Familienangehörigen oder für die maritime Gemeinschaft erhalten werden, und indem wir mehr aus den Untersuchungen lernen, die nach Unfällen durchgeführt werden. Dies ist eines der wichtigen Aufgaben – wir müssen verstehen, was vorgefallen ist, um zu verhindern, dass es noch einmal geschieht. Es sind diese vielschichtigen Aspekte, mit denen Sie sich befassen werden müssen, sobald der Rat über fünf der sieben Vorschläge im Dritten Paket zur Seeverkehrssicherheit entschieden hat. Wie wir wissen, war der Verkehrsministerrat im vergangenen April nicht in der Lage, sich mit den Vorschlägen in Bezug auf die Pflichten der Flaggenstaaten oder der zivilen Haftung für Reeder auseinanderzusetzen. Wir sollten die von den Mitgliedstaaten zum Ausdruck gebrachten Schwierigkeiten nicht unterschätzen, die sich ebenfalls im Verlauf der informellen Ratssitzung in La Rochelle ergeben haben – die Sorge über einen Transfer von Kompetenzen an die Europäische Union bei Themen, die durch internationale Abkommen abgedeckt werden, und die Befürchtung einer Zunahme der Verwaltungslast im Zusammenhang mit den Kontrollen. Während der Sitzung des Rates in La Rochelle – auf der Herr Costa anwesend war – versuchten wir, und mit „wir“ meine ich die Kommission und den Präsidenten sowie die französische Präsidentschaft, der ich für die geleistete Arbeit in Koordination mit der Kommission danke, das gesamte Paket zügig durchzubringen, ohne die zwei Gesetzgebungstexte aufzugeben, die wir alle für sehr wichtig halten, wie Herr Bussereau unterstrichen hat. Ich muss der französischen Präsidentschaft wirklich herzlich für die von ihr ergriffenen Maßnahmen, ihre Vermittlungsbemühungen und ihren Wunsch, das Parlament in eine sehr heikle und auch äußerst schwierige Gesetzgebungsentscheidung mit einzubeziehen, danken. Ich kann mit Sicherheit nicht sagen, dass ich mit der Situation, wie wir sie heute haben, zufrieden bin. Es gibt zwei Themen, die der Gefahr unterliegen, ad acta gelegt zu werden, und diese sind von enormer Bedeutung. Die Kommission möchte, dass das gesamte Paket abgesegnet wird, und wir werden daran arbeiten und hartnäckig versuchen, zu einer Einigung zu kommen. Europa kann es sich nicht leisten, seinen Bürgerinnen und Bürgern keine konkreten Antworten zu geben; wir müssen ein Ziel haben, das simpel, aber bindend ist: alle Schiffe, die Flaggen von Mitgliedstaaten tragen, müssen dem Standard voll und ganz entsprechen. Unser Anliegen muss es sein, darüber hinaus zu gewährleisten, dass die Opfer von Seeunglücken eine geeignete, einheitliche Entschädigung in der gesamten Europäischen Union erhalten. In La Rochelle haben wir versucht, einen Weg zu finden, der zu einer Einigung zwischen dem Parlament und dem Rat führen wird. Wir arbeiten mit der französischen Präsidentschaft zusammen, um zu versuchen, Texte vorzulegen, die ein positives Urteil vom Rat und vom Parlament erhalten. Gestern habe ich den Verkehrsminister der Bundesrepublik Deutschland getroffen und darauf gedrängt, dass auch Deutschland seinen Teil dazu beitragen sollte. Was ich bei den Treffen mit allen Mitgliedstaaten versuche, ist einen Schritt nach vorn zu machen, indem ich die Vermittlungstätigkeit der französischen Präsidentschaft und der Europäischen Kommission unterstütze. Ich verstehe sehr gut, dass das Parlament indes in der zweiten Lesung Änderungen an den Texten vorzunehmen, mit denen der Inhalt der zwei Vorschläge, die noch offen sind, verbessert werden soll. Ich befürworte diese Änderungsanträge. Was die Dossiers anbelangt, die offiziell geprüft werden, weiß ich, dass

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ein wesentlicher Fortschritt erzielt wurde, indem die Sichtweisen des Parlaments und des Rates angenähert wurden, und selbst wenn es nicht möglich gewesen ist, diesen Fortschritt in Kompromissänderungsanträge umzusetzen, bin ich davon überzeugt, dass das übrige Verfahren durch diesen Fortschritt wesentlich erleichtert werden wird. Natürlich werde ich über diese Punkte und die geplanten Änderungsanträge sprechen können, nachdem ich gehört habe, was Sie zu sagen haben. Ich denke jedoch, dass es für uns immer noch möglich ist, zu einer Einigung zu kommen. Es wäre verkehrt, zu behaupten, dass die Verhandlungen leicht sind, denn sie werden kompliziert werden, aber meines Erachtens gibt es noch Spielraum, das Ziel zu erreichen, möglicherweise sogar noch vor der Vermittlung. Wir dürfen nicht aufgeben, bevor wir nicht alles versucht haben, um das Ziel der Annahme aller Texte des Pakets zur Seeverkehrssicherheit zu erreichen. Werte Vertreter des Rates, meine Damen und Herren! Sie können hinsichtlich des Versuchs, das Ziel, allen Bürgerinnen und Bürgern der Europäischen Union eine konkrete Antwort zu geben, auf das aktive Engagement der Europäischen Kommission, aller Führungskräfte und Beamten im Ministerrat, der Generaldirektion, deren Leitung mir obliegt, und meiner Mitarbeiter zählen. Georg Jarzembowski, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – (DE) Herr Präsident, sehr geehrter Herr Minister, lieber Freund, Herr Vizepräsident Tajani! Ich freue mich über die eigentlich großen Gemeinsamkeiten, die in der Debatte bisher herausgekommen sind. Unser französischer Vertreter des Rates, unser Freund, hat gesagt, er sei der Auffassung, dass wir bis zum Ende des Jahres noch eine Einigung schaffen können. Jawohl, lassen Sie uns die Einigung schaffen! Ich bedanke mich auch bei den Herren Vizepräsidenten für die Unterstützung der Kommission bei den Gesprächen zwischen den Berichterstattern und der französischen Ratspräsidentschaft. Herr Minister, wir wollen zugestehen, dass Ihre Mitarbeiter und Sie bereits große Fortschritte in den einzelnen Gesprächen zu den sechs Dossiers erreicht haben. Wir sind auf einem sehr guten Weg, aber – und das sage ich Ihnen auch zur Unterstützung gegenüber Ihren widerwilligen Kollegen im Ministerrat – es gibt ein Paket oder kein Paket. Deshalb hoffe ich, dass Sie am 9. November im nächsten Verkehrsministerrat in den beiden Dossiers, die noch offen sind, Fortschritte machen. Das sind keine Dossiers, die unwichtig sind. Ich will mich nicht in Details der zivilrechtlichen Haftung der Schiffseigner vertiefen, aber was die Flaggenstaaten angeht, finde ich es besonders wichtig. Es ist doch zu sehen, dass die Mitgliedstaaten bei all ihren Bekenntnissen, dass sie die Sicherheit auf See, die Sicherheit der Seeleute, die Sicherheit der Passagiere, die Sicherheit der Küstengewässer immer vor Augen haben, sich scheuen, ganz konkrete Verpflichtungen oder auch nur IMO-Resolutionen zum Schutz der See zu ratifizieren und umzusetzen. Wenn wir wollen, dass diese Flaggenstaatenverpflichtungen festgeschrieben werden, dass wir – das Parlament und die Kommission – in der Lage sind, die Mitgliedstaaten – notfalls auch vor Gericht – darauf zu drängen, ihre Verpflichtungen aus der IMO-Konvention zum Schutz der Meere und der Küstenbewohner einzuhalten, dann schrecken die Mitgliedstaaten zurück. Es gibt einige – es gibt auch gute, die ihre Flaggenstaatenpflichten erfüllen –, die sehr zurückhaltend dabei sind, sich der Kontrolle des Parlaments und der Kommission bei der Einhaltung ihrer Flaggenstaatenverpflichtung zu unterwerfen. Das ist inakzeptabel. Wir hatten die schweren Unglücke – Prestige und Erika –, und meine Kollegen haben noch auf die Unglücke der letzten Zeit hingewiesen. Wir sind gegenüber Mensch und Natur verpflichtet, darauf zu achten, dass gerade die Flaggenstaaten ihre Verpflichtungen erfüllen. Das ist doch skurril! In dem guten Bericht der Kollegin Vlasto reden wir über Hafenstaatenkontrolle. Das ist im Prinzip unser Mittel, Drittstaatenschiffe, die bei uns ankern, auf Sicherheit zu kontrollieren. Wir kontrollieren also Schiffe von Drittstaaten, aber die Mitgliedstaaten haben Angst, sich der Verpflichtung zu unterwerfen, geprüft zu werden, ob sie als Flaggenstaaten ihre Pflichten für die Sicherheit der Schiffe erfüllen. Das ist inakzeptabel. Insofern möchte ich den Herrn Minister ermutigen, am 9. Oktober die Mehrheit tatsächlich herüberzuziehen. Ich sage auch deshalb Mehrheit, Herr Minister, weil es, wenn ich mich nicht ganz täusche, sein könnte, dass im Verkehrsdossier Mehrheitsentscheidungen möglich sind. Diesen Korpsgeist im Ministerrat – wenn einer nicht will, werden die anderen ihn nicht drängen – müssen Sie vielleicht brechen, denn es geht hier um die Sicherheit der Natur und der Menschen, und notfalls müssen wir auch eine Mehrheitsentscheidung treffen. Ich appelliere an Sie, weiterzumachen. Wir sind stolz auf Sie – bisher kämpfen Sie richtig im Rat. Nehmen Sie auch folgende Botschaft an den Rat mit: Wir stehen hinter Ihnen, und wir sind bereit, mit der französischen

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Präsidentschaft gute Ergebnisse zu erzielen. Aber einige müssen sich bewegen – auch die deutsche Bundesregierung. Insofern lassen Sie uns alle gemeinsam kämpfen!

10. Begrüßung Der Präsident. − Bevor wir zum nächsten Redner kommen, möchte ich die Abgeordneten darüber in Kenntnis setzen, dass sich Herr Bronislaw Komorowski, Präsident des polnischen Parlaments, begleitet von einer Delegation in der Ehrentribüne aufhält. (Beifall) Herr Komorowski hat auf eine Einladung unseres Präsidenten Hans-Gert Pöttering reagiert, und eben haben beide die Fotoausstellung eröffnet, mit der wir an den Kampf für die Freiheit unseres lieben und sehr geschätzten Kollegen Bronislaw Geremek erinnern, der nicht länger unter uns ist. Herr Komorowski, wir begrüßen Sie herzlich in Ihrem Zuhause, dem Europäischen Parlament.

11. Gemeinschaftliches Überwachungs- und Informationssystem für den Schiffsverkehr - Untersuchung von Unfällen im Seeverkehr - Unfallhaftung von Beförderern von Reisenden auf See - Hafenstaatkontrolle (Neufassung) Schiffsüberprüfungs- und -besichtigungsorganisationen und einschlägige Maßnahmen der Seebehörden (Neufassung) - Schiffsüberprüfungs- und -besichtigungsorganisationen (Neufassung) (Fortsetzung der Aussprache) Gilles Savary, im Namen der PSE-Fraktion. – (FR) Herr Präsident! Da ich zu einem Schattenberichterstatter wurde, nachdem der Rat meinen Bericht vom Tisch gefegt hat, habe ich nur eine Redezeit von zwei Minuten. Ich werde daher gleich zur Sache kommen. Zunächst möchte ich sagen, dass ich mich weder an die französische Präsidentschaft noch an den Kommissar richte, die uns unterstützen, sondern an den Rat. Meinen Kolleginnen und Kollegen möchte ich für ihre Solidarität danken und sagen, dass die Erika und die Prestige furchtbare Erlebnisse waren. Die Mitgliedstaaten haben Europa vorgeworfen, diesbezüglich nicht genug zu tun. Nun, dank Kommissar Barrot versuchen wir, von Grund auf einen europäischen Seeverkehrsraum zu schaffen. Eine der von uns vorgeschlagenen Maßnahmen ist die zivile Haftung der Schiffseigner. Was heißt das genau? Das heißt, dass wir zumindest sicherstellen, dass alle Schiffe bei solventen Versicherungsgesellschaften für die von ihnen verursachten Schäden versichert sind, zumindest im Rahmen der IMO-Übereinkommen. In La Rochelle habe ich mich darüber gefreut, dass Mitgliedstaaten, die bislang von der IMO nichts wissen wollten, plötzlich zu glühenden Verfechtern der Organisation wurden. Ihnen rate ich, die IMO-Übereinkommen zu ratifizieren, angefangen mit der über Chemikalien. Schon heute oder morgen könnte es zu einem Chemieunfall oder einer durch Chemikalien verursachten Katastrophe kommen. Wir würden wieder in die Zeit der Exxon Valdez zurückversetzt werden. Praktisch kein Mitgliedstaat ist in Bezug auf Chemieunfälle irgendeine Verpflichtung gegenüber der IMO eingegangen. Das ist der erste Punkt. Der zweite ist die Ausarbeitung eines Garantie- und Versicherungszertifikats für den europäischen Seeverkehrsraum. Wir müssen auf Europa vertrauen. Wenn es einen Vorstoß wagt, zieht es die Welt mit. Wir haben dies vor allem bei der schwarzen Liste für Fluglinien gesehen. Meine Damen und Herren! Ich habe kürzlich an einem Symposium teilgenommen, auf dem untersucht wurde, ob eine Havarie wie die der Erika immer noch möglich wäre. Dies ist tatsächlich der Fall, und am 11. November 2007 ist es im Schwarzen Meer passiert, als fünf Schiffe mit wertlosen Versicherungspolicen in der Meerenge von Kerch sanken. Ich bin wirklich der Meinung, dass wir dies künftig verhindern müssen. Herr amtierender Präsident, ich denke deshalb, dass der Widerstand des Parlaments keine Frage des Stolzes ist. Es ist eine Frage der Volksgesundheit und des öffentlichen Interesses. Wir werden hier die Schuld der Fahrlässigkeit der Mitgliedstaaten nicht auf uns nehmen, wenn sie es nicht schaffen, ihren Teil beizutragen. Ich zähle auf Sie. Anne E. Jensen, im Namen der ALDE-Fraktion. – (DA) Herr Präsident, Herr amtierender Präsident des Rates, Herr Kommissar! Ich teile die Hoffnung der anderen Berichterstatter, dass wir kurz vor der Annahme dieser wichtigen Gesetzgebung stehen. Es wundert mich, dass der Rat so lange braucht, um einen gemeinsamen

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Standpunkt über die sieben Richtlinien zu finden, die dazu dienen sollen, Umweltkatastrophen auf See zu verhindern und besser vorbereitet zu sein, wenn etwas schief geht. Es ist bedauerlich, dass es uns in Bezug auf die beiden Richtlinien über die Flaggenstaatenpflichten und die Haftung der Rettungskräfte so lange nicht gelungen ist, voranzukommen. Meines Erachtens muss auch dies in das Gesamtpaket aufgenommen werden. Einige haben gesagt, und dem stimme ich zu, dass sich die französische Präsidentschaft sehr stark für das Finden einer Lösung einsetzt, wofür ich der Präsidentschaft im Namen der Fraktion der Allianz der Liberalen und Demokraten für Europa danken möchte. Hoffen wir, dass dieser Einsatz von Erfolg gekrönt sein wird. Natürlich sind wir uns alle darüber einig, dass der Seeverkehr eine globale Branche ist, weshalb unsere Gesetzgebung mit den internationalen Seeverkehrsabkommen vereinbar sein muss, und zwar unter der Federführung der IMO und im Rahmen der Pariser Vereinbarung über die Hafenstaatkontrolle. Das Parlament hat diese Haltung immer unterstützt. Das Dritte Paket zur Seeverkehrssicherheit soll dafür sorgen, dass schrottreife Schiffe auf europäischen Gewässern der Vergangenheit angehören. Es muss eine bessere Kontrolle des Seeverkehrs, eine bessere Qualität der Schiffsinspektionen und einen besseren Erfahrungsaustausch über Unfallrisiken geben. Das Thema der Zufluchtshäfen ist ein Zankapfel zwischen dem Parlament und dem Rat gewesen. Der Zufall will es, dass ich selbst in der Nähe eines Hafens wohne, der zu einem Zufluchtshafen deklariert worden ist, und ich muss der Forderung des Parlaments meine klare Unterstützung geben, dass Zufluchtshäfen vor unangenehmen Zusatzkosten geschützt werden muss, sollte es dazu kommen, dass ein Schiff, aus dem Öl ausläuft, in den Hafen geschleppt wird. Es ist wichtig zu gewährleisten, dass es nicht kleine lokale Kommunen sind, denen die finanzielle Belastung durch anschließende Reinigungsarbeiten aufgebürdet wird. Ich möchte besonders auf zwei Richtlinien hinweisen, deren Berichterstatterin ich für meine Fraktion war: die Richtlinie über die Hafenstaatkontrolle und die Richtlinie über die Untersuchung von Unfällen im Seeverkehr. Was die Richtlinie über die Hafenstaatkontrolle anbelangt, bildet sich ein Konsens über die von der Kommission vorgeschlagenen Grundsätze heraus, nämlich dass alle Schiffe inspiziert werden müssen und dass Schiffe, die sich in einem schlechten Zustand befinden, besonders gründlich inspiziert werden müssen. Die Hafenstaatkontrolle muss einem geeigneten Standard entsprechen, damit die Kontrollen in allen EU-Häfen einheitlicher durchgeführt wird. Allerdings gibt es nach wie vor einige Hürden, die wir noch nehmen müssen. Der Rat hat weder die Inspektion von vor Anker liegenden Schiffen akzeptiert noch ist sein Standpunkt so firm wie der des Parlaments, was die Verweigerung des Zugangs für Schiffe in desolatem Zustand anbelangt. Die ALDE-Fraktion unterstützt die Haltung der Berichterstatterin Frau Vlasto voll und damit auch die Wiedereinbeziehung einiger Vorschläge aus der ersten Lesung. Des Weiteren gibt es ein paar Punkte, über die sich das Parlament und der Rat im Zusammenhang mit der Richtlinie über die Untersuchung von Unfällen noch nicht einig sind. Die Untersuchung von Unfällen und die Mitteilung ihrer Ergebnisse sollten gewährleisten, dass sich Unfälle nicht wiederholen. Wir müssen aus den Unfällen lernen, die sich ereignen, und so viele Personen wie möglich müssen aus den Erfahrungen auch anderer Lehren ziehen. Wie im Flugverkehr muss auch hier dafür gesorgt werden, dass alle beteiligten Parteien einen möglichst offenen und ehrlichen Bericht des Unfallhergangs abgeben. Eine während den Ermittlungen gemachte Zeugenaussage darf nicht in direktem Zusammenhang mit entstandenen Kosten verwendet werden, da dem Beschuldigten in solchen Fällen während des Verhörs angemessene Rechte eingeräumt werden müssen. Es ist eine schwierige Gratwanderung, und einige Vorschläge aus der ersten Lesung des Parlaments, die der Rat nicht angenommen hat, werden daher nochmals vorgelegt. Der größte Zankapfel ist jedoch das Thema, welche Unfallarten abgedeckt werden sollen. Der Rat möchte nur die schwersten Unfälle einbeziehen, aber es kann gleichermaßen wichtig sein, von kleinen Unfällen oder gar Beinahe-Unfällen zu lernen. Zudem möchte der Rat parallelen Untersuchungen, die von mehreren Ländern durchgeführt werden, einen gleichwertigen Status einräumen, während wir uns Klarheit darüber wünschen, welche Untersuchung als die offizielle betrachtet wird. Es muss unter allen Umständen vermieden werden, dass eine Unfalluntersuchung politisiert wird und die Behörden versuchen, sich der Verantwortung zu entziehen und das Ergebnis der Untersuchungen zu beeinflussen. Daher unterstützt die ALDE-Fraktion Herrn Kohlíčeks Vorschlag zur Wiedervorlage des Vorschlags aus der ersten Lesung voll und ganz. Roberts Zīle, im Namen der UEN-Fraktion. – (LV) Herr Präsident, Herr Kommissar! Zunächst einmal möchte ich allen Berichterstattern im Zusammenhang mit diesem Paket meine Wertschätzung für den Umstand zum Ausdruck bringen, dass sie eine konsequente Herangehensweise an diese äußerst wichtige Seeverkehrsgesetzgebung beibehalten. Gleichzeitig möchte ich die Befürchtungen meiner Fraktion in Bezug

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auf zwei Punkte in Frau Vlastos Bericht über die Hafenstaatkontrolle erwähnen. Erstens scheint uns, dass der Erwägungsgrund 13 in Bezug auf kleine Staaten mit kleinen Flotten weitaus besser zum gemeinsamen Standpunkt passt als die aktuelle vom parlamentarischen Ausschuss entworfene Version. Die ursprüngliche Version besagte, dass sich die Mitgliedstaaten bemühen sollten, die Methode der Erstellung der weißen, grauen und schwarzen Listen der Flaggenstaaten im Rahmen der Pariser Vereinbarung über die Hafenstaatkontrolle zu überprüfen, um ihre Fairness insbesondere im Hinblick auf Länder mit kleinen Flotten zu gewährleisten. Um es auf den Punkt zu bringen: Wenn eine rein mathematische Herangehensweise gewählt wird, ist es für ein Land mit einer kleinen Flotte von nur wenigen Schiffen sehr schwer, in die Grauzone all der Listen aufgenommen zu werden, die aus diesem Bereich entfernt werden sollen. Welchen Grund gibt es dafür, dass Schiffe Teil der Graulistenflotte werden müssen, wenn sie in diesem Fall das mathematische Verhältnis nicht verbessern können? Meines Erachtens beinhaltete der gemeinsame Standpunkt des Rates eine weitaus ausgewogenere Herangehensweise gegenüber EU-Mitgliedstaaten mit kleinen Flotten. Dasselbe gilt auch in Bezug auf die unbefristete Zugangsverweigerung. Hier sollte es eine Unterscheidung zwischen Ländern auf der grauen und Ländern auf der schwarzen Liste geben. Der zweite Punkt ist der, dass der gemeinsame Standpunkt des Rates auch hinsichtlich der Möglichkeit von Ausnahmen dahingehend ausgewogener war, dass Inspektionen nicht durchgeführt werden müssen, insbesondere wenn diese nachts, innerhalb kurzer Zeit oder sehr weit von der Küste entfernt vorgenommen werden. In einem solchen Fall ist es nicht möglich, in Ländern Inspektionen hoher Qualität durchzuführen, in denen es harte Winter und eisige Gewässer gibt. Daher plädiere ich heute an Sie, die im gemeinsamen Standpunkt des Rates zu diesem Thema angenommene Haltung zu unterstützen. Michael Cramer, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – (DE) Herr Präsident, sehr geehrte Präsidenten von Rat und Kommission, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Katastrophen, die mit den Namen Estonia, Erika und Prestige verbunden sind, haben Europa erschüttert. Deshalb muss die EU rasch und glaubwürdig die Sicherheit auf den Meeren effizient verbessern. In der Vergangenheit haben viele Seeleute und Fahrgäste ihr Leben verloren, weil die Sicherheitsregeln und -maßnahmen nicht ausreichten. Zudem haben solche Unfälle schlimme Umweltkatastrophen an den Atlantik-, Mittelmeer- und Schwarzmeerküsten verursacht. Die ökologischen Schäden waren enorm, die Steuerzahler und nicht die Verursacher mussten die Kosten tragen. Das Vorhaben der Europäischen Union, die notwendige europaweite und grenzüberschreitende verbindliche Gesetzgebung zu verabschieden, darf nicht durch nationale Interessen verzögert werden. Dies sollte vor allem der Rat bei den nun anstehenden Verhandlungen im Hinterkopf behalten. Denn insbesondere die Weigerung des Rates, unabhängige Behörden mit allen Kompetenzen bei Schiffsunfällen mit der Untersuchung zu beauftragen, ist überhaupt nicht nachvollziehbar. Was bei Flugzeugkatastrophen die Regel ist, darf bei Schiffsunfällen nicht unmöglich sein. Die Fraktion der Grünen begrüßt alle sieben Gesetzesvorschläge der Kommission, und deshalb stimmen wir den Empfehlungen der Berichterstatter zu den fünf gemeinsamen Standpunkten zu, einschließlich der getrennten und gesonderten Abstimmungen über die Empfehlungen des Berichts Costa, der die Binnenschifffahrt betrifft. Das gilt auch für den Bericht Sterckx, bei dem es um die Fluchthäfen geht. Für uns sind die konkreten Maßnahmen wie Fluchthäfen, Transparenz und Haftung sehr wichtig. Für die Sicherheit auf den Meeren ist es unerlässlich, dass wir das Meerespaket als Ganzes erhalten. Wir fordern den Verkehrsministerrat auf, in den nächsten Wochen rasch eine gemeinsame Position zu den beiden offenen Themen „Haftung für Reeder“ und „Verpflichtungen der Hafenstaaten“ zu beschließen, damit das Paket endlich auch als Ganzes entschieden werden kann. Dass gerade diejenigen Mitgliedstaaten mit dem Verweis auf internationale IMO-Regeln europäische Vereinbarungen verhindern wollen, die sie selber noch nicht in nationales Recht umgesetzt haben, ist ein Stück aus dem Tollhaus. Eine Entscheidung in der EU muss her, bevor die nächste Schiffskatastrophe Europa erschüttert. VORSITZ: RODI KRATSA-TSAGAROPOULOU Vizepräsidentin Erik Meijer, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. – (NL) Frau Präsidentin! Im Seeverkehr kann unternehmerische Freiheit zu gefährlichen Missständen führen. Unternehmer, die ihre Kosten so niedrig wie möglich halten

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wollen, können der Versuchung unterliegen, Schiffe zu betreiben, die alt und gefährlich sind. Diese stellen eine Gefahr für die Besatzung und andere dar sowie eine potenziell ernste Bedrohung der Umwelt. Schlechte Arbeitsbedingungen, die dadurch ermöglicht werden, dass man sich dafür entscheidet, sich unter einer anderen Flagge zu registrieren als der des Landes des Schiffseigners und der tatsächlichen Einsatzbasis, führen ebenfalls zu Missständen. Die Betriebskosten können auch dadurch gesenkt werden, dass die auf dem Schiff erzeugten Abfälle und Frachtrückstände auf See entsorgt werden. Um all diese Missstände anzugehen, muss es möglich sein, die Schiffe böswilliger Unternehmer endgültig aus den europäischen Häfen und auch von Ankerplätzen außerhalb der Häfen zu verbannen, und es muss eine ausreichende Anzahl an Inspektionen durchgeführt werden, um festzustellen, was zu reparieren ist. Die Hafenstaatpflichten, die im Seearbeitsübereinkommen der Internationalen Arbeitsorganisation aufgeführt sind, müssen strikt eingehalten werden, das Verursacherprinzip muss gelten und alle Vorschriften müssen auch bei Nacht Anwendung finden. Alle Versuche des Rates, solche Unternehmer nachsichtiger zu behandeln als es das Parlament in der ersten Lesung vorgesehen hat, hätten nicht hinnehmbare Folgen. Der Rat hat den Großteil der 23 Änderungsanträge des Parlaments in Bezug auf die Untersuchung von Schiffsunfällen abgelehnt, was die Unabhängigkeit der Untersuchungen gefährden könnte. Der Rat hat des Weiteren die Bremsen im Fall des Schutzes von Passagieren, die auf Schiffen reisen, angezogen und es damit abgelehnt, sich an das Athener Übereinkommen von 2003 zu halten. Der gemeinsame Standpunkt vom Juni 2008 beschränkte die Haftung und die Meldepflicht. Der Rat unterstützt die Vorschläge der Kommission und des Parlaments im Bereich der Katastrophen auf See nicht, mit denen versucht wird, sicherzustellen, dass in Notlage geratene Schiffe immer rechtzeitig in einem Zufluchtshafen untergebracht und die Seeleute vor einer Bestrafung wegen Fahrlässigkeit geschützt werden, für die sie nicht verantwortlich sind. Alle gefährlichen Situationen und Missstände im Seeverkehr müssen so schnell wie möglich beseitigt werden. Aus diesem Grund ist es wichtig, dass das Parlament an der Linie festhält, die es auch in der zweiten Lesung gegenüber dem Rat vertreten hat. Johannes Blokland, im Namen der IND/DEM-Fraktion. – (NL) Frau Präsidentin! Heute diskutieren wir nun schon zum zweiten Mal über das Erika-III-Paket im Plenum. Wenngleich es beschämend ist, dass zwei Vorschläge noch offen sind, bin ich mit dem Inhalt des Pakets in seiner derzeitigen Form zufrieden und den Berichterstattern für ihre Arbeit dankbar. Allerdings gibt es einen Teil im Paket, mit dem ich unzufrieden bin. Zwei Abschnitte haben ihren Weg in den Costa-Bericht über die Unfallhaftung von Beförderern von Reisenden auf See gefunden, die gewährleisten, dass für Beförderer von Reisenden auf Binnengewässern dieselbe Haftung gelten soll wie für Beförderer von Reisenden auf See. Das ist absolut nicht wünschenswert. Zunächst besteht hierfür keine Notwendigkeit. Es gibt kaum bekannte Fälle von Unfällen bei der Beförderung von Reisenden auf Binnengewässern. Zudem würden diese beiden Abschnitte einer großen Zahl von Beförderern von Reisenden auf Binnengewässern den Todesstoß versetzen, da diese nicht in der Lage wären, sich die damit verbundenen hohen Versicherungsprämien zu leisten, für die sie jemand angesichts einer Haftung wie dieser versichern würde. Schließlich reden wir über kleinere Unternehmen, die höchstens einige Dutzend Reisende befördern und deren Umsätze nicht so hoch sind. Es erscheint mir mehr als klar und logisch, dass solche Beförderer nicht mit derselben Haftung belegt werden sollten wie große Beförderer von mehreren tausend Reisenden auf See. Wir dürfen uns nicht der Lächerlichkeit preisgeben, indem wir Beförderer von Reisenden auf Binnengewässern mit einer himmelhohen und äußerst teuren Haftung belasten. Zudem bin ich nach wie vor sehr unglücklich darüber, wie diese Abschnitte einmal mehr ihren Weg in den Text gefunden haben. Der Vorsitzende des Ausschusses für Verkehr und Fremdenverkehr hätte die betreffenden Änderungsanträge niemals für zulässig erklären dürfen, da über diese Angelegenheit bereits in erster Lesung eine Einigung zwischen dem Rat und dem Parlament erzielt wurde. Aus diesen Gründen habe ich namentliche Abstimmungen über die Abschnitte 9 und 20 beantragt. Ich hoffe und erwarte, dass viele meiner Kolleginnen und Kollegen mich bei der Ablehnung dieser Abschnitte unterstützen werden. Ioannis Kasoulides (PPE-DE). – (EL) Frau Präsidentin! Ich möchte auf den Sterckx-Bericht über die Überwachung des Schiffsverkehrs eingehen und beglückwünsche sowohl Herrn Sterckx selbst als auch den Ratsvorsitz zu den guten Fortschritten in den Beratungsgesprächen. Bei dieser zweiten Lesung ist die Vorschrift, dass in Notlage geratene Schiffe in designierten Zufluchtshäfen aufgenommen werden müssen, der wichtigste Punkt für mich.

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Viele Unfälle, die Naturkatastrophen verursacht haben, hätten ganz anders verlaufen können, wäre den Schiffen im richtigen Moment ein geeigneter Notliegeplatz angeboten worden. Damit mit dem Rat eine Einigung erzielt werden kann, bestand einerseits die Notwendigkeit der Einrichtung eines unabhängigen Ausschusses, der Entscheidungen über Notliegeplätze trifft. Andererseits mussten wir uns über ein zufriedenstellendes Entschädigungssystem für Zufluchtshäfen im Fall von Folgeschäden einigen. Eine ausgewogene Einigung zu diesem Thema ist eine selbstverständliche Voraussetzung. Es hat ferner eine günstige Entwicklung in Bezug auf das Automatic Identification System (AIS) innerhalb des Geltungsbereichs von SafeSeaNet gegeben. Abschließend möchte ich hier wiederholen, dass der Seeverkehr in manchen Mitgliedstaaten erheblich zum BIP beiträgt. Als Branche hat er einen weltweiten Einfluss. Aus diesem Grund müssen die Anstrengungen der EU, die See zu einem sicheren Ort für Menschen und das Ökosystem zu machen, für jeden gelten, nicht nur für Schiffe aus der EU. Es sollte keinen unfairen Wettbewerb auf Kosten des europäischen Seeverkehrs geben. Emanuel Jardim Fernandes (PSE). – (PT) Frau Präsidentin, Herr Kommissar, verehrte Damen und Herren! Als Schattenberichterstatter für den Bericht von Herrn Costa und Berichterstatter für den „Flaggenstaaten“-Bericht möchte ich eine Stellungnahme zur zivilen Haftung von Beförderern von Reisenden und dem Paket als Ganzes abgeben. Was den Costa-Bericht anbelangt, lag mein Schwerpunkt auf der Stärkung der Rechte von Reisenden im Fall von Unfällen, auf der Gewährleistung geeigneter finanzieller Entschädigungen und einer rechtzeitigen Unterstützung zur Linderung der Folgen von Unfällen auf See oder auf Binnengewässern, wo Seereisen häufig enden, und auch auf der Bereitstellung umfangreicherer Informationen für die Reisenden. Daher habe ich die Beibehaltung dieser Vorschläge in zweiter Lesung befürwortet. Frau Präsidentin, geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Soweit das Paket betroffen ist, möchte ich sagen, dass jeder der Berichte unabhängig ist und definitiv für Mehrwert sorgt. Ich denke ferner, dass das Paket als Ganzes, darunter der Bereich, für den ich Berichterstatter war – die Pflichten von Flaggenstaaten – für einen zusätzlichen Mehrwert für die Sicherheit auf See sorgt, was mich dazu veranlasst, den Rat und die Kommission, sowie jeden von Ihnen zu bitten, sich für die Annahme des Pakets einzusetzen. Des Weiteren muss ich der französischen Präsidentschaft, die die Arbeit der slowenischen Präsidentschaft in diesem Bereich fortgesetzt hat, wirklich meinen Dank für ihre Anstrengungen aussprechen. Meine Damen und Herren, ich denke, dass es uns nur über ein umfassendes Paket gelingen wird, die Sicherheit auf See zu fördern. Diesbezüglich möchte ich diese Gelegenheit nutzen, um allen Berichterstattern zu gratulieren. Sofern wir nicht das Paket als Ganzes betrachten, werden wir diesen Raum recht unbefriedigt verlassen, denn die einzige Möglichkeit, zu verhindern, dass es in der nahen Zukunft zu weiteren Unfällen wie der „Erika“ oder der „Prestige“ kommt, ist die Annahme des Pakets als Ganzes. Dies ist die einzige Herangehensweise, durch die wir die Sicherheit auf See wirksam gewährleisten können. Ian Hudghton (Verts/ALE). - Frau Präsidentin! Ich vertrete Schottland, eine Nation mit einer langen Seefahrergeschichte und einem enormen Potenzial für seine Zukunft. Schottland befindet sich geografisch in einer sehr guten Lage, um als maritime Drehscheibe zwischen Europa und dem Rest der Welt ausgebaut zu werden, und wir verfügen über einen beträchtlichen Spielraum zur Entwicklung weiterer kurzer Seerouten, sowohl für Reisende als auch für den Güterverkehr. Verbesserte Sicherheit ist daher von erheblicher Wichtigkeit von uns, da wir an ersten Unfällen im Rahmen des Seeverkehrs in schottischen Gewässern beteiligt waren. Die Beförderung von Gefahrgut muss natürlich transparent deklariert und ordentlich kontrolliert werden. Die Besatzungen sollten das Recht auf faire Behandlung mit angemessener Berücksichtigung ihrer Sicherheit haben. Wir müssen aus den Fehlern der Vergangenheit lernen und sicherstellen, dass unabhängige Untersuchungen durchgeführt werden, nachdem sich Unfälle ereignet haben. Die schottische Regierung hat vor Kurzem angekündigt, dass ein neuer Betreiber den Fährdienst zwischen Rosyth und Seebrügge wiederaufnehmen soll. Ich hoffe, dass sich die Europäische Union proaktiver an der Entwicklung solcher Fährstrecken beteiligen kann, wenn der Verkehr zunehmend von der Straße auf die See verlagert werden soll. Georgios Toussas (GUE/NGL). – (EL) Frau Präsidentin! Das Legislativpaket Erika III zur Seeverkehrssicherheit ist sehr eng mit einer allgemeineren volksfeindlichen Politik der EU, dem Erzwingen der Wettbewerbsfähigkeit

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und der Gewinnsteigerung für Schiffseigner sowie mit Monopolgruppen der EU im Allgemeinen verbunden. Das Paket befasst sich weder mit den sich stark zuspitzenden Problemen der Sicherheit von Menschenleben auf See noch mit dem Umweltschutz. Der Rat hat es abgelehnt, selbst die äußerst unangemessenen Vorschläge der Kommission und des Europäischen Parlaments anzunehmen, die weit hinter den tatsächlichen Bedürfnissen zurückbleiben. Der Rat, der den Anweisungen der Schiffseigner und den Forderungen der unkontrollierten kapitalistischen Profitgier nachkommt, stellt sich selbst gegen die meisten grundlegenden Maßnahmen zum Schutz der Umwelt und der Menschenleben auf See. Der Rat versucht, jede positive Maßnahme zu untergraben, indem er systematisch die vorgeschlagenen Maßnahmen eliminiert. Er toleriert nichts, was auch nur die geringsten negativen Auswirkungen auf die Rentabilität von Unternehmen haben könnte oder der Unverantwortlichkeit der Schiffseigner in irgendeiner Weise Einhalt gebieten würde. Aus eben diesem Grund hat er selbst die unangemessenen Vorschläge abgelehnt, die die Flaggenstaaten- und die Inspektionspflichten sowie die zivile Haftung und finanziellen Garantien der Schiffseigner festlegen. Die Einführung der zivilen Haftung der Schiffseigner zur Entschädigung der Opfer von Unfällen auf See gemäß dem Protokoll von 2002 über das Athener Übereinkommen mit der IMO, dessen Ratifizierung die Mitgliedstaaten der EU ablehnen, ist eine ernste Angelegenheit. Selbst heute sind wir Zeuge von Versuchen zur Entkräftung der relevanten Vorschläge des Berichterstatters Herrn Costa über die Notwendigkeit der Ausweitung dieser Haftung auf Schiffseigner und Ausstatter aller Kategorien von Schiffen gewesen, die an der Beförderung in- und ausländischer Güter und Personen auf See und auf Binnengewässern beteiligt sind. Derek Roland Clark (IND/DEM). - Frau Präsidentin! Was ist das: ein Fels in der Brandung? Für das Vereinigte Königreich waren es ruhige Gewässer, bis die GFP eingeführt wurde und unsere Fischereibranche fast vernichtet hätte. Nun wollen Sie unseren Seehandel ruinieren. Wie es scheint, wird mit den Sterckx- und Vlasto-Berichten einfach der Versuch unternommen, das automatische Identifizierungssystem mit Galileo dazu zu verwenden, Schiffsbewegungen in EU-Gewässern nachzuverfolgen. Dies kommt einer Spionage der Bewegungen jedes Schiffs in den Hoheitsgewässern des Vereinigten Königreiches, in unseren Häfen und an Ankerplätzen vor unseren Küsten gleich, wobei die Nationalität keine Rolle spielt. Die Details werden an ein EU-Datencenter gesendet, das wie jede andere Datenbank auch anfällig für Sicherheitslücken ist. Die IMO befürchtet, dass Daten in Bezug auf Informationen über den Schiffsverkehr, darunter Einzelheiten zur Ladung, Schiffe in Gefahr bringen könnten, die mit Europa Handel treiben, wenn diese in die falschen Hände geraten. Die Erfassung von Daten führt zu Kontrollsystemen, und die Schiffe unserer Handelspartner, insbesondere unseres Commonwealth, könnten in einem EU-Handelskrieg wegbeordert werden. für eine Nation, die auf den Seehandel angewiesen ist, um sich über Wasser zu halten, ist dies wirklich das Ende der Unabhängigkeit. Die EU würde entscheiden, ob Großbritannien etwas zu essen bekommt oder hungern muss. Das Vereinigte Königreich hat größtes Interesse an diesen Berichten, denn wir treiben weltweit Handel – das tun wir schon seit Jahrhunderten – und jeder Abgeordnete des Vereinigten Königreiches vertritt eine Region – außer einem – mit einer Küste. Indes, während die EU ihre Handelsschutzbarrieren aufstellt, haben alle ihre Mitgliedstaaten, ob sie nun über einen Küstenstreifen verfügen oder nicht, ein Stimmrecht. Ich möchte meine Regierung dazu auffordern, diesen ungeeigneten Vorschlag abzulehnen, denn der britische und der weltweite Seehandel werden dadurch von Bürokraten bedroht, denen man nicht trauen kann. Schlimmer noch, laut Frau Vlasto wird die EU Schiffen den Zugang zu unseren Gewässern verweigern können. Damit könnte die EU darüber entscheiden, ob uns ausländische Kriegsschiffe einen Besuch abstatten dürfen – vielleicht die unserer Freunde und Alliierten? Ein atomgetriebenes Schiff könnte aus Gründen der politischen Korrektheit abgewiesen werden, was auch für die Atom-U-Boote der Royal Navy gelten könnte. Nun, diese haben dazu beigetragen, die Sowjetunion in Schach zu halten und die Freiheit zu garantieren, die Sie nun genießen. Wenn die EU sich mit Pulverfässern wie Georgien oder der Ukraine anlegen will, könnten Sie diese Art Schutz womöglich wieder brauchen. Welchen Preis fordert dann die politische Korrektheit?

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Corien Wortmann-Kool (PPE-DE). – (NL) Frau Präsidentin, Herr Clark! Sie sollten diesen Vorschlag wirklich erst einmal genau prüfen, bevor Sie endlos lang über andere Themen reden, denn alles, was Sie gesagt haben, ist schlichtweg falsch. Sie haben einfach nicht verstanden, dass es hier um die Sicherheit auf See geht. Ich werde meine wertvollen zwei Minuten nicht weiter damit verschwenden, sondern stattdessen zum tatsächlichen Inhalt dieses Pakets kommen. Der Weg dieses Pakets zur Seeverkehrssicherheit ist steinig gewesen. Wir, das Europäische Parlament, beharren auf unserem Standpunkt, denn wir wollen das gesamte Paket. Nun, offensichtlich rückt auch der Rat nicht von seinem Standpunkt ab. Ich bin Schattenberichterstatter für den Bericht über die unabhängige Untersuchung von Unfällen, und der Rat hat bislang keinerlei Entgegenkommen gezeigt. Wenn jedoch beide Seiten nun etwas flexibler werden und einige Zugeständnisse machen, dürfte es uns gelingen, bis Ende dieses Jahres zu einer Einigung zu kommen. Einer der Kernpunkte im Zusammenhang mit der unabhängigen Untersuchung von Unfällen ist laut der Fraktion der Europäischen Volkspartei (Christdemokraten) und Europäischer Demokraten eine wirklich unabhängige Untersuchung. Der Standpunkt des Rates hierzu ist momentan nicht zufriedenstellend. Es muss eine Person geben, die die letztendliche Verantwortung für eine Untersuchung trägt – da es die Bürger als recht unklar und intransparent erachten, wenn drei Mitgliedstaaten jeweils ihre eigenen Untersuchungen durchführen. Daher brauchen wir eine Person, die die letztendliche Verantwortung trägt. Drittens dürfen wir nicht nur seltene Unfälle untersuchen, die in den Medien ausführlich abgedeckt werden, sondern müssen, wie es die PPE-DE-Fraktion sieht, auch bei anderen ernsten Unfällen Ermittlungen anstellen, die eine Untersuchung gemäß den grundlegenden Vorschriften dieser Richtlinie verdienen. Abschließend möchte ich auf das eingehen, was Herr Blokland über den Vorschlag im Costa-Bericht zur Einbeziehung von Binnengewässern in die Haftungsordnung gesagt hat. Die PPE-DE-Fraktion ist dagegen und wird auch zukünftig dagegen sein. Ich möchte den Rat daher bitten, in diesem Punkt standhaft zu bleiben, und ich hoffe, dass für die Änderungsanträge 11 und 20 morgen keine qualifizierte Mehrheit erreicht wird. Bogusław Liberadzki (PSE). – (PL) Frau Präsidentin! Wir haben uns an einige Beispiele erinnert, die Katastrophen ausgelöst haben – Unfälle, die in ganz Europa bekannt sind. Ich stamme aus Polen, einem Land, das vor kurzem am Jahrestag des Unglücks der Fähre Jan Heweliusz der mehreren Dutzend Todesopfer gedacht hat, die dieses gefordert hat. Sicherheit ist von allerhöchster Wichtigkeit. Es ist gut, dass wir die Sicherheit als Teil eines Pakets betrachten. Es ist ein gutes Paket, auch was seinen Umfang anbelangt, der sich aus sieben Verordnungen zusammensetzt. Die Sicherheit der Menschen, der Schiffe, der Gewässer und auch des wirtschaftlichen Handels sollte im Rahmen dieses Pakets geregelt werden, was auch der Fall ist. In dieser Hinsicht halte ich den Bericht von Herrn Sterckx, für den ich die Ehre hatte, assistierend mitzuwirken, für einen besonders guten Text. Ja, wir brauchen eine Überwachung von Schiffen. Frau Wortmann-Kool sagt zu Recht, dass wir die Ursachen potenzieller Katastrophen untersuchen und verhindern müssen, dass es zu Katastrophen kommt. Darüber hinaus vertrete ich die Ansicht, dass wir uns beim Seeverkehr auf die Luftfahrt beziehen sollten, in anderen Worten, wir sollten Situationen untersuchen, in denen es fast zu Kollisionen gekommen wäre, denn dadurch könnten wir ein besseres Verständnis der Mechanismen und Ursachen für Gefahrensituationen gewinnen. Ich kann die Haltung von Herrn Zīle, der über eine gesonderte bzw. spezifische Behandlung kleiner Länder spricht, nicht verstehen und bin weit davon entfernt, ihr zuzustimmen. Die Größe eines EU-Mitgliedstaates hat mit Sicherheit wenig mit der Anzahl der Schiffe zu tun, die dessen Flagge hissen. Jacky Hénin (GUE/NGL). – (FR) Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Bitte bleiben Sie ernst! Trotz einiger positiver Maßnahmen wird der Großteil der uns vorgeschlagenen Berichte nie einen größeren therapeutischen Wert haben als ein Pflaster auf einem Holzbein, was die Sicherheit des Seeverkehrs anbelangt. Das Parlament und die Kommission haben vor, sich gegenüber dem Rat querzustellen, aber dieses Schauspiel ist nichts weiter als ein erneuter grober Versuch, sich der Verantwortung zu entziehen und den privaten Interessen auf Kosten des allgemeinen Interesses entgegenzukommen. Alles, was damit erreicht werden wird, ist ein weiterer Verlust der Legitimität der europäischen Institutionen in den Augen des Volkes, wenn es zu einer weiteren Katastrophe kommt, insbesondere in dem Wissen, dass die Europäische Union das allgemeine Handelsabkommen der WTO angenommen hat, das unter der Bezeichnung GATS bekannt ist, deren Seeverkehrsausschuss die Ansicht vertritt, dass die derzeitigen Umwelt- und Sicherheitsvorschriften im Seeverkehr übertrieben sind und gelockert werden sollten. Die Einwohner der Kommunen, die Opfer der Havarie der Erika waren und andere werden den Zynismus der EU sehr schätzen.

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Eine geeignete Herangehensweise an die Probleme der Sicherheit im Seeverkehr bedeutet, das Übel an der Wurzel zu packen. Wir sollten die Steueroasen angreifen, die zulassen, dass Unternehmen im Zusammenhang mit dem Seeverkehr in zahlreiche undurchsichtige Strohfirmen segmentiert werden, die die Möglichkeit bieten, die Vorschriften zu umgehen. Wir müssen der Praxis der Flaggenwahl zum Vorteil der Schiffseigner ein Ende setzen – auch in Hoheitsgebieten der EU –, wodurch die Registrierungsgebühren und die Besatzungskosten durchschnittlich um 60 % sinken. Vor allem müssen wir den Seeleuten neue Rechte in Bezug auf ihre Sicherheit einräumen. Sie werden das aber nie tun, denn dies würde bedeuten, am Fundament des globalisierten Kapitalismus selbst zu rütteln. Reinhard Rack (PPE-DE). – (DE) Frau Präsidentin! Was hat ein Abgeordneter aus einem europäischen Binnenland wie Österreich bei einer Debatte über die Hochseeschifffahrt zu suchen, werden sich wahrscheinlich einige von Ihnen zu Recht fragen. Auf diese Frage gibt es keine ganz einfache Antwort, aber vielleicht lässt sich doch in einigen wenigen Worten sagen, warum dieses Thema auch für uns ein wichtiges ist. Zum einen – und das gilt nun wirklich für alle Mitgliedstaaten in der Europäischen Union, nicht nur für uns – sind die Sicherheit und die optimale Organisation der Schifffahrt auf hoher See ein wichtiges Anliegen für alle Beteiligten. Die Katastrophenfälle, nicht nur diejenigen, die mit dem blumigen Namen Erika verknüpft sind, haben das für viele von uns ganz deutlich gemacht. Aber – und jetzt kommen wir zu einem ganz speziellen Punkt, auf den einige meiner Kollegen bereits hingewiesen haben: Die Einbeziehung der Binnenschifffahrt in die Haftungsregeln ist ein europäischer Schildbürgerstreich ohnegleichen. Wir sollten ihn ablehnen, die Kollegen aus den Seefahrernationen ebenso wie die aus den Binnenländern. Für die europäische Binnenschifffahrt wären damit viel zu hohe Kosten, viel zu viel Bürokratie und daher insgesamt ein Problem verknüpft, das wir nicht noch vertiefen sollten. Ganz im Gegenteil: Wir sollten hier mit einer vernünftigen Sonderregelung Haftungsregeln auch für die Binnenschifffahrt aufstellen, aber sie nicht künstlich den Regeln der Hochseeschifffahrt unterstellen. Rosa Miguélez Ramos (PSE). – (ES) Werte Kolleginnen und Kollegen! Mit der Annahme dieses Dritten Maßnahmenpakets für die Seeverkehrssicherheit geben wir auf viele Anfragen aus der europäischen Gesellschaft nach den Havarien der Erika und der Prestige vor fünf und sieben Jahren eine klare Antwort. Diese Vorschläge, die sich gegenseitig ergänzen, wie viele meiner Kolleginnen und Kollegen gesagt haben, werden uns in die Lage versetzen, einen entscheidenden Schritt zugunsten der Qualität des europäischen Seeverkehrssektors und, meine Damen und Herren, auch zugunsten seiner Transparenz zu tun. Der Vorschlag für eine Richtlinie über technische Untersuchungen nach Unfällen ist die Garantie dafür, dass wir nie wieder ein Spektakel der Verschleierung wie das um den tragischen Unfall der Prestige sehen werden. Der Text stärkt die Unabhängigkeit der Organisationen, die für die Untersuchung von Unfällen und Vorfällen auf See zuständig sind, sowie die Pflicht, die Ergebnisse bekannt zu machen, um die Verfahren und den Austausch bewährter Verfahren zu verbessern. Ich möchte daher den Berichterstattern gratulieren, denn ihre ausgezeichnete Arbeit hat dazu beigetragen, dass die entschlossene Vertretung des Standpunkts des Europäischen Parlaments in Bezug auf diese Vorschläge deutlich gemacht wurde. Es sind Vorschläge, die keinen anderen Zweck haben als den europäischen Seeverkehrsraum zu einem der sichersten in der Welt zu machen, zur Umstrukturierung der europäischen Flotten beizutragen, und dafür zu sorgen, dass die Betreiber eine größere Verantwortung für Schäden übernehmen, die Dritten, darunter insbesondere nationalem Eigentum, entstanden sind. Silvia-Adriana Ţicău (PSE). - (RO) Das Dritte Maßnahmenpaket für die Seeverkehrssicherheit ist die Folge der Havarien der „Erika“ und der „Prestige“, der Unfälle vom Dezember 2007 im Schwarzen Meer und des Unfalls im Hafen von Tarragona in diesem Monat. Diese bedauerlichen Ereignisse verursachten eine immense Schädigung der Küstenregionen und insbesondere des maritimen Raums. Das Paket befasst sich mit der Überwachung des Seeverkehrs, der Untersuchung von Unfällen auf See, der Haftung von Personenbeförderern im Fall eines Unfalls auf See, der Hafenstaatkontrolle sowie mit gemeinsamen Standards und Verordnungen für die Organisationen, die an Schiffsinspektionen und -kontrollen beteiligt sind. Ich möchte erwähnen, dass die neue Fassung der Pariser Vereinbarung am 17. September 2008 in Kraft getreten ist. Es ist wichtig, dass alle Schiffe, die europäische Häfen anlaufen, gewisse Sicherheitsstandards erfüllen müssen. Ich möchte Sie gerne daran erinnern, dass auf den schwarzen und

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grauen Listen, die am 18. Juni 2008 auf der Website der Pariser Vereinbarung veröffentlicht wurden, jeweils ein bzw. sechs Mitgliedstaaten stehen. Demzufolge muss ein Viertel der Mitgliedstaaten die Sicherheit der Schiffe verbessern, die unter ihren Flaggen registriert sind. Ungeachtet seines technischen Zustands muss ein in Notlage geratenes Schiff Zugang zu einem speziell deklarierten und ausgestatteten Notliegeplatz haben. Die europäischen Häfen sollten diese Möglichkeit zur Verfügung stellen, und die Hafenverwaltungen sollten die mit dem Trockendock und der Reparatur des Schiffes verbundenen Kosten zurückerstattet bekommen. Ich denke, dass die Haftung des Betreibers im Fall der Beförderung von Reisenden auch auf Binnengewässern gelten sollte. Ich möchte meine Kolleginnen und Kollegen beglückwünschen, die an diesem Paket für die Seeverkehrssicherheit gearbeitet oder diesbezüglich Verhandlungen geführt haben. Meines Erachtens ist dies von entscheidender Bedeutung für die wirtschaftliche Zukunft der Europäischen Union. Inés Ayala Sender (PSE). – (ES) Ehrlich gesagt möchte ich gerne uns alle zur Annahme und Vorlage dieses Dritten Pakets beglückwünschen. Zunächst möchte ich der Kommission und ihrem Kommissar Herrn Tajani gratulieren, der uns als Römer bereits sehr frühzeitig seine Bereitschaft signalisierte, allen Aspekten im Zusammenhang mit der See und ihren Häfen offen gegenüberzustehen. Des Weiteren möchte ich auch allen meinen Mitberichterstattern gratulieren, denn ehrlich gesagt ist dies ein sehr komplexes und breites Thema, und sie waren jederzeit in der Lage, die Standpunkte des Parlaments zu vertreten, die für alle Bürgerinnen und Bürger in einer so komplexen und stürmischen Umgebung wie der See für eine bessere und größere Sicherheit sorgen. Meines Erachtens ist es auch richtig, dass wir nach den diversen Unfällen reagieren, und dass die europäischen Bürgerinnen und Bürger sehen sollten, dass sich das Parlament und die europäischen Institutionen nicht erst um sie kümmern, wenn es zu einer Katastrophe gekommen ist, sondern dass sie aus diesen Lektionen gelernt haben, imstande sind, etwas zu bewegen und in Bezug auf die legislativen Aspekte voranzukommen. In diesem Fall denke ich, dass es die Aspekte rund um die Sicherheit sind, insbesondere die Sicherheitsaspekte im Zusammenhang mit Umweltschädigungen, die im Grunde die gesamte Bewegung ausgelöst haben, aber gegenwärtig auch die Sicherheitsaspekte in Bezug auf die Haftungen der diversen Akteure, die Identifizierung und Klarstellung, welcher Art diese sind und wie wir uns angesichts dessen verhalten sollen, die Einrichtung von Orientierungspunkten für den künftigen Kampf gegen die Piraterie, und was noch wichtiger ist, die Erzielung von Fortschritten bei der Verbesserung der Arbeits-, sozialen und berufsspezifischen Bedingungen der Seeleute. Ich denke, dass es gerade diese Aspekte sind, an denen wir noch feilen müssen, und wir bitten die Kommission, sich weiter mit ihnen zu befassen. Alles, was mir zu sagen bleibt, ist, dass es von unserem Standpunkt aus einige Vorbehalte in Bezug auf die erforderlichen Garantien zur Sicherstellung des Umstands gibt, dass die Zufluchtshäfen die Häfen sind, die wir alle brauchen. Maria-Eleni Koppa (PSE). – (EL) Frau Präsidentin! Die schweren Seeunfälle, die wir auf europäischen Hoheitsgewässern mit ansehen mussten, dürfen sich auf keinen Fall wiederholen. In meinem Land, Griechenland, gab es vor einem Jahr eine Havarie vor Santorini, deren Ursachen noch immer nicht untersucht wurden. Der Verlust von Menschenleben, der erhebliche Schaden im Tourismusbereich und die ökologische Zeitbombe des sich noch in den Tanks befindlichen Öls sind Beweis genug, dass wir es uns nicht leisten können, sorglos zu sein. Das Thema der Sicherheit des Seeverkehrs ist von entscheidender Bedeutung. Die Union sollte nicht nur die Nachhaltigkeit des europäischen Seeverkehrs sicherstellen, die Schiffe müssen auch ständig nachgerüstet werden, damit sie international konkurrieren können. Indes sollten wir die Notwendigkeit des Schutzes der natürlichen Rohstoffe nicht vernachlässigen. Wenn wir nicht umgehend handeln, werden wir zweifellos wertvolle Zeit verlieren, um wirksam auf die Folgen von Seeunfällen reagieren zu können. Nach einer Havarie auf See ist eine systematische technische Untersuchung auf der Grundlage internationaler Regelungen eine effektive Methode, ein besseres Bild der Ursachen zu erhalten. Die Unabhängigkeit der Untersuchungsgremien ist daher enorm wichtig, und ich bedaure, dass der Rat dies nicht begreift. Ein weiteres wichtiges Thema ist die Zusammenarbeit der Behörden untereinander, insbesondere dann, wenn mehrere Mitgliedstaaten von einem Unfall betroffen sind. Die Frage der Zufluchtshäfen und des Schiffsinspektionssystems ist für die Sicherheit auf See entscheidend. Es muss auf Transitschiffe ausgeweitet werden, die garantieren müssen, dass sie imstande sind, im Fall eines Unfalls oder einer weiteren derartigen Katastrophe reagieren zu können.

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Abschließend möchte ich den Berichterstattern zu ihrer starken Haltung gegenüber dem Rat beglückwünschen, und ich hoffe, dass sich der Rat, nachdem er unseren Standpunkt begriffen hat, nach der Abstimmung positiv einbringen wird, um das Legislativverfahren abschließen zu können. Marusya Ivanova Lyubcheva (PSE). – (BG) Frau Präsidentin, Herr Kommissar! Die Sicherheit des Seeverkehrssektors ist ein wichtiges Element der Verkehrspolitik, was dem Umstand zuzuschreiben ist, dass ein Großteil der Güter auf See und auf Binnengewässern transportiert wird. Die zunehmende Unsicherheit in Bezug auf mögliche zerstörerische Naturphänomene, Terroranschläge, absichtlich ausgelöste Vorfälle und Unfälle erhöht die Gefahren, denen der Schiffsverkehr ausgesetzt ist. Die Annahme dieser Richtlinie ist ein enorm wichtiger Akt für die gesamte Europäische Union. Die Ersetzung des Kodex, der bislang auf freiwilliger Basis angewandt worden ist, durch diese Richtlinie sorgt für mehr Verpflichtungen und Haftung durch Ernennung zuständiger Gremien und spezifische Verfahren, die die Mitgliedstaaten ausarbeiten, beschließen und umsetzen müssen. Dadurch, dass die Mitgliedstaaten ihre Gesetzgebung an diese Richtlinie anpassen müssen, besteht eine größere Notwendigkeit für eine vollumfängliche Zusammenarbeit bei ihrer Umsetzung von Seiten der Länder und der Schiffseigner sowie für die Erreichung einer strengen Kontrolle und Koordination. Ich möchte zwei Dinge anmerken: die Notwendigkeit einer stärkeren Interaktion mit Drittstaaten und die Formulierung einer klaren Hafenpolitik, da unsere Meere offen sind und dies sehr wichtig ist. Die Untersuchung von Vorfällen und ihren Ursachen und Auswirkungen ist von entscheidender Bedeutung. Dies bezieht sich auf die Klärung einer Reihe von Vorfällen und vor allem auf die Ergreifung von Präventivmaßnahmen. In den letzten Jahren kam es in meinem Land zu mehreren Vorfällen, bei denen Menschenleben sowie Sachund Umweltschäden zu beklagen waren. Dies gewinnt zunehmend an Bedeutung, und ich beglückwünsche den Berichterstatter zu seiner Arbeit an diesem Thema. Justas Vincas Paleckis (PSE). – (LT) Die Sicherheit des Seeverkehrs, die prompte Reaktion auf Unfälle und die Effizienz der Unfalluntersuchungen sind von entscheidender Bedeutung für die Länder in der Ostseeregion. Die Ostsee ist geschlossen und seicht; ihr Wasser wird nur einmal alle 30 Jahre erneuert, was sie sehr anfällig macht. Mit der ständigen Zunahme des Seeverkehrs in der Ostsee sind wir uns dank der Erfahrung Litauens des Umstands bewusst, dass es nach Unfällen auf See häufig zu Zwist und einem großen Durcheinander kommt, was deutlich macht, dass dringend relevante Regelungen benötigt werden. Aus diesem Grund möchte ich den Berichterstatter für seine sehr wichtige Arbeit loben. Wir dürfen uns nicht auf den Vorschlag des Rates einlassen, dass Sicherheitsuntersuchungen nur im Fall eines großen Unfalls durchgeführt werden sollen. Nicht nur große Unfälle haben katastrophale Auswirkungen auf die Wirtschaft, die Umwelt und den Wohlstand der Länder. Der Versuch, die Zahl der bürokratischen Mechanismen auf ein Minimum zu beschränken, sollte die Qualität der Untersuchungen nicht beeinträchtigen. Zudem ist es sehr wichtig, dass in allen Mitgliedstaaten dieselben Methoden der Untersuchung von Vorfällen angewandt werden. Dominique Bussereau, amtierender Präsident des Rates. − (FR) Frau Präsidentin, Herr Kommissar, meine Damen und Herren! Ich habe mich von Ihren Reden sehr ermutigen lassen. Wie fast alle von Ihnen angemerkt haben, sollte zu den ersten sechs Texten bald eine Einigung erzielt werden. Natürlich bin ich etwas enttäuscht, dass wir in die Vermittlung gehen mussten, aber ich gehe zuversichtlich an die Fortsetzung unseres Dialogs heran, um ihn zum Abschluss zu bringen. Ich habe Ihre Worte gehört: Sie wünschen sich eine Haftung der Staaten, die Möglichkeit, in zahlreichen Fällen Untersuchungen durchzuführen und insbesondere die Ratifizierung der IMO-Resolutionen und Sie legen großen Wert darauf, dass das Paket weder auseinanderdividiert noch zerstückelt werden darf. Ich habe das gehört und werde es auf unserer Sitzung am 9. Oktober an den Rat weiterleiten. Sie wissen, dass die Gespräche kompliziert sein werden, aber Sie haben unterstrichen, dass es zu lange gedauert hätte, um dahin zu gelangen, wo wir heute sind. Allerdings bestätige ich, dass wir sehr entschlossen sind und sich an dieser Entschlossenheit nichts ändern wird. Ich hoffe, dass wir gemeinsam ein umfassendes und kohärentes System schaffen können, das die Verantwortung jedes Akteurs gewährleistet. Ich denke, dass das der Preis der Sicherheit des Seeverkehrs in Europa ist. Aus diesem Grund müssen wir bezüglich der letzten zwei Vorschläge Fortschritte erzielen. Wie Sie wissen, werden wir bis zur letzten Minute unserer Präsidentschaft daran arbeiten. In den Worten eines Landsmanns von Kommissar Tajani, dem Vorsitzenden, Herrn Costa, und Antonio Gramsci versuchen wir in diesen Gesprächen, den Pessimismus unseres Verstandes mit dem Optimismus unseres Willens in Einklang zu bringen. Wie dem auch sei, ich danke dem Parlament im Voraus für alles, was es tun kann, um diesen Optimismus zu stärken.

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Antonio Tajani, Mitglied der Kommission. − (IT) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Mein Dank gilt Herrn Bussereau für sein fortgesetztes Engagement. Ich möchte gerne auf das Wesentliche der diversen Berichte und Änderungsanträge eingehen, die vorgelegt worden sind. Was die erste Abstimmung über den Bericht von Herrn Sterckx über die Überwachung des Seeverkehrs anbelangt, freue ich mich sehr über die breite Unterstützung des Parlaments für die im Kommissionsvorschlag ausgeführten Ziele. Die wichtigsten Punkte in diesem Vorschlag sind diejenigen, die sich auf die Notliegeplätze beziehen. Ich unterstütze die Versuche des Parlaments zur Aufrechterhaltung des Grundsatzes der Unabhängigkeit im Entscheidungsfindungsprozess für die Aufnahme eines in Notlage geratenen Schiffes an einem Notliegeplatz voll und ganz. Die Änderungsanträge, die den wesentlichen Inhalt des Vorschlags für eine Richtlinie übernehmen, die sich auf Herrn Kohlíčeks Bericht über zivile Haftung und die finanziellen Garantien von Schiffseignern bezieht, können ohne Vorbehalte unterschrieben werden, mit Ausnahme der zwei, die die Einrichtung einer Behörde der Gemeinschaft für die Verwaltung der Finanzgarantiezertifikate betreffen. Meine Mitarbeiter haben noch Zweifel hinsichtlich der administrativen und finanziellen Auswirkungen dieses Vorschlags, und wir werden dies gründlicher untersuchen müssen. Andererseits bin ich nach dem Durchlesen des Berichts von Herrn Kohlíček zufrieden darüber, dass der Vorschlag über Untersuchungen nach Unfällen nicht scheitert. Manchmal ist jedoch das Beste der Feind des Guten, und die Kommission hat sich dem Argument gegenüber, das während der Debatte im Rat vorgebracht wurde, empfänglich gezeigt. Dabei ging es darum, dass es zur Gewährleistung der Qualität der Untersuchungen besser ist, diese nicht unnötigerweise doppelt und dreifach durchzuführen. Worauf es wirklich ankommt, ist die Durchführung einer Untersuchung in Fällen sehr schwerer Unfälle, um hieraus nützliche Lehren für die Zukunft ziehen zu können, indem die Unfallursachen verstanden werden. Diesem Ziel, das in jedem Fall der Herangehensweise der IMO entspricht, wird durch den gemeinsamen Standpunkt Rechnung getragen, weshalb ich die Änderungsanträge 7, 13 oder 14 nicht unterstützen kann. Abschließend soll anhand der drei Änderungsanträge 18, 19 und 20 ein Mechanismus zur Überwindung aller Divergenzen unter den Mitgliedstaaten hinsichtlich einer einzigen Untersuchung in die Richtlinie aufgenommen werden. Wenngleich es richtig ist, dass der Kommissionsvorschlag und der gemeinsame Standpunkt fordern, dass die Mitgliedstaaten vermeiden, parallel Untersuchungen anzustellen, trifft es auch zu, dass sie den betreffenden Mitgliedstaaten nicht das Recht absprechen, ihre eigenen Untersuchungen durchzuführen. In jedem Fall kann es nicht Aufgabe der Kommission sein, als Vermittler zwischen den Mitgliedstaaten zu agieren, die jeweils davon überzeugt sind, ein vitales Interesse daran zu haben, eine Untersuchung durchzuführen. Worauf es in diesem Fall ankommt, ist die Gewährleistung, dass die Untersuchungsgremien unabhängig sind. Was die Entschädigung von Reisenden im Fall von Unfällen im Bericht von Herrn Costa anbelangt, wissen Sie, dass die Kommission entschlossen ist, die Rechte der Reisenden in allen Verkehrsbereichen in ganz Europa zu stärken. Als dieser Vorschlag vor drei Monaten vorgelegt wurde, hat die Kommission damit begonnen, Beobachtungen anzustellen: Wenn es in Europa zu einem Schiffsunfall auf See oder auf einem Fluss kommt, werden die Opfer nicht angemessen entschädigt, da die geltenden Regelungen in den einzelnen Mitgliedstaaten zu sehr voneinander abweichen und größtenteils nicht mehr zeitgemäß zu sein scheinen. Tatsächlich ist keine Versicherungspflicht vorgesehen, die Obergrenzen der Entschädigungen sind unangemessen und aus den Haftungsregelungen geht hervor, dass das Opfer nachweisen muss, dass der Beförderer die Schuld trägt, was sich im Fall eines Schiffsunglücks schwierig gestaltet. Angesichts dieser Beobachtung sah die Kommission nur eine Lösung: den Versuch, eine Vereinheitlichung zu erreichen. Des bedeutet zum einen die Umsetzung des Athener Übereinkommens; die Verhandlungen hierüber werden unter der Federführung der IMO geführt, und zum anderen, dass dies voll zur Anwendung kommen muss, um zu gewährleisten, dass alle Opfer gemäß den im Übereinkommen enthaltenen Bedingungen und auf der Grundlage der darin angeführten Höchstbeträge eine Entschädigung erhalten. Der Rat hat gezeigt, dass er dieselbe Ansicht vertritt. Mit allen vom Europäischen Parlament vorgelegten Änderungsanträgen wird eine Optimierung der künftigen Verordnung angestrebt, weshalb wir diese vorbehaltlos unterstützen. Was den Geltungsbereich anbelangt, der so weit wie möglich sein sollte, können jedoch die Schwierigkeiten gewisser Betreiber nationaler oder Flussbeförderer nicht bestritten werden. Daher wäre es legitim, die Umsetzung der Verordnung zeitlich zu staffeln, damit die erforderlichen Anpassungen vorgenommen werden können. Daher unterstütze ich die betreffenden Änderungsanträge. Wie die Dinge derzeit stehen, hängen die Entschädigungshöchstbeträge von der Schiffsgröße und der Anzahl der Opfer ab, was nicht hinnehmbar ist. Wir müssen dies richtigstellen, und ein Weg, dies zu tun, besteht darin, dem Versicherungssektor zu helfen, indem ein einheitlicher Entschädigungshöchstbetrag festgelegt wird, der europaweit Anwendung

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findet. Dies ist das Ziel der Änderungsanträge 12, 13 und 14, (erster Teil), die von der Kommission unterstützt werden. Ich nehme mir viel Zeit, Herr Präsident, denn ich halte es für richtig, eine Stellungnahme zu den diversen vorgelegten Änderungsanträgen abzugeben. Darum werde ich mir, wenn Sie es erlauben, weitere zwei Minuten nehmen. Was den Vlasto-Bericht über die Hafenstaatkontrolle anbelangt, möchte ich der Berichterstatterin und dem Parlament für ihre Unterstützung dieses Vorschlags danken, der die Einführung eines ehrgeizigen neuen Inspektionssystems für Europa zur Folge haben wird. Ich möchte auf zwei Punkte zu zwei entscheidenden Aspekten hinweisen: der erste bezieht sich auf die Mechanismen, durch die festgelegt wird, unter welchen Umständen keine Schiffsinspektionen durchgeführt werden können. Einerseits ist da das Thema der Flexibilität, was zu Recht aus operativen Gründen für gerechtfertigt erachtet worden ist und bereits in der geltenden Richtlinie enthalten ist. Dieses sollte unseres Erachtens beibehalten werden. Aus diesem Grund kann ich die Änderungsanträge 19 und 23 nicht unterstützen. Der wichtigste Aspekt in politischer Hinsicht ist der des Zugangsverbots, mit dem sich die Änderungsanträge 31 und 32 befassen. Obwohl die Kommission den Standpunkt des Rates akzeptieren kann, nach dem ein weniger strenges System für Schiffe auf der grauen Liste eingeführt werden soll, freue ich mich dennoch, dass das Parlament die Kommission beim Thema eines dauerhaften Verbots unterstützt. In Bezug auf den Bericht von Herrn de Grandes Pascual über Klassifizierungsgesellschaften bin ich froh, dass das Parlament die Aufspaltung der Akte in eine Richtlinie und eine Verordnung gemäß dem Wunsch des Rates akzeptiert. Diese Herangehensweise scheint mir fair und in rechtlicher Hinsicht rigoros zu sein. Mit Hinblick auf die Änderungsanträge möchte ich sagen, dass die Anträge 27 und 28 Änderungen an der Regelung der zivilen Haftung der anerkannten Stellen vornehmen, die unseres Erachtens in der Praxis inkonsequent sind. In jedem Fall sollte im Rahmen der Richtlinie eine fahrlässige Tötung weiterhin durch eine Mindesthaftung abgedeckt werden. Wir können Änderungsantrag 1, mit dem versucht wird, den vom Rat in den Verordnungsentwurf einbezogenen Erwägungsgrund 3 zu streichen, akzeptieren. Dieser Erwägungsgrund erscheint uns überflüssig und gefährlich; ich möchte nicht, dass unsere Inspektoren durch ihn bei der Durchführung ihrer Arbeit auf Schwierigkeiten stoßen. Abschließend kann ich, wie ich bereits gesagt habe, die Änderungsanträge akzeptieren, mit denen versucht wird, einige Elemente aus dem „Flaggenstaat“-Vorschlag in den Richtlinienentwurf einzubeziehen. Herr Präsident, ich entschuldige mich für meine lange Redezeit, aber es waren viele Änderungsanträge, und meines Erachtens war es richtig, dem Parlament den Standpunkt der Kommission mitzuteilen. Dirk Sterckx, Berichterstatter. – (NL) Frau Präsidentin! Gestatten Sie mir, zunächst ein paar Worte an meine spanischen Kolleginnen und Kollegen zu ihren Vorbehalten gegenüber den Zufluchtshäfen zu richten. Wenn eine zuständige Behörde in einem Mitgliedstaat eine Entscheidung trifft, kann es tatsächlich zu einem Problem mit der Entschädigung von Zufluchtshäfen kommen, in denen Schiffe möglicherweise aufgenommen werden können. Tatsächlich wird dies in meinem Bericht erörtert, und zufällig ist dies ein Problem, auf dessen Lösung sich der Rat und das Parlament nicht haben einigen können. Es ist eines der schwierigen Probleme. Wie kann es überwunden werden? Ich habe eine einfache Lösung angeführt, nämlich die Einführung einer finanziellen Haftung für den Mitgliedstaat in diesem Fall. Der Rat ist damit nicht einverstanden, und wir müssen uns etwas anderes überlegen. Nicht dass wir es deshalb nicht geschafft hätten, uns mit dem Problem zu befassen oder es zu berücksichtigen – ich wollte das nur gesagt haben, um Missverständnisse zu vermeiden. Wir gehen nun in die Vermittlung und, Herr amtierender Präsident, sowohl der Rat als auch das Parlament haben die Aufgabe, dafür zu sorgen, dass diese Vermittlung von Erfolg gekrönt sein wird. Wir können es uns nicht leisten, zu scheitern. Ich muss Ihnen nochmals dafür danken – Ihnen und Ihren Kollegen – dass 90 % der Arbeit bereits hinter uns liegen, insbesondere zu meinem Bericht. Die morgige Abstimmung wird dies nicht zum Ausdruck bringen, aber soweit es mich betrifft, können Sie versichert sein, dass für meinen Teil das, was wir vereinbart haben, auf dem Papier bleiben wird, und dass wir uns mit den noch offenen Punkten befassen und sehr bald zu einem Ergebnis kommen werden. Die Schwierigkeiten während der Vermittlung werden in den zwei noch offenen Berichten liegen, den zwei fehlenden Texten, und ich möchte einmal mehr unterstreichen, dass wir mit Ihnen sind, dass wir

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zusammenarbeiten müssen und das Parlament mit dem Rat eine Einigung erzielen will, was nicht alle Tage vorkommt! Jaromír Kohlíček, Berichterstatter. − (CS) Ich möchte versuchen, zusammenzufassen, warum das Paket zur Seeverkehrssicherheit als Ganzes und nicht als eine Reihe von Einzelberichten diskutiert werden sollte, aus denen sich der Rat und die Kommission ein paar herauspicken, einige absegnen und andere beiseite legen und darauf warten können, dass die nächste oder übernächste Präsidentschaft ihr Amt antritt. Zunächst ist es wesentlich, auf dieselbe Weise, in allen Fällen und in allen diesen Berichten festzulegen, für welche Schiffe alle diese Vorschläge gelten sollen. In den ursprünglichen Berichten gab es da Unterschiede. Darauf möchte ich Sie nochmals aufmerksam machen. Zweitens lässt sich die Sicherheit nicht aufspalten, weshalb es entscheidend ist, die Verantwortung der Flaggenstaaten zu erhöhen. Diese Verantwortung muss klar definiert werden, denn ohne Verantwortung auf Seiten des Flaggenstaates wird es unmöglich sein, dieses Paket voranzubringen. Drittens muss die faire Behandlung von Seeleuten auf Schiffen, die in Schwierigkeiten geraten, allgemein akzeptiert werden. Ob jemand die IMO-Resolutionen angenommen hat oder nicht, ist unwesentlich. Viertens ist die Umwelt so wichtig, dass die Diskussionen darüber, wer für den Seeverkehr im Fall von Problemen mit dem einen oder anderen Schiff verantwortlich ist, aufhören müssen, wie auch die Schuldzuweisungen. Es wird nur eine Person in jedem Land geben, die darüber entscheidet, wohin ein in Notlage geratenes Schiff fahren kann. Fünftens, wenn es zu einem Unfall kommt, muss innerhalb des festgelegten Zeitrahmens festgelegt werden, wer die technischen Untersuchen durchführen wird, welcher Staat verantwortlich ist, wohin der Abschlussbericht zu senden ist und wie der Bericht strukturiert sein soll. Andernfalls spielen wir einfach nur Spielchen. Die Unabhängigkeit des Untersuchungsgremiums ist eine offensichtliche Voraussetzung. Sechstens möchte ich Sie, Herr Kommissar und Herr Bussereau bitten, nicht nur auf die Wünsche des Europäischen Parlaments, sondern auch auf die der Bürger der Union zu hören und das Paket zur Seeverkehrssicherheit als eine Einheit zu betrachten. Paolo Costa, Berichterstatter. − (IT) Frau Präsidentin, Herr Bussereau, geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Bitte nehmen Sie einen kleinen Rat an, den ich Ihnen aus meiner Erfahrung in dieser Periode heraus geben kann, auch wenn diese nicht sehr lang gewesen ist. Ich versichere Ihnen, dass Sie sich vor der Vermittlung nicht fürchten müssen: Die Vermittlung ist eine kreative Phase, die es ermöglicht, selbst unlösbar erscheinende Probleme zu überwinden. Ich garantiere Ihnen, dass wir zu einer Einigung kommen werden, selbst über die begrenzte Gesamthaftung, die alle Schiffseigner gerne haben würden, da die Notwendigkeit besteht, dass jeder Reisende auf dieselbe Weise behandelt wird. Heute scheint es unmöglich, aber mit ein wenig Vorstellungskraft von uns allen zusammen werden wir die Steine ins Rollen bringen können. Kurzum, neben der optimistischen Entschlossenheit des Willens, die ich in Erinnerung an Gramsci einfließen lassen möchte, möchte ich Sie bitten, sich den Vorschlag des anonymen Franzosen von 1968 zu Herzen zu nehmen – mit ein wenig Vorstellungskraft werden wir definitiv eine Lösung finden. Ich muss sagen, dass ich über gewisse Bemerkungen einiger meiner Kolleginnen und Kollegen weniger glücklich bin, die ihren Widerstand gegen die Ausweitung des Schutzes der Reisenden auch auf Binnengewässer aufrecht erhalten. Ich muss sagen, dass es mich empört, diese Tatsache öffentlich ansprechen zu müssen – die Tatsache, dass ein Kind und sein Vater, die auf der Seine gestorben sind, einen anderen Schutz erhalten sollen als wenn sie auf der offenen See ums Leben gekommen wären. Das ist für mich einfach nicht hinnehmbar, und ich kann nicht glauben, dass Herr Rack, Frau Wortmann-Kool und Herr Blokland wirklich wollen, dass der Schutz kleiner Interessen – denn die Versicherungskosten werden für solche Ereignisse sehr gering sein, da ihr Eintreten im höchsten Maße unwahrscheinlich ist –, dass die kleinen Interessen einiger kleiner Betreiber einen Standpunkt untergraben, der auch von der Kommission bestätigt worden ist, worüber ich mich sehr freue, und es würde auch dem Parlament gut zu Gesicht stehen, diesen zu unterstützen. Corien Wortmann-Kool (PPE-DE). – (NL) Frau Präsidentin! Ich möchte der Anspielung von Herrn Costa vehement widersprechen, dass es einen Zusammenhang zwischen den Menschen gibt, die auf der Seine gestorben sind, und dem Umstand, dass die Fraktion der Europäischen Volkspartei (Christdemokraten) und Europäischer Demokraten seinen Vorschlag nicht annehmen will. Eine solche Anspielung sollte Herr Costa nicht machen, weshalb ich meinen starken Protest zu Protokoll geben will. Dominique Vlasto, Berichterstatterin. − (FR) Frau Präsidentin! Abschließend kann ich sagen, dass diese Aussprache heute einen gemeinsamen Wunsch erkennen ließ, zu einem Ergebnis zu kommen. Ich denke, dass das sehr wichtig ist.

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Es ist ein gutes Stück Arbeit geleistet worden, insbesondere unter der französischen Präsidentschaft, worüber wir uns freuen können. Herr amtierender Präsident! Ich hoffe, dass wir nach der Sitzung des Verkehrsministerrats am 9. Oktober eine Lösung finden werden, die jeder unterstützen kann, ohne dass etwas zu kurz kommt. Das Parlament unterstützt das Paket geschlossen, und ich hoffe, dass wir erfolgreich sicherstellen können, dass das Paket im Plenum angenommen wird. Luis de Grandes Pascual, Berichterstatter. − (ES) Ich möchte der französischen Präsidentschaft einmal mehr danken, die nicht nur einen starken Willen an den Tag gelegt hat, sondern auch ihre Intelligenz. Hoffen wir, dass sich einige Regierungen dank ihrer Entschlossenheit, die ebenfalls zum Ausdruck kam, nicht verschließen, sondern auf diese Intelligenz, französische Intelligenz, hören und angemessen zusammenarbeiten werden, um die Ziele zu erreichen, für deren Erreichung sie und wir uns engagieren. In Bezug auf die Kommission ist sich der Vizepräsident des Umstands bewusst, dass wir einige informelle Triloge abgehalten haben, aber dass zweifellos das, was er als Inkohärenz bezeichnete, aufgrund des Zeitrahmens und der parlamentarischen Formeln natürlich ist, aber das lässt sich durchaus korrigieren. In diesen Trilogen haben wir, was die Berichte anbelangt, für die ich verantwortlich bin, das Ziel anerkannter Organisationen erreicht, und es besteht kein Zweifel, dass wir einen Konsens über die Lösungen finden können. Abschließend gab Herr Sterckx uns als Spanier einen Rat: wir sollen so vernünftig sein, seine Vorschläge aufzunehmen. Ich bitte Sie, zu akzeptieren, dass es tiefgreifende Gründe für unsere abweichende Haltung gibt, aber auch, dass diese Haltung nicht irreversibel ist, dass es in der Vermittlung zweifellos Formeln gibt, auf die wir uns einigen können, und dass wir imstande sein werden, eine Formel zu akzeptieren, die jeder verstehen kann und nicht nur für die Länder, die über Schiffe verfügen, sondern auch für diejenigen von uns, die darunter leiden, Küsten zu haben, eine Lösung bietet. Die Präsidentin. – (EL) Die Aussprache ist geschlossen. Die Abstimmung wird morgen, Mittwoch, um 11.30 Uhr stattfinden. Schriftliche Erklärungen (Artikel 142) John Attard-Montalto (PSE), schriftlich. – Es ist wichtig, gemeinsame Vorschriften und Standards für Schiffsinspektionen und Aufsichtsorganisationen sowie für relevante Tätigkeiten der Seeverkehrsadministration zu haben. Andererseits ist es für die Europäische Union wichtig, die Anzahl der in ihren Mitgliedstaaten registrierten Schiffe zu erhöhen. Die Schiffsregister von Malta, Zypern und Griechenland haben die Europäische Union in die Lage versetzt, einer der größten globalen Akteure zu bleiben, was die Schiffsregistrierung anbelangt. Hierdurch kann die Europäische Union Standards festlegen und eine gewisse Überprüfung ihrer Schiffe aufrechterhalten. Ohne bezüglich der Sicherheit Kompromisse einzugehen, muss die Europäische Union sicherstellen, dass die Schiffe in den Büchern ihrer Mitgliedstaaten nicht in andere Staaten abwandern, insbesondere nicht in diejenigen Staaten, die es Schiffen ermöglichen, „beliebige Flaggen“zu hissen. Es muss anerkannt werden, dass der Seeverkehr einer der saubersten Arten des Transports ist. Er ist auch einer der billigsten. Wir müssen sorgfältig darauf achten, diese wichtige Branche nicht übermäßig zu belasten. Bei allen ergriffenen Maßnahmen muss dies berücksichtigt werden. Der Transport per Schiff muss gefördert werden, und dies muss bei der Regulierung der Branche in Betracht gezogen werden, ohne bei der Sicherheit und Gesundheit Kompromisse einzugehen.

12. Hochsee-Piraterie (Aussprache) Die Präsidentin. – (EL) Als nächster Punkt folgen die Erklärungen des Rates und der Kommission zur Hochsee-Piraterie. Dominique Bussereau, amtierender Präsident des Rates. − (FR) Frau Präsidentin, Herr Kommissar, werte Kolleginnen und Kollegen! Am Samstag, den 14. September – also erst vor ein paar Tagen – wurde ein französisches Thunfischfangschiff 420 Meilen vor der Küste Somalias von Piraten gejagt. Dies war kein

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Einzelfall. Seit dem 10. Juli sind Schiffe gekapert und 250 Seeleute als Geiseln genommen worden. Demzufolge laufen Fischfangschiffe – und ihre Gründe sind durchaus nachvollziehbar – nur noch ungern aus, und die rund 50 französischen und spanischen Thunfischfangschiffe, die ihrer Tätigkeit bislang vor den Seychellen und Somalia nachgegangen sind, haben beschlossen, sich auf das Seychellen-Archipel zu beschränken. Neben der Tatsache, dass diese Piraterievorfälle zunehmen, scheint es klar zu sein, dass sie nicht länger nur entlang der Küste vorkommen, sondern tendenziell immer häufiger auf offener See und in internationalen Gewässern, wodurch nicht nur die Tätigkeiten der dort verkehrenden Fischfang- und Frachtschiffe behindert werden, sondern auch – und das ist eine sehr ernste Angelegenheit – die der Schiffe, die im Rahmen humanitärer Programme eingesetzt werden, insbesondere dem Welternährungsprogramm, das den zahlreichen Vertriebenen in Somalia wichtige Hilfsleistungen zur Verfügung stellt. Dieses Phänomen hat auf globaler Ebene große Besorgnis ausgelöst. Der französische Präsident Herr Sarkozy sagte vor kurzem, dass wir es hier nicht länger mit Einzelfällen, sondern mit einer kriminellen Industrie zu tun haben, die eine der Grundfreiheiten, die Freizügigkeit, sowie die Freiheit, international Handel zu treiben, bedroht. Der französische Präsident schloss mit den Worten: „Die Welt kann das nicht hinnehmen!“ Vor diesem Hintergrund verabschiedete der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen in den Monaten Mai und Juni die Resolutionen 1814 und 1816. In Reaktion auf die Zuspitzung dieses Themas arbeitet er derzeit an einer neuen Resolution, mit der die Völkergemeinschaft mobilisiert werden soll, bestehende Instrumente der Repression und Prävention im Rahmen des Seerechts und der Resolutionen des Sicherheitsrats effektiver anzuwenden. Die EU-Mitgliedstaaten haben sich ihrerseits bereits dazu bereiterklärt, und am 26. Mai haben sie ihre Entschlossenheit zum Ausdruck gebracht, bei der Bekämpfung der Hochseepiraterie vor der Küste von Somalia zusammenzuarbeiten. Am 5. August wurde vom Rat ein Krisenmanagementkonzept abgesegnet, und erst vor kurzem, am 15. September, hat der Rat im Rat „Allgemeine Angelegenheiten und Außenbeziehungen“ eine strategische Militäroption mit Hinblick auf einen möglichen Marine-Einsatz im Rahmen der europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik beschlossen. Ich möchte Sie formell daran erinnern, dass die Durchführung eines Marine-Einsatzes klar vorgesehen ist, wie es die französische Präsidentschaft letzten Dienstag dem parlamentarischen Ausschuss für außenpolitische Angelegenheiten gegenüber am Ende der oben erwähnten Ratssitzung gesagt hat. Bis der Einsatz durchgeführt wird, ist vom Rat aufgrund der Dringlichkeit des Handlungsbedarfs mit der Bildung einer Koordinationszelle für den Schiffsverkehr ein erster Schritt getan worden. Sie wird von einem spanischen hohen Offizier geleitet und setzt sich aus vier Marine-Experten zusammen, deren Aufgabe darin besteht, den Informationsaustausch zwischen der Handelsmarine und Kriegsschiffen in der Region auf regelmäßiger oder Einzelfallbasis zu erleichtern. Die in Brüssel stationierte Zelle wird für die Unterstützung der Überwachungs- und Schutzmaßnahmen zuständig sein, die von den Mitgliedstaaten vor der Küste Somalias durchgeführt werden. Diese Initiative sollte in drei Teilbereiche eingeteilt werden: die Begleitung bestimmter anfälliger Schiffe während ihrer Passage durch den Golf von Aden, den Schutz der humanitären Konvoys des Welternährungsprogramms mit Zielort Somalia und die Überwachung der Fischereigebiete vor der Südküste Somalias. Die Mitgliedstaaten mit Marine-Einheiten vor der somalischen Küste werden aufgefordert, die Zelle darüber zu informieren, insbesondere zur Verbesserung der Chancen, die anfälligsten Handelsschiffe schützen zu können. Frau Präsidentin, parallel dazu wird die Europäische Union die Vorbereitungen für einen möglichen Marine-Einsatz im Rahmen der europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik fortsetzen. Derzeit haben wir eine Mission zur Sammlung von Informationen aus europäischen Sachverständigen des Militärstabs der Europäischen Union und dem Generalsekretär des Rates in der Region, die einen strategischen Plan ausarbeitet. Deren Schlussfolgerungen müssen bis zum 29. September vorliegen. Meine Damen und Herren, Sie werden sehen, dass die Europäische Union nicht nur ihre Entschlossenheit zu Handeln an den Tag legen, sondern auch ihre Position als Hauptakteur auf der internationalen Bühne im Kampf gegen die Hochseepiraterie bekräftigen wird. Wir müssen uns natürlich zum Schutz der kommerziellen Interessen in einer koordinierten Weise die Mittel an die Hand geben, um schnell handeln zu können, aber auch im Interesse der Freizügigkeit, die ein globaler Grundsatz ist, und nicht zuletzt zur Erreichung unserer humanitären Ziele. Antonio Tajani, Vizepräsident der Kommission. − (IT) Frau Präsidentin, Herr amtierender Präsident des Rates, verehrte Abgeordnete! Die Kommission verurteilt die kriminellen Handlungen, die regelmäßig in einigen Regionen der Welt gegen die Interessen der EU-Mitgliedstaaten begangen werden, entschieden, darunter

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sowohl die Hochseepiraterie als auch bewaffnete Raubüberfälle auf Schiffe, die sich in den Hoheitsgewässern eines Staates aufhalten. Handlungen dieser Art beeinträchtigen nicht nur den Seeverkehr, sondern auch den Hochseefischfang und den Tourismus. Zudem machen diese Handlungen die Lebensbedingungen der Seeleute, die bereits jetzt unter schwierigen Verhältnissen arbeiten müssen, noch gefährlicher. Wir dürfen diese Handlungen nicht nur verurteilen, wir müssen auch Maßnahmen ergreifen, denn wir müssen uns dessen bewusst werden, dass die Gefahr besteht, um mehrere Jahrhunderte zurückgeworfen zu werden, so dass wir die Situation einer organisierten Präsenz von kriminellen Netzen haben werden, die in vier Hauptregionen operieren: im Südchinesischen Meer, in den Meerengen von Malakka und Singapur, im Golf von Guinea und am Horn von Afrika. Der Großteil der Straftaten wird in diesen Regionen begangen, und die Intensität und Schwere der Angriffe ändern sich ständig. Des weiteren besteht nach wie vor eine Besorgnis bezüglich der Entwicklungen und der Ausweitung der Hochseepiraterie auf andere Teile der Welt, was in der Tat zeigt, dass es sich hier nicht nur um gelegentliche Vorfälle handelt, sondern es unserer Überzeugung nach ein organisiertes Verbrechernetz gibt, das systematisch Fracht-, Touristen- und Passagierschiffe angreifen will. Angesichts des Umstands, dass die Europäische Gemeinschaft Mitglied der UN-Seerechtskonvention von 1982 ist, hat sich die Europäische Kommission stets für die Förderung der Navigationsfreiheit in allen ihren Aspekten sowie für die Erarbeitung geeigneter Instrumente zur Verhinderung illegaler Handlungen gegen Schiffe eingesetzt. In diesem Zusammenhang hat die Kommission die Versuche der Mitgliedstaaten und der Völkergemeinschaft als Ganzes zur Schaffung von Rechtsinstrumenten hoher Qualität im Rahmen der Vereinten Nationen und ihrem spezialisierten Gremium im Sektor des Seeverkehrs – die Internationale Seeschifffahrtsorganisation – systematisch unterstützt. Nach der Arbeit im vergangenen Juni im offenen informellen Beratungsprozess der UN über Ozeane und Seerecht, der sich insbesondere mit dem Thema der legalen Behandlung von Piraten nach ihrer Festnahme befasste, werden weiterhin Anstrengungen im Rahmen der derzeitigen Revision der drei Rechtsinstrumente der IMO über die Prävention der Hochseepiraterie und des bewaffneten Raubüberfalls in Bezug auf Schiffe unternommen. Die Revision wird voraussichtlich im Dezember 2008 abgeschlossen sein. Unter Bezugnahme auf ihre Gesetzgebung zur Sicherheit von Schiffen und Hafenanlagen, mit der der ISPS-Kodex in das Gemeinschaftsrecht aufgenommen wurde, der ein IMO-Instrument ist, befürwortet die Europäische Union die Förderung dieser Seeverkehrssicherheitsstandards durch ihre internationalen Partner, insbesondere durch ihre Partner im europäischen Mittelmeerraum, über das Safemed-II-Programm. Auf dieselbe Weise wird ein hochrangiges Treffen zu diesem Thema als Teil des ASEAN-Regionalforums unter dem gemeinsamen Vorsitz der Europäischen Union und Indonesiens vorbereitet. Die Zusammenarbeit mit Ländern außerhalb Europas wird daher immer wichtiger. In einem ähnlichen Kontext prüft die Kommission die Möglichkeit des Einsatzes des Stabilitätsinstruments zur Förderung bestehender oder sich in Vorbereitung befindlicher regionaler Initiativen, die von der Internationalen Seeschifffahrtsorganisation unterstützt werden, sowohl im Gebiet der Meerenge von Malakka als auch am Horn von Afrika, um die Sicherheit der Navigation auf See in diesen Gebieten sicherzustellen, die für die europäischen Interessen und Lieferungen von strategischer Bedeutung sind. Ich möchte ferner die fortgesetzte Unterstützung der Europäischen Gemeinschaft für Entwicklungen an Länder unterstreichen, die an die Risikogebiete angrenzen, mit der der Lebensstandard der Bürgerinnen und Bürger verbessert werden soll, was eine wesentliche Voraussetzung für die Einhaltung der Regeln der Rechtsstaatlichkeit ist. Daher ist es auch entscheidend, zu versuchen, die arbeitende Bevölkerung von kriminellen Organisationen fernzuhalten, die von der extremen Armut bestimmter Bevölkerungsgruppen profitieren können, um Leute anzuwerben. Was die Repression von Akten der Hochseepiraterie und des bewaffneten Raubüberfalls in Bezug auf Schiffe anbelangt, begrüßt die Kommission die Verabschiedung der Resolution 1816 des UN-Sicherheitsrats über die Repression von Akten der Piraterie und des bewaffneten Raubüberfalls vor der Küste Somalias, wie natürlich auch den wichtigen Schritt, den der Europäische Rat mit der Annahme eines detaillierten Aktionsplans in seiner Sitzung vom 15. September 2008 getan hat. Herr Bussereau hat ausgeführt, worum es bei diesen Initiativen geht und welche Verpflichtungen von der Europäischen Union und den Mitgliedstaaten eingegangen werden. Wir sind mit diesen Verpflichtungen einverstanden und unterschreiben diese.

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Im Zusammenhang mit der ständigen Zunahme der Piraterie kommt eine weitere Frage auf: Dienen die Akte der Piraterie dazu, den internationalen Terrorismus zu finanzieren? Dies ist eine Frage, die wir uns stellen und wenn möglich beantworten müssen, selbst wenn es heute keinen Beweis dafür gibt, dass der Terrorismus durch die Lösegelder finanziert wird. Man kann nicht von vornherein abstreiten, dass diese Möglichkeit nicht besteht. Wir haben daher unsere Zweifel, diese Hypothese zurückzuweisen, insbesondere angesichts der offensichtlichen Verbindungen, die zwischen bestimmten Ländern bestehen, die den Piraten Zuflucht gewähren und in denen es versteckte Basislager von Terroristengruppen gibt. Die Kommission will dieses Thema jedoch untersuchen, um ihre Kenntnisse über die Finanzströme zu verbessern, die mit dem Phänomen der Hochseepiraterie zusammenhängen. Wir dürfen im Kampf gegen den Terrorismus niemals unachtsam sein, weshalb jeder Verdacht, selbst wenn wir nicht vorverurteilen dürfen, sorgfältig geprüft werden muss. Des Weiteren müssen wir alle geeigneten Schritte ergreifen, um zu verhindern, dass der Terrorismus von der organisatorischen und wirtschaftlichen Unterstützung krimineller Vereinigungen profitiert. Aus diesem Grund werden wir weiter harmonisch mit allen Mitgliedstaaten, dem Rat und auch mit Ländern außerhalb Europas zusammenarbeiten, die sich besonders für die Bekämpfung der Hochseepiraterie einsetzen. Georg Jarzembowski, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – (DE) Frau Präsidentin, sehr geehrter Herr Minister, sehr geehrter Herr Vizepräsident! Herr Vizepräsident, mit Ihren Erklärungen bin ich völlig einverstanden. Man muss unterscheiden zwischen Meerengen, wo wir verantwortliche Staaten haben, mit denen wir kooperieren können, um gegen die Piraterie vorzugehen, und den Seeoperationen, wo wir keinen verantwortlichen Staat haben, wie in Somalia. Da müssen wir selbst etwas tun. Herr Minister, was Sie gesagt haben, war mir, ehrlich gesagt, ein bisschen wenig. Einen Krisenstab zu gründen und einzusetzen, das ist immer gut, aber es hilft nichts. Der Krisenstab sitzt hier in Brüssel oder sonst irgendwo. Was wir brauchen, ist eine konzertierte maritime Operation vor Ort mit den Schiffen der EU-Staaten, die schon da sind. Wir müssen an die Mitgliedstaaten, die noch keine Schiffe dort haben, appellieren, sich an einer gemeinsamen Marineoperation zu beteiligen. Es kann nicht angehen, dass zwei Mutterschiffe von Piraten dort auf den Gewässern fröhlich vor sich hin fahren, von diesen Mutterschiffen aus unsere Fischereischiffe und Handelsschiffe angegriffen werden und wir dann immer hinterherlaufen und zusehen müssen, wie wir das in den Griff bekommen können. Hier braucht man eine klare – und ich warte auf die Aussagen meines Generals, der gleich kommt – strategische und taktische Einschätzung der Lage, und wir brauchen genügend Kräfte, die in der Lage sind, der Piraterie Herr zu werden. Denn Appelle helfen einfach nichts! Wir müssen die Piraten jagen, wir müssen sie stellen, sonst geht es nicht. 90 Prozent der Importe Europas, von denen wir abhängig sind, kommen über den Seeweg. Wir haben eine hohe Verantwortung für die Seeleute, für die Fischer, die vor ausländischen Küsten fischen, gemäß gemeinsam vereinbarten Verträgen, und wir müssen diese Fischer und Seeleute und Touristen schützen. Das geht leider in Gebieten, wo es keine staatliche Autorität gibt, nur, indem wir auf der Basis von UNO-Beschlüssen eigene europäische Aktivitäten entwickeln. Insofern, Herr Minister, ist die Einrichtung eines Krisenstabs gut, wir erwarten aber in der nächsten Stufe eine klare Operationsbasis und klare Operationen. Rosa Miguélez Ramos, im Namen der PSE-Fraktion. – (ES) Meine Damen und Herren! Wir müssen dieses Problem dringend angehen. Die mir vorliegenden Zahlen sind noch schlimmer als diejenigen, die uns Herr Bussereau eben genannt hat: Derzeit befinden sich Berichten zufolge 13 Schiffe und 300 Seeleute in der Gewalt von Piraten. Eines ist klar: Wenn diesem Phänomen nicht Einhalt geboten wird, wird es weiterhin stark zunehmen, wie es bislang der Fall war, und natürlich wird es von alleine nicht aufhören oder besser werden. Die Hartnäckigkeit unter anderem der französischen und spanischen Regierungen und auch des Parlaments haben Früchte getragen. In kurzer Zeit haben wir eine UN-Resolution zu diesem Phänomen bewirkt, die das Verfolgungsrecht ausweitet. Des Weiteren wurde eine Zelle zur Koordinierung der Operationen auf europäischem Niveau geschaffen. Allerdings sollten Sie sich dessen bewusst sein, dass es wesentlich ist, dass wir zunächst alle an der Erreichung einer Verlängerung des UN-Mandats arbeiten, denn es gilt nur für drei Monate, und wenn es nicht verlängert wird, wird unsere brandneue Koordinierungszelle Anfang Dezember ihre Arbeit einstellen müssen.

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Was den zweiten Teil des Ratsbeschlusses anbelangt, die strategische Militäroperation, muss diese nun umgesetzt werden, und eine große Zahl an Mitgliedstaaten muss baldmöglichst ihre Bereitschaft zeigen, daran teilzunehmen. Diesbezüglich unterstütze ich das, was Herr Jarzembowski gesagt hat. Es wäre der erste militärische Marine-Einsatz der EU im Rahmen der europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik, meine Damen und Herren, sowie ein wichtiges Signal bezüglich der Visibilität Europas. Die Umstände verlangen danach. Die Hochseepiraterie im Indischen Ozean ist derzeit ein äußerst profitables Geschäft, das tagtäglich wächst. Jemand sagte mir heute, dass der Status des Piratenberufs jedoch, so unglaublich das auch klingen mag, in einigen Anrainerstaaten des Indischen Ozeans steigt. Wir müssen diese Spirale unterbrechen und anfällige Schiffe schützen, ganz gleich, ob es sich dabei um Handels- oder Freizeitschiffe oder um die zahlreichen Fischereifahrzeuge handelt, die in diesem Gebiet Fischfang betreiben. Zudem müssen wir den im Rahmen des Welternährungsprogramms eingesetzten Schiffen Schutz und Geleit gewähren, denn am 27. September wird das Mandat Kanadas enden, und wir haben bislang noch kein Land, das diese Aufgabe übernimmt. Philippe Morillon, im Namen der ALDE-Fraktion. – (FR) Frau Präsidentin! Wäre die Zunahme der Akte der Hochseepiraterie keine Chance für die Europäische Union, ihre Mittel zur Verteidigung ihrer Werte und Interessen einzusetzen, wenn und wo immer dies nötig wäre? In jedem Fall bitte ich Sie, unseren Fischern, die letzte Woche in den Hafen von Mahé auf den Seychellen flüchten mussten, oder den Besatzungen unserer Handels- und Kreuzfahrtschiffen, die in den Hoheitsgewässern Somalias immer stärker bedroht werden, nicht zu sagen, dass Europa das nichts angeht! Das wäre so, als würden wir vergessen, was die europäischen Bürgerinnen und Bürger von Europa erwarten: in erster Linie Sicherheit, und ganz besonders Sicherheit auf See. Herr Kommissar, gerade aus diesem Grund wurden die Initiativen der Kommission zur Umsetzung einer europäischen See- und Ozeanpolitik auf so breiter Basis begrüßt. Herr amtierender Ratspräsident, deshalb vermute ich, dass es in diesem Parlament eine große Mehrheit gibt, die die von Ihnen am Ende der Konsultation, die meines Wissens noch andauert, vorgeschlagenen Maßnahmen annehmen wird. Heute sagen viele, dass es nicht so einfach ist, dass es möglicherweise besser wäre, zunächst unsere Verbündeten weltweit zu fragen und über die Rechtmäßigkeit im Rahmen des Völkerrechts nachzudenken. Was für die jüngste Befreiung der Geiseln auf der Ponant und der Carré d’as getan wurde, zeigt, dass wir die Mittel für wirksame Maßnahmen haben, vorausgesetzt, der Wille ist da. Herr amtierender Präsident, wenn nur dieser Wille Gegenstand eines breiten Konsenses im Rat sein könnte! Raül Romeva i Rueda (Verts/ALE). – (ES) Die Küste Somalias zählt den Zahlen zufolge offenkundig zu den gefährlichsten Küsten der Welt. Allein im vergangenen Jahr wurden mindestens 25 Schiffe Opfer aller Arten von Akten der Piraterie. Der Fall des Schiffes Playa de Bakio ist vielleicht einer der bekanntesten, zumindest in Spanien, aber natürlich ist das nicht der einzige. Heute ist auch klar, dass die Übergangsregierung in Somalia nicht über ausreichend Ressourcen oder Mittel verfügt, um im Land für Frieden und Sicherheit zu sorgen, und damit ist sie noch weitaus weniger in der Lage, die Sicherheit auf ihren Gewässern oder in an diese angrenzenden Gebieten zu gewährleisten. Aus diesem Grund ist für diese Aufgabe internationale Unterstützung im Einklang mit dem nötig, was im Juni von den Vereinten Nationen festgelegt wurde, wie meine Vorredner bereits sagten. Persönlich bereitet mir aber noch etwas anderes Sorgen, das ich gerne zur Sprache bringen möchte: Gelegentlich erhalten wir Berichte über ausländische Schiffe, von denen manche möglicherweise aus Europa stammen, die diese Situation fehlender Kontrolle ausnutzen, um illegal in einem der reichsten Fischgründe der Region zu fischen oder gar, um sie als Müllkippe für Schadstoffe zu missbrauchen. Auch das kann die Regierung Somalias nicht kontrollieren. Daher hat es meines Erachtens Priorität – und ich betone dies hiermit –, die Sicherheit der Schiffe zu garantieren, die rechtmäßig im Einklang mit dem Völkerrecht in der Region operieren, aber es muss ebenfalls eine Priorität sein, wenn nicht eine noch größere, uns für die Lösung des Konflikts einzusetzen, der dieses Land vernichtet, so dass die Verantwortung für die Wahrung der Sicherheit in der Region von unabhängigen, legitimen und anerkannten somalischen Institutionen übernommen werden kann.

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Luis de Grandes Pascual (PPE-DE). – (ES) Ich werde die Fakten nicht wiederholen, die hier bereits ausgeführt worden sind. Ich möchte sie beschreiben: Sie sind skandalös und erregen Besorgnis unter unseren Bürgerinnen und Bürgern, die sich zweifellos etwas hilflos fühlen. Ganz zu schweigen von den Gefühlen unserer Fischer, die eine verständliche Angst um ihre Jobs und gar um ihre physische Sicherheit haben, denn die Piraten machen keine leeren Drohungen, und es kann nicht sein, dass Menschen bei der Arbeit ihr Leben aufs Spiel setzen. Darüber hinaus erleiden die Schiffseigner schwere wirtschaftliche Schäden, die ihre Versicherungen nicht immer decken, denn die Umstände sind außerordentlich und werden in der Regel von den Versicherungspolicen nicht abgedeckt. Was können wir gegen die Piraten tun? Natürlich muss viel mehr getan werden als das, was der Außenministerrat am 15. September auf dilettantische Weise beschlossen hat. Gegen die Piraterie brauchen wir überzeugende Maßnahmen auf zwei Ebenen: Im diplomatischen Bereich müssen wir afrikanische Länder unterstützen, die unter der Existenz echter Mafiabanden auf ihrem Territorium leiden, die sich Erpressungen und Entführungen bedienen, um Fischer und Händler aus einem Teil der Welt zu erpressen. Ferner müssen wir legal Gewalt als Abschreckungsmittel anwenden. Dies ist vermutlich die einzige Sprache, die Piraten verstehen. Nachdem dies gesagt ist, sollten wir handeln, aber auf welcher Ebene? Auf nationaler, europäischer oder internationaler Ebene? Meine Damen und Herren, meines Erachtens müssen wir erst einmal auf nationaler Ebene handeln, wie es Frankreich in vorbildlicher Manier im Rahmen des Völkerrechts effektiv getan hat. Ich bedaure, dass die spanischen und französischen Vorschläge vom Rat nicht angenommen wurden, denn das, worauf man sich letztendlich geeignet hat, war nicht ausreichend. Ich denke, wir müssen der französischen Präsidentschaft einen Vertrauensvorschuss für ihren Vorschlag europäischer Maßnahmen geben, mit denen unsere Interessen verteidigt werden können, und ich hoffe, dass, wenn die Zeit reif ist, das NATO-Angebot einer globalen und internationalen Abdeckung in diesem Kontext funktionieren kann. Allerdings sollten wir handeln, wie wir es immer tun. Wir müssen vorankommen, Entscheidungen treffen und dann darauf warten, dass andere uns helfen. Wir können nicht länger hilflos zusehen und zulassen, dass die Bürgerinnen und Bürger das Gefühl bekommen, wir seien nicht imstande, uns zu verteidigen. Gilles Savary (PSE). – (FR) Frau Präsidentin! Zunächst einmal möchte ich dem Rat und der Kommission dafür danken, dass sie der Bitte des Parlaments nachgekommen sind, eine Aussprache zu diesem Thema abzuhalten. Es ist ein sehr aktuelles Thema, das uns alle betrifft. Wir haben insbesondere im Ausschuss für Verkehr und Fremdenverkehr darüber gesprochen, dem Herr De Rossa einen Besuch abgestattet hat. Er vermittelte uns eine Vorstellung über das Ausmaß des Problems. Ich muss sagen, dass wir uns selbst zum Tempo der Reaktion der betroffenen Mitgliedstaaten beglückwünschen können. Ich spreche da von Frankreich und Spanien.Auch das, was bereits von den Vereinten Nationen und dem Rat geleistet wurde, ist erfreulich. Meines Erachtens war dies eine recht schnelle Reaktion. Ich denke, wir müssen mehrere Dinge vermeiden. Erstens: Waffenanforderungen von Seiten ziviler Schiffe. Ich kann das schon kommen sehen, und ich denke, wir müssen wachsam sein, denn wir wissen, dass dies die Lage nur noch gefährlicher machen würde. Zweitens müssen wir dafür sorgen, dass wir nicht untätig zusehen und damit dem Terrorismus in die Hände spielen. Ich meine, wir sollten verhindern, dass sich politische Gruppierungen einmischen, denn dies hätte eine ganz andere Größenordnung zur Folge. Drittens müssen wir eine Situation vermeiden, in der Mitgliedstaaten im Alleingang handeln. Diesbezüglich kam mir eben der Stabilitätspakt in den Sinn. Offenkundig verlangen wir, dass gewisse Mitgliedstaaten kein Defizit haben, aber dies sind dieselben Mitgliedstaaten, die immer gebeten werden, Schutz zu bieten, weil sie die Mittel dazu haben. Deshalb denke ich, müssen wir diesbezüglich auf EU-Ebene ein wenig mehr Solidarität zeigen, damit diejenigen, die nicht die Mittel haben, sich zu schützen, von denjenigen beschützt werden, die über die militärischen Mittel verfügen. In diesem Fall müssen wir auf jeder Ebene Schlüsse ziehen. Ich möchte des Weiteren gerne sagen, dass – wenngleich es sehr dringlich ist, Abschreckungsmaßnahmen zu ergreifen, wie es beispielsweise die französische Präsidentschaft in Bezug auf die Ponant und die Carré d’as getan hat – wir sehr gut wissen, dass das Verbrechen ein Teil der menschlichen Natur ist und sich an der Verzweiflung der Menschen nährt. Daher ist es äußerst wichtig, in Bezug auf diese Länder diplomatisch vorzugehen und Wege zu finden, ihnen in den Bereichen Sicherheit und Entwicklung zu helfen. Dann müssen sie nicht länger mit leerem Magen zusehen, wie übervolle Teller an ihnen vorbeigetragen werden.

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Josu Ortuondo Larrea (ALDE). – (ES) Frau Präsidentin, Herr Minister, Herr Kommissar! Die Bürgerinnen und Bürger Europas können nicht verstehen, warum wir im Zeitalter der Technologie, der Telekommunikation, der Satelliten usw. Akte der Piraterie erleben, die uns vier oder fünf Jahrhunderte in unserer Geschichte zurückzuwerfen scheinen. Ich kann nicht hinnehmen, dass einige meiner Vorredner gesagt haben, sie seien zufrieden mit der Reaktion. Ich sage schon seit mehreren Jahren hier im Europäischen Parlament, dass die Lage im Indischen Ozean und die Lage vor der Küste Somalias für europäische Fischer und Schiffe, die sich dort aufhalten und im Einsatz sind, untragbar ist, und die Reaktion darauf nicht sonderlich groß war. Allerdings begrüße ich den Umstand, dass der Rat letztendlich einen ersten Schritt getan hat, der meines Erachtens nicht ausreicht, indem diese Zelle in Brüssel eingerichtet wird, die für die Begleitung der Fischer, den Schutz der Schiffe, die im Rahmen der humanitären Hilfe unterwegs sind, die in Somalia so dringend gebraucht wird, und den Abschluss von Abkommen über Fischgründe zuständig sein soll. Ich denke, dass es mit all dem, was bislang geschaffen und vereinbart worden ist, nicht möglich sein wird, alle diese ehrgeizigen Ziele zu erreichen. Die See ist sehr groß, man denke nur an die Küsten des Indischen Ozeans, und wir sind auf den Beitrag und die Zusammenarbeit aller europäischen Länder angewiesen, denn es kommt nicht darauf an, ob es französische, baskische, spanische oder niederländische Fischereifahrzeuge oder Schiffe sind, sondern darauf, dass es europäische Schiffe sind. Daher müssen wir alle unseren Beitrag dazu leisten. Angelika Beer (Verts/ALE). – (DE) Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Der Schutz der Seeleute ist uns allen ein Herzensanliegen, aber ich erlaube mir doch, die Frage zu stellen, wie wir dies am besten gewährleisten können. Dem Lob der französischen Präsidentschaft kann ich mich ausdrücklich nicht anschließen, denn politisch, handwerklich war es Pfusch. Nichts anderes als Pfusch! Ich will Ihnen auch erklären warum. Wir haben diese Debatte im Rahmen des Grünbuches Meerespolitik geführt. Wir haben darauf hingewiesen, dass es ein Problem ist und dass wir eine langfristige Strategie brauchen, um Piraterie bekämpfen zu können. Ich erlaube mir auch, darauf hinzuweisen, dass es dieses Phänomen Piraterie seit dem sechsten Jahrhundert vor Christi gibt. Und jetzt kommt Sarkozy, schmeißt alles über den Haufen und redet von Kriegsmarineeinsätzen. Jung als deutscher Verteidigungsminister lässt schon die Kanonen auf den Marineschiffen polieren, und wir haben eine ESVP-Mission, die noch nicht einmal in den zuständigen Ausschüssen – im AFET und im Unterausschuss Verteidigung – diskutiert wird, sondern im Verkehrsausschuss. Was ist denn das für ein Handwerk? Das ist überhaupt kein Handwerk! Ich habe den Eindruck, dass man versucht, ad hoc hektisch zu reagieren, um etwas zu legitimieren, was ganz, ganz langfristige internationale Auswirkungen haben wird. Wenn wir Kriegsmarine einsetzen, um Seeleute zu schützen, müssen wir über die Folgen reden. Was wollen wir denn? Kanonenbootpolitik? Wollen wir den Schuss vor den Bug? Wollen wir Schiffe versenken? Und wenn es tatsächlich mit dem internationalen Terrorismus zusammenhängt, wo ist da die langfristige Strategie? Ich sage dies nur warnend. Wir werden das sehr genau analysieren und dann in der zweiten Oktoberwoche hoffentlich etwas sachlicher und dann auch hilfreicher für die Menschen in der Region zu einen Ergebnis kommen. Carmen Fraga Estévez (PPE-DE). – (ES) Ich habe eben einer Sitzung des Regionalen Beratungsausschusses für Langstreckenflotten beigewohnt, und ich konnte die große Besorgnis in Bezug auf das Schicksal von 51 Schiffen und rund 1 500 Seeleuten der Thunfischfangflotte der Gemeinschaft, die im Indischen Ozean im Einsatz ist, miterleben. Seit Jahren berichtet die Flotte über Vorfälle der Piraterie in diesem Gebiet, das an Somalia angrenzt, aber nicht einmal die Kaperung der spanischen Thunfischfangschiffs Playa de Bakio im April veranlasste einige Regierungen, rechtzeitig zu reagieren, darunter leider auch meine eigene, bis sich die Flotte vor einigen Tagen in den Victoria-Hafen zurückziehen musste, und die dann ergriffenen Maßnahmen waren in höchstem Maße ungeeignet. Wir müssen verstehen, dass die Fischer in einer besonders gefährlichen Situation leben, da wenngleich alle Schiffe, die das Gebiet passieren, Grund zur Sorge geben, Handelsschiffe in der Regel feste Routen haben, was ihre Überwachung während ihrer Durchfahrt erleichtert.

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Diese 51 Fischereifahrzeuge jedoch sind aufgrund der Thunfischwanderung über ein Gebiet von mehr als 3 200 Quadratmeilen verstreut – ein Gebiet, für dessen Durchquerung ein Schiff fünf Tage benötigt –, was sie weitaus verwundbarer macht. Aus diesem Grund ist ein Marine-Einsatz wichtig und dringend erforderlich. Neben dem, was bereits über die Meerenge von Malakka und Somalia gesagt worden ist, erhalten wir nun Berichte von der Fischfangflotte über Piraterie im Mosambik-Kanal sowie rund um Indien und in der Karibik. Wir dürfen daher nicht inaktiv bleiben, sondern müssen zusätzlich zu den Reaktionen handeln, die von unseren Regierungen und dem Rat kommen könnten. Alle Institutionen der Gemeinschaft beteiligen sich an der Ausarbeitung einer koordinierten Strategie zur Bekämpfung der internationalen Piraterie. Daher habe ich meiner Fraktion, der Fraktion der Europäischen Volkspartei (Christdemokraten) und Europäischer Demokraten, eine Haushaltsänderung vorgeschlagen, um eine Million Euro für die Prüfung eines realisierbaren Plans zur Umsetzung dieser Strategie bereitzustellen, und ich bitte das Parlament, hierfür grünes Licht zu geben, damit alle Bürger der Gemeinschaft, wo immer sie auch leben mögen, die Botschaft erhalten, dass sie von der Europäischen Union unterstützt und vor allem geschützt werden. Margie Sudre (PPE-DE). – (FR) Frau Präsidentin, Herr amtierender Ratspräsident, Herr Kommissar, verehrte Kolleginnen und Kollegen! In den vergangenen Monaten haben wir eine Zunahme von Akten der Piraterie beobachtet, insbesondere vor der Küste Somalias. Bei diesen Angriffen werden sehr ausgeklügelte Mittel eingesetzt, was darauf hindeutet, dass es sich um eine mächtige Mafia handelt. Ich teile die Besorgnis meiner Kolleginnen und Kollegen in Bezug auf die europäischen Fischer, die extrem verwundbar sind. Allerdings hat die Europäische Union die Mittel festgelegt, um auf diese Angriffe zu reagieren. Auf der Sitzung der Außenminister vom 15. September wurden Ergebnisse erzielt, die ich für recht bedeutsam erachtete. Einerseits beschlossen die 27 Mitgliedstaaten die Schaffung einer Koordinierungszelle und andererseits einigten sich die Minister auf eine strategische Militäroption, die den Weg für einen möglichen Marine-Einsatz der EU ebnet. Die Inanspruchnahme privater Schutzagenturen ist ebenfalls erwähnt worden. Dies scheint mir keine geeignete Lösung zu sein. Die einzige langfristige Lösung ist, wie Herr Savary sagte, eine diplomatische und politische. Die Piraterie floriert dank der Schwäche der Regierungen. Wir können uns dieser Plage nur dadurch entledigen, dass wir den betroffenen Ländern dabei helfen, den illegalen Machenschaften Einhalt zu gebieten, politische Stabilität zu erreichen und einen Ausweg aus der Armut zu finden. So wurde die Meerenge von Malakka vor ein paar Jahren die Piraten los. Offensichtlich kann die Europäische Union nicht im Alleingang handeln, wie Herr Sarkozy schon sagte. Die internationale Gemeinschaft muss mobilisiert werden. Andernfalls wird es unmöglich sein, den Schutz des Seeverkehrs zu gewährleisten, was insbesondere dem Umstand zuzuschreiben ist, dass es nicht nur vor der Küste Somalias Hochseepiraterie gibt. Die European Union hat die Initiative einer aufeinander abgestimmten Reaktion ergriffen. Nun obliegt es der gesamten internationalen Gemeinschaft, ihren Teil der Verantwortung zu übernehmen. VORSITZ: MANUEL ANTÓNIO DOS SANTOS Vizepräsident Daniel Varela Suanzes-Carpegna (PPE-DE). – (ES) Herr amtierender Ratspräsident, Herr Kommissar, meine Damen und Herren! Ich freue mich sehr über diese Aussprache. Seit 2005 hat das Parlament sowohl die Kommission als auch den Rat vor den Gefahren gewarnt, die mit dem Befahren der Gewässer rund um Somalia und sogar der internationalen Gewässer verbunden sind. Nach diversen Schiffsentführungen und bewaffneten Raubüberfällen hat die Europäische Union gerade eine „Koordinierungszelle“ eingerichtet. Das ist sehr zu begrüßen. Zumindest wird damit endlich anerkannt, dass es ein Problem gibt. Allerdings befürchte ich, dass das Problem trotz dieser Koordinierungszelle weiterhin bestehen bleibt. Solange wir keine wirkliche Zusammenarbeit und keine echte Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik haben, werden die betroffenen Mitgliedstaaten weiterhin gezwungen sein, sich selbst zu schützen und ihre rechtmäßigen nationalen Interessen zu verteidigen. Frankreich hat dies zweifellos verstanden, und ich beglückwünsche das Land zu seiner Entschlossenheit, seinem Mut und seiner Effizienz.

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Auch Spanien hat reagiert, indem das Land plant, ein Aufklärungsflugzeug zu entsenden, mit anderen Worten, ein unbewaffnetes Flugzeug zur Abschreckung bewaffneter Piraten. Schade, dass dieses Flugzeug nicht ausreichen wird, um unsere Fischer auf geeignete Weise zu verteidigen und zu schützen, wenn es zu einer bewaffneten Kaperung unserer Flotte kommt. Wir müssen um eine verstärkte Zusammenarbeit der betroffenen Mitgliedstaaten bitten und diese sicherstellen, Vorteile aus dem französischen Ratsvorsitz ziehen und mehr Mittel bereitstellen, damit der legale Fischfang in internationalen Gewässern keine hochriskante Tätigkeit aufgrund von Akten der Piraterie mehr darstellt, die in der internationalen Gesellschaft des 21. Jahrhunderts unfassbar sind. Geoffrey Van Orden (PPE-DE). - Herr Präsident! Ich richte meine Bemerkungen besonders an den Ratsvorsitz. Ich bin voll und ganz für eine solide internationale Vorgehensweise im Umgang mit der Hochseepiraterie. Ich beglückwünsche die französische Regierung zum Militäreinsatz Anfang des Monats. Vielleicht erinnern Sie sich daran, dass die Royal Navy in den Tagen, als Großbritannien noch eine ethische Außenpolitik hatte, die Ozeane von Piraten sauber gehalten hat. Sie hat sie aus dem Wasser geworfen, und den Sklavenhandel sind wir auch los geworden. Jetzt scheinen wir hilflos zu sein. Unsere Schiffe sind gekapert worden, und wir fürchten uns davor zu handeln, damit wir gegen keine Aspekte der Menschenrechtsvorschriften verstoßen oder in langwierige Gerichtsverfahren verwickelt werden. Die Reaktion der EU ist der Versuch, eine weitere Militäroperation zu erfinden, indem sie einen Ausschuss ins Leben ruft, eine sogenannte EU-Koordinierungszelle, die Militäreinsätze in den Gewässern vor dem Horn von Afrika koordinieren soll. Aber dort wird bereits ein Militäreinsatz durchgeführt, und zwar von der Combined Task Force 150, darunter die Fünfte Flotte der USA und Kriegsschiffe der NATO, die derzeit von einem Dänen geleitet wird. Ich habe eine Frage an den Ratsvorsitz. Warum mischt sich die EU überhaupt ein? Dies ist ein Job für die NATO und, um besser zum Punkt zu kommen, was werden die europäischen Verbündeten in der NATO tun, um zu gewährleisten, dass für diese Aufgabe mehr Kriegsschiffe zur Verfügung gestellt werden? Sie haben Einsatzregeln, die sie effektiv machen, und wir haben das Völkerrecht auf UN-Ebene zum Umgang mit festgenommenen Piraten, ohne sie den Gesetzen unserer eigenen Länder unterstellen zu müssen. Tobias Pflüger (GUE/NGL). – (DE) Herr Präsident! Wir haben hier den Kommissar für Verkehr und den für den Bereich Verkehr zuständigen französischen Ratsvorsitzenden. Es geht hier aber um einen ganz konkreten Militäreinsatz. Es gab eine sehr späte Information an den zuständigen Ausschuss, an den Unterausschuss Sicherheit und Verteidigung, obwohl schon seit August Pressemeldungen über diese EU-Mission gegen Piraterie im Umlauf sind. Das ist inakzeptabel. Wir müssen eine grundlegende Information rechtzeitig bekommen und dann können wir eine seriöse Entscheidung treffen. Nach BBC-Informationen wollte Frankreich eine weltweite Generalvollmacht, nicht nur für Somalia, und hat sich damit zum Glück nicht durchsetzen können. Es geht hier erstmals um eine Einschränkung der Seesouveränität und konkret auch um einen Bruch des Völkerrechts. Das sollten wir sehr deutlich benennen. Es geht um eine direkte Unterstützung für die sogenannte Regierung in Somalia, die von Äthiopien und den USA gestützt wird. Es gibt eine direkte Zusammenarbeit mit der Operation „Enduring Freedom“, was nicht geht, und die Finanzierung soll über ATHENA laufen. Auch hierüber haben wir keinerlei Informationen. Wir sollten direkt informiert werden. Um was es hier geht, ist die militärische Absicherung des Zugangs zu Rohstoffen, und das geht in dieser Form so nicht. Was wir brauchen, ist ein anderer Umgang als diese Militarisierung. Giorgos Dimitrakopoulos (PPE-DE). – (EL) Herr Präsident! Ich möchte mich in dieser äußerst wichtigen Diskussion auf zwei Punkte konzentrieren, die ich für bedeutend halte. Einer davon betrifft den rechtlichen Aspekt. Meines Erachtens ist es nun Zeit für eine Aktualisierung der Seerechtskonvention, damit wir die rechtliche Grundlage für die Umsetzung diverser Methoden zur Bekämpfung des Problems verbessern können. Der zweite Punkt betrifft die operationale Seite. Der maritime Aspekt des Themas ist wichtig, aber er reicht nicht aus. Wir brauchen einen Einsatzplan; See- und Luftstreitkräfte müssen eingesetzt werden, um wirksames Handeln zu ermöglichen.

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Abschließend gibt es eine Reihe von Faktoren, die miteinander verflochten sind. Kommissar Tajani sagte, dass die Verbindung zwischen der Hochseepiraterie und dem Terrorismus untersucht wird, und ich muss eine weitere Dimension hinzufügen: die Verflechtung der Piraterie mit dem organisierten Verbrechen. Auch das sollte geprüft werden. Ioannis Varvitsiotis (PPE-DE). – (EL) Herr Präsident! Ich habe allen Rednern sorgfältig zugehört. Alles, was sie gesagt haben, stimmt, aber hier haben wir es mit einem Problem zu tun, das umgehendes Handeln erfordert. Wir können nicht auf das neue Seerecht warten oder die Augen vor dieser Situation verschließen. Ich mφchte herausstellen, dass sich die NATO einmischt und die Rolle eines internationalen Polizisten und Wichtigtuers spielt. Kφnnte sie nicht wenigstens hier mit unserer Unterstützung intervenieren, um eine Truppe unter Mitwirkung aller Mitgliedstaaten aus See- und Luftstreitkräften zu bilden? Wenn wir Europäer, die keine gemeinsame Verteidigungspolitik haben, warten, bis wir eine solche Truppe bilden können, wird es wahrscheinlich zu spät sein. Da die NATO den Polizisten spielt, wenn es fόr uns zu unbequem ist, sollten wir sie das auch tun lassen, um unseren Bedürfnissen gerecht zu werden. Dominique Bussereau, amtierender Präsident des Rates. − (FR) Herr Präsident, Herr Kommissar, werte Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal möchte ich Ihnen für diese auf sehr hohem Niveau geführte Aussprache danken. Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass die Piraterie eine Form des Terrorismus ist, die unkontrollierbare Ausmaße annimmt. Es stimmt durchaus, dass die Freizügigkeit des Seeverkehrs im Golf von Aden und vor der Küste Somalias künftig nicht mehr gegeben sein wird, wenn wir die Hände in den Schoß legen, was natürlich drastische Folgen nach sich ziehen würde. Ich freue mich, dass die Europäische Union als erste Verantwortung hierfür übernommen hat. Ich möchte hinzufügen, dass es, wie Sie wissen, andere Regionen der Welt gibt, in denen die Piraterie ebenfalls ein Problem darstellt, insbesondere in der Meerenge von Malakka und rund um Singapur. Dies ist für Europa ein gleichermaßen wichtiges und schwieriges Thema. Wir sollten Anfang Oktober imstande sein, eine Entscheidung darüber zu treffen, ob wir weiterhin einen Marine-Einsatz im Rahmen der Sicherheits- und Verteidigungspolitik planen. In mehreren Reden wurde die Rolle der NATO angesprochen. Die Bekämpfung der Piraterie liegt nicht im Aufgabenbereich der NATO. Sie hat ein Mandat in Bezug auf den Terrorismus. Beides mag ähnlich erscheinen, aber es ist nicht dasselbe. Bis Oktober wird die Koordinierungszelle die Mitgliedstaaten weiter unterstützen, um zu versuchen, die Sicherheitslage in der Region zu verbessern. Herr Savary erwähnte die Armut in Somalia, und ich möchte unterstreichen, dass wir die Frachtschiffe, die im Rahmen des Welternährungsprogramms eingesetzt werden, unbedingt schützen müssen. Somalia und seine Bevölkerung sind wirklich auf sie angewiesen. Parallel dazu werden wir Maßnahmen zur Schaffung eines gemeinsamen Rechtsrahmens für die gesamte Völkergemeinschaft ergreifen müssen, damit diese Akte der Piraterie wirksamer vor Gericht gebracht werden können. Einige Piraten sind festgenommen und in europäische Haftanstalten verbracht worden. Offenkundig müssen wir uns nun um den rechtlichen Aspekt und den Rechtsrahmen für all dies kümmern. Ich möchte im Gegensatz zu einem meiner Vorredner sagen, dass ich die konkreten Maßnahmen, die einige Mitgliedstaaten unternommen haben, begrüße. Diese konkreten Maßnahmen senden ein sehr starkes Signal aus, das Menschenleben retten könnte, denn künftig kommt es möglicherweise nicht nur zu Lösegeldforderungen, sondern auch zu Ermordungen. Auf einige Fischereifahrzeuge wurde vor ein paar Tagen geschossen. Die Lage ist also gefährlich, weshalb eine militärische Reaktion angebracht ist. Abschließend möchte ich mich des schönen Satzes Ihres Kollegen Herrn Morillon bedienen: Es geht um den Schutz unserer Interessen und Werte. Das Eintreten für den Schutz unserer Werte ist für Europa sehr wichtig und richtig! Antonio Tajani, Vizepräsident der Kommission. − (IT) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Meines Erachtens ist diese Debatte sehr nützlich gewesen, denn sie hat zweifellos den Wunsch des Parlaments, der Kommission und des Rates zum Ausdruck gebracht, gemeinsam Maßnahmen zu ergreifen, um gegen die Piraterie vorzugehen – ein Phänomen, das immer besorgniserregender wird – und den europäischen Bürgern zu diesem Thema eine Antwort zu geben. Ich unterschreibe die Analyse, die sich aus der Aussprache ergeben hat: Es reicht nicht aus, nur militärisch zu agieren, was ein grundlegender Punkt ist, dies muss auch schnell erfolgen, und ich glaube nicht, dass wir

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uns übermäßig lange mit Zuständigkeitsfragen befassen sollten, um zu klären, ob die Europäische Union oder die NATO handeln sollte. Wir dürfen keine Zeit verschwenden. Ich denke, dass wir die Koordination vorantreiben müssen, aber wir sind verpflichtet, zu intervenieren und Piratenverbände davon abzuhalten, ihre Positionen zu stärken. Gleichzeitig ist es wichtig, Maßnahmen zu ergreifen, um den möglichen Ursachen für die Zunahme des Phänomens und der Anwerbung von Piraten vorzubeugen und diese auszumerzen. Im Verlauf der Aussprache sagte einer meiner Vorredner, dass die Piraterie sehr rentabel wird, und es ist klar, dass es für Piratenverbände in Regionen mit einer sehr hohen Armutsquote recht einfach ist, Leute anzuwerben, vor allem Jugendliche, die bereit sind, alles zu tun, auch, sich diesen paramilitärischen Organisationen anzuschließen. Aus diesem Grund müssen wir neben der Ergreifung von Maßnahmen zur Kontrolle und Repression durch die EU-Mitgliedstaaten, und ich freue mich über das, was bereits getan wurde, handeln – und hier muss die Kommission eine wichtige Rolle spielen –, um das Wirtschaftswachstum in bestimmten Entwicklungsländern zu fördern und zu verhindern, dass die Armut zu einem Werkzeug wird, das der Piraterie Vorschub leistet. Natürlich müssen wir dann auch daran arbeiten, zu verstehen – und auch hier kann die Kommission eine bedeutende Rolle spielen –, was hinter der Piraterie steckt, welche Verbindungen es mit dem Fundamentalismus und dem Terrorismus gibt, was sie stark macht und welche Gründe es dafür gibt. Die Kommission kann den anderen europäischen Institutionen in diesem Bereich wichtige Hilfestellung leisten. Wir dürfen zweifellos nicht die Hände in den Schoß legen und abwarten, und mit der starken Initiative des Parlaments, das den Rat und die Kommission zum Handeln drängt, müssen wir des Weiteren die Sicherheit der Seeleute und der Waren garantieren, die vom Ausland an die Europäische Union geliefert werden. Wir müssen gewährleisten, dass wir uns diesem Thema nicht nur in den Gewässern annehmen, die der Europäischen Union am nächsten sind, denn auch andernorts sind Fischer im Einsatz, und Frau Fraga berichtete uns besorgt über Vorfälle, die praktisch vor unserer Haustür stattfinden. Wir müssen auch darauf achten, was in anderen Teilen der Welt geschieht, denn die Piraten greifen auch Schiffe an, die in weit entlegenen Gewässern unter der Flagge von EU-Ländern unterwegs sind. Deshalb dürfen wir keine Zeit mehr verschwenden, aber mir scheint, dass der Wunsch der Europäischen Union heute klar geäußert worden ist, insbesondere der des Rates mit Unterstützung der Kommission, zu intervenieren und weiterhin entschlossen präventiv vorzugehen. Zudem denke ich, dass wir mithilfe strategischer Projekte eine Zunahme terroristischer Akte verhindern können. Aus diesem Grund wird der Rat von der Kommission in Bezug auf alle Initiativen zur Bekämpfung und auch zur Prävention des Terrorismus Unterstützung erhalten. Wir wollen die Art von Terrorismus verhindern und bekämpfen, die, sagen wir, mit der Hochseepiraterie im Zusammenhang steht. Daher kann uns diese Zusammenarbeit meines Erachtens unter dem wachsamen Auge des Parlaments positive Ergebnisse bringen. Im Hinblick auf die Verteidigung teile ich auch die Ansicht von Herrn Bussereau über die Worte von General Morillon, unserem Freund: „Es geht darum, nicht nur die Interessen zu verteidigen, sondern auch die Werte der Europäischen Union.“ Der Präsident. − Die Aussprache ist geschlossen. Die Abstimmung findet erst während der Tagung im Oktober statt. (Die Sitzung wird um 17.50 Uhr unterbrochen und um 18.00 Uhr wieder aufgenommen.) VORSITZ: MANUEL ANTÓNIO DOS SANTOS Vizepräsident

13. Fragestunde (Anfragen an den Rat) Der Präsident. − Als nächster Punkt folgt die Fragestunde (B6-0462/2008). Die folgenden Anfragen wurden dem Rat vorgelegt. Anfrage Nr. 1 von Silvia-Adriana Ticau (H-0614/08) Betrifft: Stellenwert der Straßentransportpolitik Das Europäische Parlament hat nach der ersten Lesung seinen Standpunkt zum „Straßenverkehrspaket“ geäußert, das die Änderungsvorschläge zu den drei Verordnungen für die Zulassung zum Beruf des

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Kraftverkehrsunternehmers (2007/0098/(COD)), über den Zugang zum Güterkraftverkehrsmarkt (2007/0099(COD)) und über den Zugang zum Personenkraftverkehrsmarkt (Neufassung) (2007/0097(COD)) zusammenfasst. Diese Verordnungen betreffen und beeinflussen die Arbeit von über 800 000 europäischen Transportunternehmen, die ungefähr 4,5 Millionen Personen beschäftigen. Eindeutige Rechtsvorschriften, die die Ausarbeitung einer Handels- und Entwicklungsstrategie ermöglichen, sind von wesentlicher Bedeutung. Am 1. Juni 2009 soll die neue Fassung der Verordnung für die Zulassung zum Beruf des Kraftverkehrsunternehmers in Kraft treten und bis 1. Januar 2012 sollen die Mitgliedstaaten ihre einzelstaatlichen elektronischen Register, die von dieser Verordnung festgelegt werden, miteinander vernetzen. Welchen Stellenwert räumt der Rat dem „Straßenverkehrspaket“ in den kommenden fünf Monaten ein und welcher Zeitplan ist vorgesehen, damit die neuen, derart geänderten Verordnungen vor dem 1. Juni 2009 angenommen werden können? Jean-Pierre Jouyet, amtierender Präsident des Rates. − (FR) Herr Präsident! Zunächst einmal möchte ich nach der Schießerei in einer finnischen Schule in Kauhajoki, die 10 Todesopfer gefordert hat, meine Anteilnahme zum Ausdruck bringen. Den Familien der Opfer und den finnischen Abgeordneten, die hier anwesend oder von ihrer Arbeit aufgehalten worden sind, möchte ich mein aufrichtiges Beileid aussprechen. Zur Beantwortung der Frage von Frau Ţicau möchte ich sagen, dass der Rat in seiner Sitzung vom 13. Juni 2008 eine politische Einigung zu drei Vorschlägen des Straßenverkehrspakets erreicht hat. Diese neuen Texte haben den Zweck, die nationalen Regelungen zu harmonisieren, die möglicherweise voneinander abweichen und dadurch für Transportunternehmer eine Quelle rechtlicher Unsicherheit darstellen. Die wichtigsten Änderungen, die angenommen wurden, betreffen im Grunde Folgendes: Es gibt eine genauere Definition des Begriffes „Kabotage“, eine standardisiere Vorlage für die Gemeinschaftslizenz, beglaubigte Kopien und Führerscheine, eine Verschärfung der Vorschriften, die einen Mitgliedstaat dazu zwingen, Maßnahmen zu ergreifen, wenn ein Verkehrsteilnehmer in einem anderen Mitgliedstaat einen Verstoß begeht, und abschließend eine bessere Zusammenschaltung der nationalen Straßenverkehrsregister, damit die Transportunternehmer in ganz Europa besser überwacht werden können. Das Europäische Parlament nahm die Berichte zu diesem Paket auf seiner Sitzung vom 20. Mai in erster Lesung an. Die Arbeit sollte sich nun darauf konzentrieren, einen Kompromiss zwischen dem Rat und dem Parlament zu erreichen. Unter Berücksichtigung der Übersetzungsfristen konnte mit der Arbeit an der Vorbereitung der Texte der jeweiligen Gemeinsamen Standpunkte nicht vor Ende August begonnen werden, aber der Rat hofft, in den kommenden Wochen die Gemeinsamen Standpunkte zu den drei Vorschlägen annehmen und sie dem Europäischen Parlament baldmöglichst übermitteln zu können. Silvia-Adriana Ţicău (PSE). – (FR) Ich wollte nur sagen, dass wir den Gemeinsamen Standpunkt noch immer nicht vom Rat übermittelt bekommen haben, und ich möchte auf den Umstand hinweisen, dass am 1. Juni 2009 die Verordnung, was den Zugang zum Beruf des Transportunternehmers anbelangt, in Kraft treten wird. In diesem Bereich gibt es 4,5 Millionen Beschäftigte und auch knapp 800 000 Unternehmen. Es handelt sich daher um eine sehr wichtige Angelegenheit, und wir hoffen, dass uns die politische Einigung des Rates die erforderliche Zeit für die zweite Lesung geben wird. Jean-Pierre Jouyet, amtierender Präsident des Rates. − (FR) Frau Ţicău, ich bin mir der Dringlichkeit, die Sie erwähnen, wohl bewusst. Ich kann Ihnen versichern, dass der Rat sich nach besten Kräften bemühen wird, dafür zu sorgen, dass der Gemeinsame Standpunkt angesichts der von Ihnen angesprochenen Dringlichkeit, was durchaus legitim ist, festgelegt und so bald wie möglich an das Parlament übermittelt wird. Der Präsident. − Anfrage Nr. 2 von Manuel Medina Ortega (H-0616/08) Betrifft: Europäischer Einwanderungspakt Kann der Rat die möglichen Folgen des kürzlich vereinbarten europäischen Einwanderungspakts für die Entwicklung der Einwanderungspolitik der Europäischen Union erläutern? Jean-Pierre Jouyet, amtierender Präsident des Rates. − (FR) Herr Ortega, mit dem Europäischen Pakt zu Einwanderung und Asyl sollen die gemeinsamen Grundsätze, die die Zuwanderungspolitik auf nationaler und Gemeinschaftsebene leiten sollen, sowie die strategischen Orientierungen, die verfolgt werden sollen, um sie mit Inhalten zu füllen, auf höchstem politischem Niveau zum Ausdruck gebracht werden. Der vorgeschlagene Text wurde vom Rat und der Kommission positiv aufgenommen. Die endgültige Version dürfte im Oktober vom Europäischen Rat abgesegnet werden. Wie Sie wissen, hat der Pakt zum Ziel, die

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Grundlagen einer gestärkten Gemeinschaftspolitik basierend auf zwei Kerngrundsätzen des europäischen Projekts festzulegen: zum einen Verantwortung und zum anderen Solidarität. Er basiert auf drei Dimensionen für ein umfassendes Vorgehen in der Zuwanderungspolitik. Die erste ist eine bessere Organisation der legalen Zuwanderung, was insbesondere beinhaltet, den Bedarf und die Aufnahmekapazitäten der Mitgliedstaaten besser zu berücksichtigen, aber auch die Integration zu fördern. Die zweite ist eine wirksamere Bekämpfung der illegalen Zuwanderung, vor allem durch die Sicherstellung, dass illegale Einwanderer in Würde in ihre Herkunftsländer zurückgeführt werden. Des Weiteren wollen wir die EU besser schützen, indem die Effizienz der Kontrollen an den Außengrenzen verbessert wird, insbesondere im Rahmen der Ausweitung des Schengen-Raums. Die dritte ist die Förderung einer engen Partnerschaft zwischen den Herkunfts-, Transit- und Zielländern der Zuwanderer zugunsten der Entwicklung unserer Partner. Hierbei handelt es sich um das Konzept der begleitenden Entwicklungsmaßnahmen. Abschließend hoffen wir, wie es der Vizepräsident der Kommission heute nochmals ansprach, dass uns der Pakt ermöglichen wird, eine gemeinsame Asylpolitik und ein Europa des Asyls zu entwickeln. Uns ist bekannt, dass wir unterschiedliche nationale Traditionen haben, aber wir wollen dennoch Fortschritte auf diesem Gebiet erzielen. Wie Sie wissen, hat die französische Präsidentschaft das Europäische Parlament auf informellem Wege während der Ausarbeitung dieses Pakts konsultiert. Im Rahmen des Parlaments hat es zahlreiche Diskussionen darüber gegeben. Die politische Unterstützung des Parlaments ist für diese Initiative wesentlich. Wir haben keine Zweifel daran, dass der Pakt den europäischen Bürgern die konkreten Ergebnisse liefern wird, die sie rechtmäßig erwarten dürfen, und dass er unter Beweis stellen wird, dassEuropa konkrete Maßnahmen ergreift, um mit den Problemen umzugehen, denen sie sich möglicherweise gegenübersehen. Manuel Medina Ortega (PSE). – (ES) Ich bin mit der Art und Weise zufrieden, in der der Ratsvorsitz meine Frage beantwortet hat, und ich halte den Einwanderungspakt für einen wichtigen Schritt. Was den zweiten Teil meiner Frage betrifft, spreche ich vor allem über den Einfluss, den dieser Pakt auf die Entwicklung der Zuwanderungspolitik der Europäischen Union haben könnte. Mit anderen Worten, können wir mit Fortschritten rechnen? Wie sich der amtierende Ratspräsident bewusst ist, haben wir es im Moment einerseits mit einem Gefühl der Angst in der Europäischen Union zu tun, und andererseits besteht die Notwendigkeit für Zuwanderung und eine geeignete Regelung, was bedeutet, dass oftmals Informationen fehlen. Können wir erwarten, dass dies in der Gesetzgebung und den spezifischen Regelungen berücksichtigt wird, mit denen dieses Problem gelöst werden soll? Jean-Pierre Jouyet, amtierender Präsident des Rates. − (FR) Ja, ich denke, wie es Herr Ortega zu Recht angemerkt hat, dass eine Zuwanderung in Europa nötig ist, und wir leugnen dies nicht. Deshalb müssen wir, wie ich bereits herausgestellt habe, Bedingungen für die Aufnahme und Integration sowie für die Anpassung der Migrationsströme an die wirtschaftlichen und sozialen Situationen in Europa festlegen. Wir müssen den Zuwanderungsbedarf innerhalb dieses Rahmens betrachten. Wir tendieren häufig dazu, diesen Bedarf auf die Zuwanderung qualifizierter Arbeitskräfte zu beschränken. Allerdings ist dies nicht angebracht, denn in Europa brauchen wir auch unqualifizierte Einwanderer, und die Gespräche im Rat drehen sich genau um dieses Thema. Wir diskutieren darüber, wie wir diesen Zuwanderungsbedarf besser verwalten und wie wir die besten Lösungen für die Bereiche Beschäftigung, Ausbildung und Aufnahme an Schulen und Universitäten finden können. An diesem Punkt sind wir gerade angelangt, und wir werden nach der Sitzung des Europäischen Rats am 15. Oktober ein besseres Bild haben, bei der die Orientierungen festgelegt werden. Auf dieser Grundlage werden die legislativen Maßnahmen, auf die sich Herr Ortega bezogen hat und die wirklich notwendig sind, umgesetzt werden. Der Präsident. − Anfrage Nr. 3 von Eoin Ryan (H-0619/08) Betrifft: Instrumente zur Korruptionsbekämpfung Über welche Instrumente zur Korruptionsbekämpfung verfügt der Rat um sicherzustellen, dass EU-Hilfe direkt und effektiv denjenigen zugute kommt, die in Entwicklungsländern am bedürftigsten sind?

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Jean-Pierre Jouyet, amtierender Präsident des Rates. − (FR) Herr Ryan, die Frage, die Sie stellen, ist wichtig, denn sie betrifft die Effizienz der Entwicklungshilfe. Es ist wichtig, die Mittel für die Entwicklungshilfe auf einem hohen Niveau zu halten, und ich werde hierauf zurückkommen, aber Sie haben durchaus recht damit, in Ihrer Frage darauf hinzuweisen, dass diese Hilfe effektiv sein muss. Damit die Hilfe effektiv ist, und um imstande zu sein, gegen Betrug und eine ungeeignete Zuweisung von Entwicklungshilfegeldern vorzugehen, brauchen wir vor allem eine bessere Koordination und Abstimmung der Geberländer untereinander. Aus diesem Grund arbeiten wir an einem gemeinsamen mehrjährigen Programm, das auf Strategien zur Bekämpfung der Armut beruht, die uns ein besseres Bild darüber vermitteln, wie und aufgrund welcher Ziele die Mittel verwendet werden. Zudem ermöglichen sie es uns, diese Zuweisung besser zu kontrollieren. Daher haben wir gemeinsame Umsetzungsmechanismen festgelegt, darunter gemeinsame Analysen. Insbesondere gibt es einige großangelegte gemeinsame Missionen, die von den Geberländern und den Begünstigten gleichermaßen finanziert werden. Auf diese Weise werden Kofinanzierungsmechanismen eingeführt. Diese Themen standen beim dritten hochrangigen Forum über die Wirksamkeit der Entwicklungshilfe, das letzte Woche in Accra abgehalten wurde, auf der Tagesordnung. Wir haben in der letzten Sitzung Anfang dieses Monats darüber debattiert. Im Rahmen des Forums in Accra wurde Anfang September ein Aktionsplan beschlossen. Was die Europäische Union anbelangt, erfüllt er größtenteils unsere Erwartungen. Die wesentlichen Verpflichtungen der Geberländer sind Folgende: eine bessere Planung der Entwicklungshilfe drei bis fünf Jahre im Voraus, die die Länder hoffen, bereitstellen zu können; Nutzung der Verwaltungen und Organisationen in den Partnerländern; Umstieg von den von Drittländern auferlegten politischen Bedingungen auf Bedingungen, die auf Zielen basieren, die von den Entwicklungsländern selbst festgelegt werden. Was die Überwachung der Verwendung der Hilfsgelder anbelangt, erhält der Rat wie auch das Europäische Parlament die Gelegenheit, zu beurteilen, wie die Außenhilfe der EU jedes Jahr verwendet worden sind. Diese Evaluierung erfolgt anhand des Jahresberichts über die Entwicklungspolitik der Europäischen Gemeinschaft und die Verwendung der Außenhilfe, den die Kommission in der Regel gegen Ende Juni vorlegt – aber, wenn ich den Informationen, die mir hier vorliegen, Glauben schenken darf, muss diese Evaluierung bereits im Juni abgeschlossen sein. Ich möchte hinzufügen, dass das Finanzierungsinstrument für die Entwicklungszusammenarbeit Werkzeuge zum Schutz der finanziellen Interessen der Gemeinschaft zur Verfügung stellt, insbesondere, was Betrug und Unregelmäßigkeiten anbelangt, wie Herr Ryan hofft. Es gibt also Beurteilungsmechanismen, Kontrollmechanismen und Mechanismen, die darauf abzielen, eine bessere Koordination zwischen Geberländern und Begünstigten sicherzustellen, aber letzten Endes besteht das tatsächliche Ziel darin, zu gewährleisten, dass sich die Empfängerländer diese Politiken zu Eigen machen, um weiterhin für eine verantwortungsbewusste Regierungsführung und einen größeren Verantwortungssinn zu sorgen, was die Zuteilung unserer Unterstützung anbelangt, insbesondere von Seiten der Begünstigten dieser Hilfsgelder. Das ist es, was ich sagen wollte. Eoin Ryan (UEN). - Herr Präsident! Zufällig hat Transparency International, die Antikorruptionsorganisation, heute ihren jährlichen Korruptionsindex veröffentlicht. Ihm zufolge wird geschätzt, dass durch die Korruption die Kosten für die Erreichung der Millenniums-Entwicklungsziele um rund 50 Milliarden US-Dollar steigen werden, was ein absolut niederschmetternder Betrag ist. Er beläuft sich auf rund die Hälfte der jährlichen globalen Entwicklungshilfe. Selbst wenn diese Zahl übertrieben hoch ist – selbst wenn es nur die Hälfte dessen ist, was dort behauptet wird –, ist sie immer noch schwindelerregend. Herr amtierender Ratspräsident, glauben Sie nicht, dass mehr getan werden muss, um zu versuchen, diese Situation in den Griff zu bekommen? Eines, was wir jedoch nicht brauchen, ist dass die allgemeine Öffentlichkeit in Europa den Eindruck gewinnt, dass das Geld, das sie uns für Hilfsprogramme zur Verfügung stellt, in irgendeiner Form in falsche Kanäle gerät oder verschwendet wird. Ich halte es für äußerst wichtig, dass eine Zahl, die so ernüchternd ist wie diese, kohärenter angegangen werden muss. Jean-Pierre Jouyet, amtierender Präsident des Rates. – (FR) Ich möchte noch einmal darauf zurückkommen, was ich bereits vorhin gesagt habe. Herr Ryan hat recht. Es stimmt, dass eines der Probleme bezüglich der öffentlichen Meinung in Europa einerseits darin besteht, dass gewünscht wird, dass das Volumen der Entwicklungshilfe hoch bleibt. In dieser Hinsicht ist Ihnen ja bekannt, dass die Europäische Union der größte Geldgeber für Entwicklungshilfe ist. Andererseits ist es wesentlich, dass die Mechanismen bezüglich der

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verantwortungsbewussten Regierungsführung und der effektiven Kontrolle funktionieren. Zudem muss die Öffentlichkeit besser über die Entwicklungshilfe und deren Zuteilung an die Empfängerländer informiert werden, und um ehrlich zu sein, muss die Überwachung der Regierungsführung – eine unbedingte Voraussetzung, wenn Sie so wollen – ein Kernstück der Entwicklungspolitik sein. Sie haben alle recht: Korruption ist eine Plage. Ich weiß nicht, ob die Zahlen von Transparency International richtig sind, wie Sie selbst eingestanden haben, aber in jedem Fall war es richtig, dass Sie diesen Punkt angesprochen haben. Demzufolge kann die Entwicklungshilfe nicht steigen, außer mithilfe von Kontroll-, Betrugsbekämpfungs- und Antikorruptionsmechanismen, und dies sollte jedes Mal eines der Ziele der Abkommen sein. Zu denselben Schlussfolgerungen bezüglich seiner entwicklungspolitischen Ziele ist auch der Rat am 27. Mai gekommen. Es muss bessere Kontrollmechanismen und Voraussetzungen zum Schutz der finanziellen Interessen geben, aber was noch wichtiger ist, wie Sie, Herr Ryan, angemerkt haben, ist die Bekämpfung der Korruption. Der Präsident. − Anfrage Nr. 4 von Seán Ó Neachtain (H-0621/08) Betrifft: Steigende Lebensmittelpreise Zu den Prioritäten des Rates für die französische Ratspräsidentschaft gehört die nachhaltige Entwicklung in Landwirtschaft und Fischerei. Was kann und wird der Rat im derzeitigen wirtschaftlichen Umfeld, in dem die Lebensmittelpreise in Europa und weltweit steigen, tun, um sicherzustellen, dass der dringende kurzfristige Lebensmittelbedarf gedeckt wird, ohne dass die Nachhaltigkeit der künftigen Entwicklung in der Landwirtschaft und der Fischerei gefährdet wird? Jean-Pierre Jouyet, amtierender Präsident des Rates. – (FR) Herr Präsident, Herr Ó Neachtain! Der Rat ist sich der Notwendigkeit voll bewusst, nach adäquaten und effektiven Lösungen für das Problem der steigenden Lebensmittelpreise zu suchen. Dies ist ein komplexes Thema, das die Kommission dankenswerterweise in ihrer Mitteilung vom 23. Mai 2008 detailliert analysiert hat. Auf dieser Grundlage hat der Europäische Rat am 19. und 20. Juni seine Beschlüsse gefasst. Im Agrarsektor hat die EU bereits gehandelt: Wir haben Interventionsvorräte verkauft, Ausfuhrerstattungen gekürzt, 2008 die Notwendigkeit von Flächenstilllegungen abgeschafft, die Milchquoten erhöht und den Importzoll für Getreide ausgesetzt. Dies hat uns in die Lage versetzt, die Versorgung zu verbessern und dazu beigetragen, die Agrarmärkte zu stabilisieren. Das allein reicht allerdings nicht aus. Wir müssen die Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik fortsetzen; wir müssen sie stärker am Markt ausrichten und gleichzeitig eine nachhaltige Landwirtschaft in der gesamten EU fördern und eine geeignete Versorgung gewährleisten. Die Landwirtschaftsminister diskutieren derzeit – möglicherweise sogar heute noch – auf der informellen Sitzung in Annecy darüber und werden dem Agrarrat am 17. und 18. November den entsprechenden Bericht vorlegen. In diesem Zusammenhang ist die französische Präsidentschaft entschlossen, die Krisenmanagementinstrumente in einem zunehmend unsicheren internationalen Kontext zu verstärken und alle Marktregulierungsinstrumente beizubehalten, um die Schwankungen zu verhindern, die Sie zu Recht erwähnen. Die Frage der Lebensmittelpreise hängt nicht nur von der Landwirtschaft ab. Auch andere Mechanismen sind am Werk. Ich denke da zum Beispiel an die Fischereipolitik, die mit den Folgen der steigenden Dieselpreise zurechtkommen muss. Am 15. Juli segnete der Rat eine Reihe von Dringlichkeitsmaßnahmen zur Förderung der Umstrukturierung der Flotten ab, die von der Krise am stärksten getroffen worden sind. Es gibt auch eine Regulierung des Einzelhandelssektors: Die Kommission wird dem Europäischen Rat im kommenden Dezember hierzu Bericht erstatten. Des Weiteren gibt es Politiken zu Biokraftstoffen, die wirtschaftliche und ökologische Gegebenheiten berücksichtigen und dafür sorgen müssen, dass es in Bezug auf diese neuen Kraftstoffe eine Preisobergrenze gibt. Wie Sie sehen können, decken diese diversen Themen, ganz zu schweigen von denen, die wir bereits angesprochen haben – das wären die Entwicklungs- und Beschaffungspolitik im Hinblick auf Lebensmittelimporte – ein breites Politikspektrum ab und stehen auf der Tagesordnung des Rates weit oben. Der Europäische Rat wird dies im Oktober und Dezember prüfen, und natürlich übernehme ich gerne die Aufgabe, Sie über die Ergebnisse zu informieren. Seán Ó Neachtain (UEN). - (GA) Herr Präsident! Vielen Dank für Ihre Antwort. Ich möchte den amtierenden Ratspräsidenten gerne fragen, ob er es für wichtiger denn je erachtet, dass die Agrarpolitik der

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EU, das heißt, die europäische Politik zur Lebensmittelversorgung, aufgrund der derzeitigen Krisen in der weltweiten Lebensmittelversorgung nach 2013 fortgesetzt wird, damit Lebensmittelanbieter in Europa einen gewissen Grad an Sicherheit haben? Jean-Pierre Jouyet, amtierender Präsident des Rates. – (FR) Was ich sagen wollte, und das weiß Herr Ó Neachtain auch, ist, dass wir dafür sorgen wollen, dass der Gesundheitscheck von Zukunftsüberlegungen über die Gemeinsame Agrarpolitik begleitet wird. Dies war das Ziel – sogar das Hauptziel – der gestrigen und heutigen Gespräche der Landwirtschaftsminister in Annecy. Herr Ó Neachtain weiß, dass er in dieser Hinsicht auf die Entschlossenheit der französischen Ratspräsidentschaft zählen kann. Der Präsident. − Anfrage Nr. 5 von Liam Aylward (H-0623/08) Betrifft: Weißbuch Sport Kann der Rat erläutern, welche Punkte des EU-Weißbuchs Sport er während der französischen EU-Ratspräsidentschaft umzusetzen und zu fördern gedenkt? Jean-Pierre Jouyet, amtierender Präsident des Rates. – (FR) Dieses Thema interessiert mich sehr, weshalb ich versuchen werde, mich kurz zu fassen. Ich werde versuchen, mich nicht auf die rechtlichen Aspekte zu beschränken, wenngleich es solche Aspekte gibt. Die EU hat keine spezifischen Kompetenzen im Bereich Sport. Ich möchte Herrn Aylward sagen, dass der Vertrag von Lissabon eine Rechtsgrundlage für eine echte Sportpolitik bietet. Wir sind uns dessen bewusst, weshalb wir aus diesen und anderen Gründen auf die Umsetzung des Vertrags warten. Wir möchten gerne sicherstellen, dass sich Europa der diversen Dimensionen des Sports und des Einflusses bewusst ist, den er auf Menschen aller Altersgruppen und insbesondere auf Jugendliche ausübt, aber auch seine sozialen und Bildungsaspekte dürfen nicht unterschätzt werden. Als derzeitige Inhaber der EU-Ratspräsidentschaft legen wir auf die Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten bei diesem Thema großen Wert. Bevor es neue Rechtsgrundlagen im Rahmen des Vertrags von Lissabon geben kann, müssen wir meines Erachtens die spezifische Bedeutung des Sports in unserer Gesellschaft anerkennen. Auf einem informellen Treffen der Minister, die mit europäischen Angelegenheiten betraut sind, das ich am 12. Juli in Brest einberufen habe, sind wir dieses Thema im Kontext der Europäischen Union angegangen. Wir befassten uns mit der Frage der Bedingungen für die Anerkennung dieser spezifischen Bedeutung innerhalb eines Rechtsrahmens, der in Bezug auf das Gemeinschaftsrecht klar sein sollte, und mit der Notwendigkeit, die Governance im Bereich Sport auf europäischer Ebene zu verbessern. Wir haben Gespräche, insbesondere mit UEFA-Präsident Michel Platini, geführt, die auf dem Weißbuch Sport und dem Aktionsplan von Pierre de Coubertin basierten, der im vergangenen Juli von der Kommission vorgestellt wurde. Diese Gespräche werden am 27. und 28. November von den Sportministern in Biarritz fortgesetzt. Es wird auch ein europäisches Sportforum geben. Die Präsidentschaft wird Minister einladen, um eine Reihe von Themen zu betrachten, die ich für die Kohäsion unserer Gesellschaft und den Bildungswert des Sports, insbesondere in den Bereichen Gesundheit und Sport sowie Doping-Bekämpfung, als äußerst wichtig erachte. Auch die Tatsache, dass wir Sport als Breitensport beibehalten müssen, indem wir dafür sorgen, dass die Vereine Rückmeldungen zu den Spielern erhalten, die sie trainieren, und die Themen einer zweigleisigen Karriere und eines zweigleisigen Trainings sind wichtig. Wie Sie sehen können, engagieren wir uns sehr dafür, die Rolle des Sports in der Europäischen Union hervorzuheben und ihm seinen rechtmäßigen Platz in Europa einzuräumen. Wir haben uns drei Ziele gesetzt: Anerkennung der spezifischen Bedeutung der Rolle des Sports in der Gesellschaft, Berücksichtigung der Rolle, die körperliche Betätigungen und Sport für die wirtschaftliche Entwicklung spielt, und Gewährleistung einer guten Governance im Bereich Sport – aller Sportarten – in einer zunehmend komplexen Gesellschaft. Liam Aylward (UEN). - Herr amtierender Ratspräsident! Ich begrüße den Umstand, dass Sie die unterschiedlichen Dimensionen des Sports angesprochen haben. Heutzutage hören wir immerzu nur vom Profisport, aber ich mache mir insbesondere über das Ehrenamt im Sport und den Breitensport Sorgen. Ich hätte gerne eine Zusicherung von Ihnen, dass die EU ehrenamtliche Gruppen und das Ehrenamt, insbesondere aber das Konzept des Breitensports fördern wird. In einer Zeit, in der alle Aufmerksamkeit in den Medien und andernorts auf den Profisport gerichtet wird, ist dies von entscheidender Bedeutung.

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Jean-Pierre Jouyet, amtierender Präsident des Rates. – (FR) Herr Präsident! Herr Aylward hat absolut recht. Wir möchten gerne sicherstellen, dass es ein besseres Gleichgewicht zwischen dem Amateur- und dem Profisport gibt. In manchen Fällen würden wir uns eine Aufsicht des Profisports wünschen, und wir würden effektiv gerne mehrere tausend ehrenamtliche Sportvereine in ganz Europa fördern. Hier müssen wir tatsächlich dafür sorgen, dass die Europäische Union Anreize bietet. Es ist entscheidend, dass wir in dieser Phase wissen, welche Vereine den Sport innerhalb der Europäischen Union fördern. Wir brauchen eine detaillierte Studie über ehrenamtliche Arbeit in der EU, vor allem im Bereich Sport, und wenn Herr Aylward an der von uns vorgeschlagenen Studie teilnehmen möchte, ist er offenkundig herzlich dazu eingeladen. In jedem Fall ist dies eine wichtige Dimension, die wir berücksichtigen möchten. In diesem Zusammenhang möchte ich darauf hinweisen, dass wir uns in Paris am 5. Oktober mit allen europäischen Athleten treffen werden, die an den Olympischen Spielen teilgenommen haben. Es gibt tatsächlich nach wie vor eine Reihe von Amateursportlern, die an den Olympischen Spielen teilnehmen. Der Präsident. − Anfrage Nr. 6 von Brian Crowley (H-0625/08) Betrifft: Ziele der Europäischen Alzheimer-Konferenz Der Fragesteller begrüßt das Programm des französischen Ratsvorsitzes, das die Förderung einer besseren Versorgung von Alzheimer-Patienten und deren Angehörigen in den Vordergrund stellt. Die Förderung des Austausches von Erfahrungen und bewährten Verfahren zwischen den Mitgliedstaaten zum Thema Gesundheit entspricht dem Leitgedanken der Europäischen Union. Von der Zunahme eines solchen Austausches werden die medizinischen Berufe, vor allem aber unsere Bürger enormen Nutzen ziehen. Im Oktober soll eine breit angelegte Europäische Konferenz zum Thema Alzheimer stattfinden. Kann der Rat die Zielsetzungen dieser Konferenz und die diesbezüglichen Bestrebungen des französischen Vorsitzes erläutern? Jean-Pierre Jouyet, amtierender Präsident des Rates. – (FR) Dies ist ein äußerst ernstes Thema. Der französische Ratsvorsitz misst Alzheimer und anderen neurodegenerativen Krankheiten die größte Bedeutung bei. Es ist ein Thema, das jede Familie in Europa irgendwann einmal betrifft. Wir müssen dieses Thema umgehend angehen, wenn wir von der alternden europäischen Bevölkerung nicht übermannt werden wollen. Wie am 1. Juli von Präsident Barroso und Präsident Sarkozy angekündigt, müssen wir gemeinsam einen europäischen Plan zum Umgang mit Alzheimer ausarbeiten, der auf drei Säulen basiert: Forschung, Patientenversorgung und Lebensqualität. Ebenso müssen wir uns um die ethischen und rechtlichen Aspekte kümmern, insbesondere in Bezug auf diejenigen, die für die Behandlung dieser Krankheit zuständig sind. In diesem Zusammenhang wird die französische Ratspräsidentschaft in Paris am 30. und 31. Oktober eine Ministerialkonferenz mit dem Titel „Europas Kampf gegen Alzheimer“ abhalten. Diese Konferenz wird sich mit der Krankheit befassen, aber auch mit anderen damit zusammenhängenden Krankheiten wie der Pick-Krankheit, der Binswanger-Krankheit und der Lewy-Körper-Demenz. Wir werden alle diese Krankheiten abdecken, um herauszufinden, wie wir die Pflege der Patienten mit sozialer Unterstützung abstimmen, Berufe und Fertigkeiten an die Bedürfnisse der Patienten anpassen, unser Wissen erweitern – mit anderen Worten, über alles, was mit Forschung und medizinischer Kompetenz zu tun hat – und eine bessere Koordination der Forschungsprogramme in diversen europäischen Ländern sicherstellen können. Darüber hinaus wollen wir uns über die jüngsten wissenschaftlichen Ergebnisse in Bezug auf diese Krankheit und die Entwicklung neuer Medikamente informieren. Es steht außer Frage, dass die europäische Dimension einen bedeutenden Impuls für die diversen Kampagnen rund um diese Krankheit geben kann und muss. Die Ergebnisse der Ministerialkonferenz werden dazu beitragen, eine Basis für die Schlussfolgerungen des Europäischen Rates im kommenden Dezember zu schaffen, wenngleich wir uns des Umstands voll bewusst sind, dass dies eine fortlaufende Arbeit ist. Dies wird ein langfristiges Projekt sein, und es ist entscheidend, dass die nachfolgenden Ratspräsidentschaften, angefangen von der tschechischen und schwedischen, die gute Arbeit fortsetzen. Ich weiß, wie sensibel das Europäische Parlament ist und dass wir hinsichtlich der erforderlichen Kontinuität mit Ihrer Unterstützung und auch mit dem Engagement der Europäischen Kommission rechnen können. Liam Aylward (UEN). - Ich möchte der französischen Ratspräsidentschaft für die Abhaltung der Konferenz „Europas Kampf gegen Alzheimer“ und die aktive Rolle, die sie dabei spielt, mein Kompliment aussprechen.

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Ich bemerke jedoch, dass Sie das Thema der Demenz nicht ausdrücklich angesprochen haben, und wie Sie wissen, treten die Alzheimer-Verbände sehr für eine stärkere Wahrnehmung der Demenz und eine diesbezüglich bessere Aufklärung ein. Herr Minister, können Sie mir sagen, ob sich die Konferenz mit dem Thema der Förderung der Wahrnehmung der Demenz zum Abbau der damit verbundenen Vorurteile beschäftigen wird? Zita Pleštinská (PPE-DE). – (SK) In der Europäischen Union und in meinem Land, der Slowakischen Republik, erhalten Alzheimer und die Pflege der von dieser Krankheit betroffenen Menschen nach wie vor nicht genügend Aufmerksamkeit. Experten schätzen, dass in den kommenden 40 Jahren bis zu vier Mal mehr Menschen an Alzheimer erkranken können als heute, aber eine frühe und genaue Diagnose kann dazu beitragen, den Verlauf der Krankheit zu verlangsamen. Wird die französische Ratspräsidentschaft eine spezielle Informationskampagne vorbereiten oder die Kommission erneut dazu anspornen, Programme zur Kofinanzierung der Tätigkeit von Bürgerverbänden zu entwickeln, deren Ziel es ist, Menschen mit Gedächtnisproblemen und Alzheimer zu helfen? Jean-Pierre Jouyet, amtierender Präsident des Rates. – (FR) Herr Aylward hat recht: Die Konferenz muss alle Aspekte der Prävention und Aufklärung untersuchen, wie sowohl Frau Pleštinská als auch Herr Aylward anmerken. Wir müssen die unterschiedlichen Aspekte der Demenz voll berücksichtigen, wie auch die Aspekte in Verbindung mit dem Lewy-Körper-Syndrom, was ich, wie ich glaube, in meiner Rede unterstrichen habe. Dies ist ein natürlicher Prozess, da Alzheimer eine neurodegenerative Erkrankung ist; mit anderen Worten, eine Krankheit, bei der Nervenzellen in ihrer Funktion nachlassen und absterben. Der Abbau dieser Nervenzellen, die dazu dienen, Handlungsschritte zu planen, schwächt den Patienten. Wenngleich wir Alzheimer mit Gedächtnisschwund assoziieren, sind auch andere Teile des Gehirns davon betroffen. Natürlich kann dies auch mit Arten der Demenz einhergehen, gegen die wir präventive Maßnahmen ergreifen müssen. Von dieser Warte aus kann ich Herrn Aylward versichern, dass auf der Konferenz in jedem Fall auf diese Themen umfassend eingegangen wird. Was die Frage von Frau Pleštinská anbelangt, glaube ich, dass es eine gewisse Marginalisierung gibt. Sie haben die Zunahme von Alzheimer-Fällen in Ihrem Land erwähnt. Leider ist das in Europa kein Einzelfall. Auch hier müssen wir uns auf das Thema einer früheren Diagnose konzentrieren. Wir müssen Informationen austauschen, und wir brauchen eine bessere Koordination zwischen Spezialisten auf diesen Gebieten auf europäischer Ebene. Allerdings ist eine frühe Diagnose besonders wichtig, um zu verhindern, dass Patienten marginalisiert und langsam der Krankheit zum Opfer fallen, ohne dass andere dies bemerken. Der Präsident. − Anfrage Nr. 7 von Avril Doyle (H-0631/08) Betrifft: Agrarpolitik und französische Präsidentschaft Die Präsidentschaft des Rates erklärt in ihrem Arbeitsprogramm, dass sie „die Prüfung von Gesetzesvorschlägen über den „Gesundheitscheck“ der Gemeinsamen Agrarpolitik mit dem Ziel fortsetzen [wird], bis Ende 2008 neue Bestimmungen anzunehmen. Dazu wird sie eng mit dem Europäischen Parlament zusammenarbeiten.“ [Außerdem] „wird die Präsidentschaft ihren Partnern vorschlagen, die Anforderungen und Ziele, mit denen die Landwirtschaft und die europäische Landwirtschaftspolitik zukünftig konfrontiert sein werden, auf einer breiteren Basis zu überdenken“. Kann die Präsidentschaft des Rates dem Parlament vor diesem Hintergrund aktuelle Informationen über die informelle Tagung der Landwirtschaftsminister vorlegen, die für 21. bis 23. September 2008 in Annecy geplant ist? Kann die Präsidentschaft dem Parlament insbesondere über die Fortschritte berichten, die hinsichtlich des „Gesundheitschecks“ der GAP und der Tiergesundheitsstrategie erzielt wurden? Jean-Pierre Jouyet, amtierender Präsident des Rates. – (FR) Herr Präsident! Ich möchte Frau Doyle dafür danken, dass sie mir die Gelegenheit gibt, das Parlament über die jüngsten Entwicklungen in Bezug auf die Gemeinsame Agrarpolitik zu informieren. Der Rat arbeitet intensiv und konstruktiv am Gesundheitscheck – wie ich bereits erwähnt habe –, um einen politischen Konsens anzustreben, sobald das Europäische Parlament seinen Standpunkt mitgeteilt hat. Dies dürfte im November 2008 der Fall sein. Wir sind sehr an einer engen Zusammenarbeit mit dem Parlament interessiert, basierend auf dem Bericht, den der Ausschuss für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung am 7. Oktober vorlegen wird. Der Rat wiederum wird Ende des Monats, am 27. und 28. Oktober, darüber diskutieren.

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Wie ich erwähnt habe, prüft der Rat zurzeit noch die Legislativvorschläge der Kommission über Angelegenheiten in Bezug auf die Anpassung der Beihilfe, Marktmanagementmechanismen, Milchquotenmanagement und Konditionalität. Über diese haben die Agrarminister gestern und heute in Annecy gesprochen. Die Minister haben Themen angesprochen, die sowohl den Gesundheitscheck als auch die Zukunft der GAP betreffen, wobei zwischen internen und externen Aspekten unterschieden wurde. In Bezug auf die internen Aspekte ist es wichtig, dass den anfälligsten Menschen ein höherer Anteil der GAP-Mittel zugewiesen wird, insbesondere angesichts der Preisanstiege, die wir in letzter Zeit verzeichnen mussten. Die externen Aspekte müssen die Einführung eines EU-Soforthilfeprogramms für Nahrungsmittel beinhalten. Was die von Frau Doyle zum Ausdruck gebrachte Besorgnis über das Thema der Tiergesundheitsstrategie nach Vorlage der Kommissionsmitteilung im September 2007 über die gemeinschaftliche Tiergesundheitspolitik und ihre Strategie für den Zeitraum 2007-2013 anbelangt, hat der Rat am 17. Dezember 2007 Schlussfolgerungen zu dieser Strategie gefasst und die Kommission dazu aufgefordert, einen Aktionsplan zu erstellen. Dieser Aktionsplan wurde von der Kommission am 10. September abgesegnet, und auf dieser Grundlage ist die französische Präsidentschaft entschlossen, ihre Arbeit fortzusetzen. Wir möchten insbesondere die Gemeinschaftsverfahren für die Tierseuchenbekämpfung verstärken, sowohl in der Gemeinschaft als auch in Bezug auf Importe, und die Gesetzgebung zur biologischen Sicherheit und Entschädigung überprüfen. Jim Higgins (PPE-DE). - (GA) Herr Präsident! Wenn wir über Landwirtschaft sprechen, sprechen wir über Lebensmittel. Wenn ich es richtig verstanden habe, hat die Kommission eine Empfehlung ausgesprochen, dass die Europäische Union über eine Politik zur Lebensmittelkennzeichnung verfügen sollte, nach der die Lebensmittel europäischen Ursprungs in unseren Supermarktregalen klar gekennzeichnet werden. Meine Bemerkung bezieht sich dabei insbesondere auf Fleisch. Es ist jedoch gesagt worden, dass der Rat diese Politik nicht absegnen wird. Ich möchte den amtierenden Ratspräsidenten gerne fragen, warum das so ist? Jean-Pierre Jouyet, amtierender Präsident des Rates. – (FR) Hören Sie, ich teile die Besorgnis von Herrn Higgins, weshalb ich in Erfahrung bringen werde, was der Rat bereit ist, anzunehmen. Herr Higgins, wir, die wir die Ratspräsidentschaft innehaben, teilen natürlich ihre Sorgen hinsichtlich der Gewährleistung der Lebensmittelsicherheit für die Bürger und der Rückverfolgbarkeit von Nahrungsmitteln. Daher ist es entscheidend, dass wir der Forderung nach Lebensmittelqualität und -vielfalt nachkommen. Die Verbraucher werden noch kritischer sein, wenn es um die Lebensmittelsicherheit geht. Wir werden dafür sorgen, dass wir die Verbraucheraufklärung zu Themen der Volksgesundheit verbessern, die mit einer ausgewogenen Ernährung sowie der Herkunft und Qualität der Produkte verbunden sind. Herr Higgins, Sie sollten wissen, dass dies eine der Prioritäten der Ratspräsidentschaft ist und dass wir während der diversen Gipfeltreffen versuchen werden, sicherzustellen, dass dieses Ziel, das für uns alle wichtig ist, konkret zur Sprache kommt. Der Präsident. − Die Anfragen Nr. 8 und 9 wurden als nicht zulässig erachtet. Anfrage Nr. 10 von Jim Higgins (H-0635/08) Betrifft: Irische Ablehnung des Lissabon-Vertrags Hat die Ablehnung des Lissabon-Reformvertrags durch die irischen Wähler Folgen für die EU-Erweiterung und kann der Rat im Detail darlegen, welche Folgen dies sind? Jean-Pierre Jouyet, amtierender Präsident des Rates. – (FR) Herr Präsident, Herr Higgins! Wie Ihnen bekannt ist, hat der Rat die Ergebnisse des irischen Referendums über den Vertrag von Lissabon anerkannt. Er hat ferner anerkannt, dass der Ratifizierungsprozess fortgesetzt wird, und eine ausdrückliche Erinnerung herausgegeben, dass das Ziel des Vertrags von Lissabon darin besteht, der erweiterten Union dazu zu verhelfen, effizienter und demokratischer handeln zu können. Die Staats- und Regierungschefs werden sich auf ihrem Gipfel im Oktober mit diesem Thema befassen. Wir müssen alle über die Folgen der derzeitigen institutionellen Situation für alle Politiken, auch die Erweiterung, und über die Institutionen selbst nachdenken. Der Vertrag von Nizza wurde in politischer Hinsicht für ein Europa mit 27 Mitgliedstaaten konzipiert. Was ich jedoch klarstellen möchte, ist dass Frankreich während seines Vorsitzes bei der Fortsetzung der laufenden Verhandlungen mit Kroatien und der Türkei angesichts der Fortschritte, die die Beitrittskandidaten hinsichtlich der Erfüllung ihrer Pflichten gemacht haben, unparteiisch handelt.

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Was Kroatien betrifft, sind 21 der 35 Kapitel noch immer geöffnet, während 3 vorläufig abgeschlossen sind. Unter der französischen Ratspräsidentschaft sind zwei zwischenstaatliche Konferenzen anberaumt. Wir haben das Kapitel über den freien Warenverkehr bereits geöffnet. In Bezug auf die Türkei hatten wir vergangene Woche ein Troika-Treffen während der Sitzung der EU-Außenminister. Derzeit sind 8 der 35 Kapitel geöffnet, 1 Kapitel ist vorläufig abgeschlossen worden, und wenn die Bedingungen erfüllt sind, hoffen wir, bis Ende des Jahres 2 oder 3 weitere Kapitel mit der Türkei öffnen zu können. Jim Higgins (PPE-DE). - Herr Minister! Ist es nicht klar, dass bis zum 31. Dezember alle 26 Mitgliedstaaten mit Ausnahme Irlands den Vertrag von Lissabon angenommen haben werden und dass es keine Neuverhandlungen geben wird? Sie können sich nicht erneut mit dem Text befassen. Aber von Irland und Lissabon einmal ganz abgesehen, haben auch Frankreich und die Niederlande die Verfassung abgelehnt. Wir haben ein großes Problem, denn es gibt eine enorme Diskrepanz zwischen dem Normalbürger und dem europäischen Projekt. Würde es der Herr Minister für eine gute Idee halten, einen Europa-Tag zu haben – nicht nur einen Schuman-Tag, an dem die Geschäfte nur in Brüssel und Belgien geschlossen sind –, einen Europa-Tag, einen Feiertag, an dem alle Bürger Europas in allen 27 Mitgliedstaaten zusammen unsere gemeinsame Unionsbürgerschaft und Identität feiern würden? Gay Mitchell (PPE-DE). - Ich habe gehört, dass der Rat die Ergebnisse einer Umfrage erhalten hat, die von der irischen Regierung durchgeführt wurde. Ich möchte nur sagen, dass uns meiner Ansicht nach diese Art von Augenwischerei dahin geführt hat, wo wir heute sind. Die 47 %, die mit „Ja“ gestimmt haben, wurden nicht befragt. Der Grund, warum das Referendum in Irland nicht positiv ausfiel, ist auf einen Führungsfehler zurückzuführen. Ein zweiter Grund war – wenn wir die ursprüngliche Abstimmung über die Römischen Verträge außer Acht lassen –, dass wir sechs Referenden unter der Bevölkerung durchgeführt haben: zur Einheitlichen Europäischen Akte, Amsterdam, Maastricht, zweimal zum Vertrag von Nizza und dann zum Vertrag von Lissabon. Dann händigen wir den Menschen den gesamten Vertrag aus und fragen sie, was sie davon halten? War die Katastrophe aufgrund der fehlenden Führung nicht absehbar? Die Frage ist, ob es jetzt mehr Führungsqualität gibt. Ich möchte den amtierenden Ratspräsidenten fragen, ob er uns sagen kann, welche Folgen es hätte, wenn Irland jetzt nicht ratifiziert und auch künftig mit „Nein“ stimmt. Geben Sie uns eine Vorstellung davon, in welche Richtung Europa dann geht. Jean-Pierre Jouyet, amtierender Präsident des Rates. – (FR) Herr Higgins und Herr Mitchell haben wichtige Fragen gestellt. Ich werde nicht näher auf Herrn Mitchells Kommentare eingehen. Persönlich kann ich nicht darauf antworten, und er wird das angesichts meiner Verantwortungen vor dieser Versammlung verstehen. Es gibt zahlreiche Ursachen. Ich glaube, dass der Bericht, der entstand, nachdem die Iren im Referendum mit „Nein“ gestimmt haben, einige Punkte anspricht: Er stellt die Führungsqualität in Frage, beinhaltet Fragen zur Thematik und unterstreicht das fehlende Verständnis darüber, was der Vertrag von Lissabon eigentlich ist. Die französische Ratspräsidentschaft wird ihr Möglichstes tun, um eine Lösung für dieses wichtige institutionelle Problem zu finden. Wir brauchen den Vertrag von Lissabon, und im Einvernehmen mit unseren irischen Freunden werden wir von nun an bis zum Ende der französischen Ratspräsidentschaft alle möglichen Optionen in Betracht ziehen. Um auf die Frage von Herrn Higgins zurückzukommen: Ich denke, er hat recht. Es besteht kein Zweifel daran, dass die Referenden aufgezeigt haben, dass es eine Diskrepanz zwischen dem europäischen Projekt und der öffentlichen Meinung gibt. Deshalb müssen wir herausfinden, an welchen grundsätzlichen Fragen dies liegt, und die Kommunikationsprobleme untersuchen. Heute Morgen haben die Kommission, Vertreter des Europäischen Parlaments – Vizepräsident Vidal-Quadras und der Vorsitzende des Ausschusses, Herr Leinen – und ich versucht, eine interinstitutionelle Architektur festzulegen, eine politische Erklärung mit dem Ziel, die Kommunikation zwischen den drei Institutionen zu verbessern. Für den Rat – und ich bin hier objektiv – hat dies eine Anstrengung bedeutet, und es war nicht sonderlich einfach. Was Ihren Vorschlag anbelangt, kann ich nur für mich selbst sprechen, aber ich muss sagen, dass ein „Europa-Tag“, der in ganz Europa begangen wird, wirklich ein Symbol für ein stärkeres Gemeinschaftsgefühl der Bürger sein kann, für ein Europa, das besser verstanden wird. Allerdings ist dies ein Gedanke, den Sie

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und ich sowie die passioniertesten Europa-Anhänger fördern müssen. Persönlich halte ich das aber für eine gute Idee. Paul Marie Coûteaux (IND/DEM). – (FR) Vielen Dank für die Klärung dieser Angelegenheiten. Auch ich möchte Sie bitten, auf einen spezifischeren Punkt einzugehen. Wir haben lange über Irland gesprochen, aber wie Sie wissen, haben vier weitere Mitgliedstaaten den Vertrag ebenfalls noch nicht ratifiziert: Polen, die Tschechische Republik, Schweden – uns ist nicht einmal bekannt, in welcher Phase sich Schweden im Ratifizierungsprozess befindet – und Deutschland. Was den letzten Mitgliedstaat betrifft, möchte ich Sie daran erinnern, dass alles von einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe abhängt. Die Präsidentin des Bundesverfassungsgerichts hat erklärt, dass sie nichts überstürzen möchte und vor Anfang des kommenden Jahres kein Urteil verkünden wird. Demzufolge wäre ich dankbar, wenn Sie uns auch die nächsten Schritte erklären könnten. Ich war der Meinung, dass dieser Vertrag, der im Dezember letzten Jahres unterzeichnet wurde, in ein paar Monaten in Kraft treten sollte. Wie weit sind wir damit genau gekommen? Jean-Pierre Jouyet, amtierender Präsident des Rates. – (FR) Ich bin mit den strengen Beurteilungen von Herrn Coûteaux immer einverstanden gewesen. Wir haben intellektuelle Unterschiede, was nicht überrascht, aber ich erkenne an, dass seine Beurteilungen gründlich sind. Was ich sehr deutlich sagen möchte, ist, dass wir Deutschland als Sonderfall behandeln müssen. Wir werden sehen, was geschieht, aber ich bin nicht sonderlich besorgt, mit allem gebotenen Respekt für das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe. Zu diesem Thema liegen mir keine weiteren Informationen vor. Was Polen betrifft, stehen wir mit den polnischen Behörden in Verbindung. Es gibt auch eine Kohabitation in Polen, wenngleich ich denke, dass sich die polnische Regierung für die Ratifizierung des Vertrags von Lissabon einsetzt. In Bezug auf Schweden deutet nichts darauf hin, dass es im Prozess zu einem Stillstand kommt. Meines Erachtens wird es im November zu einer Ratifizierung kommen. Was die Tschechische Republik anbelangt, müssen wir, wie Sie wissen, auf das Gerichtsurteil warten. Derzeit finden die Wahlen zum Senat statt, und für Anfang Dezember ist eine wichtige Konferenz der Mehrheitspartei anberaumt. Dies scheint mir das wahrscheinlichste Szenario zu sein. Ich kann die Ableitungen und den Pessimismus von Herrn Coûteaux nicht teilen. Es besteht kein Zweifel daran, dass dieser Prozess Zeit brauchen wird und dass wir ihm diese geben müssen, aber es muss möglich sein, dem politischen Willen Ausdruck zu verleihen, und die französische Ratspräsidentschaft hat ihrerseits entschieden, sich in dieser Hinsicht freiwillig einzusetzen. Der Präsident. − Anfrage Nr. 11 von Gay Mitchell (H-0638/08) Betrifft: Iran und die Entwicklung einer Atomkapazität Kann der Rat sich zu seinem Standpunkt gegenüber dem Iran und der möglichen nuklearen Bedrohung äußern, die der Iran darstellt, seitdem dort beschlossen wurde, die Sicherheits- und Überwachungsmaßnahmen des Zusatzprotokolls der Internationalen Atomenergieagentur von 1997 aufzugeben, wodurch die Eingriffsbefugnisse der Inspektoren begrenzt werden und unangemeldeten Inspektionen ein Ende gesetzt wird? Jean-Pierre Jouyet, amtierender Präsident des Rates. – (FR) Herr Präsident! Ich möchte Herrn Mitchell zu diesem ernsten Thema antworten. Die EU macht sich nach wie vor ernste Sorgen über das iranische Atomprogramm und das mangelnde Interesse des Landes, auf die Besorgnis in Bezug auf die mögliche militärische Dimension dieses Programms einzugehen. Im Dezember 2007 erklärte der Europäische Rat, dass es nicht hinnehmbar sei, dass der Iran über eine militärische Atomkapazität verfüge. In dieser Hinsicht hat der Rat bei zahlreichen Gelegenheiten die Tatsache verurteilt, dass der Iran seinen internationalen Verpflichtungen nicht nachgekommen ist, die in den Resolutionen 1696, 1737, 1747 und 1803 des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen ausgeführt sind, insbesondere die Verpflichtung, alle Tätigkeiten einzustellen, die mit der Urananreicherung zu tun haben, was entscheidend ist, wenn wir den erforderlichen Rahmen haben wollen, um Verhandlungen aufzunehmen und auf eine langfristige Lösung hinzuarbeiten. Die EU hat stets das Recht des Iran auf eine friedliche Nutzung der Atomenergie unterstützt, und wenn der Iran das Vertrauen der internationalen Gemeinschaft in die friedliche Natur seines Atomprogramms zurückgewinnen will, muss das Land heikle Tätigkeiten wie den Kernbrennstoffkreislauf einstellen. Die von Herrn Solana im Juni 2006 vorgelegten Vorschläge, die im Juni 2008 im Auftrag der sechs am stärksten

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involvierten Länder erneut vorgelegt wurden, sind immer noch aktuell und müssen dazu genutzt werden, einen Ausweg aus der derzeitigen Sackgasse zu finden. Die EU bedauert den Umstand sehr, dass der Iran die vorläufige Anwendung des Zusatzprotokolls im Februar 2006 eingestellt hat. Infolgedessen – wie vom Generaldirektor der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) unterstrichen wurde – weiß die IAEA weniger über gewisse Aspekte des iranischen Atomprogramms. Zudem, wie uns vor Kurzem einmal mehr vom Generaldirektor der IAEA in dessen Bericht vom 15. September in Erinnerung gerufen wurde, lehnt es der Iran weiterhin ab, spezifische Fragen zu beantworten, die ihm die IAEA über Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Entwicklung und Produktion von Atomwaffen gestellt hat. Wie der Generaldirektor der IAEA gesagt hat – und ich kann zu keiner anderen Schlussfolgerung gelangen –, bereitet diese Situation der EU und der Völkergemeinschaft große Sorgen. Gay Mitchell (PPE-DE). - Ich danke dem Minister für seine Antwort. Ich möchte dem Minister – da dies der Völkergemeinschaft und der Europäischen Union wirklich große Sorgen bereitet – folgende Frage stellen. Sanktionen haben bislang nicht gegriffen. Wir wollen nicht an einem Punkt angelangen, an dem eine militärische Intervention erforderlich ist. Kann der Minister dem Parlament mitteilen, welche anderen Sanktionen oder Pläne der Rat in petto hat, um aktiv zu versuchen, die iranische Regierung zur Vernunft zu bringen? Gibt es alternative Sanktionen? Liegt Ihnen eine Liste alternativer Sanktionen vor, und welche Schritte sollen künftig unternommen werden? Manchmal ist es in diesem Katz- und Mausspiel sehr schwer zu unterscheiden, wer die Katze und wer die Maus ist. Jean-Pierre Jouyet, amtierender Präsident des Rates. – (FR) Wir haben den Punkt der militärischen Intervention noch nicht erreicht. Ich sage dies hier erneut sehr deutlich. Die sechs Länder haben ihre Unterstützung für die duale Herangehensweise zugesichert, die Dialog und Sanktionen umfassen muss, um eine Verhandlungslösung zu erreichen, die die Bedenken der Völkergemeinschaft zufriedenstellt. Was die Sanktionen anbelangt, gibt es verschiedene Optionen. Sie müssen zielgerichtet sein und den Wirtschaftsund Finanzsektor einbeziehen. Der Präsident. − Anfrage Nr. 12 von Marie Panayotopoulos-Cassiotou (H-0640/08) Betrifft: Europäischer Pakt zu Einwanderung und Asyl Der von der französischen Präsidentschaft vorgeschlagene „Pakt zu Einwanderung und Asyl“ zielt ab auf ein energisches politisches Engagement, das die EU und ihre Mitgliedstaaten in Bezug auf gemeinsame Grundsätze für die Festschreibung einer Zuwanderungspolitik im Sinne von Solidarität und Verantwortung einen soll. Welche bindenden Abkommen in Bezug auf Zuwanderer aus Drittstaaten wird der Rat in diesem Rahmen vorschlagen, vor allem für Länder, die sich an den Grenzen der EU befinden und in erster Linie für jene, die Haupteinreiseländer sind (Türkei, Kroatien, FYROM), damit der Europäische Raum der Sicherheit, des Rechts und der Freiheit gewahrt bleibt? Jean-Pierre Jouyet, amtierender Präsident des Rates. – (FR) Dazu möchte ich sagen, dass Rückübernahmeabkommen mit an die EU angrenzenden Drittstaaten unsere wirksamste Waffe im Kampf gegen illegale Zuwanderung sind. Derzeit bestehen Abkommen mit 11 Drittstaaten – darunter auch eines mit der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien, das am 1. Januar 2008 in Kraft trat. All diese Abkommen enthalten Bestimmungen zu Drittstaatsangehörigen im Transit durch das jeweilige Staatsgebiet. Offizielle Verhandlungen mit der Türkei wurden 2005 aufgenommen. Dagegen besteht bezüglich eines Rückübernahmeabkommens mit Kroatien kein Verhandlungsmandat. Der Rat legt hier besonderen Wert auf den schnellen Fortschritt der laufenden Verhandlungen. Im Pakt, den der Europäische Rat am 15. Oktober erörtern und – so hoffen wir – verabschieden wird, haben Rückübernahmeabkommen einen hohen Stellenwert als Instrument gegen illegale Zuwanderung. Margie Sudre (PPE-DE). – (FR) Ich möchte dem Herrn Ratspräsidenten für seine Antwort danken. Frau Panayotopoulos musste uns wegen eines Termins verlassen. Sie hat mich gebeten, ihre Abwesenheit zu entschuldigen, und Ihnen, Herr Jouyet, in ihrem Namen zu danken.

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Der Präsident. − Anfrage Nr. 13 von Alain Hutchinson (H-0642/08) Betrifft: Reform des öffentlich-rechtlichen Fernsehens in Frankreich Der französische Präsident Nicolas Sarkozy hat in seinem Land eine umfassende Reform des öffentlich-rechtlichen Fernsehens eingeleitet. Diese Reform, die die Abschaffung sämtlicher kommerzieller Werbung vorsieht, stößt auf den heftigen Widerstand der Arbeitnehmer dieses Sektors und auch der Öffentlichkeit. Sie befürchten das umgehende Verschwinden des öffentlich-rechtlichen Fernsehens, das sich gegen die Privatsender nicht behaupten könne, sobald die Werbeeinnahmen entfallen. Vor diesem Hintergrund ist es bis zu dem Gedanken, dass Frankreich beschlossen hat, das öffentlich-rechtliche Fernsehen zu eliminieren, um den Privatsektor, der der Gewinner einer solchen Maßnahme wäre, zu privilegieren, nur ein kleiner Schritt, den viele nicht zögern zu tun. Handelt es sich hierbei um ein isoliertes Vorgehen oder vielmehr um eine Initiative, die auf alle Mitgliedstaaten der EU ausgeweitet werden soll? Ferner möchte ich den Standpunkt des Rates zu dieser Frage in Erfahrung bringen und wissen, ob diese Reform im Einklang mit den europäischen Rechtsvorschriften steht. Jean-Pierre Jouyet, amtierender Präsident des Rates. – (FR) Herr Präsident! Mein Dank für diese letzte Frage, die mir besondere Freude bereitet! Ich werde sie selbstverständlich als Vertreter der Ratspräsidentschaft beantworten, und so dürfte es Herrn Hutchinson, einen guten Bekannten, nicht überraschen, wenn ich sage: Die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Fernsehens ist Sache der Mitgliedstaaten. Das Protokoll zum EU-Vertrag über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in den Mitgliedstaaten lässt keinen Zweifel daran, und deshalb liegt die Entscheidung bei jedem Mitgliedstaat, auf welche Weise öffentlich-rechtliche Fernsehanstalten finanziert werden. So viel zu Ihrer Frage, Herr Hutchinson. Alain Hutchinson (PSE). – (FR) Herr Minister, vielen Dank für Ihre Antwort! In der Tat, sie überrascht mich nicht. Nur noch eines: Ich bin einer von vielen nichtfranzösischen Liebhabern Ihrer Sprache, die die Sendungen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Frankreich begeistert verfolgen. Nach der Entscheidung Ihrer Regierung – verkündet von einem Präsidenten, der, wie es der Zufall will, auch amtierender Präsident des Europäischen Rates ist – sorgen wir uns um die Zukunft der staatlichen Fernseh- und Radiosender. Selbst Frau Reding, Kommissionsmitglied mit Zuständigkeit für Informationsgesellschaft und Medien, räumte Zweifel an den im Januar bekannt gegebenen Reformvorhaben des französischen Präsidenten ein, als ich ihr unlängst dieselbe Frage stellte. Zudem beklagte sie seine Entscheidung, eine Abgabe für Internetdienstanbieter einzuführen, um für das öffentlich-rechtliche Fernsehen aufzukommen. Dürfte ich in dieser Frage um Ihre Meinung bitten? Jean-Pierre Jouyet, amtierender Präsident des Rates. – (FR) Zunächst einmal: Zahlreiche politische Gruppierungen Frankreichs haben meines Wissens gefordert, der Diktatur der Einschaltquoten – und der damit verbundenen Gefahr für die Qualität und kulturelle Vielfalt der Sendungen – Einhalt zu gebieten. Diese Entwicklung geht quer durch das politische Spektrum, und wir werden daran nicht vorbeikommen. Zweitens gilt es, die Reform der Finanzierung durch Werbeeinnahmen von der Bereitstellung öffentlicher Mittel zu unterscheiden. Dass wir den öffentlich-rechtlichen Rundfunk auch weiterhin auf angemessene Weise unterstützen müssen, stellt niemand in Abrede. Und schließlich: Nichts liegt Frankreich ferner, als anderen Ländern ein wie auch immer geartetes Modell aufzuzwingen. Dieser Bereich ist, wie ich bereits sagte, Sache der Mitgliedstaaten. Eines aber ist sicher: Uns allen hier ist an einem öffentlich-rechtlichen Rundfunk von hoher Qualität gelegen. Der Präsident. − Damit ist die Fragestunde beendet. Die Anfragen, die aus Zeitgründen nicht behandelt wurden, werden schriftlich beantwortet (siehe Anlage). (Die Sitzung wird um 19.05 Uhr unterbrochen und um 21.00 Uhr wieder aufgenommen.) VORSITZ: GÉRARD ONESTA Vizepräsident

14. Migration vom Schengener Informationssystem (SIS 1+) zum Schengener Informationssystem der zweiten Generation (SIS II) (Beschluss) - Migration vom

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Schengener Informationssystem (SIS 1+) zum Schengener Informationssystem der zweiten Generation (SIS II) (Verordnung) (Aussprache) Der Präsident. – Als nächster Punkt folgt die gemeinsame Aussprache über – den Bericht (A6-0351/2008) von Carlos Coelho im Namen des Ausschusses für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres über die Migration zum Schengener Informationssystem der zweiten Generation (Beschluss) (12059/1/2008 – C6-0188/2008 – 2008/0077(INI)) und – den Bericht (A6-0352/2008) von Carlos Coelho im Namen des Ausschusses für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres über die Migration zum Schengener Informationssystem der zweiten Generation (Verordnung) (11925/2/2008 – C6-0189/2008 – 2008/0078(CNS)). Carlos Coelho (PPE-DE). – (PT) Herr Präsident, Herr Ratspräsident, Herr Vizepräsident der Europäischen Kommission, meine Damen und Herren! Wir haben uns heute mit zwei Rechtsakten zu befassen: einer Verordnung und einem Beschluss über die Migration vom SISone4ALL zum SIS II einschließlich eines umfassenden Tests zur Gewährleistung, dass das SIS II mindestens eine dem gegenwärtigen System vergleichbare Leistung erbringt. Diese Vorschläge resultieren aus einer Änderung der Migrationsstrategie. Vier Punkte sind von Bedeutung. Erstens: Während man ursprünglich von einer Umstellungsdauer von rund 8 Stunden für 15 Mitgliedstaaten ausging, gilt es nun, 25 Mitgliedstaaten einzubinden. Dies macht den Prozess wesentlich komplexer und diffiziler. Zweitens: Während einer befristeten Übergangsphase sollen im Rahmen einer vorläufigen technischen Architektur das SIS 1+ und SIS II parallel eingesetzt werden. Dies ist ein sinnvoller Vorschlag, dem wir zustimmen sollten, damit wir im Ernstfall auf ein bewährtes System zurückgreifen können. Drittens: In dieser Übergangsphase soll eine spezielle technische Vorrichtung – ein sogenannter Konverter – die Zentralsysteme von SIS I und SIS II miteinander verbinden, um die Übereinstimmung der verarbeiteten Informationen sicherzustellen. Nur so ist gewährleistet, dass alle Mitgliedstaaten auf demselben Niveau bleiben. Viertens: Das der Kommission 2001 erteilte Mandat läuft Ende dieses Jahres aus. Diesbezüglich haben wir nun vier Anliegen vorgebracht. Erstens: Die Kommission benötigt ein Mandat für die Entwicklung des SIS II, bis das System betriebsbereit ist. Den Vorschlag, das Mandat der Kommission mit der Fertigstellung des Zentralsystems C-SIS zu beenden, können wir nicht gutheißen. Zweitens: Die Zuständigkeiten der Europäischen Kommission und der Mitgliedstaaten müssen klar voneinander abgegrenzt werden. Drittens: Vor der Migration der Daten muss gewährleistet sein, dass sämtliche Bedingungen der SIS-Rechtsgrundlage (Nr. 2) erfüllt sind. Und schließlich: Die Umstellung sollte für alle Mitgliedstaaten gleichzeitig – „in einem Zug“ – erfolgen. Die Vorschläge, die uns am 3. September zugingen – am Tag ihrer Annahme im AStV –, weisen wesentliche Änderungen gegenüber den ursprünglichen Fassungen auf. Eigentlich hätten Änderungen dieses Ausmaßes eine erneute Anhörung des Parlaments erfordert. Wie so oft aber sind wir mit einem engen Zeitrahmen konfrontiert: Da das Mandat der Kommission Ende 2008 ausläuft, muss der Rat die Vorschläge Ende Oktober annehmen. Einmal mehr zeigt sich das Parlament also verantwortungsbewusst – und dabei geht die Verspätung ganz sicher nicht auf unser Konto! Fakt ist: Mit den Änderungen wurde den meisten unserer Bedenken aus den Berichtsentwürfen Rechnung getragen. Insbesondere sind die Zuständigkeiten der Kommission und der Mitgliedstaaten nun klarer, und es wurde entschieden, das Mandat der Kommission bis zur Betriebsbereitschaft des SIS II zu verlängern. Abschließend möchte ich der französischen Präsidentschaft für ihre ausgezeichnete Arbeit danken. Sie hat erreicht, was lange fraglich schien: eine tragfähige Einigung zwischen der Kommission und den Mitgliedstaaten. Das Europäische Parlament möchte nun nach Kräften zur Vermeidung weiterer Verzögerungen beitragen: Das SIS II soll zum neu festgesetzten Datum am 30. September 2009 in Betrieb gehen. Dass indes zahlreiche Sachverständige in informellem Rahmen Zweifel an der Erreichbarkeit dieses Datums angemeldet haben, ist uns Anlass zu Sorge. Zwei Punkte sind für das Europäische Parlament nach Auffassung aller Fraktionen von größter Bedeutung. Erstens: Das Parlament möchte zweimal jährlich über den Verlauf des Projekts informiert werden. Und zweitens: Das Mandat der neuen Kommission muss befristet bleiben. Es muss eine Regelung beinhalten, dass eine erneute Anhörung des Parlaments stattfindet, wenn der Zeitrahmen um mehr als ein Jahr überschritten wird. Einstweilen bleibt uns nur zu hoffen, dass fortan alles zügig vonstattengeht und dass das SIS II zum geplanten Termin startklar ist.

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Der Präsident. – Als Nächstes soll der Rat zu Wort kommen. Herr Jouyet, im Namen des Europäischen Parlaments möchte ich Ihnen für Ihre Anwesenheit während des gesamten Sitzungstags danken. Ihre Einsatzbereitschaft in diesem Haus ist für mich ein klarer Beleg Ihres Engagements für Europa. Jean-Pierre Jouyet, amtierender Präsident des Rates. – (FR) Herr Präsident! Ich danke Ihnen für Ihre freundlichen Worte. Das Kompliment hinsichtlich des Engagements für Europa gebe ich gerne an Sie zurück – ebenso wie an Herrn Barrot, den Vizepräsidenten der Kommission. Herr Coelho, meine Damen und Herren! Am Umbau des Schengener Informationssystems führt kein Weg vorbei. Nur so können wir es um die Funktionen erweitern, die wir künftig für Grenzkontrollen und die Verbrechensbekämpfung benötigen werden. Das System SISone4ALL, das übrigens, Herr Minister, auf eine Initiative der portugiesischen Präsidentschaft zurückgeht, ist eine gelungene Übergangslösung. Es erlaubte uns, die 2004 beigetretenen Mitgliedstaaten einzubeziehen und, wichtiger noch, die Kontrollen an den Binnengrenzen zu diesen Ländern abzuschaffen – vergangenen Dezember zu Lande und im März nun auch in der Luft. Für uns alle war es ein bewegender Moment, als der slowakische Ministerpräsident und der österreichische Bundeskanzler symbolisch einen Grenzbalken am Übergang Berg/Petržalka östlich von Wien durchsägten und damit den Eisernen Vorhang endgültig in die Geschichtsbücher verbannten. Das Wissen, dass unser Raum der Freizügigkeit nun sage und schreibe 3,6 Millionen km2 umfasst – und damit der größte dieser Welt ist –, kann überzeugte Europäer nur mit Stolz erfüllen. Die notwendige Konsequenz dieser Freiheit aber, wir wissen es nur zu gut, ist ein elektronisches System, das einerseits die Fahndung erleichtert – nach mutmaßlichen Straftätern, gefälschten oder gestohlenen Papieren –, andererseits aber auch strengen Datenschutzauflagen genügt, damit die individuellen Freiheitsrechte gewahrt bleiben. Diesen Zusammenhang möchte ich hervorheben. Derzeit aber arbeiten wir mit einem System, das, wie Sie völlig zu Recht sagten, den Einsatz moderner Technologien verhindert – und zwar gerade auch solcher Technologien, die den Anforderungen des Datenschutzes und insbesondere dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gerecht werden. Wie können wir auf Fahndungserfolge hoffen, wenn die Polizei – wie es in der gegenwärtigen zentralen Datenbank der Fall ist – nicht einmal Zugriff auf digitale Fahndungsfotos hat, um gesuchte Straftäter zweifelsfrei zu identifizieren? Aus diesen Gründen müssen wir an unserem Ziel – der Einführung des Schengener Informationssystems der zweiten Generation oder SIS II – festhalten. Dies ist, wie Sie dargelegt haben, der wahre Gegenstand unserer Debatte. Herr Präsident! Im Namen des Rates möchte ich dem Vizepräsidenten der Kommission, Herrn Barrot, danken, der sich bereit erklärt hat, die Entwicklung der neuen zentralen SIS-Datenbank und deren Verbindung mit den nationalen Datenbanken auch im Rahmen des neuen Mandats zu beaufsichtigen. Seinem persönlichen Engagement gebührt Anerkennung. In den Entwürfen, über die Sie morgen abstimmen werden, sind die Zuständigkeiten der Mitgliedstaaten und der Kommission in den einzelnen Phasen klar voneinander abgegrenzt – sei es bei der Entwicklung des Systems, bei den abschließenden Tests, in der Übergangsphase, beim Einsatz des Konverters und schließlich auch bei der endgültigen Migration. Ziel ist eine ausgewogene Rollenverteilung zwischen den Verpflichtungen der Mitgliedstaaten und den Zuständigkeiten der Europäischen Kommission. Mein besonderer Dank gilt Herrn Coelho, der diese so wichtige Angelegenheit gemeinsam mit seinen Kollegen vom Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres zügig, energisch und ideenreich vorangetrieben hat. Bei dieser Gelegenheit möchte ich Sie bitten, Herr Coelho, meinen Dank auch an Herrn Deprez, den Vorsitzenden des Ausschusses, weiterzugeben. Ihnen, Herr Berichterstatter, ist es gelungen, den Entwürfen die für das heutige Plenum nötige Unterstützung zu sichern – Entwürfen, die nicht zuletzt Ihre eigene Handschrift tragen. Der Rückhalt des Europäischen Parlaments ist es, der eine neue Etappe auf dem Weg zum SIS II einläutet, und zwar gerade rechtzeitig vor dem Ablauf des bisherigen Mandats der Kommission – eines Ad-hoc-Mandats wohlgemerkt – am 31. Dezember. Auch Herrn Vizepräsidenten Barrot dürfte dies Genugtuung bereiten. Es versteht sich von selbst: Die Einführung des neuen Systems stellt eine enorme technische Herausforderung dar – eine Herausforderung, die wir wohl zunächst unterschätzt haben. Die Migration von 22 Millionen Datensätzen unter Einbeziehung von über 24 Akteuren mit Datenbanken in unterschiedlichen Formaten ist kein Kinderspiel. Die Anstrengungen aber, die bisher im Rahmen dieses Projekts unternommen wurden, sind meines Erachtens der Größe der Aufgabe angemessen. Bei einem Vorhaben dieser technischen und finanziellen Tragweite versteht es sich von selbst, dass das Europäische Parlament umfassend über Fortschritte und Schwierigkeiten bei der Migration zum neuen System informiert werden muss. Sie haben völlig recht,

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Herr Coelho: Es bedarf einer Frist für den Abschluss der Tests und die Betriebsbereitschaft des neuen Systems. Wir alle hoffen, dass es im September des nächsten Jahres – wie auf der Tagung des Rates Justiz und Inneres am 6. Juni vereinbart – so weit sein wird. Unser Zeitplan ist eng gesteckt. Wir alle wissen es, und besonders gut wissen es die technischen Sachverständigen. Nur wenn sich alle Beteiligten voll und ganz zum SIS II bekennen und sich ihrer Verantwortung stellen, können wir dieses Ziel erreichen. Mit dem Bericht, der uns heute Abend vorliegt, setzt das Europäische Parlament ein positives Signal. Die vorgebrachten Einwände sind völlig legitim. Der Rat befürwortet daher die vorbehaltlose Annahme der Änderungsanträge, die im Übrigen von sämtlichen Fraktionen dieses Parlaments unterstützt werden. Ihnen allen herzlichen Dank für Ihren Einsatz! Jacques Barrot, Vizepräsident der Kommission. – (FR) Herr Präsident! Auch ich habe zu danken – zunächst einmal der Präsidentschaft und Herrn Jouyet für die Unterstützung des Berichts Coelho. In der Tat: Die Zeit drängt. Wir müssen in dieser wichtigen Angelegenheit dringend vorankommen. Mein Dank gilt ferner Herrn Coelho für seinen Bericht und seinen persönlichen Einsatz um das SIS II. Wenn das SIS II dereinst in Betrieb geht, Herr Coelho, dann haben Sie an diesem Erfolg großen Anteil. Ihr Bericht zeigt einmal mehr, welch großes Interesse und welch beharrliche Unterstützung das Europäische Parlament dem Schengener Informationssystem der zweiten Generation entgegenbringt. Ohne jeden Zweifel wird sich das SIS II als Eckpfeiler des Raumes der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts erweisen. Dass wir es so schnell wie irgend möglich realisieren müssen, steht außer Frage. In diesem Sinne freut es mich außerordentlich, dass wir uns über die Rechtsakte zur Migration vom SIS I zum SIS II verständigt haben. Unser Kompromiss ist vertretbar, da er den folgenden drei Grundsätzen entspricht: – unmissverständliche Abgrenzung der Zuständigkeiten der Beteiligten (Mitgliedstaaten, Kommission, Rat) – wirksame Beschlussfassung mit klarer Rollenverteilung – verbindliche Etappenziele Die Annahme dieses Rechtsrahmens im Oktober wird uns helfen, im Jahr 2009 weiter Kurs auf das SIS II zu halten. Herr Jouyet hat es bereits gesagt: Die Inbetriebnahme des neuen Systems zum 30. September 2009, wie in den vorgeschlagenen Rechtsakten vorgesehen, ist ein ehrgeiziges Ziel. Erst diesen Sommer sahen wir uns gezwungen, Tests mit den Mitgliedstaaten nach informellen Beratungen mit Sachverständigen auszusetzen. Dem Auftragnehmer wurde eine Frist von 20 Tagen eingeräumt, um die erkannten Probleme zu beseitigen. Doch auch darüber hinaus müssen wir unsere Augen offen halten für alle nur denkbaren Hindernisse auf dem Weg zum SIS II, die unseren Zeitplan gefährden könnten. Derzeit führen wir Gespräche mit den Mitgliedstaaten, um die beste Strategie zur Fertigstellung des SIS II zu bestimmen. Insbesondere gilt es, zwei Dinge in Einklang zu bringen: die politische Dringlichkeit des Systems und die Notwendigkeit, seinen Nutzern – den Behörden der Mitgliedstaaten – eine einwandfreie Dienstgüte zu garantieren. In jedem Fall aber sind die vorgeschlagenen Anpassungen relativ flexibel gehalten und verlangen uns gleichzeitig die nötige Transparenz bei der Entwicklungsplanung ab. Ihre Änderungsanträge, Herr Coelho, finden daher selbstverständlich unsere volle Unterstützung. Die Geltungsdauer der Rechtsakte bis zum Juni 2010 lässt uns einen gewissen Spielraum, falls Probleme beim Abschluss des SIS II oder der Migration auftreten sollten – verbunden mit der Sicherheit, dass das SIS II spätestens bis Mitte 2010 einsatzbereit sein wird. Gleichzeitig gewährleistet die Verpflichtung der Kommission, halbjährlich über die Entwicklung des SIS II und die Umstellung von SIS I auf SIS II Bericht zu erstatten, Transparenz gegenüber dem Europäischen Parlament. Herr Präsident! Ich kann mich Herrn Jouyet und der Präsidentschaft nur anschließen: Am SIS II führt kein Weg vorbei, wenn wir den Schengen-Raum – ohnehin eine große Errungenschaft – zur vollen Entfaltung bringen möchten. Die Migration erfordert eine technische Glanzleistung, die zeigen wird, wozu Europa fähig ist, wenn es denn konsequent auf neue Technologie setzt. Sie ist aber ganz einfach auch das Gebot der Stunde. Mithin bin ich dem Parlament überaus dankbar, dass es sich nahezu ohne Gegenstimme für all diese Punkte und für den Bericht Coelho ausgesprochen hat.

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Marian-Jean Marinescu, im Namen der PPE-DE-Fraktion.  – (RO) Den Vorschlag des Berichterstatters, die Geltungsdauer der neuen Rechtsakte auf den 30. Juni 2010 zu begrenzen, kann ich nur begrüßen. Dies ist wichtig, um weitere Verzögerungen bei der Einführung des Schengener Informationssystems der zweiten Generation, des SIS II, zu verhindern. Für neun der zehn 2004 beigetretenen Mitgliedstaaten wurden die Kontrollen an den Binnengrenzen bereits abgeschafft – zunächst ab dem 21. Dezember 2007 an den Land- und Seegrenzen, im März 2008 dann auch an den Luftgrenzen. Die Grenzkontrollen der drei noch verbleibenden Mitgliedstaaten – Zypern, Rumänien und Bulgarien – sollen nach einem Beschluss des Rates folgen, sobald in einer Evaluierung die Funktionsfähigkeit des Schengener Systems nachgewiesen wurde. Das Schengener System in diesen drei Staaten aber steht und fällt mit der Einführung des SIS II in den Schengen-Staaten. Wie wir alle wissen, sollte das SIS II zunächst im Mai 2007 in Betrieb gehen, dann im Dezember 2008, und jetzt ist vom September 2009 die Rede. Auch in den drei fraglichen Ländern dürfte sich die Sache daher verzögern. Sie alle sind – das sollten wir nicht vergessen – Grenzstaaten der Europäischen Union, die über Land- wie auch Seegrenzen verfügen. Die ersten beiden Maßnahmen bei der Anwendung des Schengen-Besitzstands sind die Abschaffung der Personenkontrollen an den Binnengrenzen sowie die Verlagerung dieser Kontrollen an die Außengrenzen nach einem einheitlichen Regelwerk. Wie aber soll dies in Rumänien, Bulgarien und Zypern möglich sein, solange das SIS II in den Schengen-Staaten nicht vorankommt? Daher appelliere ich an die Kommission und die französische Präsidentschaft, bei der Verwaltung des SIS II reinen Tisch zu machen und mit dem Auftragnehmer zu verhandeln, damit es nicht zu weiteren Verzögerungen kommt. Roselyne Lefrançois, im Namen der PSE-Fraktion. – (FR) Herr Präsident! Martine Roure, Schattenberichterstatterin für diesen Bericht, ist heute leider verhindert. Ich spreche daher in ihrem Namen wie auch im Namen der Sozialdemokratischen Fraktion im Europäischen Parlament. Ich kann mich den Bemerkungen des Berichterstatters, dem ich für seinen Einsatz danke, nur anschließen. Die Lage spottet jeder Beschreibung. Das SIS II ist weit hinter den Zeitplan zurückgefallen. Bereits einmal musste das Mandat der Kommission für die Migration verlängert werden. Heute nähern wir uns der vereinbarten Frist, dem Dezember 2008, und wieder einmal ist der Zeitplan Makulatur. Dieses Mal ersucht die Kommission um eine unbefristete Verlängerung ihres Mandats – meines Erachtens unannehmbar. Das Europäische Parlament würde demnach künftig nicht einmal mehr angehört. Andererseits aber wünschen auch wir keine überhastete Umstellung auf das SIS II. Die Qualität und Sicherheit der Daten sowie des Systems als Ganzes würden dadurch aufs Spiel gesetzt. Es muss Zeit bleiben, alle nötigen Vorkehrungen zu treffen, um den Schutz der Daten und die Sicherheit des Systems zu gewährleisten. Daher erscheint es uns vertretbar, die Uhr einmal mehr zurückzustellen und das Mandat der Kommission zu verlängern, damit sie die Migration unter Dach und Fach bringen kann. Dabei aber muss sie dem Europäischen Parlament Rechenschaft schuldig bleiben. Aus diesem Grund stellt sich die SPE-Fraktion hinter den Berichterstatter. Wir müssen den Befugnissen dieses Hauses Geltung verschaffen. Henrik Lax, im Namen der ALDE-Fraktion. – Herr Präsident! Auch ich möchte dem Berichterstatter meine Anerkennung für seine vorzügliche Arbeit aussprechen. Das Schengener Informationssystem ist die größte gemeinsame europäische Datenbank zur Nutzung durch die Mitgliedstaaten. Sie steht den Polizeidiensten und Justizbehörden für die Zusammenarbeit in Strafsachen, Personenkontrollen an den Außengrenzen und im Landesinneren sowie die Ausstellung von Visa und Aufenthaltserlaubnissen zur Verfügung. Das SIS der zweiten Generation, das SIS II, wurde notwendig, um biometrische Daten und neue Arten von Ausschreibungen – beispielsweise im Zusammenhang mit dem Europäischen Haftbefehl – handhaben zu können. Auch bei der Einbindung der neuen Mitgliedstaaten wird es, wie wir bereits gehört haben, nicht ohne das SIS II gehen. Ursprünglich sollte das neue System im März 2007 in Betrieb gehen. Dass nicht alles nach Plan verlief, ist hinlänglich bekannt. Schließlich wurde als neuer Termin der Dezember 2008 festgesetzt. Das SISone4ALL – die von Herrn Jouyet erwähnte Zwischenlösung der portugiesischen Regierung, die mittlerweile voll funktionsfähig ist – schaffte vorübergehend Abhilfe. Neun der neuen Mitgliedstaaten konnten damit an das SIS angebunden werden. In diesem erweiterten Schengen-Raum aber ist die Verschärfung der

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Sicherheitsvorkehrungen, wie Herr Barrot betonte, wichtiger denn je. Nur die vollständige Umstellung auf ein System der nächsten Generation kann dies in vollem Umfang gewährleisten. Voraussetzung für die Umstellung ist allerdings, dass das SIS II eine Reihe technischer und funktionaler Kriterien erfüllt – nicht nur die rechtlich vorgeschriebenen, sondern beispielsweise auch Anforderungen an Robustheit, Reaktionsfähigkeit und Leistung. Das Europäische Parlament soll nun eine Stellungnahme zu den beiden Legislativvorschlägen, die den rechtlichen Rahmen für die Umstellung bilden, abgeben. Als Schattenberichterstatter der ALDE-Fraktion bejahe ich vorbehaltlos die Linie unseres Berichterstatters. Insbesondere begrüße ich die Rechenschaftspflicht der Kommission: Ab dem Juni 2009 soll sie alle sechs Monate dem Rat und Parlament über die Entwicklung des SIS II und die Migration vom SIS 1+ zum SIS II Bericht erstatten. Dass das SIS II noch immer nicht funktionsfähig ist, ist eine herbe Enttäuschung. Nun bleibt nur zu hoffen, dass wir mit dem neuen Mandat und den strengen Testanforderungen die Weichen für einen erfolgreichen Start im September 2009 gestellt haben. Tatjana Ždanoka, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – Herr Präsident! Mein Dank gilt zuallererst Herrn Coelho, der sich den beiden Berichten über die Umstellung auf das SIS II mit dem gewohnten Einsatz gewidmet hat. Der Schwerpunkt der Berichte liegt auf praktischen Fragen. Ich aber möchte das SIS II einmal in einen breiteren Zusammenhang stellen. Zunächst einmal gilt es, die Leistung der portugiesischen Präsidentschaft zu würdigen, die den zehn neuen Mitgliedstaaten die Teilnahme am alten SIS ermöglichte. Andernfalls hätten sich diese, zu denen auch mein Land zählt, mindestens bis zum September 2009 – also noch einmal fast zwei Jahre – gedulden müssen. Doch ein weiterer Punkt ist mir wichtig: „Spät“ ist nicht gleich „schlecht“. Das SIS II erfasst den ersten und dritten Pfeiler der EU, doch für Letzteren fehlt es nach wie vor an einem rechtsverbindlichen Rahmenbeschluss über den Datenschutz. Besonders bedenklich ist dies, da in das SIS II erstmals auch biometrische Daten Eingang finden. Dass meine Fraktion der Biometrie äußerst reserviert gegenübersteht, möchte ich hiermit besonders betonen. Vielleicht sollten wir mit der Einführung des SIS II tatsächlich warten, bis sämtliche Datenschutzfragen geregelt sind. Ein weiterer Bereich, in dem sich das SIS als nützlich erweisen könnte, sind Einreiseverbote der Mitgliedstaaten für Drittstaatsangehörige. Nach dem Schengener Übereinkommen können Personen, die Gegenstand von Ausschreibungen sind, die Löschung dieser Ausschreibungen nur nach nationalem Recht erwirken. In der Verordnung über das SIS II sind dagegen wirksamere Verfahrensgarantien auf europäischer Ebene vorgesehen. Um es auf den Punkt zu bringen: In einiger Hinsicht verspricht uns das SIS II ein besseres Europa. Daneben weist es jedoch auch gravierende Schwächen auf, die noch weiterer Arbeit bedürfen. Wenn es denn noch Zeit braucht, die Garantien auszubauen – vielleicht sollten wir uns geduldig zeigen? Pedro Guerreiro, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. – (PT) Mehrere Organisationen, die die Vergemeinschaftung des Bereichs Justiz und Inneres – eines Kernbereichs staatlicher Hoheitsgewalt – mit wachsender Sorge verfolgen, haben es bereits betont: Die zweite Generation des Schengener Informationssystems und seiner Datenbank wurde noch einmal wesentlich „aufgerüstet“ – mit neuen Arten von Ausschreibungen (z. B. dem Europäischen Haftbefehl), zusätzlichen Datenkategorien (z. B. biometrischen Daten) und Zugangsrechten für weitere Akteure. Neu sind zudem die Verknüpfung zwischen Ausschreibungen und die Verbindung mit dem Visa-Informationssystem, und auch die Möglichkeit, Datensätze nötigenfalls über lange Zeiträume zu speichern, gibt Anlass zu Sorge. Wer befindet über diese Notwendigkeit? Die Bestimmungen über einen möglichen Datenaustausch mit Drittstaaten sind ebenfalls äußerst vage gehalten. Wir sind der Auffassung, dass diese Ausweitung des bisherigen Systems erhebliche Risiken für die Rechte, Freiheiten und Garantien der Bürgerinnen und Bürger birgt. Die Datenbank erhält nicht nur neue Funktionen, sondern sie wird auch zugänglicher, und Informationen werden umfassender ausgetauscht. Kurz gesagt: Bei dem neuen SIS geht es um weit mehr als die Einbeziehung der neuen Mitgliedstaaten. Vielmehr wird versucht, das SIS in den Dienst jener gefährlichen Sicherheitspolitik zu stellen, die mit der fortgesetzten Vergemeinschaftung der Innenpolitik innerhalb der EU einhergeht – einer Entwicklung, der wir uns entgegenstellen. Hélène Goudin, im Namen der IND/DEM-Fraktion. – (SV) Herr Präsident! Unser heutiges Thema ist von weitaus größerer Bedeutung als so manche Frage, mit der wir uns sonst in diesem Haus beschäftigen. Es geht

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um die Mobilität von Personen im sogenannten Schengen-Raum. Dass dieses System zahlreichen Menschen das Reisen erleichtert, steht außer Frage, doch es muss gesagt sein: Es weist einen schwerwiegenden Mangel auf, der alle Vorteile überwiegt. Ich spreche von der Einschränkung der Mobilität weiter Bevölkerungskreise aufgrund gesellschaftlicher Gegebenheiten. Letztendlich ist Schengen ein weiterer Schritt in Richtung eines Superstaats – der Festung Europa –, in Richtung eines Überwachungsstaats mit horrenden Befugnissen. Dem verweigere ich mich. Es besteht kein Zweifel, dass grenzüberschreitende Kriminalität eines der brennendsten Probleme unserer Zeit ist – ein Problem, das nach grenzüberschreitenden Lösungen verlangt. Meines Erachtens aber ist weder Schengen noch die EU an sich hierfür das geeignete Forum. Wir haben bereits Interpol, eine ausgezeichnete, leistungsfähige polizeiliche Organisation, in der souveräne Staaten aus aller Welt zusammenarbeiten. Statt ein paralleles System aufzubauen, sollten wir lieber Interpol stärken. Kriminalität ist schließlich nicht auf unseren Kontinent beschränkt, sondern manifestiert sich in weltumspannenden Netzen. So weit einige allgemeine Bemerkungen, nun zu den Details. Ein Aspekt, den wir, so meine ich, beim Schengener Informationssystem allzu sehr auf die leichte Schulter nehmen, ist der Datenschutz. In diesem System werden personenbezogene Daten von höchster Sensibilität verarbeitet und gespeichert. Der Schutz der Bürgerinnen und Bürger vor unbefugtem Zugriff auf personenbezogene Daten ist eine zentrale Aufgabe des Staates. Die EU sollte meines Erachtens von diesem Bereich die Finger lassen, da sie in keiner Weise in der Lage ist, die nötigen Garantien zu gewähren. Die Schaffung neuer Strukturen ist nicht nur unnötig, sondern auch kostspielig. Das Geld der Steuerzahler wird so zum Fenster hinausgeworfen. Schon längst kann ich mich des Eindrucks nicht mehr erwehren, dass die Entwicklung der EU – oder die europäische Integration, wie manche sagen – einen Lauf nimmt, der der allmählichen Entstehung einer Gewaltherrschaft nicht unähnlich ist. In letzter Zeit hat das Tempo erschreckend angezogen. Mit großen, schnellen und resoluten Schritten bewegen wir uns auf einen europäischen Superstaat zu. Kein wahrer Freund Europas sollte dies hinnehmen. Zita Pleštinská (PPE-DE). – (SK) Meine Damen und Herren! Einmal mehr haben wir uns mit dem Schengener Informationssystem, dem SIS, zu befassen – dem wichtigsten Instrument zur Anwendung der Schengener Grundsätze. Ohne jeden Zweifel bildet es das Rückgrat eines Europas ohne Grenzen sowie des Raumes der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts. Bei der Einführung des SIS II darf es daher keine weiteren Verzögerungen geben. Mittlerweile ist die Übergangslösung SISone4ALL voll funktionsfähig. Neun neue Mitgliedstaaten konnten damit an das SIS angebunden und durch den Beitritt zum Schengen-Raum zu vollwertigen EU-Mitgliedstaaten werden. Der 21. Dezember 2007 war ein historischer Tag – nicht nur für mein Land, die Slowakei, sondern auch für die gesamte EU. Erst an diesem Tag ist der Eiserne Vorhang wirklich gefallen. Daher danke ich Herrn Coelho für die Erstellung dieses Berichts und für seine unermüdliche Arbeit. Ohne ihn, dessen bin ich sicher, hätte der Schengen-Raum heute nicht neun zusätzliche Mitglieder. Die Einführung des neuen SIS dürfte ebenso zügig und reibungslos vonstattengehen. Jean-Pierre Jouyet, amtierender Präsident des Rates. – (FR) Vielen Dank allen Rednerinnen und Rednern für das hohe Niveau dieser Debatte! Danken möchte ich insbesondere für die breite Zustimmung, die Sie der Idee eines neuen Mandats und dem Standpunkt des Berichterstatters entgegenbringen. Herr Marinescu, wie ich bereits sagte, bin ich voller Anerkennung für die Leistung der portugiesischen Präsidentschaft, die die Ausweitung des Systems auf neue Mitgliedstaaten ermöglichte. Den Wunsch Rumäniens, sich dem System – unter Aufsicht der Kommission und vorbehaltlich eventuell nötiger technischer Änderungen – möglichst rasch anzuschließen, habe ich zur Kenntnis genommen. Frau Lefrançois und Herr Lax, auch der Rat bedauert die Verzögerungen. Dennoch verdienen der Einsatz der Kommission, die persönliche Zusage ihres Vizepräsidenten, Herrn Barrot, das SIS II wieder auf Kurs zu bringen, und die strengen Auflagen für den Auftragnehmer unsere Anerkennung. Der Rat seinerseits wird mit aller gebotenen Achtsamkeit an der Seite der Kommission und der Mitgliedstaaten stehen, die auch weiterhin nachdrücklich für den planmäßigen Abschluss des Projekts eintreten werden – unter Wahrung der technischen Machbarkeit, des technischen Nutzens und selbstverständlich auch der individuellen Freiheitsrechte.

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Frau Ždanoka und Herr Guerreiro, ich nehme zur Kenntnis, dass viele von Ihnen weitere Gespräche über Zusatzfunktionen für das System wünschen – was übrigens auch in Frau Lefrançois’ Rede anklang. Voraussetzung hierfür ist jedoch die Fertigstellung des SIS II. Die politische Debatte, die wir auf jeden Fall über die weitere Ausgestaltung des Systems führen sollten, darf – wie mehrmals gesagt wurde – der Umstellung auf das neue System nicht im Wege stehen. Schließlich wäre es widersinnig, auf die gewünschten Zusatzfunktionen zu verzichten, nur weil ein veraltetes System – das SIS I nämlich – ihnen nicht gewachsen ist. Bevor wir also weitere Gespräche führen, muss zunächst einmal das neue System vorliegen und seine technologische Entwicklung abgeschlossen sein. Zu den übrigen Reden, in denen es vorrangig um Datenschutz ging, möchte ich sagen, dass wir entschlossen sind, die Arbeit auf europäischer Ebene fortzusetzen. Die von Ihnen geforderten Garantien bezüglich des Datenschutzes und Informationsaustauschs mit Drittstaaten sind auch für uns unabdingbar. In diesem Zusammenhang sei an die Worte des Präsidenten und an die Aussprache dieses Vormittags über den Schutz personenbezogener Daten mit Herrn Barrot erinnert. Ohne im Einzelnen auf diese grundlegende Debatte zurückkommen zu wollen, möchte ich doch an die Absprache erinnern, hinsichtlich des Schutzes dieser personenbezogener Daten den Empfehlungen des Europäischen Datenschutzbeauftragten zu folgen, um Bedenken wie den Ihren Rechnung zu tragen. Jacques Barrot, Vizepräsident der Kommission. – (FR) Herr Präsident! Auch ich danke allen Rednerinnen und Rednern und insbesondere noch einmal dem Berichterstatter. Im Anschluss an Herrn Jouyets Worte sei noch einmal betont, welch hohen Stellenwert wir der Anwendung der Datenschutzbestimmungen beimessen. Um diesen Bestimmungen bei der Entwicklung und Verwaltung des SIS II Rechnung zu tragen, halten die zuständigen Dienststellen – wie Herr Jouyet bereits erwähnte – ständig Kontakt mit den Mitarbeitern des Europäischen Datenschutzbeauftragten. In der ersten Jahreshälfte 2009 – also noch vor der Migration – steht ein Besuch des Europäischen Datenschutzbeauftragten in Straßburg an, der speziell diesen Fragen gewidmet sein wird. Der Konverter, an dem derzeit gearbeitet wird, soll insbesondere eine sichere Datenübertragung vom SIS I auf das SIS II gewährleisten. Frau Lefrançois sagte völlig zu Recht, dass wir bei der Umstellung nichts überstürzen dürfen. Wir müssen mit Bedacht vorgehen. Im Übrigen enthalten die vorgesehenen Rechtsakte selbstverständlich umfassende Bestimmungen zur Wahrung der Grundsätze des Datenschutzes. Äußerst wichtig ist es auch – dies sei abschließend zu diesem Thema noch erwähnt –, das SIS II auf unsere übergreifende Datenschutzstrategie für Europa abzustimmen. Nun zu den wiederholten Verzögerungen: Ich verstehe die Besorgnis, die Herr Marinescu, Herr Lax und Frau Lefrançois zum Ausdruck brachten. Was die zentrale Vorbereitung des SIS II anbelangt, verfolgen wir die Abläufe aus nächster Nähe. Wir haben unsere Kontrollmöglichkeiten anhand spezieller Maßnahmen verbessert, und unsere Dienststellen achten darauf, ausreichende Ressourcen zur Aufsicht der Auftragnehmer abzustellen. Nötigenfalls werden wir uns nicht scheuen, die in den Verträgen vorgesehenen Sanktionen anzuwenden – wie es bereits mein Vorgänger im Fall eines Auftragnehmers mit einer Geldstrafe von über einer Million Euro getan hat. Es ist jedoch zu hoffen, Herr Präsident, meine Damen und Herren, dass es gar nicht erst dazu kommen muss und dass die beauftragten Firmen zielstrebig und termingerecht ihrer Arbeit nachkommen. Doch die Realisierung des SIS II ist nicht auf zentrale Aspekte beschränkt. Auch die Mitgliedstaaten werden alle Hebel in Bewegung setzen müssen, und so freue ich mich besonders, dass auch die französische Präsidentschaft heute vertreten ist. Ich weiß, wie sehr ihr dieses Thema am Herzen liegt. Die „Freunde des SIS II“ – von der slowenischen Präsidentschaft ins Leben gerufen und von der französischen Präsidentschaft übernommen – leisten den Mitgliedstaaten wertvolle Hilfe bei den Vorbereitungen auf nationaler Ebene. Zweck dieser hochrangigen Gruppe, an der die Kommission aktiv mitwirkt, ist, die Realisierung des SIS II in den Mitgliedstaaten zu beaufsichtigen. Eines ist klar: Nur wenn wir unsere Kräfte bündeln, können wir die anstehenden Herausforderungen bewältigen. Selbstverständlich verfolgen wir mit dem SIS II nicht das Ziel, Europa in eine Festung zu verwandeln. Vielmehr möchten wir verhindern, dass der Abbau der Binnengrenzen das Risiko von Unsicherheit, Gewalt und Terrorismus für die Europäische Union und ihre Bürgerinnen und Bürger erhöht. Die Behauptung, wir wollten mit dem SIS II Europa abschotten, kann ich daher nicht hinnehmen. Nein, damit hat es ganz und gar nichts zu tun. Es geht uns ganz einfach darum, den Menschen nach der Aufhebung der Grenzkontrollen einen Raum der – ja, ich werde es aussprechen – der Sicherheit und Freiheit zu bieten.

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Damit, Herr Präsident, bin ich am Ende meiner Ausführungen. Noch einmal: mein herzlicher Dank an Herrn Coelho und das Europäische Parlament für den unermüdlichen Einsatz um das SIS II, das wiederum ausschlaggebend für den Erfolg des Schengen-Raums ist. Carlos Coelho, Berichterstatter. – (FR) Herr Präsident! Angesichts der freundlichen Worte von Herrn Jouyet und Herrn Barrot möchte ich mich bemühen, meine abschließenden Bemerkungen auf Französisch zu formulieren. Lassen Sie mich meine Anerkennung für Ihre Arbeit in Ihrer Sprache ausdrücken. Ihnen ist es gelungen, einen Konsens im Rat zu finden – beileibe kein leichtes Unterfangen. Für uns stehen zwei Punkte im Vordergrund: eine klare Abgrenzung der Zuständigkeiten zwischen der Kommission und den Mitgliedstaaten sowie das Mandat der Kommission. Eines ist klar: Das Mandat der Kommission darf nicht enden, bevor das SIS II voll funktionsfähig ist. Mein Dank gilt ferner dem Rat, der Kommission und sämtlichen Fraktionen im Ausschuss für Bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres für ihren Einsatz bei der Formulierung der Änderungsanträge, über die wir morgen abstimmen werden. Die Bestimmung über Transparenz ist für uns von größter Bedeutung: Die Bürgerinnen und Bürger haben das Recht, über Schengen und das SIS II informiert zu werden. Ein weiterer wichtiger Punkt: Ein unbefristetes Mandat für die Kommission kommt für uns nicht in Frage. Auch in diesem Punkt sind wir zu einer Lösung gekommen. Abschließend, Herr Präsident, erlauben Sie mir eine Entgegnung an diejenigen, die sich recht abschätzig über das SIS II geäußert haben. Wir legen Wert auf das SIS II, weil uns an Freizügigkeit in Europa gelegen ist. Voraussetzung für Freizügigkeit aber – für die Freiheit der Bürgerinnen und Bürger Europas – sind sichere Außengrenzen. Aus diesem Grund sind wir auf das SIS II angewiesen. Der Präsident. – Die Aussprache ist geschlossen. Die Abstimmung erfolgt morgen.

15. Internationales Tropenholz-Übereinkommen von 2006 - Internationales Tropenholz-Übereinkommen von 2006 (Aussprache) Der Präsident. – Als nächster Punkt folgt die gemeinsame Aussprache über – den Bericht (A6-0313/2008) von Caroline Lucas im Namen des Ausschusses für internationalen Handel über das Internationale Tropenholz-Übereinkommen von 2006 (11964/2007 – C6-0326/2007 – 2006/0263(CNS)) und – die mündliche Anfrage (O-0074/2008 – B6-0458/2008) von Helmuth Markov im Namen des Ausschusses für internationalen Handel an die Kommission über das Internationale Tropenholz-Übereinkommen von 2006. Caroline Lucas, Berichterstatterin. − Herr Präsident! Lassen Sie mich zunächst allen Kolleginnen und Kollegen im Ausschuss für internationalen Handel und im Rechtsausschuss danken. Die Zusammenarbeit bei der Verfassung meines Berichts über das Internationale Tropenholz-Übereinkommen von 2006 war ausgezeichnet. Angesichts der enormen Tragweite des Themenkomplexes Wald, Holz und Handel ist es sehr ermutigend, dass wir einen so breiten politischen Konsens gefunden haben. Ihnen mag aufgefallen sein, dass nahezu ein Jahr vergangen ist, seit das Europäische Parlament mit dem Übereinkommen befasst wurde. Dieser Umstand sollte jedoch nicht zu der Annahme verleiten, der Ausschuss für internationalen Handel unterschätze die Tragweite des Themas. Ganz im Gegenteil: Die Verzögerung entspringt unserer Auffassung, dass das Übereinkommen nicht einer einfachen Stellungnahme, sondern der Zustimmung des Parlaments bedarf – nicht zuletzt, weil wir in einigen Punkten eine sehr klare, entschiedene Haltung vertreten, der wir mehr Gehör verschaffen möchten. Herr Markov, der Vorsitzende des Handelsausschusses, wird Ihnen den erheblichen Verfahrensaufwand schildern, mit dem wir uns bemüht haben, den Einfluss des Parlaments in dieser Angelegenheit zu erweitern, und er wird sicherlich auch auf die überaus enttäuschende Reaktion des Rates zu sprechen kommen – sowohl hinsichtlich der Bearbeitungsdauer als auch des ablehnenden Bescheids. Wie ich bereits sagte: Das Parlament vertritt in mehreren Punkten eine klare, entschiedene Haltung. Zweifelsohne sind wir gegenüber dem bisherigen Übereinkommen von vor 20 Jahren vorangekommen. Dieses wurde zwar als Kompromiss zwischen Handel und Nachhaltigkeit angepriesen, gewährte aber der

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Nachhaltigkeit bestenfalls eine Statistenrolle. Vielleicht ist dies eine Erklärung dafür, dass Indonesien, einer der wichtigsten Unterzeichnerstaaten, rund drei Viertel seiner Waldbestände unwiederbringlich eingebüßt hat und dass in Regionen wie dem Amazonasgebiet, dem Kongobecken oder Südostasien noch immer die Hälfte aller Holzeinschläge illegal erfolgt. Also, Fortschritte wurden erzielt, und aus diesem Grund möchten wir der Ratifizierung durch die Gemeinschaft nicht im Wege stehen. Unsere Zustimmung ist jedoch als höchst widerwillige Unterstützung eines Übereinkommens zu sehen, das nicht zufriedenstellen kann. Das Übereinkommen von 2006 ist alles andere als ein wirksames Instrument gegen den Verlust der Tropenwälder. Ein Beispiel: Als Ziel wird die Ausweitung des internationalen Handels genannt, bevor dann ein knappes Lippenbekenntnis zur Nachhaltigkeit folgt. Nicht dass das verwundern könnte, wenn man einen Blick auf die Abstimmungsregeln der zugehörigen Organisation, der ITTO, wirft: Die Stimmen der Erzeuger- und Abnehmerländer sind jeweils nach den Ausfuhr- bzw. Einfuhrmengen gewichtet. Anders formuliert: Bei allen schönen Reden über Nachhaltigkeit begünstigt das System letztlich doch wieder nur die Akteure mit den größten Handelsinteressen. Aus diesem Grund rufen wir in unserem Bericht die Kommission auf, schon jetzt mit den Vorbereitungen der nächsten Verhandlungsrunde zu beginnen, um wenigstens auf ein zufriedenstellendes Nachfolgeübereinkommen hinzuarbeiten. Voraussetzung für die Zustimmung des Parlaments über ein zukünftiges Übereinkommen ist eine radikale Neuausrichtung der Ziele des Übereinkommens – hin zum Schutz und zur nachhaltigen Bewirtschaftung der Tropenwälder. Der Handel mit Tropenhölzern darf nur noch in dem Umfang möglich sein, in dem er mit diesen Zielen vereinbar ist. Im Einzelnen erfordert dies Vorschläge der Kommission zu Finanzierungsmechanismen für Staaten, die zur Begrenzung ihrer Holzausfuhren bereit sind, sowie zu einer weitreichenden Änderung der Stimmrechte in der ITTO. Doch wir haben noch eine weitere Forderung an die Kommission: Mit dem sehnlich erwarteten Legislativvorschlag über zusätzliche Maßnahmen zur Bekämpfung illegaler Abholzung muss es endlich vorangehen. Schon zu Jahresbeginn war er in Vorbereitung, im Mai sollte er in der Kommission zur Abstimmung kommen, doch immer wieder kam es – wohl aufgrund des Drucks aus Lobbykreisen – zu Verzögerungen. Dabei hat das Parlament mehrmals breite Unterstützung signalisiert. Nach neuesten uns vorliegenden Informationen steht der Vorschlag nun am 15. Oktober im Kollegium der Kommissionsmitglieder zur Abstimmung an. Für eine Bestätigung wäre ich dankbar. Entwaldung ist ein Problem horrenden Ausmaßes, das dem gesamten Parlament Anlass zu Sorge ist. Ich appelliere mit Nachdruck an die Kommissionsmitglieder, sich ihrer Verantwortung zu stellen. Ein resolutes, vielversprechendes Signal der Kommission im Rahmen der heutigen Aussprache wäre zu begrüßen. Helmuth Markov, Verfasser. − (DE) Herr Präsident, Herr Kommissar, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich freue mich sehr, dass wir heute die Gelegenheit haben, über das internationale Tropenholzabkommen zu diskutieren. Mit Blick auf die Notwendigkeit, den Klimawandel zu bekämpfen, die biologische Vielfalt zu erhalten und die Rechte der indigenen Völker zu schützen, werden der Schutz und das nachhaltige Management der tropischen Wälder immer wichtiger. Dementsprechend gibt es im Ausschuss für internationalen Handel breite Unterstützung für das Konzept eines internationalen Übereinkommens. Dennoch, wie auch schon unsere Berichterstatterin Caroline Lucas sagte – und ich möchte ihr an dieser Stelle ganz herzlich Dank sagen für den wunderbaren Bericht –, gibt es einige Zweifel daran, ob dieses Abkommen ausreichen wird, um das Problem der Entwaldung tatsächlich ernsthaft anzugehen. 13 Millionen Hektar Tropenwälder werden pro Jahr abgeholzt, schätzungsweise 20 % der Treibhausgasemissionen sind darauf zurückzuführen. Die Tatsache, dass seit der Überweisung des Textes an das Parlament fast ein ganzes Jahr vergangen ist, bis das Abkommen nun im Plenum diskutiert wird, hat nichts damit zu tun, dass der Handelsausschuss diese Aussprache verzögern wollte oder der Fragestellung nicht die entsprechende Bedeutung beigemessen hat. Das ist vielmehr auf unsere Auffassung bzw. vor allem auf die Auffassung des Rechtsausschusses zurückzuführen, dass dieses Abkommen der Zustimmung des Parlaments bedarf und nicht nur eines Konsultativverfahrens. An dieser Stelle möchte ich insbesondere der Berichterstatterin, Frau Maria Panayotopoulos-Cassiotou, und dem Vorsitzenden des Rechtsausschusses, Herrn Giuseppe Gargani, für die klare und schnelle juristische Beratung zur Rechtsgrundlage danken. Angesichts der Stellungnahme des Rechtsausschusses hat sich Präsident Pöttering im Januar schriftlich an den Generalsekretär des Rates gewandt und dargelegt, dass dieses Abkommen aus unserer Sicht einen besonderen institutionellen Rahmen schafft und daher in Übereinstimmung mit Artikel 300 Absatz 3 Unterabsatz 2 EG-Vertrag die Zustimmung des Parlaments erfordert. Bedauerlicherweise dauerte es bis zum 23. Mai 2008, bis der Rat auf diesen Brief antwortete. Die Antwort – ganze vier Absätze – enthielt keinerlei

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rechtliche Argumentation und auch sonst keine Begründung für die Zurückweisung der Forderung des Parlaments. In diesem Zusammenhang verabschiedete der Handelsausschuss den Bericht von Caroline Lucas, die vorliegende mündliche Anfrage und die dazugehörige Entschließung, über die wir hier debattieren. Daher möchte ich nicht nur die Bedeutung des Abkommens selbst und der Bekämpfung des Klimawandels hervorheben, sondern die Frage der Rechte und Vorrechte des Parlaments. In den geltenden Verträgen werden dem Parlament im Bereich der internationalen Handelsverträge kaum rechtsgebende Kompetenzen zuerkannt, mit Ausnahme derjenigen Verträge, die eben unter Artikel 300 Absatz 3 Unterabsatz 2 fallen. Die Einrichtung eines solchen besonderen institutionellen Rahmens ist die häufigste Anwendungsgrundlage für diese Bestimmung im Vertrag, und sie liefert auch die Begründung der Anwendung des Zustimmungsverfahrens beim Abschluss der Wirtschaftspartnerschaftsabkommen zwischen der EU und den AKP-Staaten, der möglichen Abkommen mit Korea oder Indien sowie mit Südostasien, was wiederum von besonderer Bedeutung für den Kampf gegen die Entwaldung ist. Warum ist uns die Anwendung des Zustimmungsverfahrens so wichtig? Es geht darum, im Namen der europäischen Bürger eine parlamentarische Diskussions- und Kontrollfunktion auszuüben und den Abkommen damit größere Legitimität und öffentliche Anerkennung zu verleihen. Tatsächlich liegt es also gerade auch im Interesse des Rates und der Kommission, das Parlament hierbei als Mitgesetzgeber einzubeziehen. Angesichts des öffentlichen Interesses am Erhalt der biologischen Vielfalt und am Kampf gegen den Klimawandel habe ich die Hoffnung, dass die Kommission nun wenigstens unserer Forderung nachkommt, jährliche Berichte über die Umsetzung des Tropenholzabkommens sowie über seine Wechselwirkung mit bilateralen Übereinkommen vorzulegen. Jacques Barrot, Vizepräsident der Kommission. – (FR) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Lassen Sie mich zunächst Frau Lucas für ihren Bericht danken, der zeigt, wie dringend wir uns dem Problem der Zerstörung der Tropenwälder stellen müssen. Das 2006 unterzeichnete Übereinkommen ist trotz aller Mängel ein wichtiger Schritt in diese Richtung. Sein Inkrafttreten kann dem Anliegen, für das Sie, Frau Lucas, in Ihrem Bericht mit gutem Grund eintreten, nur zuträglich sein. Ökologische und gesellschaftliche Faktoren haben einen wesentlich höheren Stellenwert als noch beim vorherigen Übereinkommen aus dem Jahr 1994. Dass die Internationale Tropenholzorganisation (ITTO) im Alleingang der Übernutzung und illegalen Abholzung nicht beikommt, versteht sich von selbst. Allzu oft sind die Ursachen dieser Phänomene außerhalb der Forstwirtschaft zu suchen – man denke beispielsweise an den Druck zur zeitweiligen oder endgültigen Umwandlung von Waldflächen in landwirtschaftliche Nutzflächen, die relativ geringe Wirtschaftlichkeit des Waldbaus gegenüber anderen Formen der Landnutzung oder schlicht und einfach Armut. In dieser schwierigen Konstellation hat sich die ITTO zu einem der wichtigsten Akteure entwickelt, die sich mit praktischen Maßnahmen für eine nachhaltige Bewirtschaftung der Tropenwälder einsetzen. Dafür gebühren ihr die Unterstützung und Aufmerksamkeit der Gemeinschaft. Bezüglich der Rechtsgrundlage für den Abschluss des Übereinkommens entschied die Kommission nach einer neuerlichen Prüfung, an ihrer ursprünglichen Einschätzung festzuhalten, die vom Rat und den Mitgliedstaaten geteilt wird. Unser Hauptanliegen muss heute der Abschluss des Verfahrens sein, damit das neue Internationale Tropenholz-Übereinkommen im Jahr 2009 in Kraft treten kann. Sinnvoller, als noch einmal unsere rechtlichen Argumente darzulegen, ist es meines Erachtens, auf die übrigen Punkte des Berichts einzugehen und die zugehörige mündliche Anfrage von Herrn Markov zu beantworten. Erlauben Sie mir zunächst festzustellen, dass zwischen dem Internationalen Tropenholz-Übereinkommen und weiteren Vereinbarungen – wie beispielsweise dem Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen über Klimaänderungen, dem Übereinkommen über die biologische Vielfalt und den bilateralen Abkommen im Bereich „Rechtsdurchsetzung, Politikgestaltung und Handel im Forstsektor“ (FLEGT) – keinerlei formale Verbindung besteht. Die Unterschiede hinsichtlich der Unterzeichnerstaaten, des Inhalts, des Anwendungsbereichs und der Ausgestaltung sind erheblich. Informelle Wechselwirkungen zwischen diesen Übereinkommen entstehen, wenn Entwicklungen im Rahmen eines Prozesses den Anstoß zu Debatten und Initiativen in anderen Bereichen geben. Ein wesentlicher Faktor dabei ist die Fähigkeit der verschiedenen Prozesse zur Schaffung von Synergien. Im Rahmen all dieser Vereinbarungen aber verfolgt die Europäische Union ihr wesentliches Ziel: das enorme Potenzial des Handels für die Förderung einer nachhaltigen Entwicklung zum Tragen zu bringen. Beispielsweise können Handelsbeziehungen den Boden für multilaterale Übereinkommen oder Umweltvorschriften auf nationaler Ebene bereiten.

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Selbstverständlich ist die Kommission bereit, den Rat und das Parlament über die Tätigkeiten der ITTO zu unterrichten, doch möchte ich auch auf deren Jahresberichte verweisen. Diese können zunächst herangezogen werden, und bei Bedarf steht die Kommission gerne für weitere Auskünfte zur Verfügung. Zum FLEGT-Programm sei gesagt, dass in der Verordnung des Rates bereits ein Jahresbericht der Kommission über die Funktionsweise des Genehmigungssystems vorgesehen ist. So weit die Auskünfte, die ich Ihnen geben kann. Mein Kollege Herr Michel ist verhindert und kann heute Abend leider nicht teilnehmen. Einige seiner Mitarbeiter sind jedoch zugegen, und ich selbst bin in vollem Umfang befugt, ihn über den Verlauf dieser sicherlich hochinteressanten Aussprache zu unterrichten, zu einem Zeitpunkt, zu dem wir bereits die Entwicklung einer Reihe weiterer Länder, insbesondere afrikanischen Länder, in Betracht ziehen. Mein Dank gilt dem gesamten Parlament sowie Frau Lucas und Herrn Markov für ihren Einsatz in dieser Angelegenheit. Ich werde meine Aufmerksamkeit nun Ihren Wortmeldungen widmen. Georgios Papastamkos, Verfasser der Stellungnahme des mitberatenden Rechtsausschusses. − (EL) Herr Präsident! Herr Markov, der Vorsitzende des Ausschusses für internationalen Handel, erwähnte die rechtlichen Aspekte unseres heutigen Themas, als er in Vertretung von Frau Panayotopoulos-Cassiotou im Namen des Rechtsausschusses sprach. Wie Ihnen bekannt ist, gab der Rechtsausschuss in seiner Sitzung vom 19. Dezember 2007 eine Stellungnahme zur Rechtsgrundlage des Entschließungsantrags des Rates ab. Die von der Kommission eingebrachte Entschließung bezieht sich auf den Abschluss des Internationalen Tropenholz-Übereinkommens von 2006 im Namen der Europäischen Gemeinschaft. Als Rechtsgrundlage vorgesehen waren die Artikel 133 und 175 in Verbindung mit Artikel 300 Absatz 2 Unterabsatz 1 und Artikel 300 Absatz 3 Unterabsatz 1 des EG-Vertrags. Der Rechtsausschuss kam dagegen zu der Überzeugung, die Rechtsgrundlage sei dahingehend zu ändern, dass stattdessen auf Artikel 300 Absatz 3 Unterabsatz 2 verwiesen wird. Dies würde mit einer Änderung des Verfahrens einhergehen: Statt einer einfachen Stellungnahme des Parlaments wäre seine Zustimmung erforderlich. Trotz des abschlägigen Entscheids der Kommission, die auf ihrem ursprünglichen Standpunkt beharrt, hält der Rechtsausschuss an seinem Vorschlag einer Änderung der Rechtsgrundlage fest. Unseres Erachtens schafft dieses internationale Übereinkommen einen besonderen institutionellen Rahmen durch Einführung von Zusammenarbeitsverfahren. Zbigniew Zaleski, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – (PL) Herr Präsident, Herr Kommissar! Holz ist ein wertvoller Baustoff – gesund, praktisch, vielleicht nicht eben feuerbeständig, doch das tut der wachsenden Nachfrage keinen Abbruch. Kurz: Wir haben es mit einem begehrten, attraktiven Rohstoff zu tun, der für nicht wenige Länder das wichtigste Exportprodukt ist. Besonders groß ist das Interesse an tropischem Holz – Holz, also, das aus einem fest umrissenen geografischen Gebiet stammt. Der Handel damit aber ist bedauerlicherweise oft illegal – zum Schaden der Wälder und des gesamten Ökosystems. Wir stehen also vor einem Dilemma: Wie können wir unseren Bedarf an Baustoffen, und damit auch an Holz, mit dem Schutz der Tropenwälder vereinbaren? Wenn es uns nicht gelingt, die Nutzung der Waldflächen in einem vertretbaren, rationalen Rahmen zu halten, steuern wir schnurstracks auf eine Katastrophe zu – und zwar nicht nur in ökologischer, sondern auch in demografischer Hinsicht. Mit den Wäldern schwindet nämlich auch die Lebensgrundlage der Pflanzen, Tiere und Menschen. An internationalen Übereinkommen führt also kein Weg vorbei, wobei aber wohl der verantwortungsvolle Umgang mit den Holzbeständen im Mittelpunkt stehen muss. Andernfalls droht der Verlust eines wichtigen Elements unserer durch nichts zu ersetzenden natürlichen Umwelt. Statt Hüter dieser Erde zu sein, würden wir zu ihren Zerstörern. Mein Fazit ist: Alles in allem kann ich dem neuen Übereinkommen – in Anbetracht der Möglichkeit weiterer Verbesserungen – zustimmen. Immerhin trifft es zumindest ansatzweise Regelungen für einen freien und gerechten, oder „fairen“, Holzhandel und kann auch als Modell für Holz aus anderen Regionen dienen – etwa für Sibirien, von dem, Herr Kommissar, dieser Tage erstaunlich wenig zu hören ist, für das etwas stärker beachtete Amazonasgebiet oder für weitere gefährdete Regionen dieser Welt. David Martin, im Namen der PSE-Fraktion. – Herr Präsident! Lassen Sie mich gleich vorausschicken, dass die Sozialdemokratische Fraktion Caroline Lucas zu ihrem Bericht gratuliert, ihn vorbehaltlos unterstützt und sämtlichen Änderungsanträgen zustimmen wird.

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Ich begrüße, dass in der geänderten Fassung des Tropenholz-Übereinkommens größerer Wert auf nachhaltige Forstwirtschaft – beispielsweise durch Maßnahmen gegen illegale Abholzung – sowie auf die Sanierung und Erhaltung degradierter Waldflächen gelegt wird. Wie bereits gesagt wurde: Der Schutz der Tropenwälder ist unabdingbar nicht nur für den Erhalt der biologischen Vielfalt, sondern auch für die Bekämpfung des Klimawandels. Tropische Waldflächen sind, wie wir alle wissen, wichtige Kohlendioxidsenken, und ihre Rodung verursacht derzeit 20 % der globalen Kohlendioxidemissionen. Ich kann Frau Lucas also nur beipflichten: Wir müssen auf Änderungen des Übereinkommens hinwirken, damit gesellschaftliche und ökologische Belange tatsächlich Vorrang vor Handelsinteressen erhalten. Dass wir die Entwicklungsländer beim Schutz, der Sanierung und der nachhaltigen Bewirtschaftung ihrer Wälder unterstützen müssen, versteht sich von selbst. Im Übereinkommen sind zu diesem Zweck neben der Projektfinanzierung auch thematische Programme vorgesehen. Bleibt zu hoffen, dass wir uns im Rahmen dieser Programme – mit großzügiger finanzieller Unterstützung durch die Mitgliedstaaten – auf Aspekte wie verantwortungsvolle Regierungsführung und Armutsbekämpfung konzentrieren können. Wie Frau Lucas und Herr Markov bin ich enttäuscht, dass dem berechtigten Antrag des Parlaments auf Anwendung des Zustimmungsverfahrens nicht stattgegeben wurde. Hoffentlich können wir uns wenigstens darauf verlassen, dass uns die Kommission Jahresberichte mit Analysen – ich betone, Analysen – der Umsetzung des Übereinkommens vorlegen wird. Die eigenen Jahresberichte der ITTO, von denen wir eben gehört haben, sind ja schön und gut, aber wir möchten doch wissen, was die Kommission selbst dazu zu sagen hat. In bilateraler Hinsicht möchte ich das Abkommen mit Ghana erwähnen, das diesen Monat abgeschlossen wurde, um die Einfuhr illegal geschlagener Hölzer in die EU zu unterbinden. Zumindest auf dem Papier wäre damit grundlegenden Anforderungen der Walderhaltung – beispielsweise einer zuverlässigen Überwachung des Holzeinschlags durch die Regierung – Rechnung getragen. Derzeit werden jährlich nahezu 2 % der Waldflächen Ghanas gerodet. Wenn das Abkommen seinen Zweck erfüllt, verspricht es Vorteile für beide Seiten: In Ghana, dessen Regenwaldflächen durch illegalen Holzeinschlag in weniger als 50 Jahren um bis zu 25 % geschrumpft sind, eröffnet es der Holzwirtschaft – dem an den Gewinnen gemessen viertgrößten Wirtschaftszweig des Landes – neue Zukunftsperspektiven. Die Importeure der EU dagegen können angesichts des wachsenden Umweltbewusstseins der Verbraucher Holz aus Ghana als ökologisch unbedenklich auszeichnen. Bis zur vollständigen Umsetzung des Abkommens dürften wohl noch einige Jahre ins Land gehen, doch es ist ein aussichtsreicher erster Schritt. Pläne der Kommission, ähnliche Abkommen mit weiteren afrikanischen Ländern wie Gabun, Kamerun oder Liberia abzuschließen, kann ich daher nur begrüßen. Lassen Sie mich abschließend die Argumentation der Berichterstatterin aufgreifen: Das Übereinkommen ist ein bescheidener Anfang. Es ist besser als nichts, geht aber beileibe nicht weit genug. Weiter reichende Vorschläge der Kommission und der internationalen Gemeinschaft sind dringend erforderlich. Magor Imre Csibi, im Namen der ALDE-Fraktion. – Herr Präsident! Ich gratuliere der Berichterstatterin zu ihren Schlussfolgerungen, die ich voll und ganz unterstütze. Nach über 20 Jahren scheinen die Tropenholz-Übereinkommen nur wenig zur nachhaltigen Bewirtschaftung der Tropenwälder beigetragen zu haben. Nach Schätzungen der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen hat sich der Tropenwaldverlust allein zwischen 2000 und 2005 gegenüber den 1990er Jahren um 8,5 % beschleunigt. Umso bedauerlicher ist, dass die Parlamente und die Zivilgesellschaft – die als Fürsprecher der Nachhaltigkeit ein Gegengewicht zu den Handelsinteressen bilden könnten – nicht stärker in die Ausarbeitung dieser Übereinkommen einbezogen werden. In jedem Fall gilt es, die Übereinkommen – unabhängig von ihrem Wert an sich – in übergreifende Konzepte einzubinden. Jede einzelne Region muss sich ihrer Verantwortung stellen und entschlossen gegen die Entwaldung vorgehen. Wir Europäer mögen meinen, über wirksame Mechanismen für den Verbraucherschutz und die Wahrung der Biodiversität zu verfügen, doch die Realität spricht eine andere Sprache. Täglich treffen Unmengen von Holz und Holzerzeugnissen aus illegalem Einschlag in den Häfen der EU ein. Hat diese Ware erst einmal die Kontrollen eines Mitgliedstaats passiert, kann sie ohne weitere Prüfung ihrer Legalität in den übrigen 26 Mitgliedstaaten gehandelt werden. So werden europäische Verbraucher, die in gutem Glauben Möbel oder Baustoffe vermeintlich unbedenklichen Ursprungs kaufen, zu ahnungslosen Komplizen bei Verbrechen an der Umwelt.

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Bei der Eindämmung der illegalen Abholzung und des Handels mit illegal geschlagenen Holz kommt der EU – als führendem Importmarkt für Holz und angesichts ihrer Zusage, im Kampf gegen den Klimawandel die Entwaldung um die Hälfte zu reduzieren – eine besondere Verantwortung zu. Wenn wir gegen Entwaldung und illegalen Holzeinschlag wirklich etwas bewirken möchten, sollten wir zunächst einmal vor unserer eigenen Haustür kehren – nämlich mit einem europäischen Rechtsakt, der verhindert, dass Holz und Holzerzeugnisse aus illegalen Quellen in der EU in Verkehr gebracht werden. Leider kam es bei einem derartigen Legislativvorschlag immer wieder zu Verzögerungen – trotz einer EU-Entschließung vom Juli 2006 und einer Ankündigung im Rahmen des Arbeitsprogramms der Kommission vom Oktober 2007. Anlässlich der heutigen Aussprache bitte ich die Kommission daher um Auskunft über die Gründe für das Ausbleiben des Legislativpakets Wald. Des Weiteren appelliere ich an die Kommission, nunmehr dringend einen Vorschlag für einen Rechtsakt zu unterbreiten, der dafür sorgt, dass nur Holz und Holzerzeugnisse aus legalem Einschlag in der EU gehandelt werden kann. Es ist ein Jammer, wie viel Zeit bereits verschwendet wurde. Ich rufe die Kommission auf, die Ausarbeitung dieses so wichtigen Vorschlags zu beschleunigen, damit es noch vor Ende dieser Wahlperiode zu einer ersten Lesung kommen kann. Es kommt darauf an, die richtigen Signale zu setzen – und zwar zur richtigen Zeit. Wiesław Stefan Kuc, im Namen der UEN-Fraktion. – (PL) Herr Präsident, Herr Kommissar! Der Abschluss eines Internationalen Tropenholz-Übereinkommens ist gewiss ein bedeutender Schritt für den Schutz der Tropenwälder und einen zivilisierteren Handel mit bestimmten Holzarten. Formale Fragen aber sollten uns nicht den Blick auf das große Ganze verstellen. Die Bestimmung der Rechtsgrundlage und des Verfahrens – Stellungnahme oder Zustimmung – mag ja wichtig sein, aber dient sie auch unserem Ziel, nämlich der Erhaltung der Tropenwälder? Täglich werden Tausende Hektar Wald unwiederbringlich zerstört – und zwar nicht nur in den Tropen. Die verbleibenden Kahlflächen sind anfällig für Sumpf- oder Wüstenbildung. Aufforstung kann zumindest kurzfristig gegen den Waldverlust nichts ausrichten. Armen Ländern Afrikas, Amerikas und Asiens fehlt es ganz einfach an den nötigen Mitteln, um sich diesem Raubbau entgegenzustellen und ihre Wälder verantwortungsvoll zu bewirtschaften. Auch um die Waldflächen Sibiriens ist es schlecht bestellt. Weltweit sind Baumbestände ungeschützt, und es mangelt an Respekt für den Rohstoff Holz. Je ärmer das Land, desto prekärer die Lage. Im Zuge der chinesischen Kulturrevolution wurden ungezählte Quadratkilometer Wald zerstört. Holz ist eine primäre Energiequelle. All dies lässt dem Internationalen Tropenholz-Übereinkommen eine enorme Bedeutung zukommen. Vergessen wir nicht, dass der technische Fortschritt – etwa in Form moderner Maschinen für die Fällung und Rückung des Holzes – die Entwaldung noch beschleunigt und dass Holz aus illegalem Einschlag preisgünstiger und damit für den Handel attraktiver ist. Jede geschlossene Regelungslücke im Handel, jedes zusätzliche Hindernis, jeder Herkunftsnachweis und jede Kontrollmaßnahme sind ein kleiner Erfolg. Hoffen wir, dass das Übereinkommen bald seiner Rolle gerecht wird. Margrete Auken, im Namen der Verts/ALE-Fraktion. – (DA) Herr Präsident! Ich möchte Frau Lucas für ihren ausgezeichneten Bericht danken. Es herrscht breite Übereinstimmung, dass es ein Skandal ist, wie in der EU mit Tropenholz gehandelt wird. Wie heute Abend bereits wiederholt gesagt wurde: Wir sind es leid, große Reden zu hören, auf die dann keine Taten folgen! Hoffentlich hört die Kommission die vielen Stimmen, die sie aufrufen, nach Kräften zu einer besseren Zukunft beizutragen. Schon allein die Unmengen illegalen Holzes, die in der EU gehandelt werden, sind ein Hohn. Bei jedem anderen Produkt würde man von Hehlerei sprechen. Die Idee der freiwilligen Kennzeichnung erscheint mir recht absonderlich. Unrecht muss geahndet werden, auch innerhalb der EU. Nicht Produktkennzeichnungen, sondern Verbote sind das probate Mittel. Ich denke, die meisten Menschen dürfte es verwundern, dass illegal geschlagenes Holz in der EU überhaupt noch legal zu erwerben ist. Zugegeben: Zertifizierung ist besser als nichts. Auch der Einfluss, den große Holzunternehmen auf Legislativvorschläge – oder, genauer gesagt, den Mangel daran – in der EU nehmen können, ist empörend. Einige der schlimmsten Übeltäter stammen aus meinem eigenen Land, Dänemark. Den Aufruf der Berichterstatterin an die Kommission, schon jetzt eine Überarbeitung des internationalen Übereinkommens einzuleiten, kann ich daher nur begrüßen. Darüber hinaus gibt es auch auf EU-Ebene einiges zu tun. Wir müssen endlich zielgerichteter handeln. Schlechte Regierungsführung und Korruption in den Erzeugerländern haben sicherlich einen großen Anteil an dem Problem. Wichtiger aber ist noch – wie wiederholt gesagt wurde – die Nachfrageseite. Wir dürfen sie nicht länger außer Acht lassen.

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Die EU muss sich ihrer Verantwortung als einer der weltweit größten Importmärkte für Holz stellen. Wir benötigen wirksame Rechtsinstrumente, um sicherzustellen, dass alle in der Gemeinschaft gehandelten Holzprodukte – auch verarbeitete Erzeugnisse – legalen und nachhaltigen Ursprungs sind. Das öffentliche Auftragswesen können wir jetzt gleich in Angriff nehmen. Es gibt keine vertretbare Alternative. Jens Holm, im Namen der GUE/NGL-Fraktion. – (SV) Herr Präsident! Die Zerstörung der Tropenwälder schreitet ungebremst fort. 13 Millionen Hektar pro Jahr oder ein Fußballfeld pro Sekunde – das ist das Tempo, in dem die Waldflächen dieser Welt pro Jahr verschwinden. Obwohl wir das erste Internationalen Tropenholz-Übereinkommen immerhin schon vor 20 Jahren abgeschlossen haben, scheinen wir diesen Prozess nicht verhindern zu können. Und dennoch: Das jüngste, 2006 unterzeichnete Übereinkommen – obschon dürftig und zu weit gefasst – bietet uns immerhin einen Angriffspunkt. Frau Lucas hat dieses Thema in den Mittelpunkt gerückt. Ihre hochwillkommenen Änderungsanträge versprechen einen wirksameren Schutz der Tropenwälder. In diesem Zusammenhang aber drängt sich mir eine Frage an die Kommission auf. Frau Lucas sagte in ihrer Einführung, dass das gesamte Europäische Parlament sehnlich auf einen Legislativvorschlag der Kommission zur Bekämpfung illegaler Abholzung wartet. Ja, wo bleibt denn nun dieser Vorschlag zu illegaler Abholzung? Ist es richtig, dass die Kommission bereits im Mai dieses Jahres darüber abstimmte? Wie kommt es dann, dass wir ihn noch nicht zu Gesicht bekommen haben? In Ihrer Rede war davon nichts zu hören, doch das Parlament verlangt Auskunft. Was ist aus dem Legislativvorschlag geworden? Bitte klären Sie uns auf. Im Übrigen möchte ich Frau Lucas danken, dass sie die Problematik des Holzhandels akzentuiert hat. Ist es denn wirklich nötig, immense Waldflächen abzuholzen und den Ertrag zu exportieren? Mein eigenes Land, Schweden, ist der EU-Mitgliedstaat mit dem höchsten Waldanteil. Gleichzeitig aber importieren wir ein Sechstel unseres Holzbedarfs. Warum? Die Antwort drängt sich auf: Weil Holz auf dem Weltmarkt zu Spottpreisen gehandelt wird. Frau Lucas möchte das nicht länger hinnehmen. Ihren Vorschlag, die EU solle Länder, die Strategien zum Schutz ihrer Tropenwälder einführen, unterstützen, finde ich ausgezeichnet. Erwähnt wird in ihrem Bericht auch die Möglichkeit, Handelsabkommen an Bedingungen zu knüpfen, um europäische Importeure und einheimische Erzeuger in die Pflicht zu nehmen und internationalen Übereinkommen Geltung zu verschaffen. Dahinter steckt ein einfacher Gedanke: den internationalen Handel als Instrument für Nachhaltigkeit und Entwicklung weltweit zu nutzen. Doch noch ein weiterer, kaum beachteter Faktor spielt bei der Entwaldung eine Rolle: die Fleischwirtschaft. Ein Großteil des weltweiten Bedarfs an Fleischwaren und Futtermitteln wird aus ehemaligen Waldflächen gedeckt. Viehzucht ist eine der Hauptursachen für Waldverlust im Amazonasgebiet. Rajendra Pachauri, Vorsitzender der UN-Sachverständigengruppe über Klimaänderungen, rief unlängst zu einer Reduzierung des Fleischkonsums auf – mit gutem Grund. Daraus ergibt sich eine weitere Frage an die Kommission: Wann können wir mit einer Strategie zur Verringerung des Fleischverzehrs rechnen? Abschließend kann ich Frau Lucas – wie in meiner Rede bereits angeklungen ist – in den meisten Punkten nur recht geben. Die Fraktion der Vereinigten Europäischen Linken unterstützt ihren ausgezeichneten Bericht. Maciej Marian Giertych (NI). – (PL) Herr Präsident! Dass die bestehenden internationalen Übereinkommen zum Schutz tropischer Gehölze unzureichend sind, hat sich deutlich gezeigt. Die genetischen Ressourcen der Tropenwälder schrumpfen in erschreckendem Ausmaß. Grund ist die Übernutzung durch den Menschen. Hierfür wiederum gibt es zwei Ursachen. Die erste ist der nach wie vor große Markt für bestimmte Tropenhölzer in den Industrieländern. Immer gezielter werden die betreffenden Bäume identifiziert und gefällt. Gleichzeitig sind die Möglichkeiten, sie unter kontrollierten Bedingungen anzupflanzen, gering, da es an den nötigen züchterischen Kenntnissen fehlt. Ihre Samen weisen in der Regel keine Keimruhe auf. Mit anderen Worten: Sie lassen sich nicht lagern und transportieren, sondern keimen, sobald sie vom Baum fallen. Die Saatgutproduktion, Anpflanzung und Baumschulwirtschaft für diese vom Aussterben bedrohten Baumarten müssen dringend besser erforscht werden. Finanzieren können wir dies, indem wir den Handel mit solchen Hölzern mit Abgaben belegen. Die zweite Ursache ist die Übernutzung der Waldbestände – Bäume wie Unterholz – durch die einheimische Bevölkerung, beispielsweise zur Brennholzgewinnung oder Nahrungsmittelzubereitung. Diesem Problem können wir nur Einhalt gebieten, wenn wir den Menschen alternative Brennstoffe erschließen. Georgios Papastamkos (PPE-DE). – (EL) Herr Präsident! Der Abschluss des Internationalen Tropenholz-Übereinkommens von 2006 ist eine hocherfreuliche Entwicklung. 180 Regierungen von Erzeuger- und Abnehmerländern sowie internationale Organisationen haben damit einen Konsens gefunden.

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An der Wichtigkeit der Ziele des Übereinkommens kann kein Zweifel bestehen. Man denke nur an die Schäden, die Entwaldung und illegaler Holzeinschlag anrichten – insbesondere im Hinblick auf den Treibhauseffekt. Politische Maßnahmen der Erzeugerländer, die auf eine nachhaltige Bewirtschaftung der Tropenwälder gerichtet sind, müssen daher dringend unterstützt werden. Die Fähigkeit dieser Länder, Forstgesetze durchzusetzen und illegale Abholzung zu bekämpfen, gilt es zu stärken. Äußerst wichtig ist es natürlich auch, ausreichende Mittel aufzubringen, damit die Ziele des Übereinkommens erreicht werden können. Zudem muss die EU dafür sorgen, dass auf dem europäischen Markt ausschließlich Tropenhölzer legalen Ursprungs eingeführt und gehandelt werden. Informations- und Sensibilisierungskampagnen für Verbraucher sind ebenfalls von Bedeutung. Eine Frage sollten wir uns jedoch stellen: Werden wir allein auf freiwilliger Basis weiterkommen, oder bedarf es nicht doch rechtsverbindlicher Regelungen, um unser Hauptziel – einen rechtmäßigen Handel mit Tropenholz – zu erreichen? Wie dem auch sei: Nicht nur auf multilateraler, sondern auch auf bilateraler Ebene müssen wir auf dieses Ziel hinarbeiten, beispielsweise im Rahmen des FLEGT-Programms und laufender Verhandlungen über Handelsabkommen – oder genauer gesagt Freihandelsabkommen. Das unlängst unterzeichnete Abkommen zwischen der EU und Ghana ist ein gutes Beispiel einer solchen bilateralen Zusammenarbeit. Francisco Assis (PSE). – (PT) Herr Präsident! Wir haben es hier mit einem typischen Fall zu tun, in dem Bestrebungen, den internationalen Handel zu liberalisieren, vor übergeordneten Zielen – hier ökologischer und sozialer Natur – zurückstehen müssen. Wir müssen die Tropenwälder erhalten, um das ökologische Gleichgewicht unseres Planeten zu wahren. Ohne Übertreibung lässt sich sagen, dass die Tropenwälder ein gemeinsames Gut der Menschheit sind, für dessen Schutz wir alle Verantwortung tragen. In besonderem Maße aber stehen wir als reichere, weiter entwickelte Länder in der Pflicht. Wir können uns nicht einfach aus der Affäre stehlen. Der Großteil der Tropenwälder befindet sich in armen Ländern, Ländern, die mit erheblichen Schwierigkeiten konfrontiert sind. Mit schönen Worten werden wir nicht weit kommen. Wir müssen gezielt ihre Entwicklung fördern. Unterstützung für die Erzeugerländer ist also unerlässlich. Die wichtigsten Abnehmer- und Industrieländer, zu denen die Europäische Union zweifellos zählt, müssen einerseits umfassende Kontrollmechanismen für die Nutzung der Waldbestände vorsehen, andererseits aber konkrete Hilfszusagen gegenüber den Erzeugerländern machen. Die Erzeugerländer sind auf die Tropenwälder angewiesen. Ihre Volkswirtschaften sind in hohem Maße mit ihnen verwoben. Die rapide Entwaldung wird für beide Seiten dramatische Folgen haben: Wir als Abnehmerländer sind auf eher globaler Ebene – in ökologischer Hinsicht – betroffen, die Erzeugerländer aber ganz konkret in wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Hinsicht. Im Extremfall kann sogar ihr Überleben auf dem Spiel stehen. Wir müssen daher alle uns verfügbaren Mittel einsetzen. Diese Länder benötigen Hilfe bei ihrer Entwicklung und bei der Anpassung ihrer Produktionsstruktur, damit sie ihre Wälder und ihre Ressourcen auf eine Weise einsetzen können, die ihren Interessen wie auch den globalen Interessen der Menschheit besser gerecht wird. Wir müssen ihnen mit geeigneten Maßnahmen zur Seite stehen. Dies ist die Verantwortung der Europäischen Union. Das Übereinkommen ist ein Schritt in die richtige Richtung, wenn es auch hinter den Anforderungen zurückbleibt. Der Bericht zeigt klar seine Mängel auf, eröffnet jedoch auch Zukunftsperspektiven. Jean-Claude Martinez (NI). – (FR) Herr Präsident! Heute Abend Tropenholz, ebenfalls diese Woche die Finanzkrise, grassierende Pandemien, Migrationsströme, die Nahrungsmittelkrise ... Das Fazit ist immer dasselbe: Wir stehen vor globalen politischen Herausforderungen, die eine globale politische Reaktion erfordern. A priori ficht natürlich niemand das Recht Indonesiens an, über seine Wälder frei zu verfügen und so viel Ölpalmen wie es nur wünscht anzupflanzen. Ähnlich verhält es sich mit Brasilien, das seine Wälder lieber mit Weideland für Rinder ersetzt, ähnlich wie in Gabun. Es scheint jedoch, dass die Ausübung dieser staatlichen Hoheitsrechte erheblichen Schaden außerhalb des jeweiligen Staatsgebiets anrichtet. Entwaldung, Armut, Aussterben von Tier- und Pflanzenarten, Überflutung des Weltmarkts mit billigem Holz: All dies zieht schwerwiegende globale Folgen nach sich. Wir aber können nicht einfach auf dem Prinzip beharren, dass der Verursacher für den Schaden aufkommen muss, sondern wir benötigen eine rechtliche Handhabe. Was also tun? Wo beginnen? Was ist von einem europäischen Zertifizierungssystem für Holz aus fairem Handel zu halten, ähnlich wie wir es bereits vom Kaffee kennen? Von bilateralen Handelsabkommen? Sicherlich sind das wichtige erste Schritte, doch wir benötigen eine globale Lösung. Multilaterale Übereinkommen

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alleine reichen nicht, denn auch der Beitrag der Menschen in den Gemeinden vor Ort – Afrikaner, Lateinamerikaner, Asiaten – muss gewürdigt werden. Aus diesem Grund, Herr Präsident, müssen wir uns den anstehenden Problemen auf weltpolitischer Ebene stellen und neue Konzepte und Modelle entwickeln, um das Leben auf unserem Planeten zu erhalten. Der Präsident. – Vielen Dank, Herr Martinez, für Ihr transnationales Plädoyer! Corien Wortmann-Kool (PPE-DE). – (NL) Herr Präsident! Auch ich möchte Frau Lucas und auch Herrn Zaleski für den Einsatz danken, mit dem sie diese Entschließung in die Wege geleitet haben. Leider sind in Europa nach wie vor große Mengen von illegal oder nicht nachhaltig geschlagenem Holz im Handel. Der Aktionsplan FLEGT der Europäischen Kommission aus dem Jahr 2003, der speziell den Handel mit illegal geschlagenem Holz in Europa unterbinden sollte, hat kaum Wirkung gezeigt. Daher ist es besonders bedauerlich, dass die neuen Vorschläge der Kommission noch immer auf sich warten lassen. Nach wie vor scheint sich illegaler Handel auszuzahlen. Die Importeure kommen in der Regel ungeschoren davon, Sanktionen sind nicht vorgesehen. Verantwortungsbewusste Importeure dagegen, die auf Umwelt- und Sicherheitsstandards Wert legen, zahlen buchstäblich einen hohen Preis, da sie mit den wesentlich günstigeren Preisen des weitverbreiteten illegalen Handels konkurrieren müssen. Indes hat die Holzwirtschaft selbst einige vielversprechende Initiativen ergriffen, darunter die Kennzeichnung ihrer Erzeugnisse. Unsere Aufgabe ist es, sie mit verbindlichen Rechtsvorschriften im Rahmen der WTO zu unterstützen. Aus diesem Grund plädiere ich für die Anerkennung bestehender Kennzeichnungssysteme, die von der Branche und von Nichtregierungsorganisationen ins Leben gerufen wurden. Die von Frau Lucas vorgeschlagene Schaffung einer europäischen Einrichtung, die mit einigem bürokratischen Aufwand verbunden wäre, halten wir dagegen für unnötig. Selbstverständlich muss der illegale Holzeinschlag auch vor Ort in den betroffenen Ländern bekämpft werden. Daneben aber erwarten wir von der Kommission einen Vorschlag über Sanktionen, die insbesondere eine abschreckende Wirkung auf Importeure ausüben müssen. Wenn wir nicht andere Saiten gegen den illegalen Handel aufziehen, ist zu befürchten, dass er sich auch künftig auszahlen wird. Dem müssen wir uns mit aller Macht entgegenstellen. Rovana Plumb (PSE). - (RO) Auch ich möchte Frau Lucas und all ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für diesen gelungenen Bericht danken. Meines Erachtens wird das Internationale Tropenholz-Übereinkommen durchaus einen Beitrag zur nachhaltigen Bewirtschaftung unserer Wälder leisten, die bereits zu 80 % zerstört oder beschädigt sind. Wie wir alle wissen, sind Wälder ein Hort der Artenvielfalt und spielen eine entscheidende Rolle im Kampf gegen den Klimawandel. Die Einfuhr preisgünstiger Hölzer und Holzerzeugnisse im Rahmen freiwilliger Regelungen führt zu Ungleichgewichten auf dem Weltmarkt und dem Verlust von Arbeitsplätzen in den Ausfuhr- wie auch den Einfuhrländern. Daher sei es noch einmal gesagt: Wir benötigen Rechtsinstrumente, um unsere Wälder – nicht nur in den Tropen, sondern überall auf der Welt – zu schützen und den illegalen Holzeinschlag einzudämmen. Ich begrüße die Änderungen am Übereinkommen und erwarte von der Kommission Jahresberichte zu seiner weiteren Entwicklung. Béla Glattfelder (PPE-DE). - (HU) Wir können nur hoffen, den Klimawandel aufzuhalten, wenn wir auch gegen die Entwaldung vorgehen. Was bringen europäische Umweltschutzmaßnahmen, wenn wir gleichzeitig die Zerstörung der Umwelt in anderen Teilen der Welt in Kauf nehmen? Mit der Globalisierung und Liberalisierung des internationalen Handels geht eine Umweltzerstörung globalen Ausmaßes einher. Nur drastische Umweltbestimmungen als Ergänzung zu den WTO-Regeln können dieser Entwicklung Einhalt gebieten. Ein Verbot des Handels mit illegal geschlagenem Holz wird nicht ausreichen – auch daraus gefertigte Erzeugnisse, wie etwa Möbel, gehören auf die „schwarze Liste“. Allzu viele scheinen noch zu glauben, die Einfuhr billiger Möbel aus China habe mit dem Verlust unserer Wälder nichts zu tun. Der Bericht ist ein Schritt in die richtige Richtung, doch angesichts des Zustands unseres Planeten werden wir künftig noch härter durchgreifen müssen. Bis zur Einführung strengerer Regelungen können wir nur an internationale Möbelkonzerne wie IKEA appellieren, auf freiwilliger, transparenter Basis auf den Handel mit Ware aus illegal geschlagenem Holz zu verzichten. Zum Schluss sei gesagt, dass Entwaldung nicht nur mit dem Holz- und Möbelhandel, sondern auch mit dem Anstieg der Agrarpreise und der Nachfrage nach Biokraftstoffen in Verbindung steht. Wenn wir nicht Biokraftstoffe, die mit Entwaldung in Verbindung stehen, aus dem Verkehr ziehen, müssen wir uns im Klaren sein, dass jede Tankfüllung zum Verlust einiger Quadratmeter Regenwald beiträgt.

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Zuzana Roithová (PPE-DE). – (CS) Herr Präsident! Der Zustand der tropischen Regenwälder, die an der Biosphäre unseres Planeten wesentlichen Anteil haben, gibt seit mehreren Jahren Anlass zu Sorge. Es ist ein skrupelloser Raubbau im Gang, vor dem wir nicht länger die Augen verschließen können. Leider aber scheinen europäische Rechtsvorschriften gegen die illegale Abholzung von Tropenwäldern blockiert zu sein, während verlautet, dass jährlich 13 Millionen Hektar Primärwald zerstört werden. Wie sich dies auf die CO2-Emissionen auswirkt, brauche ich nicht näher zu erläutern. Die Forderung, den Umweltschutz in die gemeinsame Handelspolitik der EU einzubinden, unterstütze ich voll und ganz. Auch einen weiteren wichtigen Punkt aus dem Bericht Lucas, die Unterrichtung der Öffentlichkeit über die verheerenden Folgen der Entwaldung, kann ich nur begrüßen. Übereinkommen dieser Art sollten vom Europäischen Parlament ratifiziert werden, und Berichte der Kommission zur Umsetzung des Übereinkommens und zur Entwaldung sollten Gegenstand jährlicher Aussprachen in diesem Haus sein. Aufhalten können wir den Klimawandel nicht mehr, doch es ist unsere Pflicht, ihn zumindest zu bremsen. Das Übereinkommen ist bei all seinen Mängeln ein Schritt in die richtige Richtung. Czesław Adam Siekierski (PPE-DE). – (PL) Angesichts der Begeisterung des geeinten Europas für Umweltslogans ist es schon etwas verwunderlich, dass die fortschreitende Zerstörung der Primärwälder so wenig Beachtung findet. Hauptursache dieser Entwicklung ist eine profitorientierte Waldbewirtschaftung, die in erster Linie auf den Tropenholzhandel ausgerichtet ist. Nahezu 80 % der Primärwaldflächen sind ihr bereits zum Opfer gefallen. Was kann die EU tun? Zunächst einmal gilt es, die finanzielle Unterstützung für die Erzeugerländer aufzustocken, um den illegalen Holzeinschlag einzudämmen und eine nachhaltige Forstwirtschaft zu fördern. Auch die Einrichtung eines Holzkennzeichnungssystems für den europäischen Markt ist eine vielversprechende Idee. Nach offiziellen Angaben haben die Holzeinfuhren der EU nur einen geringen Anteil an der Gesamtproduktion. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass große Holzmengen bereits in verarbeitetem Zustand in Europa eingeführt werden. Vergessen wir nicht: Der Kampf für den Erhalt der verbleibenden Primärwaldflächen ist letztlich auch ein Kampf für die Lebensgrundlage künftiger Generationen. Jacques Barrot, Vizepräsident der Kommission. – (FR) Herr Präsident! Mein Dank gilt allen Rednerinnen und Rednern. Zunächst einmal möchte ich Ihnen das Ziel des Übereinkommens von 2006 ins Gedächtnis rufen: Gefördert werden sollen die Ausweitung des internationalen Handels mit legal geerntetem Tropenholz aus nachhaltig bewirtschafteten Wäldern sowie die nachhaltige Bewirtschaftung von holzerzeugenden Tropenwäldern. Erwähnenswert ist zudem, dass es sich derzeit um das einzige internationale Instrument auf multilateraler Ebene handelt, das einen rechtlichen Rahmen für Waldflächen schafft. Dabei geht es insbesondere um Tropenwälder – andere Waldarten werden nur am Rande und indirekt berührt. Mit dem Übereinkommen wird – dies ist ebenfalls interessant – ein Rahmen der Zusammenarbeit geschaffen, der sämtliche Initiativen im Bereich der Forstwirtschaft umfasst. Selbstverständlich hat sich die Kommission eine aktive Rolle zugedacht. Die Gemeinschaft wird sich am Verwaltungshaushalt des Übereinkommens beteiligen, und auch im Rahmen der thematischen Programme sollen groß angelegte Maßnahmen finanziert werden. Die bilateralen Abkommen im Rahmen des FLEGT-Programms aber wollen wir deswegen nicht zurückschrauben – ganz im Gegenteil! Sie hatten völlig recht, diesen Punkt hervorzuheben. Vielmehr möchten wir in diesen bilateralen Abkommen nach und nach einen globaleren Ansatz verwirklichen und den Grundsatz eines verantwortungsvollen Umgangs mit Tropenholz verankern. Um nun aber zum internationalen Übereinkommen zurückzukehren: Ich kann nicht leugnen, dass es sich, wie ein Redner sagte, um einen „bescheidenen Anfang“ handelt. Auf dieser Grundlage aber können wir eine Strategie aufbauen, die wesentlich größere Wirkung als unsere bisherigen Anstrengungen zeigen dürfte. Der Rechtsakt über den illegalen Holzeinschlag und die FLEGT-Durchführungsverordnung – um Ihre diesbezüglichen Fragen zu beantworten – sind prinzipiell für den Monat Oktober vorgesehen. Ich meine, dass die Kommission damit den von Ihnen geäußerten Erwartungen gerecht werden kann. Nun bleibt mir nur noch, Frau Lucas und natürlich auch Herrn Markov, dem Verfasser der Anfrage, erneut meinen Dank auszusprechen. Selbstverständlich werde ich all Ihre Bemerkungen und die Positionen, die zum Ausdruck kamen, gewissenhaft weiterleiten. Wir haben es, wie Sie alle sagten, mit einem gewichtigen Thema zu tun. Wälder sind ein gemeinsames Erbe der Menschheit, von dem unsere Zukunft abhängt. Besonders gefallen hat mir die Wendung „Hort der Artenvielfalt“. In der Tat: Es geht um die Lebensgrundlage ungezählter Tier- und Pflanzenarten.

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Die Erhaltung unserer Wälder ist ein wahrhaft großes Vorhaben. Die Zukunft unseres gesamten Planeten steht auf dem Spiel. Daher bin ich dem Europäischen Parlament für sein Engagement zu Dank verpflichtet. Im Rahmen der Kommission, so hoffe ich, werden wir nach und nach all Ihre Erwartungen erfüllen können – Erwartungen, von deren Bedeutung und Brisanz ich mich heute aus erster Hand überzeugen konnte. Ich danke abermals Ihnen allen und insbesondere der Berichterstatterin. Caroline Lucas, Berichterstatterin. − Herr Präsident! Ich danke all meinen Kolleginnen und Kollegen für ihre Bemerkungen und ihre Unterstützung. Mit Herrn Barrot aber habe ich noch ein paar Worte zu reden. Ich hoffe, Sie haben die Ungeduld und Frustration in den Reden dieses Abends gehört – die Unzufriedenheit über die endlosen Verzögerungen bei dem Legislativvorschlag über die Bekämpfung des illegalen Holzeinschlags. Bitte informieren Sie die Kommission, dass die lange Wartezeit für das Europäische Parlament nicht mehr hinnehmbar ist. Es ist mir unbegreiflich, dass Sie die einfache Frage nach einem Termin für diesen Vorschlag, die Ihnen von den Rednerinnen und Rednern dieses Abends zumindest dreimal gestellt wurde, nicht beantworten konnten. Auch die Öffentlichkeit dürfte es, gelinde gesagt, verwundern, dass es der EU nicht einmal gelingt, ihr eigenes Haus in Ordnung zu halten. Wir lassen uns gern über die Vorreiterrolle aus, die wir meinen, für die Welt übernehmen zu können. Jetzt können wir demonstrieren, dass es uns damit ernst ist – indem wir verhindern, dass Holz aus illegalen Quellen in die EU eingeführt und auf unserem Markt gehandelt wird. Das Parlament erwartet ein wesentlich zielstrebigeres Vorgehen. Während ich das Wort habe, möchte ich noch einen weiteren Punkt zur Sprache bringen. Immer wieder wurde die Verbindung zwischen Entwaldung und Klimawandel erwähnt. Gestatten Sie mir daher eine abschließende Bemerkung zum Klimapaket, über das wir in den kommenden Wochen abstimmen werden. Wie Sie wissen, ist Entwaldung ein wichtiges Thema im Zusammenhang mit dem Emissionshandelssystem. Die sogenannten Senkengutschriften aber gehören nicht in dieses System, und ich appelliere an Sie, sich nicht von Gegenargumenten überzeugen zu lassen. Gerade heute nannten wir in einer Aussprache zur Mittagszeit zahlreiche Gründe, die gegen die Aufnahme der Forstwirtschaft in den Emissionshandel sprechen – nicht zuletzt, dass das System dadurch hoffnungslos überlastet würde. Insbesondere in den Bereichen Überprüfung, Überwachung, Berichterstattung und Haftung wäre mit erheblichen Problemen zu rechnen. Dass Entwaldung ein wesentlicher Aspekt des Klimapakets ist, steht außer Frage. Unseres Erachtens aber können wir diesem Problem am besten gerecht werden, indem wir Einkünfte aus Versteigerungen sinnvoll in den betroffenen Ländern investieren. Herr Kommissar, bitte sorgen Sie dafür, dass die EU diesen Herbst in Sachen Waldverlust endlich Nägel mit Köpfen macht! Versprechen Sie uns, dass Ihr Vorschlag so schnell wie irgend möglich vorliegen wird. Jacques Barrot, Vizepräsident der Kommission. – (FR) Hat mich Frau Lucas vielleicht nicht gehört? Ich meine doch, klar geantwortet zu haben. Ich habe einen Vorschlag für Oktober angekündigt. Liegt es vielleicht an der Verdolmetschung? Oder an meiner Ausdrucksweise? Es ist mir wichtig, diesen Punkt klarzustellen, denn ich bin es gewohnt, dem Parlament zuzuhören. Auf die Gefahr hin, die Ungeduld dieses Hauses auf mich zu ziehen: Ich erwähnte bereits vor einigen Minuten den Monat Oktober. Der Präsident. – Gut, Oktober, das ist ja schon nächste Woche. Bis nächste Woche also! Ich danke Ihnen. Zum Abschluss der Aussprache habe ich gemäß Artikel 108 Absatz 5 der Geschäftsordnung einen Entschließungsantrag im Namen des Ausschusses für internationalen Handel erhalten(1). Die Aussprache ist geschlossen. Die Abstimmung erfolgt morgen. Schriftliche Erklärungen (Artikel 142) Péter Olajos (PPE-DE), schriftlich. – (HU) Es kann kein Zweifel mehr daran bestehen, dass die Rodung und Zerstörung unserer Wälder mit dem Klimawandel und dem Verlust der Biodiversität in Verbindung steht. Einige Zahlen: Die Abholzung liegt derzeit bei 13 Millionen Hektar weltweit und ist die drittgrößte Quelle von Treibhausgasemissionen. Der illegale Holzeinschlag führt zu Erosion, entzieht der einheimischen Bevölkerung die Lebensgrundlage und verursacht den Holz erzeugenden Ländern Verluste in Höhe von 10 bis 15 Milliarden Euro jährlich. (1)

Siehe Protokoll.

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Selbstverständlich begrüße ich den Abschluss eines Internationalen Tropenholz-Übereinkommens, doch am Ziel können wir uns damit noch längst nicht wähnen. Stattdessen benötigen wir einen umfassenderen Ansatz, der auch Wälder in gemäßigten Zonen – zumindest aber in der Europäischen Union – mit einbezieht, einen Ansatz, der die Legalität der Holzerzeugnisse von der Fertigung über die gesamte Vertriebskette gewährleistet. Nur mit einem solchen Übereinkommen können wir hoffen, wirklich etwas für den Schutz der Wälder und eine nachhaltige Holzwirtschaft zu bewirken. Natürlich sehe ich die Dinge realistisch. Gerade einmal ein Viertel der Mitglieder dieses Hauses hat die Erklärung unterzeichnet, an deren Formulierung ich und einige andere Kollegen im Frühjahr und Sommer dieses Jahres beteiligt waren. Dennoch rechne ich damit, dass die Debatte über die Tropenwälder unsere Aufmerksamkeit früher oder später auch auf Europa lenken wird. Zu hoffen bleibt, dass das Übereinkommen über Tropenholz die Kommission zu einem Legislativvorschlag bewegt, der sicherstellt, dass nur Holz und Holzerzeugnisse legalen Ursprungs in die EU eingeführt werden.

16. Änderung von Artikel 121 GO (Aussprache) Der Präsident. – Als nächster Punkt folgt der Bericht (A6-0324/2008) von Costas Botopoulos im Namen des Ausschusses für konstitutionelle Fragen über die Änderung von Artikel 121 der Geschäftsordnung des Europäischen Parlaments (2007/2266(REG)). Costas Botopoulos, Berichterstatter. − (EL) Herr Präsident! Der vorliegende Berichtsentwurf betrifft die Änderung von Artikel 121 der Geschäftsordnung des Europäischen Parlaments über Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof. In der vorliegenden Fassung bezieht sich der Artikel ausschließlich auf Klagen, die das Parlament selbst vor dem Gerichtshof erhebt. Nicht geregelt sind Fälle, in denen das Parlament durch seinen Vertreter, den Präsidenten, beschließt, im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens, das die Gültigkeit eines vom Parlament im Wege der Mitentscheidung verabschiedeten Rechtsakts betrifft, eine Stellungnahme abzugeben oder dem Verfahren beizutreten. Aus diesem Grund ersuchte Herr Gargani – der Vorsitzende des Rechtsausschusses, dem ich bei dieser Gelegenheit für seine Hilfe bei der Erstellung des Berichts danke – um eine Klarstellung. Bezieht sich, so fragte er, das Verfahren nach Artikel 121 auch auf die Abgabe einer Stellungnahme oder den Beitritt zu einem Verfahren? Wenn nicht, wie ist in solchen Fällen vorzugehen? In meinem Bericht beantworte ich die erste Frage mit Nein. Der in Artikel 121 gebrauchte Begriff „Klage“ und das dafür vorgesehene Verfahren können nicht auf den qualitativ anderen Sachverhalt einer Stellungnahme oder eines Verfahrensbeitritts angewandt werden. Das Problem lässt sich daher nicht einfach im Wege der Auslegung lösen. Können wir aber nicht die bestehende Praxis aufrechterhalten, nach der in solchen Fällen die Entscheidung beim Präsidenten des Europäischen Parlaments – unserem Vertreter vor dem Europäischen Gerichtshof – liegt? Auch die Antwort auf diese Frage lautet meines Erachtens Nein. Verlässlicher wäre die Ausarbeitung eines detaillierten eigenen Verfahrens. Warum vertrete ich diese Auffassung? Ganz einfach: Weil mir Fälle bekannt sind, in denen der Präsident entgegen der Empfehlung des Rechtsausschusses entschied, die Gültigkeit eines früheren Beschlusses des Parlaments vor dem Gerichtshof zu verteidigen. Dazu ist es in der jüngeren Geschichte des Parlaments zweimal gekommen. Eine eigene Regelung wäre die beste Lösung. Ich schlage das folgende Verfahren vor: Der Rechtsausschuss spricht dem Präsidenten eine Empfehlung aus. Wünscht der Präsident, von dieser Empfehlung abzuweichen, so überweist er die Angelegenheit an die Konferenz der Präsidenten. Die Konferenz der Präsidenten erscheint mir geeignet, da es sich um ein kollektives Gremium handelt, das auch zu einer inhaltlichen Prüfung der Angelegenheit in der Lage ist. Wenn die Konferenz der Präsidenten befindet, dass das Parlament aufgrund außergewöhnlicher Umstände (z. B. Vertragsänderungen) nicht seinen vorherigen Standpunkt vertreten soll, wird das Plenum mit der

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Angelegenheit befasst, denn nur das Plenum ist befugt, seine früheren Beschlüsse zu revidieren. In anderen Fällen wird das Plenum nicht hinzugezogen. Georgios Papastamkos, im Namen der PPE-DE-Fraktion. – (EL) Herr Präsident! Als Berichterstatter für die Fraktion der Europäischen Volkspartei (Christdemokraten) und Europäischer Demokraten möchte ich sagen, dass das Thema des heutigen Abends die organisatorische Unabhängigkeit und Selbstbestimmung des Parlaments berührt. Die Geschäftsordnung des Europäischen Parlaments ist ein regulatorisches Gesamtwerk, dessen Bestimmungen über lange Jahre unverändert angewendet wurden und sich dabei als fundiert und zuverlässig erwiesen haben. Auf das im Änderungsantrag vorgesehene Einigungsverfahren brauche ich nicht im Einzelnen einzugehen, denn Herr Botopoulos hat es bereits ausführlich und zutreffend geschildert. Die Ihnen vorliegende Fassung des Änderungsantrags stellt einen Kompromiss zwischen der EVP- und der SPE-Fraktion dar. Wir ergänzen damit den vorhandenen Artikel 121 der Geschäftsordnung um ein Verfahren, mit dem eventuelle Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Präsidenten und dem Rechtsausschuss des Parlaments hinsichtlich der Abgabe einer Stellungnahme oder des Beitritts zu einem Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof beigelegt werden können. Bislang fehlte es in der Geschäftsordnung an einer ausdrücklichen Regelung für solche Fälle. Es bestand damit eine gewisse Rechtsunsicherheit – eine Regelungslücke bezüglich der internen Arbeitsweise des Parlaments, die wir mit dem Änderungsantrag schließen. Maria da Assunção Esteves (PPE-DE). – (PT) Herr Präsident! Das Europäische Parlament wird vor dem Europäischen Gerichtshof von seinem Präsidenten vertreten, der in fraglichen Fällen vorab das Plenum hinzuzieht. So verhält es sich jedenfalls bei Klagen, und mit dem vorliegenden Bericht wird dieses Prinzip auf andere Vorgänge vor dem Gerichtshof ausgeweitet. Es gibt jedoch einen Unterschied: Der Bericht bringt die Konferenz der Präsidenten als Entscheidungsgremium zwischen dem Präsidenten und Plenum ins Spiel. Diese Lösung an sich ist unproblematisch, aber dennoch möchte ich an dieser Stelle an eine bewährte parlamentarische Tradition erinnern: Die letzte Entscheidungsbefugnis muss stets beim Plenum verbleiben. Die Legitimität des Plenums als oberste Instanz entspringt dem Grundsatz der parlamentarischen Vertretung. Für politische Organe mit einem so breiten, komplexen Zuständigkeitsbereich wie das Europäische Parlament besteht häufig eine gewisse Versuchung, die eigenen demokratischen Befugnisse durch Verfahrensregeln zu begrenzen. Oft geht es kaum anders, doch eines ist wichtig: Wir dürfen demokratische Prozesse nicht allzu sehr beschneiden, denn politischer Freiraum darf niemals der Effizienz und Handlungsfähigkeit geopfert werden – schon gar nicht, wenn dabei politische Befugnisse an Organe eher administrativer Natur, wie Ausschüsse oder in diesem Fall eben eine Konferenz, übertragen werden. Solche Organe nämlich vertreten nicht, wie es Mirabeau einmal ausdrückte, einen „Querschnitt der Bevölkerung“. Zuzana Roithová (PPE-DE). - (CS) Dieser Änderungsantrag für die Geschäftsordnung – auf den ersten Blick eine reine Formsache – betrifft in Wahrheit die demokratische Legitimität unserer Arbeitsweise. Die beiden Präzedenzfälle, in denen sich der jeweilige Präsident über die Empfehlung des Rechtsausschusses hinwegsetzte, zeigen, dass eine Regelungslücke besteht. Nach dem Änderungsantrag zu Artikel 121 muss der Präsident in solchen Fällen künftig zunächst die Konferenz der Präsidenten und dann das Plenum hinzuziehen. Ich werde diesem Antrag zustimmen, bin jedoch der Auffassung, dass der Präsident seine Position vor dem Rechtsausschuss – nicht vor den Vorsitzenden der übrigen Ausschüsse – darlegen und begründen sollte. Des Weiteren bedauere ich, dass im Antrag nicht erwähnt wird, ob eine Gruppe von Parlamentsmitgliedern dem Plenum eine dritte Alternative vorlegen kann oder ob es ausschließlich die Wahl zwischen den Vorschlägen des Präsidenten und der Konferenz der Präsidenten hat. Wir schaffen einen neuen Präzedenzfall, der seinen Wert erst in Zukunft beweisen muss. Eines ist jedoch klar: Nicht um Bürokratie, sondern um Demokratie geht es hier. Íñigo Méndez de Vigo (PPE-DE). – (ES) Normalerweise müsste ein Berichterstatter besorgt sein, wenn ihm so viele Kolleginnen und Kollegen einer anderen Fraktion zur Seite springen. Keine Frage: Dies ist der Abend der EVP! Gleich vier Vertreter unserer Fraktion sind in der Aussprache über den Bericht Botopoulos zu Wort gekommen. Das Überraschendste aber ist, Herr Präsident, dass wir uns für den Vorschlag von Herrn Botopoulos aussprechen, weil wir ihn für gut befinden und weil er auf einem Konsens beruht. Ich kann daher ankündigen, dass ihm meine Fraktion zustimmen wird.

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Im Parlament verhält es sich nicht anders als im Leben überhaupt: Wir müssen uns auf ständig wechselnde Verhältnisse einstellen. Herr Botopoulos wurde dieser Anforderung gerecht, indem er ein Ersuchen um Auslegung der Geschäftsordnung – nämlich die Frage, ob ein bestimmter Artikel auch Stellungnahmen zu Verfahren betreffe – mit einem konstruktiven Gegenvorschlag beantwortete. Mein Respekt, Herr Präsident, vor der Leistung dieses jungen Kollegen, dem ich eine große parlamentarische Laufbahn vorhersage! Die Unterstützung meiner Fraktion ist seinem Reformvorschlag sicher. Costas Botopoulos, Berichterstatter. − (EL) Herr Präsident! Ich beginne mit einem Wort des Dankes an die Rednerinnen und Redner sowie an all jene, die mich bei der Erstellung des Berichts unterstützt haben. Es handelt sich um meinen ersten, aber hoffentlich – wie Herr Méndez de Vigo sagte – nicht meinen letzten Bericht. Gestatten Sie mir einige kurze Bemerkungen zu den Meinungsäußerungen. Herr Papastamkos hat völlig Recht: Der Bericht ist ein Kompromiss zwischen Fraktionen – jedoch ein Kompromiss im besten Sinne des Wortes. Anders gesagt: Es geht hier nicht um den kleinsten gemeinsamen Nenner, sondern um einen Konsens, der letztlich eine sinnvollere, demokratischere Lösung darstellt. Demokratisch ist meines Erachtens an dem Vorschlag gerade, dass sich das Verfahren entsprechend den Umständen entwickeln kann. Frau Esteves hat völlig recht: Wir sollten keinen übermäßigen Gebrauch von Plenarsitzungen machen. Ich teile ihre Meinung. Wir handeln daher nach dem Grundsatz, nur dann das Plenum hinzuzuziehen, wenn es nicht anders geht – mit anderen Worten, wenn ein früherer Beschluss des Plenums zur Debatte steht. Auch Frau Roithová kann ich nur zustimmen, wenn sie die Bedeutung des Rechtsausschusses hervorhebt. Er wird angehört, wie in der Regelung vorgesehen: zu Beginn, in der Mitte und am Ende des Verfahrens. In diesem Zusammenhang möchte ich noch kurz auf eine Bestimmung eingehen, die ich in meiner ersten Rede nicht erwähnt habe: Wenn der Rechtsausschuss in Ausnahmefällen nicht in der Lage sein sollte, seine Empfehlung rechtzeitig vorzulegen, kann der Präsident nach eigenem Ermessen vorgehen. Dabei wird jedoch ausdrücklich erläutert, dass es dem Rechtsausschuss freisteht, die Verfahrensregeln zur Vorlage seiner Empfehlungen selbst zu bestimmen. Ihnen allen herzlichen Dank! Der Präsident. – Die Aussprache ist geschlossen. Die Abstimmung erfolgt morgen.

17. Beschlüsse betreffend bestimmte Dokumente: siehe Protokoll 18. Tagesordnung der nächsten Sitzung: siehe Protokoll 19. Schluss der Sitzung (Die Sitzung wird um 22.55 Uhr geschlossen.)

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