Im Auftrag des Deutschen Anwaltvereins herausgegeben von den Rechtsanwälten: Felix Busse Dr. Michael Kleine-Cosack Wolfgang Schwackenberg

Schriftleitung: Dr. Peter Hamacher Udo Henke Rechtsanwälte Berlin, Littenstraße 11 Jahrgang 51 Oktober 2001

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Nachrichten für die Mitglieder des Deutschen Anwaltvereins e. V.

Die Zukunft des Rechtsberatungsgesetzes * Prof. Dr. Martin Henssler, Köln A. Der status quo I. Einleitung Die Fanfaren sind unüberhörbar: Sie blasen zur Attacke auf das Bollwerk, hinter dem die deutsche Anwaltschaft nach Ansicht vieler Kritiker ihren Beratungsmarkt verschanzt hat: das im RBerG verankerte anwaltliche Beratungsmonopol 1. Die Schar der Angreifer ist groß: Kreditinstitute, Rechtsschutzversicherungen 2, konkurrierende Beratungsberufe, als Mediatoren tätige Diplompsychologen und Sozialpädagogen, vor allem aber die alten wie die neuen Medien 3 versuchen, Breschen in diesen Schutzwall zu schlagen. Die Anwaltschaft reagiert teils verschreckt, teils aggressiv, teils hisst sie selbst die weiße Fahne 4. Ein Blick in die unlängst erschienene Neuauflage des Standardkommentars zum Rechtsberatungsgesetz von Rennen/Caliebe 5 verdeutlicht die rechtspolitische Brisanz des Themas. Die Flut der ergangenen Entscheidungen, aber auch von Schrifttumsbeiträgen hat den Kommentar binnen zehn Jahren um ein Drittel anschwellen lassen und ist Beleg nicht nur für den Reiz, den der Rechtsberatungsmarkt auf Nichtanwälte ausübt, sondern auch für die Entschlossenheit der Verbände und Kammern, das Anwaltsmonopol zu verteidigen 6. Der Ausgang der Prozesse belegt ein weiteres: die Anwaltschaft hat in der Richterschaft, von wenigen Ausnahmen abgesehen, einen starken Verbündeten. Noch mehr als es der Anwaltschaft vor der Konkurrenz graut, schreckt die Gerichte die Auseinandersetzung mit unqualifizierten Rechtsberatern. Für Rechtsprechung und Schrifttum stellen sich neue Herausforderungen: Noch ist die Diskussion über aktuelle Erscheinungen wie die Rechtsberatung im Fernsehen und über Telefonhotlines nicht abgeschlossen 7; da muss sich der Jurist schon mit neuen Problemen wie der Rechtsberatung im Cyberspace befassen 8. Die Diskussion über die Zukunft des Rechtsberatungsgesetzes muss das Ziel haben, losgelöst von Konkurrenzerwägungen und ohne Verengung des Blickwinkels ein zukunftsorientiertes Modell des Rechtsberatungsmarktes zu entwickeln. Entscheidend für diese Diskussion über die Zukunft des RBerG sind die Normzwecke, die hinter

dem RBerG stehen. Sind sie zeitgemäß, rechtfertigen sie das Beratungsmonopol der Anwaltschaft, dann muss für die Beibehaltung des Gesetzes plädiert werden. Erschwert das Gesetz dagegen den Zugang zum Recht, dann bedarf es der Zurückstutzung.

* Schriftliche und um Fußnoten ergänzte Fassung eines Vortrages auf dem Deutschen Anwaltstag 2001 am 25.5.2001. 1 Neuere kritische Veröffentlichungen etwa von Kleine-Cosack, Vom Rechtsberatungsmonopol zum freien Wettbewerb – Erosion des Rechtsberatungsgesetzes, NJW 2000, 1593 ff.; Lehmann, Ist das Rechtsberatungsgesetz zeitgemäß?, NJ 2000, 337 ff.; Hennemann, Disziplinierungsinstrument Rechtsberatungsgesetz, Betrifft Justiz 2000, 329 ff.; Schneider, Das Rechtsberatungsgesetz auf dem Prüfstand, ZAP 2000, 1165 ff.; Rasehorn, Zur Pönalisierung der informellen Rechtsberatung durch das RBerG, DRiZ 2000, 442 ff.; Oehlrich, Reformiert das Rechtsberatungsgesetz, Forum Recht 2000, 123 ff.: Stenke, „Missbrauch“ auf dem Gebiet der Rechtsberatung; Betrifft Justiz 1998, 296 ff. 2 Zu dieser Thematik Lüth, Rechtsberatung durch den Rechtsschutzversicherer, Frankfurt 1997. 3 Vgl. etwa die Sondersendung des ZDF „mit mir nicht“ vom 16.12.1998; aus der Tagespresse etwa Rath, NS-Gesetz schützt Anwälte, taz Nr. 6175 vom 24.6.2000, S. 6; Hofmann, Kommentar – Ein alter Zopf, Heidenheimer Zeitung vom 28.4.2000. 4 So etwa Kleine-Cosack, NJW 2000, 1593 ff.; ders. BB 2000, Heft 30 vom 27.7.2000. „Die erste Seite“. 5 Rennen/Caliebe, RBerG, 3. Aufl., München 2001. 6 OLG München, NJW-RR 2000, 1347; LG Osnabrück, NJW-RR 1992, 437; OLG Düsseldorf, AnwBl 1999, 618 (jeweils zu Abschleppunternehmern); OLG Zweibrücken, NJWE-WettbR 1998, 55 (Arbeitgeberverband); OLG München, NJWRR 1996, 315 (Arzt); OLG Brandenburg, NJW-RR 1999, 62 (Behördenbeschleuniger); BGH, BB 1997, 438 (Energieberater); BGH, NJW 1998, 1955; OLG Schleswig, WiB 1997, 939; LG Traunstein, VuR 1996, 320 (jeweils zu Finanzmaklern); BGH, NJW 1996, 393; LG Köln, VersR 1995, 1072; OLG Hamm, NJW 1998, 92 (jeweils zu Inkassounternehmen); OVG Münster, BRAKMitt. 1999, 280 (kirchliche Sozialberatung); LG Hamburg, NJW-RR 2000, 1514; LG Rostock ZKM 2000,235 (jeweils zu Mediatoren); BGH, NJW-RR 1994, 1081; OLG Nürnberg, NZV 1992, 366; LG Coburg, Zfs 1993, 192 (jeweils zu Mietwagenunternehmern); AG Nidda, NJW-RR 1995, 630; AG Bochum, ZfS 1993, 157 (jeweils zu KfZ-Sachverständigen); OLG Köln, NJW 1999, 504; OLG Köln, NJW 1999, 502; OLG Düsseldorf, AfP 1992, 153; OLG Nürnberg, NJWRR 1998, 137; OLG Düsseldorf, WRP 1998, 1086 (jeweils zu Rechtsberatung durch Fernsehen bzw. Presse); OLG Hamm, BB 1991, 2329; LG Paderborn, zfs 1991, 342 (KfZ-Werkstatt); OLG Karlsruhe, NJWE-WettbR 1999, 195; KG, NJW-RR 1995, 631; LG Stuttgart VuR 1997, 37 (Schuldenregulierung); BSG, AnwBl 1998, 224; OVG Münster, NVwZ-RR 1992, 446; LG Itzehoe, AnwBl 1997,507 (jeweils zu Steuerberatern); OLG München NJW 1999, 150, 151; LG Berlin, CR 1999, 369, 370; LG Erfurt JZ 1998, 527 (jeweils zu Telefon-Beratungshotlines); OLG Karlsruhe, NJW-RR 1994, 236 (Testamentsvollstreckungen); OLG Frankfurt AnwBl 1999, 62; OLG Bremen, AnwBl. 1999, 619; OLG Koblenz, BB 1999, 499 (jeweils zu Unternehmensberatern); LG Bonn, VuR 1997, 69 (Verbraucherberater); LG Köln, WM 1997, 2276; OLG Koblenz, NJWRR 98, 1675 (jeweils zu Wirtschaftsprüfern). 7 Vgl. etwa OLG München NJW 1999, 150, 151; LG Berlin, CR 1999, 369, 370; LG Erfurt, JZ 1998, 527; Berger, NJW 1999, 1354, 1355; Grunewald, ZIP 2000, 2005, 2006; Römerman/Funke, MDR 2001, 1, 2; Berger, NJW 1999, 1353, 1354; Büring/Edenfeld, MDR 1999, 532, 533; Kleine-Cosack, EWiR 1998, 995, 996; Schmittmann, K&R 1999, 309; Buschbell, AnwBl 1999, 579, 583. 8 Hierzu etwa Hagenkötter, AnwBl 2001, 269, 272; Ferner, Die Kanzlei 2000, 235, 240 f.; Henssler/Kilian, C&R 2001 (demnächst).

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l II. Regelungszwecke und Verfassungsmäßigkeit Die amtliche Begründung aus dem Jahre 1935 betonte als Regelungsanliegen des Rechtsberatungsgesetzes den „Schutz des Anwaltsstandes vor einem Wettbewerb von Personen, die keinen standesrechtlichen, gebührenrechtlichen und ähnlichen im Interesse der Rechtspflege gesetzten Schranken unterliegen“. Dieser Konkurrenzschutzgedanke, der auch in aktuellen Beiträgen unter dem Topos „Erhalt einer leistungsfähigen Berufsgruppe der Rechtsanwälte als den berufenen Vertretern in allen Rechtsangelegenheiten“ erörtert wird, kann unter der Geltung des GG nur noch eingeschränkt Bestand haben 9. Wie das BVerfG mehrfach betont hat, rechtfertigt er für sich genommen keine Eingriffe in die durch Art. 12 GG geschützte Berufsfreiheit. Bedeutung erlangt er nur insoweit, als er dem primären Gesetzeszweck „Schutz einer funktionsfähigen Rechtspflege“ dient 10. Schutz vor Wettbewerb kann m. a. W. nur dann geboten sein, wenn sonst die Gemeinwohlbelange gefährdet würden, denen die Zugangsschranken eines Berufs gerade zu dienen bestimmt sind 11. Diese hohen Anforderungen bedeuten indes nicht, wie teilweise vertreten wird 12, dass das RBerG per se als verfassungsrechtlich bedenklich eingestuft werden müsste. Das Rechtsberatungsgesetz verfolgt nämlich primär zwei sehr hochrangige Schutzzwecke. Es soll – so die wiederum wörtliche Formulierung des BVerfG – „zum Schutz der Rechtsuchenden vor unqualifiziertem Rechtsrat und im Interesse einer reibungslosen Abwicklung des Rechtsverkehrs fachlich ungeeignete und unzuverlässige Personen von der geschäftsmäßigen Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten“ fernhalten 13. Beide Schutzobjekte, der Schutz der Rechtsuchenden vor unqualifiziertem Rechtsrat und die Sicherung der Funktionsfähigkeit der Rechtspflege, haben den Charakter von überragend wichtigen Gemeinschaftsgütern, so dass der Eingriff in die Berufsfreiheit der Nichtanwälte auch heute verfassungsrechtlich unbedenklich ist. III. Pro und contra aus rechtspolitischer Sicht 1. Pro: Die Qualität der Rechtsberatung Im Vordergrund der Erörterungen eines modernen Verständnisses des Rechtsberatungsmonopols steht meist die Sorge um die hinreichende Qualität nicht-anwaltlicher Rechtsberatung und der damit verbundenen Gefahren für den Verbraucher und Belastungen für die Justiz. Die Versorgung der Bevölkerung mit qualitativ hochwertigem, nicht zu „Discount-Preisen“ erhältlichem Rechtsrat muss gesichert sein 14. Kurzsichtige Kostenersparnis lässt die Rechtsberatung zu einem langfristig teuren und schadensträchtigen Investment des Verbrauchers werden. Wenn über eine Lockerung des Rechtsberatungsmonopols nachgedacht wird, darf von vornherein kein Verzicht auf Qualität im Raum stehen. Rechtsberatung darf nur mit einem hinreichenden Befähigungsnachweis juristischer Kenntnisse erbracht werden. 2. Contra: Anwaltsmonopol und Zugang zum Recht Umgekehrt lässt sich das Anwaltsmonopol nur rechtfertigen, wenn der Anwalt auch der qualitativ beste Rechtsberater ist. Hier liegt allerdings nicht das Zukunftsproblem des RBerG. Der Nachweis der überlegenen Qualifikation gegenüber Nichtjuristen lässt sich für die Anwaltschaft leicht führen. Auch im internationalen Vergleich zweifelt niemand an der hohen Qualität der juristischen Ausbildung in

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Aufsätze Deutschland. Das wichtigste, wohl einzig wirklich tragfähige Argument, das gegen das Anwaltsmonopol vorgebracht werden kann, ist die ihm immanente Behinderung des Zugangs zum Recht. Der gleichberechtigte Zugang zum Recht ist ein Gemeinschaftsgut, das verfassungsrechtlich ebenfalls – über das Rechtsstaatsprinzip 15 und über Art. 3 GG – geschützt ist 16. Die Justizgewährleistungspflicht des Art 19 Ab. 4 GG betrifft insoweit nur einen Teilausschnitt eines allgemeinen rechtsstaatlichen Prinzips 17. Schon aus verfassungsrechtlichen Gründen bedarf es eines angemessenen Ausgleichs zwischen den das Monopol rechtfertigenden Gemeinschaftsgütern und der Sicherung des gleichen Rechtszugangs für alle. Ergänzend garantiert auch Art. 47 Abs. 2 S. 2 der Europäischen Grundrechtecharta das Recht jeder Person, sich beraten, verteidigen und vertreten zu lassen 18. Es sagt sich leicht: Qualität hat auch bei anwaltlichen Dienstleistung ihren Preis. Bei dieser Binsenweisheit darf die Verteidigung eines regulierten Rechtsberatungsmarktes nicht stehen bleiben. Die Kritik, das Beratungsmonopol erschwere den Zugang zum Recht, weil die Kostenbarriere oftmals zu einer Beratungs- und Rechtswegsperre wird, weil die unbezweifelbare Informationsasymmetrie im Anwalts-Mandanten-Verhältnis Schwellenangst hervorruft, muss von der Anwaltschaft sehr ernst genommen werden. Der Anwalt als Organ der Rechtspflege wird seiner gesellschaftlichen Aufgabe nur gerecht, wenn er das von ihm angebotene, qualitativ hochwertige Dienstleistungsangebot grundsätzlich jedermann ermöglicht. Auch wenn Deutschland mit über 25 Mio Versicherungspolicen den weltweit mit Abstand größten Rechtsschutzversicherungsmarkt bildet, verbleibt auch hierzulande ein aus Kostengründen unbefriedigtes Beratungsbedürfnis. Eine aktuelle Untersuchung der BRAK (Stand März 2001) verdeutlicht, dass Deutschland in seinem Bemühen, den Zugang zum Recht für jedermann zu gewähren, mit weitem Abstand zur Spitzengruppe nur im hinteren Mittelfeld liegt 19. Für Beratungshilfe nach dem BerHG, Prozesskostenhilfe und Beistand in Strafsachen geben Bund und Länder ca. 350 Mio , also ca. 4,40 pro Bürger und Jahr aus 20. Vor diesem Hintergrund darf das Beratungsmonopol von der Bevölkerung nicht als eine einem Berufsstand zur Ausbeutung überlassene Domäne wahrgenommen werden. Das Berufsrecht darf

9 BVerfG NJW 1998, 3481, 3483; BGH NJW 1962, 2010 ff.; OLG Nürnberg NJW-RR 1998, 137; KG BRAK-Mitt. 1997, 132. 10 BVerfG NJW 1998, 3481, 3483. 11 BVerfG NJW 1996, 3067; NJW 1998, 3481. 12 So Römermann, Anwalt – Das Magazin 1/2001, 10 ff. 13 BVerfGE 41, 378, 390; siehe ferner die verfassungsgerichtlichen Leitentscheidungen vorn 5.5.1987 in BVerfGE 75, 246 ff. und 284 ff. In letzter Zeit etwa BVerfG BRAK-Mitt. 2001, 80, 81. 14 Zum Aspekt des Verbraucherschutzes jüngst Scharf, BRAK-Mitt. 2001, 98. 15 Maunz/Dürig/Herzog/Scholz/Schmidt-Assmann, GG, Art. 19 Abs. 4, Rdnr. 16. 16 BVerfGE 83, 264; Baumgärtel, Gleicher Zugang zum Recht für Alle, Köln 1976, S. 1. 17 Maunz/Dürig/Herzog/Scholz/Schmidt-Assmann, GG, Art. 19 Abs. 4, Rdnr. 15 ff.; Sachs-Krüger, GG, 2. Aufl. 1999, Art. 19, Rdnr. 110. 18 Die Bemühungen von deutscher Seite, den Rechtsanwalt entsprechend dem Konzept der BRAO in diesem Kontext als den allein berufenen Berater und Vertreter in allen Rechtsangelegenheiten rechtlich zu verankern, waren nicht erfolgreich. 19 BRAK, BRAK-Mitt. 2001, 128, 130. 20 Kilian, Legal Aid And Access To Justice In Germany, in: ILAG (ed.), The Challenge Of The New Century, Band 1, Melbourne 2001, S.77, 106. Die Aufwendungen für die Prozesskostenhilfe betrugen in 2000 (nach Abzug einer Rückzahlungsquote von 15 - 20 %) rund 525 Mio DM, für die Beiordnung in Strafsachen ca. 125 Mio DM und für Beratungshilfe ca. 48 Mio DM (Näherungswerte, eine konsolidierte Statistik aller Bundesländer existiert nicht). Näher Kilian, aaO, 99 (für PKH), 103 (Beiordnung Strafsachen), 105 (BerH).

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Aufsätze seinerseits den finanzierbaren Zugang zum Recht nicht blockieren; vorbildliche Schritte in die richtige Richtung sind die faktische Abschaffung von Mindestgebühren im außerforensischen Bereich durch § 3 Abs. 5 BRAGO und die Einführung einer Erstberatungsgebühr nach § 20 Abs.1 S.2 BRAGO. Andere den Zugang zur anwaltlichen Beratung erleichternde Modelle werden in Deutschland etwa durch das Verbot des Gebührenverzichts in § 49 b Abs. 1 BRAO verhindert. Im angelsächsischen Rechtskreis ist der Gedanke, anwaltliche Leistungen in einem bestimmten Umfang pro bono publico zu erbringen, sogar standesrechtlich verankert. Die American Bar Association erwartet nach MRPC 6.1 von jedem ihrer Mitglieder, pro Jahr 50 Stunden kostenlose anwaltliche Tätigkeit für Bürger, die sich die Konsultation eines Anwalts finanziell nicht erlauben können. Auch die Anwaltschaft selbst muss Ideen entwickeln, den Zugang zu qualifizierter Beratung zu erleichtern. Telefonhotlines unter anwaltlicher Beteiligung mögen oftmals qualitativ verbesserungswürdig sein, sie sind gleichwohl ein erster Schritt in diese Richtung. Das gleiche gilt für gewisse Formen der Rechtsberatung im Internet. Als Ergebnis einer ersten Bestandsaufnahme ist danach festzuhalten: 1. Die Anwaltschaft muss selbst alles unternehmen, um den Zugang zum Recht für jedermann zu öffnen. 2. Neue kostengünstige Formen der Rechtsberatung – etwa über die neuen Medien – müssen als zulässig angesehen werden, sofern ihr Angebot keine Gefahren für die rechtsuchende Bevölkerung mit sich bringt. 3. In jenen Bereichen, in denen Zugangshürden fortbestehen, ist an eine Lockerung des RBerG zu denken. 3. Schutz durch anwaltliches Berufsrecht Wäre der Gedanke des Verbraucherschutzes durch Qualitätssicherung wirklich der einzige, der das Anwaltsmonopol stützte, dann würde sich in der Tat die Frage stellen: Warum keine Rechtsberatung durch sonstige Volljuristen? Warum keine Teilerlaubnis für „Wirtschaftsjuristen“ der Fachhochschulen, die immerhin ja auch einen staatlichen Abschluß und eine wohl unbestreitbare juristisch-handwerkliche Qualifikation vorweisen können? Ginge es nur um das Argumentationspaar „Qualitätssicherung“ contra „Zugang zum Recht“, dann ergäbe sich eine gewisse Pattsituation. Die einseitig auf die Qualität der Beratungsleistung akzentuierte Diskussion um die Rechtfertigung des Anwaltsmonopols verstellt indes den Blick für den Kernbereich seiner Rechtfertigung: Es geht um das Vertrauen der Bevölkerung in eine funktionierende Rechtspflege und in die an ihr Beteiligten. Garanten dieses Vertrauens sind die Grundwerte der Anwaltschaft, im anglo-amerikanischen Rechtskreis core values genannt: Unabhängigkeit, Verschwiegenheit und das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen. Gewahrt werden diese für jedes Vertrauensverhältnis allein beim Anwalt. Nur beim Anwalt hat der Mandant die Gewähr, dass die anvertrauten Informationen nicht irgendwann weitergegeben werden. Nur beim Anwalt darf er sich durch die anwaltlichen Privilegien geschützt wissen, muss also keine nachteilige Zeugenaussage oder Beschlagnahme von Unterlagen befürchten. Nur beim Anwalt darf er sich sicher sein, dass der Berater die anvertrauten Informationen nicht in sonstiger Weise zu seinem Nachteil verwendet, so wie die Investmentbanken etwa heute Mannesmann, morgen in der gleichen Übernahmeschlacht aber die Gegenseite vertreten. Nur beim Anwalt müssen anvertraute Gelder auf Anderkonten besonders geschützt wer-

den. Nur beim Anwalt darf der Mandant sich eines persönlich unabhängigen Beraters an seiner Seite gewiss sein. Nur beim Anwalt weiß er schließlich, dass seine Vermögensinteressen bei fehlerhafter Beratung durch die gesetzlich vorgeschriebene Berufshaftpflichtversicherung bis zu einem Betrag von 500.000 DM geschützt sind. All diese absolut elementaren Schutzpositionen hat er bei sonstigen Beratern, mögen sie auch Volljuristen sein, nicht. Jeder Volljurist kann Anwalt werden, wenn er die persönlichen Voraussetzungen des § 7 BRAO erfüllt. Ist er kein Anwalt, dann nur, weil er entweder die Zulassungsvoraussetzungen nicht erfüllen kann oder nicht erfüllen will. Selbst wenn sich nichtanwaltliche Berater vertraglich zur Verschwiegenheit verpflichten und auf die Übernahme von Aufträgen mit widerstreitenden Interessen verzichten, so fehlt es doch an dem unverzichtbaren strafrechtlichen Schutz über §§ 203, 356 StGB. Erst diese Sanktion gewährleistet aber den hinreichenden Schutz der Mandanteninteressen. Vor dem Hintergrund derart eindeutiger Vorteile – die von der Anwaltschaft noch weit stärker zur Rechtfertigung eingesetzt werden sollten –, muss das Anwaltsmonopol auch im außerforensischen Bereich grundsätzlich bewahrt werden. Gerade die abschreckenden Beispiele der Fernsehjustiz, bei der es um Rechtsdurchsetzung außerhalb rechtsstaatlicher Prinzipien durch einseitig verfälschte gefühlsbetonte Darstellung geht, verdeutlicht eindrucksvoll die Gefahren, die eine Rechtsbesorgung durch Nicht-Anwälte für die Funktionsfähigkeit der Rechtspflege mit sich bringt. Durch den gezielten Einsatz medialer Prangerwirkung wird versucht, eine nach dem Empfinden der Fernsehanstalt gerechte Lösung herbeizuführen. Als Spielwiese eines kommerziell geprägten Mediums Fernsehen ist die Rechtspflege denkbar ungeeignet. Das Opfer rechtsstaatlicher Grundprinzipien auf dem Altar einer rein an Inszenierung interessierten Medienwirtschaft wäre ein schwerwiegender rechtspolitischer Fehler. Die Rechtsprechung hat mit Recht wiederholt festgestellt, dass der Einsatz journalistischer oder publizistischer Mittel die Anwendbarkeit des RBerG nicht ausschließt. Die Medien sind von dem Geltungsbereich des Gesetzes – auch unter Berücksichtigung der mittelbaren Wirkung von Art. 5 Abs. 21 1 GG – nicht per se ausgeklammert 21. B. Das Beratungsmonopol – Versuch einer sachgerechten Grenzziehung Der bisherige Befund zeigt, dass das RBerG im Kern ein unverzichtbares modernes Verbraucherschutzgesetz ist. Optimierungen sind indes denkbar und notwendig. In vier aktuellen Problembereichen drängt sich eine vertiefte Stellungnahme auf. Das Beratungsmonopol im europäischen Kontext, die Rechtsberatung im und per Internet, die Rechtsberatung durch nicht-anwaltliche Berater mit besonderem nichtjuristischen Fachwissen sowie durch nicht-kommerzielle Rechtsberater. I. Europarechtliche Grundlagen Ausgangspunkt aller Überlegungen zur Zukunft des RBerG muss neben der Rechtsprechung des BVerfG diejenige des EuGH sein, der sich wiederholt mit dem deutschen Rechtsberatungsmonopol zu befassen hatten. Das BVerfG hat in seiner Masterpat-Entscheidung22 nur jene Tätigkeitsfel-

21 OLG Düsseldorf, WRP 1998, 1086, 1089. 22 BVerfG NJW 1998, 3481.

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l der, die nicht die originäre rechtliche Beratung betreffen, sondern in concreto nur die Überwachung der Fälligkeit von Patent-Jahresgebühren, unter den Schutz des Art. 12 GG gestellt. Die Entscheidung entsprach demjenigen, was jeder an der Materie Interessierte seit der – einen vergleichbaren Patentüberwachungsfall betreffenden – Säger/Dennemeier-Entscheidung des EuGH 23; wissen musste. Hervorzuheben ist, dass es in beiden Entscheidungen nicht um die Erteilung von Rechtsrat ging. Bei den Formen echter Rechtsbesorgung sichert dagegen die ratio legis „Schutz des rechtsuchenden Publikums vor unqualifiziertem Rechtsrat“ 24 die Rechtmäßigkeit des Beratungsverbots. Erwartungsgemäß 25 hat der EuGH mit Urteil vom 12.12.1996 das deutsche Anwaltsmonopol nicht beanstandet, soweit es der gerichtlichen Einziehung fremder Forderungen durch ausländische Inkassounternehmen entgegensteht 26. Trotz des Umstands, dass es vergleichbare Beschränkungen in anderen Mitgliedsstaaten nicht gibt, darf sich die Bundesrepublik Deutschland dem EuGH zufolge auf den Standpunkt zurückziehen, dass die mit dem RBerG verfolgten Ziele nicht mit weniger einschneidenden Mitteln zu erreichen seien. Obwohl sogar die Mehrzahl der anderen Staaten keine ähnlichen Regeln kennt (hierzu unten C. II.), kann hieraus nicht im Sinne einer Automatik die Unverhältnismäßigkeit der deutschen Regelung abgeleitet werden. Das Europarecht zwingt nur dazu, solche Tätigkeiten vom Erlaubniszwang auszuklammern, bei denen die berufliche und fachliche Integrität eines Anwalts nicht notwendig ist, die Leistung sich vielmehr in rein administrativen Handlungen erschöpft und Entscheidungen rechtlicher Natur ausschließlich vom Auftraggeber getroffen werden. II. Internet und Rechtsberatung 1. Online-Rechtsberatung und e-commerce-Richtlinie Spricht man das Verhältnis des Europarechts zum RBerG an, dann muss man auch zur aktuellen Diskussion um den Einfluss der e-commerce-Richtlinie 2000/31/EG auf nationale Beratungsmonopole Stellung beziehen 27. Online-Rechtsberatung fällt unter den sachlichen Anwendungsbereich der Richtlinie 28. Bei der Anwendung der Richtlinie gilt das Herkunftslandsprinzip, d. h., elektronische geschäftliche Tätigkeiten des Anbieters beurteilen sich nach dem Recht seines Herkunftsstaates. Der Erwägungsgrund 57 RiLi 2000/31 lässt aber Raum für Einschränkungen bei Missbrauchsfällen, soweit sich die entfalteten Tätigkeiten ganz überwiegend in einem Mitgliedsstaat auswirken, in dem einschränkende national-rechtliche Bestimmungen hinsichtlich dieser Tätigkeit existieren29. So wäre z. B das exklusive Angebot der Online-Rechtsberatung im deutschen Recht für deutsche Kunden durch einen niederländischen kommerziellen Anbieter ein klarer Umgehungsfall 30. Insgesamt sind die Gefahren für das deutsche Beratungsmonopol durch das Europarecht als gering einzuschätzen. Zum einen werden die deutschen Anwälte eine Internet-Beratung, sobald sie sich – was durchaus zweifelhaft ist – als lukrativ erweisen sollte, selbst besser, aktueller und mit dem Vorteil des Anwaltssiegels anbieten. Zum zweiten ist, gestützt auf Erfahrungen im Ausland, ohnehin davon auszugehen, dass das Angebot im Internet eher zusätzliche Nachfrage nach Rechtsberatung generiert und abdeckt, dagegen kaum eine Alternative zur persönlichen anwaltlichen Beratung bilden wird. 2. Internetgestützte Rechtsinformationssysteme Die Nutzbarkeit des Internets durch Rechtsuchende weist über die echte online-Rechtsberatung hinaus weitere Facet-

Aufsätze ten auf. Eine ähnliche Entwicklung mit Berührungspunkten zum Rechtsberatungsgesetz ist die internetgestützte Rechtsinformation des Verbrauchers. In Internet-Portale integrierte Rechtsinformationssysteme ermöglichen es dem Nutzer, in Form eines Frage/Antwort-„Spiels“ Antworten auf ihn bedrängende rechtliche Fragen zu erhalten. Die Vereinbarkeit dieser neuen Angebote mit dem RBerG ist bei sorgfältiger Subsumtion unter den Tatbestand des Art. 1 § 1 RBerG eindeutig zu bejahen. Art. 1 § 1 RBerG greift nur bei einer „ ... Tätigkeit“, „die darauf gerichtet oder geeignet ist, konkrete fremde Rechte zu verwirklichen ...“. Der Begriff der „Tätigkeit“ setzt dem Wortsinne nach ein aktives Handeln des Rechtsbesorgenden gegenüber dem Nachfragenden oder einem Dritten voraus, durch das konkrete fremde Rechte realisiert werden sollen. Das aktive Handeln des Anbieters eines Rechtsinformationssystems liegt, ähnlich wie beim Verfasser eines juristischen Handbuches, ausschließlich im Aufbereiten der juristischen Informationen in eine für einen Laien nutzbare Form. Der Transfer dieser abstrakt-generellen Informationen auf einen konkreten Lebenssachverhalt erfolgt wie beim verständigen Lesen allein durch den Portalnutzer. Möglich wird der Transfer erst durch dessen intellektuelle Fähigkeiten, nämlich die Beantwortung der abstrakt-generell formulierten Fragen. In diesem Stadium ist der Portalbetreiber im Sinne einer rechtsbesorgenden Tätigkeit nicht aktiv. Die Individualisierung der Informationen erfolgt wie bei einem juristischen Handbuch ausschließlich durch die geistige Leistung des Nutzers, nicht durch eine rechtsbesorgende Tätigkeit des Portalanbieters. Der Verbraucher und der Anbieter eines Rechtsinformationssystems stehen damit zu keinem Zeitpunkt in einer konkret-individuellen Beratungssituation. Eine erlaubnispflichtige Rechtsberatung setzt hingegen eine zielgerichtete Tätigkeit voraus, konkrete Rechte einer bestimmten anderen Person zu verwirklichen. Dies ist nur denkbar bei einer Individualisierung sowohl des Lebenssachverhalts als auch der betroffenen Person, deren Rechte besorgt werden sollen. Nach der neueren Rechtsprechung („Masterpat“/„Titelschutzanzeigen“) 31 darf sich das angegriffene Verhalten gerade nicht in formalisierten Handlungen erschöpfen, bei denen der Anbieter keine eigene Gestaltungsmöglichkeit hat 32. Erst recht, so muss folgerichtig argumentiert werden, können die im Internet nur einseitig angebotenen Rechtsinformationen nicht als rechtsbesorgende Tätigkeit qualifiziert werden. III. Interprofessionelle Beratungsmodelle Probleme des Verbrauchers erschöpfen sich nur selten in rein rechtlichen Kategorien. Oftmals besteht komplementärer, nichtjuristischer Beratungsbedarf, den die Anwaltschaft nicht

23 24 25 26 27 28 29 30

EuGH Slg. I 1991, 4221 ff. BVerfG AnwBl. 1998, 274, 275. So Henssler, Über amicorum für Rabe, Bonn 1997, S. 45 ff. EuGH AnwBl. 1997, 114. ABl. EG 2000, L 178/1. Zerdick, ZAP 1999, 755, 758; Mankowski, AnwBl 2001, 73, 78. Spindler, MMR-Beilage 7/200, 4, 9; Mankowski, AnwBl 2001, 73, 79. A.A. Mankowski, AnwBl 2001, 73, 79, der einen Missbrauch bereits dann für nicht mehr nachweisbar hält, wenn ein im Ausland beheimatetes Internetangebot mehr als nur einen (in conereto: den deutschen) Rechtsberatungsmarkt anspricht. 31 BGH BRAK-Mitt. 1999, 47 – „Titelschutzanzeigen“; kritisch Bürglen, WRP 2000, 846, 847ff. 32 BGH BRAK-Mitt. 1999, 47, 48. Vgl. auch die Erwägungen des BVerfG in BVerfG NJW 1998, 3481, 3482 zur Schutzrechtsüberwachung mit Hilfe von Softwareprogrammen. Kleine-Cosack, EWiR 1998, 995, 996, geht davon aus, dass aus dieser Entscheidung zu folgern ist, dass nur noch „umfassende“ Rechtsberatung den Anwälten vorbehalten ist.

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Aufsätze ähnlich kompetent erbringen kann wie andere Berufsgruppen. Es kann daher nicht überraschen, dass das RBerG auch von seriösen nichtanwaltlichen Dienstleistern als ungerechtfertigte Belastung empfunden wird. Ihnen hilft in nur sehr begrenztem Umfang Art. 1 § 5 RBerG, der für bestimmte Personen rechtsbesorgende Annextätigkeiten von der Erlaubnispflicht des Art 1 § 1 RBerG ausnimmt. Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH33 darf es sich bei der gemäß Art. 1 § 5 RBerG erlaubten rechtlichen Beratungstätigkeit nicht um einen Teil der eigentlichen Beratungsaufgabe handeln, sondern nur um eine Hilfs- oder Nebentätigkeit, die im Rahmen der Haupttätigkeit anfällt34. Oftmals ist eine solche Annexkompetenz aber nicht ausreichend, um dem Beratungsbedarf des Hilfesuchenden gerecht zu werden. Nur für die sozietätsfähigen Berufe, insbesondere Steuerberater und Wirtschaftsprüfer, wird das Problem abgemildert durch die Möglichkeit der Bildung interprofessioneller Berufsausübungsgesellschaften. Mit Mediatoren, Sachverständigen oder Architekten ist dagegen – aufgrund der abschließenden Fassung des § 59 a BRAO – die enge, sich wechselseitig ergänzende Zusammenarbeit in Berufsausübungsgesellschaften nicht Möglich35. Besonders anschaulich exemplifiziert sich das Problem der sachgerechten Verknüpfung von Rechtsberatungsmonopol und juristischen Komplementärkompetenzen an der Mediation, deren Förderung allgemein als sachgerecht angesehen wird. Die vielbesprochene Entscheidung des LG Rostock vom August letzten Jahres 36 sowie eine weitere Entscheidung des LG Hamburg 37 haben sich mit der Frage des Verhältnisses von RBerG und Mediation befasst. Das Ausgangsproblem ist offensichtlich: Nicht-anwaltliche Mediatoren können keine Rechtsberatungserlaubnis erwerben 38; zugleich ist ihnen die Gründung einer interprofessionellen Beratungsgesellschaft mit einem Anwalt verwehrt. Eine Allein-Mediation könnte daher allenfalls auf der Basis des Art. 1 § 5 RBerG erfolgen. Nun ist aber die Mediation keine „Haupttätigkeit“ im Sinne der Norm, sondern „lediglich“ die Anwendung besonderer methodischer Kenntnisse in einem spezifischen – hier: rechtlichen – Kontext. Zwar liegt die von der Mediation bezweckte Weckung und Stärkung der Autonomie der Parteien auf pädagogisch-therapeutischem Gebiet. Es geht indes um Autonomie im rechtlichen Sinn, d. h. um privatautonome Rechtsetzung im Sinne der vom RBerG erfassten Rechtsgestaltung. Mediation ist eine im Einzelfall angewandte Methode auf dem Weg hin zu einer Neubegründung und Neuformulierung der wechselseitigen Rechte und Pflichten für die Zukunft. Den „Klienten“ der Mediation ist an dem rechtlichen Rahmen für den konkreten Einzelfall gelegen. Mediation mit rechtlichem Bezug fällt daher unter das RBerG und darf von einem Nicht-Anwalt auch nicht als Annextätigkeit erbracht werden: Nichtanwaltliche Mediation ist eine erlaubnispflichtige, aber nicht erlaubnisfähige Rechtsbesorgung39. Selbstverständlich kommt es darauf an, was im Rahmen einer Mediation inhaltlich geschieht. Besonders anschaulich ist in dieser Hinsicht das aktuelle Urteil des LG Hamburg, in dessen Entscheidungsgründen der Begriff der Mediation überhaupt nicht auftaucht 40. Ein Volkswirt hatte sich als Mediator bezeichnet und unter dieser Flagge klassische anwaltliche Tätigkeiten wie einen rechtlichen Diskurs mit dem gegnerischen Parteivertreter entfaltet. Das vom örtlichen Anwaltverein angerufene Gericht hielt sich mit dem Einwand der „Mediatorentätigkeit“ gar nicht weiter auf, sondern prüfte lediglich, ob eine Rechtsbesorgung vorlag oder nicht. Zur Lösung des Problems schlägt eine vom BMJ in Auftrag gegebene Untersuchung der Möglichkeiten einer außer-

gerichtlichen Streitbeilegung vor, das Rechtsberatungsgesetz zu öffnen und die Angehörigen der psychosozialen Berufe ebenfalls zur Rechtsberatung zuzulassen werden. Dieser Weg ist zwar denkbar, setzt aber nach dem geltenden Modell eine Kammermitgliedschaft solcher Mediatoren und den Nachweis ausreichender juristischer Kenntnisse voraus. Ob sich Mediatoren diesem Procedere in nennenswertem Umfang unterwerfen würden, erscheint zweifelhaft. Der überzeugende Weg zur Bündelung des juristischen Sachverstandes der Anwaltschaft und der jeweiligen Zusatzkompetenz, etwa einer psychologisch-pädagogischen Fachkompetenz, liegt eher in einer Liberalisierung des Rechts der anwaltlichen Kooperationsmöglichkeiten. Die praktische Durchführung der außergerichtlichen Konfliktbeilegung könnte deutlich erleichtert werden, wenn sich Rechtsanwälte mit Diplompsychologen und Sozialpädagogen in Berufsausübungsgesellschaften zusammenschließen könnten. Durch Erweiterung des Katalogs des § 59 a BRAO sollte daher sichergestellt werden, dass das strenge anwaltliche Berufspflichtenprogramm auch auf die kooperierenden freien Berufe erstreckt wird. IV. „Gewerbsmäßigkeit vs. Geschäftsmäßigkeit“ In der Online-Zeitschrift jur-pc wurde unlängst über folgenden Vorfall berichtet 41: Auf einer Mailingliste fragte ein Teilnehmer, ob es möglich sei, von einem für eine Präsenzbibliothek benötigten Werk eine Kopie anzufertigen und dort einzustellen. Ein Listenteilnehmer – Nicht-jurist (!) – beantwortete unter Bezugnahme auf entsprechende Paragraphen des UrhG und Zitate aus einem Kommentar zum Urheberrecht die Frage positiv. Kurze Zeit später wurde ihm und den anderen Teilnehmern von einem Rechtsanwalt eine Abmahnung angedroht, wenn in Zukunft die Beantwortung konkreter Rechtsfragen in der Mailingliste nicht unterbleibe. In der Presse publizierte Beispiele wie dieses sind sicherlich ein Grund für die Zweifel vieler Verbraucher an der Sinnhaftigkeit des RBerG. Die Problematik resultiert aus dem weiten Verständnis des Tatbestandsmerkmals der „Geschäftsmäßigkeit“. Für die „Geschäftsmäßigkeit“ i. S. d. Art. 1 § 1 RBerG genügt die Dauerhaftigkeit im Sinne einer Wiederholungsabsicht 42. Der vom Gewinnstreben getragenen Entgeltlichkeit bedarf es nicht 43; ein grundlegender Unterschied zum Begriff der Gewerbsmäßigkeit 44. Ausgenommen bleiben allerdings Tätigkeiten, die lediglich aus

33 BGHZ 79, 239, 244; NJW 1989, 2125, 2126; BGH DNotZ 2001, 49, 52; ferner OLG Bremen MDR 1999, 1292, 1293. 34 VI. auch OLG Frankfurt, MDR 1999, 1167. 35 So hat die Rechtsanwaltskammer Berlin hat ganz aktuell einen Rechtsanwalt auf Unterlassung in Anspruch genommen, der auf dem Briefkopf einen Bauingenieur als Außensozius führt. 36 LG Rostock ZKM 2000, 235 ff. 37 LG Hamburg NJW-RR 2000, 1514. 38 Ausgenommen von der Erlaubnispflicht ist neben der Anwaltschaft (§ 3 Nr. 2 RBerG) auch die Rechtsberatung und Rechtsbetreuung, die von Behörden „... im Rahmen ihrer Zuständigkeit ausgeübt“ wird (§ 3 Nr. 1 RBerG). Der wichtigen „Mediation durch die Jugendhilfe“ steht daher nichts im Wege. 39 Henssler, AnwBl. 1997,129, 131f.; Duss-von Werdt/Mähler/Mähler-Haffke, Mediation: Die andere Scheidung, Stuttgart 1995, 65, 92; Henssler/Kilian, FuR 2001, 104. 40 Vgl. LG Hamburg, NJW-RR 2000, 1514 f. 41 JurPC Web-Dok. 63/2000, Abs. 1 - 9. 42 St. Rspr., statt aller OLG Hamm AnwBl. 1998, 168. 43 Henssler/Prütting-Weth, BRAO, München 1997, Art. 1 § 1 RBerG, Rdnr. 29; Henssler, ZEV 1994, 261, 264. 44 Schorn, Die Rechtsberatung, 2. Aufl. 1967, S. 110; kritisch zu diesem Merkmal König, Rechtsberatungsgesetz – Grundfragen und Reformbedürftigkeit, Bonn 1993, S. 61 ff.

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l besonderen Gründen als „Gefälligkeit oder bei Gelegenheit“ ausgeübt werden 45. Faktum bleibt, dass die Unbeachtlichkeit altruistischer Motivationen zur Unzulässigkeit vieler gutgemeinter Hilfsangebote führt, bei denen keine Bedenken hinsichtlich Professionalität und Seriosität bestehen: Rasehorn, seit jeher ein engagierter Kritiker des Rechtberatungsmonopols, hat in einem flammenden Plädoyer in der DRiZ unlängst bemängelt, es gäbe keinen nachvollziehbaren Grund, qualifizierten nicht-anwaltlichen Volljuristen die Rechtsberatung pro bono publico zu untersagen 46: „Der Barmherzige Samariter des Lukas-Evangeliums dürfte dem Beraubten zwar medizinische Hilfe, nicht aber rechtliche Hilfe angedeihen lassen“, so sein provozierend gezeichnetes Bild. Der Vergleich hinkt zwar gewaltig – der barmherzige Reisende aus dem Volke der Samariter war ja kein geschäftsmäßiger Helfer – aber er rüttelt auf. Ob das Rechtsberatungsgesetz sozial engagierten Juristen, die ehrenamtlich über Wohlfahrtsverbände, Hilfsorganisationen wie pro asyl, Selbsthilfegruppen 47 o. ä. Mitmenschen helfen wollen, Sprach-, Kosten- und Sozialbarrieren zu überwinden, dieses Engagement verbieten sollte, lässt sich mit Fug und Recht bezweifeln 48. Derzeit werden nur staatliche, nicht aber private gemeinnützige Organisationen durch § 3 RBerG von der Erlaubnispflicht ausgenommen. Es geht um Randbereiche des Beratungsmarktes, die aufgrund der fehlenden oder geringen Verdienstmöglichkeiten nur von wenigen sozial sehr engagierten Anwälten bedient werden. Hier schließt sich der Kreis zu meiner Forderung nach einem verbesserten Zugang zum Recht. In anerkannten Einrichtungen qualifizierten Rat auch von Nicht-Anwälten zuzulassen, würde den Zugang zum Recht für viele soziale Randgruppen erleichtern. Warum sollen ausgebildete Juristen, z. B. pensionierte Richter, Ruhestandsbeamte oder akademisch tätige Juristen nicht solche qualitativ hochwertigen Beratungsleistung erbringen, wenn sie sich dem Kernbereich des anwaltlichen Berufspflichtenprogramms unterstellen? Denkbar wäre es, ebenso wie für die Rechtsbeistände und ausländische Anwälte auch für solche altruistisch tätigen Berater eine Kammermitgliedschaft in Form einer Registrierung als nicht-gewerbsmäßig tätige Berater einzuführen. Sie würde zum einen die berufsrechtliche Bindung gewährleisten, zum anderen aber auch die Andersartigkeit der Beratungstätigkeit manifestieren und eine (eigenständige) forensische Tätigkeit unterbinden. Erstrebenswert erscheint es daher, den Begriff der Geschäftsmäßigkeit fortzuschreiben und nur die gewerbliche nicht-anwaltliche Rechtsberatung generell zu verbieten. Dies würde der Berufsgruppe der Juristen ganz allgemein ein stärkeres soziales Engagement mit ihren spezifischen Fähigkeiten ermöglichen und damit das Ansehen des gesamten Juristenstandes verbessern. V. Zwischenergebnis Europa- und Verfassungsrecht zwingen, das im Kein unverzichtbare Rechtsberatungsmonopol restriktiv zu verstehen. Isolierte kaufmännische Hilfsgeschäfte, bei denen die berufliche und fachliche Integrität eines Rechtsanwalts entbehrlich sind, fallen nicht unter das Beratungsmonopol. Eine weitere Einschränkung folgt aus der Notwendigkeit einer rechtsberatenden „Tätigkeit“, aufgrund derer sich etwa Rechtsinformationssysteme nicht unter den Erlaubniszwang des RBerG subsumieren lassen. De lege ferenda erscheinen vor allem zwei Bereiche reformbedürftig: Hilfreiche nichtanwaltliche Komplementärkompetenzen müssen stärker in der Rechtsberatung nutzbar gemacht werden können. Denkbar erscheint, für bestimmte Berufsgruppen wieder Bera-

Aufsätze tungserlaubnisse zu erteilen, wenngleich der wohl sachgerechtere Weg die Erweiterung der Kooperationsmöglichkeiten im anwaltlichen Berufsrecht ist. Ein modernes Verständnis des Beratungsmonopols sollte zudem an den Begriff der „Gewerblichkeit“ anknüpfen, um künftig qualifizierte ehrenamtliche Beratungsleistungen zu ermöglichen. C. Der Blick über die Grenze I. Das Rechtsberatungsgesetz als Problem des grenzüberschreitenden Rechtsverkehrs Ist das Rechtsberatungsmonopol als EU-konform anzusehen, so gibt es keine Möglichkeiten für Nicht-Anwälte, das Rechtsberatungsmonopol durch eine Niederlassung in anderen Mitgliedstaaten zu unterlaufen. Den Rechtsrat, den ein im EU-Ausland, etwa in den Niederlanden, ansässiges Unternehmen in Deutschland erteilt, verstößt gegen das deutsche Rechtsberatungsmonopol 49. Ebenso wie die Werbemaßnahme eines englischen Anwaltes dann, wenn sie sich grenzüberschreitend an deutsche Mandanten richtet, nach deutschem Berufsrecht zu beurteilen ist, so greifen die deutschen Berufsausübungsbeschränkungen, wenn deutscher Rechtsrat einem in Deutschland ansässigen deutschen Mandanten erteilt wird. Der Schwerpunkt der Tätigkeit liegt in diesem Fall eindeutig in Deutschland, so dass die deutschen Verbotsnormen einschlägig sind. Die Anwendbarkeit des RBerG ist insofern unabhängig von der anders gelagerten internationalprivatrechtlichen Frage zu bejahen, welches Recht auf die schuldrechtlichen Beziehungen zwischen Rechtsberater und Versicherungsnehmer anzuwenden ist 50. Für die Anwendbarkeit der RBerG als deutschem – öffentlich-rechtlichem – Ordnungsrecht ist darauf abzustellen, ob sich die Rechtsberatung im Inland vollzieht 51. Die zentrale Frage, wann eine solche Rechtsberatung im Inland vorliegt, ist nach wie vor völlig umstritten und bislang auch nicht unmittelbar, sondern nur inzident Gegenstand gerichtlicher Entscheidungen gewesen. Zwar wird auch in Deutschland die Auffassung vertreten, eine vom Ausland her betriebene schriftliche oder fernmündliche Rechtsbesorgung falle nicht unter das RberG 52. Die Verbotsnorm greife vielmehr nur bei einer in Deutschland unterhaltenen Niederlassung bzw. Zweigstelle 53. Bei einer planmäßigen Rechtsberatung ge-

45 Der hilfsbereite Internetteilnehmer kann daher beruhigt werden; der übereifrige Anwalt hat – freilich 46 erfolgreich – nur eine leere Drohung ausgesprochen. 46 Rasehorn, MZ 2000, 442 ff. 47 Vgl. z. B. den „disclaimer“ des Forums Sozialhilfe unter http://www.forum-sozialhilfe.de/html/rberg.htm (zuletzt aufgerufen am 24.7.2001). 48 Vgl. etwa zur asylrechtskundigen Beratung durch Sozialarbeiter und Ehrenamtliche Heinhold, ZAR 1997, 110 ff. 49 Aus diesem Grunde können etwa auch Rechtsschutzversicherungen nicht das in Deutschland durch das RBerG unterbundene Naturalleistungsprinzip durch ausländische Zweigniederlassungen praktizieren. 50 Nach dem Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht vom 19.6.1980 (EVÜ) gilt mangels Rechtswahl grundsätzlich das Recht des Staates, in dem der zur Dienstleistung verpflichtete seine Niederlassung hat (Art. 4 EVÜ; Art. 28 EGBGB). Dient die Beratungsleistung nicht der beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit des Beratenen, so findet das Recht des Aufenthaltsstaates des Dienstleistungsempfängers Anwendung, wenn der Beratungsvertrag dort zustande kam und dort auch zumindest teilweise zu erfüllen ist. 51 H. M. VG Schleswig NJW 1989, 1178; Willandsen, NJW 1989, 1128; Henssler/Prütting-Weth, RBerG, Einl., Rdnr. 55; Rennen/Caliebe, RBerG, Art. 1 § 1, Rdnr. 5. 52 So etwa VG Schleswig NJW 1989, 1178; Rennen/Caliebe, RBerG, Art. 1 § 1, Rdnr. 5; vgl. auch die Stellungnahme des Bundesministers der Justiz gegenüber dem Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages v. 26.5.1986, Rbeistand 1986, 95. 53 Henssler/Prütting-Weth, RBerG, Einl., Rdnr. 55; Altenhoff/Busch/Chemnitz, RBerG, 10. Aufl. 1993, Rdnr. 261 f.

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Aufsätze genüber in Deutschland ansässigen Beratungsadressaten könnte aber bei einem derart eingeschränkten Verständnis der Normzweck des RBerG problemlos unterlaufen werden 54. Aus den Regeln des internationalen Anwaltsrechts, die im Schrifttum teilweise entsprechend herangezogen werden 55, folgt nichts Gegenteiliges. Bei anwaltlichen Dienstleistungen stellt sich nicht die Frage, ob die Rechtsberatung überhaupt zulässig ist sondern die Frage, ob der ausländische Rechtsanwalt bei der Erbringung von Dienstleistungen in einem anderen Staat das dortige – öffentlichrechtliche – Berufsrecht beachten muss. Diese Frage ist eindeutig zu bejahen 56. Der ausländische Rechtsanwalt kann sich also ebenfalls nicht auf sein liberaleres Heimatrecht berufen. Folgerichtig muss auch der ausländische Rechtsbesorger bei Rechtsberatungsleistungen, die unmittelbar auf den deutschen Rechtsberatungsmarkt zielen, das hiesige Ordnungsrecht/Berufsrecht beachten 57. Im Umkehrschluss kann aus Art.1 § 3 RBerG gefolgert werden, dass ausländische Nichtanwälte nicht einmal vorübergehend und vereinzelt Rechtsberatungsleistungen in Deutschland erbringen dürfen 58. Der EuGH 59 hatte dementsprechend in den erwähnten Gerichtsverfahren ebenso wie die mit der Angelegenheit befassten deutschen Gerichte 60 keine Bedenken, die Tätigkeit des britischen Patentüberwachungsunternehmens bzw. des französischen Inkassounternehrnens 61 gegenüber deutschen Mandanten am deutschen Rechtsberatungsmonopol zu messen 62. II. Eine tour d’ horizon durch ausländische Rechtsordnungen Gängigem Verständnis entspricht es, dass die Monopolisierung der Rechtsberatung nach dem Modell des RBerG im internationalen Kontext ein vereinzelt gebliebenes Konzept ist. Diese Aussage ist in ihrer Allgemeinheit nicht haltbar, wie schon ein nur kurzer rechtsvergleichender Überblick zeigt 63: Zutreffend ist zunächst, dass lediglich die Gegebenheiten in Österreich mit der deutschen Rechtslage weitgehend identisch sind. Dort ist nach § 8 Abs.2 RAO dem Rechtsanwalt als berufenem Vertreter in allen gerichtlichen und außergerichtlichen sowie in allen öffentlichen und privaten Angelegenheiten die Befugnis zur umfassenden berufsmäßigen Parteienvertretung vorbehalten 64. Viele andere Rechtsordnungen, so etwa Belgien, Griechenland, Großbritannien, Irland, Italien, Luxemburg, Norwegen, Portugal und Spanien, gewähren indessen für den Bereich forensischer Tätigkeit Monopolrechte zu Gunsten der Anwaltschaft 65. In den meisten dieser Beratungsmärkte sehen sich Rechtsanwälte allerdings im Bereich der außergerichtlichen anwaltlichen Tätigkeit der Konkurrenz nicht-juristischer Berater ausgesetzt. Die Rechtsberatung ist jedoch häufig nicht völlig unreguliert, sondern lediglich bestimmten anderen Berufsgruppen gestattet (z. B. in Dänemark). Einen für jeden Anbieter juristischer Dienstleistungen offen stehenden Rechtsberatungsmarkt kennen lediglich Finnland, Schweden und die Niederlande. Dass auch in Rechtsordnungen mit weniger stark ausgeprägten Monopolrechten zu Gunsten der Rechtsanwaltschaft der Verbraucherschutz nicht zwangsläufig dem freien Wettbewerb geopfert wird, zeigt das Beispiel Frankreichs. Dort ist durch Art. 54 des Gesetzes Nr. 71-1130 ein Modell geschaffen worden, dass die Rechtsberatung nicht zugunsten eines bestimmten Berufsbildes monopolisiert, sondern ihre Erbringung von der Innehabung eines akademischen Abschlusses abhängig macht66. Nur den Inhabern einer „Licence en droit“ oder eines vergleichbaren Diploms ist die regelmäßige und bezahlte Rechtsberatung erlaubt 67.

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l Rechtsvergleichend lohnt in besonderer Weise ein Blick auf die USA. In vielen aktuellen Entwicklungen übt das angloamerikanische Recht einen dominierenden faktischen Einfluss auf das deutsche Recht selbst dort aus, wo es dogmatisch und gesetzestechnisch durchaus unterlegen ist. Das renommierte „American Law Institute“ hat in seinem jüngsten, das Anwaltsrecht betreffenden „Restatement of the Law Governing Lawyers“ sorgfältig begründet, dass auch die USA grundsätzlich ein Anwaltsmonopol kennen, nichtanwaltliche Rechtsberatung damit grundsätzlich als „unauthorized practice of law“ unzulässig ist 68. Das Beratungsmonopol erfasst nicht nur den forensischen Bereich – diesen allerdings strikt –, sondern auch die außergerichtliche Beratung. Dabei stehen die Anwaltskammern traditionell auf dem Standpunkt, dass nichtanwaltliche Rechtsberatung zu untersagen sei, weil ansonsten den Bürgern der Schutz der Anwaltsprivilegien und der strengen Berufspflichten etwa bei Interessenkollisionen nicht zugute komme. Verbraucherverbände und staatliche Behörden beklagen zwar die Restriktionen als übertrieben und monieren die Verteuerung der Rechtsberatung, die mit dem Anwaltsmonopol verbunden sei. Die Rechtsprechung und einzelstaatliche Regelungen erkennen aber nur in Randbereichen Ausnahmen an, etwa für Studenten im Rahmen von clinical legal education-Programmen oder für den Bereich der „pro bono“-Tätigkeit gemeinnütziger Organisationen. Bemerkenswert ist, dass die State Bar des Bundesstaates Pennsylvania ebenfalls die Tätigkeit nichtanwaltlicher Mediatoren als unerlaubte Rechtsberatung ansieht, hier also in einem aktuell bedeutsamen Tätigkeitsfeld ähnlich restriktiv wie die deutschen Kammern und Gerichte agiert 69. In zahlreichen Staaten lehnen die Gerichte sogar eine Befugnis des Gesetzgebers ab, das Anwaltsmonopol zu lockern, und ordnen diesen Bereich dem verfassungsrechtlich den Gerichten vorbehaltenen Rechtsmaterien zu 70. 54 Kritisch gegenüber der Entscheidung des VG Schleswig auch Willandsen, NJW 1989, 1128, 1130. 55 Henssler/Prütting-Weth, RBerG, Einl., Rdnr. 55; Altenhoff/Busch/Chemnitz, RBerG, Rdnr. 261 f. 56 Dazu Henssler in: Liber amicorum für Rabe, S. 45 ff. m. w. N.; ders. AnwBl 1993, 541, 548. 57 In diese Richtung auch OLG Hamm NJW-RR 2000, 509; Armbrüster RIW 2000, 583; Mankowski E-WiR Art. 1 § 1 RBerG 2/2000 S. 189. 58 Zu zurückhaltend daher Rennen/Caliebe, RBerG, § 1, Rdnr. 6, die zwar im Gegensatz zu Mankowski (EWiR Art. 1 § 1 RBerG 2/2000 S. 189) die grundsätzliche Bedeutung des Art. 1 § 3 RBerG erkennt, aber nicht die sich daran anknüpfenden weitergehenden Schlussfolgerungen zieht. 59 EuGH GRUR Int 1991, 807. 60 OLG München GRUR Int 1990, 546; dazu Rennen/Caliebe, RBerG, Art. 1 § 1, Rdnr. 5. 61 EuGH AnwBl 1997, 114 ff. 62 Auch die Vorlage-Entscheidung des OLG München (GRUR Int. 1990, 546) ist nur erklärbar, wenn man die grundsätzliche Anwendbarkeit der RBerG bejaht. 63 Eine umfassendere Studie unter Berücksichtigung von 18 Rechtsordnungen findet sich bei Kilian, ZVersWiss 1999, 23 ff. Siehe auch Dombek, BRAKMitt. 2001, 98 ff.; Lühn, AnwBl 2001, 319 ff. 64 Jahoda, ÖAnwB1 1987, 157 ff; Gebauer, ÖAnwB1 1987, 39 ff; weitere Nachweise bei Schuppich/Tades, RAO, 6. Aufl. 1999, Anm. zu § 8 RAO. 65 Zu Einzelheiten Kilian, ZVersWiss 1999, 23 ff. 66 Vgl. Mengel in: Henssler/Nerlich, Anwaltliche Tätigkeit in Europa, Bonn 1994, 180. 67 Allerdings sind zahlreiche Ausnahmen – insbesondere die Anerkennung „ähnlicher Diplome“ – vorgesehen; Mengel in: Henssler/Nerlich, 180; Maier, AnwBl 1991, S.183. 68 American Law Institute, The Law Governing Lawyers, 2000, § 4, S. 36 ff. 69 Eine Selbstverständlichkeit ist, dass ein angestellter Syndikusanwalt sein Unternehmen nur außergerichtlich und in keinem Fall die Kunden und Vertragspartner des Unternehmens – etwa die Versicherungsnehmer – vertreten darf. Testamentsvollstreckung bzw. Nachlassplanung durch Banken wird ebenso kontrovers beurteilt wie in Deutschland. 70 Nahezu durchgängig gehen die Supreme Courts der US-Staaten davon aus, dass ihnen eine inhärente Regelungskompetenz zumindest für den Bereich der Zulassung zur Anwaltschaft und der Disziplinargewalt einschließlich der Aufstellung der Berufspflichten. Regelungen der jeweiligen Landesparlamente, die diesen Bereich betreffen, werden daher als verfassungswidrig eingestuft. Allenfalls dürfen sie von der Legislative als Hilfestellung gedacht sein; vgl. Henssler, RIW 2001, (demnächst).

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l Insgesamt lässt sich als Ergebnis des internationalen Vergleichs feststellen, dass in nahezu allen größeren Beratungsmärkten Rechtsanwaltsmonopole in der einen oder anderen Form als unverzichtbar und dem Mandantenschutz dienend angesehen werden. Für die Zukunft des deutschen RBerG kann daraus die Erkenntnis gewonnen werden, dass es durchaus erfolgversprechend, sich im Interesse des rechtsuchenden Publikums für die Aufrechterhaltung des RBerG in seinen Kernbereichen einzusetzen. Eine Lockerung entsprechend etwa dem niederländischen Recht wäre für unsere Anwaltschaft fatal, hat doch dort die Anwaltschaft lediglich 33 % des Rechtsberatungsmarktes für sich gewinnen können 71. D. Zukunft des Rechtsberatungsgesetzes Bestätigt hat der rechtsvergleichende Überblick auch die Eingangsforderung nach einer Neukonturierung des RBerG in seinen Randbereichen mit dem Ziel eines verbesserten Zugangs zum Recht. Insbesondere das Verbot der unentgeltlichen Rechtsberatung durch qualifizierte Juristen ist eine weltweite Besonderheit des deutschen Recht, die sachlich kaum zu rechtfertigen ist. Ein RechtsberatungsG, das wirklich „fit für Europa“ ist, das als Vorbild für eine einheitliche Regelung dienen kann, ist unser RBerG sicherlich nicht. Das zeigt schon der antiquiert anmutende Katalog der erlaubnisfähigen Teilbereiche, der in Art 1 § 1 RBerG enthalten ist. Bei einer zukunftgerichteten Würdigung des RBerG muss beachtet werden, dass dieses Gesetz durch die zum 18.8.1980 erfolgte Novellierung eine einschneidende Verschärfung erfahren hat 72. Bis zu diesem Zeitpunkt konnte eine Erlaubnis sowohl in Form von Voll- oder Teilerlaubnissen erteilt werden. Seither gibt es nicht nur die Beschränkung auf Teilerlaubnisse, auch der sachliche Umfang solcher Teilbefugnisse ist nunmehr eng begrenzt. Das heute verstärkt zu beobachtende Missfallen am RBerG ist damit auf eine neue Entwicklung, und nicht auf eine „antiliberale Tendenz der Nazizeit“ zurückzuführen 73. Die erst nachträglich entstandene Rigidität verhindert es etwa, dass ein Diplom-Psychologe oder Sozialpädagoge – auch wenn er die erforderlichen Rechtskenntnisse nachweist – eine Teilerlaubnis etwa für Familienmediation erhalten kann. Zu fordern ist daher de lege ferenda eine zwar grundlegende, aber für die Anwaltschaft doch verkraftbare Änderung. Unter den strengen Erfordernissen der für den Beruf erforderlichen Zuverlässigkeit, der persönlichen Eignung und der genügenden Sachkunde sollte der nach § 11 Abs. 1 1. AVO zuständige Präsident des Land- oder Amtsgerichts auch außerhalb des Kataloges des Art 1 § RBerG Teilerlaubnisse erteilen können. Damit könnte zum einen den nichtanwaltlichen Mediatoren geholfen werden. Aber auch die Erlaubniserteilung an gemeinnützige private Organisationen, die qualifizierte „pro bono“ Rechtsberatung für Bedürftige anbieten, käme in Betracht. Gerade wenn man solche Organisationen nicht durch eine Ergänzung des Art. 1 § 3 Nr. 1 RBerG generell vom Erlaubniszwang ausnehmen will, bietet sich als minus die Teilerlaubnis an, die eine individuelle Qualitätskontrolle ermöglicht. Teilerlaubnisse wären ferner für Einrichtungen an Juristischen Fakultäten denkbar, in denen Studenten nach dem amerikanischen Vorbild der clinical legal education 74 unter qualifizierter Fachaufsicht (etwa von anwaltlichen Lehrbeauftragten) unentgeltlich einkommensschwache Personen beraten. Ziel all dieser Einschränkungen des Anwaltsmonopols ist es, den Zugang zum Recht zu verbessern – ein Anliegen, das eigentlich von allen Beteiligten unterstützt werden sollte.

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Aufsätze E. Zusammenfassung 1. Der mit dem RBerG verbundene Eingriff in die Berufsfreiheit der nichtanwaltlichen Berater ist verfassungsrechtlich unbedenklich und aus rechtspolitischer Sicht sachgerecht, soweit er 9 den Rechtsuchenden vor unqualifiziertem Rechtsrat schützt, 9 fachlich ungeeignete und unzuverlässig Personen von der geschäftsmäßigen Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten ausschließt, 9 die reibungslose Abwicklung des Rechtsverkehrs sichert. 2. Auch bei Beachtung dieser Normzwecke lässt sich ein Rechtsberatungsmonopol nur rechtfertigen, wenn der gleichberechtigte Zugang aller Bürger zum Recht gewahrt bleibt. Das bedeutet: 9 Die Anwaltschaft muss selbst alles unternehmen, um den Zugang zum Recht für jedermann zu öffnen. 9 Neue kostengünstige Formen der Rechtsberatung – etwa über die neuen Medien – müssen als zulässig angesehen werden, sofern ihr Angebot keine Gefahren für die rechtsuchende Bevölkerung mit sich bringt. 9 In jenen Bereichen in denen Zugangshürden fortbestehen, ist an eine Lockerung des RBerG zu denken. 3. Die Diskussion um die Zukunft des Anwaltsmonopols wird zu einseitig unter dem Aspekt der Qualitätssicherung geführt. Entscheidend ist der Schutz des rechtsuchenden Publikums über das anwaltliche Berufsrecht. Der Schutz des Mandanten 9 über die Anwaltsprivilegien (Zeugnisverweigerungsrecht und Beschlagnahmeverbot), 9 über die strafrechtlich sanktionierte Verschwiegenheitspflicht (§ 203 StGB), 9 über das strafrechtlich sanktionierte Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen, 9 durch die anwaltliche Unabhängigkeit, 9 der anvertrauten Gelder, 9 durch die Berufshaftpflichtversicherung rechtfertigt das Anwaltsmonopol auch im außerforensischen Bereich. 4. Das Europarecht zwingt nur dazu, solche Tätigkeiten vom Erlaubniszwang auszuklammern, bei denen die berufliche und fachliche Integrität eines Anwalts nicht notwendig ist, die Leistung sich vielmehr in rein administrativen Handlungen erschöpft und Entscheidungen rechtlicher Natur ausschließlich vom Auftraggeber getroffen werden. 5. Online-Rechtsberatung fällt zwar unter den sachlichen Anwendungsbereich der e-commerce-Richtlinie 2000/ 31/EG. Ausländische Angebote, die sich primär an den deutschen Rechtsberatungsmarkt wenden, sind jedoch als missbräuchliche Nutzung der Richtlinie zur Umgehung des deutschen RBerG zu werten. 6. Rechtsinformationssysteme im Internet sind keine geschäftsmäßige Rechtsbesorgung im Sinne von Art. 1 § 1 RBerG. Die für das RBerG erforderliche Individualisierung

71 Dijkhof/Reidinga in: Tyrrell/Yaqub, The Legal Professions In The New Europe, 2 nd ed., London 1996, S.274. 72 5. BRAGebOÄndG v. 18. 8.1980 BGBl. I, S. 1503. 73 Zur historischen Dimension jüngst Dombek, BRAK-Mitt. 2001, 98, 99. 74 Zu dieser umfassend Henssler/Schlosser, Clinical Legal Education, Bonn 1999.

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Aufsätze der Informationen erfolgt wie bei einem juristischen Handbuch ausschließlich durch die geistige Leistung des Nutzers, nicht durch eine rechtsbesorgende Tätigkeit des Portalanbieters. 7. Mediation ist eine im Einzelfall angewandte Methode auf dem Weg hin zu einer Neubegründung und Neuformulierung der wechselseitigen Rechte und Pflichten der Beteiligten für die Zukunft. Mediation mit rechtlichem Bezug fällt unter das RBerG und darf von einem Nicht-Anwalt auch nicht als Annextätigkeit erbracht werden. Die praktische Durchführung der außergerichtlichen Konfliktbeilegung sollte erleichtert und den Rechtsanwälten der Zusammenschluss mit Diplompsychologen und Sozialpädagogen in Berufsausübungsgesellschaften ermöglicht werden. 8. Der Begriff der Geschäftsmäßigkeit ist dahingehend einzuschränken, dass nur die gewerbliche nicht-anwaltliche Rechtsberatung generell verboten ist. Fachlich qualifizierten Juristen sollte die unentgeltliche Rechtsberatung erlaubt werden können, wenn sie sich über eine Kammermitgliedschaft den anwaltlichen Grundpflichten unterwerfen. 9. Ein rechtsvergleichender Blick auf ausländische Beratungsmärkte ergibt, dass in allen größeren Beratungsmärkten Rechtsanwaltsmonopole in der einen oder anderen Form als unverzichtbar und dem Mandantenschutz dienend angesehen werden. Es ist daher durchaus aussichtsreich, sich im Interesse des rechtsuchenden Publikums für die Aufrechterhaltung des RBerG in seinen Kernbereichen einzusetzen. Der rechtsvergleichende Blick bestätigt aber auch die Notwendigkeit einer Beschränkung des Anwaltsmonopols in den Randbereichen der Rechtsberatung. 10. Der berechtigten Kritik an dem sehr weit gefassten Verbotsbereich des RBerG kann sachgerecht Rechnung getragen werden, wenn dem nach § 11 Abs. 1 1. AVO zuständige Präsident des Land- oder Amtsgerichts die Möglichkeit eröffnet wird, unter den Voraussetzungen der 9 für den Beruf erforderlichen Zuverlässigkeit, 9 der persönlichen Eignung, 9 und der genügenden Sachkunde auch außerhalb des Kataloges des Art 1 § 1 RBerG Teilerlaubnisse zu erteilen. Solche Teilerlaubnisse sollten auch private gemeinnützige Einrichtungen beantragen können, die unentgeltlich Rechtsberatung durch qualifizierte Juristen anbieten.

Das „letzte Wort“ ist nicht gesprochen – Anmerkung zum „Court-TV“- Urteil des BVerfG – Dr. Ralph Alexander Lorz, LL.M. (Harvard), Attorney-atLaw (New York), Düsseldorf I. Ausgangslage 1.Vorgeschichte des Urteils Die Diskussion über „Fernsehen im Gerichtssaal“ scheint als Rechtsfrage die neun Leben einer Katze zu besitzen. Bereits in den Fünfzigerjahren in Deutschland mit großer Heftigkeit geführt 1, wurde sie 1964 mit der Einfüh-

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l rung des § 169 S. 2 GVG dahingehend beantwortet, dass Ton- und Filmaufnahmen zum Zwecke der Veröffentlichung während der gesamten Dauer einer Gerichtsverhandlung – d. h. vom Aufruf der Sache bis zur Rechtsmittelbelehrung – unzulässig seien 2. Die Vorschrift ist von einer in der Rechtspraxis durchaus seltenen Eindeutigkeit, konnte aber die Diskussion dennoch nur für eine gewisse Zeit befrieden. Denn spätestens mit dem Aufkommen des Privatfernsehens und den damit einhergehenden Umgestaltungen der Medienlandschaft wurde auch der Gerichtssaal als „fernsehfreie Zone“ wieder in Frage gestellt – spätestens mit der teilweisen Zulassung von Fernsehaufnahmen in Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht 3. Als Vorbild fungieren dabei in positiver wie in negativer Hinsicht wie so oft die Vereinigten Staaten, wo der Prozess gegen den ehemaligen Footballstar O. J. Simpson im Jahr 1995 und zuletzt die Scheidungssache Becker gegen Becker in eher unrühmlicher Weise für Aufsehen sorgten 4. Hier in Deutschland hat sich vor allem der private Nachrichtensender und CNN-Ableger „n-tv“ mit dem Versuch hervorgetan, das starre Verbot des Gerichtsverfassungsgesetzes aufzubrechen. Das jetzige Urteil des BVerfG stellt – wenn man die dazugehörigen Eilverfahren gesondert zählt – bereits die fünfte Entscheidung über Fernsehaufnahmen im Gerichtssaal dar, zu der „n-tv“ das höchste deutsche Gericht in den letzten zehn Jahren veranlasst hat. Die Serie beginnt mit dem Strafverfahren gegen Erich Honecker, in dem der Gerichtsvorsitzende Fernsehaufnahmen innerhalb des Sitzungssaales gänzlich untersagt und damit Aufnahmen von den Untersuchungsgefangenen praktisch unmöglich gemacht hatte 5, „n-tv“ und andere Fernsehanstalten erstritten daraufhin vor dem BVerfG eine einstweilige Anordnung, mit der Fernsehaufnahmen auch im Gerichtssaal außerhalb der eigentlichen Verhandlung zugelassen wurden 6 und die in der Hauptsache durch Beschluss des BVerfG vom 14.7.1994 bestätigt wurde 7. Es war wohl dieser Erfolg, der „n-tv“ dazu bewog, im Folgenden die Vorschrift des § 169 S. 2 GVG direkt zu attackieren. Den ersten Anlass hierzu bot der so genannte „Politbüro-Prozess“ gegen Egon Krenz und andere ehemali1 Vgl. stv. nur Werner Sarstedt, Rundfunkaufnahmen im Gerichtssaal, in: JR 1956, 121 ff.; u. Eberhard Schmidt, Zulässigkeit und Verwendbarkeit von Tonbandaufnahmen im Strafverfahren, in: JZ 1956, 206 ff, 209 ff. 2 Zur Entstehungsgeschichte dieser Vorschrift i. einz. Matthias Kuß, Öffentlichkeitsmaxime der Judikative und das Verbot von Fernsehaufnahmen im Gerichtssaal, 1999, 123 ff; vgl. a. Mathias Schwarz, Fernsehöffentlichkeit im Gerichtsverfahren, in: AfP 1995, 353 ff., 354; im Anschluss an Heinrich Maul, Bild- und Rundfunkberichterstattung im Strafverfahren, in: MDR 1970, 286 ff., 286. 3 Vgl. den nachträglich eingefügten § 17 a BVerfGG; u. dazu Hans Hofmann, Der Sonderweg des Bundesverfassungsgerichts bei der Fernsehübertragung von Gerichtsverhandlungen, in: ZRP 1996, 399 ff.; sowie Ernst Benda, Tatort Schlossbezirk, in: NJW 1999, 1524 f.; ausführlich Frank Burbulla, Die Fernsehöffentlichkeit als Bestandteil des Öffentlichkeitsgrundsatzes, 1998, 89 ff.; u. sehr krit. Gerhard Wolf, „Wir schalten um nach Karlsruhe ...“, in: JR 1997, 441 ff. 4 Für eine Darstellung und vergleichende Analyse der dortigen Rechtslage vgl. Ralph Alexander Lorz, Gerichtsberichterstattung und Informationsanspruch der Öffentlichkeit aus der Sicht deutscher und amerikanischer Verfassungsrechtsprechung, in: Andreas Haratsch/Dieter Kugelmann/Ulrich Repkewitz (Hg.), Herausforderungen an das Recht der Informationsgesellschaft, 1996, 59 ff., 70 ff.; zu der bisherigen Praxis der Bildberichterstattung in deutschen Strafgerichten Gernot Lehr, Bildberichterstattung der Medien über Strafverfahren, in: NStZ 2001, 63 ff., 63. 5 Ausführlich zu diesem Fall Otfried Ranft, Verfahrensöffentlichkeit und „Medienöffentlichkeit“ im Strafprozess, in: Jura 1995, 573 ff., 580 f.; vgl. a. CarlEugen Eberle, Justiz und Medienöffentlichkeit, in: ZDF-Jahrbuch 1992, 158 ff., 160. 6 BVerfG NJW 1992, 3288 f. 7 BVerfG JZ 1995, 295 ff. m. Anm. von RolfStürner, 297 ff. = NStZ 1995, 40 ff. m. Anm. von Rupert Scholz, 42 f.; vgl. weiter Schwarz (Fn. 2), 354 ff.; u. Martin Philipp Wyss, Öffentlichkeit von Gerichtsverfahren und Fernsehberichterstattung, in: EuGRZ 1996, 1 ff., 2 f.