Unterricht Burkhard Schroeter · Dieter Piepenburg

Die Zukunft des Lebensraums «Polarmeer» In polaren Ökosystemen sind Organismen und Lebensgemeinschaften in besonderer Weise an die extremen Lebensbedingungen angepasst und reagieren daher sehr empfindlich auf rasche und drastische Veränderungen in ihrer Umwelt. Dies hat zur Folge, dass der Klimawandel besonders starke Auswirkungen hat, nicht nur direkt für den wichtigen polaren Lebensraum des Meereises, sondern auch für die Organismen im Freiwasser und am Meeresboden.

In den polaren Ozeanen gibt es zu den Lebensräumen des Freiwassers (Pelagial) und des Meeresbodens (Benthal) – quasi als «oberste Etage» des marinen Gesamtökosystems – das Meereis. Es stellt dort einen eigenen, dritten und spezifisch polaren Lebensraum (Sympagial) dar. Wenn die Temperaturen unter den Gefrierpunkt des Meerwassers (−1,8 °C) sinken, gefriert es zu winzigen Eisplättchen, die zusammenkleben, wenn sie sich im Wasser berühren. Daraus entsteht zunächst Eis mit einer körnchenförmigen Kristallstruktur. Später wächst es zu größeren Schollen zusammen, an deren Unterseite das Meerwasser in länglichen Kristallen zu säulenförmigem Eis gefriert. Die im Meerwasser vorhandenen Salze reichern sich während des Gefrierens des Wassers zu einer sehr kalten, aber flüssigen und hochkonzentrierten Salzlauge an, die die feste Eiskristallmatrix mit einem fein verzweigten, dreidimensionalen Kanalsystem durchzieht. Je niedriger die Eistemperatur (bis zu −30 °C), desto enger sind diese Salzlaugenkanäle und desto höher ist der Salzgehalt in der Lauge, der bis zu 200  g/kg betragen und damit gegenüber dem Meerwasser (35  g/ kg) um fast das Sechsfache erhöht sein kann. In dem Kanalsystem existieren spezifische Gemeinschaften aus einer Vielzahl von Viren, Bakterien, Pilzen, einzelligen Algen sowie ein- und auch kleinen mehrzelligen Tieren. Diese Organismen sind ökologisch und physiologisch an die extremen Lebensbedingungen im Meereis angepasst (Gradinger/Bluhm 2006).

Die kryo-pelago-benthische Kopplung Die Großlebensräume Freiwasser und Meeresboden sind zwar räumlich getrennt, aber es gibt Wechselbeziehungen zwischen ihnen. Ökologisch am bedeutsamsten sind die Kopplungen im Hinblick auf die Stoff-

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kreisläufe, die alle Organismen eines jeden Ökosystems miteinander verbinden. In den arktischen und antarktischen Meeresgebieten wird dieser elementare ökologische Prozess durch das Meereis überprägt. Es steht vor allem mit dem Freiwasser in einer engen Wechselbeziehung. Aufgrund der Eisbedeckung, des generell niedrigen Sonnenstandes und der oft monatelangen winterlichen Polarnacht dringt nur wenig Sonnenlicht in das Freiwasser ein. Daher ist die jährliche Produktionsphase für das Phytoplankton in der saisonalen Eiszone auf wenige Sommermonate beschränkt. In der permanenten Packeiszone sind nur wenige Arten produktiv, die an wenig Licht angepasst sind. Auf den flachen arktischen Schelfen, aber auch im Südpolarmeer ist die Kopplung zwischen Eis und Pelagial in Gebieten mit saisonaler Eisbedeckung ausgeprägt und führt zu einer hohen marinen Gesamtproduktivität, besonders in der Eisrandzone. Das relativ dünne und poröse einjährige Eis bietet besonders im Frühjahr große, gut belichtete und nährstoffreiche Siedlungsflächen für Eisalgen, sowie Weidegrund und Unterschlupf für pflanzenfressende (herbivore) Meereis- und Planktonorganismen und deren Räuber. Außerdem sind die Planktonblüten an den Eisrändern besonders intensiv, weil dort das Schmelzwasser zu einer Schichtung der oberen Wassersäule führt. Vielfältige Nahrungsbeziehungen zwischen Bewohnern des Meereises und der Wassersäule finden durch Wanderungen in beide Richtungen statt. Das Meereis beeinflusst aber letztlich in vielfältiger Weise auch die pelago-benthische Kopplung. Die reichen Planktonblüten in den Eisrandzonen übersteigen das Fressvermögen des Zooplanktons, sedimentieren daher rasch aus dem oberen Pelagial in die Tiefe und dienen dort dem Benthos als Nahrungsquelle. Deshalb spricht man in polaren

Meeren auch von der «kryo-pelago-benthischen Kopplung». Durch den klimabedingten Rückgang des Meereises werden deshalb nicht nur die direkt betroffenen Lebensgemeinschaften des Meereises beeinflusst, sondern auch die anderen marinen Habitate im Pelagial und am Meeresboden. Dies wiederum hat zur Folge, dass der Klimawandel gerade in den Polarmeeren besonders starke Auswirkungen hat (Piepenburg u. a. 2011).

Lerngruppe ab 10. Schülerjahrgang Ziele Am Beispiel der Lebensräume der

Polarmeere werden anhand der Nahrungsbeziehungen die Grundprinzipien der Vernetzung von Organismen innerhalb von Ökosystemen und von Ökosystemen untereinander erkannt und die zugrunde liegenden Stoffkreisläufe analysiert. Am Beispiel des Klimawandels werden Vorhersagen über die Auswirkungen von Eingriffen in komplexe biologische Systeme erstellt.

Ozeanerwärmung Aufgrund des Treibhauseffekts bewirkt der vornehmlich durch den Menschen verursachte Anstieg des atmosphärischen Kohlendioxids und anderer «Treibhausgase» in den letzten 200 Jahren eine Erwärmung der Atmosphäre, aber auch (verzögert) der Ozeane (Dietrich u. a. 2011). Im Laufe der Erdgeschichte hat es immer wieder Veränderungen der Ozeantemperaturen gegeben, z. B. beim Wechsel von Kalt- zu Warmzeiten im Pleistozän. Die derzeit stattfindende Erwärmung ist jedoch in Ausmaß und Geschwindigkeit außergewöhnlich. Die deutliche Erhöhung der Umgebungstemperaturen, vor allem in den hohen Breiten, hat schwerwiegende Auswirkungen auf das Leben im Meer (maribus 2010): So führen steigende Wassertemperaturen z. B. zur Erhöhung des Grundstoffwechsels aller Meeresbewohner. Dies beeinflusst die Energiebilanz und damit auch alle davon abhängigen Lebensprozesse wie Wachstum, Fortpflanzung und Ver-

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haltensmuster. So werden sich alle an die Jahreszeiten gebundenen Ereignisse, wie z. B. die Vermehrung, zeitlich verschieben. Weil nicht alle Arten gleich empfindlich auf die Erwärmung reagieren, schlüpfen Zooplankton- und Fischlarven zu Zeitpunkten, an denen aufgrund der nun fehlenden zeitlichen Übereinstimmung mit der Planktonblüte zu wenig Phytoplanktonalgen als Futter vorhanden sind, und verhungern. Außerdem resultiert die Ozeanerwärmung in einer Veränderung der Verbreitungsgebiete von Arten im Plankton, Nekton und Benthos und damit zu einer Einwanderung bestimmter Arten in bisher nicht besiedelte Regionen. So werden sich z. B. atlantische Nutzfischarten (Kabeljau, Hering, Lodde) nach Norden in die Arktis ausbreiten und können als «Bioinvasoren» die «einheimische arktische» Fauna eventuell verdrängen bzw. die aufeinander eingespielten Nahrungsnetz-Gleichgewichte nachhaltig verändern.

Rückgang des Meereises Eine weitere Nebenwirkung der Ozeanerwärmung ist der Rückgang des Meereises. Am stärksten sind diese Auswirkungen in der Arktis ausgeprägt. Nach Prognosen verschiedener Klimamodelle wird das arktische Meereis noch in diesem Jahrhundert, eventuell sogar vor 2050, im Sommer bis auf geringe Reste verschwinden (Notz 2011). Der wichtigste Grund für den zunehmenden Meereisschwund ist der Albedo-Effekt. Die hellen Schnee- und Meereisflächen

haben eine bis zu zehnfach höhere Rückstrahlung (und somit geringere Wärmeaufnahme) als die relativ dunklen Wasseroberflächen. Sobald das Meereis verschwunden ist, erwärmt sich das Oberflächenwasser und verzögert damit die Neueisbildung im Herbst. Das neue Eis bleibt dünner und beginnt im nächsten Frühjahr früher zu tauen. Durch diese Rückkopplung «übersommert» immer weniger junges Eis und im Sommer werden immer größere Flächen eisfrei. Dies bedeutet, dass das Nordpolarmeer nur noch während der Wintermonate von Eis bedeckt sein wird. Dies wiederum wird starke Auswirkungen auf das gesamte arktische Ökosystem haben. Es gilt als sicher, dass ein Rückzug des Meereises vor allem die Lebensgemeinschaften des Eises selbst beeinflussen wird (Gradinger/Bluhm 2006). Mit dem mehrjährigen Meereis verschwindet ein einzigartiger Lebensraum mit allen Organismen, die Lebenszyklen haben, die sich über mehr als ein Jahr erstrecken, und deshalb auf das Eis im ganzen Jahresgang angewiesen sind. Dazu gehören z. B. die arktischen UntereisAmphipoden. Das Verschwinden dieser Arten führt zu einem allgemeinen Verlust von Biodiversität, denn es werden auch einzellige Meereisalgenarten und andere mehrzellige Tiere betroffen sein. Die an das Meereis gebundenen Nahrungsnetze werden sich stark verändern, die geografische Lage von produktiven Eisrandzonen wird sich nach Norden verlagern. Durch die kürzeren Eisbedeckungszeiten werden auch Tiere, die das Eis nur zeitweise nutzen, in ihrem Le-

benszyklus gestört. Besonders stark davon betroffen sind Ringelrobben und Bartrobben, sowie ihr Jäger, der Eisbär. Aufgrund der «kryo-pelago-benthischen Kopplung» werden durch den Meereseisschwund auch die pelagischen und benthischen Lebensräume stark beeinflusst werden. Besonders problematisch ist die Störung der Abstimmung zwischen den Eisalgen- und Phytoplanktonblüten und den Lebenszyklen wichtiger arktischer Schlüsselarten des Zooplanktons, die ihre Fortpflanzungs- und Wachstumsphasen zeitlich an den arktischen Produktionszyklus angepasst haben. Ein mit dem Meereisschwund einhergehender Ausfall der Eisalgenblüten in den Eisrandzonen und eine Verschiebung der Phytoplanktonblüten im Jahresgang werden ihren Fortpflanzungserfolg stark gefährden. Arktische Zooplankter sind generell größer, aber auch fett- und energiereicher als nahverwandte Arten in mittleren Breiten. Daher sind sie die bevorzugte Beute für bestimmte Fische, Seevögel und Wale. Führt eine Verschiebung in der Artenzusammensetzung zu kleineren, weniger nahrhaften Vertretern wird sich das Nahrungsangebot für viele polare zooplanktonfressende Tierarten verschlechtern. Modellrechnungen deuten außerdem darauf hin, dass die Störung der Abstimmung zwischen der Primärproduktion und den Lebenszyklen dominanter Zooplanktonarten zu einem pelagischen Ökosystem führen könnte, in dem mikrobielle Zersetzungsprozesse dominierten und kaum Energie übrig bliebe für größere Organismen auf den oberen Nahrungsnetz-

Foto: Captain Budd Christman; NOAA Corps

Durch den Wandel des Klimas bedroht – die Bartrobben (Erignathus barbatus) im Nordpolarmeer

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Unterricht ebenen (z. B. Fische, Vögel und Säuger). Das gesamte marine Ökosystem wird sich demnach von einem Eisalgen-dominierten zu einem von Phytoplankton dominierten System verschieben, in dem die pelagischen gegenüber den benthischen Nahrungsnetzen an Bedeutung gewinnen (Hempel/Piepenburg 2010).

Ozeanversauerung Der anthropogene Anstieg des Kohlendioxids (CO2) in der Atmosphäre führt u einer «Versauerung» der Ozeane. Infolge der erhöhten Aufnahme von CO2 aus der Luft und der vermehrten Bildung von Kohlensäure sinkt der pH-Wert im Meerwasser. Bislang haben die Weltmeere seit Beginn der industriellen Revolution im 19. Jahrhundert knapp die Hälfte des CO2 aus der Verbrennung fossiler Energieträger aufgenommen, was bereits zu einer Erniedrigung um etwa 0,1 pH-Einheiten (von durchschnittlich 8,2 auf 8,1) geführt hat (Schulz/Riebesell 2011). Nach Modellvorhersagen könnte die Absenkung bis zum Ende des 21. Jahrhunderts auf fast 0,4 Einheiten steigen. Der pH-Wert des Meerwassers fiele auf den niedrigsten Stand innerhalb der letzten 20 Millionen Jahre, und das mit einer Geschwindigkeit, die etwa hundertfach höher wäre als alle natürlichen pH-Schwankungen in dieser Zeit. Dies wäre eine sehr drastische Änderung der Chemie der Ozeane mit weitreichenden Auswirkungen auf alle marinen Lebewesen und Ökosysteme. Die Versauerung der Ozeane ist auch mit einer Reduzierung des Karbonatgehalts im Meerwasser verbunden und hat unmittelbare negative Auswirkungen für alle Organismen, die Karbonat (CO32−) für den Aufbau ihrer kalkiger Skelette oder Schalen benötigen (z. B. Korallen, Kalkalgen, Muscheln und Schnecken). Wegen der erhöhten Löslichkeit des CO2 bei niedrigen Temperaturen ist dieser Effekt in den Polarmeeren besonders gravierend. Hier können unverminderte CO2-Emissionen in die Atmosphäre schon bis Ende dieses Jahrhunderts sogar zu einer Karbonat-Untersättigung des Meerwassers führen (Riebesell/ Schulz 2011). Dann werden solche Regionen für bestimmte kalkbildende Lebewesen (z. B. Flügelschnecken) sehr wahrscheinlich langfristig unbewohnbar werden.

Überlegungen zum Unterricht Die Unterrichtsanregung ist für die Sekundarstufe II konzipiert und kann im Rahmen der Behandlung von «Ökosystemen und deren Veränderung durch den Menschen» eingesetzt werden. Unterrichtsvoraussetzung

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sind grundlegende Kenntnisse über Ökosysteme und die Beziehungsgefüge von Organismen in einem Lebensraum, die in der Sekundarstufe I behandelt werden und vor Beginn der Unterrichtseinheit wiederholt werden können.

Klimawandel und Polarmeere 1. Unterrichtsabschnitt Der thematische Einstieg erfolgt über Schlagzeilen aus der Presse, die die Bedrohung der Polarmeere durch den Klimawandel thematisieren (▶ Material 1). Die SchülerInnen erhalten Gelegenheit, diese Schlagzeilen spontan zu kommentieren und dabei ihre Vorkenntnisse über die Polarmeere einzubringen. Im Anschluss erarbeiten Sie in Form eines Gruppenpuzzles, welche Folgen die drei ökologisch wichtigsten Folgen des Klimawandels für die Lebewesen der Polarmeere haben können (▶ Material 2a – c). In der Grafik zur Abnahme der Ausdehnung des mehrjährigen Meereises (Material 2a) ist eine starke Schwankung der jährlichen Werte der Ausdehnung des Meereises zu beobachten. Diese ist auf natürliche interannuelle klimatische Schwankungen zurückzuführen, wie sie typischerweise in Klimadaten zu finden sind. Entscheidend ist der generelle Trend der Abnahme der Ausdehnung des Meereises über den gesamten Zeitraum von 32 Jahren. Eine vierte Gruppe erarbeitet darüber hinaus die Vernetzung der Lebensräume im Nordpolarmeer (Material 2d).

Das Nordpolarmeer im Jahr 2100 2. Unterrichtsabschnitt Anschließend werden die Gruppen neu zusammengesetzt, so dass in den neu gebildeten Gruppen jeweils vier Experten der vier verschiedenen Themen aus der ersten Gruppenphase zusammenkommen. Innerhalb der Gruppen informieren sich die Experten gegenseitig. Im Anschluss bewerten die SchülerInnen nun die Auswirkungen der drei behandelten Folgen des Klimawandels für die Lebensgemeinschaften im Nordpolarmeer unter der Annahme eines ungebremsten Klimawandels. Sie entwickeln ein Szenario, wie das Nordpolarmeer im Jahr 2100 aussehen könnte (▶ Material 3). Dabei steht die mögliche Veränderung der marinen Ökosysteme im Vordergrund. Es können aber auch mögliche sozioökonomische Folgen in den Blick genommen werden. Abschließend werden die erarbeiteten Szenarios von den einzelnen Schülergruppen vorgestellt und im Plenum diskutiert. Anknüpfungspunkte für eine Diskussion sind z. B. die Verlässlichkeit der bisherigen Klimaprognosen und die Wahrscheinlichkeit, dass die entworfenen Szenarios Realität werden. Auch die Frage, was die pro-

gnostizierte Veränderung der Polarmeere für uns unmittelbar oder mittelbar bedeutet, kann thematisiert werden.

Literatur Dietrich, V./Erb, R./Kleesattel, W. (Hrsg.): Abenteuer Weltmeere. Cornelsen Verlag, Berlin 2011 Gradinger, R./Bluhm, B.: Das Leben im Eispalast – Flora und Fauna des arktischen Meereises. In: Hempel, G./Hempel, I./Schiel, S. (Hrsg.): Faszination Meeresforschung – Ein ökologisches Lesebuch. Hauschild Verlag, Bremen 2006, S. 39 – 47 Hempel, G./Piepenburg, D.: Nord- und Südpolarmeer im Klimawandel. Ein biologischer Vergleich. BiuZ 40, 2010, S. 386 – 395 maribus gGmbH (Hrsg.): World Ocean Review 2010: Mit den Meeren leben. maribus, Hamburg 2010 Notz, D.: Meereis in der Arktis und Antarktis. In: Lozán, J. L./Graßl, H./Karbe, L./Reise, K. (Hrsg.): Warnsignal Klima: Die Meere – Änderungen und Risiken. Wissenschaftliche Auswertungen, Hamburg, 2011, S. 96 –101 Piepenburg, D./Werner, I./Auel, H./Peter, H. U.: Der Rückgang des Meereises und seine ökologischen Auswirkungen. In: Lozán, J. L./Graßl, H./ Karbe, L./Reise, K. (Hrsg.): Warnsignal Klima: Die Meere – Änderungen und Risiken. Wissenschaftliche Auswertungen, Hamburg 2011, S. 208 – 213 Riebesell, U./Schulz, K.: Auswirkungen der Ozeanversauerung auf marine Lebensprozesse. In: Lozán, J. L./Graßl, H./Karbe, L./Reise, K. (Hrsg.): Warnsignal Klima: Die Meere – Änderungen und Risiken. Wissenschaftliche Auswertungen, Hamburg 2011, S. 173 –177 Schulz, K./Riebesell, U.: Versauerung des Meerwassers durch anthropogenes CO2. In: Lozán, J. L./Raßl, H./Karbe, L./Reise, K. (Hrsg.): Warnsignal Klima: Die Meere – Änderungen und Risiken. Wissenschaftliche Auswertungen, Hamburg 2011, S. 160 –163 Zabel, J.: Stirbt der Eisbär aus? In: UB 304, 2005, S. 37– 45

Autoren Burkhard Schroeter, geb. 1959; Studium der Fächer Biologie und Chemie für das Lehramt an Gymnasien in Hannover und Kiel; Promotion 1991; Habilitation 1998; 2. Staatsexamen 2004; 2004 – 2008 Gymnasiallehrer und Privatdozent am Botanischen Institut in Kiel; seit 2006 Wiss. Mitarbeiter am Institut für Pädagogik der Naturwissenschaften und Mathematik (IPN) in Kiel. Dieter Piepenburg, geb. 1957; Studium der Biologie in Kiel; Promotion 1988; Habilitation 1997, seit 2006 Professor für Biologische Ozeanographie am Institut für Polarökologie der Universität Kiel; seit 2002 Mitarbeiter im Langfristprojekt «Frühwarnsysteme für globale Umweltveränderungen» der Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz; seit 2008 Herausgeber der im Springer-Verlag erscheinenden internationalen Fachzeitschrift «Polar Biology».

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Material

1

Der Klimawandel im Fokus der Presse

klima-erwärmung Riesige Eis-Blöcke lösen sich vor der Küste der Arktis

Klimasimulation Erwärmung der Pole ist menschengemacht

Gefährliches Methanhydrat fen des Eismeeres

Klimakiller löst sich aus den Tie

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Erderwärmung

Heißer Herbst

mer dünner Arktis-Eis wird im

arktis-temperaturen steigen auf rekordhoch

Regen in der Antark

Pinguin-Babys erfrie

tis

ren zu Tausenden

Material

3

Was die Zukunft bringen kann Wie werden das Nordpolarmeer und seine Lebensgemeinschaften im Jahr 2100 aussehen?

Aufgabe 1. Entwickeln Sie ein Szenario, welche Auswirkungen die messbaren Folgen des Klimawandels für die Lebensgemeinschaften im Nordpolarmeer haben werden. Gehen Sie dabei von einem ungebremsten Klimawandel aus.

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1. Aufgrund der Wassererwärmung wird das mehrjährige Meereises mehr und mehr verschwinden. Dies hat nicht nur direkte Konsequenzen für die Bewohner dieses besonderen, typisch polaren Lebensraums. Aufgrund der Kopplung des Sympagials mit Pelagial und Benthal («kryp-pelago-benthische Kopplung») werden sich auch die Ökosysteme des Freiwassers und Meeresbodens in polaren Meeren stark verändern. Es werden insbesondere die Arten verschwinden, die in ihrem Lebenszyklus auf das Meereis angewiesen sind. Außerdem werden auch Tiere auf den oberen Ebenen der Nahrungsnetze betroffen sein, wie Meeresvögel, Wale und Robben, die sich von diesen Organismen ernähren. Das gesamte Ökosystem der polaren Ozeane wird sich von einem von Eisalgen dominierten zu einem von Phytoplankton dominierten System verändern. Eine Versauerung der polaren Ozeane wird zu einem Rückgang und langfristig sehr wahrscheinlich auch einem Verschwinden von kalkschalenbildenden Arten führen.

Material

2

infomaterial zum Klimawandel in polaren Meeren Die marinen Organismen und Lebensgemeinschaften sind sehr gut an die extremen Lebensbedingungen in den polaren Meeren angepasst, aber gerade deshalb auch besonders empfindlich gegenüber raschen Veränderungen in ihrem Lebensraum. Die drei großen Folgen des Klimawandels sind die Ozeanerwärmung (Abb. 1a, b), der daraus resultierende Rückgang des Meereises (Abb. 2a, b) sowie die Ozeanversauerung (Abb. 3a – c).

Temperaturveränderung im Verhältnis zu 1961–1990 [°C]

Die erwärmung der Ozeane 0,8

LandoberflächenTemperatur

0,6 0,4 0,2 0 –0,2 –0,4

MeeresoberflächenTemperatur

–0,6 –0,8

1860 1880 1900 1920 1940 1960 1980 2000

1a: Veränderungen der durchschnittlichen Landoberflächentemperatur und Meeresoberflächentemperatur von 1850 bis 2005

–0,8 –0,4 0 0,4 0,8 1,2 1,6 2,0 Trend [°C]

3,0

1b: Entwicklung der Oberflächentemperaturen im Nordatlantik und den europäischen Randmeeren zwischen 1978 und 2002

Der rückgang des Meereises 8,5 7,5 7,0 6,5

Absolute Größe: 4,3 Mio. km2

6,0 5,5 5,0

2011

2008

2005

2002

1999

1996

1993

1990

1987

Jahr

1984

4,0

1981

4,5 1978

Größe [Millionen km2]

8,0

2b: Durchschnittliche Ausdehnung des arktischen Meereises am Ende der sommerlichen Schmelzphase (jeweils im September) in den Jahren 1979 – 2007 (violette Linie). Die weiße Fläche zeigt die Ausdehnung des Meereises im Nordpolarmeer im negativen Rekordjahr 2007

2a: Abnahme der Ausdehnung des mehrjährigen Meereises im Nordpolarmeer am Ende der sommerlichen Schmelzphase (jeweils im September) von 1979 – 2011

29

1

2–

CO2

CO3

3a: Zusammenhang zwischen pH und Karbonatsystem, sowie derzeitiger pH-Bereich im Meer und Trend der Abnahme

0,1 Heutiger pH-Bereich

HCO3 0,01

4 sauer

Erwartete Änderung

5

6

7 pH

8,2 8

9

10 11 basisch

300

1935 1935

250

2015 2013

Jahre [SRES A2/ B1] 2056 2043 2064 2082 2095 2100

2–

8,1

[CO3 ] CO2

7,9 7,8 1850

1900

1950 2000 Jahr

2050

2100

0

3b: Plot: Trend in der Entwicklung von pH, CO2 und CO32− des Meer wassers bis 2100

150 100 0

30 250 25 200 20 150 15 100 10 5 50

Tropischer Ozean

200

50

pH

[ µmol L+]

0,0001

2–

CO2 CO3 35 300

pH 8,3

8,0

(CO3) [µmol/l]

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Verhältnis der Konzentration

Die Ozeanversauerung

Argonit-Sättigung Kalsit-Sättigung

300

Südlicher Ozean Arktischer Ozean

400 500 600 700 Atmosphäre pCO2 [pmm]

800

3c: Zusammenhang zwischen CO2-Partialdruck und Karbonatsättigung (Aragonit und Kalzit) des Meerwassers

0

Material

2a

Die Folgen des Klimawandels – Große Säugetiere In den Polarmeeren stellt das Meereis ein wichtiges Ökosystem dar, das über das Nahrungsnetz mit den Ökosystemen des freien Wassers (Pelagial) und des Meeresbodens (Benthal) eng verbunden ist (Abb. 1). Die Erwärmung der Ozeane führt zu einem drastischen Rückgang des Meereises, der natürlich vor allem die Lebensgemeinschaften des Meereises (Sympagial) selbst beeinflusst. Mit dem mehrjährigen Meereis verschwindet ein Lebensraum mit allen Organismen. Dazu zählen z. B. die arktischen Untereis-Amphipoden (Flohkrebse), die Lebenszyklen haben, die sich über mehr als ein Jahr erstrecken, und deshalb auf das Eis im ganzen Jahresgang angewiesen sind. Das Verschwinden dieser Arten führt zu einem allgemeinen Verlust von Biodiversität. Die an das Meereis gebundenen Nahrungsnetze werden sich stark verändern, die geografische Lage von produktiven Eisrandzonen wird sich nach Norden verlagern. Durch die kürzeren Eisbedeckungszeiten werden auch Tiere, die das Eis nur zeitweise nutzen, durch die fehlende jahreszeitliche Übereinstimmung zwischen Nahrungsangebot und Nahrungsbedarf in ihrem Lebenszyklus gestört. Große Warmblüter zeichnen sich durch hohe Stoffwechselraten, Langlebigkeit, große Winterreserven und niedrige Fortpflanzungsraten aus. Ringelrobben und Bartrobben, sowie ihr Jäger, der Eisbär sind in fast allen Lebensbereichen, z. B. Jagd, Rast, Haarwechsel, Paarung, auf das Meereis angewiesen. Für die großen Säugetiere erfordert die Suche nach reichen, aber weit voneinander entfernten «Futtergründen» hohe Mobilität und gute Sinnesleistungen.

1: Jahreszeitliche Entwicklung der antarktischen Meereislebensgemeinschaft. Grüne Punkte: Eisalgen bzw. Phytoplankton, rote Punkte: im Eis lebende Mikro- und Meiofauna bzw. Zooplankton

Aufgaben

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1. Skizzieren Sie schematisch ein Nahrungsnetz für das Nordpolarmeer. 2. Beschreiben Sie, welche Folgen der Klimawandel für das Nordpolarmeer allgemein und speziell für die großen Säugetiere der Arktis Eisbär, Walross und Ringelrobbe haben wird. 1. Das Nahrungsnetz im Nordpolarmeer ist der antarktischen Lebensgemeinschaft vergleichbar, auch wenn der Eisbär in der Antarktis und die Pinguine in der Arktis fehlen. 2. Die Robben verlieren ihr Revier zur Jagd, zur Rast und zur Paarung. Wenn das Meereis dünner ist und früher schmilzt, müssen die Eisbären häufig größere Strecken zurücklegen, um an ihre Beute zu gelangen. So kommen Eisbären heutzutage früher an Land und ihre sommerliche Hungerzeit beginnt um mehrere Wochen früher als noch vor 20 – 30 Jahren. Entsprechend geringer sind die Fettreserven, die sich die Eisbären anfressen können.

Material

2b

Die Folgen des Klimawandels – Kalkbildende Lebewesen im Ozean Der Karbonatgehalt des Meerwassers ist für alle Tiere von besonderer Bedeutung, die Karbonat (CO32−) für den Aufbau ihrer kalkiger Skelette oder Schalen benötigen. Dazu gehören z. B. Korallen, Kalkalgen, Muscheln und Schnecken. Wichtige Calciumcarbonate sind dabei Aragonit und Calcit, wobei Aragonit eine besonders leicht durch Kohlensäure lösbare Form von Kalk darstellt. Die Erhöhung der Kohlenstoffdioxidkonzentration in der Atmosphäre führt zu einer erhöhten Aufnahme von CO2 im Meerwasser. Wegen der erhöhten Löslichkeit des CO2 bei niedrigen Temperaturen ist dieser Effekt in den Polarmeeren besonders gravierend. Über die chemische Gleichgewichtsreaktion gibt es einen direkten Zusammenhang zwischen dem im Wasser gelösten CO2, dem pH-Wert des Meerwassers und seinem Karbonatgehalt. Daher können in den Polarmeeren unverminderte CO2-Emissionen in die Atmosphäre schon bis Ende dieses Jahrhunderts zu einer Karbonat-Untersättigung des Meerwassers führen. Dann könnten solche Regionen für bestimmte Lebewesen, wie z. B. pelagische Flügelschnecken, langfristig unbewohnbar werden, da der Aufbau ihrer kalkigen Schalen erschwert wird.

0,5 mm 1: Arktische Flügelschnecke Limacina helicina

2: Aufbau neuer Schalenschichten bei der Arktischen Flügelschnecke innerhalb von fünf Versuchstagen bei pH 8,1 (b) und pH 7,8 (c)

Aufgaben

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1. Beschreiben Sie die Gründe für die Versauerung des Meerwassers und ziehen Sie zur Erklärung die chemische Gleichgewichtsreaktion zwischen Kohlensäure und Kohlenstoffdioxid heran. 2. Erläutern Sie, warum eine Verringerung des Karbonatgehalts unter die Sättigungsgrenze vor allem in den polaren Ozeanen von besonderer Bedeutung für kalkbildende Lebewesen sein wird. Verwenden Sie dazu Abb. 3c von Material 2. 1. Da CO2 bei niedrigen Temperaturen eine hohe Löslichkeit in Wasser besitzt, wird ein Anstieg des atmosphärischen CO2-Gehalts das chemische Gleichgewicht zwischen CO2, HCO3− und H2CO3 in wässriger Lösung in den sauren pH-Bereich verschieben und zu einer Reduzierung des Karbonatgehalts führen. 2. In Südpolaren und Arktischen Ozeanen kann bei einem entsprechenden Anstieg des atmosphärischen Kohlenstoffdioxidgehalts der Aragonit- bzw. Calcit-Wert unter die pH-abhängige Sättigungsgrenze fallen. Dadurch steht für den Aufbau kalkiger Skelette oder Schalen nicht ausreichend Calciumkarbonat zur Verfügung

Material

2C

Die Folgen des Klimawandels – Lebensgemeinschaft im Meereis In den Polarmeeren sind große Flächen von Meereis bedeckt, das einen besonderen Lebensraum für eine Vielzahl von Organismen bietet. So nutzt z. B. in der Antarktis der Kaiserpinguin das Festeis über mehrere Monate für Brut und Aufzucht der Jungen. Vor allem die Zone mit saisonaler Eisbedeckung ist von besonderer Bedeutung für viele Lebewesen. Das dünne und gut belichtete und nährstoffreiche Meereis bietet im Frühjahr einen idealen Lebensraum für Primärproduzenten. Gleichzeitig ist es Weidegrund und Unterschlupf für Pflanzenfresser und deren Räuber. Großen Säugetieren (z. B. Robben) bietet das Festeis in Küstennähe einen willkommenen Ruheplatz und zieht daher auch Räuber wie den Eisbären an. Ringelrobben sind für die Geburt und Aufzucht ihrer Jungen auf das Meereis angewiesen. An den Rändern des Meereises entwickeln sich reiche Planktonblüten. Auch das Innere des Meereises selbst, das von einem ausgedehnten System von kleinen Kanälen durchzogen ist, wird von einer Vielzahl von Organismen als Lebensraum genutzt. An der Eisunterseite herrschen fast das ganze Jahr hindurch gute Nahrungsbedingungen vor, da viele Organismen in den unteren Zentimetern des Eises konzentriert sind. Die auffälligsten tierischen Bewohner sind Amphipoden (Flohkrebse). Vor allem in flacheren Wassertiefen sind die Wechselbeziehungen zwischen den Lebensräumen Meereis, Freiwasser und Meeresboden intensiv und führen zu einer hohen marinen Gesamt-Produktivität. In der Antarktis werden die Planktonblüten am Eisrand von dichten Krillschwärmen beweidet, die wiederum Walen, Pinguinen und Krabbenfresserrobben Futter in hoher Konzentration bieten.

Calanoides acutus Sommer Herbst

Winter

Stephos longipes Winter/ Frühling Sommer

Frühling

0

0 Eier und Nauplien

CI-CIII

500

1: Lebenszyklus verschiedener Copepoden

CIV Speicherung von Wachsestern

1 CI-CIII

Tiefe [m]

2 Speicherung von Triglycerid-Fetten

1000

50 Befruchtung CIV–CV Diapause

1500

Heute: viel Meereis PP: ~50g C m–2 Jahr–1

CIV

400 Zukunft: wenig Meereis ?PP: ~100g C m–2 Jahr–1? Phytoplankton

Eisalgen

Eisalgen

Phytoplankton Zooplankton Walross Benthos

Zooplankton

Bartrobbe Grauwal Boden-Fische

2: Konzeptionelles Modell der Veränderung des Energieflussmusters zwischen verschiedenen Komponenten arktischer mariner Ökosysteme durch die Abnahme des Meereises im Nordpolarmeer.

Benthos

SeeVögel Pelag. Fische

Zwerg- und Buckelwale

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© Friedrich Verlag GmbH | Unterricht Biologie 384 | 2013

Aufgaben 1. Erläutern Sie, welche Folgen der Klimawandel für die Lebensgemeinschaft im Meereis der Polarmeere haben wird. Verwenden Sie dazu die Informationen zum Lebenszyklus zweier Copepoden aus Abb. 1. 2. Erklären Sie anhand von Abb. 2, wie sich das Energieflussmuster im Nordpolarmeer bei Abnahme von Meereis verändern wird. 1. S. longipes frisst sich im Sommer eine Fettreserve aus Triglyceriden an. Er überwintert unter dem Meereis und frisst dabei weiter Eisalgen und kleine Eis-Metazooen. Eine Eiablage erfolgt im zeitigen Frühjahr, so dass die schlüpfenden Larven während der dann stattfindenden Eisrand-Planktonblüte ein reichhaltiges Nahrungsangebot vorfinden. C. acutus überwintert in Jugendstadien in großen Tiefen und lebt ausschließlich von seinen im Sommer angelegten Fettreserven aus Wachsestern, ist also nicht in gleichem Maße von einer Meereisbedeckung im Winter und Frühling abhängig. 2. Der Rückzug des Meereises wird dazu führen, dass sich das gesamte Ökosystem von einem von Eisalgen dominierten zu einem von Phytoplankton dominierten System verschieben wird. Dadurch wird die pelagische Nahrungskette an Bedeutung gegenüber der bentischen Nahrungskette zunehmen.

Material

2D

Wechselbeziehungen zwischen den Ökosystemen in polaren Ozeanen In den polaren Ozeanen gibt es neben den Großlebensräumen des Freiwassers (Pelagial) und des Meeresbodens (Benthal) zusätzlich den spezifischen Lebensraum des Meereises (Sympagial). Die Lebensräume sind zwar räumlich getrennt, aber es gibt viele Wechselbeziehungen zwischen ihnen. Ökologisch am bedeutsamsten sind die Kopplungen im Hinblick auf die Stoffkreisläufe. In den arktischen und antarktischen Meeresgebieten wird die pelago-benthische Kopplung durch das Meereis geprägt. Es steht vor allem mit dem Freiwasser in einer engen Wechselbeziehung. Aufgrund der Eisbedeckung, des generell niedrigen Sonnenstandes und der oft monatelangen winterlichen Polarnacht dringt nur wenig Sonnenlicht in das Freiwasser ein. Daher ist die jährliche Produktionsphase für das Phytoplankton in der saisonalen Eiszone auf wenige Sommermonate beschränkt. In der permanenten Packeiszone sind nur wenige dunkeladaptierte Arten produktiv. Auf den flachen arktischen Schelfen, aber auch im Südpolarmeer ist die Kopplung zwischen Eis und Pelagial vor allem in der Zone der saisonalen Eisbedeckung ausgeprägt und führt zu einer hohen marinen Gesamtproduktivität. Das relativ dünne und poröse einjährige Eis bietet im Frühjahr große, gut belichtete und nährstoffreiche Siedlungsflächen für Eisalgen. Es ist Weidegrund und Unterschlupf für pflanzenfressende (herbivore) Meereis- und Planktonorganismen sowie deren Räuber. Vielfältige Nahrungsbeziehungen zwischen Bewohnern des Meereises und der Wassersäule finden durch Wanderungen in beide Richtungen statt. Das Meereis beeinflusst aber letztlich auch die pelago-benthische Kopplung. So entwickeln sich an den Eisrändern reiche Planktonblüten, die das Fressvermögen des Zooplanktons übersteigen und daher rasch aus dem oberen Pelagial in die Tiefe sedimentieren und dort dem Bodenorganismen als Nahrungsquelle dienen. In Erweiterung des oben eingeführten Fachbegriffs für die Beziehung zwischen Freiwasser und Meeresboden spricht man deshalb in polaren Meeren auch von der «kryo-pelago-benthischen Kopplung», die dort von großer Bedeutung für das Funktionieren des Gesamtsystems Ozean ist.

Mikrobielles Nahrungsnetz im Eis

Eis Wanderung & Fressaktivitäten

Fressaktivitäten & Kotballenproduktion

Inkorporation

Fraß Freisetzung

Wasser

Aufsteigende Eier & Larven Wanderung & Fressaktivitäten

Meeresboden Eisalgen

Rotatorien

Kotballen

Sympagische Amphipoden

Bakterien

Turbellarien

Larven

Pelagische Amphipoden

Flagellaten

Nematoden

Sympagische Copepoden

Benthische Arten

Ciliaten

Eier

Pelagische Copepoden

Kryopelagische Fische

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1: Meereis-Nahrungsnetz der Arktis, mit Verknüpfungen zum Freiwasser und Meeresboden

Aufgaben 1. Erläutern Sie die Grafik in der Präsentation Ihren MitschülerInnen. 2. Warum ist eine Veränderung der Meereisbedeckung für die Ökosysteme in polaren Ozeanen von besonderer Bedeutung? 1. Die Grafik zeigt die Zusammenhänge zwischen den Ökosystemen des Sympagials, des Pelagials und des Benthos. Viele pelagische Zooplankter wie Copepoden und Amphipoden sind in ihrem Lebenszyklus mit dem Meereis verknüpft. Einige nutzen das Meereis als Nahrungsquelle, andere überwintern dort. Pelagische Copepoden dienen auch als wichtige Nahrungsquelle für einige Wal-, Robben- und Seevogelarten. 2. Aufgrund der kryo-pelago-benthischen Kopplung hat ein Verschwinden des Meereisökosystems direkte und auch indirekte Auswirkungen auf die Lebewesen des Pelagials und des Benthos.