Die Ursachen der iranischen Atompolitik und ihre Auswirkungen auf das Nichtverbreitungsregime

Universität Heidelberg Institut für Politische Wissenschaft Oberseminar: „Die Krise der internationalen Nuklearordnung“ Sommersemester 2010 Dozent: Pr...
Author: Gottlob Sommer
1 downloads 2 Views 290KB Size
Universität Heidelberg Institut für Politische Wissenschaft Oberseminar: „Die Krise der internationalen Nuklearordnung“ Sommersemester 2010 Dozent: Prof. Dr. Sebastian Harnisch

Die Ursachen der iranischen Atompolitik und ihre Auswirkungen auf das Nichtverbreitungsregime Referenten: Fabian Lindenmayer, Imran Syed, Nikolaus Rentrop

Bildquelle: http://vnstudy.org/home/wp-content/uploads/2009/11/iran-nuclear-iaea.jpg

I. Leitfragen und Konzept 1. Wie lässt sich Irans mutmaßliche non-compliance gegenüber den safeguards-Abkommen mit der IAEA theoretisch erklären? 2. Welche Auswirkungen hat das iranische Verhalten (und die Reaktionen d. int. Gem.) auf die Stabilität des NV-Regimes? Externe Faktoren (Realismus) non-compliance Iran

Regimestabilität

Interne Faktoren (Liberalismus) 28.06.2010

Oberseminar: "Die Krise der internationalen Nuklearordnung", SS 2010

2

Gliederung I.

Fragestellung und Konzept

II. Ursachen der iranischen Atompolitik – zwei alternative Ansätze 1.

Externe Erklärungsfaktoren (Imran Syed)

2.

Interne Erklärungsfaktoren (Nikolaus Rentrop)

III. Auswirkungen des Falls „Iran“ auf die Stabilität des NV-Regimes (Fabian Lindenmayer) IV. Diskussionsfragen 28.06.2010

Oberseminar: "Die Krise der internationalen Nuklearordnung", SS 2010

3

II.1 Externe Erklärungsfaktoren

Frage: Welche externen Faktoren erklären Irans Festhalten an seinem Atomprogramm und die hohe Varianz in der Verhandlungsbereitschaft mit dem NV-Regime?

28.06.2010

Oberseminar: "Die Krise der internationalen Nuklearordnung", SS 2010

4

II.1 Externe Erklärungsfaktoren Facilitating Events

Ende des OWK Sieg über Irak 1991

28.06.2010

Securitising Actors

Issue Area

Demokratie vs. Theokratie

Oberseminar: "Die Krise der internationalen Nuklearordnung", SS 2010

Referent Object

Internationale Staatengemeinschaft

5

II.1 Externe Erklärungsfaktoren

USA

Dual Containment

Strategische Bedeutung

Tatsächliche Bedrohung (Hisbollah, Hamas)

Iran

Israel Bedrohungsperzeption

28.06.2010

Oberseminar: "Die Krise der internationalen Nuklearordnung", SS 2010

6

II.1 Externe Erklärungsfaktoren • 2001: Afghanistan-Krieg • Januar 2002: axis of evil Clearly, both states had made use of their share of excessive and counterproductive rhetoric. But there are few examples where such an undiplomatic statement was made at such a sensitive time – just weeks after Iran had proved itself an indispensable ally in Afghanistan (Parsi 2007:235). • August 2002: Offenlegung des iranischen Atomprogramms durch People’s

Mojahedin Organization of Iran (PMOI) • 2003: Irak-Krieg

Quelle: BBC News, http://news.bbc.co.uk/2/hi/middle_east/4617398.stm [25.09.2009]

28.06.2010

Oberseminar: "Die Krise der internationalen Nuklearordnung", SS 2010

7

II.1 Externe Erklärungsfaktoren Aus Sicht Teherans ist die Entwicklung einer „Nuklearwaffenoption“ aus sicherheitspolitischen Erwägungen auch nachvollziehbar, denn die Vertreibung zweier feindlicher Regime, der Taliban in Afghanistan und Saddam Husseins im Irak, ging mit der Stationierung von über 150.000 US-Truppen einher, einem Staat mit dem der Iran keine diplomatischen Beziehungen unterhält und den die iranische Regierung als Feindstaat betrachtet (Harnisch 2008:8).

Quelle: http://www.arte.tv/de/Die-Welt-verstehen/mit-offenenkarten/392,CmC=503486,view=maps.html [23.06.2005]

28.06.2010

Oberseminar: "Die Krise der internationalen Nuklearordnung", SS 2010

8

II.1 Externe Erklärungsfaktoren USA

Überleben des Regimes als Motiv für Zusammenarbeit hoher strategischer Wert des Atomprogramms schwächt anhaltende Kooperationsbereitschaft

E3 Iran

fehlende Sicherheitsgarantien zusammen mit zu hohen Forderungen

E3/EU3

P5+1

Erfahrungen in der Vergangenheit (Iran-Irak ) lassen Festhalten am Atomprogramm plausibel erscheinen

28.06.2010

Oberseminar: "Die Krise der internationalen Nuklearordnung", SS 2010

9

II.2 Interne Erklärungsfaktoren ‚puzzle‘ 1990er bis 2003/2004: geheim. Anreicherungsaktivitäten + mutmaßlich militär. Programm Ab 2004/2005: Stopp d. geheim. Nuklearwaffenprogramms

Pragmatische Politik gegenüber int. Gem.

non-compliance gegenüber IAEA, später UN-SC

Hypothesen: 1) der generell ambivalente Charakter der iran. Nuklearpolitik erklärt sich durch den spezifischen Charakter des politischen Systems der IRI. 2) speziell der o.g. Wandel in der iranischen Nuklearpolitik nach 2004/2005 erklärt sich durch eine Veränderung des innenpolitischen Kräfteverhältnisses im Zuge der Parlamentswahl 2004 und der Wahl Ahmadinejads 2005. 28.06.2010

Oberseminar: "Die Krise der internationalen Nuklearordnung", SS 2010

10

28.06.2010 11

Bildquelle: Rakel, Eva Patricia (2009): „The Political Elite in the Islamic Republic of Iran“, in: Comparative Studies of South Asia, Africa and the Middle East 29 (1), S. 111

II.2 Interne Erklärungsfaktoren | Hypothese 1 ‚institutional balkanization‘: Vielzahl redundanter Institutionen mit konkurrierenden, nicht klar abgegrenzten Kompetenzbereichen ⇒ Permanente Konflikte zw. versch. Säulen d. Systems i. allen Politikfeldern ⇒ Keine unitarische AP: Neben-AP eines „Außenpolitischen Kartells“ (OSL, IRGC, bonyads), das sich der Kontrolle d. republikanischen Regierung entzieht 28.06.2010

Oberseminar: "Die Krise der internationalen Nuklearordnung", SS 2010

12

II.2 Interne Erklärungsfaktoren | Hypothese 1 Außenpolitisches Kartell: „inward-looking logic of political survival“ (Solingen 2007), profitiert von internationaler Isolierung ⇒ Torpediert ökonomische Reformen Rafsanjanis & politische Öffnung Khatamis durch Neben-AP 1990er bis 2004 Bsp.: Ermordung Bakhtiars (1991), Erhöhung d. Kopfgeldes auf S. Rushdie (1999), Karin A. (2002) …

28.06.2010

Oberseminar: "Die Krise der internationalen Nuklearordnung", SS 2010

13

II.2 Interne Erklärungsfaktoren | Hypothese 1 Konsequenzen für Nuklearpolitik: •

Mutmaßliche militärische Dimension d. iranischen Atomprogramms ab Ende d. 1990er (NIE 2007) untersteht IRGC



IGRC beteiligt an Schlüsselindustrie für ziviles Atomprogramm => AP-Kartell auch Profiteur einer sturen Nuklearpolitik



=> Keine effektive Kontrolle durch republikanische Regierung, auch wenn diese eine pragmatische Annäherung wollte



Bsp.: zögerlicher Anreicherungsstopp zw. Tehran + Paris Agreement 2003/2004

28.06.2010

Oberseminar: "Die Krise der internationalen Nuklearordnung", SS 2010

14

II.2 Interne Erklärungsfaktoren | Hypothese 2 2004/05: Kurswechsel => einheitlichere Position •

Ursache: Elitenfraktion neokonservativer Kleriker + military-security-community gewinnt Parlament (2004) und Präsidentschaft (2005)



=> Einfluss d. AP-Kartells fortan auch auf republ. Regierung



offizielle iranische AP wird „inward-looking logic“ angepasst

28.06.2010

Oberseminar: "Die Krise der internationalen Nuklearordnung", SS 2010

15

II.2 Interne Erklärungsfaktoren | Hypothese 2 Vorteile des Kurses seit 2004/05 (Bestehen auf Anreicherung + sprunghafte Politik gegenüber IAEA): •

Geschl. Brennstoffkreislauf hat hohe Akzeptanz in der Bevölkerung



militär. Option ohne ‚peinliches‘ geheimes Programm bei gleichzeitiger Spaltung d. int. Gemeinschaft



IRGC, bonyads profitieren von int. Isolierung, u.U. sogar v. bisherigen UN-SC-Sanktionen => Sanktionsrunde 2010??? (s. Diskussion)

28.06.2010

Oberseminar: "Die Krise der internationalen Nuklearordnung", SS 2010

16

III. Auswirkungen auf das NV-Regime

Der Fall Iran zwingt den UN-Sicherheitsrat in eine neue Rolle und offenbart Schwächen im NV-Regime, die destabilisierend wirken.

Wieso befasst sich der UNSicherheitsrat mit dem zivilen Atomprogramm des Iran?

28.06.2010

Oberseminar: "Die Krise der internationalen Nuklearordnung", SS 2010

17

III. Auswirkungen auf das NV-Regime

Verstöße Irans vs. IAEO • Meldung von importiertem Nuklearmaterial, Verbrauch von Nuklearmaterial anzuzeigen, sowie Einrichtungen zu deklarieren • Besitz von niedrig/ hoch angereicherten Urans aus unbekannten Quellen • Entwicklung eines unangemeldeten Urananreicherungsprogramms mit Zentrifugen seit Mitte der 1980 Jahre • Fund nicht deklarierter Baugruppen und Designplänen für moderne P2-Zentrifugen • Produktion von Zentrifugen zur Urananreicherung und Herstellung von Uranhexafluorid 28.06.2010

Oberseminar: "Die Krise der internationalen Nuklearordnung", SS 2010

18

III. Auswirkungen auf das NV-Regime

Verstöße Irans vs. Safeguards • Laut IAEO ist Iran in compliance mit seinen grundlegenden NVV-Verpflichtungen • IAEO nutzt Umschreibungen wie „Versäumnis zu berichten“ • Zugang zu Werkstätten durch IAEO-Inspekteure verweigert/ verschleppt • Entnahme von Umweltproben abgewiesen • Zugang erst nach Umbaumaßnahmen 28.06.2010

Oberseminar: "Die Krise der internationalen Nuklearordnung", SS 2010

19

III. Auswirkungen auf das NV-Regime SR wurden durch Schwächen des NVRegimes in eine neue Rollegedrängt, da: • Laut safeguards Übergabe an den SR nur bei konkretem Verstoß • Traditionell ist die Autorität des SR auf Bedrohungen des inter. Friedens begrenzt • SR sieht Iran nicht als eine Bedrohung (Art. 39), dehnt seine Rolle über die Grundsätze der Charta aus

28.06.2010

Oberseminar: "Die Krise der internationalen Nuklearordnung", SS 2010

20

III. Auswirkungen auf das NV-Regime SR wurden durch Schwächen des NV-Regimes in eine neue Rollegedrängt, da: • → ultimativen Gesetzesvollstrecker des NVV • Erlässt Sanktionen, obwohl IAEO grundlegende Einhaltung des safeguards Abkommens verifiziert • Stützt seine Sanktionen nicht auf Art. 39

28.06.2010

Oberseminar: "Die Krise der internationalen Nuklearordnung", SS 2010

21

III. Auswirkungen auf das NV-Regime

Überprüfung der Stabilität anhand der umliegenden Staaten • Staaten vertrauen in das NV-Regime → Stabilität • Staaten misstrauen dem NV-Regime und ändern ihre Strategie → Destabilisierung 28.06.2010

Oberseminar: "Die Krise der internationalen Nuklearordnung", SS 2010

22

III. Auswirkungen auf das NV-Regime

Intentionen der VAE • Erhöhter Energiebedarf • Energiediversifikation • Status/ Prestige

28.06.2010

• Öl-/Gasreserven • Keinen Unabhängigkeit • Enge Wirtschaftsbeziehungen zu Iran • Niedrige Exportkontrollen • Menschenrechte

Oberseminar: "Die Krise der internationalen Nuklearordnung", SS 2010

23

IV. Diskussionsfragen –



28.06.2010

Können die angebotenen theoretischen Ansätze das iranische Verhalten zufriedenstellend erklären? Wo liegen ihre Grenzen? Wie beurteilt ihr die vierte Sanktionsrunde des UN-SR vom 9. Juni 2010 hinsichtlich ihrer rechtlichen Begründung und voraussichtlicher Wirksamkeit?

Oberseminar: "Die Krise der internationalen Nuklearordnung", SS 2010

24

Suggest Documents