Die Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

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Author’s post-print version of: Die Sozialdemokratische Partei Deutschlands, in: Niedermayer, Oskar (Hrsg.), Handbuch Parteienforschung, Wiesbaden: Springer VS 2013, S. 439-467 (together with Ulrich von Alemann). Please cite the original article.

Die Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD) Tim Spier/Ulrich von Alemann

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Einleitung

Die Sozialdemokratische Partei Deutschlands gehört zu den klassischen Gegenständen der deutschen Parteienforschung. Es ist zu ihr nicht nur weit mehr veröffentlicht worden als zu irgendeiner anderen Partei1, mit Blick auf die deutsche Sozialdemokratie wurden auch einige der klassischen Theoreme entwickelt, die einen wichtigen Teil der theoretischen Grundlage der internationalen Parteienforschung bilden, etwa Robert Michels „Ehernes Gesetz der Oligarchie“ (Michels 1970) oder Otto Kirchheimers Typus der „Allerweltspartei“ (Kirchheimer 1965). In Richard Stöss’ monumentalen Parteien-Handbuch sind der SPD alleine rund 200 Seiten gewidmet (Heimann 1984). Angesichts der Fülle der bisherigen Forschung kommt dieser Beitrag nicht umhin, einige deutliche Einschränkungen vorzunehmen: Er bezieht sich vor allem auf wesentliche Erkenntnisse zur aktuellen SPD und versucht die historische Entwicklung nur in groben Zügen und beschränkt auf die Zeit seit Ende des Zweiten Weltkriegs zu berücksichtigen.

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Historische Entwicklung2

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Dies bestätigt auch die Anzahl der gefundenen Einträge in deutschsprachigen wissenschaftlichen Datenbanken und Suchmaschinen wie Sowiport oder Google Scholar. Die Geschichte der SPD ist wissenschaftlich gut erschlossen: Eine Vielzahl von Monographien versuchen sich in unterschiedlichem Umfang an Gesamtdarstellungen der Geschichte der deutschen Sozialdemokratie (Lösche/Walter 1992; Potthoff/Miller 2002; Walter 2002; Faulenbach 2012), teilweise auch im breiteren Kontext der deutschen Arbeiterbewegung (Klönne 1989; Grebing 2007). Andere konzentrieren sich auf einzelne Epochen, etwa das Kaiserreich (Lehnert 1977; Ritter/Tenfelde 1992), die Weimarer Republik (Winkler 1984, 1985, 1987; Könke 1987; Schönhoven 1989; Walter 2011) oder Abschnitte der Geschichte der Bundesrepublik (Klotzbach 1982; Schönhoven 2004; Sturm 2006; Faulenbach 2011). Hinzu kommen Biographien zu sozialdemokratischen Spitzenpolitikern (vgl. nur Merseburger 1995, 2002; Meyer 2006; Lütjen 2007) und eine unüberschaubare Vielzahl von Studien mit regionalem oder lokalem Fokus. Einen guten Zugriff auf die Fülle von Veröffentlichungen zur Geschichte der deutschen Sozialdemokratie und der Arbeiterbewegung bietet die jährlich erscheinende Bibliographie zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung. Schließlich liefert die Chronik der deutsche Sozialdemokratie eine mehrbändige chronologische Faktensammlung von den Anfängen im 19. Jahrhundert bis zur Wiedervereinigung 1990 (Osterroth/Schuster 2005ff). Auch historische Quellen wie die Sitzungsprotokolle der Parteigremien und der Bundestagsfraktion sind in Bänden im Dietz Verlag (Parteigremien) und Droste Verlag (Bundestagsfraktion) dokumentiert.

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Die Entwicklung der SPD in der Bundesrepublik Deutschland lässt sich gut anhand der unterschiedlichen Regierungskonstellationen auf der Bundesebene in Phasen einteilen. Diese spiegeln nicht nur in etwa die jeweilige elektorale Stärke der SPD wider, sondern vor allem auch den Grad der Teilhabe an der Regierungsmacht (Opposition, Juniorpartner in Großer Koalition, Kanzlerpartei) und das damit korrespondierende strategische Verhalten der Partei im Sinne der Trias der Parteiziele policy, office und vote (Strøm 1990). Die SPD wurde 1945 vielerorts unmittelbar nach der Befreiung durch die Alliierten wiedergegründet. Zentrum des Aufbaus der westdeutschen Sozialdemokratie wurde Hannover, Wohnort von Kurt Schumacher, der bis zu seinem Tod 1952 die zentrale Gestalt der SPD blieb (Potthoff/Miller 2002: 175). Die Partei konnte in der Phase des Wiederaufbaus (1945-1949) vor allem auf alte Funktionäre der Weimarer Zeit zurückgreifen. Ihr gelang es jedoch auch erfolgreich, Linkssozialisten wie Willy Brandt, Willi Eichler und Waldemar von Knoeringen, Intellektuelle mit bürgerlichem Hintergrund wie Adolf Arndt, Carlo Schmid und Karl Schiller und sogar ehemalige kommunistische Funktionäre wie Herbert Wehner zu integrieren (Walter 2002: 124ff). Bis Ende 1946 konnte die Partei alleine in Westdeutschland 700.000 Mitglieder gewinnen – mehr als in der Weimarer Republik – und ein dichtes Netz von 8.000 Ortsvereinen aufbauen (Potthoff/Miller 2002: 177). Auch aufgrund der entschiedenen Absage Schumachers hatte eine Einheitspartei aus Sozialdemokraten und Kommunisten in Westdeutschland nie eine Perspektive, während der ostdeutsche „Zentralausschuss der SPD“ unter Otto Grotewohl diesen Weg nicht nur in Betracht zog. Ob der Zusammenschluss von KPD und SPD zur SED 1946 in Ostdeutschland insofern eine reine „Zwangsvereinigung“ war, ist Teil einer immer noch geführten geschichtspolitischen Debatte.3 Trotz der gelungen organisatorischen Rekonstruktion der SPD in Westdeutschland konnte die Partei ihren Gestaltungsanspruch in den ersten Jahren nicht verwirklichen. Grund dafür dürfte auch die Entscheidung Schumachers gewesen sein, im Frankfurter Wirtschaftsrat, dem Nukleus eines westdeutschen Parlaments, eher in die Opposition zu gehen, als auf das auch von den bürgerlichen Parteien beanspruchte und später mit Ludwig Erhard besetzte Wirtschaftsdirektorium zu verzichten (Faulenbach 2012: 71). In der Hoffnung auf die baldige Erringung eigener Regierungsmacht stellte man das Parteiziel office hinter die von policy und vote zurück. Mit der Konsequenz, dass die Zusammenarbeit der CDU/CSU mit den kleineren bürgerlichen Parteien im Wirtschaftsrat die Grundlage für deren langjährige Kooperation in der frühen Bundesrepublik legte: Auch nach der Bundestagswahl 1949 arbeitete die nur knapp stärkere CDU/CSU mit FDP und DP zusammen. Der SPD blieb hingegen nur die Rolle der „konstruktiven Opposition“, die auf den Regierungswechsel wartete (Miller/Potthoff 2002: 199ff). Die SPD konnte in der Phase der „konstruktiven Opposition“ (1949-1965) zwar langsam ihre Wahlerfolge auf Bundesebene ausdehnen, blieb jedoch im „30-Prozent-Turm“ gefangen – die Lage für die Sozialdemokratie war jedoch in den norddeutschen Bundesländern Bremen, Hamburg, Hessen und Niedersachsen sowie in Berlin deutlich besser. Grund für die elektorale Stagnation war auch die erfolgreiche Mobilisierung antimarxistischer und antisozialistischer Ressentiments gegen die SPD in den Wahlkämpfen der 1950er Jahre (Faulenbach 2012: 74). Zudem gelang es der Partei weder in nennenswerter Weise die 3

Vgl. hierzu den Ausschluss einer freien Willensbildung in der SPD durch Einschüchterung und Repression betonend: Miller/Potthoff (2002: 177ff), Faulenbach (2012: 65ff); auf die Komplexität der Vorgänge und die zumindest anfangs bestehende Bereitschaft eines guten Teils der ostdeutschen SPD-Basis hinweisend: Walter (2002: 111ff), Grebing (2007: 135ff).

katholische Arbeitnehmerschaft für sich zu gewinnen, noch ihre Wählerklientel deutlich über das erodierende Arbeitermilieu hinaus auszudehnen (Lösche/Walter 1992: 91ff). Die SPD reagierte auf diese Probleme mit zwei Reformen: Einerseits 1958 mit einer umfassenden Organisationsreform, die den hauptamtlichen geschäftsführenden Bundesvorstand entmachtete und den Parteiapparat stärker an die Bundestagsfraktion band (Lösche/Walter 1992: 184ff). Andererseits mit der Verabschiedung eines neuen Grundsatzprogramms, des Godesberger Programms von 1959, das die marxistische Grundierung aus der Programmatik entfernte und die SPD auf eine weltanschaulich offene Trias der Grundwerte Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität festlegte (Miller/Potthoff 2002: 211ff). Die Reformen markieren den typologischen Wandel der SPD von der Massenintegrationspartei der Arbeiter zur „echten“ Volkspartei oder catch-all party (Kirchheimer 1965). Die kurze Phase der ersten Großen Koalition (1966-1969) stellt den Übergang der SPD von der Oppositions- zur Kanzlerpartei dar – in diesem Sinn sind es „Wendejahre“ (Schönhoven 2004). Bereits bei der Bundestagswahl 1961 hatte vor allem der charismatische Willy Brandt als Spitzenkandidat der SPD zu Stimmzuwächsen verholfen, die 1965 auf 39,3 % ausgebaut werden konnten. Doch die Mehrheit von CDU, CSU und FDP vermochte er nicht zu brechen. Als die schwarz-gelbe Koalition von Bundeskanzler Erhard im Herbst 1966 über wirtschafts- und finanzpolitische Streitigkeiten zerbrach, hatte die SPD aus der Opposition heraus zwei Optionen: Die Bildung einer kleinen Koalition mit der FDP oder einer Großen Koalition unter dem bereits von der CDU designierten nächsten Kanzler Kiesinger. Die SPD-Führung entschied sich für die stabilere Variante der Großen Koalition, obwohl eine Zusammenarbeit mit der FDP die Kanzlerschaft und wohl größere programmatische Übereinstimmungen gebracht hätte (Miller/Potthoff 2002: 222f). So konnte sie ihre Regierungsfähigkeit als Juniorpartner ausgerechnet der Partei unter Beweis stellen, die ihr diese in den Ära Adenauer ständig abgesprochen hatte. Analytisch interessant ist daran, dass damit die office-Orientierung der Partei noch dominanter wurde – diesmal sogar potentiell auf Kosten der Erringung von Wählerstimmen, denn die Große Koalition war bei vielen Anhängern der SPD nicht besonders populär (Walter 2002: 177ff). Das Jahr 1969 markiert dann den Anfang der sozialliberalen Koalition und der Phase des „sozialdemokratischen Jahrzehnts“ (Faulenbach 2011). Nach einem sehr erfolgreichen Wahlkampf mit 42,7 % für die SPD konnte eine sozialliberale Koalition unter Willy Brandt gebildet werden. Die Koalition zeichnete sich durch ein große Zahl von vielbeachteten Reformen im Inneren (Absenkung des Wahlalters, Ausbau der Hochschulen, betriebliche Mitbestimmung, Liberalisierung des Strafrechts) und Äußeren (Ostverträge) aus. Von der Aufbruchsstimmung profitierten bei der Bundestagswahl 1972 sowohl SPD als auch FDP, obwohl die Koalition aufgrund von Fraktionsaustritten im Zuge der Ostpolitik ihre Mehrheit im Bundestag verloren hatte und Brandt nur knapp ein konstruktives Misstrauensvotum des CDU-Fraktionschefs Barzel überstand. Die SPD erzielte in dieser Zeit nicht nur ihre besten bundesweiten Wahlergebnisse, sondern konnte ihre Mitgliedschaft auf nahezu eine Million ausweiten. Die Partei wurde durch den Zustrom junger, gut gebildeter neuer Mitglieder akademischer und partizipationsorientierter, aber gleichzeitig auch anspruchsvoller und kritischer (Lösche/Walter 1992: 152ff). Die Polarisierung zwischen linken und rechten Strömungen innerhalb der SPD nahm zu und konnte nur durch Zugeständnisse und Brandts charismatische Persönlichkeit gedämpft werden (Miller/Potthoff 2002: 239ff und 261ff). Nach dem Sturz Brandts infolge der Guillaume-Affäre traf dann sein Nachfolger Helmut Schmidt ab 1974 auch innerparteilich auf stärkeren Widerstand. Konfliktfelder

waren der Umgang mit Kommunisten im öffentlichen Dienst, die Sicherheits- und Verteidigungspolitik und die Frage der Nutzung der Atomenergie (Miller/Potthoff 2002: 254). Zudem stieß das bis dahin erfolgreiche wirtschafts- und sozialpolitische Modell der SPD, durch wirtschaftliches Wachstum eine Ausweitung sozialpolitischer Leistungen finanzieren zu können, angesichts der Wirtschaftskrise in den 1970er Jahren auf enge Grenzen (Nachtwey 2009: 156ff). Schließlich kam mit dem Entstehen der Grünen in den späten 1970er Jahren auch eine neue Partei auf, die zumindest bei jungen Akademikern der SPD Konkurrenz machte. Hatte die SPD noch gute Teile der 68er-Bewegung integriert, so gelang es ihr mit der Alternativbewegung der 1980er Jahre nicht mehr – konservativere Teile der Partei wollten es auch nicht (Faulenbach 2012: 95f). Angesichts dieser Schwierigkeiten ist es eher erstaunlich, dass sich die SPD in den Bundestagswahlen 1976 und 1980 mit 42,6 und 42,9 % auf hohem Niveau stabilisierte – 1980 wäre das SPD-Ergebnis ohne die polarisierende Kanzlerkandidatur Franz-Josef Strauß’ wohl nicht so hoch ausgefallen. Nach längeren Siechtum zerbrach die sozialliberale Koalition 1982 vor allem an Streitigkeiten im Bereich der Wirtschafts- und Finanzpolitik – die FDP unterstützte das erfolgreiche Misstrauensvotum Helmut Kohls gegen Kanzler Schmidt und bildete mit der Union eine neue Bundesregierung. Eine Reihe von führenden Liberalen wechselte demonstrativ zur SPD, allerdings nur ein kleiner Teil der FDP-Mitglieder (Dittberner 2005: 58). Es begann eine Phase der Neuorientierung (1982-1998) für die SPD, die im Bund für sechzehn Jahre in die Opposition wechseln musste. Die Partei brach schnell mit den innerparteilich umstrittenen Richtungsentscheidungen der Kanzlerschaft Schmidts (Walter 2002: 215), etwa Fragen der Nutzung der Atomenergie oder der Nachrüstung. Zudem gewannen neue Werte wie Postmaterialismus, Ökologie, Postnationalismus oder Feminismus in Diskurs und Programmatik der Partei an Bedeutung (Faulenbach 2012: 105f). In der Opposition verstärkte sich somit die policy-Orientierung der SPD wieder. In dieser Zeit vollzog sich auch der Führungswechsel von der Nachkriegsgeneration Brandts, Schmidts und Wehners, hin zu den „Enkeln“ Willy Brandts, einer Generation von jüngeren SPD-Politikern, insbesondere Björn Engholm, Rudolf Scharping, Oskar Lafontaine und Gerhard Schröder (Micus 2005). Die beiden Spitzenpolitiker der SPD, die zwischen diesen beiden Generationen zu verorten sind – Hans-Joachim Vogel (Kanzlerkandidat 1983, Parteivorsitzender ab 1987) und Johannes Rau (Kanzlerkandidat 1987) – konnten den Abwärtstrend der SPD auf der Bundesebene nicht stoppen. Hingegen waren die „Enkel“ in einigen Bundesländern sehr erfolgreich: Lafontaine erreichte 1985 und 1990 im Saarland die absolute Mehrheit, Engholm 1987 in Schleswig-Holstein, Schröder und Scharping wurden 1990 bzw. 1991 Ministerpräsidenten in Niedersachsen und in Rheinland-Pfalz. So kann es wenig verwundern, dass seit der Kanzlerkandidatur von Lafontaine und der Wahl Engholms zum Parteivorsitzenden in den Jahren 1990 bzw. 1991 bis 2004 alle Kanzlerkandidaten und Parteivorsitzenden der SPD aus der Riege dieser vier „Enkel“ kamen. Bei Bundestagswahlen waren aber die „Enkel“ Brandts zunächst wenig erfolgreich: Oskar Lafontaine, der in den 1980er Jahren eher als Modernisierer denn linker Traditionalist in der SPD galt (Walter 2002: 223ff), konnte sich Ende der 1980er Jahre aufgrund der steigenden Unzufriedenheit mit der Regierung Kohl Hoffnung auf einen Regierungswechsel machen. Jedoch positionierte er sich in der Ende 1989 aufkommenden Frage der deutschen Wiedervereinigung völlig falsch: Während Kohl die Gunst des Augenblicks ergriff, um den Zusammenbruch der DDR für eine Wiedervereinigung zu nutzen, sprach Lafontaine in diesem Kontext von „Deutschtümelei“, forderte lediglich die Herstellung gleicher

Lebensverhältnisse in der DDR und lehnte später die Währungsunion ab (Faulenbach 2012: 111ff) – nicht als einziger in der SPD (Sturm 2006). Jenseits der Frage, ob er die ökonomischen und gesellschaftlichen Probleme einer Wiedervereinigung nicht durchaus realistisch einschätzte, war seine ablehnende Haltung in der Euphorie der Wendezeit für die SPD katastrophal: Sie sank bei der Bundestagswahl 1990 auf 33,5 % – dem schlechtesten Wahlergebnis seit 1957. In Ostdeutschland hat die SPD bis heute mit dem Problem zu kämpfen, dass die CDU in diesen Jahren als „Partei der Einheit“ wahrgenommen wurde. Nach der verlorenen Bundestagswahl verzichtete Lafontaine darauf, Parteivorsitzender zu werden. Engholm übernahm diese Aufgabe widerstrebend, trat aber aufgrund einer Falschaussage in der Aufarbeitung der Barschel-Affäre bereits 1993 zurück. Die nächste Zeit erlebte weithin offen ausgetragene Machtkämpfe zwischen den drei verbliebenen „Enkeln“ (Walter 2002: 236ff; Faulenbach 2012: 118f): Scharping, der sich zunächst 1993 in einer Mitgliederbefragung zum Parteivorsitz gegen Gerhard Schröder und Heidemarie Wieczorek-Zeul durchsetzte, konnte in der Bundestagswahl 1994 an der Spitze einer Troika mit Lafontaine und Schröder zwar das Wahlergebnis erneut auf 36,4 % ausbauen, die christlich-liberale Koalition unter Kanzler Kohl behielt jedoch die Parlamentsmehrheit. Der in der Folge ungeschickt agierende Scharping wurde dann überraschend in einem vielfach als „Putsch“ wahrgenommenen Kampfkandidatur von Lafontaine auf dem Mannheimer Parteitag 1995 als Parteivorsitzender abgelöst. Im Vorfeld der Bundestagswahl 1998 blieb es zunächst beim Machtkampf zwischen Schröder und Lafontaine, den Schröder mit einem zum Plebiszit über die Kanzlerkandidatur stilisierten Landtagswahlerfolg in Niedersachsen gewann. Im Wahlkampf selbst kooperierten die beiden Rivalen dann außerordentlich erfolgreich: Unter dem Motto „Innovation und Gerechtigkeit“, kongenial personalisiert durch die Doppelspitze des „Modernisierers“ Schröder und des „Traditionalisten“ Lafontaine, gelang es der SPD besonders effektiv, sowohl die Traditionsklientel der SPD anzusprechen, als auch in die wechselbereiten Teile des Elektorats der bürgerlichen Parteien vorzudringen (von Alemann/Spier 2009: 36). Die 40,9 %, die die Partei wieder an Wahlergebnisse des „sozialdemokratischen Jahrzehnts“ der 1970er Jahre heranbrachten, waren sicherlich auch ein Ergebnis des professionellen Wahlkampfmanagements der „Kampa“ von Franz Müntefering und Matthias Machnig (Raschke/ Tils 2013: 501ff). Die Partei wird insofern zur „professionalisierten Medienkommunikationspartei“, gekennzeichnet durch ein professionelles Kampagnenmanagement, das Themen, Personen und Präsentationsformen gemäß der Medienlogik zu einer Einheit verbindet und ein hierzu notwendiges strategisches Machtzentrum schafft (Jun 2004: 115ff). Die nun beginnende Zeit der Regierung von SPD und den Grünen unter Kanzler Schröder kann man als Phase des „rot-grünen Projekts“ (1998-2005) bezeichnen, auch wenn die selbstgewählte Emphase retrospektiv betrachtet sicher zu hinterfragen ist. Sie markiert den Beginn einer klaren Priorität beider Parteien für gemeinsame Koalitionen – was in der ersten Hälfte der 1990er Jahre noch keine Selbstverständlichkeit war. Die Regierung Schröder stand aber gleich zu Beginn unter keinem guten Stern: Mobilisiert auch durch Kampagnen der Opposition gegen wesentliche Regierungsprojekte wie die „Doppelte Staatsbürgerschaft“ verlor die SPD eine ganze Reihe von Landesregierungen und stürzte in der Wählergunst ab (von Alemann 2003: 45ff). Nur durch zwei „Zufallsereignisse“, die Oder-Flut in Ostdeutschland und der Irak-Krieg, die von Schröder in der Wahlkampagne gezielt genutzt wurden, konnte die SPD die Regierung in der Bundestagswahl 2002 verteidigen (Raschke 2003; Quandt 2005).

In die zweite Amtsperiode der rot-grünen Koalition fällt vor allem die Umgestaltung des Arbeitsmarktes, die unter der Bezeichnung „Hartz I-IV“ in die Gesetzgebung einfloss und in das breitere Konzept der „Agenda 2010“ eingeordnet wurde. Insbesondere die „Agenda 2010“ wurde zu einer Zäsur für die SPD: Sie wurde in guten Teilen der sozialstaatsaffinen Anhängerschaft der SPD als Abkehr von ihrer Funktion als „Schutzmacht der kleinen Leute“ wahrgenommen (Nachtwey/Spier 2007: 49ff). In diesem Kontext wurde Schröders typische Taktik, sich gegen die Programmatik der eigenen Partei als „Modernisierer“ zu stilisieren, der SPD zum Verhängnis: Die sozialen Einschnitte wurden unnötig symbolisch überhöht und von Schröder erbittert verteidigt. Die große Unzufriedenheit führte zu Straßenprotesten, Einbrüchen der SPD in Umfragen, massiven Parteiaustritten und schließlich zur Bildung einer neuen Partei, der Wahlalternative Arbeit & Soziale Gerechtigkeit, die zumindest in Teilen eine Abspaltung von der SPD war (Nachtwey 2007; von Alemann/Spier 2008a: 39f). Zudem nutzte Schröders Rivale Lafontaine die sich öffnende Gelegenheitsstruktur: Nachdem er bereits 1999 enttäuscht Parteivorsitz und Ministeramt niedergelegt hatte, trat er nach der Ankündigung von vorgezogenen Neuwahlen für 2005 aus der SPD aus und bot sich WASG und PDS als Spitzenkandidat einer gemeinsamen Linkspartei an. Der „Lieblingsenkel“ Willy Brandts war zum Luzifer der Sozialdemokratie geworden. Schröder konnte zwar im Wahlkampf aufholen, dennoch verlor die SPD bei der Bundestagswahl 2005 die Position der stärksten Partei und konnte aufgrund des guten Abschneidens der Linkspartei, die im Saldo alleine von der SPD rund eine Millionen Wähler gewann (von Alemann/Spier 2008a: 55), die rot-grüne Koalition nicht mehr fortführen. Mit der Bundestagswahl 2005 beginnt erneut eine Phase der Neuorientierung, die bis heute nicht abgeschlossen ist. Schon in den letzten Jahren der Regierung Schröder waren in der SPD wieder verstärkt Flügelstreitigkeiten aufgekommen – vor allem im Kontext der „Agenda 2010“ (Reinhardt 2009). Auch um die Partei zu besänftigen verzichtete Schröder 2004 auf den Parteivorsitz und inthronisierte Franz Müntefering als Nachfolger. Müntefering übernahm 2005 auch die Rolle des Vizekanzlers in der Großen Koalition unter Kanzlerin Angela Merkel. Nach dem frühen Rücktritt Münteferings wechselte der Vorsitz der SPD in schneller Folge: Matthias Platzeck 2005, Kurt Beck 2006, 2008 erneut Müntefering, 2009 dann schließlich Sigmar Gabriel. Die Wechsel fanden teilweise aufgrund persönlicher Probleme statt, aber auch innerparteiliche Machtkämpfe spielten eine Rolle. Die SPD kam zwischen 2005 und 2009 kaum zur Ruhe, was sicher ungünstig für die Bundestagswahl war: Das Erbe der „Agenda 2010“ wirkte nach, zudem vermied Kanzlerin Merkel jede Polarisierung, so dass dem blass wirkenden Kanzlerkandidaten Frank-Walter Steinmeier kaum eine Angriffsmöglichkeit blieb. Mit 23,0 % erzielte die Partei ihr schlechtestes Ergebnis in der Bundesrepublik, wobei die Ursache vor allem in der missglückten Mobilisierung des einstmals vorhandenen Wählerpotentials zu suchen ist (von Alemann/Spier 2011: 66).

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Parteiorganisation

Die Parteiorganisation ist eine zentrale erklärende Variable für Veränderungen im Verhalten einer Partei, in ihrer Programmatik oder auch in ihrem Erfolg bei Wahlen. Deshalb ist es für die empirische Parteienforschung wichtig, Parteien nicht als monadische Akteure aufzufassen, die gleich der Vorstellung einer black box in der Systemtheorie in immer derselben Weise auf bestimmte Inputs reagieren und entsprechende Outputs produzieren. Par-

teien sind keine homogenen Gebilde, sondern vielmehr Zusammenschlüsse von Parteimitgliedern mit individuellen Motiven, Interessen und Zielen, die sich durchaus auch innerhalb dieser Organisationen zu mehr oder weniger formalisierten Gruppierungen zusammenfinden können. Bereits Eldersveld (1964: 1) beschrieb Parteien als „miniature political system[s]“, die jeweils über formelle und informelle Strukturen sowie etablierte Prozesse der Willensbildung, der Führungsrekrutierung und der Konfliktbewältigung verfügen. Im Folgendem soll daher Organisationsstruktur, innerparteiliche Willensbildung und Mitgliedschaft der SPD näher betrachtet werden.

3.1 Organisationsstruktur Die institutionelle Organisationsstruktur von Parteien in Deutschland hat zumindest zwei Dimensionen: Eine vertikale, die die territoriale Gliederung der Partei widerspiegelt, und eine horizontale, die die Organe der Partei auf einer Ebene umfasst, in Deutschland üblicherweise angelegt an klassische Gewaltenteilungsmodelle mit Mitglieder- oder Delegiertenversammlung („Legislative“), Vorstand und/oder Präsidium („Exekutive“) und Parteischiedsgerichten („Judikative“). Hinzu kommen sehr häufig föderative Organe (Parteiräteoder -ausschüsse), die die nächst niedrigere Ebene der territorialen Gliederung repräsentieren. In Deutschland sind Eckpunkte dieser formalen Organisation durch das Parteienrecht vorgegeben, jedoch ist genug Variationsmöglichkeit gegeben, um unterschiedliche Machtzentren auszubilden und ggf. durch Organisationsreformen auch bewusst zu verschieben (Bukow 2013: 87ff). Der klassische territoriale Organisationsaufbau der SPD folgt einer eigenen Organisationskultur, die nicht völlig deckungsgleich mit denen der anderen Parteien ist: Ortsverbände, Unterbezirke, Bezirke sowie die nationale Parteiorganisation (Poguntke 2001: 259f). Landesverbände waren traditionell nicht vorgesehen und die Bezirke auch nicht deckungleich mit den Bundesländern, so dass insbesondere in den Flächenländern der Bundesrepublik oft mehrere Bezirke kooperieren mussten, um die Landespolitik zu bestimmen. Noch heute formuliert § 8 Abs. 2 des Organisationsstatuts der SPD: „Grundlage der Organisation ist der Bezirk [...].“ Diese Bezirke waren mit großen Kompetenzen ausgestattet: Sie verfügten über eine eigenständige Finanz- und Personalhoheit, bildeten das entsendende Gremium für Delegierte des Parteitags und hatten auch ganz praktisch insbesondere über ihre Vorsitzenden, die „Bezirksfürsten“, einen großen Einfluss auf die Gesamtpartei (Lösche/Walter 1992: 203ff). Die Rolle dieser Bezirke wurde seit der Wiedergründung deutlich zurückgedrängt: 1950 nahm man ihnen die Finanzautonomie und legte sie auf eine Zusammenarbeit in gemeinsamen Bundesländern fest (Lösche/Walter 1992: 181), 1971 wurden Landesverbände als zusätzliche Organisationsebene eingeführt (Heimann 1984: 2148f). Später wurden Bezirksverbände zusammengelegt oder – z.B. 2001 in Nordrhein-Westfalen – ganz aufgelöst. Eine eigenständige Bedeutung haben Bezirke in der SPD nur noch in Niedersachsen und Hessen, hier stellen sie aber auch weiterhin die innerparteilichen Machtzentren dar (Bukow 2013: 118f). Diese territoriale Reorganisation diente sicherlich primär der Gewinnung politischer Effektivität, hatte von Fall zu Fall aber auch machttaktische Motive, etwa um den Einfluss der „Bezirksfürsten“ einzuschränken. Während sich die Grundstruktur an Parteiorganen auf Bundesebene seit der Gründung der Bundesrepublik nicht grundsätzlich verändert hat (Bundesparteitag, Parteivorstand,

Parteirat als Vertretung der Bezirke bzw. Landesverbände, Bundesschiedsgericht), so unterlag doch die Zusammensetzung des Parteivorstands größeren Veränderungen. In der Nachkriegszeit bestand der geschäftsführende Vorstand neben dem Vorsitzenden und seinem Stellvertreter aus besoldeten Vorstandsmitgliedern, die zudem keine Bundestagsmandate innehaben durften. Dieses „Büro“ war ein eigenständiges Machtzentrum der Partei, weitgehend unabhängig von der Fraktion und oft einer Eigenlogik folgend (Lösche/ Walter 1992: 181). Mit dem Stuttgarter Organisationsstatut von 1958 wurde der besoldete geschäftsführende Vorstand durch ein aus der Mitte des Vorstand gewähltes Parteipräsidium ersetzt. Da deren Mitglieder auch Bundestagsabgeordnete sein konnten und in der Regel auch waren, ging die faktische Macht von der Parteibürokratie auf die Bundestagsfraktion über (Lösche/Walter 1992: 188f). Seit 1968 wurde das besoldete Amt des Bundesgeschäftsführers als Spitze der Parteiverwaltung zur Entlastung des Präsidiums eingeführt. 1999 wurde zusätzlich das Amt eines vom Parteitag gewählten Generalsekretärs geschaffen, der Geschäftsführer wird nun vom Generalsekretär ernannt. Mit der Parteireform 2011 wurde schließlich der Parteivorstand insgesamt verkleinert und das Präsidium ganz abgeschafft. Alle geschäftsführenden Funktionen wurden auf den Generalsekretär übertragen. Durch effiziente Führung und klare Verantwortlichkeiten soll so die öffentliche Wahrnehmung der SPD gestärkt werden (Grunden 2012: 114). Der Wandel der Organisation der SPD lässt sich mit dem begrifflichen Instrumentarium der Parteientypologie erfassen (Grunden 2012: 98ff). Robert Michels (1970) stellte am Beispiel der SPD im Kaiserreich fest, dass Großorganisationen eine Tendenz zu Ausbildung oligarchischer Strukturen haben, die wiederum der demokratische Willensbildung entgegenwirken. Auch wenn das Bild der SPD als einer „zentralisierten Oligarchie“ sicherlich teilweise ein Klischee ist (Lösche/Walter 1992: 173f; Wiesendahl 1998: 38), so muss man doch zumindest konstatieren, dass die Sozialdemokratie des Kaiserreichs, der Weimarer Republik und auch der frühen Jahre der Bundesrepublik ein vergleichsweise hierarisch strukturierter Verband war, mit einem zentralisierend wirkenden Parteiapparat, der unter Kontrolle eines hauptamtlichen Parteivorstands stand. Erst die Organisationsreform 1958 trennte Parteiverwaltung und politische Führung, zudem wurde die politische Führung nun weitgehend „parlamentarisiert“ und unter die Kontrolle der Bundestagsfraktion gestellt (Grunden 2012: 103). Es spricht viel dafür, dass die sich nun entwickelnde Organisationsstruktur die einer „lose verkoppelten Anarchie“ (Lösche/Walter 1992: 173ff; Lösche 1993) ist, in der unterschiedliche Organisationssegmente (Fraktion, Regierungsmitglieder, territoriale Gliederungen, Strömungen und Arbeitsgemeinschaften) über eine relativ große Autonomie verfügen, eine präzise einheitliche Zielsetzung nicht existiert und die Machtverhältnisse in diesem Konglomerat einem ständigen Wandel unterlegen sind (Lösche/Walter 1992: 197f). Für diese Interpretation spricht auch, dass sich die SPD einen relativ großen Parteivorstand leistete, in dem die verschiedenen Organisationssegmente vertreten waren, mit der Folge, dass sich aufgrund der Größe die reale Macht auf das Präsidium verlagerte (Lösche/Walter 1992: 206). Es wird sich zeigen, wie sich die Parteireform 2011 mit der Abschaffung des Präsidiums und der Verkleinerung des Vorstands auswirkt. Vordergründig wird der plural besetzte Parteivorstand gestärkt, doch auch dieser noch aus maximal 35 Personen bestehende Kreis dürfte so wenig handlungsfähig sein, dass faktisch informale Führungsstrukturen begünstigt werden (Bukow 2013: 136)

3.2 Innerparteiliche Willensbildung Obwohl innerparteiliche Demokratie zu den wichtigen normativen Voraussetzungen für die Funktionserfüllung von Parteien gehört (von Alemann 1972), ist die Zahl aktueller empirischer Untersuchungen zum Thema eher begrenzt. Voraussetzung für innerparteiliche Willensbildung ist zunächst, dass sich die Parteimitglieder überhaupt aktiv in ihrer Partei engagieren. Dies ist aber nur bei einem kleinen Teil der Fall: Gerade einmal 27 % der Mitglieder in den sechs Bundestagsparteien sagten 2009 von sich selbst, dass sie „sehr aktiv“ oder „ziemlich aktiv“ sind –die SPD liegt mit 28 % leicht über dem Mittelwert aller Parteimitglieder, nur die Mitglieder von FDP und der Linken sind aktiver (Spier 2011a: 99). Allerdings hat die Aktivität der Parteimitglieder im Zeitverlauf durchaus zugenommen (SPD 1998: 24 %). Die Aktivitätsformen sind höchst unterschiedlich, aber zumeist von eher geringer Intensität. Mithilfe von Clusteranalysen wurde eine empirische Typologie von Aktivitätstypen unter den Parteimitgliedern erstellt (Klein 2006; Spier 2011a: 108ff): Neben den „Inaktiven“, die in dieser Typologie 50 % der Mitgliedschaft ausmachen, sind 13 % der SPD-Mitglieder „Versammlungsbesucher“, die über die Teilnahme an den Ortsverbandstreffen keinerlei Aktivität entfalten. Ähnlich groß ist die Gruppe der „geselligkeitsorientierten Aktiven“, die neben den Versammlungen auch Feste und gesellige Veranstaltungen der Partei aufsuchen, aber nur selten weitergehend partizipieren. Den partizipatorischen Kern der Mitgliedschaft bilden die „ämterorientierten Aktiven“, die in der SPD 23 % ausmachen. Sie sind in fast allen Formen aktiv und übernehmen insbesondere Parteifunktionen, kandidieren für öffentliche Ämter und sind auch sonst in der Organisation der Parteiarbeit tätig. Der Anteil der „ämterorientierten Aktiven“, die letztlich aktiv an der innerparteilichen Willensbildung teilnehmen, ist bei der SPD im Vergleich zu anderen Parteien recht hoch – nur die FDP hat mit 27 % einen noch höheren Anteil. Hingegen sind in der SPD die reinen Versammlungsbesucher eher unterdurchschnittlich vertreten. Die Kanäle der innerparteilichen Willensbildung sind formeller oder informeller Natur. Der primäre formelle Kanal ist die Mitwirkung als Delegierter an Beschlüssen des Parteitags. Die 600 Delegierten des Bundesparteitags werden nach einem mitgliederbasierten Schlüssel auf die – größtenteils mit den Landesverbänden identischen – Bezirke verteilt und durch den Bezirksparteitag gewählt. Neben einer festgelegten Geschlechterquote von mindestens 40 % gibt es keine weiteren Festlegungen dieser Delegation, in der Praxis werden aber wohl weitere informelle Repräsentationsabsprachen bestehen. Die SPD kennt darüber hinaus auch direktdemokratische Mittel der innerparteilichen Willensbildung, insbesondere die Mitgliederentscheide über Sachfragen und die Wahl des Kanzlerkandidaten. Zwar sind Urwahlen des Parteivorstands nach deutschem Parteienrecht ausgeschlossen (Bukow 2013: 97f), nichtsdestotrotz wurden konsultative Mitgliederbefragungen auch zur Besetzung des Vorsitzes in der SPD bereits durchgeführt, etwa 1993 auf Bundesebene oder 2009 in Baden-Württemberg (von Alemann et al. 2010: 243). Auch elektronische Kommunikationsmittel werden verstärkt in der parteiinternen Willensbildung zum Einsatz gebracht (Marschall 2001: 40ff). Darüber hinausgehende Formen der „virtuellen Parteimitgliedschaft“, die größtenteils internet-basiert abläuft, stoßen jedoch auf enge rechtliche Grenzen – der „Virtuelle Ortsverein“ der SPD, der erste seiner Art bei einer deutschen Partei, ist lediglich ein vom SPD-Parteivorstand anerkannter Arbeitskreis (Marschall 2013). Neben individuellen Formen der Partizipation an der innerparteilichen Willensbildung gibt es natürlich auch Versuche, die Willensbildung kollektiv zu beeinflussen. Angelehnt

an David Hume lassen sich zwei Formen von factions unterscheiden, die in dieser Weise in Parteien aktiv sein können (Raschke 1977: 29ff; Sartori 2005: 68ff; Köllner/Basedau 2006: 19f):4 Zunächst factions of interest, die partikulare oder sektorale Gruppeninteressen verfolgen. Hierzu gehören in der SPD die anerkannten Arbeitsgemeinschaften wie die Arbeitsgemeinschaft 60+, Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen (ASF) oder die Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen (AfA). Als Besonderheit der SPD bildet ihre Jugendorganisation, die Jungsozialisten (Jusos), ebenfalls eine Arbeitsgemeinschaft und nicht eine formal unabhängige Vorfeldorganisation. Bei drei Arbeitsgemeinschaften (AG 60+, ASF und Jusos) ist die Mitgliedschaft direkt an die Erfüllung bestimmter Kriterien gekoppelt. So ist man als weibliches SPD-Mitglied beispielsweise automatisch Mitglied der ASF. Weiterhin gibt es in der SPD auch eine Anzahl von factions of principle, d.h. politische Flügel und Strömungen (Gebauer 2005; Forkmann 2011; Reinhardt 2011). Der linke Flügel der SPD ist in der Bundestagsfraktion als „Parlamenarische Linke“ und in der Parteiorganisation als „Demokratische Linke 21“ organisiert, der konservative hingegen im „Seeheimer Kreis“. Das „Netzwerk Berlin“ agiert als dritte Strömung und sieht sich selbst zentristisch, steht aber inhaltlich dem „Seeheimer Kreis“ deutlich näher. Der größte Teil der Bundestagsfraktion ist in diesen factions organisiert, in der 17. Legislaturperiode 34 % der Bundestagsabgeordneten im „Seeheimer Kreis“, 47 % in der „Parlamentarischen Linken“ und 23 % im „Netzwerk Berlin“, wobei Doppelmitgliedschaften im „Netzwerk“ und bei den „Seeheimern“ vorkommen (Grunden 2012: 112f). In der gesamten Mitgliedschaft rechnet sich nur ein kleiner Teil den Strömungen und Flügeln zu, nach den Daten der Deutschen Parteimitgliederstudie 2009 sind es in der SPD rund 14,8 % (Spier 2011a). Über Flügel und Arbeitsgemeinschaften hinaus spielen auch die Landesgruppen eine nicht zu unterschätzende Rolle.

3.3 Mitgliedschaft Die SPD war in der deutschen Geschichte die Partei, die zuerst eine nennenswerte Mitgliederbasis aufgebaut hat (Lösche/Walter 1992: 131). Auch deswegen spielt der im Diskurs oft nicht weiter präzisierte Begriff der Mitgliederpartei in der deutschen Sozialdemokratie eine große Rolle. Die These vom „Ende der Mitgliederpartei“ in der öffentlichen wie fachlichen Diskussion hat insofern eine große Bedeutung für die SPD (vgl. hierzu kritisch: Wiesendahl 2006: 11ff; von Alemann/Spier 2008b). Ihr Hintergrund ist der Rückgang der Zahl der Mitglieder der SPD seit Anfang der 1990er Jahren (Abbildung 1). In der Tat hat sich der Mitgliederbestand der SPD zwischen 1990 und 2011 von 943.000 auf 490.000 halbiert (Niedermayer 2012: 393). 1976 hatte sie nach – teilweise in Frage gestellten – Parteiangaben sogar über eine Million Mitglieder, was die Verluste noch dramatischer wirken lässt. Allerdings sollte man hierbei beachten, dass der Vergleichspunkt für die Mitgliederentwicklung auf den Höhepunkt der parteibezogenen politischen Partizipation in den 1970er Jahren verschoben wird, was teilweise irreführend ist: Noch in den 1950er Jahren kam die SPD auf rund 630.000 Mitglieder, was den Mitgliederverlust zumindest in eine andere Perspektive stellt, wenn auch nicht völlig relativiert.

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Zu den historischen Faktionen in der SPD: Müller-Rommel (1982); Heimann (1984: 2192ff).

Abbildung 1:

Mitgliederzahlen der SPD 1946-2011 (in Tausend)

1200

1000

954

943

875 775

800 585

600

1022

648

590

490

400

200 0

Quelle: Eigene Darstellung, Daten nach Heimann 1984: 2174, Boyer/Kössler 2005, Niedermayer 2012: 393.

Insbesondere die 1960er und 1970er Jahre waren die „goldene Zeit der Mitgliederrekrutierung“ (Gabriel/Niedermayer 1997: 280). Nach einem kurzen Zwischenhoch in den unmittelbaren Nachkriegsjahren konnte die in den 1950er Jahren mitgliedermäßig stagnierende SPD innerhalb weniger Jahre enorme Zuwachsraten verzeichnen: Alleine zwischen 1963 und 1976, fast zeitgleich mit der ersten Hälfte des langen Parteivorsitzes Willy Brandts, baut die Partei ihre Mitgliederzahlen um 374.000 Mitglieder aus, was einer Steigerung um fast 60 % entspricht. Der Mitgliederboom, der insbesondere 1969 an Fahrt aufnahm, ist vor allem auf den politischen Mobilisierungsschub im Gefolge der 68er-Proteste, die Aufbruchsstimmung der frühen sozialliberalen Koalition, aber auch schlicht auf die Person Willy Brandts zurückzuführen (Lösche/Walter 1992: 150ff). Diese Mobilisierungswelle traf nicht nur die SPD, sondern etwas später auch die Unionsparteien (Wiesendahl 2006: 32f). Bis zum Jahr 1990 hielt die SPD diesen Mitgliederbestand im etwa. Im Gegensatz zu CDU und FDP konnte die SPD nicht vom Zuwachs der deutschen Wiedervereinigung profitieren, da sie keine der alten Blockparteien in sich aufnahm, sondern lediglich die relativ kleine Neugründung SDP mit 25.000 Mitgliedern (Wiesendahl 2006: 37). Seit 1990 verliert die SPD kontinuierlich Mitglieder, besonders stark seit der „Agenda 2010“. Disaggregiert man diese Zahlen in Ein- und Austritte, so wird deutlich, dass insbesondere die Eintritte seit der Hochphase in den 1970er Jahren rückläufig sind, während die Abgänge – mit Ausnahme eines starken Anstiegs in den Jahren der Kanzlerschaft Schröders – relativ konstant geblieben sind (Wiesendahl 2006: 46ff). Das Schrumpfen der Mitgliedschaft geht also vor allem auf das Ausbleiben von Neumitgliedern zurück. Die Sozialstruktur der Mitgliedschaft weist dann auch deutliche Merkmale der Überalterung auf: Das Durchschnittsalter der SPD-Mitglieder lag 2009 nach Berechnungen aufgrund der Daten der Deutschen Parteimitgliederstudie (Spier et al. 2011) bei 58 Jahren. Mehr als ein Drittel der Mitglieder war 2009 bereits über 65 Jahre alt, was allerdings – mit Ausnahme der Grünen – von allen anderen Bundestagsparteien noch übertroffen wird

(Klein 2011: 45). Andere soziodemographische Merkmale komplettieren das Bild der Mitgliedschaft: Frauen sind mit 29 % in der SPD deutlich häufiger zu finden als etwa bei den bürgerlichen Parteien; das Bildungsniveau der Parteimitglieder ist deutlich höher als in der Bevölkerung, allerdings nicht so ausgeprägt wie bei FDP, Grünen und Linken; Katholiken sind – nach wie vor – im Vergleich zur Gesamtbevölkerung unterrepräsentiert, während Protestanten überrepräsentiert sind (Klein 2011: 43ff). Die Berufsstruktur der SPD zeigt zudem eindeutige Konturen: Sie ist die Partei der Angestellten und Beamten des öffentlichen Dienstes. 42 % der Mitglieder arbeiten in diesem Bereich, weit mehr als die 7 % in der Gesamtbevölkerung (Klein 2011: 50). Mit Ausnahme der Grünen weist keine der Bundestagsparteien einen höheren Anteil dieser Berufsgruppe auf. Arbeiter sind hingegen nur noch selten zu finden: 16 % der Mitglieder kommen aus dieser Gruppe, allerdings sind dies – mit Ausnahme der Linken – die höchsten Arbeiteranteile, die die deutschen Bundestagsparteien aufzuweisen haben. Wie lässt sich dieses Bild der Mitgliedschaft politikwissenschaftlich einordnen? Kann man im Fall der SPD noch von einer Mitgliederpartei sprechen? Der Typus der Mitgliederpartei verfügt nicht nur über (1) eine großen Zahl von Mitgliedern, sie ist (2) eine Partei, die ihre Mitglieder als Ressource nutzt und (3) in ihrer Organisationsstruktur auf die Mitwirkung ihrer Mitglieder ausgerichtet ist (Wiesendahl 2006: 20ff). Eine Partei mit 490.000 Mitgliedern weist zunächst immer noch eine bedeutende Zahl von Mitgliedern auf. Gleichzeitig ist die SPD nach wie vor auf ihre Mitgliedschaft als Ressource angewiesen: 2010 machten die Mitgliederbeiträge mit 31 % den größten Einzelposten der Gesamteinnahmen der Partei aus, mehr noch als die 26 % aus staatlichen Zuwendungen (Deutscher Bundestag 2012: 91). Alleine für die Aufstellung von Kandidaten für 99 Sitze im Europäischen Parlament, derzeit 622 Sitzen im Bundestag, rund 1.850 Landtags- und ca. 200.000 Kommunalmandate (Klein et al. 2011: 25) wird eine breite Mitgliederbasis benötigt. Schließlich ist auch der Beitrag der Parteimitglieder im Bereich der politischen Mobilisierung nicht zu unterschätzen: Auch in Zeiten medialer Wahlkämpfe werden noch Plakate geklebt, Marktstände betreut und im persönlichen Gespräch für eine Partei geworden. Insofern sind die Mitglieder als Ressource nicht ohne weiteres substituierbar. Schließlich konnte in Abschnitt 3.2 gezeigt werden, dass die SPD die Partizipationsmöglichkeiten ihrer Mitglieder eher ausbaut, denn einschränkt. Insofern kann – trotz hoher Mitgliederverluste – von einem „Ende der Mitgliederpartei“ im Fall der SPD nicht die Rede sein.

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Inhaltliches Profil

Das inhaltliche Profil der deutschen Sozialdemokratie unterlag im Verlauf der Bundesrepublik einem deutlichen Wandel. Als markante Zäsuren lassen sich die Verabschiedung der Grundsatzprogramme nennen, auch wenn diese Dokumente primär eine nach innen gerichtete Funktion der Selbstvergewisserung über die Identität der eigenen Partei haben (Stammen 1979: 25ff; Nachtwey 2009: 36ff) und häufig eher den anerkennenden Abschluss eines programmatischen Wandels bedeuten. So war das Godesberger Programm von 1959 zwar ein vergleichsweise radikaler Bruch mit dem formal immer noch gültigen marxistisch inspirierte Heidelberger Programms von 1925, stellte sich vor dem Hintergrund einer kontinuierlichen innerparteilichen Diskussion und mehrerer Zwischenschritte aber eher als eine Zuspitzung des Diskussionsstandes dar (Klotzbach 1976: 483). Es legte die Partei auf die

Grundwerte Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität fest, wobei die Wurzeln dieses demokratischen Sozialismus ideengeschichtlich in der christlichen Ethik, dem Humanismus und der klassischen Philosophie verortet wurden, ohne auf den Marxismus einzugehen (Grebing 2000: 442ff). In der Wirtschafts- und Sozialpolitik verabschiedete sich die SPD von Sozialisierungsvorstellungen und griff die von Karl Schiller geprägte Formel „Wettbewerb soweit wie möglich, Planung soweit wie nötig!“ auf (Lütjen 2007: 133ff). Ein stetiger Wirtschaftsaufschwung sollte gerecht verteilt werden und so für allgemeinen Wohlstand sorgen. Das Berliner Programm von 1989 reflektierte dann die Probleme, die sich spätestens mit Ende der sozialliberalen Koalition gezeigt hatten (Lösche/Walter 1992: 125ff; Grebing 2007: 194f): Eine auf ständiges Wachstum ausgerichtete keynesianische Wirtschaftspolitik war gescheitert. Man wollte die Ideen der Neuen Sozialen Bewegungen aufgreifen, um die SPD zu modernisieren und für diese Wählerschichten zu öffnen. Die Grundwerte des Godesberger Programms wurden um die Werte Demokratie, Frieden und internationale Zusammenarbeit ergänzt. Zu den historischen Wurzeln gesellte sich zwar wieder in nachgeordneter Position der Marxismus – ein Zugeständnis an die durch die 68er-Bewegung geprägte Parteilinke –, allerdings auch die Aufklärung und die Frauenbewegung. Das Fortschrittsverständnis der Partei wurde vom Wachstum abgekoppelt und auf postmaterialistische Ziele wie Umweltschutz, Selbstbestimmung und Frieden ausgerichtet. Das Hamburger Programm von 2007 ist in guten Teilen ein nachträglicher Legitimationsversuch für die Regierungspolitik des Kanzlers Schröder und gleichzeitig ein hart umkämpfter Kompromiss zwischen den Parteiflügeln (Raschke 2011: 77). Schon während der rot-grünen Koalition wurde an Programmentwürfen gearbeitet, die insbesondere das Konzept des „Demokratischen Sozialismus“ durch das der „Sozialen Demokratie“ (Meyer 2005) ersetzen sollten, was aber mit Blick auf die Wahlkämpfe 2002 und 2005 verschoben wurde und schließlich ausfiel (Pautz 2009: 125). Die Deutung des Hamburger Programms für die aktuelle Sozialdemokratie ist in der politikwissenschaftlichen Debatte noch umstritten: Zum Teil wird darauf verwiesen, dass insbesondere der „Bremer Entwurf“ zum Programm, der im Wesentlichen von Vertretern des „Netzwerker“-Flügels verfasst wurde, die ordoliberalen Ideen der „sozialen Marktwirtschaft“, des „vorsorgenden Sozialstaats“ und der „Selbstverantwortlichkeit“ übernimmt, die Kanzler Schröder bereits in der Regierungspolitik umsetzte (Nachtwey 2009: 230ff; Pautz 2009: 126f; Nachtwey 2013). Gute Teile des Entwurf wurden in das verabschiedete Programm übernommen. Andererseits wurde darauf verwiesen, dass das tatsächliche Programm – mit Rücksicht auf die Parteilinke, die unter dem Parteivorsitzenden Kurt Beck wieder stärker eingebunden werden sollte – in einigen Punkten überarbeitet wurde, etwa der Aufnahme des Begriffs „Demokratischer Sozialismus“ (Egle 2009: 18f). Vermutlich ist das Programm insofern vor allem die Anerkennung der Tatsache, dass die Partei im Bereich der Wirtschafts- und Sozialpolitik weiterhin gespalten ist (Jun 2010: 304f; Zohlnhöfer 2010: 229; Raschke 2011: 77).

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Gesellschaftliche Beziehungen

Historisch verfügte gerade die deutsche Sozialdemokratie über ein ausgeprägtes Netz von Vorfeldorganisationen, die in die Gesellschaft hinein wirken sollten: die Arbeiterwohlfahrt (AWO), den Arbeiter-Samariter-Bund (ASB), den Arbeiter-Schützen-Bund oder die Sozialistische Arbeiter-Jugend (SAJ), zudem unzählige Sport- und Gesangsvereine (Lösche/Wal-

ter 1992: 65). Der Allgemeine Deutsche Gewerkschaftsbund (ADGB), größter gewerkschaftlicher Dachverband der Weimarer Republik, stand zudem der Sozialdemokratie sehr nahe. Schon die Namen dieser Vereine und Verbände macht deutlich, dass es sich vor allem um Organisationen handelte, die das im Kaiserreich und der Weimarer Republik noch weitgehend intakte Arbeitermilieu (Lepsius 1973; Lösche/Walter 1989) integrieren und an die SPD binden sollte. Diese Organisationen waren somit Ausdruck des Typus der Massenintegrationspartei (Neumann 1956), die auf die möglichst vollständige Durchdringung einer sozialstrukturell abgrenzbaren Bevölkerungsgruppe durch Vorfeldorganisationen aus ist. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die größeren Vorfeldorganisationen wie AWO und ASB wiedergegründet, allerdings als von der SPD unabhängige Vereine. Die Gründung des Deutschen Gewerkschaftsbundes als überparteiliche Einheitsgewerkschaft löste die Gewerkschaften zumindest formal weiter von der SPD. Bis in die 1960er und 1970er Jahre hinein war jedoch die personellen Überlappungen zwischen den Mitgliedschaften groß (Stöcken 2005: 76f, Schiller 2007: 444). Es gibt kaum gesicherte Studien über das Ende der milieuhaften Einbindung der SPD-Mitgliederbasis in das Umfeld dieser Vereine und Verbände – Walter (2010: 153f) verortet die weitgehende Loslösung etwa in den 1960er Jahren. Es ist sicherlich kein Zufall, dass dies zeitlich mit dem programmatischen Wendepunkt Godesberger Programm und dem Wandel zur catch-all party zusammenfällt. Die moderne Volkspartei (Kirchheimer 1965: 27ff), die sich gerade über ihre ursprüngliche Zielgruppe auf potentiell alle Wählergruppen ausdehnen will, verliert nun vollständig die Verbindung zur ihrer alten classe gardée, dem Arbeitermilieu, das gleichzeitig erodiert. Auch wenn diese enge Form der gesellschaftlichen Verankerung geschwunden ist, gibt es natürlich weiterhin Beziehungen der SPD zu Verbänden, allerdings vor allem auf der Ebene der jeweiligen Eliten. Mit der Übernahme von Regierungsverantwortung im Zuge der ersten Großen Koalition brachte beispielsweise die SPD ihre enge Verbindung zu den Gewerkschaften ein, um vorrübergehend ein tripartistisches neokorporatistisches System der Interessenvermittlung (von Alemann/Henze 1982) aufzubauen („Konzertierte Aktion“), dass sich jedoch als nur begrenzt funktionsfähig erwies und unter Kanzler Schmidt endgültig scheiterte (Schiller 2007: 446f). Das „Bündnis für Arbeit“, der Versuch einer Wiederbelebung dieser neokorporatistischen Zusammenarbeit zwischen Staat, Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften unter Kanzler Schröder, scheiterte in noch viel kürzerer Zeit (Streeck 2003). Dennoch gibt es nach wie vor personelle Überlappungen in Form von SPDMitgliedern in den Spitzen von Verbänden und Verbandsfunktionären in der SPD-Fraktion oder in Parteigremien. In der 17. Legislaturperiode sind beispielsweise 10 % der SPDAbgeordneten aktuelle oder ehemalige Funktionäre der Gewerkschaften, ähnliches gilt für die sozialen Interessenverbände (8 %) und die Sport- und Freizeitverbände (4 %) (Rudzio 2011: 85). Insgesamt ist jedoch diese Form der „Verbandsfärbung“ des Bundestags rückläufig: Zwischen 1980 und 1994 ging der Anteil der Verbandsvertreter in der SPD-Fraktion von 54 % auf 31 % zurück (Schindler 1999: 720). Auch die Zahl der Verbandskontakte von SPD-Abgeordneten ging zwischen 1996 und 2003 um rund 20 % zurück (Weßels 2007:163). Dies gilt nicht nur für die SPD, sondern ist Teil eines allgemeinen Trends der Entkoppelung des Parteiensystems vom Verbändesystem (Schiller 2007: 459ff; Weßels 2007: 162ff; Reutter 2012: 151ff).

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Wahlergebnisse und Wählerschaft

Die Ergebnisse der SPD bei Bundestagswahlen lassen sich in zwei Zyklen beschreiben (vgl. Abbildung 2): Nach einem schwachen Beginn nach Gründung der Bundesrepublik mit unter 30 % der Stimmen konnte die Partei ihre Wahlergebnisse bis 1972 kontinuierlich bis auf 45,8 % ausbauen. Im Verlauf der sozialliberalen Koalition verlor sie dann an elektoraler Unterstützung bis hin zur Wiedervereinigung, die einen vorläufigen Tiefpunkt mit 33,5 % der Zweitstimmen markierte. Bis zur Bundestagswahl 1998, die Schröder mit 40,9 % gewann, stabilisierte sich die Partei erneut, um dann eine ungleich schnellere und stärkere Abwärtsbewegung durchzumachen. Die Bundestagswahl 2009 ist mit 23,0 % der Zweitstimmen das schlechteste Bundestagswahlergebnis der SPD in der Bundesrepublik. Abbildung 2:

Wahlergebnisse der SPD bei Bundes- und Landtagswahlen (1949-2012)

50,0 40,0 30,0 20,0 10,0 0,0

Bund (West)

Länder (West)

Bund (Ost)

Länder (Ost)

Quelle: Eigene Darstellung, Daten nach der amtlichen Wahlstatistik (Zweitstimmenanteil, falls zwei Stimmen möglich, Mittelwerte für die Länder).

Traditionell ist die SPD bei Landtagswahlen in den Ländern stärker als bei Bundestagswahlen. Dies hängt offenbar mit einem Abstrafungseffekt für Bundesregierungen bei Landtagswahlen zusammen, denn die Phasen, in denen die SPD im Bund stärker als in den Ländern war, machen ziemlich genau die Regierungszeit der SPD aus, während die Landtagswahlergebnisse in Zeiten von CDU-Bundesregierungen vergleichsweise gut sind (vgl. den Nachweis mit Individualdaten bei Völkl 2009). Stark ist die SPD vor allem in den protestantischen Gebieten Westdeutschlands, insbesondere in den Stadtstaaten sowie Hessen und Niedersachsen. In den katholischen Gebieten gelang ihr in einigen Ländern in den 1960er Jahren der elektorale Durchbruch, insbesondere in Nordrhein-Westfalen und im Saarland, die dann in der Folge zu Hochburgen der Partei wurden. Bayern und Baden-Württemberg stellen im Westen nach wie vor Diasporagebiete dar. In Ostdeutschland konnte die SPD bei Bundes- wie Landtagswahlen nur schwer Fuß fassen. Nach dem strategischen Fehler, sich nicht uneingeschränkt für eine Wiedervereinigung einzusetzen, konnte die SPD in den neuen Bundesländern nur sehr unterdurchschnittliche Wahlergebnisse erzielen, was sich

bisher mit Ausnahme des Abschneidens bei der Bundestagswahl 2002 – Schröder nutzte hier die Oder-Flut als Wahlkampfthema – nicht geändert hat. Die mit Abstand schlechtesten Landtagswahlergebnisse erzielt die SPD in Thüringen und vor allem in Sachsen – ausgerechnet jenen Gebieten, die im Kaiserreich und der Weimarer Republik als Hochburgen der Sozialdemokratie galten (Walter 1993; Walter et al. 1998). Der klassische Ansatz zur Erklärung des Wahlverhaltens zugunsten von sozialdemokratischen und sozialistischen Parteien ist die makrosoziologische Cleavage-Theorie (Lipset/ Rokkan 1967). Die Wurzeln der Sozialdemokratie sind demnach in der Industriellen Revolution zu suchen, in der sich die sozioökonomische Konfliktlinie Arbeit vs. Kapital ausbildete. Die so entstehende Industriearbeiterschaft war eine sozialstrukturell klar abgrenzbare, vergleichsweise homogene soziale Gruppe, deren Mitglieder die gleichen Erfahrungen der Ausbeutung und sozialen Unsicherheit teilten. Dieses Arbeitermilieu bildete in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts eigene Organisationen und Institutionen aus, organisierte das Leben ihrer Mitglieder „von der Wiege bis zur Bahre“ und schuf sich die Sozialdemokratie als „politischen Aktionsausschuss“ (Lepsius 1973: 67). Das Ergebnis war die SPD als Massenintegrationspartei der Arbeiterklasse. Das class-voting, das schichtspezifische Wahlverhalten von Arbeitern zugunsten sozialdemokratischer Parteien, gehört nach wie vor zu den beliebten Untersuchungsgegenständen der Wahlforschung (vgl. nur Nieuwbeerta 1995; Müller 1998, 1999; Arzheimer/Schoen 2007), auch wenn es Zweifel gibt, ob die klassischen Konfliktlinien nach Bildungsexpansion, Tertiarisierung, Individualisierung und Wertewandel noch Prägungskraft besitzen. Um den Wandel der Wählerschaft der SPD und die darauf bezogenen Parteistrategien näher untersuchen zu können, soll im Folgenden das berufsspezifische Wahlverhalten zugunsten der SPD bei Bundestagswahlen betrachtet werden (vgl. Abbildung 3). Abgetragen ist der Thomsen-Index, ein Indikator, der den Anteil der Wähler in einer Berufsgruppe zu den allgemeinen Popularitätsschwankungen der Partei in der Gesamtbevölkerung ins Verhältnis setzt (Thomsen 1987; Nieuwbeerta 1995).5 Das class-voting der Arbeiter zugunsten der SPD war in der unmittelbaren Nachkriegszeit relativ stark ausgeprägt. Es erreichte mit der Bundestagswahl 1957 seinen Höhepunkt, als die Arbeiterwähler der nun verbotenen KPD integriert wurden, die Arbeiter des Vertriebenenmilieus sich allmählich von der Flüchtlingspartei BHE abwendeten und die SPD auch bei katholischen Arbeitern zunehmend reüssieren konnte (Lösche/Walter 1992: 91ff). Das wahlstrategische Problem der SPD war, dass sie auch mit einem sehr geschlossenen Wahlverhalten der Arbeiter nicht aus dem „30-Prozent-Turm“ bei Wahlen herauskommen konnte, solange die SPD als Massenintegrationspartei auf Klassenbasis für andere Berufsgruppen als Arbeiter kaum wählbar war. Dies ist der Hintergrund für die programmatische Öffnung der Partei im Godesberger Programm von 1959: Man wollte durch eine höhere programmatische Flexibilität und eine veränderte Außenwirkung vor allem die größer werdende Gruppe der Angestellten für sich gewinnen und mit ihrer Hilfe die Mehrheitsfähigkeit erlangen (Lösche/Walter 1992: 92f).

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Der Thomsen-Index stellt die Wahrscheinlichkeit eines Berufsgruppenangehörigen, die SPD zu wählen, mit der Gegenwahrscheinlichkeit ins Verhältnis. Das Ergebnis wird durch den gleichen Quotienten für alle übrigen Personen dividiert. Abschließend wird hiervon der natürliche Logarithmus berechnet. Das Ergebnis ist so zu interpretieren, dass ein Wert größer Null eine erhöhte Wahrscheinlichkeit eines Berufsgruppenangehörigen darstellt, die SPD zu wählen. Für einen Wert kleiner Null gilt das Gegenteil. Beträgt der ThomsenIndex genau Null, so unterscheidet sich das Wahlverhalten der Berufsgruppenangehörigen nicht vom Rest der Bevölkerung. Vgl. hierzu ausführlich: Schoen (2005: 165ff).

Abbildung 3:

Wahlverhalten zugunsten der SPD nach Berufsgruppen, Thomsen-Index (1949-2009)

2,50 2,00 1,50 1,00 0,50 0,00 -0,50 -1,00 -1,50 -2,00 -2,50

Arbeiter

Angestellte

Selbständige

Beamte

Quelle: Eigene Berechnung, Daten nach den nationalen Wahlstudien (ZA0057, ZA0145, ZA0314, ZA0525, ZA0635, ZA0823, ZA1053, ZA1276, ZA1537, ZA1920, ZA1987, ZA2324, ZA2601, ZA3073, ZA3272, ZA4216, ZA4559, ZA5301).

Dies gelang der SPD zumindest langfristig: Wie Abbildung 3 zeigt stieg die Wahrscheinlichkeit von Angestellten und auch Beamten, die SPD zu wählen, langsam, aber stetig an. Bei der Bundestagswahl 1972 gaben die Angestellten erstmals mehrheitlich ihre Stimme für die Sozialdemokratie ab. Die Kehrseite der Entwicklung war der drastische Verfall des class-votings der Arbeiter seit der Bundestagswahl 1961. In der Spätphase der sozialliberalen Koalition unter Kanzler Schmidt war es für einen Arbeiter kaum wahrscheinlicher, die SPD zu wählen, als für einen Angestellten oder einen Beamten. In den 1960er und 1970er Jahren konnte die SPD ihre Stimmanteile angesichts der Abnahme des class-votings in der Arbeiterschaft nur steigern, weil sich insbesondere die im Zuge der Tertiarisierung größer werdende Gruppe der Angestellten immer häufiger für sie entschied. Die SPD wurde damit auf der elektoralen Ebene in den 1970er Jahren zur catch-all party, die bei fast allen Berufsgruppen – mit Ausnahme der Selbständigen – reüssieren konnte. Der Wahlsieg Schröders 1998 erreichte mit der Doppelstrategie „Innovation und Gerechtigkeit“ noch einmal sowohl Arbeiter wie auch Angestellte und Beamte, doch die rot-grüne Regierungszeit mit der Diskussion um die Agenda 2010 sorgte erneut für einen Rückgang des classvoting der Arbeiter, die zu guten Teilen in das Elektorat der Linken wechselte (Schoen/Falter 2005: 37f; Nachtwey/Spier 2007: 24ff). Das heutige Elektorat der SPD weist kaum noch das soziodemographische Profil ihrer traditionellen Zielgruppen auf (von Alemann/Spier 2009: 56f; von Alemann/Spier 2011: 66ff): In der Berufsstruktur gibt es keine nennenswerten Schwerpunkte mehr, lediglich die Selbständigen wählen die Partei weiterhin weit unterdurchschnittlich. Frauen wie Männer wählen die SPD zu etwa gleichen Anteilen. 2002 und 2005 war sogar die Altersstruktur der Wähler sehr ausgeglichen, allerdings hat die Sozialdemokratie in der Bundestagswahl 2009 vor allem jüngere Wähler verloren. Nach wie vor gilt, dass die Partei in den Bevölkerungs-

gruppen mit einem niedrigen formalen Bildungsniveau deutlich stärker gewählt wird. Schließlich entscheiden sich Gewerkschaftsmitglieder immer noch mit einer deutlich höheren Wahrscheinlichkeit für die SPD. Die zentrale Frage für die heutige SPD ist die Rückgewinnung und Mobilisierung ihres Wählerpotentials (von Alemann/Spier 2009: 55f; von Alemann/Spier 2011: 66ff): Bei der Bundestagswahl 1998 kam die deutsche Sozialdemokratie auf rund zwanzig Millionen Wähler, 2009 waren es nur noch rund zehn Millionen. 2005 und 2009 verlor sie jeweils im Saldo rund eine Million Wähler an die Linke, zusätzlich 630.000 (2005) und 870.000 (2009) an die Unionsparteien. 2009 kamen noch Verluste in Höhe von 2.130.000 Wähler an die Gruppe der Nichtwähler und 860.000 an die Grünen hinzu. Die Sozialdemokratie hat also ein enormes Potential an ehemaligen Wählern, die es zurückzugewinnen gilt. Die vor der Bundestagswahl 2013 deutlich werdende Strategie, einen polarisierenden linken Wahlkampf mit korrespondierenden Forderungen wie denen nach Einführung eines Mindestlohns, der Begrenzung von Managergehältern und der stärkeren Besteuerung hoher Einkommen zu führen, ist vor diesem Hintergrund zu sehen. Der Spitzenkandidat Steinbrück passt von seinem Profil her aber nicht optimal zu dieser Strategie.

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Partei in den Parlamenten und Regierungen

Die Parlaments- oder Abgeordnetensoziologie hat eine ganze Fülle von Erkenntnissen über Zusammensetzung, Einstellungen und Verhaltensweisen von deutschen Parlamentariern hervorgebracht, die hier auch nicht ansatzweise präsentiert werden können (vgl. nur den Überblick bei Patzelt 1999: 253ff). Für die sozialstrukturelle Zusammensetzung der Bundestagsfraktion, auch im Vergleich mit anderen Fraktionen, genügt der Blick in die Parlamentsstatistik (Feldkamp 2011): Die SPD ist seit 2002 die Fraktion mit dem höchsten Durchschnittsalter. Sie weist dank Geschlechterquotierung rund ein Drittel Frauen auf – weit mehr als bei CDU/CSU und FDP, aber weniger als bei der Linken und den Grünen, bei denen mindestens die Hälfte der Mandatsträger weiblich sind. Rund die Hälfte der SPDBundestagsabgeordneten macht keine Angaben zu ihrer Konfession, unter den Übrigen sind seit 1990 immer mindestens doppelt so viel Protestanten wie Katholiken. Auffällig ist auch, dass die Bundestagsabgeordneten seit 2005 fast ausschließlich aus Dienstleistungsberufen stammen. Zwar gilt dies grundsätzlich auch für andere Fraktionen, allerdings haben zumindest in der CDU/CSU-Fraktion immer rund fünf bis zehn Prozent der Abgeordneten Berufe des primären oder sekundären Sektors. Die Politikwissenschaft ist aber schon lange davon abgekommen, die Qualität parlamentarischer Repräsentation an einer soziodemographischen Widerspiegelung der Sozialstruktur der Bevölkerung festzumachen. Wichtig scheint hingegen das Repräsentationsverständnis der Abgeordneten. Die Jenaer Abgeordnetenbefragung ergab, dass sich die SPDMandatsträger – ähnlich wie auch in den anderen Parteien – rund zur Hälfte in erste Linie als Vertreter des gesamten Landes fühlen, also dem Verständnis einer „virtuellen“ Repräsentation burkescher Prägung im Sinne eines trustee folgen (Edinger/Vogel 2005: 378ff; Best 2009: 119ff). Allerdings sieht sich die andere Hälfte als Vertreter konkreter Interesse, also als delegates: Ähnlich wie bei der Union fühlen sie sich zu 28 % als Vertreter ihres Wahlkreises und zu 10 % als die ihrer Wähler, im Gegensatz zu CDU/CSU aber auch recht stark als Vertreter ihrer Partei (10 %). Grund hierfür scheint zu sein, dass die entsprechen-

den Abgeordneten eine hohe Dankbarkeit gegenüber ihrer Partei verspüren, z.B. weil sie erst vor kurzem für das Parlament nominiert wurden oder auch finanziell durch das Mandat besser gestellt werden als in ihrem vorherigen Beruf (Best 2009: 127ff) Abbildung 4:

Anteile der Regierungsbeteiligung in den Bundesländern (1949-2012)

100%

80% 60% 40% 20% 0%

SPD

CDU/CSU

FDP

Grüne

Quelle: Eigene Berechnung, Daten nach Spier (2010a), mit Aktualisierungen bis 2012.

Die SPD ist eine klassische Regierungspartei. Auch wenn es angesichts der überwiegend unionsgeführten Regierungen in der Geschichte der Bundesrepublik nicht so erscheinen mag: Bezieht man sinnvollerweise die Bundesländer in eine Analyse des office-seeking behaviors der deutschen Parteien mit ein, so steht die SPD der CDU/CSU in der Häufigkeit von Regierungsbeteiligungen kaum nach. An den 218 Landesregierungen von 1949 bis 2009 waren die Unionsparteien zu 60,1 % beteiligt, die SPD immerhin an 56,0 %.6 Die höchsten Anteile der SPD an der Regierungsverantwortung der Länder finden sich interessanterweise in den Jahren, in denen die SPD im Bund in der Opposition war (vgl. Abbildung 4): In der Gründungsphase bis in die 1950er Jahre hinein, in den frühen 1990er Jahren sowie erneut seit Ende der zweiten Großen Koalition 2009. Anfang 2013 ist die Sozialdemokratie an 13 von 16 Landesregierungen beteiligt. Die Regierungen mit SPD-Beteiligung sind dabei in der Regel sehr stabil: Sie dauerten durchschnittlich 1268 Tage, während es für solche ohne SPD-Beteiligung im Mittel 1223 Tage waren – auf dieser breiten Datengrundlage ist dies ein signifikanter Unterschied. Sozialdemokratische Regierungen weisen zudem mehr Parteien auf (mittleres Regierungsformat 1,96 zu 1,66) und stützen sich auf breitere parlamentarische Mehrheiten (mittlere Parlamentsmehrheit 63,3 % zu 56,0 % der Landtagssitze) als solche ohne ihre Teilhabe an der Macht. Diese Zahlen illustrieren, dass das Parteiverhalten stark auf office-seeking ausgerichtet ist. 6

Die Analysen erfolgen auch im Folgenden mithilfe des Datensatzes zu Spier (2010a). Als Regierung wird jede Alleinregierung oder Koalition gezählt. Jeder Wechsel von Parteien in der Regierungszusammensetzung wird als neue Regierung gewertet, auch wenn sie in der laufenden Legislaturperiode erfolgt. Die bloße Neuwahl eines Regierungschefs während einer laufenden Legislaturperiode ohne Wechsel der die Regierung tragenden parteipolitischen Konstellation wird in diesem Rahmen nicht als eigenständiger Fall aufgefasst.

Im Koalitionsverhalten ist die SPD die flexibelste unter den deutschen Parteien: Sie hat bereits mit allen irgendwann an Landesregierungen beteiligten Parteien mit Ausnahme der Schill-Partei koaliert, wohingegen die CDU/CSU einige Koalitionsmöglichkeiten nie erprobte (z.B. die Bayernpartei, die Statt-Partei sowie PDS bzw. die Linke). Im Zeitraum zwischen 1949 und 2009 hat die SPD am häufigsten mit der FDP Regierungen gebildet (32 %), knapp gefolgt von CDU/CSU mit 31 %. Der Anteil der rot-grünen Koalitionen an den Regierungen mit SPD-Beteiligung von 12 % bleibt hinter diesen Zahlen naturgemäß zurück, da diese Partei als Koalitionspartner erst seit den 1980er Jahren zur Verfügung steht. Immerhin 25 % der SPD-Regierungsbeteiligungen auf Länderebene waren Alleinregierungen. Dabei hat sich die Partei einige Koalitionsoptionen erst im Laufe der Zeit erschlossen. Während die deutsche Sozialdemokratie in den ersten beiden Jahrzehnten der Republik gerade auch mit den kleineren bürgerlichen Parteien wie der Deutschen Partei, der Deutschen Zentrumspartei, der Bayernpartei oder der Wirtschaftlichen Aufbau-Vereinigung Regierungen gebildet hatte und auch mit dem Bund der Heimatvertriebenen und Entrechteten koalierte, war sie bei Parteien des linken Lagers, die natürlich auch eine elektorale Konkurrenz darstellten, deutlich vorsichtiger: Obwohl die Grünen seit den frühen 1980er Jahren in viele Landesparlamente einzogen, zögerte die SPD anfangs, mit dieser Partei Koalitionen einzugehen. Die erste rot-grüne Landesregierung wurde 1985 in Hessen gebildet, nachdem der SPD-Ministerpräsident Börner sich zunächst nur von den Grünen tolerieren ließ. Seit 1989 wurden dann rot-grüne Koalitionen mit den Regierungsbildungen in Berlin, Niedersachsen und Hessen häufiger und sind mittlerweile in vielen Fällen die durch Koalitionsaussagen präferierte Option der SPD. Aktuell steht vor allem die Öffnung der SPD für Koalitionen mit der Linken zur Debatte (Spier 2010b, 2013b). Auch hier begann die Kooperation mit einer Tolerierung durch die PDS im sogenannten „Magdeburger Modell“ in Sachsen-Anhalt, später folgten Koalitionen in Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt. In Ostdeutschland gibt es mittlerweile von Seiten der SPD kaum ideologisch-programmatische Vorbehalte mehr, mit der Linken zu koalieren, vielmehr kommen Kooperationen dann nicht zustande, wenn die Linke stärker ist als die SPD und den Anspruch auf den Ministerpräsidenten erhebt – so geschehen in Thüringen 2009 und Sachsen-Anhalt 2011. Interessanterweise scheint die Sozialdemokratie im Westen der Republik, wo zumindest eine SEDVergangenheit der Akteure nicht vorhanden ist, deutlich größere Problem zu haben, mit der Linken zu kooperieren. 2008 scheiterte spektakulär der Versuch der SPD-Kandidatin Andrea Ypsilanti, sich entgegen eines Wahlversprechens mit Stimmen der Linken zur Ministerpräsidentin wählen zu lassen (Spier 2010b: 43ff). Der Widerstand kam hier vor allem von Abgeordneten des rechten Parteiflügels der eigenen Partei. In Nordrhein-Westfalen wurde 2010 eine rot-grüne Minderheitsregierung erst dadurch möglich gemacht, dass sich die Linksfraktion bei der Wahl Hannelore Krafts der Stimme enthielt, eine förmliche Tolerierung wurde jedoch ausgeschlossen (Spier 2013a). Die unterschiedliche Behandlung in Ost und West dürfte auf die unmittelbarere Konkurrenz der SPD mit der westdeutschen Linken zurückzuführen sein, die ihre Wahlerfolge seit 2005 zu großen Teilen durch Verluste der SPD erringen konnte (Decker 2009: 20f). Hinzu kommt, dass die westdeutschen Landesverbände programmatisch radikaler auftreten und – wie etwa mit Lafontaine im Saarland – Personen in Spitzenpositionen haben, die vor wenigen Jahren im Streit die SPD verlassen haben.

Was bleibt? Ist die Entwicklung der SPD eine Erfolgsgeschichte oder ein Niedergang? Beginnt links der Mitte des deutschen Parteiensystems die Erosion und Zerfaserung, da die SPD, die bis in die 1980er Jahre den Raum für sich besetzte, den Platz nun mit Grünen, der Linken und den Piraten teilen muss? Oder konsolidiert sich die SPD, die in den Großstädten die Stadtspitzen zurückeroberte und im Bundesrat über die Landesregierungen der Bundesregierung das Leben und Überleben schwer machen kann? Ist das „Sozialdemokratische Jahrhundert“, das Ralf Dahrendorf schon 1983 dem Ende nahe sah, endgültig Vergangenheit – nicht zuletzt, weil sich andere Parteien sozialdemokratisiert haben? Wir wissen es im Frühjahr 2013 bei Abschluss dieses Textes nicht zu entscheiden, wir wissen nur, dass auch die sozialdemokratische Zukunft offen ist.

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