Die Schweiz im internationalen Konjunktursturm

Eidgenössisches Volkswirtschaftsdepartement EVD Staatssekretariat für Wirtschaft SECO Referat Die Schweiz im internationalen Konjunktursturm Jean-D...
Author: Astrid Schulz
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Eidgenössisches Volkswirtschaftsdepartement EVD Staatssekretariat für Wirtschaft SECO

Referat

Die Schweiz im internationalen Konjunktursturm

Jean-Daniel Gerber Staatssekretär und Direktor SECO1

Generalversammlung der Handelskammer beider Basel Basel, 19. Mai 2009

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Dieses Referat wurde in Zusammenarbeit mit Frank Schmidbauer, Direktion für Wirtschaftspolitik, SECO, erarbeitet.

Sehr geehrter Herr Präsident, verehrte Gäste, meine geschätzten Damen und Herren 1. Begrüssung Für Ihre Einladung zur Teilnahme an der heutigen Generalversammlung der Handelskammer beider Basel bedanke ich mich. Die Ziele des SECO und der Handelskammer decken sich: Auch Sie wollen einen international wettbewerbsfähigen Wirtschaftsstandort, einheitliche Rahmenbedingungen und eine nachhaltige Entwicklung. Im Moment kämpfen wir beide unter erschwerten Bedingungen dafür, gegen die Stürme der internationalen Konjunktur. Nach einer sehr erfreulichen Wachstumsperformance in den vergangenen Jahren ist die Schweizer Wirtschaft seit letztem Herbst voll in den Sog der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise geraten. Wie wir diese bewältigen und was die Wirtschaftspolitik zur Linderung beitragen kann, ist der Schwerpunkt meines heutigen Vortrags. Zu Beginn werde ich Ihnen die aktuellen Wirtschaftsperspektiven erläutern. Anschliessend gebe ich einen Überblick über die Massnahmen der schweizerischen Wirtschaftspolitik zur Bekämpfung der Rezession. Im Nachgang von Finanzkrisen kommt es erfahrungsgemäss nicht selten zu einer Einschränkung der Kreditvergabe seitens der Banken, wodurch die konjunkturelle Erholung verzögert oder sogar gefährdet wird. Auf die wichtige Frage, wie es derzeit um das Risiko einer Kreditklemme bestellt ist und was allenfalls dagegen getan werden kann, werde ich daher zum Abschluss gesondert eingehen.

2. Das weltwirtschaftliche Umfeld Die Weltwirtschaft erlebt gegenwärtig eine konjunkturelle Talfahrt von historischer Dimension. Die Turbulenzen an den internationalen Finanzmärkten, die vor zwei Jahren am USSubprime-Hypothekenmarkt ihren Anfang genommen hatten, entwickelten sich in der Folge zur grössten und komplexesten Finanzkrise seit den 30er Jahren. Seit letztem Herbst schlägt die Krise mit voller Wucht auf die globale Realwirtschaft durch. Binnen weniger Wochen mündete die zuvor moderate – und angesichts des vorangegangenen mehrjährigen und kräftigen Aufschwungs durchaus erwünschte – Abkühlung in einen rasanten Konjunktureinbruch. Erstmals seit Jahrzehnten befinden sich seit dem 4. Quartal 2008 alle grossen Wirtschaftsräume (Nordamerika, Europa, Asien) zugleich in einer starken Rezession. Die lange Zeit bemerkenswert robusten und wachstumsstarken Schwellen- und Entwicklungsländer sind ebenfalls in einen ausgeprägten Abschwung geraten. Der Nachfragerückgang aus den Industrieländern sowie vermehrte Finanzmarktprobleme (gestiegene Risikoprämien und teilweise unter Druck geratene Währungen) bremsen die konjunkturelle Gangart vieler Schwellenländer spürbar. Bereits heute lässt sich sagen, dass das Jahr 2009 für die Weltwirtschaft das schlechteste Wirtschaftsjahr seit dem Zweiten Weltkrieg werden wird. In vielen Ländern wird die Wirtschaftsleistung 2009 massiv (um mehrere Prozent) schrumpfen. Viele Institute (u.a. der IWF

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und die OECD) haben ihre Konjunkturprognosen für 2009 und 2010 in den letzten Wochen noch weiter gesenkt. Immerhin zeigten sich bei den Konjunkturindikatoren in den letzten Wochen erste Anzeichen von Frühling. Sowohl in Amerika als auch in Europa beurteilen die Unternehmen die wirtschaftlichen Perspektiven für die kommenden Monate nicht mehr ganz so pessimistisch. Bis zu einer Erholung ist es aber noch ein weiter Weg. Eine solche ist kaum vor Ende dieses Jahres zu erwarten und zudem davon abhängig, dass an den Finanzmärkten Ruhe einkehrt. Derzeit sind die Unsicherheiten noch sehr gross. Eine allfällige Erholung wird ausserdem kaum geradlinig verlaufen, sondern zäh vonstatten gehen. Erfahrungsgemäss verläuft die Überwindung von Rezessionen, die mit Immobilienund Bankenkrisen einhergingen, langsamer als üblich, weil die Korrektur der vorangegangenen Exzesse noch über Jahre nachwirkt. Namentlich die amerikanischen Privathaushalte sehen sich mit einer wachsenden Arbeitsplatzunsicherheit und einem erhöhten Sparbedarf konfrontiert und fallen deshalb als wichtige Abnehmer der weltwirtschaftlichen Produktion zu weiten Teilen aus. Und einen Ersatz für den US Konsumenten gibt es kurzfristig nicht.

3. Konjunkturelle Lage und Aussichten in der Schweiz Die Schweiz als international ausgerichtete Volkswirtschaft, die mehr als 44% ihres Einkommens im Ausland verdient, kann sich dem garstigen weltwirtschaftlichen Umfeld natürlich nicht entziehen. Nachdem unsere Wirtschaft in den Jahren 2004 bis 2007, beflügelt vom weltweiten Aufschwung und von den durchgeführten Reformen wie Personenfreizügigkeit, Binnenmarktgesetz, Kartellgesetz etc., die längste und stärkste Wachstumsperiode (mit durchschnittlich fast 3% BIP-Wachstum pro Jahr) seit Anfang der achtziger Jahre verzeichnen konnte, spüren wir nun die unvermeidliche Kehrseite: Trotz gesunder binnenwirtschaftlicher Ausgangslage ist auch die Schweiz zum Jahresende 2008 hin in eine importierte Rezession geraten, die sich seit Anfang Jahr noch weiter verstärkt hat. Erwartungsgemäss sind die international ausgerichteten Wirtschaftssektoren besonders betroffen. Der verstärkte Konjunkturabschwung auf sämtlichen Weltmärkten hinterlässt tiefe Bremsspuren im Aussenhandel. So erlitten die Warenexporte im 4. Quartal 2008 und im 1. Quartal 2009 die stärksten Einbrüche seit 1980, wobei die negativen Resultate praktisch alle Branchen und Absatzregionen betreffen. Die internationale Finanzkrise trifft die Schweizer Wirtschaft ausserdem nicht nur über den traditionellen Aussenhandelskanal, sondern zusätzlich auch durch negative Effekte auf die Wertschöpfung des Finanzsektors, dessen Bedeutung im internationalen Vergleich überdurchschnittlich gross ist. Neben der Exportindustrie und dem Finanzsektor leiden in zunehmendem Masse aber auch inlandorientierte Industriefirmen – etwa in ihrer Rolle als Zulieferer – unter nachlassender Nachfrage. Demgegenüber konnten sich andere inlandorientierte Branchen wie der Detailhandel und die Bauwirtschaft dank einer noch robusten Binnenkonjunktur – namentlich des privaten Konsums – bislang besser behaupten, wenngleich auch hier die Tendenz langsam aber sicher nach unten zeigt. Es wäre auch blauäugig, darauf zu hoffen, dass sich die Binnenwirtschaft dauerhaft dem Exportrückgang entziehen könnte. So schlägt die Konjunkturschwäche zusehends auf die bis Mitte 2008 noch sehr gute Arbeitsmarktsituation durch, was den privaten Konsum belastet. Die Arbeitslosigkeit nimmt seit letztem Herbst in beschleunigtem Tempo zu. Im März betrug

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der Anstieg saisonbereinigt zum Vormonat fast 7‘000 Personen, so stark wie zuletzt 1992, im April waren es 5‘570. Die Konjunkturperspektiven für das laufende Jahr sind zweifellos düster, wobei die Tiefe und die Dauer der Rezession noch sehr unsicher sind. Unsere aktuelle Prognose (datierend vom 17. März) rechnet für 2009 mit einem Rückgang der Wirtschaftsleistung um 2,2%, dem stärksten Einbruch seit 1975. Unter der Voraussetzung einer allmählichen Stabilisierung an den internationalen Finanzmärkten und der Weltkonjunktur sollte auch die Konjunktur in der Schweiz im späteren Jahresverlauf die Talsohle durchschreiten und sich langsam stabilisieren. Für 2010 rechnen wir beim BIP-Wachstum mit einer schwarzen Null (+0,1%). Derzeit sind die Risiken nach unten (d.h. einer noch stärkeren und womöglich längeren Rezession auch in der Schweiz) sicher grösser als Überraschungen nach oben. Auf jeden Fall müssen wir uns noch für längere Zeit auf einen weiteren deutlichen Anstieg der Arbeitslosigkeit gefasst machen, die im kommenden Jahr die Marke von 5% übersteigen dürfte.

4. Wirtschaftspolitische Massnahmen zur Konjunkturstabilisierung Mit der raschen Verschlechterung der weltwirtschaftlichen Lage seit Herbst 2008 ist die Konjunkturstabilisierung schlagartig zum zentralen Thema der wirtschaftspolitischen Diskussion geworden. Weltweit wurden in ungewöhnlichem Tempo milliardenschwere Pakete von Massnahmen geschnürt, um die einbrechende Konjunktur zu stützen. Auch in der Schweiz haben sowohl die Geld- als auch die Finanzpolitik flexibel und umfassend auf die Krise reagiert. 4.1 Grundsätzliches Vorgehen Der Bundesrat hat seit der Verschärfung des Konjunkturabschwunges ein stufenweises stabilisierungspolitisches Vorgehen gewählt und dafür Lob, aber auch Kritik erhalten. Lassen Sie mich die Gründe für dieses Vorgehen erläutern: Die Unsicherheit über Verlauf und Dauer der Krise ist immer noch ungewöhnlich hoch. Es handelt sich nicht um einen «normalen» Konjunkturabschwung nach einer wirtschaftlichen Boomphase, sondern um einen weltwirtschaftlichen Einbruch, der durch das Platzen einer aussergewöhnlichen Kredit- und Immobilienblase ausgelöst wurde. Damit wird der Konjunkturabschwung überlagert durch einen strukturellen Anpassungsbedarf im Finanzsektor (das sogenannte «deleveraging», also die Entschuldung). Wie rasch und wie tief dieser Anpassungsprozess verlaufen wird und wie stark die im Binnenmarkt kaum unter solchen Problemen leidende Schweiz davon betroffen sein wird, ist nicht abzuschätzen. Diese Unsicherheit spricht schon grundsätzlich dafür, eine schrittweise Strategie zu verfolgen. Dazu kommt, dass auch die Dynamik des Abschwungs in der Schweiz für einen stufenweisen und gezielten Einsatz der konjunkturpolitischen Instrumente spricht. Die Schweiz war bis weit in den Sommer 2008 hinein in einer langanhaltenden konjunkturellen Schönwetterlage. Mit der Finanzkrise hatten lange Zeit «nur» die Grossbanken zu kämpfen, bei denen sich die Lage im Herbst dramatisch verschlechterte.

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Gegen Ende 2008 wurden dann die exportorientierten Sektoren vermehrt erfasst. Für den Konsum und den Bau ist bis ins zweite Quartal 2009 hinein noch wenig von einem starken Rückgang zu erkennen, auch wenn sich die Aussichten diesbezüglich verschlechtert haben. Entsprechend der Dynamik der Krise erfolgte die wirtschaftspolitische Reaktion: zunächst Massnahmen zur Stärkung des Finanzsystems und hier insbesondere das Massnahmenpaket zur Stärkung des schweizerischen Finanzsystems sowie eine zunehmend expansive Geldpolitik, die unter anderem zum Ziel hatte, den Aufwertungsdruck auf den Franken zu mildern. In der Folge zusätzliche finanzpolitische Massnahmen, die Bau und Konsum stärkten. Die ersten Massnahmen wurden bereits im letzten Oktober mit dem Hilfspaket für den Finanzsektor eingeleitet. Des weiteren hat der Bundesrat bereits im November 2008, als die Wirtschaftsdaten in der Schweiz noch mehrheitlich gut waren, die Aussichten sich aber rasch verschlechterten, ein erstes Paket von Massnahmen beschlossen, welches im Dezember vom Parlament verabschiedet wurde und auf Anfang 2009 in Kraft trat. Infolge der seit Herbst eingetretenen weiteren starken Verschlechterung der Konjunkturlage beschloss der Bundesrat im Februar 2009 eine zweite Stufe von Stabilisierungsmassnahmen, welche im März im National- und im Ständerat angenommen wurde und zum 1. April in Kraft trat. Sie sehen also, wir haben rasch reagiert, auch weil wir aus vergangenen Erfahrungen lernen mussten, dass die Programme in der Vergangenheit oftmals zu spät kamen und dann nichts mehr brachten, sondern schlimmstenfalls sogar prozyklisch wirkten. 4.2 Geldpolitik Die Schweizerische Nationalbank begann mit der Geldpolitik im Oktober 2008 auf die eintrübenden Wirtschaftsaussichten zu reagieren und senkte den Leitzins in inzwischen fünf zum Teil deutlichen Schritten von 2,75 Prozent auf 0,25 Prozent. Im Rahmen der geldpolitischen Lagebeurteilung vom 12. März 2009 beschloss die SNB zudem, die monetären Rahmenbedingungen über die konventionelle Zinspolitik hinaus noch durch zusätzliche Massnahmen kräftig zu lockern: Diese umfassen neben der Ausweitung ihrer Repo-Geschäfte auch den Erwerb von Frankenobligationen privater schweizerischer Schuldner sowie den Kauf von Devisen, um eine weitere Aufwertung des Franken gegenüber dem Euro zu verhindern. Diese Massnahmen bedeuten den Übergang zu einer Politik der quantitativen Lockerung (quantitative easing), die bezweckt, den geldpolitischen Expansionsgrad weiter zu erhöhen, wenn die konventionelle Zinspolitik (die Steuerung des Drei-Monats-Libor) nicht mehr ausreicht und an ihre Grenzen stösst. Die Geldpolitik ist wegen ihrer Auswirkungen auf die Wechselkurse von grosser Bedeutung für die Exportwirtschaft. Da die Schweizer Exporteure durch den Nachfrageeinbruch auf den weltweiten Absatzmärkten ohnehin schon massiv beeinträchtigt werden, würde eine deutliche Aufwertung des Frankens (wegen der damit verbundenen Verschlechterung der preislichen Konkurrenzfähigkeit) ihre Situation zusätzlich verschärfen. Die Devisenmarktinterventionen der SNB sollen keineswegs einen schädlichen Abwertungswettlauf in Gang setzen, sondern lediglich einer übermässigen Aufwertungstendenz des Frankens, wie sie seit letztem Oktober insbesondere gegenüber dem Euro festzustellen war, entgegenwirken. Die Massnahmen zeigten bislang durchaus die erhoffte Wirkung.

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Tatsächlich stieg der Kurs CHF/EUR am 12. März nach dem SNB-Entscheid abrupt von 1,47 auf 1,53 (entspricht einer Aufwertung des Euro resp. Abwertung des Franken) und lag Ende letzter Woche knapp über 1,50. Die Geldpolitik wird weiterhin ihren Beitrag zur Stabilisierung der Wirtschaft leisten, in dem die Schweizerische Nationalbank auch in Zukunft ihren Handlungsspielraum ausnutzen wird. 4.3. Stabilisierungsmassnahmen des Bundes Damit komme ich nun zu den konkreten konjunkturellen Stabilisierungsmassnahmen des Bundes. Ich verwende dabei bewusst den bescheidenen Begriff „Stabilisierungsmassnahmen“ und nicht Konjunkturpaket oder Konjunkturprogramm, weil solche Ausdrücke den Eindruck erwecken, als ob wir die weltwirtschaftliche Rezession einfach durch eine Konjunkturspritze kompensieren könnten. Wir können diese jedoch lediglich dämpfen, deshalb spreche ich lieber von Stabilisierungsmassnahmen. Wir legen grössten Wert darauf, dass die beschlossenen Massnahmen strengen Kriterien bezüglich Wirksamkeit genügen, damit sie nicht volkswirtschaftlich nutzlos verpuffen. Für stark aussenhandelsorientierte Volkswirtschaften wie die Schweiz kommt als Schwierigkeit noch hinzu, dass wegen der hohen internationalen Verflechtung ein guter Teil der fiskalpolitischen Impulse über Importe ins Ausland abfliesst. Zentral sind für uns die drei T’s (timely, temporary, targeted): Zusätzliche Ausgaben müssen zur rechten Zeit (timely) ihre Wirkung entfalten, um den gewünschten konjunkturstabilisierenden Effekt zu erzielen (z.B. Bauprojekte, die im zweiten Halbjahr 2009 wirksam werden). Die betreffende Massnahme muss zielgerichtet sein, d.h. die Nachfrage in Bereichen stützen, die von der Rezession besonders betroffen sind (targeted). Ganz wichtig ist schliesslich die vorübergehende Natur der Massnahmen (temporary), damit die Staatsfinanzen nicht dauerhaft aus dem Ruder laufen. Entsprechend diesen Kriterien wurden die beiden bisher ergriffenen Massnahmestufen (Phase 1 und 2) konzipiert. Hier nur eine kurze Auswahl: Ein Schwerpunkt bilden zusätzliche Ausgaben, u.a. in den Bereichen Infrastruktur (Strasse und Schiene), Forschung und Entwicklung sowie energetische Gebäudesanierung. Darüber hinaus erfolgte zum 1. Januar 2009 die vollständige Freigabe der von den Unternehmen einbezahlten steuerbegünstigten Arbeitsbeschaffungsreserven (ABR) in einem Umfang von 550 Mio. CHF für Investitionen. Ausserdem wurde die Verlängerung der Kurzarbeitsentschädigung von 12 auf 18 Monate beschlossen (befristet bis 31.03.2011). Mit einer Verlängerung soll verhindert werden, dass Unternehmen in konjunkturell schwierigen Phasen wegen befristeten Auftragsmängeln Personal abbauen. Insgesamt umfassen die beiden ersten Stufen der Stabilisierungsmassnahmen des Bundes ein Volumen von rund 2 Milliarden CHF. Dieser direkte Impuls aus den ersten beiden Stufen ist indes nur ein Teil des gesamten Konjunkturimpulses. Hinzu kommen zum einen noch die von den Kantonen gemeldeten Massnahmen. Zum andern – und das ist ganz entscheidend – spielen die sogenannten automatischen Stabilisatoren in der Schweiz eine herausragende Rolle. Hier ist vor allem die Arbeitslosenversicherung zu erwähnen, deren rezessionsbedingte Mehrausgaben Einkommen und Konsum stützen. Alle Effekte zusammengenommen, resultiert ein gesamter Impuls von über 7 Milliarden 2009 sowie über 4 Milliarden 2010, was 2,2% des Bruttoinlandprodukts entspricht. 6/9

Von der Rezession besonders betroffen ist der Exportsektor. Zusätzlich zu den sinkenden Aufträgen aus dem Ausland lauert die Gefahr des Protektionismus. Eine der besten Versicherungen dagegen sind die Freihandelsabkommen. Deshalb führt die Schweiz eine sehr aktive Verhandlungsstrategie mit zahlreichen Ländern. Abgeschlossen wurden in den letzten 12 Monaten Freihandelsabkommen mit Japan, Kanada, den Golfkooperationsstaaten, Kolumbien und Peru. Gegenwärtig laufen Verhandlungen mit der Ukraine und Indien. Wir möchten in den nächsten 12 Monaten mit Russland und China Verhandlungen aufnehmen. Noch weitergehende Massnahmen (Stufe 3) sind möglich und abhängig von der Wirtschaftsentwicklung. Sollten im Juni die Konjunkturprognosen für 2009 und 2010 nochmals substantiell nach unten revidiert werden müssen, würden wir uns in einer „schweren Rezession“ befinden. Damit käme die Ausnahmeklausel der Schuldenbremse zur Anwendung. Diese sieht bei aussergewöhnlichen und nicht steuerbaren Entwicklungen (z.B. einer schweren Rezession) vor, dass die höchstzulässigen Ausgaben um einen ausserordentlichen Zahlungsbedarf erhöht werden können. In diesem Fall würde der Bundesrat vorschlagen, den Ausgabenplafonds für die Jahre 2010 und 2011 zu erhöhen und damit die 3. Stufe auslösen. Um für diesen Fall vorbereitet zu sein, prüfen wir zurzeit Massnahmen, mit denen die Auswirkungen einer länger anhaltenden, schweren Rezession abgedämpft werden könnten. Den definitiven Entscheid über die Auslösung einer 3. Stufe wird der Bundesrat im Juni fällen. Im Gegensatz zu Stufe 1 und 2 stehen im Vordergrund Massnahmen, um den absehbaren Einbruch der disponiblen Einkommen durch eine gezielte Unterstützung des Konsums zu mildern. Sollten derartige Massnahmen ergriffen werden, würden wir darauf achten, vor allem Haushalte mit tieferen Einkommen zu begünstigen. Es wurde aus dem KMU Bereich auch die berechtigte Frage gestellt, wie und wer von den Stabilisierungspaketen eigentlich profitieren könne. Natürlich kann es nicht sein, dass wir in Bern bestimmen, Betrieb A erhält 1 Million zugesprochen, Betrieb B 500‘000. Die SECOHomepage www.seco.admin.ch enthält jedoch zu jedem Förderungsprogramm ein Factsheet mit der verantwortlichen Person, die über Stand der Dinge und Vorgehen Auskunft erteilen kann. 4.4. Massnahmen der Regionalpolitik: Kann Basel davon profitieren? Im Rahmen der zweiten Stufe wurden auch 100 Millionen Franken vorgezogen in den Fonds für Regionalentwicklung eingelegt, um zusätzliche Anreize für Infrastrukturinvestitionen in den Regionen zu schaffen. Wie generell in der Neuen Regionalpolitik spielen auch bei dieser Massnahme die Kantone eine zentrale Rolle. Sie müssen bereit sein, eine gleichwertige finanzielle Leistung zu erbringen. Auch für diese Massnahme gilt, dass sie rasch, zielgerecht und temporär sein muss. Gefördert werden können Infrastrukturvorhaben, welche bei der Mittelzuteilung im Rahmen der Programmvereinbarungen für die Periode 2008-2011 nicht berücksichtigt wurden und vorgezogen oder zusätzlich realisiert werden können (z.B. Technologiezentren). Weiter können Neuinvestitionen und Erneuerungen in Infrastrukturen unterstützt werden. Hauptsächlicher Nutzniesser muss das regionale Wertschöpfungssystem sein. Von der Förderung ausgeschlossen sind reine Basisinfrastrukturen wie Kläranlagen oder Mehrzweckhallen. Zu Basel-Stadt: Nach dem Willen der Mehrheit der Kantone wurden im Gesetz und in der Verordnung über Regionalpolitik Bestimmungen aufgenommen, die eine Reihe von Agglomerationen und städtischen Kantonen bezeichnet, die nicht oder nur nach besonderem Nachweis in den Genuss von Darlehen aus dem Fonds für Regionalentwicklung kommen können. Basel-Stadt gehört auch dazu.

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Deshalb ist es bei allfälligen Eingaben von Basel-Stadt besonders wichtig, aufzuzeigen, inwiefern die eher ländlichen Gebiete der Nachbarkantone einen Nutzen aus dem Angebot ziehen können. 5. Sicherstellung der Kreditversorgung der Wirtschaft Ein Aspekt, der in der aktuellen Rezession besondere Aufmerksamkeit verdient, ist die Gewährleistung der Kreditversorgung der Wirtschaft. Es ist aus der Vergangenheit wohlbekannt, dass die Nachwirkungen von Finanzkrisen einen wirtschaftlichen Abschwung verlängern bzw. die Erholung verzögern können. Dies gilt vor allem, wenn sich die Banken sanieren müssen und im Zuge der Bilanzbereinigung ihre Kreditvergabe an Unternehmen und private Haushalte stark zurückfahren. Eine solche Kreditklemme (Credit Crunch) bedeutet eine erhebliche Belastung für Investitionen und Konsum. Derzeit sehen sich insbesondere Länder, die in den vergangenen Jahren einen kreditfinanzierten Immobilien- und Konsumboom verzeichneten, einer deutlich restriktiveren Kreditversorgung seitens der Banken gegenüber. Demgegenüber erscheint in der Schweiz die Kreditverfügbarkeit alles in allem gut gewährleistet zu sein. Die verfügbaren Kreditstatistiken zeigen bislang keine Anzeichen für eine Kreditklemme (credit crunch), also einen generellen Stillstand des Kreditmarktes, in welchem die Banken unabhängig von Zinsveränderungen oder der Qualität der Projekte die Kreditvergabe einschränken würden. Dass einzelne Firmen über erschwerte Finanzierungskonditionen klagen, steht hierzu nicht im Widerspruch, sondern ist eine normale Begleiterscheinung eines Abschwungs. Auch wenn wir bislang keine Kreditklemme feststellen, müssen wir diesbezüglich natürlich weiterhin wachsam bleiben. Daher wurde im Rahmen der 2. Stufe der Stabilisierungsmassnahmen ein von mir geleitetes Expertenteam eingesetzt, das aus Vertretern der Kantone, der grossen Wirtschaftsverbände und der Sozialpartner besteht, um die Kreditkonditionen genau zu beobachten und zu beurteilen. Überdies bestehen in einzelnen Segmenten des Kreditmarktes durchaus Probleme und Handlungsbedarf. Dies gilt für die Exportfinanzierung, die insbesondere dadurch erschwert wird, dass Banken die gewährten Exportkredite nicht mehr so leicht und so günstig refinanzieren können. Ausserdem haben Exporteure oft Schwierigkeiten, die Banken zur Abgabe von Vertragsgarantien zu veranlassen, ohne dass sie dafür Sicherheiten hinterlegen müssen. Die eingeschränkte Verfügbarkeit von Krediten und Banksicherheiten führt zu einer Verschlechterung der Liquidität der Exporteure, was sie unter Umständen daran hindert, neue Exportgeschäfte durchführen zu können. Den wachsenden Problemen bei der Exportfinanzierung hat der Bundesrat bereits Rechnung getragen. Im Zuge der 2. Stufe der Stabilisierungsmassnahmen wurde der gesetzliche Rahmen der Schweizerischen Exportrisikoversicherung (SERV) mit Beschluss vom 11. Februar ausgeweitet. Die bis 2011 befristeten Anpassungen zielen insbesondere auf die Reduktion der Finanzierungskosten des Exporteurs und auf die Erleichterung des Zugangs zu Exportfinanzierungen ab. Der Bundesrat will damit sicherstellen, dass die schweizerische Exportwirtschaft in einem sich verschärfenden Standortwettbewerb gegenüber der ausländischen Konkurrenz nicht benachteiligt ist. Ein ernstes Problemfeld stellen darüber hinaus die Refinanzierungsschwierigkeiten auf dem Interbankenmarkt dar. Seit dem Ausbruch der Finanzkrise im August 2007 und verstärkt seit dem Zusammenbruch von Lehman Brothers im September 2008 ist die mittel- und längerfristige Refinanzierung für die Banken weltweit schwierig geworden. In der Schweiz leiden primär die Grossbanken unter dieser Situation, da sie sich stark über den Interbanken- und den Finanzmarkt refinanzieren. Die UBS hat zudem einen markanten Abfluss von Kundengeldern erlebt. Spiegelbildlich verzeichneten die Kantonal- und Regionalbanken enorme 8/9

Zuflüsse an Kundengeldern. Diese sind daher gefordert, Kreditbegehren natürlich weiterhin seriös, aber wohlwollend zu prüfen, damit die Kreditversorgung der Wirtschaft, insbesondere der KMU, gewährleistet bleibt. Es wäre jedoch unrealistisch, darauf zu hoffen, dass die kleineren Banken die Grossbanken bei der Finanzierung vollumfänglich ersetzen könnten. In vielen Bereichen, wie Geschäftshypotheken, Firmenkrediten und Exportfinanzierung sind die Grossbanken sehr bedeutende Akteure. Deshalb gilt es zu verhindern, dass die Grossbanken wegen Refinanzierungsproblemen ihre Kreditvergabeaktivitäten über Gebühr einschränken müssten. Zentral ist, dass die überschüssigen Gelder von den Kantonal- und Regionalbanken den Weg zu den Grossbanken finden. SNB und Finanzmarktaufsicht (Finma) haben in den vergangenen Monaten eine Lösung dieses Refinanzierungs-Ungleichgewichts angestossen, welche im Kern auf dem verstärkten Einsatz des Instruments der Schweizer Pfandbriefe beruht. Schweizer Pfandbriefe sind aufgrund ihrer Eigenschaften als marktfähige Wertpapiere bester Bonität sehr geeignet, um die Liquiditätsverspannungen am Schweizer Interbankenmarkt zu lockern. Die Grossbanken erhalten von der Pfandbriefbank gegen Hypothekenverpfändung ein Darlehen. Die Pfandbriefbank wiederum emittiert Pfandbrief-Anleihen, die von jenen Banken – Kantonalbanken, Raiffeisen, Postfinance – gezeichnet werden, denen in den letzten Monaten grosse Mengen an Kundengeldern zugeflossen sind. Nach diesem Schema kam es – unter Vermittlung der SNB und der Finanzmarktaufsicht (Finma) – Ende 2008 zu einer ersten Transaktion für den Refinanzierungsausgleich zugunsten der UBS von rund 2 Milliarden CHF unter Einbindung der Pfandbriefbank. Im März 2009 wurde eine zweite grosse Pfandbrief-Transaktion vollzogen, über die insgesamt 4,75 Milliarden CHF an die Credit Suisse und an die UBS flossen. Das Instrument des Pfandbriefs sowie die Pfandbriefbank als ausführendes Organ leisten somit derzeit einen wichtigen Beitrag zur Gewährleistung der Kreditversorgung in der Schweiz. 6. Schlussbemerkungen Sie sehen, die wirtschaftspolitischen Institutionen in der Schweiz arbeiten mit Hochdruck daran, die Auswirkungen der weltweiten Finanzkrise auf die Schweizer Wirtschaft so gut wie möglich abzumildern. Zugleich möchte ich aber betonen, dass wir neben den notwendigen Massnahmen zur kurzfristigen Konjunkturstabilisierung auch die langfristige Wachstumspolitik, sprich die fortlaufende Verbesserung der Rahmenbedingungen für die Schweizer Wirtschaft, nicht aus den Augen verlieren werden. Letzteres wird nämlich entscheiden, wie sehr wir vom nächsten Aufschwung, der nach jeder Krise kommt, profitieren können. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

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