DIE SCHMtCKIM* DER HELENA. BERLINER WINCKELMANNSFEST

DIE SCHMtCKIM* DER HELENA. VIERTES PROGRAMM ZUM BERLINER WINCKELMANNSFEST VON EDUARD GERHARD. NEBST EINER ABBILDUNG. BERLIN, GEDRUCKT BEI DEN G...
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DIE SCHMtCKIM* DER HELENA.

VIERTES PROGRAMM ZUM

BERLINER WINCKELMANNSFEST VON

EDUARD

GERHARD.

NEBST EINER ABBILDUNG.

BERLIN, GEDRUCKT BEI DEN GEBR. UNGER

1844.

DIE SCHMÜCKUNG DER HELENA. H e l e n a , unter den Frauengestalten des Alterthums die von Künstlern und Dichtern gefeiertste, war oftmals (*) vermählt: mit Menelaos und Paris, mit T h e seus ( 2 ) und mit Deiphobos ( 3 ), nach ihrem T o d e sogar mit Achill auf der S e ligen Eiland, das man am Ausfluss des Istros zu L e u k e erkannte ( 4 ). D i e mythologische Erudition fügt diesen verschiedenen Gatten der Helena noch eine zahlreiche Liste ihrer Freier hinzu ohne mit Euripides und den römischen Dichtern Helena's guten Ruf auf's Spiel zu setzen; der Forschung genügt es, aus Namen und Schönheit, Webstuhl und Zauberkünsten, Sagen und Kultusspuren in Helena eine Mondgöttin nachzuweisen ( 6 ), deren sämmtliche Männer und Buhlen wol gar für eben so viele ursprüngliche Lichtheroen griechischer Götterdienste gehalten werden ( 7 ). Anders die Dichter und Künstler, die mit Helena's Schönheit ein reizendes Spiel zu treiben und, wo es deren B e g e g nissen galt, für einen oder den andern ihrer Gatten Partei zu ergreifen lieb(1) Drei- oder fünfmal, als τρίάνωο oder πενταλέκτωρ', Lycophr. 851. 143. (2) Theseus: Plutarch. Thes. 31. Paus. II, 32, 7. Von Helena Iphigenia's Vater, nach Stesichoros und Andern (Paus. II, 22, 7. Tzetz. Lycophr. 143. 851), oder des Euphorion (Ptol. Heph. 4). (3) Deiphobos: Jacobi mythol. Wörterbuch S. 228 f. (4) Achilles: Paus. III, 19, 11. 24, 7. Schol. Eurip. Andr. 228. Köhler: Sur les lies de la course d'Achille (Mem. de l'Acad. de St. Petersbourg. X) p. 531 ff. Nebenher, schon in den Kyprien (Tzetz. Bekker ρ. IX), ging die Sage einer früheren Vereinigung beider durch Aphrodite und Thetis, worauf man sogar ein Fragment (ίν τφ ιά Anm. 21. Henrichsen ρ. 66) zu deuten versuchte. (5) Helena's Freier: Paus. III, 20, 9. Inschriftspiegel bei Inghir. Gall. Omer. II, 141. Vgl. meine Abh. Ueber die Metallspiegel (Berl. Akad. 1836) Anm. 117. (6) Helena eine Mondgöttin wie Artemis (Horn. Od. IV, 122 Expl. Pind. p. 164), Selene und Hekate laut Namen (Weicker Kret. Kol. S. 13), Schönheit (vgl. Kallisto, Artemis ά κ«λά: Müller Dor. I, 372), Webstuhl (Horn. Od. IV, 131 cf. 122), Zauber (Herod. II, 113), Entführungssagen (Uschold Troj. Krieg S. 145 ff.) und Kultusspuren (Therapnä: Isoer. Helen. 27). Vgl. Creuzer Symb. II, 150 ff. (7) Uschold Vorhalle I, 558 ff. Wogegen beschränkend Creuzer Griech. Thongefässe S. 17 f

teil. Leser der Odyssee und des theokritischen Brautgesangs ( 8 ) mögen H e Iena's Anmuth am liebsten zur Seite des Menelaos sich denken; in der Ilias erscheint sie als troische Fürstin uns liebenswürdig ( 9 ). S o auch die Kunstdenkmäler, denen Helena ein vorzüglich willkommener Gegenstand war( 1 0 ). Ergiebig an Darstellungen ihrer Person und Sage sind theils die W e r k e der Malerei, die hauptsächlich auf Gefässen weiblicher Bestimmung Helena's Bild uns vorführen (**), theils und hauptsächlich die metallenen Spiegel etruskischer Kunst ( 1 2 ), die für Frauenhände bestimmt in der Schönsten der Frauen und Schwester der Dioskuren ( 13 ) eine ihrer häufigsten Verzierungen fanden. Mehr denn ein Hundert auf Helena bezügliche Zeichnungen würde aus dieser bilderreichen Klasse von Kunstdenkmälern ohne Schwierigkeit sich nachweisen lassen; weder die letzte im Reich der Seligen spielende Periode von Helen a s Sagenkreis ( 14 ), noch vollends das vielbesungene Verhältniss mit Menelaos und Paris ist dabei unbetheiligt geblieben. Dieselbe Götterhuld, durch welche Menelaos beglückt erscheint, zeigt ein andermal in ganz ähnlicher W e i s e , beidemal unter besonderem Beistand der Liebesgöttin, dem Paris sich zugew a n d t ^ 0 ) ; dass aber dieses letzteren Vermählung mit Helena ein entschiedenes (Jebergewicht bei den Bildnern erhielt, mag ausser dem Reiz der Verführung, die Paris übte, hauptsächlich durch das kyprische Gedicht veranlasst worden sein, welches, der Sage nach von Homer selbst verfasst, im epischen Kyklos eine so ansehnliche Stelle einnimmt (1G).

(8) Horn. Od. IV, 121 ff. Theoer. XVIII, welches Gedicht laut den Scholien aus Stesichoros schöpfte, der auch den Brautzug besang (Stesich. fragm. 46. Athen. III, 81 D.). Vgl. Kleine Stesich. p. 88. (9) Horn. II. III, 121 ff. VI, 323 ff. (10) Müller Archäol. 415. (11) Gerhard Rapporto volc. pag. 153 f. Vgl. Creuzer Griech. Thong. S. 22 ff. (12) .Gerhard Abh. über die Metallspiegel (Berl. Akad. 1836) S. 23 ff. (13) Häufige Darstellung der Dioskuren: Etrusk. Spiegel Taf. XLV—LIV. (14) Helena im Reiche der Seligen ist Gegenstand des grossen Durandschen Inschriftspiegels (Mon. d. Inst. II, 6. De Witte Cab. Dur. no. 1972), dessen Obertheil den Herkules im Olymp zeigt. Auf die Vermählung mit Achill, der nicht vorhanden ist, scheint Memnon's leidenschaftliche Bewegung hinzudeuten, (15) Zu vergleichen zwei einander ähnliche Spiegel, der eine (Inghir. Mon. etc. II, 47) mit Μ etile, Turan, Elina; der andre (Cab. Dur. 1968) mit Elina, Turan, Elsntre. (16) Homer's Hochzeitsgabe (Ael. V. Η. IX, 15), durch Proklos näher bekannt (Bekker Tzetz. p.



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Zwei Momente des Paris- und Helenamythos, die in den Kyprien ausführlich behandelt waren, liegen zwei Kunstdarstellungen vorzüglichen Ansehens zu Grunde. Erstens die Zusammenführung Helenas mit ihrem Buhlen durch Aphrodite im Hause des eben nach Kreta geschifften Menelaos ( 17 ); dann nach glücklich vollführter Flucht die förmliche Vermählung Helena's mit Paris zu Troja ( 18 ). Den ersten dieser Momente stellt unter oberstem Schutze der Ueberredungsgöttin Peitho ein mehrfach wiederholtes Relief griechischer Kunst ( 19 ) und im Einklang damit auch die Aldobrandinische Hochzeit ( 20 ) dar. D i e Reihe griechischer Hochzeitsgebräuche, in welcher der Moment vollständiger Zueignung der Braut an den Bräutigam durch die Brautmutter alle andre Feierlichkeit beschliesst, ward durch jenen Gewaltstreich Aphroditens verkürzt, von Seiten der Dichtung aber durch Annahme einer mit asiatischer Pracht zu Troja gefeierten Hochzeit vollständig ausgeglichen. Hier mochte denn obenan eine bräutliche Schmückung besungen werden , welche, durch Aphroditens und anderer Göttinnen( 2 1 ) Pflege vollführt, die Schönheit der spartanischen Helena überbot, indem sie die neue Vermählung derselben mit göttlichem Reiz ausstattete. Freudig ergriff auch die bildende Kunst einen so wohlgefälligen Gegenstand. An Belegen dafür sind die auf uns gekommenen Kunstdenkmäler keineswegs arm. Dass manches dahin gehörige Kunstwerk bisher VII.). Vgl. Henrichsen De carm. Cypriis. Havn. 1828. Müller De cyclo epico. Havn. 1829. Welcker Zeitschr. f. Alterth. 1834. no. 3 - 6 . 15. 16. Epischer Cyclus S. 300 ff. Engel Kypros I, 609 ff. (17) Proklos: ίν τούτω δε 'Αφροδίτη συνάγει την Ελενην τφ Αλε'ξάνδρω, κκϊ μετά την μίξιν τά πλείστα κτήματα ϊνΟέμενοι νυκτός άηοπλέουσι.... καϊ άποπλεΰσας (ό Αλέξανδρος)... (18) Proklos ebd.: κα\ άηοηλεΰσας είς "ίλιον γάμους της 'Ελένης ίπετέλεσεν. (19) Miliin Gall. 173, 540: Αφροδίτη, Ελένη, Πι&ω, Αλέξανδρος. Vgl. Neapels Bildw. S. 69 ff. Eine antike Replik bei Guattani Mon. 1785 p. XLI und im Marmorgefäss bei Miliin Gall. 159, 541. (20) Beschreibung von Rom II, 2. S. 13. (21) Chariten mit den Hören und dann wieder mit Nymphen werden in den zwei schönen Fragmenten genannt, die aus dem ersten Buche der Kyprien bei Athenaeus XV, 30 stehen. Im elften Buch (ίν τφ ιά, wie irrig geschrieben ist. Vgl. Anm. 4) war kein Platz für sie; im ersten (tv τ φ Heyne's Berichtigung) konnte die dort beschriebene Schmücknng auf Aphroditens Vorstellung vor Paris, allenfalls auch auf Helena's erste Erscheinung vor diesem, gehen. Jenes ist die von Heyne gebilligte und auch von Welcker (Zeitschr. f. Alt. S. 37) unterstützte Ansicht, die jedoch nur mit der ihm selbst missfälligen Emendation χαλλί(}ρου· δΐ 'Αφροδίτη zu erlangen ist. Ich bleibe bei ola — εστο (Vgl. Anm. 29), und deute beide Fragmente auf die Schmükkung zum troischen Beilager Helena's, der Aphrodite ihr eigenstes Gewand immerhin leihen durfte; selbst der Gesang auf dem Ida ist, etwa als Vorspiel zum Epithalamios, damit nicht unvereinbar.

anders gedeutet, da&s Helena ( 22 ) mit Aphroditen, der Zeitpunkt der in Troja vollzogenen Vermählung mit den Einschiffubgsscenen nach Troja's Zerstörung^ 2 3 ) verwechselt ward, darf uns an der Anerkennung eines poetisch so wohl begründeten Gegenstandes nicht hindern, dessen im Alterthum vermuthlich berühmte Kunstdarstellung theils in Vasenbildern theils auch in sechs noch erhaltenen etruskischen Spiegeln sich findet und in dem schönsten derselben uns vorliegt (24). Im Vordergrund einer von zwei ionischen Säulen gestützten Halle, über deren seltsam verziertes Gebälk ( 25 ) ein bacchischer Dämon herabschaut, ist eine Frauenscene dargestellt, in deren unterstem F e l d ein geflügelter Knabe, dem Liebesgott ähnlich, mit einem blattförmigen F ä c h e r ( 26 ) tändelt. Auf einem von zierlichen Füssen gestützten, mit leuchtenden Nägeln beschlagenen (2