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Die Sanierung des Schlosses Wiesenburg - Eine Herausforderung an die Vielseitigkeit der Tragwerksplanung Dipl.-Ing. Axel Seemann
Kurze Geschichte Das Schloss Wiesenburg liegt südlich des Ortskernes
von
Wiesenburg
auf
einer
Anhöhe und wurde auf einer aus dem 12./13.
Jh.
erschaffenen
Burganlage
errichtet. Die aus Bergfried, Torhaus und Resten der später übermauerten Burg bestehende Anlage ist 1547 abgebrannt. Bereits 1555 wurde unter Friedrich III. und Benno Friedrich Brandt von Lindau mit dem Aufbau eines Renaissance schlosses begonnen, der 1610, also kurz vor dem Beginn
des
Dreißigjährigen
Krieges, Bild 1:
abgeschlossen worden ist. Nach
einem
relativ
kurzen Zeitraum
erfolgte
Ansicht des Schlosses vom Park
1636
eine
erneute
Zerstörung.
Erst
nach
ca. 100 Jahren erfolgte um 1730/40 eine Instandsetzung im Zusammenhang mit größeren Umbaumaßnahmen. Die das heutige Bild der Anlage prägenden Umbauten erfolgten 1864-66 für den damaligen Besitzer Curt Friedrich v. Watzdorf. Im Zusammenhang mit den weit reichenden Veränderungen am Schloss erfolgte die Anlage des ausgedehnten Schlossparks. Nach dem Ende des 2. Weltkrieges wurde das Schloss als Schule benutzt und stand seit Beginn der 90-iger Jahre leer. Mit dem Erwerb des Schlosses durch den neuen Eigentümer wurde eine umfassende Instandsetzung und Modernisierung des Schlosses geplant und in den Jahren 19992003 umgesetzt. Ziel
dieser
umfangreichen
Maßnahmen
war
die
Schaffung
eines
multifunktionalen und
repräsentativen Objektes mit Wohn-, Büro und Galeriebereichen. Das Büro ibs erhielt Ende 1998 den Auftrag die Sanierungsarbeiten als Tragwerksplaner zu begleiten. Schnell war erkennbar, dass es sich dabei um eine außergewöhnlich anspruchsvolle aber auch reizvolle Aufgabe handelte. Obwohl im Rahmen einer ersten Begehung mit dem Bauherren, den Architekten und den bereits eingebundenen Fachingenieuren für Heizung, Lüftung und Sanitär die verschiedenen Anforderungen abgestimmt wurden, ergab sich der volle Umfang der erforderlichen Leistungen, die sich über die Planung von Fahrstuhlschächten aus Stahlbeton bis hin zu Stützkonstruktionen für verzogene Schornsteine reichten, erst im Laufe der Baumaßnahmen. _________________________________________________ _____________________________________________ Dipl.-Ing. Axel Seemann - Ingenieurbüro für Baustatik und Sanierungsplanung - 15366 Dahlwitz-Hoppegarten
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Herangehensweise/Grundlagen Wird man von einer derart komplexen Aufgabe wie die Komplettsanierung einer Schlossanlage gestellt, stellt sich zunächst die Frage der Gliederung. Für das Schloss Wiesenburg lag eine Teilung der Anlage in 4 Flügel (Nord-, West-, Süd-, und Ostflügel) und das Torhaus nahe. In einem zweiten Schritt erfolgte für jeden Flügel eine Erfassung und Bewertung der vorhanden statischen Systeme. Das zu diesem Zeitpunkt noch keine vollständigen
Bestandsunterlagen
vorhanden waren,
erwies sich dabei nicht als Nachteil. Durch die
Bild 2:
schematische Darstellung der Schlossanlage mit Bauabschnitten
Hinzuziehung des Statikers zu den Freilegungsarbeiten und bei der Öffnung von Verkleidungen, bei der zielgerichtet auf die Beantwortung konstruktiver Fragen Einfluss genommen wurde, konnte vielmehr durch die parallele Bearbeitung der maßlichen und konstruktiven Bestandserfassung eine deutliche Verbesserung der Ergebnisse erzielt werden. Im Rahmen der konstruktiven Bestandserfassung wurden die Nachweise flügelweise für folgende Bauteile geführt: Ø
Dachkonstruktion
Ø
Decken des Erd - und Obergeschosses
Ø
Nachweis der nachträglichen Stahleinbauten
Ø
Bewertung des Zustandes der Kellergew ölbe
Ø
Nachweis der Außenwände
Im Ergebnis dieser ca. ein halbes Jahr dauernden Untersuchungen konnten erste wichtige Erkennt nisse zum Zustand der tragenden Bauteile des Bestandes dargestellt werden, aus denen sich dann Rückschlüsse auf den Umfang der zu planenden Maßnahmen ableiten ließen. Diese waren z. B.: Ø
Das statische System der Dachkonstruktion wurde mehrfach verändert und muss auf ein klares System zurückgeführt werden.
Ø
Die Deckenbalken der Geschosse weisen mit einem Querschnitt von ca. 28/28 eine ausreichende Tragfähigkeit auf. Das Problem besteht aber in einem großen Zerstörungsgrad des Auflagers durch holzzerstörende Schadorganismen, insbesondere den Echten Hausschwamm.
Ø
Die Gründung des Nordflügels muss als nicht ausreichend eingestuft werden und muss daher verbessert werden.
Ø
Infolge starker Rissbildungen müssen Teile der ca. 2,5 m breiten Fensteröffnungen neu aufgemauert werden.
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Ø
Die im Zusammenhang mit der Nutzung als Schule eingebauten Stahlträger im West- und Südflügel sind größtenteils tragfähig und blieben erhalten. Die gemauerten Auflager de r Stahlträger hingegen wurden neu aufgemauert, da sie die Auflagerkräfte nicht aufnehmen konnten.
Ø
Die Dachkonstruktion des Südflügels ist infolge der Schäden durch den Echten Hausschwamm, durch frühere Veränderungen und vor allem durch unfachgerechte Eingriffe zu Beginn der 90iger Jahre nicht mehr mit vertretbaren Aufwendungen sanierbar (selbst die Denkmalpflege stimmte der Erneuerung im Teilabschnitt zu).
M it der gedanklichen Gliederung des Objektes in Teiltragwerke konnte zielgerichteter auf die sich aus den geplanten Veränderungen ergebenen Konsequenzen eingegangen werden bzw. konnte der Bauherr besser zu konstruktiven Alternativen beraten werden. Stellvertretend für die vielen Abstimmungen zwischen Objektplanung und Tragwerksplanung seien angeführt: Ø
Ausbau der Stahlbetonbalken im Obergeschoss des Südflügels im Zusammenhang mit der Einrichtung eines Gartensaales;
Ø
bewusste Einbeziehung der Fachwerkwände des Westflügels für die Lastabtragung durch Ausbildung bzw. Aktivierung der Hängewerke; Aufarbeitung der Sichtfachwerke.
Die Vielseitigkeit der Tragwerksplanung bei der Sanierung des Schlosses soll im Folgenden anhand von drei Problemfeldern und deren Lösungen dargelegt werden.
Beispiel 1
Hängewerk Nordflügel
Problemlage : Im Zusammenhang mit dem bereits erwähnten Umbau zur Schule in den Nachkriegsjahren wurden zur Schaffung eines großen Raumes im Erdgeschoss des Nordflügels zwei große Stahlträger (1x 2U300 verschweißt und 1 x 1NP450) mit einer Spannweite von 8,60 m eingebaut. Die statische Nachrechnung der beiden Träger zeigte, dass die zusammengeschweißten UTräger nicht ausreichend tragfähig sind.
Lösung : Die Analyse der im darüber liegenden Geschoss vorhandenen Wände ergab, dass es sich bei diesen nicht um einfache Fachwerkwände, sondern
um
Hängew e rke
ver-
handelt,
die
im
Rahmen
der
_________________________________________________ _____________________________________________ Bild 3: „mutiges Abrissunternehmen“ Dipl.-Ing. Axel Seemann - Ingenieurbüro für Baustatik und Sanierungsplanung - 15366 Dahlwitz-Hoppegarten
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gangenen Umbaumaßnahmen allerdings stark verändert worden sind und zusätzlich in den Fußpunkten Zerstörungen durch biotische Schädlinge aufwiesen. Der Lösungsansatz bestand nun darin, die Hängewerke wieder zu aktivieren, um somit die Stahlträger im darunter liegenden Geschoss zu entlasten. Eine Umsetzung wurde durch folgende Maßnahmen erreicht: 1.
Freilegung der Fachwerkwände und Ausbau der unfachgerecht eingebauten Hölzer,
2.
Kappung der durch Destruktionsfäule geschädigten Strebenfußpunkte
und
Sanierung
mittels
stehender
Blattver-
bindungen; Ergänzung fehlender Holzteile.
3.
Die durch den nachträglichen Einbau von Riegeln über 50% geschwächten
Hängesäulen
mussten
verstärkt
werden.
Dazu wurde ein Passstück eingearbeitet und mit einer Stahllasche zur Aufnahme der Zugkräfte überbrückt.
4.
Oberflächenbehandlung der in Zukunft sichtbaren Holzober flächen.
Bild 4: zugfest sanierte Hängesäule
Entsprechend dem Raumprogramm des Architekten erhielt nur ein Teil der Konstruktion wieder Ausfachungen. Andere Teile wurden in die Räume als frei sichtbare Fachwerke ohne Ausfachungen integriert. Um die Beanspruchungen der Einzelsysteme möglichst realitätsnah zu erfassen wurde das System als räumliches Stabmodell gerechnet.
Bild 5: teilfreigelegte Stahlträger Bild 6: „verstümmeltes“ Hängewerk im Obergeschoss _________________________________________________ _____________________________________________ Dipl.-Ing. Axel Seemann - Ingenieurbüro für Baustatik und Sanierungsplanung - 15366 Dahlwitz-Hoppegarten
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Bild 7: Rechenmodell und Realität nach Fertigstellung
Beispiel 2
Einbau eines Fahrstuhls
Problemlage : Zwischen dem West- und Südflügel wurde im Zusammenhang mit einem nach Baurecht notwendigen
Treppenhaus
ein
Fahrstuhl
vorgesehen.
Dieser
sollte
sowohl
den
noch
zugeschütteten Keller als auch das bis dahin nicht ausgebaute Dachgeschoss erschließen. Die geplante Sohle des Schachtes lag also ca. 3,70 m unter dem ursprünglichen Fußbodenniveau des Flures im Erdgeschoss. Eine weitere Forderung der Bauherren bestand in einem durchgehenden Glasschlitz im Treppenschacht.
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unterkellert
nicht unterkellert
Bild 8:
Grundrisssituation für den neu einzubauenden Fahrstuhlschacht
Lösung : Als Voraussetzung für die Umsetzbarkeit der Planung musste das Problem der erforderlichen Unterfangung der Seitenwände gelöst werden, die sich aus der Lage des Schachtes im Übergangs bereich zwischen dem unterkellerten Westflügel und dem nicht unterkellerten Südflügel ergab. Zunächst wurde abgeklärt, ob das bereits bei der Unterfangung der Außenwände des nicht unterkellerten Nordflügels angewandte HDIVerfahren geeignet ist. Die Abstimmung mit der Bauleitung und der ausführenden Firma ergab, dass die Anwendung des Verfahrens im vorliegenden Fall aus folgenden Gründen nicht praktikabel war: Ø
Die Tiefe der zu unterfangenden Innenw and des Südflügels war nicht bekannt. Die angrenzende Außenwand, die aus einer jüngeren Bauphase stammte, war
ausreichend
tief
gegründet. Ø
Große Feldsteine, die lose in der Aufschüttung lagen würden die erforderlichen Bohrungen erheblich erschweren, wenn nicht gar durch ein M itdrehen angebohrter Feldsteine in dem losen
Gefüge
der
Aufschüttung
ganz
unmöglich machen. Ø
Unklar war zu diesem Zeitpunkt ebenfalls die räumliche
Situation
des
Anschlusses
der
angrenzenden Kellergewölbe des Westflügels. Bild 9:
Schnitt durch den Fahrstuhlschacht
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Zur Anwendung kam eine manuelle Unterfangung auf der Grundlage der DIN 4123. Die einzelnen Unterfangungsabschnitte wurden detailliert geplant und vor Ort abgestimmt. Zum Erreichen der erforderlichen Gründungstiefe waren drei übereinander liegende Abschnitte erforderlich. Der Schacht selbst wurde als Stahlbetonkonstruktion errichtet, wobei die Oberfläche in Sichtbeton erhalten bleiben sollte, was besondere Anforderungen an die Qualität der Schalungsarbeiten stellte. Statisch betrachtet stellen die umlaufenden Treppenläufe eine Aussteifung für die ansonsten über 15 m frei stehenden gemauerten Wände des West- und Südflügels. Zur Verringerung der Schallüber tragung in die angrenzenden Wohn- und Büro bereiche wurden alle Auflager der Treppenläufe und der Podeste mit Schöck Tronsolen Typ AZ ausgeführt. Um die Stabilität des auf der Westseite vollständig verglasten Schachtes zu gewährleisten, wurden die auf der Westseite liegenden zwei Treppenläufe konstruktiv (∅ 8/ e=15 cm) an den Schacht angeschlossen. Um der Problematik der Mindestabstände von Schraubverbindungen a n Stirnseiten von Betonplatten aus dem Weg zu gehen, wurden bereits in die Schalung Stahlplatten für die Befestigung der Geländerstäbe integriert. Gleiches erfolgte mit den in den Unterseiten der Podeste glatt eingelassenen Lampen. Alle Betonoberflächen wurden im Anschluss lediglich mit einem transparenten Kalkanstrich versehen. Damit setzt sich das neu errichtete Treppenhaus klar von den vorhandenen Wänden des Schlosses ab.
Bild 10:
Treppenhaus nach Fertigstellung mit Schöck Konsolen zur schalltechnischen Entkopplung
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Beispiel 3
Dachkonstruktion Südflügel
Problemlage : Als drittes Beispiel soll die Erneuerung der Dachkonstruktion über dem Südflügel und Teilen des Ostflügels näher erläutert werden. Wie eingangs bereits erwähnt, wurde der ohnehin mit vielen konstruktiven Schwachpunkten versehene Dachstuhl zu Beginn der 90-iger Jahre „totsaniert“. In
einer
vollständig
aus
einem
Nutzungs-
zusammenhang herausgerissenen Sanierungsaktion (natürlich mit Fördermitteln) wurden alle offensichtlich durch den Echten Hausschwamm zerstörten Balkenauflager mit Laschen, Windrispenbändern und Lochblechen „saniert“. Alle in das Mauerwerk einbindenden Holzteile wurden umlaufend mit Dachpappe eingeschlagen und fest eingemauert. Das Mauerwerk der Balustrade wurde durch eine Reihe von Eingriffen stark verändert, so dass die Tragfähigkeit, d.h. die Anbindung an die DachBild 11:
konstruktion, zunächst ungeklärt war.
Zustand des Daches vor der Sanierung
Im Rahmen des Umbaus zur Schule wurde das statische System des Daches weiterhin von einem reinen Kehlbalkendach mit zweifach stehendem Stuhl in ein Pfettendach mit stahlverstärkter Mittelpfette verändert. Für den geplanten Ausbau des Daches stellten sich daher folgende grundsätzliche Probleme: Ø
Ist die vorhandene Konstruktion mit vertretbaren Aufwendungen sanierbar?
Ø
Welche Raumstrukturen ergeben sich bei Beibehaltung der vorhandenen Konstruktion?
Ø
Wie kann die Belichtung des hinter der Balustrade liegenden Dachgeschosses erfolgen?
Lösung : Die
Realisierbarkeit
der
Nutzung
des
Dachgeschosses
zu
Wohnzwecken
hing
von
den
Möglichkeiten einer südlichen Belichtung des Dachgeschosses ab. Da die Gestaltung des Daches sehr großen Einfluss auf das Erscheinungsbild des Schlosses von der Parkseite hat (siehe Bild 1), musste diese Entscheidung in enger Abstimmung mit der Denkmalpflege erfolgen. Die von den Bauherren zunächst vorgesehene Belichtung über in der Dachfläche liegende Glasflächen und einer Firstbelichtung wurde abgelehnt. Als Ergebnis einer intensiven Diskussion (mit Modellen und mehreren Ortsbegehungen) wurde einer Belichtung unter folgenden Bedingungen zugestimmt: Ø
Balkoneinschnitte werden erlaubt, wenn sie, vom Park aus gesehen, optisch nicht sichtbar sind, also von den ca. 3 ,5 m hohen Balustraden verdeckt werden.
Ø
Liegenden Dachflächen und einer Firstbelichtung wurde nicht zugestimmt.
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Zugunsten einer fachgerechten Sanierung des Grundmauerwerkes der Balustrade und einer damit verbundenen Erneuerung der Lastabtragung der auf die Balustrade wirkenden Windkräfte in die Dachkonstruktion
wurde
entschieden,
dass
Dachtragwerk
zu
erneuern. Voraussetzung war selbstverständlich die Form des Daches entsprechend dem Bestand wieder aufzunehmen. Nach
Abklärung
der
verschiedensten
möglichen
Grundsysteme wurde sich für eine von Außenwand zu Außenwand (12,5m) spannende Stahl-Holzkonstruktion
entschieden,
bei
der
die
hölzernen
Sparren
Bild 12: Einbindung der alten Konstruktion in die Außenwand
und
die
Deckenbalken
durch
eine
Stahlkonstruktion gehalten werden (Bild 13 ). Im Zusammenhang mit dem Ausbau der Stahlbetonträger im Obergeschoss des Südflügels entstand mit der Demontage der Decke über dem Obergeschoss eine Situation, bei der die gesamte gartenseitige Wand des Südflügels über eine Höhe von 12 m freistand. Es war daher erforderlich für die Zeit
der Montagearbeiten eine
Stützkonstruktion
zu
errichten.
Beide Außenwände wurden durch Zugbänder mit Druckriegeln mit-
Bild 13:
Stabmodell der Dachkonstruktion des Südflügels
einander verbunden. Die Stabilisierung des Flügels nach der Sanierung wurde durch folgende Maßnahmen erreicht: Ø
Die massive Decke des Flures und die neu errichteten Massivdecken der an den Gartensaal angrenzenden Räume bilden eine aussteifende U-förmige Scheibe (Bild 14).
Ø
Im Gartensaal selbst werden in jeder Deckenebene Ringanker aus Stahlbeton angeordnet (Bild 15).
Bild 14:
Deckenscheibe im Südflügel
Bild 15: Lage der Ringanker und Ausführungsdetail
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Die
Stahlkonstruktion
selbst
wurde
als
räumliches Modell gerechnet um insbesondere die Anschlusskräfte der Verbindungspunkte realistisch ermitteln zu können. Da auf Grund
der
begrenzten
Befahrbarkeit
des
Schlosshofes nur ein Kran aufgestellt werden konnte, der bei maximaler Ausladung eine maximale Last von 2 Tonnen tragen konnte, musste das Stahltragwerk in entsprechend kleine Teile vorproduziert und vor Ort durch
Bild 16:
Schraubverbindungen montiert werden (Bilder
17
Stabmodell des Eckbaues
und
18). Die Ermittlung der exakten
Abmessungen und die Lage der Auflager waren dabei erst nach Abbruch der alten Konstruktion und
Vorbereitung
der
Ringanker
durch
einen
Vermessungsingenieur
möglich.
Dies
galt
insbesondere für den geometrisch anspruchsvollen Eckbau zwischen Süd- und Ostflügel (Bild 16).
Bild 17:
Montage der Stahlkonstruktion
Bild 18:
Knotenausbildung
Zusammenfassung Die drei angeführten Beispiele können nur einen kleinen Teil der rund vierjährigen intensiven Beschäftigung mit dem Schloss Wiesenburg als Tragwerksplaner widerspiegeln. Letztlich gab es kaum Baustoffe und Verfahren aus der täglichen Baupraxis, die nicht zur Anwendung gekommen sind. Voraussetzung für das Gelingen dieses Bauvorhabens war aber die stets konstruktive Zusammenarbeit zwischen den planenden Architekten und den Fachingenieuren einerseits und die Bereitschaft zur Findung von tragfähigen Kompromissen zwischen Bauherr und Denkmalpflege andererseits. Ohne die fachliche Kompetenz und die arrangierte Tätigkeit der Maurer und Zimmerer, insbesondere der beiden Vorarbeiter, wäre ein Gelingen kaum denkbar gewesen.
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