Die Rolle des Zwerchfells

Seiten 120 bis125 aus „Die Kraft strahlender Gesundheit“ von Nobuo Shioya. 120 III. Der Arzt im Inneren Dagegen ist die Methode eine Technik, bei der...
Author: Kurt Egger
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Seiten 120 bis125 aus „Die Kraft strahlender Gesundheit“ von Nobuo Shioya. 120 III. Der Arzt im Inneren

Dagegen ist die Methode eine Technik, bei der man die Aufmerksamkeit auf die Lungenbasis richtet und die Lunge bis unten gut mit Luft füllt. Diese Atemtechnik bietet die Möglichkeit, so nahe wie möglich an das Maximum von 61 zu kommen und diese Menge sogar noch zu übertreffen. Dies lässt sich mit dem Umsteigen von einem Kleinwagen auf einen Mercedes der Oberklasse vergleichen.

Die Rolle des Zwerchfells Bei der Methode legt man großen Wert darauf, bei der Atmung nicht in die Lungenspitzen, sondern bis zur Lungenbasis zu atmen. Dabei ist es besonders wichtig, das Zwerchfell zu benutzen, was als Kennzeichen dieser Atemtechnik gelten kann. Das Zwerchfell wurde bisher einfach als eine Membran betrachtet, die sich an der Grenze von Lunge und Bauch befindet und sozusagen die Lunge trägt. Aber im menschlichen Körper als Miniaturausgabe des Universums gibt es nichts Überflüssiges. Das Zwerchfell ist also nicht einfach eine Membran, die als solche Elastizität und Flexibilität besitzt. Mir wurde im Lauf der Zeit klar, dass durch die Aufwärts- und Abwärtsbewegung des Zwerchfells der Druck im Bauchraum kontrolliert wird. Außerdem habe ich erkannt, dass das Zwerchfell zusammen mit der Atmung für die Produktion und Sekretion von Substanzen sorgt, die gut

für die Gesundheit sind. Von der Forschung erwarte ich in der Zukunft neue Erkenntnisse über das Zwerchfell. Doch sollten Sie sich merken, dass die Bewegung des Zwerchfells gesundheitlich einen positiven Effekt auf den Organismus ausübt. In Wirklichkeit ist es der Aufwärts- und Abwärtsbewegung des Zwerchfells zu verdanken, dass die Bauchdecke einsinkt oder sich hebt. Wenn sich beim Einatmen das Zwerchfell senkt und die Lunge ausdehnt, schwillt natürlich der Bauch an. Umgekehrt senkt sich die Bauchdecke, wenn sich beim Ausatmen das Zwerchfell hebt. Bei einer Atmung, die nur die Lungenspitzen einbezieht, merkt man davon nichts. Wenn man darauf achtet, mit der Lungenbasis beziehungsweise dem Bauch zu atmen, dann bewegt sich das Zwerchfell von selbst auf und ab. Wenn man versucht, möglichst viel Luft in die Lungen aufzunehmen, senkt sich natürlich das Zwerchfell. Wenn man in diesem Zustand das Zwerchfell noch weiter senkt, weitet sich die Lunge noch mehr, und die Luft kann noch besser in die Lunge strömen. Ich habe an früherer Stelle bereits erklärt, dass man aus diesem Grund in einen einzelnen Lungenflügel noch mehr Luft aufnehmen kann als die bei normaler Atmung mögliche Menge von 3 1. Es kommt also beim Atmen darauf an, das Zwerchfell bewusst zu senken, um so die Lungenkapazität zu vergrößern. Das Zwerchfell ist demnach nicht einfach eine Membran, welche die Lunge zu tragen und mechanische Funktionen

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zu erfüllen hat. Das wird auch klar, wenn man berücksichtigt, dass der zwischen Herz und Lunge verlaufende Zwerchfellnerv (nervus phrenicus) durch das Zwerchfell verläuft ein Beleg dafür, dass das Zwerchfell für den menschlichen Körper noch einen weiteren wichtigen Zweck hat. Meiner Meinung nach besteht dieser darin, dafür zu sorgen, dass der Körper mit möglichst viel Sauerstoff versorgt wird.

Die Kraft im tanden konzentrieren Die Frage lautet, wie man es am besten anstellt, das Zwerchfell zu senken. In Japan kennen alle den Ausdruck seika-tanden (wörtlich: Zinnoberfeld; in der fernöstlichen Medizin und Kampfkunst das wichtigste Energiezentrum des Menschen im Unterbauch; Anm. d. Übers.). Zur Zeit meiner Geburt und meiner Kindheit in der Meiji-, Taishöund frühen Shöwa-Zeit (etwa 1870-1940) war das ein gebräuchliches Wort, und als Japaner war sich jeder seines seika-tanden bewusst. So war es früher üblicher, zu sagen, dass man die Kraft im seika-tanden sammelte, statt kiai zu sammeln« (kiai bedeutet wörtlich »Sammlung/Konzentration (ai) von Luft/Energie (ki), die zum Beispiel in der Kampfkunst als Kampfschrei eingesetzt werden kann). Dahinter steht eine Ausdrucks- und Denkweise, die den modernen Japanern ziemlich fremd geworden ist. Vielleicht ist das auch einer der Hauptgründe dafür, dass die modernen

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Menschen anfälliger für Stress und Krankheiten geworden sind. Ein weiterer Grund besteht darin, dass die Zellen nicht genug Sauerstoff haben. Um alle Zellen im Körper ausreichend zu versorgen, ist es wichtig, sich auf das seika-tanden zu konzentrieren. Ich kann behaupten, dass dies bei der Methode der Fall ist. Die vier Schriftzeichen in dem Ausdruck sei-ka-tan-den bedeuten wörtlich, dass es sich dabei um eine Stelle im Unterbauch handelt, die etwa 7 cm unterhalb des Nabels liegt. Im alten China glaubte man, dass sich Gesundheit und Energie steigern ließen, wenn man seine Kräfte an dieser Stelle sammelte. In den daoistischen Praktiken der »Goldenen Perle« im alten China ging man davon aus, dass sich im tanden die »Goldene Perle« (oder das »Elixier der Unsterblichkeit«) bildete. Ich habe bereits erwähnt, dass der Einsatz des Zwerchfells ein besonderes Merkmal der Methode ist. Natürlich gelangt die Atemluft nicht bis ins seika-tanden, denn es liegt ja außerhalb der Lunge. Der entscheidende Punkt ist aber, so kräftig einzuatmen, als wollte man den Atem bis ins tanden hinabdrücken. Wenn man mit dieser Vorstellung atmet, merkt man, dass sich das Zwerchfell von selbst senkt. In einem Zustand, in dem man seine Energie (kiai) im Unterbauch sammelt, beziehungsweise das seika-tanden mit Kraft füllt, gelangt mehr Luft in die Lunge. Bei den bisherigen Techniken der Bauchatmung heißt es zwar ständig »Der Bauch, der Bauch!«, weil man dabei aber die Lungenspitzen

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weitet, füllt sich die Lunge schnell, und damit bleibt in ihr kein Raum für weitere Luft. Der Grund dafür ist ganz einfach: Weil der obere Teil der Lunge auf allen vier Seiten von Rippen umgeben ist, hat die Lunge keinen Platz, um sich auszudehnen. Das ist leicht zu verstehen, wenn man bedenkt, dass es sich um eine Art von Atmung handelt, bei der man durch den Mund einatmet und die Schultern anhebt. Allerdings hat man in Japan seit der Meiji-Zeit (1868-1912) sowohl in Schulen als auch beim Militär über hundert Jahre lang ständig diese Art der Lungenspitzen-Atmung propagiert. Im Gegensatz dazu lenkt man bei der Methode von Anfang an den Atem nicht in die Lungenspitzen, sondern zur Lungenbasis, Das ist das wichtigste Kennzeichen der Methode. Bis zur Lungenbasis einzuatmen und die Lunge weit auszudehnen, ist ein natürliches Prinzip. Als Nächstes drückt man die zur Lungenbasis eingeatmete Luft energisch hinab ins tanden. Das ist das zweite Kennzeichen der Methode. Natürlich kommt keine Luft ins fanden, aber man stellt es sich vor. Durch Erhöhung des Drucks und kraftvolle Anspannung im Unterbauch kann die Lunge noch mehr Luft aufnehmen. Das Zwerchfell senkt sich weiter, und das Lungenvolumen vergrößert sich zusätzlich. Der in den japanischen Kampfkünsten häufig benutzte Ausdruck »hara ga suwaru« (»Der Bauch ist fest.«) bezieht sich auf diesen Zustand, in dem die Aufmerksamkeit auf das seika-tanden gerichtet, im Unterbauch Kraft gesammelt

Die Kraft im tanden konzentrieren 125 Atmung mit der Methode

Zwerchfell

normale Atmung

Zwerchfell

Abb. 9: Veränderungen in Lunge und Zwerchfell bei der Atmung Die Lunge bei normaler Atmung (rechts) und bei der Atmung mit der Methode: Auf der Abbildung ist gut zu erkennen, dass bei der Atmung mit der Methode das Zwerchfell gesenkt und die Lungenbasis weit gedehnt ist. In der Mitte senkt sich das Zwerchfell aber kaum, denn dort befindet sich das Herz,

und die Luft bis dort hinabgedrückt wird. Im Bauch fest zu sein, gilt besonders in der Kampfkunst als idealer und vorteilhafter Zustand. Und wenn man das nicht auf die Kampfkunst beschränkt, sondern in unsere alltägliche Atemweise integriert, trägt es dazu bei, alle Körperzellen mit reichlich Sauerstoff zu versorgen. Ein solcher Mensch wird dann nicht nur über große Körperkraft sondern auch über entsprechende seelische und geistige Energien verfügen.