Die Rolle des Dritten in Simmels Soziologie

FernUniversität in Hagen Institut für Philosophie Wintersemester 2015/2016 B.A. Kulturwissenschaften mit Fachschwerpunkt Geschichte, Literaturwissens...
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FernUniversität in Hagen Institut für Philosophie Wintersemester 2015/2016

B.A. Kulturwissenschaften mit Fachschwerpunkt Geschichte, Literaturwissenschaft, Philosophie

Modul P5 - Sozialphilosophie

Betreuer der Hausarbeit Dr. Steffen Herrmann

„Die Rolle des Dritten in Simmels Soziologie“

vorgelegt von:

Philipp Martens Untergath 32 47805 Krefeld

Telefon: 0176 - 955 440 36 E-Mail: [email protected]

Matrikelnummer: 9568077

am: Montag, 7. März 2016

Inhaltsverzeichnis 1 Einleitung ............................................................................................................................ 1 2 Soziologie bei Georg Simmel ............................................................................................ 3 3 Möglichkeit der Gesellschaft............................................................................................. 5 4 Quantitative Überlegungen............................................................................................... 7 5 Die Rolle des Dritten in Simmels Soziologie ................................................................ 12 6 Fazit .................................................................................................................................... 14 7 Literaturverzeichnis ......................................................................................................... 15

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Einleitung

Georg Simmel (1858 – 1918) gilt als einer der Begründer der modernen Soziologie. In erster Linie war er allerdings Philosoph und beschäftigte sich unter anderem mit sozialphilosophischen Fragestellungen. Einer dieser Fragen richtet sich an die „Möglichkeit von Gesellschaft“ und wird in seinem 1908 erschienenen Werk „Soziologie“ behandelt. Ebenfalls arbeitet Simmel in diesem Werk heraus, wie viele Individuen benötigt werden um überhaupt von einer Gesellschaft zu sprechen. Seiner These zufolge, kann man zwar bereits ab zwei Individuen von einer Gesellschaft sprechen, doch erst durch das Hinzutreten eines Dritten ergibt sich eine Konstellation, die Gesellschaft längerfristig möglich macht.

In dieser Hausarbeit werde ich herausarbeiten, warum Simmel zu einer solchen triadischen Konstellation überging und was diese für seine Soziologie bedeutet.

Meine These geht davon aus, dass in Simmels Soziologie das Hinzutreten eines Dritten zwingend notwendig war und dass ohne diesen Dritten eine Gesellschaft, seinem Verständnis nach, ganz und gar unmöglich ist. Weiterhin denke ich, dass der Dritte auch in einer Dyade immer latent vorhanden ist und somit gar nicht erst physisch hinzutreten muss.

Zwar spielte Georg Simmel in der Soziologie bereits schon lange eine Rolle, doch die Philosophie ignorierte ihn lange Zeit, da seine Werke kein groß angelegtes Gedankensystem vermuten ließen und eher essayistisch angelegt waren. Dennoch haben sich seit einigen Jahren vermehrt Sozialphilosophen, Kulturphilosophen und Kulturwissenschaftler mit seinen Werken beschäftigt. So leistete Thomas Bedorf mit seinen Arbeiten, insbesondere zu der Thematik des „Dritten“, einen wichtigen Beitrag zu einer Auseinandersetzung mit der Triade Simmels, insbesondere in seinem 2003

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erschienen Werk „Dimensionen des Dritten“. Einen wichtigen Grundstein für das Verständnis von Simmels Gedankenwerk legten jedoch bereits in den 1980er Jahren Horst Jürgen Helle und Antonius Bevers, die sich unter anderem sehr intensiv mit den erkenntnistheoretischen Inhalten in Simmels Werken beschäftigten. Gerade durch diese Arbeiten ist es möglich heute die Soziologie Simmels besser nachzuvollziehen.

In meiner Hausarbeit werde ich mich hauptsächlich mit Simmels Werk „Soziologie“ und insbesondere dessen ersten beiden Kapiteln auseinandersetzen. Anhand des ersten Kapitels, speziell des eingeschobenen Exkurses „Wie ist Gesellschaft möglich?“, werde ich mich den erkenntnistheoretischen Inhalten in Simmels Soziologie nähern und diese aufzeigen. Das Verständnis dieser ist entscheidend für das Verständnis der weiteren Untersuchungen. Das zweite Kapitel „Die quantitative Bestimmtheit der Gruppe“ werde ich untersuchen um Simmels Gedankengänge auf dem Weg von der Dyade zur Triade nachvollziehen zu können.

Der Hauptteil meiner Arbeit wird aus vier Kapiteln bestehen. Zu Beginn werde ich mich mit der Soziologie Simmels und seiner (sozial-)philosophischen

Position

auseinandersetzen (Kapitel 2). Im folgenden Kapitel werde ich mich näher mit den Voraussetzungen beschäftigen, die benötigt werden um eine Gesellschaft zu bilden. Hier werde ich insbesondere auf die „Wechselwirkungen“ Simmels und den Begriff der „Vergesellschaftung“ eingehen (Kapitel 3) und so einen Übergang zu den „quantitativen Überlegungen“ Simmels zu schaffen, denen ich mich im 4. Kapitel näher widmen werde. Hier werde ich mich mit den rein numerischen Voraussetzungen für eine Gesellschaft beschäftigen und aufzeigen, wie viele Individuen tatsächlich benötigt werden um von einer Gesellschaft im Simmelschen Sinne zu sprechen. Im 5. Kapitel werde ich die vorhergehenden Überlegungen reflektieren und die Rolle des Dritten in Simmels Soziologie resümieren. Abschließend wird ein Fazit meine Arbeit selbst noch einmal zusammenfassen (Kapitel 6) und einige weitere Überlegungen werden eingebracht.

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Soziologie bei Georg Simmel

Georg Simmel wurde im März 1858 in Berlin geboren.1 Sein Vater starb 1874 und ein vermögender Freund der Familie, Julius Friedländer, übernahm für ihn die Vormundschaft.2 Das Vermögen Friedländers verhalf Simmel dazu eine akademische Laufbahn einzuschlagen.3 So studierte er an der Friedrich-Wilhelms-Universität Berlin Geschichte,

Völkerpsychologie

und

Philosophie

sowie

Kunstgeschichte

und

Altitalienisch als Nebenfächer. 4 Seine akademische Laufbahn wurde jedoch immer wieder, unter anderem aufgrund seiner vormals jüdischen Eltern und seiner soziologischen Ansätze, eingeschränkt.5 Seine Arbeiten waren äußerst vielfältig und er beschäftigte sich mit kulturellen, sozialen und psychologischen Themen seiner Zeit, sodass er oftmals lediglich als Zeitphilosoph wahrgenommen wurde. 6 7 Tatsächlich weisen seine Arbeiten auf den ersten Blick nicht auf ein Theoriegebilde hin wie man es bei seinen soziologischen Vordenkern Auguste Comte und Herbert Spencer vorfinden kann, doch ergeben sich aus seinem Gesamtwerk einige Zusammenhänge, die auf ein größer angelegtes Gedankenwerk schließen lassen.8 Doch nicht nur seine Vielfalt wurde kritisiert, auch seine soziologischen Ansätze fanden zu seiner Zeit wenig Gehör.9 Dies traf generell für viele seiner Zeitgenossen, die sich der Soziologie verbunden fühlten, zu - wie auch Max Weber und Ferdinand Tönnies.10 Simmels Gesamtwerk oder zumindest seine philosophischen Überlegungen einer Strömung zuzuordnen erscheint so gut wie unmöglich.11 Dennoch steht er Kant, über

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Kruse, Volker: Geschichte der Soziologie, Konstanz, UVK: 2008, S. 127 Kruse: Geschichte, S. 127 3 Kruse: Geschichte, S. 127 4 Junge, Matthias: Georg Simmel kompakt, Bielefeld, transcript: 2009, S. 9 5 Kruse: Geschichte, S. 127 6 Lichtblau, Klaus: Georg Simmel, Frankfurt, Campus: 1997, S. 11 7 Kruse: Geschichte, S. 128 8 Geßner, Wilfried: Der Schatz im Acker, Georg Simmels Philosophie der Kultur, Weilerswist, Velbrück: 2003, S. 20 9 Kruse: Geschichte, S. 127 10 Kruse: Geschichte, S. 129 & 140 11 Geßner: Schatz im Acker, S. 20 2

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den er ebenfalls schrieb und dozierte, sehr nahe.12 13

Georg Simmel gilt als einer der Begründer des Fachs der modernen Soziologie. 14 Ursprünglich war er allerdings Philosoph und wollte eine scharfe Trennung gar nicht ausmachen (Soziologie, 24).15 Allein seine grundlegende Frage „Wie ist Gesellschaft möglich?“ ist eine sozialphilosophische Frage, derer er sich unter Bezug auf erkenntnistheoretische Gedankengänge auf Basis von Kant nähert um somit das Fach der Soziologie wissenschaftstheoretisch zu untermauern.16 Darüberhinaus bedient er sich bereits gewonnenen Erkenntnissen aus den unterschiedlichsten Fächern wie der Geschichtsforschung, der Anthropologie, der Statistik oder der Psychologie. Aus diesem Grund lässt sich Simmels Soziologie auch als eklektische Wissenschaft bezeichnen. Jedoch geht Simmel noch einen Schritt weiter und sagt, dass es nicht nur darum gehe, sich vorhergehender Erkenntnisse zu bedienen, sondern sie müssen auch unter einem neuen Gesichtspunkt betrachtet werden.17

Seine Soziologie bezeichnet Simmel als „Formale Soziologie“. 18 Die Soziologen des 19. Jahrhunderts versuchten Gesetzmäßigkeiten innerhalb eines geschichtlichen Ablaufes zu entdecken. 19 Sie versuchten demnach herauszufinden, auf welches Ziel die Gesellschaft zusteuert und teilten die unterschiedlichsten Zustände in Stadien, wie die

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Kruse: Geschichte, S. 127 Bedorf, Thomas: Stabilisierung und/oder Irritation, Voraussetzungen und Konsequenzen einer triadischen Sozialphilosophie, in: Bedorf, Thomas; Fischer, Joachim; Lindemann, Gesa (Hrsg.): Theorien des Dritten, Innovationen in Soziologie und Sozialphilosophie, München, Fink: 2010, S. 13-32, hier: S. 15 14 Landmann, Michael: Georg Simmel, Konturen seines Denkens, in: Böhringer, Hannes & Gründer, Karlfried (Hrsg.): Studien zur Philosophie und Literatur des neunzehnten Jahrhunderts, Band 27, Ästhetik und Soziologie um die Jahrhundertwende, Georg Simmel, Frankfurt am Main, Vittorio Klostermann: 1976 , S. 3-17, hier: S. 8 15 Kruse: Geschichte, S. 127 16 Helle, Hans Jürgen: Soziologie und Erkenntnistheorie bei Georg Simmel, Darmstadt, WBG: 1988, S. 25 17 Bedorf, Thomas: Dimensionen des Dritten, Sozialphilosophische Modelle zwischen Ethischem und Politischem, in: Phänomenologische Untersuchungen, Band 16, hrsg. von Bernhard Waldenfels, München, Fink: 2003, S. 105 18 Kruse: Geschichte, S. 131 19 Kruse: Geschichte, S. 129 13

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industrielle oder die kommunistische Gesellschaft, ein. Simmel hingegen setzte auf einer anderen Ebene an und er untersuchte die sozialen Beziehungen an sich und versuchte Gemeinsamkeiten zu finden. Seine Soziologie fragt nach dem „Wie“ der Gesellschaft und sucht nicht nach dem „entweder/oder“, wie es die Ansätze seiner Zeit versuchen, sondern nach dem „und“. Er sucht nach den Bindegliedern und nicht nach dem was trennt. 20 Somit sucht er nach der Form der Gesellschaft und nicht nach deren Inhalt. 21 Gerade diese Trennung von Form und Inhalt, ähnlich wie bei Kant, ermöglicht ihm die Begründung der Soziologie.22

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Möglichkeit der Gesellschaft

Innerhalb des ersten Kapitels der „Soziologie“ fügt Simmel einen Exkurs mit dem Titel „Exkurs über das Problem: Wie ist Gesellschaft möglich?“ ein. Diesen Exkurs nutzt Simmel um sich über eine erkenntnistheoretische Frage nach Kant an eine, letzten Endes,

sozialphilosophische

Frage

nach

der

Möglichkeit

der

Gesellschaft

heranzubewegen. Mit dieser Frage legt er einen Grundstein für sein weiteres Vorgehen. Simmel beginnt mit der kantischen Frage „Wie ist Natur möglich?“ (Soziologie, 21) und fasst die Antwort kurz zusammen: „Natur ist für Kant eine bestimmte Art des Erkennens, ein durch unsre Erkenntniskategorien und in ihnen erwachsendes Bild“ (Soziologie, 22). Hier bezieht sich Simmel auf die Erkenntniskategorien und schreibt unserem Intellekt die Fähigkeit zu die Sinneseindrücke in besonderer Form zu verarbeiten und diese zu einem „zusammenhängenden Bild der ‚Natur’“ (Soziologie, 22) zu formen. So vollzieht also das Subjekt die besondere Leistung, dass es Sinneseindrücke zu Objekten formt. Nun verwirft Simmel diesen Ansatz für die Möglichkeit der Gesellschaft allerdings wieder: Jener Satz Kants: Verbindung könne niemals in den Dingen liegen, da sie nur vom Subjekte zustande gebracht wird, gilt für die gesellschaftliche Verbindung nicht, die

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Kruse: Geschichte, S. 129 Kruse: Geschichte, S. 130 22 Geßner: Schatz im Acker, S. 49 21

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sich vielmehr tatsächlich in den ‚Dingen’ – welche hier die individuellen Seelen sind – unmittelbar vollzieht. (Soziologie, 22)

Nach Simmel geschieht Gesellschaft innerhalb der einzelnen Teilnehmer. Sie benötigt keinen „mitbegriffenen Beschauer“ (Soziologie, 22) wie es die Natur benötigt um möglich zu sein. Ein weiterer Unterschied ist für Simmel, dass das Subjekt beim Betrachten der Natur diese zum Objekt machen kann, da es sich bei der Natur um „unbeseelte Dinge“ (Soziologie, 22) handelt. Dies gilt jedoch nicht für den Menschen, da diese für ihn „selbstständige Wesen, seelische Zentren, personale Einheiten“ (Soziologie, 22) sind und sich somit gegen diese Synthese wehren. An diesen beiden Unterschieden zeigt sich deutlich worum es Simmel zum einen in seiner Soziologie geht: Um die Individuen. Diese Individuen nehmen den Anderen „in irgendeinem Maße verallgemeinert“ (Soziologie, 24) wahr und es ist unmöglich sein reines Für-sich-sein zu erkennen. In gewisser Weise wird man hier an die Ideenlehre Platons erinnert. Und tatsächlich lehnt sich, laut Horst Jürgen Helle, ein Teil der Erkenntnistheorie Simmels an Platons Ideen an.23 Allerdings geht Simmel weiter als Platon und er sieht die Ideen als „Gebilde, die postuliert werden, die also [...] als Denkwerkzeuge vom Menschen ad hoc geschaffen werden“.24 Demnach gibt es keine Ideen, die abseits der diesseitigen Welt existieren, sondern Gebilde, die wir in uns erstellen und zu einer Verallgemeinerung werden lassen. Diese Verallgemeinerung diskutiert Simmel ausführlich am Beispiel von Gesellschaftskreisen:

Innerhalb eines Kreises, der in irgendeiner Gemeinsamkeit des Berufes oder der Interessen zusammengehört, sieht jedes Mitglied jedes andere nicht rein empirisch, sondern auf Grund eines A priori, das dieser Kreis jedem an ihm teilhabenden Bewusstsein auferlegt. (Soziologie, 25)

23 24

Helle: Soziologie und Erkenntnistheorie, S. 17 Helle: Soziologie und Erkenntnistheorie, S. 17 6

Wenn ein Polizist in seiner Uniform mit anderen Polizisten in Uniform in Kontakt kommt, erkennen sie sich gegenseitig als einen der ihren und mit all den Ansprüchen, die sie aneinander haben. Ebenso geht es dem Bürger, der einem uniformierten Polizisten begegnet. Die Individualität tritt in den Hintergrund und wird von dem Kreis dem er angehört verdeckt (Soziologie, 26). Allerdings wird sie nicht völlig durch den Kreis verdeckt und es gibt noch einen weiteren Teil, den die Individualität ausmacht und den wir wahrnehmen können. Dieser Teil bezieht sich auf die eigentlichen Beziehungen untereinander. Zum einen macht Simmel dort die Liebe oder die Freundschaft aus (Soziologie, 26). Diese Hinwendung von beiden Seiten kann laut ihm sogar diese Verdeckung durch den Kreis auflösen. Im Gegensatz zu solch einer Auflösung kommt es beispielsweise bei einem katholischen Priester zu einer völligen Verdeckung (Soziologie, 26). Simmel geht es vor allem um das Individuum innerhalb der Gesellschaft und wie dieses durch seine Beziehungen zu anderen die Gesellschaft bildet. Er nennt diese Beziehung, angelehnt an Kant, Wechselwirkungen.25 Einen zentralen Teil seiner Soziologie machen diese Wechselwirkungen aus (Soziologie, 24). Wechselwirkungen bedeuten auch, dass diese sich dynamisch, statt statisch verhalten, da sie sich ständig verändern. Mit dieser Sicht weicht Simmel von dem Ansatz seiner Zeitgenossen ab.26 Da es sich hier um einen Prozess handelt, spricht Simmel selber von „Vergesellschaftung“ (Soziologie, 24).

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Quantitative Überlegungen

Das zweite Kapitel seiner Soziologie widmet Simmel der „quantitativen Bestimmtheit der Gruppe“ (Soziologie, 32), in dem er Überlegungen anstellt, wie viele Personen mindestens benötigt werden um von Vergesellschaftung zu sprechen. Seine Überlegungen beschäftigen sich zwar auch mit Aspekten der Staatlichkeit, der Freiheit

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Fischer, Joachim: Die Triade. Gründungsszene der Simmelschen Soziologie, in: Farzin, Sina; Laux, Henning (Hrsg.), Gründungsszenen soziologischer Theorie, Wiesbaden, Springer: 2014, S. 55-66, hier: S. 59 26 Bedorf: Dimensionen des Dritten, S. 104 7

und der Moral, doch möchte ich mich im Folgenden auf die einzelnen Quantitäten beschränken. Zunächst werde ich aufzeigen, dass Gesellschaft alleine nicht möglich ist, dass selbst bei zwei Personen zum einen Gesellschaft unmöglich ist und zum anderen, dass selbst hier ein „latenter“ Dritter meistens vorhanden ist und so auf die Rolle des Dritten für die Vergesellschaftung kommen werde. Anschließend werde ich aufzeigen, dass auch beim Hinzutreten von weiteren Akteuren die Bedeutung dieser gering ist.

Davon ausgehend, dass für Simmel Vergesellschaftung erst durch Wechselwirkungen zustande kommt, wäre es an sich bereits ausgeschlossen, dass eine einzelne Person eine Gesellschaft bedeuten kann. Dennoch findet auch bei einem einsamen Individuum in Simmels Soziologie eine Wechselwirkung statt, „wenn auch die mit negativem Vorzeichen versehene“ (Soziologie, 55). Schließlich ist diese Einsamkeit nur möglich, da die Anderen weiterhin existieren, wenn auch „nur noch ideell im Geiste des anderen Subjektes“ (Soziologie, 56). Für Simmel existieren die Anderen weiter und nur durch deren Abwesenheit stellt sich die Einsamkeit ein.

„Die numerisch einfachsten Gestaltungen, die überhaupt noch als soziale Wechselwirkungen bezeichnet werden können, scheinen sich zwischen je zwei Elementen zu ergeben.“ (Soziologie 55), schreibt Simmel und führt als ein solches dyadisches Gebilde vor allem die Ehe an. Die Ehe ist für ihn etwas besonderes, da das „wechselwirkende Verhältnis der Teilnehmer [...] seinen Zweck [...] in sich hat“ (Soziologie, 66). Es ist diese Intimität, die besonders ist und sich abgrenzt zu anderen Zweierverbindungen, wie zwischen zwei Geschäftsleuten (Soziologie, 66). Doch erkennt Simmel die Intimität der Verbindung von zweien auch als eine Gefahr, denn: „Das Sozialgebilde ruht unmittelbar auf dem einen und auf dem anderen.“ (Soziologie, 59). Genau in diesem Punkt erkennt Simmel die Schwachstelle dieser Verbindung: „Der Austritt jedes einzelnen würde das Ganze zerstören [...]“. (Soziologie, 59). Sollte nun einer der beiden sterben, bliebe nur noch einer zurück und es wäre keine Wechselwirkung mehr möglich.

Doch schließt Simmel den Dritten auch bei einer dyadischen Verbindung gar nicht aus und schreibt von der Möglichkeit, „dass etwa ein beobachtender Dritter außerdem noch 8

zwischen den Personen eine nur in ihm begründete Synthese [...] vollzieht“ (Soziologie, 22). Einer ähnlichen Argumentation vom beobachtenden Dritten folgen später, laut Hannes Kuch, ebenfalls die Posthegelianer Sartre und Lacan, die den Dritten „positiviert“ haben.27 Simmel vollzieht diesen Schritt jedoch wesentlich früher. So ist auch bei ihm der Dritte in gewisser Weise in einer dyadischen Konstruktion vorhanden. Beispielsweise in einer Ehe, bei der ein Kind hinzutritt, zumindest aber mitgedacht wird. Dieses Kind kann trennen oder verbinden, auch wenn es noch gar nicht geboren ist - es dient als „Einheitsfunktion“ (Soziologie, 63).

Als Gegensatz zu der bei Zweien beschriebenen Intimität, tritt bei Simmel die Verbindung von Dreien auf (Soziologie, 68) und er spricht davon, passend zu seiner formalen Soziologie, dass es sich hier um eine „formal soziologische Bereicherung“ (Soziologie, 68) handelt. Er sieht den Dritten nicht nur als eine weitere Komponente, die die Zweisamkeit stört, sondern als entscheidende Verbindung.

Um diese verstärkende oder trennende Rolle zu formalisieren, hat Simmel die möglichen Konstellationen zu Dreien unterteilt und den Dritten typologisiert:

Die Dreizahl als solche scheint mir dreierlei typische Gruppierungsformen zu ergeben, die einerseits bei zwei Elementen nicht möglich sind, andrerseits bei einer Mehr-als-dreiZahl entweder gleichfalls ausgeschlossen sind oder sich nur quantitativ erweitern, ohne ihren Formtypus zu ändern. (Soziologie, 75f)

Er unterscheidet zwischen dem Vermittler bzw. dem Unparteiischen, dem Lachenden Dritten, und dem Dritten vom Typ des „Dividende et impera“.

Der Vermittler bzw. der Unparteiische bewegt sich zwischen zwei anderen Individuen. Er steht auf keiner der beiden Seiten und seine Rolle beinhaltet eine gewisse Objektivität. Der Vermittler versucht die Emotionen aus dem Konflikt herauszuhalten

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Kuch, Hannes: Der Herr, der Knecht und der Dritte, in: Bedorf, Thomas; Fischer, Joachim; Lindemann, Gesa (Hrsg.): Theorien des Dritten, Innovationen in Soziologie und Sozialphilosophie, München, Fink: 2010, S. 91-115, hier: S. 98 9

und die beiden Positionen auf eine sachliche Ebene zu bringen.28 Innerhalb dieser Funktion des Vermittlers unterscheidet Simmel weiter zwischen dem Mediator und dem Schiedsrichter. Der Mediator selber hat nun entweder keinen Anteil an den Interessen der beiden streitenden Parteien oder hat diese Interessensanteile zumindest zu gleichen Teilen. Sein Ziel ist die Einigung der beiden Parteien. Besonders schwierig gestaltet sich diese Einigung jedoch, wenn der Streitpunkt sich nicht auf eine objektive Ebene bringen lässt, da „die sachliche Bedeutung des Streites eigentlich nur ein Vorwand oder eine Gelegenheitsursache für tiefere personale Unversöhnlichkeiten ist.“ (Soziologie, 80). Diesen Fall sieht Simmel besonders oft bei Familienstreitigkeiten gegeben (Soziologie, 80). Eine weitere Schwierigkeit besteht darin, dass beide Parteien den Vermittler als objektive Person anerkennen müssen, da die Einigung letzten Endes aus den beiden heraus erzielt wird. Der Schiedsrichter wiederrum hat nicht das Ziel der Einigung der beiden Parteien. Die Einigung erfolgt auch nicht aus den beiden streitenden Parteien, sondern sie haben „ihren Einigungswillen aus sich herausprojiziert [und] er ist in dem Schiedsrichter Person geworden“ (Soziologie, 80). Hier zeigt sich auch deutlich der Unterschied zu einem Richter eines staatlichen Gerichtes, der lediglich von einer Seite bestellt werden kann, auch wenn die andere Partei keinerlei Interesse an einer Einigung hat. Allerdings ist auch bei dem Schiedsrichter eine gewisse Komponente von „Obrigkeit“ enthalten, da er, im Gegensatz zum Mediator, eine Lösung verordnet und nicht nur vorschlägt. Dennoch wollen beide, der Schiedsrichter und der Mediator, „die Gruppeneinheit aus der Gefahr der Sprengung retten“ (Soziologie, 82) und verfolgen dasselbe Ziel.

Der zweite Typ, den Simmel beschreibt, ist der „Tertius gaudens“ – der lachende Dritte. Dieser lachende Dritte hat keinerlei Interesse an der Einigung von zwei streitenden Parteien und erzielt seinen Vorteil aus den Streitigkeiten der beiden anderen Parteien.29

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Freund, Julien: Der Dritte in Simmels Soziologie, in: Böhringer, Hannes & Gründer, Karlfried (Hrsg.): Studien zur Philosophie und Literatur des neunzehnten Jahrhunderts, Band 27, Ästhetik und Soziologie um die Jahrhundertwende, Georg Simmel, Frankfurt am Main, Vittorio Klostermann: 1976, S. 90-104, hier: S. 93 29 Freund: Der Dritte in Simmels Soziologie, S. 94 10

Dabei ist es laut Simmel nicht wichtig, wie stark dieser Dritte im Verhältnis zu den beiden anderen ist.30 Es ist lediglich entscheidend, dass die anderen beiden in einem gewissen „Dualismus“ bestehen und gewisse Unterschiede aufweisen.31 Der lachende Dritte kann daraus dann seinen Vorteil ziehen, indem er damit seinen neu gewonnen Machtvorteil ausspielt. Simmel beschreibt besonders zwei Formen des Tertius gaudens. Zum einen, dass „die beiden anderen sich gegenseitig in Schach halten und er nun einen Gewinn einstreichen kann, den ihm sonst einer der beiden streitig gemacht hätte“ (Soziologie, 83) und zum anderen „Wohltaten und Förderungen, die eine Partei einem Dritten zukommen läßt, bloß um die Gegenpartei dadurch zu kränken“ (Soziologie, 83). In beiden Fällen profitiert der lachende Dritte von der antagonistischen Beziehung der beiden anderen Parteien, ohne jedoch diesen Zustand selbst herbeigeführt zu haben. Er ist so gesehen ein Nutznießer der Situation und hat auch kein Interesse daran, diese Situation zu ändern.

Der dritte Typus, den Simmel beschreibt, profitiert zwar ebenfalls von den Unterschieden der beiden anderen Parteien, doch spielt er eine aktivere Rolle als der Tertius gaudens. Diesen Typus nennt Simmel „Dividende et impera“ (Soziologie, 89) – teile und herrsche. Nach Julien Freund agiert dieser Typus entweder prohibitiv oder aktiv, was sich wiederum in zwei Unterformen unterteilen lässt.32 Prohibitiv agiert der Dritte, wenn er ein Verbot der Einigung der beiden anderen erlässt, auch wenn noch keine Gefährdung seiner Macht bevorsteht. Simmel schreibt dazu: „[D]ie Form der Vereinigung als solche wird gefürchtet, weil sie möglicherweise einen gefährlichen Inhalt in sich aufnehmen könnte.“ (Soziologie, 89). Allerdings gibt es auch die Möglichkeit, dass eine solche Vereinigung durch die beiden anderen bereits angestrebt wird und somit von dem Dritten als Machthaber verhindert werden muss, um seine Macht zu erhalten. 33 Diese Varianten erfolgen allerdings noch recht zurückhaltend.

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Freund: Der Dritte in Simmels Soziologie, S. 94 Freund: Der Dritte in Simmels Soziologie, S. 94 32 Freund: Der Dritte in Simmels Soziologie, S. 95 33 Freund: Der Dritte in Simmels Soziologie, S. 96 31

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In der aktiven Form des Dividende et impera stiftet der Dritte bewusst Unfrieden zwischen den beiden anderen. Dieser Unfrieden kann „durch Hetzen, Verleumdungen, Schmeicheln, Erregen von Erwartungen usw.“ (Soziologie, 92) erreicht werden. Wichtig ist dabei jedoch, dass der Dritte sich so weit im Hintergrund hält, dass die Feindseligkeit, die eigentlich gegen ihn gerichtet sein sollte, nicht an ihn herankommt und er „den Kampf nur an unsichtbaren Fäden lenkt“ (Soziologie, 92). Ebenfalls kann der Dritte in den Kampf eingreifen und für einen der beiden Partei ergreifen und dem anderen im Kampf zur Seite stehen. Allerdings tut er dies nur so lange bis die eine Partei besiegt - zumindest aber ruiniert oder stark geschwächt - ist und er dann den anderen Rivalen bekämpfen kann.34

Würde nun ein vierter, fünfter oder sechster zu den vorher beschriebenen Erscheinungsformen hinzutreten, würde sich laut Simmel nichts ändern (Soziologie, 75f).35

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Die Rolle des Dritten in Simmels Soziologie

Wie in den vorhergehenden Kapiteln deutlich geworden ist, ist für Simmel Gesellschaft ein Prozess bestehend aus Wechselwirkungen zwischen Individuen. Dieser Standpunkt zieht sich wie ein roter Faden durch seine Soziologie. 36 Diese Wechselwirkungen kommen, wie zuvor dargestellt, zwar auch bei einer dyadischen Konstruktion vor, doch sind diese nicht dauerhaft. Sobald einer aus der Verbindung austritt, entfällt die Wechselwirkung. Wechselwirkungen haben etwas dynamisches, etwas veränderliches, an sich. Darum sind sie so wichtig für den Fortbestand der Gesellschaft. Der Dritte ist nun ein wesentlicher Teil der Gesellschaft und somit seiner Soziologie. Simmel bezeichnet ihn sogar als „formal soziologische Bereicherung“ (Soziologie, 68). Dieser Dritte macht Wechselwirkungen erst dauerhaft möglich. Und ohne diese Wechselwirkungen würde Soziologie nicht möglich sein. So lässt sich sagen, dass ohne 34

Freund: Der Dritte in Simmels Soziologie, S. 96f Fischer: Die Triade, S. 60 36 Helle: Soziologie und Erkenntnistheorie, S. 118ff 35

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den Dritten die gesamte Soziologie nach Simmel gar nicht erst möglich wäre. Sicherlich wäre es auch möglich sich weiterhin mit soziologischen Phänomenen, wie beispielsweise den anfangs beschriebenen Kreisen, zu beschäftigen, doch würde so der Ursprung bzw. die „Möglichkeit“ der Gesellschaft und somit der Grundstein der Soziologie fehlen. Die Wechselwirkungen, die durch den Dritten dauerhaft möglich werden, sind das apriorische Prinzip nach dem Simmel gesucht hat, der Dritte wirkt konstitutiv. Thomas Bedorf spricht sogar von dem Dritten als „Scharnierfigur“, der die Gesellschaft verbindet.37 Der Dritte ist des weiteren Störenfried und Stabilisator in einer Person. Ob es nun der Tertius Gaudens, der Vermittler oder der Dritte vom Typ „Dividende et impera“ ist. Sie alle stehen in einem Verhältnis zu den beiden anderen und binden diese an sich, entweder durch Störung oder Verstärkung:

Die soziologische Verbindung zu zweien wird dadurch bezeichnet, dass beides fehlt: sowohl die verstärkte Verknüpfung durch den dritten bzw. durch einen über beide hinausgreifenden sozialen Rahmen, als auch durch die Störung und Ablenkung der reinen und unmittelbaren Gegenseitigkeit. (Soziologie, 69)

Für Simmel stellen diese drei Erscheinungsformen des Dritten die entscheidenden Funktionen dar. Julien Freund und Thomas Bedorf kritisieren hingegen, dass Simmel sich immer auf einen Konflikt bezieht. 38 Freund schreibt, dass Simmel lediglich „die Streitformen aufgeführt hat und nicht die Eintrachts- oder Gemeinschaftsformen, zu welchen das Vorhandensein des Dritten Veranlassung gibt“ und bemerkt, dass Simmel zwar in Nebensätzen solche Möglichkeiten erwähnt, diese jedoch nicht ausführt.39

Dennoch ist für Philipp Hessinger klar, dass der Dritte eine entscheidende Rolle besonders für die Wechselwirkungen spielt: „[D]er Dritte ist der erste, der hinzutritt

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Bedorf, Thomas: Der Dritte als Scharnierfigur, Die Funktion des Dritten in sozialphilosophischer und ethischer Perspektive, in: Eßlinger, Eva; u.a. (Hrsg.), Die Figur des Dritten, Ein kulturwissenschaftliches Paradigma, Berlin, Suhrkamp: 2010, S. 125-136, hier: S. 125 38 Bedorf: Dimensionen des Dritten, S. 118 39 Freund: Der Dritte in Simmels Soziologie, S. 96f 13

wodurch die Beziehung des Selbst und des Anderen alteriert wird.“.40 Hessinger lenkt den Blick somit auf die sich verändernde Beziehung von zwei streitenden Akteuren, die sich letzten Endes an dem Dritten orientieren. Diese Veränderung der Beziehung von zwei Konfliktparteien ist für ihn ein wesentlicher Punkt in der Soziologie Simmels.

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Fazit

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Entdeckung bzw. Positivierung des Dritten in Simmels Soziologie eine entscheidende Rolle spielt, jedoch die Typologisierung des Dritten ein wenig zu kurz reicht.

Das Aufdecken des Dritten, der dauerhafte Wechselwirkungen möglich macht, ermöglicht einen gezielteren Umgang mit dem Wesen der Gesellschaft. Auch wenn Simmel selbst den Gesellschaftsbegriff nicht näher definiert und diese mangelnde Definition es erschwert die Bedeutung des Dritten in seinem Verständnis näher einzuordnen, verhilft es doch dazu, sich mit anderen Theorien, die sich lediglich auf zwei Akteure beschränken, wie die von Hegels Herr-Knecht-Verhältnis, besser und kritischer auseinanderzusetzen. Allerdings weisen die Beispiele, die Simmel nennt, an einigen Punkten erhebliche Mängel auf, wenn man versucht sich auf die reine Quantität von Individuen zu bestimmen. Simmels Beispiele beschreiben oft einzelne Institutionen, wie die Arbeiter, Unternehmer oder Herrscher. Teilweise bekommen dadurch seine Beispiele einen Hauch von Politikphilosophie und entfernen sich von der Sozialphilosophie, auch wenn die Trennung dieser beiden Gebiete in diesem Fall nur schwer auszumachen ist.

Besonders bei den Erscheinungsformen des Dritten ergeben sich einige Fragen, die von Simmel selbst, wenn überhaupt, nur am Rande gestreift werden. So geht es bei allen

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Hessinger, Philipp: Das Gegenüber des Selbst und der hinzukommende Andere, Die Figur des Dritten in der soziologischen Theorie, in: Eßlinger, Eva; u.a. (Hrsg.), Die Figur des Dritten, Ein kulturwissenschaftliches Paradigma, Berlin, Suhrkamp: 2010, S. 65-80, hier: S. 65 14

Typen - sei es der Vermittler, der lachende Dritte und der Dritte vom Typ „Dividende et impera“ - immer um eine Form der Macht. Der Vermittler, der vermeintlich neutral agiert, muss von den beiden streitenden Parteien anerkannt werden und erhält so eine gewisse Machtposition. Der lachende Dritte bezieht seine Macht aus den Vorteilen, die er aus den Streitigkeiten der anderen zieht und der Dritte in der Erscheinungsform des „Dividende et impera“ versucht seine Macht zu stärken oder aufrechtzuerhalten. Es wäre sicherlich interessant, Simmels Soziologie auf diese Formen der Macht zu untersuchen und einen Vergleich zu ähnlichen Theorien, wie beispielsweise der Theorie der Anerkennung Axel Honneths, zu ziehen. In den Darstellungen Simmels stehen alle drei Typen am Rand. Sie stellen keinen integrierten Teil der Gesellschaft dar, sondern sie bleiben außen vor, auch wenn sie in gewisser Weise die Gesellschaft zusammenhalten. So fehlen einige Erscheinungsformen, die etwas positiver gelagert sind und integrativer Bestandteil der Gruppe sind. Eine mögliche Form könnte beispielsweise der Sinnstifter sein. Er agiert friedlich und bewirkt, dass ihre Differenzen ihm zuliebe oder aus ihm heraus relativiert werden. Beide Parteien folgen ihm nicht aus Angst oder aus Not, sondern weil sie einen Sinn in seiner Existenz erkennen. In solch einer extremen Form des Dritten, würde die verbindende Funktion des Dritten deutlich zu erkennen sein.

Doch auch wenn die Ausarbeitungen Simmels zum Dritten im Detail mangelhaft sind, so ist doch gerade das Herausstellen des Dritten eine Leistung, die ihm zuerkannt werden sollte. Auch die erkenntnistheoretische Grundlage, die er verwendet um Soziologie, seinem Verständnis nach, möglich zu machen ist beachtenswert. Sie untermauert ein Konstrukt, das lediglich unter Berücksichtigung dieser Grundlagen wirklich zu verstehen ist. 7

Literaturverzeichnis

BEDORF, Thomas: Dimensionen des Dritten, Sozialphilosophische Modelle zwischen Ethischem und Politischem, in: Waldenfels, Bernhard (Hrsg.), Phänomenologische Untersuchungen, Band 16, München, Fink: 2003 15

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