Die Nachricht • Fakten in Kurzfassung • Prägnanz der Sprache • Hierarchische Gliederung nach Wichtigkeit • Objektive Schilderung • Quellenangabe • Erweiterung zum Bericht durch Hinzufügung von Hintergründen, Einzel-‐ heiten und Zusammenhängen • Ergänzung im Baukastenprinzip Der Bericht • Umfangreiche Meldung, längere Nachricht • Tatsachenbetonte Darstellungsform • Mit Zusammenhängen, Hintergründen, Vorgeschichte und Konsequenzen • Sachlicher Stil, aber auch Atmosphärisches, Feuilletonistisches, Persönli-‐ ches • Besonderheiten suchen, Allgemeinplätze vermeiden, Personen und Din-‐ ge beim Namen nennen. Der Aufbau der Nachricht Am 26. Dezember gegen 19.00 Uhr wurde hiesiger Dienststelle über Notruf mit-‐ geteilt, dass in Neustadt in der Gerbergasse ein Wohnhaus brennt. Wir trafen zeitgleich mit der Feuerwehr in der Gerbergasse ein. Die Feuerwehr versuchte sofort, den Brand zu löschen. Von Anwohnern wurde in Erfahrung gebracht,
dass sich in der brennenden Wohnung noch eine Person aufhalten sollte. Die Feuerwehr betrat mit schwerem Atemschutzgerät das Anwesen und stellte fest, dass die Wohnungsinhaberin – eine 71-‐jährige gehbehinderte Frau – tot in der Küche lag. Die Wohnung wurde durch den Brand schwer beschädigt. Soweit der Originalbericht der Polizei. Kein Nachrichtenredakteur kommt auf den Gedanken, seine Meldung so zu formulieren. Er wird schreiben: Bei einem Brand in Neustadt ist eine 71-‐jährige Frau ums Leben gekommen. Nach Angaben der Polizei wurde sie von der Feuerwehr tot in der Küche gefun-‐ den. Die Frau war gehbehindert. Die Wohnung wurde schwer beschädigt. Über die Ursache des Brandes teilte die Polizei noch nichts mit. Der Polizeibericht ist chronologisch aufgebaut, die Nachricht hierarchisch. Das heißt: Das Wichtigste kommt zuerst, das Unwichtigste steht am Schluss.
Dieser Nachrichtenaufbau nach Wertigkeit entspricht dem Prinzip der selek-‐ tiven Wahrnehmung. Danach werden nur Nachrichten rezipiert, die Interesse wecken. Der Nachrichtenaufbau erlaubt von daher das schnelle Weiterspringen zur nächsten Meldung, wenn der erste Satz nicht gefällt.
Durch die Schilderung des Hintergrunds wird eine Nachricht informativer: Vor-‐ geschichte, Parallelen, Zusammenhänge, Zusatzinformationen nach den sechs W-‐Fragen bereichern die Meldung. Dadurch ergibt sich das Bausteine-‐Modell, dessen Einzelteile – bis auf den Kern zu Beginn – variiert werden können: Der Kern: Was ist das Wichtigste, das Interessanteste, das Neueste? Was will der Leser, Hörer, Zuschauer unbedingt wissen? Was sollte er unbedingt wissen? Die Einzelheiten: nähere Informationen zum Kern der Nachricht, weitere Fak-‐ ten. Die Quelle: in vielen Fällen ein wichtiger Baustein der Nachricht. Nur wenn der Nachrichtenreporter das Ereignis selbst beobachten konnte, also bei eigenem Augenschein, entfällt die Quelle. Der Hintergrund: -‐ eine Vorgeschichte, Ereignisse, die der neuen Nachricht vorangegangen sind. -‐ einen Zusammenhang, Informationen, die mit dem neuen Ereignis verknüpft sind oder verknüpft sein können und es in eine weitere Dimension stellen. -‐ Zusatzinformationen (auch lexikalischer Art), also Fakten, die als Verständnis-‐ hilfen dienen können, aber auch darüber hinaus interessant sind. Die W-‐Fragen helfen dabei, einen Vorgang vollständig zu erfassen:
• Wer ist beteiligt? • Was ist passiert? • Wo und wann war es? • Wie lief es ab? • Warum geschah es? • Woher wissen wir das? Ob die Nachricht vom Rezipienten aufgenommen wird, entscheidet sich beim Leadsatz. Dieser Einstieg enthält die Kernaussage und lockt zum Weiterlesen. Es gibt vier Formen des Leadsatzes: 1. Der klassische Leadsatz („summary lead“) enthält alle wesentli-‐ chen Angaben. Er ist deshalb oft sehr lang. „Materialwissenschafter der RWTH Aachen entwickelten in Koope-‐ ration im Rahmen eines EU-‐Projektes ein kostengünstiges Verfah-‐ ren zur kratzfesten Kunststoffbeschichtung von Edelstahl.“ 2. Der plakative Leadsatz („modified lead“) beschränkt sich auf das Wichtigste. Er isoliert kurz und bündig eine zentrale Aussage. Meis-‐ tens bündelt er die Quintessenz mehrerer Einzelnachrichten. „Aachener Wissenschaftler stellten einen neuen Werkstoff vor.“ 3. Der einleitende Leadsatz („blind lead“) steckt nur dem Rahmen ab. Er dient als Einstiegshilfe. „Materialwissenschaften verändern unsere Welt.“ 4. Der erweiterte Leadsatz schafft Verknüpfungen unterschiedlicher Faktoren.
„Nachdem Aluminium-‐Karosserien im Automobilbau immer be-‐ gehrter werden, arbeiten Werkstofftechniker intensiv an extrem stabilen Legierungen.“ Überschriften und Lead müssen aufeinander abgestimmt sein. Nach dem Lead folgen die weiteren Bausteine in der Rangfolge ihrer Wichtigkeit. Es gelten da-‐ bei die gleichen Kriterien wie bei der Nachrichtenauswahl: • Wissens-‐ und Orientierungswert, • Gebrauchswert, • Gesprächs-‐ und Unterhaltungswert. Nachrichtensprache Oberstes Sprachgebot ist die Verständlichkeit. Wer infor-‐mie-‐ren will, muss so formulieren, dass ihn möglichst viele ver-‐stehen. Das gilt für alle Massenmedi-‐ en. Die optimale Verständlichkeit von Informationstexten wird erreicht durch: • Einfachheit in Satzbau (max. 10 Worte) und Wortwahl (0 Fach-‐/Fremdwörter) • Gliederung und Aufbau des Gesamttextes • Kürze und Prägnanz • zusätzliche Stimulans oder belebende Elemente. Zweifellos haben die Medien wegen ihres Vorbildcharakters eine Mitverant-‐ wortung dafür, dass die Sprache funktionsfähig und vielgestaltig bleibt. Sie sind aber nicht die Sprach-‐schu-‐le der Nation. Die Verständlichkeit für möglichst vie-‐ le muss vor allen anderen Kriterien Vorrang haben.
Es gibt zahlreiche von Sprachwissenschaftlern aufgestellte und von Journalisten angewendete Ratschläge für das Ziel, größtmögliche Verständlichkeit zu errei-‐ chen: ·∙ Lineare Abfolge der Gedanken und logische Verknüpfung. ·∙ Keine überfrachteten Sätze. ·∙ Verbal-‐ statt Nominalstil. ·∙ Keine lexikalische Varianz -‐ d.h. beim einmal ausge-‐wählten Begriff bleiben (nicht Parlament für Bundestag usw.) ·∙ Das Wichtigste am Anfang sagen. Dabei Verb nach vorn. ·∙ Übersichtliche Sätze -‐ keine Verschachtelungen. ·∙ Konkrete Wörter, möglichst wenig Abstraktes, keine Fremdwörter. ·∙ Aktive Sprache, keine Passivformen / Handelnde beschreiben. ·∙ Allgemein: Orientierung an der Alltagssprache. Bei Nachrichten und Berichten wird die Sprache spröder, weil von jedem Kommentar Ab-‐ stand gehalten werden muss. Die Beschreibung von Fakten vermin-‐ dert die Zahl zur Verfügung stehender Wörter erheblich. Die wichtigsten sprachlichen Techniken sind die direkte und die indirekte Rede. Die direkte Rede kommt selten, nur bei besonders wichtigen Äußerungen zum Zuge. Das geschieht, weil es Aufgabe des Nachrichtenjournalisten ist, das Ge-‐ sagte in komprimierter Form zusammen zu fassen. Das beste sprachliche Hilfsmittel dazu ist die indirekte Rede Die Umsetzung sprachlicher Äußerungen in die indi-‐rek-‐te Rede bedarf der Regel zweier grammatikalischer Opera-‐ti-‐onen:
• der Transformation des Personalpronomens und • des Wechsels vom Indikativ in den Konjunktiv I Beispiel: Direkte Rede: Erika sagte: "Ich bin krank." Indirekte Rede: Erika sagte, sie sei krank. Da der Nachrichtenjournalist meist über fremde Äußerungen berichtet, muss er ständig mit dem Konjunktiv umgehen. Genau, direkt und verständlich Im Idealfall formuliert der Nachrichtenredak-‐ teur genau, direkt und verständlich. Er vermeidet Schachtelsätze, gibt Verben den Vorzug vor substantivierten Verben, verwendet Fremdwörter nur sparsam und nur solche, die gut eingeführt sind, benutzt überhaupt keine Fachausdrü-‐ cke und setzt Zahlen nur selten ein. Er entzieht sich der Suggestionskraft des von den Nachrichtenagenturen vorgeschlagenen Nachrichtendeutsch. Beispiel: Von der Nachrichtenagentur kommt eine Meldung, die mit dem Satz beginnt: "Bundeskanzler X hat den französischen Staatspräsidenten Y zu Ge-‐ sprächen über die Situation im Irak empfangen." Dieser Satz enthält fünf Informationen. (Name des Kanzlers, Name des franzö-‐ sischen Staatspräsidenten, Ziel des Besuchs, Thema der Gespräche, Akt des Empfangs.) Sollen Nachrichten aber genau, direkt und verständlich sein, empfiehlt es sich, die Informationen zunächst in zwei Sätze aufzuteilen und die Substantive, wo möglich, in Verben zu verwandeln. Genau sind Nachrichten stets in der Charakterisierung der Akteure, also in Na-‐ men und Amtsbezeichnungen. Direkt wird die Meldung, wenn man sich zunächst auf das Geschehen kon-‐ zentriert: "Bundeskanzler X hat den französischen Staatspräsidenten Y empfan-‐
gen." Leichter verständlich wird die Meldung, wenn das Ziel des Treffens im zweiten Satz genannt und das Substantiv "Gespräch" wiederum in ein Verb verwandelt wird. "Sie wollen über die Lage im Irak sprechen." Außerdem kann man für das Fremdwort "Situation" ohne deutschtümelnd zu wirken das deutsche Wort "Lage" verwenden. Nachrichten sollten unbedingt in einer wertneutralen Spra-‐che abgefasst wer-‐ den. Der Nachrichtenjournalist ist ständig mit dem Versuch konfrontiert, eigene Absichten oder Hand-‐lun-‐gen positiv darzustellen. Beispiele: • Verteidigungspolitik wird als Kriegspolitik bezeichnet • Arbeiter werden nicht entlassen, sondern freigesetzt • Politische Täter werden als Freiheitskämpfer bezeichnet usw. Sprachliche Distanzierung ist sehr häufig nötig und nicht immer durch die indi-‐ rekte Rede oder den Konjunktiv zu erreichen. Eine weitere Möglichkeit ist die Verwendung des Hilfsverbs "sollen" und die Kenntlichmachung zweifelhafter Begriffe oder Aussagen durch die Hinzufügung des Wortes "sogenannt“.