Die Mitte in der Krise Rechtsextreme Einstellungen in Deutschland 2010 Oliver Decker, Marliese Weißmann, Johannes Kiess & Elmar Brähler Universität Leipzig und Universität Siegen Im Auftrag der Friedrich-Ebert-Stiftung Forum Berlin
Gliederung • Die Studie „Die Mitte in der Krise“ • Ergebnisse: Rechtsextreme Einstellung in Deutschland 2010 • Mögliche Ursachen für rechtsextreme Einstellungen • Zusammenfassung und mögliche Konsequenzen
Einführung: Die „Duale Definition“ des Rechtsextremismus (nach Richard Stöss 2005)
Rechtsextremismus
Einstellungen
Rechtsextremes Weltbild als mehrdimensionales Einstellungsmuster
Verhalten
Wahlverhalten Mitgliedschaft Provokation Gewalt
Dimensionen rechtsextremer Einstellung Definition: Rechtsextremismus ist ein Einstellungsmuster, dessen verbindendes Kennzeichen Ungleichwertigkeitsvorstellungen sind. Diese äußern sich in einer Affinität zu: ¾Befürwortung einer rechtsautoritären Diktatur ¾Chauvinismus ¾Ausländerfeindlichkeit ¾Antisemitismus ¾Sozialdarwinismus ¾Verharmlosung des Nationalsozialismus
Messung der Dimensionen „Kreuzen Sie bitte bei den folgenden Aussagen an, inwieweit Sie den einzelnen Aussagen zustimmen.“ Antwortmöglichkeiten: 9 9 9 9 9
stimme voll und ganz zu stimme überwiegend zu teils/teils lehne überwiegend ab lehne völlig ab
Untersuchung:
Repräsentativerhebung
Datenerhebung: USUMA (Berlin) Zeitraum:
April 2010
Stichprobe:
Bevölkerung in Deutschland 14-90 Jahre West: 1.907 Personen Ost: 504 Personen
Projektleiter:
Elmar Brähler, Oliver Decker
Ergebnisse: Rechtsextreme Einstellungen in Deutschland 2010
Verteilung der Antworten „Ausländerfeindlichkeit“ (Zustimmung in Prozent) lehne völlig ab
lehne überwiegend ab
stimme teils zu, teils nicht zu
stimme überwiegend zu
stimme voll und ganz zu
Die Ausländer kommen nur hierher, um unseren Sozialstaat auszunutzen.
17,3
17,0
31,4
20,5
13,8
Wenn Arbeitsplätze knapp werden, sollte man die Ausländer wieder in ihre Heimat zurückschicken.
21,4
18,5
28,4
16,8
14,9
Die Bundesrepublik ist durch die vielen Ausländer in einem gefährlichen Maß überfremdet.
21,0
16,0
27,4
21,9
13,7
Rechtsextreme Einstellungen in Abhängigkeit vom Geschlecht (Zustimmung 2010 in Prozent) Männer (N=1113)
Frauen (N=1298)
Befürwortung Diktatur
5,6
4,6
Chauvinismus
21,4
17,5
Ausländerfeindlichkeit
25,6
23,9
Antisemitismus
9,6
7,9
Sozialdarwinismus
4,2
3,7
Verharmlosung Nationalsozialismus
3,8
2,9
Rechtsextreme Einstellungen in Abhängigkeit vom Alter (Zustimmung 2010 in Prozent) 14-30 Jahre (N=413)
31-60 Jahre (N=1185)
>60 Jahre (N=813)
Befürwortung Diktatur
4,1
4,9
5,8
Chauvinismus
19,9
16,6
22,8
Ausländerfeindlichkeit
21,1
21,3
31,3
Antisemitismus
4,9
7,1
12,9
Sozialdarwinismus
4,1
4,2
3,6
Verharmlosung Nationalsozialismus
2,4
2,9
4,3
Rechtsextreme Einstellungen in Abhängigkeit vom Schulabschluss (Zustimmung 2010 in Prozent) Abitur (N=341)
Kein Abitur (N=2074)
Befürwortung Diktatur
2,4
5,5
Chauvinismus
11,8
20,5
Ausländerfeindlichkeit
13,9
26,4
Antisemitismus
5,3
9,2
Sozialdarwinismus
3,2
4,1
Verharmlosung Nationalsozialismus
1,2
3,6
Rechtsextreme Einstellungen in Abhängigkeit von Gewerkschafts- oder Kirchenmitgliedschaft (Zustimmung 2010 in Prozent) Gewerkschaftsmitglied (N=303)
Kein Mitglied (N=2022)
Evangelisch (N=968)
Katholisch (N=823)
weder/ noch (N=550)
Befürwortung Diktatur
4,6
5,2
5
6,2
3,8
Chauvinismus
22,2
18,9
21,1
19,8
16,1
Ausländerfeindlichkeit
26,8
24,1
25,8
24,8
22,9
Antisemitismus
8,6
8,6
7,7
11,2
6,4
Sozialdarwinismus
4,6
3,9
3,9
4,3
3,5
Verharmlosung Nationalsozialismus
1,7
3,6
3
4,3
2,4
Einflussfaktoren für die Herausbildung rechtsextremer Einstellungen
Wichtigste Einflussfaktoren für die Herausbildung rechtsextremer Einstellungen (Zusammenfassung der Studien 2006-2010) Negative Erziehungserfahrungen, insbes. Gewalterfahrung
Niedrige Resilienz, starkes Misstrauen Geringe Lebenszufriedenheit, ökonomisch-soziale Abstiegsängste
Gefühl der politischen Einflusslosigkeit Unzufriedenheit mit der Politik/ mit der Demokratie
Rechtsextreme Einstellung
Sozioökonomische Faktoren • Die höchste Zustimmung zu rechtsextremen Einstellungen zeigt sich in der unteren Mittelschicht (West), bzw. in der prekarisierten Unterschicht (Ost) • Nicht die Einschätzung der individuellen wirtschaftlichen Lage, sondern die Einschätzung der Gesamtlage ist ein Einflussfaktor für rechtsextreme Einstellungen Fazit: Ökonomische Situation und rechtsextreme Einstellung hängen zusammen, aber nicht linear Die Unterstützung der Demokratie ist im Falle einer (wahrgenommenen) Bedrohung des wirtschaftlichen Wohlstands gefährdet. Wird ihr Wohlstandsversprechen nicht eingelöst, wackelt das demokratische Fundament
Diskussion und Ergebnisse
Ergebnisse • Rechtsextreme Einstellungen sind in allen Bevölkerungsgruppen vorhanden • Trendwende im Vergleich zu 2002-2008: wieder Zunahme rechtsextremer Einstellungen • Folgen der Krise spürbar: vor allem bei vom sozioökonomischen Abstieg bedrohten Personen steigen rechtsextreme Einstellungen • Aber: höher als die wirtschaftliche ist die politische Deprivation. Die gleichzeitig niedrige Zustimmung zur praktischen Demokratie zeigt, dass diese derzeit von vielen Bürger/innen nicht mit Leben gefüllt werden kann
Mögliche Konsequenzen • (Noch) Mehr Demokratie wagen • mehr Politik wagen, Zivilgesellschaft stärken • Bildung als Voraussetzung zur Teilhabe am demokratischen Prozess und Schutzfaktor • Gesellschaft neu denken – die Arbeitsgesellschaft reformieren • Umgang mit Schwächeren als Lackmustest der Demokratie • Achten auf nichtdiskriminierende Diskurse
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Die Studie steht zum kostenfreien Download zur Verfügung unter: www.fes-gegen-rechtsextremismus.de. Kontakt: Dr. Dietmar Molthagen Friedrich-Ebert-Stiftung, Landesbüro Thüringen Nonnengasse 11, 99084 Erfurt Tel. 0361/ 59 80 20, Mail:
[email protected]