DIE MENSCHENRECHTE AUS ISLAMISCHER SICHT

Im Namen des gnädigen und barmherzigen Gottes DIE MENSCHENRECHTE AUS ISLAMISCHER SICHT Von Abdullah Leonhard Borek, Imam der Deutschen Muslim-Liga e....
Author: Fabian Schulze
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Im Namen des gnädigen und barmherzigen Gottes

DIE MENSCHENRECHTE AUS ISLAMISCHER SICHT Von Abdullah Leonhard Borek, Imam der Deutschen Muslim-Liga e.V. Als Menschenrechte werden subjektive Rechte bezeichnet, die jedem Menschen gleichermaßen zustehen. Das Konzept der Menschenrechte geht davon aus, dass alle Menschen allein aufgrund ihres Menschseins mit gleichen Rechten ausgestattet und dass diese egalitär begründeten Rechte universell, unveräußerlich und unteilbar sind. Die Idee der Menschenrechte ist eng verbunden mit dem Humanismus und der im Zeitalter der Aufklärung entwickelten Idee des Naturrechts. Die Erklärung der Menschenrechte erfolgte am 26.08.1789 in Paris. In Deutschland wurden sie zum ersten Mal im Grundgesetz von 23.05.49 verfassungsrechtlich anerkannt. Im Westen waren sie ein politisches Instrument gegen Jahrtausende Gewaltherrschaft zur Erreichung und Bewahrung der Individualrechte. Davor war die totale Kontrolle durch den Verwaltungsapparat auf allen Ebenen die Norm; Beispiel: Absolutismus, Faschismus und Stalinismus. Somit ist das hier zu behandelnde Thema eines der schwierigsten Themen unserer Zeit. An dieser Stelle ein Zitat vom Senior der deutschen Muslime, Muhammad Aman Hobohm (geb. 1926): “Das Menschenrechtsverständnis des “modernen”, des “aufgeklärten” Menschen – und ich setze diese beiden Adjektive in Anführungszeichen – basiert auf dem Wertesystem, in dessen Mittelpunkt der Mensch steht. Im Islam dagegen basiert das Menschenrechtsverständnis aus einem Wertesystem, dessen Autor Allah ist.” Nach “westlichem” Verständnis ist der einzelne Mensch das Maß aller Dinge selbst unter Außerachtlassung der Tatsache, dass der Mensch ein Gesellschaftswesen ist und daher die Interaktion mit anderen für ihn eine absolute Notwendigkeit ist. Das läuft auf eine grenzenlose Selbstverwirklichung des Individuums auf Kosten der Allgemeinheit hinaus mit allen sich daraus ergebenden negativen Folgen für die Gesellschaft, auf die im Einzelnen an dieser Stelle nicht eingegangen werden kann. So betrachtet stehen die landläufigen Vergleiche zwischen westlichem “humanistischem” Menschenrechtsverständnis und religiösem (besonders islamischen) Menschenrechtsverständnis vom Ansatz her nicht auf gleicher Ebene. Man redet deswegen aneinander vorbei. Wieso eigentlich? Ist die Herrschaft in islamischen Ländern anders gewesen? Die Antwort darauf lautet: Ja. Trotz unleugbarer Gewalt- und Willkürherrschaften in der islamischen Welt, in Vergangenheit und Gegenwart, konnte der Gang der islamischen Geschichte nicht zu einer solchen Erklärung (der Menschenrechte) führen. Individual- und Gemeinschaftsrecht in islamischen Ländern wird weitgehend von islamischen Normen und nicht durch den Willen des Herrschers bestimmt. Mit den islamischen Normen hat man sich abgefunden, zumal diese gleichermaßen auf Herrscher und Beherrschte Anwendung finden. Trotz Gewaltherrschaft und Unterdrückung (besonders der Minderheiten) kam es zu keiner Massenbewegung dank der Normierung des Lebens durch den Islam. Wenn die Muslime heute versuchen, mit der Idee der Menschenrechte Schritt zu halten, dann ist es zwar ein guter Versuch, der allerdings in nachhinein gestartet wird. Wie bei Anhängern anderer Religionen versucht man hinterher zu ergründen inwieweit die jeweilige Religion mit der Vorstellung der Menschenrechte konform geht. Man befragt die islamischen Quellen. Egalität Allen einzeln genannten Menschenrechten übergeordnet ist das Prinzip der Gleichberechtigung, das durch Maßnahmen der Gleichstellung umgesetzt wird. Es lautet in Konventionen und Verfassungen meist wie folgt:

„Jeder Mensch hat Anspruch auf die hiermit garantierten Menschenrechte und Freiheiten, ohne irgendeine Unterscheidung, wie etwa nach Rasse, Farbe, Geschlecht, Sprache, Religion, politischer und sonstiger Überzeugung, nationaler oder sozialer Herkunft, nach Eigentum, Geburt oder sonstigen Umständen.“ Die heutige Diskussion um die Gleichberechtigung von Mann und Frau dreht sich in der Sache um diese wichtige Grundsatznorm. Dabei wird häufig eine soziale oder gesellschaftliche Gleichheit oder Gleichstellung mit dem Differenzierungsverbot der Grundund Menschenrechte verwechselt. Die Forderung nach faktischer Gleichstellung lässt sich auf den Grundsatz der Universalität offenbar nicht stützen. Das Universalitätsprinzip oder Differenzierungsverbot verbietet die in ihm genannten rechtlichen Differenzierungen. Es verlangt weder Gleichheit noch deren logischen Unterfall Chancengleichheit. Chancengleichheit gegenüber dem Staat ist ein tatsächlicher Rechtsreflex der Regelung, soweit sie reicht. (Chancen-)Gleichheit in allen auch privaten Bereichen des Lebens ist nicht Inhalt der Regelung. Sie staatlich auf diesem oder jenem Gebiet oder Teilgebiet erreichen zu wollen, kollidiert leicht und logisch unausweichlich mit der obersten Maxime der Menschenrechte, wenn nicht auf andere Kriterien als die im Differenzierungsverbot genannten abgestellt wird. Auf Rasse, Farbe, Geschlecht, Herkunft etc. darf beispielsweise niemals bevorzugend oder benachteiligend abgestellt werden. Zulässige Kriterien sind beispielsweise Krankheiten, Behinderungen, mangelnde oder überragende Begabungen usw. Unteilbarkeit Ergänzend zum Grundsatz der Universalität der Menschenrechte wird auch der Anspruch ihrer Unteilbarkeit erhoben. Menschenrechte müssen demnach stets in ihrer Gesamtheit verwirklicht sein. Eine Umsetzung von Freiheitsrechten ist nicht möglich, wenn nicht gleichzeitig das Recht auf Nahrung verwirklicht ist. Umgekehrt geht die Verletzung wirtschaftlicher oder kultureller Rechte, etwa Zwangsvertreibung, Verbot von Sprachen oder Entzug von Lebensgrundlagen, in der Regel auch mit der Verletzung bürgerlicher und politischer Rechte einher. Welche Hauptmerkmale der westl. Menschenrechte gelten als “Säulen”. Es gibt 3 Hauptkategorien: 1. Individuelles (persönliches und menschliches) Freiheitsrecht, Schutz- und Abwehrrecht gegenüber Mitmenschen und Staat; Recht auf Leben und körperl. Unversehrtheit; Recht auf Gewissens- und Glaubensfreiheit; Recht auf Eigentum. 2. Recht auf politische Freiheit; Mitwirkungsrechte wie Pressefreiheit, Freiheit von Wissenschaft, Forschung und Lehre; Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit. 3. Soziale Grundrechte; Recht auf Arbeit, soziale Sicherheit und sozio-kulturelle Entfaltung. Auf der UNESCO-Menschenrechtskonferenz im September 1991 wurde festgestellt, daß der Islam mehr als 20 grundlegende Menschenrechte ohne Vorbehalte akzeptieren kann. Dazu gehört z.B. das Recht auf Leben, auf Schutz gegen Übergriffe und Mißhandlungen, das Recht auf Asyl, auf Minderheitenschutz, auf Freiheit des Glaubens, das Recht auf soziale Sicherheit, Arbeitsschutz, Niederlassungsfreiheit und jegliche geistige Entfaltung. Untersuchen wir zunächst die Voraussetzungen für diese Menschenrechte. Das ist deswegen nötig, damit nachgeprüft werden kann, ob auf islamischem Boden solch ein Menschenrechtsverständnis entstehen kann. Man liest häufig, dass der Koran den Menschenrechten entgegensteht. Da immer auf den Koran verwiesen wird, muß man diese Dinge auch aus koranischer Sicht begreifen. Diese 1789 in Paris verkündeten Menschenrechte haben natürlich den Menschen als Menschen vorausgesetzt. Das heißt, der Mensch, unabhängig von Religion, Nationalität, Hautfarbe usw. spielt eben nur als Mensch dabei eine Rolle. Man hat keinen Katalog von Rechten aufgestellt. Diese Erklärung hatte zunächst keinerlei Verbindlichkeit. Die Verkünder 2 von 6

konnten aufzählen, was sie wollten, aber nirgendwo war die Verbindlichkeit begründet. Die Frage ergab sich daraus, warum alle Menschen dann gezwungen sein sollen, diese (Menschenrechte) zu berücksichtigen. Es gibt keine Garantien, denn alles, was diese hätte geben können, wurde ausgeschaltet. Es ist keine Religion mehr da, die das garantiert: Man hat sie ausgeschaltet. Es gibt keine Autorität, die sich auf Abstammung oder dem Herkommen oder der Geschichte begründet. Man hat einfach alles ausgeklammert. Es sollte eine Grundlage geschaffen werden, die für alle Menschen eben als Mensch in der Welt verbindlich sein muss. Das führte in philosophischer Hinsicht zu einem großen Problem. Mehrere Schritte wurden unternommen um dies zu erreichen. Der erste Schritt war die Feststellung der Würde des Menschen. Das ist eine Voraussetzung. Darüber sind sich alle einig und haben diese als unumstrittene Grundlage akzeptiert. Dieses hat den Verfechtern der Menschenrechte zu einem zweiten Schritt verholfen: der Gleichheit aller Menschen. Der dritte Schritt war dann die Gerechtigkeit unter diesen gleichen und würdigen Menschen. Diese drei Phänomene bildeten die theoretische Grundlage, Legitimation und Verbindlichkeit der Menschenrechte. Also vier Punkte 1. Der Mensch als Mensch; 2. Die Würde des Menschen; 3. Die Gleichheit aller Menschen und 4. Gerechtigkeit. Als Muslime müssen wir prüfen, ob diese Grundlagen vom Korân gebilligt werden oder sich sogar im Korân finden. Kann der Korân den Menschen als Mensch billigen? Wenn nicht, dann ist die ganze Diskussion sinnlos. Bekannt ist, daß der Islam zwischen denjenigen unterscheidet, die Muslime sind und denjenigen, die nicht Muslime sind. Da erhebt sich die Frage hinsichtlich der Auseinandersetzungen, die mit Nichtmuslimen geführt werden. Wo bleibt der Mensch als Mensch? Für Mohammed (a.s.) selbst und den Korân stand der Mensch als Mensch im Vordergrund. Wenn er gläubig war, war es gut; wenn er Monotheist war, war es noch besser; wenn er Polytheist war, und darauf kommt es an, war er nicht so ganz gut, aber dennoch hatte er das Recht auf Leben. Das ist das Entscheidende. Das wird wie folgt begründet: Es gibt Verse im Korân, die an Polytheisten gerichtet sind, wo kein Zwang im Glauben verkündet wird. Der Korânvers, den die Muslime immer wieder zitieren (la ikraha fid-din), richtet sich nicht an Christen und nicht an Juden und nicht an Monotheisten. Wenn man den Vers weiterliest, da ist die Rede von taghût, von Götzen. Dieser Vers richtet sich an Polytheisten, an Götzenanbeter und diesen sagt der Korân: “Es gibt kein Zwang im Glauben. Der richtige Weg ist vom falschen unterschieden.” Die Handlungen von Muhammad (a.s.) selbst, gehen in diese Richtung. Gegen Ende seines Lebens (630), als er mit den Medinensern in Mekka einzog, hat er zwar die Götzenbilder zerstört, die Polytheisten aber am Leben gelassen. Diese hatten sich im Hause von Abu Sufyan, dem Anführer der Mekkaner, versammelt und mussten versprechen, sich nicht gegen die Muslime zu stellen, also die Feindseligkeiten einzustellen. Das ist das Entscheidende. Nicht die Religion, sondern aktive Feindschaft war der Grund für die Auseinandersetzung. Im Geiste dieser Anerkennung des Menschen als Mensch an sich gibt es weitere Belege. In einem Schreiben Alis, des 4. Kalifen, als er Malik Ashtar als Gouverneur nach Ägypten sandte, findet sich ein klassischer Satz: “Die Leute, denen Du in Ägypten begegnest, sind entweder Deine Brüder im Glauben oder sind wie auch Du Geschöpfe Gottes.” Es mag sein, daß der eine oder andere an der Authentizität dieses Satzes zweifelt, sicher ist aber, daß nach diesem Satz mindestens seit dem 2. Jahrhundert der H. bis heute feststeht, dass der Nichtgläubige als Mitgeschöpf anerkannt und unverletzbar ist. Ein Phänomen, dem, ganz sachlich betrachtet, wir in anderen Bereichen im Sinne der Religion kaum begegnen. Leider wurde das im Verlauf der Geschichte des Islam gänzlich vergessen. Wie sehr haben sich die Muslime untereinander bekriegt, weil der eine den anderen in seinen Vorstellungen nicht akzeptieren konnte. 3 von 6

Und nun zur Würde des Menschen. Die Muslime sind stolz, dieses Wort “Würde” des Menschen als Menschen im Korân gefunden zu haben. Das ist in Sura “Bani Israïl” (17, alIsra’) Vers 70 “wa laqad karamna Bani Adam”; “karamna” kommt von der Wurzel “karama”; oder hängt damit zusammen. Heute wird im arabischen Sprachgebrauch und zwar unabhängig vom Korân der Ausdruck “Menschenwürde” mit “karama insaniyah”; bezeichnet. Der Korân sagt das ganz eindeutig und eindeutig bedeutet nicht nur Muslime, nicht nur Christen oder Juden, hier heißt “bani Adam”, die Kinder Adams, d.h. allen Menschen haben wir Würde verliehen. Eine Steigerung davon ist nicht vorstellbar. Im Zusammenhang mit dieser karama, und das ist wichtig, das ist im Korân und nicht jetzt rekonstruiert und beliebig analog zu den Menschenrechten erfunden. Das entspricht dem Artikel 1 des Grundgesetzes: “Die Würde des Menschen ist unantastbar”. In Verbindung mit dieser karama kommt das zweite Phänomen, nämlich Gleichheit. Die Muslime argumentieren auch mit dem Korânvers Sure 49 “Al Hudschurat” Vers 13. Dasselbe Wort und dann hier “Der Würdigste unter Euch vor GOTT (nicht vor den Menschen)“; das ist entscheidend …… ist der Frömmste. Hier wird ausdrücklich die Würde und die Gleichheit im Korân dargestellt. Dazu kommt noch eine von allen Glaubensrichtungen akzeptierte hadîth “Kein Araber besitzt einen Vorzug gegenüber einem Nichtaraber und kein Nichtaraber gegenüber einem Araber” — also eine völlige Abwendung von Rassismus. Keine Hautfarbe (rot - wahrscheinlich ist damit diese helle gemeint) hat Vorzug vor einer Schwarzen und auch nicht umgekehrt. Nur taqwa, die Frömmigkeit ist es, die die Menschen vor GOTT unterscheidet. Was wollen wir mehr; das war schon vor 1.400 Jahren. Es mag ja sein, daß der Eine oder Andere an der Richtigkeit dieser hadîth zweifelt, fest steht mindestens, daß dieser Ausspruch seit dem 2. oder 3. Jahrhundert Bestandteil der islamischen Tradition ist. Kommen wir jetzt zu dem 4. Punkt: Gerechtigkeit. Was die Gerechtigkeit betrifft, so ist das nicht nur eine Sache des Islams. Nach dem Korân ist die Gerechtigkeit das Programm der Sendung schlechthin. Die Gerechtigkeit ist das Ziel der prophetischen Sendung. (Sura Al Hadid 57,25 “Wir haben die Propheten mit Büchern und Beweisen geschickt, um Gerechtigkeit unter den Menschen einzurichten.”) Ich kehre jetzt zurück zu den 3 Kategorien, die ich in der Analyse der westlichen Menschenrechte anfangs erwähnte, um zu überprüfen, was davon aus islamischer Sicht vertretbar ist und was nicht. Zur ersten Kategorie gehört individuelles Freiheitsrecht, Schutz- und Abwehrrecht gegenüber Menschen und Staat. Hier muss leider zugegeben werden, dass wir nur sehr selten in der Geschichte einen solchen islamischen Staat hatten, der die erwähnten korânische Grundrechte aufrechterhalten hat. Man kann nicht von einem umfangreichen Freiheits-, Schutz- und Abwehrrecht sprechen, wenn dieses in Konflikt zu den Interessen der Herrschenden stand. Gäbe es dagegen einen islamischen Staat, der diese Werte zu verwirklichen sucht, bestünde dazu aus islamischer Sicht kein Hindernis. Das Problem ist lediglich praktischer Natur. Freiheit innerhalb einer islamischen Gemeinschaft darf allerdings nicht so weit gehen, dass sie etwa zur Aufhebung oder Widerlegung des Korâns führt. Der Korân ist für eine islamische Gesellschaft wie ein Grundgesetz; hier dürfen wir auch nicht unsere Freiheit missbrauchen und und versuchen die ersten 20 Artikel abzuschaffen. Das kann jede Gemeinschaft, jede Gesellschaft verstehen, denn sonst hebt sich die Gesellschaft selbst auf. Solange das Grundgesetz bewahrt bleibt, ist die Freiheit und muß die Freiheit gegeben sein. Kommen wir zu dem weiteren Punkt, einer anderen Kategorie und zwar der schwierigsten, nämlich Recht auf Freiheit. Das ist das Schwierigste und bleibt es auch; da muß die Praxis normativ wirken. Schliesslich muss die persönliche Freiheit mit der Freiheit der anderen Individuen und der Gesellschaft als Ganzes in Einklang gebracht werden. Aber Recht auf Leben (eine andere Kategorie) stellt wahrhaftig kein Problem im Islam dar.

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Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Hier kann nur das oberste Prinzip im Islam wiederholt werden wie in Sure Al Ma’idah (5), Vers 33 zu lesen ist: “wenn einer jemanden tötet ohne Grund, ist es so als hätte er die ganze Menschheit getötet.” Stärker kann man das nicht ausdrücken und wenn einer ein Leben rettet, dann ist es so, als hätte er die ganze Menschheit gerettet. Recht auf Gewissens- und Glaubensfreiheit: Wie bereits ausgeführt, ließ man aus dem Korân begründet selbst die Polytheisten am Leben, solange sie nicht aktiv als Feinde gegen die Muslime auftraten. Im Laufe der Geschichte hat man das unterschiedlich geregelt. So gab es Zeiten im Orient wie auch im Westen (etwa in Spanien), wo man unabhängig von bestimmten Glaubensrichtungen ganz brüderlich und vorbildlich miteinander umging und eine großartige Kultur bzw. Zivilisation zustande brachte. Politische Freiheit im Sinne der Mitwirkungsrechte: Korân Sure 9 (At-Tauba), Vers 71 gibt eine Grundlage dafür, daß die gläubigen Männer und Frauen Verantwortung - jeder für jeden - tragen und Politik im Islam ist nichts anderes als Verantwortung. Die islamische Politik wie aus dem Korân zu verstehen, ist keine Herrschaft. Was die Muslime daraus gemacht haben, ist eine andere Sache. (Prinzip der Solidarität?). Wir können deswegen den Korân nicht ändern. Politik ist eine gesellschaftliche Verantwortung, an der jeder, Frau und Mann, beteiligt ist. Diese Mitwirkungsrechte müssen die Muslime sich heute erkämpfen. Recht auf Eigentum: ist kein Problem und braucht hier nicht behandelt zu werden. Hiermit kann man die westl. Menschenrechte Punkt um Punkt mit denen des Korân vergleichen. Ein Problem bleibt: Es wird immer wieder gegen den Islam bzw. die Muslime angeführt. Das ist die Ungleichheit der Rechte der Frau, das ist der schwerste Vorwurf und auch das schwierigste Problem. Die Frauen, die Hälfte der Menschheit, sind auch Menschen. Tatsache ist, daß Ungleichheit durch schari’a oder fiqh fixiert wurden. Dazu ist aber zu sagen, daß diese Fixierung kein Dogma im Sinne vom Korân und sunna ist. Der Korân gibt Ansätze dafür, dass man die Rechte der Frauen gegenüber den Rechten der Männer schützt, damit die Frauen nicht zu kurz kommen. Man muß sich vor Augen halten, dass mit jedem “Recht” auch Pflichten einhergehen. Frauen haben ein Recht auf Schutz und Unterhalt seitens der Männer und zwar nicht nur in der Ehe sondern auch im weiteren Familienkreis. Selbst wenn eine Frau vermögend ist, verpflichtet sie das nicht zu einer finanziellen Beteiligung. Aus islamischer Sicht geht es nicht um eine Gleichberechtigung im Sinne des Westens sondern darum, dass Frauen nicht benachteiligt werden weil sie Frauen sind. Das kann man sowohl vom Korân, wie auch der sunna neu begründen. Das Phänomen Gleichberechtigung ist ein abendländisches Phänomen, das in der Geschichte verankert ist. Zusammenfassend ist zu sagen: Menschenrechte sind aus der Idee der Erringung von Individualrechten entstanden und zwar im 18. Jhdt. Nach dem 2. Weltkrieg erhielten sie ein neues Leben, weil man sie als Grundlage des Zusammenlebens in Europa braucht. In den 70er Jahren des 20. Jhdt. gab es einen neuen Auftrieb, weil man den Rest der Welt gegen den Kommunismus formieren wollte. Heute wiederum werden die Menschenrechte als politisches Mittel gegen diejenigen Länder verwendet, die einem nicht genehm sind. Das Problem bleibt: Wer ist eigentlich imstande, die Durchsetzung der Menschenrechte in der Welt zu garantieren? Welche Institution? Die Institutionen, die wir kennen, haben schon in der Golfkrise gezeigt wie alle versagen. Soll nun der Westen garantieren? Da erhebt sich die Frage: Werden im Westen keine Menschenrechte verletzt? Es ist nicht hinnehmbar, was in der 3. Welt mit politischen Gegnern geschieht, aber auf wen sollen diese Regierungen hören? Sie wissen, dass die immer von Menschenrechten Redenden nicht besser sind und sich auch nicht anders verhalten, nämlich unglaubwürdig. Eine Hoffnung bleibt: dass diejenigen, die wirklich einer Religion angehören, ganz gleich ob Juden, Christen oder Muslime, selbstkritisch werden. Wo gibt es denn ein Land in der islamischen Welt, in dem die Muslime einander gleich behandeln? Das trifft auch auf die

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christliche und jüdische Welt zu. Wir haben einander nichts vorzuwerfen. Wir sollten uns zuerst selbst kritisch beobachten. Solange auf der Welt eine Einstellung zueinander herrscht, dass einige besser sind als andere, werden wir keinen Frieden in der Welt und auch nicht mit der Einhaltung der Menschenrechte rechnen können. 22.10.2009, Haus der Religionen, Hannover.

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