Die Geschichte des Bergbaus in Tirol und seinen angrenzenden Gebieten

Klaus Oeggl, Veronika Schaffer (Hg.) Die Geschichte des Bergbaus in Tirol und seinen angrenzenden Gebieten Proceedings zum 6. Milestone-Meeting des S...
Author: Angela Grosse
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Klaus Oeggl, Veronika Schaffer (Hg.)

Die Geschichte des Bergbaus in Tirol und seinen angrenzenden Gebieten Proceedings zum 6. Milestone-Meeting des SFB HiMAT vom 3.-5.11.2011 in Klausen/Südtirol

Klaus Oeggl, Veronika Schaffer Institut für Botanik, Spezialforschungsbereich (SFB) HiMAT, Universität Innsbruck

Der SFB HiMAT wird gefördert vom Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung, der Autonomen Provinz Bozen Südtirol, Land Tirol, Land Salzburg, Land Vorarlberg, von der Kulturabteilung des Landes Tirols sowie der Universität Innsbruck.

© innsbruck university press, 2012 Universität Innsbruck 1. Auflage Alle Rechte vorbehalten. www.uibk.ac.at/iup Umschlagmotiv: Ansitz Seebegg, Klausen, Foto © Mag.a Barbara Viehweider Redaktion, Layout und Graphik: Mag.a Veronika Schaffer ISBN 978-3-902811-80-6

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Analysen zum prähistorischen Erzabbau in der Grube Mauk E, Radfeld: Dendro-Daten, Holzbedarf und Waldnutzung Thomas Pichler1, Gert Goldenberg2, Klaus Hanke3, Kristof Kovács3, Andrea Thurner1, Kurt Nicolussi1 Institut für Geographie, Universität Innsbruck Institut für Archäologien, Universität Innsbruck 3 Institut für Grundlagen der Bauingenieurwissenschaften 1 2

Die vergleichsweise kleine Abbaugrube Mauk E, Gemeinde Radfeld, ist eine zentrale Lokalität zur Erfassung der prähistorischen Bergbautätigkeit im Unterinntal. Die Grabungen in dieser Grube dauern bereits die gesamte Laufzeit des SFB HiMAT an. Für Fragen der Datierung wesentlich sind dabei die zahlreichen Holzkohlen als Überreste des als Abbautechnik eingesetzten Feuersetzens. Mit Fortdauer des Projektes nimmt nicht nur die Menge an geborgenen und dendrochronologisch ausgewerteten Holzkohlestücken zu, es wurden auch wiederholt Vermessungsarbeiten zur Abschätzung der abgebauten Gesteinsmasse durchgeführt. Die Zahl der dendrologisch und dendrochronologisch ausgewerteten Proben ist inzwischen (Stand: Sommer 2011) auf 240 gestiegen. Zusätzlich zu den Ergebnissen früherer Auswertungen – die Proben dazu stammen aus dem hinteren Grubenabschnitt beziehungsweise von den Grabungsschnitten S3 und S4 (Pichler et al., 2010) – finden sich nun auch Dendro-Daten aus dem vorderen Grubenbereich beziehungsweise zu Schnitt S1 (Abb. 1). Bei den neuen 92 Analysen sind bisher ausschließlich Holzkohlestücke von Nadelhölzern (Fichte (Picea abies): n=67, Tanne (Abies alba): n=22, und Lärche (Larix decidua): =1; zwei Holzkohlestücke sind dem Fichte/Lärchentyp zuzuordnen) erfasst worden. Dieses Ergebnis einer überwiegenden Verwendung von Nadelholz als Feuersetzmaterial deckt sich mit jenem aus dem hinteren Grubenabschnitt, gewonnen an Material aus S3 und S4, und bestätigt damit die Arbeitshypothese einer selektiven Holzgewinnung. Dass prinzipiell durchaus mehr Baumarten im Probenmaterial erwartbar gewesen wären, wird durch Ergebnisse, erarbeitet an Holzmaterial einer Erzaufbereitungsanlage im nahe gelegenen Schwarzenberg Moos, gezeigt. Für diese Anlage ist neben der Nutzung von Nadelhölzern auch jene von sechs verschiedenen Laubholzarten nachgewiesen (Nicolussi et al., 2010). Die Länge der Jahrringserien des untersuchten Probenmaterials von S1 spiegelt die in der Regel geringe Größe der Holzkohlestücke wider: Median = 35. Einzelne Probenstücke von S1 weisen jedoch bis zu 93 Jahrringe auf. Trotz der überwiegend geringen Länge der Jahrringserien von S1 konnten 73% der analysierten Stücke mit der bestehenden lokalen Chronologie von Mauk E synchronisiert werden. Die Zahl, der die lokale Chronologie aufbauenden Jahrringserien, erhöht sich damit von 60 (Pichler et al., 2010) auf 133 Proben.

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Einzelne Abschnitte der die Zeitskala von 855-707 v. Chr. abdeckenden Chronologie weisen nun Belegungen von über 80 Serien auf. Während eine Verlängerung der Chronologie mit den neu analysierten Stücken bislang nicht erreicht werden konnte (Stand 2011: n=240 / 149 Werte umfassende Chronologie), liegen nun mit den datierten Jahrringserien von S1 zeitliche Vergleichsergebnisse zu den Grabungsbereichen des hinteren Grubenabschnittes von S3 und S4 (Abb. 2) vor. Auffallend dabei ist die geringe zeitliche Streuung der jeweils jüngsten erfassten Jahrringdaten der unterschiedlichen Schnitte: in S1 datiert das jüngste Datum (Probe mit Waldkante auf 708 v. Chr.; S3: 707 v. Chr., S4: 711 v. Chr. jeweils ohne Waldkante). Die geringe zeitliche Varianz der erfassten Endjahre der Holzkohlestücke aus den Grabungsbereichen S1 und S3 erlaubt zudem eine Einschätzung der Dauer der prähistorischen Abbautätigkeit in der Grube Mauk E, die über die Frage der chronologischen Einordnung der Feuersetzarbeiten hinausgeht. Sieht man bei S1 von den datierten Holzkohlestücken der geringmächtigen basalen Schicht ab (der jüngste gemessene Jahrring – ohne Waldkante – markiert das Jahr 723 v. Chr.) lässt sich beim derzeitigen Stand der Auswertungen ein weniger als 10 Jahre umfassendes Zeitfenster für die im Zuge der Ausgrabung differenzierten Schichten dieses Schnittes feststellen. Damit könnte durchaus die Größenordnung der Betriebsdauer in der Grube erfasst worden sein, was jedoch von weiteren Faktoren, die gegenwärtig noch einer detaillierteren Untersuchung harren, abhängig ist. Dazu zählen etwa Annahmen zu den prähistorischen Versatzarbeiten und die damit verbundene mögliche Störung der zeitlichen Stratigraphie, zur Saisonalität der Arbeiten (Ganzjahres- oder saisonaler Betrieb), zum Grad der Arbeitsteilung sowie zur Zahl der Beschäftigten. Die bisherige zeitliche Verteilung der Datierungsergebnisse zielt jedoch auf einen singulären, wenige Jahre dauernden Bergbau auf Kupfer ab.

Abb. 1: Grubenplan Mauk E. S1, S2, S3 und S4 markieren die Lage des Fundmaterials (erg. nach G. Goldenberg, 2008). Eine Abschätzung des notwendigen Holzeinsatzes für den Gesteinsabbau ist über die durch PP14 mittels Laserscans erarbeiteten Daten zur Grube Mauk E (das Volumen des hinteren Grubenabschnittes beträgt 63,7 m3, vgl. Abb. 3) und in Anlehnung an Ergebnisse aus experimentell durch

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Abb. 2 Abb. 3 Abb. 2: Mauk E, Schnitt S3, Westprofil. Eingetragen in die sich farblich voneinander abhebenden Schichten ist das jeweilige Endjahr des jüngsten erfassten Jahrringes (Photo: G. Goldenberg, 2008). Abb. 3: Grundrissplan des hinteren Grubenabschnittes von Mauk E basierend auf Vermessungsdaten (3D-Laserscanning).

Abb. 4: Darstellung des Holz-Gestein Verhältnisses durchgeführten Feuersetzversuchen in verschiedenen Minen.

erarbeitet

aus

experimentell

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geführten Feuersetzversuchen (z.B. Py, 2009) möglich. Der Bedarf an Holz, der für den Abbau einer bestimmten Menge an Gestein notwendig ist (Verhältnis Holz-Gestein), variiert und hängt von mehreren Faktoren ab, die im Wesentlichen von der Beschaffenheit des Holzes (z.B. Grad der Feuchtigkeit), der Versuchsanordnung sowie Parametern des abzubauenden Gesteins (z.B. spezifisches Gewicht) bestimmt werden. Auf Grundlage zahlreicher publizierter Feuersetzversuche, deren Ergebnisse in Abb. 4 zusammengefasst sind, kann für Berechnungen des Holzbedarfs für den Abbau in der Grube Mauk E ein Gestein-Holz Gewichtsverhältnis von 1:1 angenommen werden. Darüber hinaus sind weitere Prämissen zu treffen: spezifisches Gewicht Gestein: 2,7 g/cm3 (frdl. Mitteilung Hr. Dr. M. Krismer); spezifisches Gewicht Holz (Fichte): 0,48 g/cm3 (Grosser, 1977). Unter diesen Voraussetzungen ist ein Holzbedarf in der Größenordnung von ca. 360 fm erforderlich, der sich deutlich reduzieren beziehungsweise erhöhen kann, wenn sich einzelne Faktoren ändern wie etwa das Verhältnis Gestein-Holz (vgl. Tab. 1). Über die Abschätzung der Dauer der Abbautätigkeiten kann zudem auch der mittlere Holzbedarf pro Jahr bestimmt werden. Zu betonen ist, dass sich abhängig von den eingehenden Annahmen eine hohe Schwankung des Holzbedarfs ergibt. Die vorgelegten Ergebnisse verstehen sich daher als eine quantitative Abschätzung, die allerdings nötig ist, um Abläufe in prähistorischen Bergbaugebieten besser fassen zu können. Tab. 1: Abschätzung des Holzbedarfs bei geänderten Annahmen zum Verhältnis von Holzmenge (Gewicht) und der damit durch Feuersetzen abgebauten Gesteinsmasse (erste Spalte: GesteinHolz Gewichtsverhältnis): Gesamtbedarf sowie Bedarf pro Jahr für unterschiedliche Abbauandauer (erste Zeile: Abbau in der Grube in Jahren).

Ein weiterer zentraler Aspekt der Analysen zum Holzbedarf in der Grube Mauk E ist die Erfassung der Auswirkungen auf den ausgebeuteten Wald, die sich entsprechend der Entnahme einer bestimmten Menge an Feuerholz ableiten lassen. Die Annahmen dafür basieren auf Ergebnissen, die zum Teil im Vorfeld erarbeitet und in früheren Arbeiten vorgestellt wurden. Prämissen für die Erfassung des Einflusses auf den Wald: i) jährlicher Holzbedarf: 36 m3 (geschätzte Abbaudauer 10 Jahre, Holz-Gestein Gewichtsverhältnis 1:1) ii) Stammdurchmesser der genutzten Bäume: bis 30 cm (=0,9 m3; vgl. Ergebnisse in Pichler et al., 2010)

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iii) nachwachsende Holzmenge pro ha eines umliegenden Waldes lt. gegenwärtigen Ertragstafeln: bis 10 m3 pro Jahr (frdl. Mitteilung Hr. D.I. F. Riccabona, Abteilung Forstplanung, Tiroler Landesregierung) Diese Prämissen vorausgesetzt bedarf es einer vergleichsweise kleinen Waldfläche von ca. 4 ha um ausgeglichen zu bilanzieren, d.h. die Menge an entnommenem Holz entspricht jener Menge, die pro Jahr nachwächst ohne Nachteil auf das Waldbild. Diese mögliche Form der Bewirtschaftung des Waldes durch die prähistorischen Bergleute in Form einer Plenterwirtschaft könnte zudem eine plausible Erklärung dafür sein, dass nur wenige der bisher analysierten Holzkohlestücke so genannte Auflichtungserscheinungen, d.h. abrupte positive Zuwachsänderungen, zeigen. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass nach bisherigen Ergebnissen, erarbeitet an Holzkohlen aus der feuergesetzten Grube Mauk E, Bergbauaktivitäten über vergleichsweise wenige Jahre um 710 v. Chr. stattgefunden haben. Genutzt wurde zum Feuersetzen überwiegend Stammholz der noch heute lokal dominierenden Nadelbaumarten (hauptsächlich Fichte und Tanne) mit Stammdurchmessern bis zu 30 cm. Ein Großteil der analysierten Holzkohlestücke belegt aufgrund des Jahrringbildes einen Standort in einem vorwiegend geschlossenen Primärwald, was auf eine selektive Einzelstammentnahme hinweist.

Literatur Goldenberg, G. (2008): Urgeschichtlicher Kupferbergbau bei Radfeld. In: Dorfbuch Radfeld, Radfeld, pp. 65-70. Grosser, D. (1977): Die Hölzer Mitteleuropas. Ein mikrophotographischer Lehratlas. Springer, Berlin. Nicolussi, K; Thurner, A; Pichler, T. (2010): The Wooden Remains from the Prehistoric Ore Processing Site Schwarzenbergmoos near Radfeld/Brixlegg (Tyrol). In: Anreiter, P; Goldenberg, G; Hanke, K.; Krause, R.; Leitner, W.; Mathis, F.; Nicolussi, K.; Oeggl, K.; Pernicka, E.; Prast, M.; Schibler, J.; Schneider, I.; Stadler, H.; Stöllner, T.; Tomedi, G.; Tropper, P.: Mining in European History – Proceedings of the 1st Mining in European History-Conference of the SFB HiMAT, 12.-15. November 2009, Innsbruck. IUP, Innsbruck, pp. 239-244. Pichler, T.; Nicolussi, K; Thurner, A; Goldenberg, G. (2010): Dendrochronological dating of charcoal originating from an Early Iron Age fire-set pit in the mining area of Schwaz/Brixlegg (Tyrol, Austria). In: Anreiter, P.; Goldenberg, G.; Hanke, K.; Krause, R.; Leitner, W.; Mathis, F.; Nicolussi, K.; Oeggl, K.; Pernicka, E.; Prast, M.; Schibler, J.; Schneider, I.; Stadler, H.; Stöllner, T.; Tomedi, G.; Tropper, P.: Mining in European History –Proceedings of the 1st Mining in European History-Conference of the SFB HiMAT, 12.-15. November 2009, Innsbruck. IUP, Innsbruck, pp. 233-237. Py, V. (2009): Mine, Bois et Forêt dans les Alpes du sud au moyen age. Approches archéologique, bioarchéologique et historique. Thèse de doctorat, L’Université Aix-Marseille I.