Die Geschichte der Muster

Eine Zeitreise durch drei Jahrtausende

Bearbeitet von Diana Newall, Christina Unwin

1. Auflage 2012. Buch. 288 S. Hardcover ISBN 978 3 258 60044 4 Format (B x L): 20 x 25 cm Gewicht: 1194 g

Weitere Fachgebiete > Kunst, Architektur, Design > Kunstgeschichte

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1100 2000 1800

DIANA NEWALL & 1400 CHRISTINA UNWIN v. Chr. Die Geschichte1900 der Muster

Haupt

GESTALTEN

1100 Die Geschichte der Muster 1900 20001800 1400

v. Chr.

Eine Zeitreise durch drei Jahrtausende

Haupt Verlag Bern • Stuttgart • Wien

DIANA NEWALL & CHRISTINA UNWIN

Widmung Dieses Buch ist Frances Pritchard und Grant Pooke gewidmet.

Die englische Originalausgabe erschien 2011

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Diana Newall hat am Courtauld Institute of Art

unter dem Titel The Chronology of Pattern

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Inhalt Muster lesen 6 Muster interpretieren 8 Handhabung des Buches 10 Muster betrachten 12

1100 v. Chr. 300 n. Chr.

1400 1500

1800 1900

Vorgeschichte bis Antike 14

Fünfzehntes Jahrhundert 90

Neunzehntes Jahrhundert 186

1500 1600

1900 2000

Sechzehntes Jahrhundert 110

Zwanzigstes Jahrhundert 218

1600 1700

2000 2011

Siebzehntes Jahrhundert 134

Einundzwanzigstes Jahrhundert

300 700 Spätantike und frühestes Mittelalter 36

700 1100 Frühmittelalter

50

1100 1400

1700 1800

Hoch- und Spätmittelalter 68

Achtzehntes Jahrhundert 162

Zeitachse Glossar Literatur Register Dank

254 272 276 280 284 288

EINLEITUNG

Muster lesen D

ieses Buch nimmt den Leser mit auf eine Zeitreise durch 3000 Jahre Mustergeschichte. Es zeigt, wie Muster im Laufe der Zeit entworfen, überarbeitet, verändert und wiederverwendet wurden – in Form unzähliger Stile und Kombinationen. Geschmack, Mode, Politik und Vorstellungen über Vergangenheit und Zukunft verändern sich ständig und spiegeln sich in der Kreativität von Künstlern und Designern, die Muster in materiellen wie virtuellen Medien im Kontext ihrer eigenen Kultur und Gesellschaft entwickeln. Muster bestehen aus Motiven, die als wiederholte, abgewandelte, alternierende, symmetrische oder asymmetrische Formen miteinander in Beziehung stehen. Sie sind integraler Bestandteil der mit ihnen verzierten Objekte: Kleidung, Schmuck, Waffen, Textilien, Tapeten, Möbel, Töpferwaren, Gemälde, Skulpturen und Gebäude. Um ein Muster zu lesen, ist eine nähere Betrachtung des kulturellen und sozialen Kontextes seines Entwurfs und Sitzender Buddha, 550–577, China

Die Gestaltung dieser komplexen Devotionalie orientiert sich am Vorbild der natürlichen Form der Lotusblume, dem spirituellen Flammensymbol und religiösen Figuren, die Buddha darstellen.

6

des damit verzierten Objekts nötig. Warum wurde das Objekt geschaffen? Von wem wurde es entworfen, gefertigt oder verziert? Wer durfte es betrachten? Welche Funktion sollte es erfüllen? In welcher Beziehung stand es zu seiner Umgebung? Gemusterte Objekte haben eine Wirkung; sie lenken die Aufmerksamkeit des Betrachters auf die optischen Qualitäten von Materialien und Techniken. Durch Farben, Formen und die Reflexion des Lichts können Muster Vorstellungen und Emotionen vermitteln. Auch die bloße Kunstfertigkeit des Künstlers vermag zu verzaubern, ohne dass der Betrachter die Funktion oder den historischen Kontext des Musters verstehen muss. Muster ziehen den Blick des Betrachters auf sich, stellen aber auch einen Bezug her zum verzierten Objekt sowie dem sozialen Kontext, in dem es steht oder stand. Muster sind auch wichtig für den individuellen oder gruppenhaften Ausdruck von Status und Macht im kulturellen oder politischen Sinn. So lässt z. B. ein verzierter Teller Rückschlüsse auf den Geschmack des Besitzers oder der Gesellschaft zu, in der dieser lebt. Die künstlerische Qualität kann Wohlstand oder Macht signalisieren, auch können die Ursprünge des Musters Bezüge zur Vergangenheit herstellen, um so etwas über Identität oder Status auszusagen. Werden Motive kombiniert, vergrößert sich ihre individuelle Bedeutung. Das Nebeneinander verschiedener Muster lässt etwas Neues entstehen. Die Wiederholung einzelner zusammengesetzter Motive oder einer ganzen Sequenz von Formen ist wichtig für Gestaltung, Einfluss und Bedeutung von Mustern. Die Art, wie Muster den Blick auf

die Oberfläche eines Objekts gliedern, spiegelt die kulturelle Prägung im Denken des Gestalters. So wurden z. B. in Reihen angeordnete klassische griechische Lotus- und Palmettenmotive von Künstlern der frühen Eisenzeit zu abstrakten Mustern umgestaltet, die sich in verschiedene Richtungen über die verzierten Oberflächen verteilten. Komplexe Muster lassen sich in verschiedene Richtungen, auf unterschiedlichen Ebenen sowie in verschiedenen Kombinationen lesen, wodurch selbst eine zweidimensionale Gestaltung zu einer multidimensionalen Erfahrung wird. So vereinen z. B. komplexe arabische Muster aus dem Nahen Osten florale und geometrische Formen durch beinahe unzählige V   erbindungen von Farben, Formen, Motiven und Wiederholungen. Die Gestaltung eines Musters schöpft aus einem reichen Fundus an Quellen, Einflüssen und V   orstellungen, selbst wenn es an sich stark stilisiert oder in offensichtlich einfachen Formen kodiert erscheint. Das kulturelle, soziale und politische Umfeld der Menschen, die Objekte in Auftrag gaben und herstellten, führte zu psychologischer Komplexität, historischer Bedeutung, ritueller Symbolik und zeitgenössischen Nuancen in den Mustern, die die Objekte zierten. Die Art, wie Impulsgeber und Gestalter auf ältere oder in kultureller Hinsicht weiter entfernte Muster reagiert haben, führt zu einer ergiebigen Kontinuität, die wiederum zur weiteren Erforschung von Materialien und Techniken inspiriert. Möbelstoff aus Brokat, um 1475, Italien

Die Muster auf luxuriösen Stoffen des 15. Jh. waren wesentlich für deren Bedeutung als Symbole von Macht und Status, egal ob sie in der Kirche, in einem Adelshaus oder in Form von Kleidung verwendet wurden.

EINLEITUNG

Muster interpretieren M

uster können wie Texte gelesen und interpretiert werden. Die Dekoration von Objekten wird vom kulturellen Umfeld bestimmt, in dem sie hergestellt werden. Im Gegenzug beeinflussen die Objekte die Gesellschaft, in der sie gesehen oder verwendet werden. Gemusterte Objekte bringen komplexe Bezüge untereinander sowie zwischen ihren Gestaltern und Betrachtern zum Ausdruck. Die Art, wie ein Muster auf einer Oberfläche angeordnet ist, ist neben der Frage der Angemessenheit und der Kunstfertigkeit der Ausführung von großer Bedeutung. Gesellschaftliche und kulturelle Traditionen, Werte und Geschmack beeinflussen die Gestaltung von Mustern – abhängig vom Künstler und vom Auftraggeber. In Mustern spiegeln sich natürliche und von Menschen geschaffene Welten – in unterschiedlicher Ausprägung von Realität und Abstraktion – oder auch übernatürliche Sphären und spirituelle Überzeugungen. Muster werden geschaffen, um beim Betrachter eine bestimmte Wirkung zu erzielen. So werden Vorstellungen entwickelt und transformiert, die aus der individuellen und kollektiven kulturellen Erfahrung des Gestalters schöpfen. Zu beobachten ist dies an gemusterten Materialien vieler Weltkulturen, die Ausdruck der Gesellschaft sind, die sie hervorgebracht hat. So steht ein Motiv wie der Lotus in

der ägyptischen Kultur für eine ganze Bandbreite von Bedeutungen, die grundlegend für die Wahrnehmung von Identität und kosmischer Ordnung waren. Muster können Objekte und soziale Räume auch vor ungewolltem spirituellem Einfluss schützen. Werden sie in sozial sensiblen Bereichen, z. B. an Türöffnungen und Türschwellen, angebracht, sollen sie beispielsweise Unheil abwehren. Durch ihre Komplexität und das Wechselspiel von Farbe und Form schlagen Muster den Betrachter in Bann. In unserer modernen Welt ist das Logo eine Inkarnation dieser Schutzfunktion. In seiner Wiederholung auf einem Objekt dient ein Muster, wie das GG-Motiv von Guccio Gucci oder die Abkürzung LV auf den Koffern und Taschen von Louis Vuitton, als kodiertes Zeichen der Identifikation und Legitimierung, als ein mächtiges Symbol der Luxusmarke. Mode spielt bei der Darstellung und Wirkung von Mustern eine herausragende Rolle. Historisch betrachtet spiegelt sie Status und Macht. Zudem lässt sich an ihr ablesen, was in der jeweiligen Gesellschaft als angemessen, erstrebenswert und schön gilt. Das postindustrielle Zeitalter in Europa ging mit nostalgischer Hinwendung zur Vergangenheit und enthusiastischer Begeisterung für die Moderne einher, was sich im Design ebenso zeigte wie in den Prozessen und Materialien, mit

denen Muster gestaltet wurden. Die Wiederverwertung künstlerischer Konzepte hat die Mustergestaltung schon immer beeinflusst. Durch sie veränderte sich das Design, mit dessen Hilfe die Moderne in Kunst und Architektur zum Ausdruck gebracht wurde und das zu einer kulturell reichen und komplexen Gestaltungskraft wurde. Die Mode war schon immer ein Phänomen, das auf Beziehungen über weite Entfernungen hinweg basierte. Seit die ersten Handelsrouten und diplomatischen Beziehungen den Osten mit dem Westen verbinden, wird exotisches Design aus fernen Ländern wegen seiner Seltenheit und seines Prestigecharakters hoch geschätzt. Design im 21. Jh. wurde ebenso von Vorstellungen wie von den Eigenschaften gegenständlicher Materie geprägt. Die Entwicklung von Softwareprogrammen ermöglicht es Künstlern und Designern, ihre Konzepte schnell und einfach virtuell vorzustellen und zu bewerten. Dieser Prozess sowie zunehmendes Wissen im Bereich der Psychologie haben dazu geführt, dass die Grenzen zwischen Design, Form und kreativem Prozess fließender wurden. Muster können auf die tatsächliche Form des Objekts angepasst werden, was am „Vogelnest“, dem Olympiastadion in Peking,

Besatz eines Möbelstoffs,

Möbelstoff „Calyx“,

um 1740, Brüssel, Belgien

Lucienne Day, 1951, England

Der technische Produktionsprozess von Spitze hob die Mustergestaltung auf eine neue Ebene und stand vor dem Aufkommen der maschinellen Fertigung für einen hohen Status und Reichtum.

Im 20. Jh. stand Design für die Verbindung von Form und Funktion, während Muster wie das hier gezeigte weiterhin stilisierte und verspielte Formen aufwiesen.

deutlich wird. Kunsthandwerk ist weiterhin von Bedeutung, wenn es um die Erforschung der Ästhetik und um den Ausdruck individueller Kreativität geht. Designer, die mit allen Arten von Materialien arbeiten, versuchen die Eigenschaften der Materialien ständig neu auszuloten, indem sie auf historische Einflüsse Bezug nehmen und das Potenzial des gewählten Materials kontinuierlich verändern.

EINLEITUNG

Handhabung des Buches D

ieses Buch ist in Kapitel eingeteilt, welche die Zeitabschnitte und Jahrhunderte von 1100 v. Chr. bis 2011 abdecken. Untersucht werden die Mustertypen sowie die Objekte, auf denen die Muster erscheinen. Das Buch schöpft aus einer reichen Auswahl an Mustern und verzierten Objekten aus der ganzen Welt und zeigt, wie sie entstanden und mit dem Betrachter in Beziehung traten. Die Muster werden auf dreierlei Weise untersucht.

Mustereintrag

Muster und Objekte werden detailliert behandelt und im Hinblick auf Formen und Typen der Muster sowie Kontext des Objekts analysiert. Bild

Fotos von Mustern und Objekten wurden ausgewählt, um bestimmte Typen im Rahmen des auf der Seite behandelten Themas zu erläutern.

1

Hauptansatz ist es, eine thematisch verbundene Muster- und Objektgruppe heranzuziehen, deren Formen, Ursprünge, Bedeutungen, Funktionen und Bezüge besprochen werden.

110 0– 140 0 H och - und Spätmitte lalte r

Islamische Muste r 12 0 0 –14 0 0

Islamische Muster

Fliesen, 13. Jh., Varamin, Persien

Die verzahnten Stern- und Kreuzfliesen sind mit Musterbordüren verziert, die Blätter, Pflanzen und Blumen umgeben, deren Formen von einfachen floralen Sternmustern bis hin zu symmetrischen Blattornamenten reichen. Die Fliesen wurden mit einem Lüsterdekor bemalt, das im Irak im 9. Jh. entwickelt wurde. Sie entstammen dem Grab eines Nachkommen Mohammeds. Auf die Ränder jeder Fliese sind Korantexte geschrieben, wobei hier im Gegensatz zum Fliesenzentrum mit dunkler Schrift auf hellem Untergrund gearbeitet wurde.

1200–1400

Allzweckmuster im islamischen Persien

Die Muster, die in Persien im 13. Jh. verwendet wurden, zeigen beliebte Motive aus dem Orient, Ägypten und Westasien und verweisen auf zukünftige Entwicklungen der islamischen Ornamentik im 16. Jh. Von Bedeutung waren zunehmend stilisiertere geometrische Formen, die auf Ranken, Blumen, Blättern und Weinstockmotiven basierten und zu komplex verschlungenen Ornamenten vereint häufig als Arabesken bezeichnet wurden. Die Stilentwicklung in der Ornamentik ging mit einer zunehmenden Virtuosität in vielen Bereichen des Kunsthandwerks einher, für die die Region bekannt war, sei es in der Töpferkunst, Malerei, Buchillustration, Metallbearbeitung, Kalligrafie oder Textilkunst.

Datierung

Die Daten am oberen Seitenrand beziehen sich auf die behandelten Objekte, auch wenn der Zeitraum mehr als ein Jahrhundert umfasst.

Liturgisches Gewand, spätes 14. Jh., Persien

An der Webart dieses Dessins mit Seiden- und Metallfäden lässt sich ablesen, welchen Weg Muster und Güter zwischen China, dem Orient und Westeuropa nahmen. Es entstand wohl im von den Mongolen beherrschten Persien und hat verschiedene Quellen. So könnte der Vogel aus Italien stammen, die Ranken deuten auf chinesische Einflüsse hin. Hinzu kommen Hirschmotive, die europäisch anmuten. Das Gewand selbst ist eine Dalmatik, ein liturgisches Gewand der abendländischen Kirche. Messingkrug oder Aftabeh, 13. Jh., westliches Persien

„Die Arabeske – ein markantes dekoratives Motiv, das auf natürliche Formen zurückgriff, z. B. stiele, Blätter und ranken, deren Anordnung in unzähligen geometrischen Mustern zum Kennzeichen islamischer Kunst wurde.“

Einleitungstext

Der Einleitungstext erläutert detailliert das Thema der Muster und Objekte, erklärt ihre Bezüge und den historischen Kontext.

10

Jonathan Bloom und Sheila Blair, islamic arts, 1997

Die in Kupfer und Silber intarsierten Bordüren um den Bauch des Kruges lassen Ranken und Knotenmuster erkennen. Die zentrale Bordüre weist sitzende Figuren auf, die mit einer Gruppe aus vier Vögeln und einem Kopf alternieren. Sie werden von Ranken umschlungen und sind durch dreistrahlige Formen in einem Kreis verknüpft. Die Bordüren sind durch Mäander voneinander getrennt; an anderer Stelle finden sich Segenssprüche. Quarzfritte-Krug, frühes 13. Jh., Kashan, Persien

Die äußere Schicht dieser Quarzfritte-Keramik – ein keramisches Material aus fein gemahlenem Sand und Kieseln – bildet ein verschlungenes Muster aus Ranken und Blättern. Das Material kam im späten 12. Jh. aus China und inspirierte zu einer enormen Bandbreite von geritzten, geschnitzten, glasierten und verzierten Keramiken. Die Vielseitigkeit des Materials zeigt sich in der transluzenten Glasur und den modellierten Einzelheiten des Hahns.

Buchillustration aus dem Koran, ca. 1370, Persien

Die zentralen Dekorflächen dieser teppichartigen Buchillustration enthalten facettenreiche Muster. Hauptelemente sind sich überschneidende Kreise unterschiedlicher Größe, die einen Hintergrund aus Blattranken überlagern. Die Farben Blau, Gold und Schwarz wechseln abhängig von ihrer Position im Gesamtbild. Die Teilkreislinien an den Schnittstellen bilden Sterne und geschwungene Vielecke, wodurch eine dritte Musterebene entsteht.

MustereLeMente

• Knotenmuster • Figurative Weinranke • Verschlungene und sich überschneidende Weinranken • Ranken in Stern- und Kreuzform • Vögel und wilde Tiere mit floralem Stiel • Verknüpfte Kreisformen, die sternförmige Vielecke bilden

Zitat

Musterelemente

Das Zitat dient dazu, themenrelevante Aspekte herauszustellen. Es entstammt dem Werk eines Experten oder Historikers, der in diesem Bereich gearbeitet hat.

Um die auf dieser Seite besprochenen Muster zusammenzufassen, werden die verschiedenen Elemente und Typen aufgelistet.

H andhabung de s Buch e s

2

Bei besonders herausragenden Kunstwerken oder Gebäuden werden die verschiedenen Musterelemente detailliert analysiert.

Text zum Hauptbild

Bilddetails

In der Bildlegende der Hauptabbildung werden Muster, Thema und Kontext genau beschrieben.

Abbildungen einzelner Muster, die auf dem großen Foto zu sehen sind, werden hervorgehoben und vergrößert.

17 0 0 – 18 0 0 A c h tz e h nte s J ah r h unde rt

Text zum Detail

Höf i sc he B lum e np rac ht 174 0 – 1745

Die Bildlegenden beschreiben die Formen des Musters und stellen den Zusammenhang zum großen Bild her.

MuSTER IM DETAIL

Höfische Blumenpracht 1740–1745 Höfische Gewänder

Englisches Hofkleid

In Anlehnung an den höfischen Stil des 17. Jh. entstand dieses Seidenkleid in England zwischen 1740 und 1745. Auf dem Saum und der Vorderseite des Mieders alternieren die prachtvoll in Seide gestickten RokokoMuscheln mit Paaren geschwungener Schuppenmotive, die durch rankende Blätter verbunden sind, und sich zu Beschlagwerk mit hängenden Quasten an Schlaufen wandeln. Evtl. hat Isabella Courtenay das Kleid bei ihrem ersten Besuch am Hof König Georg II. nach ihrer Hochzeit im Jahr 1744 getragen.

Adlige, die an die königlichen Höfe in England oder Frankreich geladen wurden, kleideten sich speziell für diesen Anlass. Die Damen trugen schwere Seidenkleider mit zu 2 m breiten Reifröcken, mit denen die Trägerin Türdurchgänge nur seitlich passieren konnte. Höflinge in Versailles ließen sich in Sänften die Treppen hinauftragen. Der Rock war mit der kunstvollen Ornamentik von Seidentextilien verziert, die den zweidimensionalen Effekt betonten.

Maritime Elemente

Geriffelte Muschelschalen zwischen eingerollten Farnblättern alternieren mit Motiven aus fächerartigen Muscheln mit paarweisen geschwungenen Formen. Das untere Ende der Muscheln war dick aufgepolstert, um es stärker hervortreten zu lassen.

Mieder vorn

Blumenbuketts

Die hervorstechenden Silbermotive auf dem Rocksaum mit schuppenverzierten Formen, Beschlagwerk und Quasten werden auf dem Mieder in einem senkrecht angeordneten Muster wieder aufgenommen. Kleinere Buketts vielfarbiger Blumen sowie grüne und silberne Blätter sind ebenfalls in das Dessin eingearbeitet.

Rankende Stiele mit Blättern wandeln sich zu verschlungenem, verwinkeltem Beschlagwerk mit über Quasten spiralförmiger Endigung. Den Schuppenmotiven am Saum entspringen große Buketts mit naturalistischen Blumen, u. a. Prunkwinde, Geißblatt, Päonien, Rosen, Mohnblumen, Anemonen, Aurikeln, Hyazinthen, Nelken und Kornblumen. Die Stiele sind mit Silberfaden gestickt, die Blätter in Grün oder Silber. Die unterschiedlich aufgepolsterten Silberblätter überstrahlen das Gesamtmuster mit zarten Lichtreflexen und unterstreichen den sanften Schimmer des weißen Seidenuntergrunds.

Quasten

Aus dem spiralförmigen Beschlagwerk gehen zwei silberne Kordeln hervor, die lose verschlungen drei Schlaufen bilden, durch die eine dritte Kordel geflochten ist. Die mit Silberfaden gestickten Kordeln wirken fransig und haben aufgepolsterte Quastenenden.

Hauptbild

Hier wird entweder ein einzelnes verziertes Werk, z. B. eine Gebäudefassade, ein Gefäß oder Kleid, oder ein erläuterndes Bild mit vielen Mustern gezeigt.

18 0 0 – 19 0 0 N e un z e h nte s J ah r h unde rt

W i l l i am M orri s 1834 – 18 9 6

William Morris Einleitung

Die Einleitung erklärt den Kontext des Hauptobjekts oder -bilds und definiert die Musterformen.

3

Wichtige Personen und Gestalter, die bei der Entwicklung und Verbreitung von neuen Mustern eine bedeutende Rolle gespielt haben, werden anhand einer ausführlichen Biografie vorgestellt.

1834–1896

Morris, aus wohlhabendem Hause, war begeisterter Leser mittelalterlicher Romane und Volkserzählungen. Er besuchte das Marlborough College und erforschte die Ruinen und Kirchen der Grafschaft Wiltshire, was seine Liebe zu Landschaft und mittelalterlicher Architektur weckte. In Oxford begann er 1853 das Studium der Literatur und Altphilologie mit dem Ziel einer kirchlichen Laufbahn. Er traf dort mit den Künstlern Edward Burne-Jones, Dante Gabriel Rossetti und seiner späteren Frau Jane Burden zusammen. Fasziniert von den Schriften John Ruskins begann sich Morris für Buchmalerei zu begeistern. Morris stellte sich aus sozialen Gründen gegen die Massenproduktion, deren Maschineneinsatz für ihn mit der Ausbeutung von Menschen und negativen Folgen durch monoton wiederholte Arbeitsvorgänge einherging. Beim Besuch der Londoner Industrieausstellung

Geboren

Walthamstow, Essex, England, 1834 Beruf

Künstler, Kunsthandwerker, Lyriker, Pionier Anspruch

„Die Vergangenheit ist nicht tot, sie lebt in uns fort und wird in der Zukunft, die wir jetzt zu gestalten trachten, lebendig sein.“

„Als Dichter, Maler, Gestalter, Typograf, Polemiker, Hersteller und Sozialist war Morris für vieles zu begeistern, und so lebte er ein von rastloser Energie erfülltes Leben, das ihn stets auf die Suche nach neuen Herausforderungen führte.“ ROSALIND ORMISTON UND NICHOLAS WELLS, william morris: artist, craftsman, 2010 pioneer,

1851 äußerte er sich abfällig über die „wunderbare Hässlichkeit“ maschinengefertigter Ausstellungsstücke. 1855 reiste Morris mit Burne-Jones nach Nordfrankreich und entdeckte neben den beeindruckenden Kathedralen von Rouen, Chartres, Amiens und Beauvais die Schönheit der ländlichen Umgebung. In Paris stieß er bei einer Ausstellung im Louvre auf Gemälde aus der Zeit vor Raffael. Morris entschied sich für eine Architektenausbildung, wählte aber unter dem Einfluss seines zunehmenden Interesses an Gemälden Rossettis den Weg in die Kunst. Mit dem Architekten Philip Webb arbeitete er am Entwurf von Red House, seinem eigenen Haus in Bexleyheath in Kent, und gründete 1861 „The Firm Morris, Marshall, Faulkner, Fine Art Workmen in Painting, Carving, Furniture, and the Metals“, um passende Einrichtungsgegenstände anzubieten. Morris entwarf fließende Muster nach dem Vorbild natürlicher und mittelalterlicher Formen, seine Tapeten, Wandteppiche und Textilien regten die Arts-and-Crafts-Bewegung an. Die Sagen der Wikinger und seine Reisen nach Island inspirierten ihn zum Schreiben von Gedichten. Morris engagierte sich für Politik, Naturschutz und soziale Reformen. 1877 gründete er die „Society for the Preservation of

Ancient Buildings“, 1884 die „Hammersmith Socialist League“ und gründete Kelmscott Press als Speerspitze der Wiederbelebung von Drucktechniken der Renaissance. Morris’ Entwürfe aus den Anfangszeiten waren graziler stilisiert, entsprechend der Theorie von Owen Jones in The Grammar of Ornament (1865), nach der die natürliche Pflanzengeometrie in formalen Ornamenten zu finden sei, obwohl Morris selbst weniger Präzision und weichere Farben bevorzugte. Der zunehmend vereinfachte Gestal-

Möbelstoff Cray, 1884–1885, England

Bei dem Dessin in Holzblock-Drucktechnik sprießen aus einem Stiel Blätter und Blumen, u. a. Nelken, vor einem dunklen Fond, der mit gewundenen Pflanzen und Blüten gestaltet ist. Rot und Blau war eine Farbkombination, die Morris sehr mochte. Nachdem er sich neuen Färbereien und Werkstätten in Merton zugewandt hatte, entwickelte Morris fließende Muster für bedruckte Baumwolltextilien. Die Musterserie mit Ranken und Blatttrieben benannte er nach Flüssen in Südengland.

tungsansatz von Morris führte zur Entwicklung formalerer Muster. 1878 entschied er sich, Teppiche mit Mustern orientalischen Ursprungs zu gestalten, die aber „offensichtlich das Ergebnis moderner und abendländischer Vorstellungen sind“. Hier zeigt sich, dass Morris passende Modelle beliebiger Orte und Zeiten wählte, die meisten seiner späteren Muster für Chintz und Tapeten beruhten auf Dessins aus dem 16. und 17. Jh. Morris maß Philosophie, Schriftstellerei, Politik und Kunst gleiche Bedeutung bei und vertrat die Ansicht, Fähigkeiten und Material sollten möglichst passend zum Einsatz kommen, um so den Fluss der natürlichen Welt abzubilden. Die Entwicklung von Mustern war für ihn ein angenehmer Prozess, angefangen von der Recherche natürlicher und historischer Quellen über das Mischen bis hin zur Festlegung der Farben. Arbeit sollte in der Tradition individueller Kunstfertigkeit erfüllend und lohnend sein. Morris übte nachhaltigen Einfluss auf die Bewegung der Moderne aus und inspirierte andere – u. a. den Künstler und Gestalter Walter Crane sowie den Keramiker William de Morgan –, Kunsthandwerk wieder als ernsthafte Beschäftigung zu betrachten, was zur Gründung von Kunsthandwerkergilden und -vereinigungen führte.

Biografische Details auf einen Blick

Zitat

Haupttext

Zu wichtigen Designern, Künstlern oder Architekten findet sich eine zusammenfassende Kurzbiografie, die Daten, Ort, Beruf und Anspruch nennt.

Das Zitat lässt die Bedeutung der von der beschriebenen Person entwickelten Musterformen und -kreationen erahnen.

Das Leben der Person wird ausführlich dargestellt. Das Werk, die Muster und die Bedeutung der Person für das Design der Zeit werden genau untersucht.

11

EINLEITUNG

Muster betrachten T

raditionell wurden Muster nach optischen Eigenschaften wie Struktur oder Form kategorisiert. In diesem Buch werden solche Verallgemeinerungen vermieden und stattdessen einzelne Muster und Objektbezüge in ihrem kulturellen Kontext untersucht, um ihre vielschichtigen Bedeutungen aufzuzeigen. Dieser Abschnitt soll daher einige Grundprinzipien vermitteln, wie Muster betrachtet und untersucht werden können, ohne dabei die Gruppierungen zu stark zu vereinfachen. Krug, 1345–1430, Orvieto, Umbrien, Italien

Die geometrischen Muster auf diesem Krug werden durch ein geschwungenes Pflanzenornament ergänzt. Das heraldische Muster geschacht auf dem Schild steht für Status und Familie, wohingegen der schraffierte Hintergrund und das Bandmuster am Krughals einfach einen schönen Kontrast zum erhabenen Pflanzenmotiv bilden.

Wir sind von Mustern umgeben, die deutlich machen, wie wir die Welt sehen. Sie können aus sich wiederholenden Motiven oder Varianten bestehen. Sie können auf Außen- oder Innenflächen von Objekten, auf Fassaden oder in Innenräumen zu finden sein. Auch Dinge, die nahe am Körper getragen werden (z. B. Unterwäsche oder Taschenfutter), weisen Muster auf. Muster können dafür gedacht sein, nur von Einzelnen in einem privaten Kontext gesehen zu werden, bestimmten Menschen im privaten oder öffentlichen Raum gezeigt zu werden oder einer breiten Öffentlichkeit jederzeit zugänglich zu sein. Einzelne gemusterte Objekte, wie bemalte Keramikfliesen, können so angeordnet sein, dass weitere Muster entstehen, die Teil einer übergeordneten Gestaltung sind. Manche Muster sind stark von der Struktur eines Objekts bestimmt, z. B. bei gewebten Textilien und Stein- oder Ziegelmauern. Geometrische Muster

Geometrische Muster, die auf einem Raster sich kreuzender Linien basieren, beinhalten gerade oder geschwungene Formen, die Raum und Form unterteilen. Diese Muster können als einfache flache Formen auf einem Objekt erscheinen und dennoch für komplexe kulturelle Vorstellungen stehen. Aufwendigere Muster können mit einer ähnlich komplexen Bedeutung aufgeladen sein, sind aber unter anderen sozialen und künstlerischen Bedingungen entstanden. Die Raster können deutlich hervortreten oder nur bei näherem Hinsehen erscheinen. Streifen, Gitter, Karos, Zickzacklinien und sich überschneidende Kreise

Mu ste r betrach te n

Gedruckte Tapete, ca. 1700, Ord House, Northumberland, England

Im 18. Jh. waren florale Muster und exotische Motive überall auf der Welt sehr populär. Anfangs noch stilisiert, wurden die Wiedergaben zunehmend naturalistisch und kamen den opulenten Formen und Texturen der realen Blüten gleich.

lassen das Raster deutlich werden, auf dem sie beruhen, aber die Formen, die sie bilden oder die zwischen ihnen entstehen, erzeugen weitere Muster, die anders gelesen werden können. Beispielsweise kann ein Karomuster als Muster aus farblich wechselnden Quadraten, miteinander verwobenen Bändern oder miteinander verbundenen Kreuzen gelesen werden. Pflanzen- und Tierformen

Pflanzen waren schon immer eine Quelle der Inspiration für Mustergestalter. Die fließenden Linien von Wurzel, Stiel, Blatt, Ranke, Knospe, Blüte und Frucht wandelten sich zu formalen Motiven, die streng naturalistisch oder abstrakt waren. Das aus dem Alten Orient stammende Motiv des „Heiligen Baums“ wurde ein mächtiges spirituelles Sinnbild in der Mustergestaltung,

verband er doch die Erde mit dem Himmel. Die Naturforschung hat dazu geführt, dass erkennbare Pflanzendesigns entwickelt wurden. Insbesondere Blumen dienten als Motivvorlagen. Tatsächlich existierende Tiere und Fabelwesen sind ebenfalls in den Mustern vieler Kulturen zu finden. Sie beleben die Pflanzen – z. B. den christlichen „Baum des Lebens“, der die enge Beziehung zwischen Lebewesen und Gott ebenso symbolisierte wie die zwischen Kirche und Christus – und schwanken zwischen Naturalismus und Fantastischem. Weinreben, Efeu und Akanthusblätter, die auf orientalischen und mediterranen Vorlagen basierten, inspirierten die Gestaltung von Blattvoluten. Pflanzen- und Tierformen wurden für die Gestaltung von Mischformen in belebten Mustern verwendet. Muster als Erkennungszeichen

Für die Gestaltung von Wappen wurden Muster als persönliche Erkennungszeichen von Individuen geschaffen, die auf bestimmte Farben, Metalle und Felle sowie formalisierte Pflanzen, Tiere, Menschen und Objekte zurückgriffen. Die Heraldik spielte bei der Gestaltung vieler Objekte eine Rolle, z. B. bei Textilien, Keramik, Metallarbeiten sowie Innenräumen und Fassaden. Heraldische Muster und Dekore waren eng mit der Vorstellung von Abstammung und Erbe verbunden, auf die sich spätere Gestalter bezogen, wenn sie heraldische Motive in ihrem Werk verwendeten. Handelsmarken und Logos sind Reinkarnationen der heraldischen Abzeichen, die Auskunft über Identität, Authentizität und Qualität der Markenprodukte geben. 13