Die Flut in Gornsdorf. Wie entsteht so eine Wetterlage? Wurde der Niederschlag vorhergesagt?

Die Flut in Gornsdorf Wie entsteht so eine Wetterlage? Grundvoraussetzung einer solchen Entwicklung ist das Vordringen kühler Luftmassen in den Mittel...
Author: Eugen Kalb
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Die Flut in Gornsdorf Wie entsteht so eine Wetterlage? Grundvoraussetzung einer solchen Entwicklung ist das Vordringen kühler Luftmassen in den Mittelmehrraum. Das heißt: ein Tiefdruckgebiet nimmt nicht den "normalen" Kurs über Nordsee und Ostsee zum Kontinent, sondern schlägt eine Zugstraße über Südfrankreich, Norditalien bis zur Adria ein. Für diese Tiefs, die über dem warmen Mittelmeer mit reichlich Feuchtigkeit und Energie aufgefüllt werden, ergibt sich häufig ein abrupter Schwenk nach Norden und ein anschließendes, fast stationäres Verweilen über Mitteleuropa. Durch die warme, dampfige Luft vom Mittelmeer, die diesseits der Alpen auf kühle Nordseeluft trifft, bilden sich an der Luftmassengrenze ergiebige Aufgleitniederschläge aus, die

häufig Hochwasser oder Schneechaos verursachen. Beispiele, die wohl nicht so schnell vergessen worden sind, für diese Wetterlage sind der Jahreswechsel 1978/1979, bei dem der gesamte Chemnitzer Raum unter extremen Eisregen litt, oder das Oderhochwasser vom Sommer 1996. Es sei noch erwähnt, dass diese Wetterlage landläufig als Vb-Lage bezeichnet wird. Diese Bezeichnung geht auf eine Numerierung der bevorzugten Teifdruckzugstraßen über Europa von Ia bis VIb aus (nach W.J. van Bebber 18411909). In der Wetterkunde findet dies kaum noch Gebrauch, jedoch für die VbLage hat sie die Zeit überdauert.

Wurde der Niederschlag vorhergesagt? Diese Frage ist klar mit ja zu beantworten. In der Flut der Unwetterwarnungen in diesem August allerdings wurde die Prognose der Starkniederschläge nicht mit der verdienten Ernsthaftigkeit aufgenommen. Wichtig zu wissen ist: Wenn Unwetterwarnungen aufgrund von Gewitter gemacht werden, ist die Eintreffwahrscheinlichkeit sehr

unterschiedlich. So merkt man, dass es im unteren Dorf schüttet und im oberen Dorf noch die Sonne scheint. Wenn jedoch Unwetterwarnungen herausgegeben werden, die ganze Teifdruckgebilde betreffen, ist mit flächendeckenden Einsetzen der Unwetter zu rechnen und das mit hoher Sicherheit.

Oben ist ein Ausschnitt aus der Niederschlagsprognose für Dresden dargestellt. Da es sich wie schon erwähnt

um flächendeckende Niederschläge handelt, kann die Prognose auch auf das Erzgebirge übertragen werden. Man kann

gut erkennen, dass von Mittag des 12. August bis Mittag des 13. August die Skale des Vorhersagebalkens nicht ausreicht. Es

werden also rund 81 mm (=Liter/m²) oder mehr prognostiziert für 24 Stunden.

Das nächste Bild zeigt eine ähnliche, jedoch einen Tag ältere Prognose eines anderen Institutes mit einer höheren

zeitlichen Auflösung. Die Summe der Hauptniederschläge beträgt 96 mm für den Folgetag.

Was sagen die Satellitenbilder?

Das linke Bild ist eine Meteosataufnahme von 15:00 UTC. Es ist deutlich eine große wolkenfreie Zone über Frankreich, der iberischen Halbinsel, dem Mittelmeer und Nordafrika zu erkennen. Der über Mittelund Ostmitteleuropa liegende Tiefdruckwirbel mit einer eindrucksvollen Wolkenspirale ist der Verursacher der stundenlangen Regenfälle und Überflutungen. Rechts ist das Lichtbild (visuell) des Wirbels aus der Perspektive des

amerikanischen Satelliten NOAA zu sehen. Die Luftmassenbewegung ist durch Pfeile angedeutet. Im südöstlichen Bereich des Wirbels wird die feucht-warme subtropische Luft aus dem Mittelmeergebiet angesaugt (roter Pfeil). Im westlichen Randbereich strömt die kühle Nordseeluft nach (blauer Pfeil). Im Grenzbereich der beiden Luftmassen entsteht so das Wolkenband, an dem starke Niederschlagsprozesse stattfinden.

Warum gerade im Erzgebirge soviel Regen?

Im linken Bild ist der erwartete Niederschlag für Mitteleuropa dargestellt. Wie unschwer zu erkennen ist, liegt das Zentrum der Regenmengen auf einem Streifen vom Oderbruch/Berlin über das Erzgebirge hinweg bis nach Böhmen. Die Lage im Chrashbereich der Luftmassen ist ein Faktor, der zu den hohen Regenmengen geführt hat. Der andere wird durch die rechte Abbildung erklärt. Es handelt sich um eine Karte, die Windrichtung und Windgeschwindigkeit darstellt. Der hellgrüne Streifen stärkeren Windes reicht

vom Nordseegebiet über Ostdeutschland, Westtschechien bis nach Österreich. Das Erzgebirge befindet sich genau in diesem Bereich. Wenn man nun die Windrichtung in Sachsen (WNW) betrachtet und sich die Lage des Hauptkammes der Erzgebirge vergegenwärtigt, fällt schnell auf, dass die Wolkenmassen genau gegen den Kamm gepresst, angestaut und ausgequetscht werden. Dadurch kommt es zu einer erheblichen Niederschlagsverstärkung im Vergleich zum flachen Land.

Was erkennen die Wetterradare?

Bemerkenswert ist die scharfkantige Übereinstimmung von Satellitenbild (rechts) und dem Niederschlagsradar (links) von 12:30. Gut zu erkennen ist das kompakte Dauerregenfeld im Osten und die Schauerketten im Westen. Die

flockenartige Bewölkung im Westen rührt von der eingeflossenen Kaltluft her, die unter Sonneneinstrahlung Quellwolken bildet. Jedoch verursachen nicht alle Quellwolken Niederschläge.

Welche Regenmenge gab es in Gornsdorf?

Dies ist eine Darstellung der bis jetzt gefallenen Regenmengen in Gronsdorf auf dem Andreasberg. Die Gesamtregenmenge beläuft sich auf 143,5 Liter pro m²; ein absoluter Rekord für unsere Region in 36 h. Martin Gräbner 2002

Der aktuelle Wetterbericht des Instituts für Meteorologie der Freien Universität vom 13.08.2002 Das Hochdruckgebiet GASTON hat sich mit seinem Zentrum weiter nach Osten in Richtung Kasachstan zurück gezogen. Mit einem schmalen Keil erstreckt sich aber sein Einfluss über Rußland und das Baltikum hinweg bis nach Nordeuropa, wo es gestern erneut verbreitet einen sonnenscheinreichen und warmen Tage gab: Vielfach stieg dort die Temperatur wieder auf Höchstwerte von 27 bis 30°C, nur in Lappland war es merklich kühler. Für das zentrale Europa blieb dagegen der hochreichende Tiefdruckwirbel ILSE wetterbestimmend, der mit seinem Zentrum langsam nach Polen zog. Die in ihm gehobene feucht-warme subtropische Luft aus dem Mittelmeerraum hatte auf einem breiten Streifen, der von Brandenburg über Sachsen und Tschechien hinweg bis nach Ostbayern und Österreich reichte, ungewöhnlich starken Regen zur Folge: Die höchste Niederschlagsmenge gab es dabei (24-stündig von gestern bis heute früh) in Zinnwald-Georgenfeld im Erzgebirge, wo 313 Liter pro Quadratmeter gemessen wurde. Nach einer Mitteilung des DWD ist dies wohl die höchste Regenmenge, die jemals an einem Tag in Deutschland registriert wurde. Als bisheriger Rekord galt 260 Liter (7.6.1906, gefallen in Zeithain bei Riesa, ebenfalls Sachsen). Auch die im selben Zeitraum in Dresden-Flughafen gemessene Menge von 158 Liter pro Quadratmeter war ungewöhnlich hoch. Aus Brandenburg liegt eine Meldung von 106 Liter vor (Bestensee, wenig südlich Berlins). In Potsdam fiel 71 Liter, und die Gesamtmonatsmenge wuchs dort auf 153 Liter Regen pro Quadratmeter. Damit ist dort die Niederschlagsmenge des bisher nassesten August übertroffen worden (152 Liter im August 1948 - Quelle DWD). Die Tage um den 10. August scheinen

besonders bevorzugt zu sein für regenreiche Vb-Wetterlagen (d. h. Tiefdruckwirbel, die vom Mittelmeerraum nach Norden ziehen). So fiel in BerlinDahlem bei einer ähnlichen Wetterlage am 13. 8. 1948 125 Liter, am 9. 8. 1978 106 Liter Niederschlag pro Quadratmeter). Heute Mittag regnete es in Deutschland hauptsächlich noch in Vorpommern, Brandenburg und Ostsachsen: Bis 14 Uhr MESZ wurde dort teilweise innerhalb von 6 Stunden mehr als 20 Liter Regen registriert (Ueckermünde 29 Liter). Im Westen Deutschlands machte sich dagegen schon der Einfluss des von Frankreich heran ziehenden Hochdruckgebietes HEIN mit aufgelockerter Bewölkung bemerkbar, doch stieg dort trotz zeitweiligen Sonnenscheins die Temperatur nur wenig über 20°C. HEIN dehnt morgen seinen Einfluss auch auf den Nordosten Deutschlands aus.