Die Exponentialfunktion und ihre Anwendung in der Biologie

Die Exponentialfunktion und ihre Anwendung in der Biologie Escheria coli (kurz E. coli) sind Bakterien, die im Darm von S¨augetieren und Menschen leb...
Author: Käte Koenig
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Die Exponentialfunktion und ihre Anwendung in der Biologie

Escheria coli (kurz E. coli) sind Bakterien, die im Darm von S¨augetieren und Menschen leben. Ein junges E. coli Bakterium w¨achst mit einer konstanten Geschwindigkeit, bis es seine L¨ange verdoppelt hat. Hierbei beh¨alt es seinen Durchmesser bei. Schließlich entstehen durch Zellteilung zwei gleichgroße E. coli Bakterien. W¨ahrend dieses Prozesses wird die DNA des E. coli Bakteriums verdoppelt. Dieser Vorgang dauert ungef¨ahr 40 Minuten. Nach der DNAReplikation dauert es in der Regel weitere 20 Minuten, bis sich die Zelle geteilt hat. Bei ca. 37o C variiert zwar die Wachstumsrate eines E. coli Bakteriums merklich, dennoch kann man fu ¨r diesen Verdoppelungsprozess ein Zeitintervall von ca. 60 Minuten annehmen.

D. Horstmann: Oktober 2016

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Die Exponentialfunktion und ihre Anwendung in der Biologie

Betrachtet man also u ¨ber einem bestimmten Zeitintervall eine E. coli Population u(t), in der man Bakterien in unterschiedlichen Replikationsstufen vorliegen hat, so kann man hier davon ausgehen, dass u(60τ + 60) = 2 · u(60τ ) fu ¨r alle τ ∈ IN0 gilt. Insbesondere gilt, dass sich 60 Minuten nach Beobachtungsbeginn die Population verdoppelt hat, also die Gleichung

u(60) = 2 · u(0) gilt. Wir k¨onnen hieraus die Gleichung

u(60τ + 60) =

u(60) u(60τ ) u(0)

herleiten.

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Die Exponentialfunktion Wir ersetzen die 60 Minuten durch einen Parameter s und nehmen an, dass die Population sich kontinuierlich vervielfacht, die Vermehrung also nicht nur alle s Zeiteinheiten geschieht, jedoch zum Zeitpunkt s eine erneute Messung der Populationsgr¨oße uns den Proportionalit¨atsfaktor liefert. u(s) u(t + s) = u(t) u(0) Dividieren wir die Gleichung durch u(0), so erhalten wir

u(s) u(t) u(t + s) = . u(0) u(0) u(0) u(t) Wenn wir eine neue Funktion v(t) einfu ¨hren, indem wir v(t) = u(0) setzen, ergibt sich die Gleichung v(t + s) = v(s)v(t) fu ¨r alle t, s ∈ IR.

Durch die Einfu ¨hrung der neuen Funktion haben wir bewirkt, dass v(0) = 1 gelten soll.

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Die Exponentialfunktion Frage: Welche nicht konstante Funktion diese Eigenschaften erfu ¨llt? Wir versuchen es zun¨achst mit uns bereits bekannten Funktionen. Man stellt so fest, dass das Polynom n  tk pn(t) = k! k=0 das Problem n¨aherungsweise l¨ost und der “Fehler” um so kleiner wird je gr¨ oßer n wird. Man kann zeigen, dass fu ¨r s, t ≥ 0 und s + t < 1 + n2 die Ungleichung

2(s + t)n+1 → 0 fu 0 ≤ pn(t)pn(s) − pn(s + t) ≤ ¨r n → ∞ (n + 1)! gilt. Das bedeutet, dass der Grenzwert lim pn(t) die gewu ¨nschten Eigenschaften besitzt und n→∞

durch diesen Grenzwert die gesuchte Funktion gegeben ist, falls der Grenzwert fu ¨r alle t ∈ IR existiert.

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Die Exponentialfunktion

Definition 13. Wir definieren daher die Funktion

exp

:

IR → IR t → exp(t) :=

∞  tk k=0

k!

und nennen sie Exponentialfunktion. Hierbei ist ∞  1 e := exp(1) = k! k=0

die Eulersche Zahl.

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Die Exponentialfunktion

Aus der Definiton der Exponentialfunktion und der Eigenschaft, dass

exp(s + t) = exp(s) exp(t) gilt, k¨onnen wir direkt einige ihrer wichtigsten Eigenschaften ablesen. Es gilt: 1. exp(t) ≥ 1 + t woraus sich exp(t) → ∞ fu ¨r t → ∞ folgern l¨asst. 2. exp(nt) = (exp(t))n und fu ¨r p, q ∈ IN, q = 0



p

(exp(t)) = exp(pt) = exp Somit folgt auch p (exp(t)) q

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 = exp

p t q

p qt q



 =

 =

 q

 exp

p t q

q .

exp(pt).

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3. Des Weiteren gilt: 1 = exp(0) = exp(t − t) = exp(t) exp(−t). Hieraus aber ergibt sich 1 exp(−t) = . exp(t) Somit folgt insgesamt, dass exp(t) → 0 fu ¨r t → −∞ gilt. 4. exp(t) ≥ 0 5. exp(t) ist streng monoton wachsend, d.h.

exp(t1) = exp(t1 − t2) exp(t2) > exp(t2) fu ¨ r t1 > t 2 . 6. exp : IR → (0, ∞)

s

7. Fu ¨r beliebige t, s ∈ IR setzen wir (exp(t)) = exp(st). Dies impliziert auch, dass exp(t) = exp(1 · t) = (exp(1))t = et gilt. Daher schreiben wir fu ¨r exp(t) auch et.

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Die Logarithmusfunktion Als streng monotone Funktion, die die ganzen reellen Zahlen IR auf das Intervall (0, ∞) abbildet, besitzt die Exponentialfunktion eine Umkehrfunktion. Definition 14. Die Umkehrfunktion der Exponentialfunktion exp ist der natu ¨rliche Logarithmus ln

ln

:

(0, ∞) → IR.

Es gilt: ln(y) = t genau dann, wenn y = et, d.h. ln(ex) = x und eln(y) = y. Fu ¨r den natu ¨rlichen Logarithmus lassen sich nun schnell die nachfolgenden Rechenregeln herleiten: 1. ln(u · v) = ln(u) + ln(v), da u · v = eln(u) · eln(v) = eln(u)+ln(v) gilt. 2.

p ln(u q )

=

p q

ln(u), da

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p uq

=

p e q ln(u)

ist.

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Die allgemeine Exponentialfunktion

Definition 15. Fu ¨r eine positive reelle Zahl a definieren wir fu ¨r alle x ∈ IR die Exponentialfunktion zur Basis a durch die Gleichung: x

x

expa(x) = exp (x ln(a)) = exp (ln(a )) =: a .

(15)

Die Umkehrfunktion zu der positiven, stetigen, monoton wachsenden Exponentialfunktion zur Basis a ist die sogenannte Logarithmusfunktion zur Basis a. Fu ¨r sie wird die Notation loga verwendet. Anmerkung 10. Demnach gilt fu ¨r jedes y > 0:

loga(y) = x genau dann, wenn y = expa(x) erfu ¨llt ist.

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Die allgemeine Exponentialfunktion Aus den Rechenregeln fu ¨r die Exponentialfunktion und den natu ¨rlichen Logarithmus lassen sich nun die nachfolgenden Rechenregeln herleiten: 1. loga(u · v) = loga(u) + loga(v). p

2. loga(u q ) = 3. 4. 5. 6.

p q

loga(u). loga(b) logb(u) = loga(u). expa(n) = an fu ¨r alle n ∈ Z. expa(t + s) = expa(t) · expa(s) fu ¨r alle t, s ∈ IR.   p √ p q p q p, q ∈ IN , mit q =  0 ist exp = a . Fu r = a ¨ a q

7. expa(0) = 1.

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Die Radiocarbon-Methode.

Die Radiocarbon-Methode oder 14C-Methode ist eine von mehreren unterschiedlichen Methoden zur Altertumsbestimmung von organischen Stoffen, wie z. B. Knochen vom Menschen und vom ¨ Tier, angefertigte Gegenst¨ande, Uberreste von Behausungen usw., die insbesondere in der Arch¨aologie angewendet wird. Sie basiert auf dem Zerfall des radioaktiven Kohlenstoff-Isotops 14 C. Mit dieser Methode k¨onnen Alter bis etwa 50.000 Jahre bestimmt werden. Sie wird u ¨berwiegend verwendet, um das Alter von Fossilien aus der Bronzezeit und nachfolgenden Epochen zu bestimmen. ¨ Die Radiocarbon-Methode basiert auf folgenden Uberlegungen (klausurrelevant!): Das Verh¨altnis vom radioaktiven Kohlenstoff 14 ( 14C) zum stabilen Kohlenstoff 12 ( 12C) ist im Wesentlichen konstant. Da ein lebender Organismus nicht zwischen den beiden KohlenstoffIsotopen 14C und 12C unterscheidet, ist das Verh¨altnis dieser beiden in einem lebenden Organismus daher dasselbe wie in der Erdatmosph¨are. Stirbt der Organismus ab, so nimmt er keinen Kohlenstoff mehr auf.

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Die Radiocarbon-Methode. Somit gilt fu ¨r das Verh¨altnis

v=

N N

14 C 12 C

dann, dass

−λt

v(t) = v(0) · e , wobei λ die Zerfallsrate von 14C ist. Die Halbwertzeit von D.h. 1 v(0) 2



−λ5730

v(0) · e

14

C betr¨agt ungef¨ahr 5730 Jahre.

Jahre

und somit

λ

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ln(2) −4 −1 1.2096 × 10 Jahre . 5730 Jahre

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Die Radiocarbon-Methode. Durch eine Messung dieses Verh¨altnisses an einem fossilen Gegenstand l¨asst sich also die Zeit v(t) vom Absterben bis zur Messung berechnen, d.h. aus der Messung von v(0) ist es dann m¨ oglich, t zu bestimmen. Da aus v(t) −λt e = v(0) die Gleichung   v(t) −λt −λt = ln(e ) = ln , v(0) d.h.

t

=

1 − ln λ



v(t) v(0)



1 = ln λ



v(0) v(t)



folgt.

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Die trigonometrischen Funktionen Definition 16. Fu ¨r jedes x ∈ IR definieren wir die Funktion “Cosinus von x” als: n 2k  k x cos(x) := lim (−1) . n→∞ (2k)! k=0

Den “Sinus von x” definieren wir fu ¨r jedes x ∈ IR als n  k sin(x) := lim (−1) n→∞

k=0

x2k+1 . (2k + 1)!

Mit Hilfe dieser Funktionen k¨onnen wir nun auch eine reelle Zahl definieren, die viele als die sogenannte Kreiszahl bereits kennen.

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Die trigonometrischen Funktionen Lemma 5. Es existiert eine eindeutig bestimmte positive Zahl x0 in dem Intervall [0, 2], fu ¨r die cos(x0) = 0 ist. Multipliziert man diese Zahl mit dem Faktor 2, so erh¨alt man die Zahl π (sprich “Pi”).

Abbildung 3: Links: Die Funktion cos(x) auf dem Intervall (−2π, 2π). Rechts: Die Funktion sin(x) auf dem Intervall (−2π, 2π). D. Horstmann: Oktober 2016

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Rechenregeln fu ¨r die Sinus- und die Cosinusfunktion. Aus der Definition der Sinusfunktion und der Cosinusfunktion folgen durch Nachrechnen die nachfolgenden Rechenregeln, die wir ohne Beweis hier angeben wollen. 1. Fu ¨r alle x ∈ IR gilt cos(x) = cos(−x) und sin(−x) = − sin(x). 2. Fu ¨r alle x ∈ IR ist cos2(x) + sin2(x) = 1. 3. Fu ¨r alle x ∈ IR und alle y ∈ IR gilt:

cos(x + y) = cos(x) cos(y) − sin(x) sin(y) und

sin(x + y) = sin(x) cos(y) + cos(x) sin(y). 4. Fu ¨r alle x ∈ IR und alle y ∈ IR gilt außerdem:     x−y x+y sin cos(x) − cos(y) = −2 sin 2 2 

und

sin(x) − sin(y) = 2 cos

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x+y 2



 sin

x−y 2

 .

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5. Weiter gilt fu ¨r alle x ∈ IR:

cos(x + 2π) = cos(x) und sin(x + 2π) = sin(x). Man sagt auch, dass die beiden Funktionen 2π -periodisch sind, da sich die Funktionswerte in einem Abstand eines Intervalls der L¨ange 2π wiederholen. 6. Fu ¨r alle x ∈ IR gilt außerdem:     π π cos(x) = sin − x und sin(x) = cos −x . 2 2

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Tangens und Cotangens

Definition 17. Die Funktion, die man fu ¨r alle x ∈ (−π/2, π/2) erh¨alt, indem man den Sinus sin(x) . von x durch den Cosinus von x teilt, nennt man den “Tangens von x”, d.h. tan(x) = cos(x) Den Kehrwert dieses Bruchs definiert fu ¨r alle x ∈ (0, π) den “Cotangens von x”, d.h. 1 cot(x) = tan(x) .

Abbildung 4: Links: Die Funktion tan(x) auf dem Intervall (−π/2, π/2). Rechts: Die Funktion cot(x) auf dem Intervall (0, π). D. Horstmann: Oktober 2016

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