Die Achalasie wird wegen ihrer

M E D I Z I N ZUR FORTBILDUNG Die Achalasie Theodor Junginger1 Volker F. Eckardt2 Oft verspätet diagnostiziert, Andreas Hecker1 aber meist erfolgre...
Author: Lioba Schulz
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ZUR FORTBILDUNG

Die Achalasie

Theodor Junginger1 Volker F. Eckardt2 Oft verspätet diagnostiziert, Andreas Hecker1 aber meist erfolgreich behandelbar ie Achalasie wird wegen ihrer Seltenheit oft verkannt, so daß die Patienten häufig erst nach langer Erkrankungsdauer einer adäquaten Therapie zugeführt werden, mit der nahezu bei allen Patienten eine Beschwerdebesserung, häufig eine Beschwerdefreiheit erreichbar ist. Ausgehend von Epidemiologie und Pathogenese sollen im folgenden Diagnostik und Differentialtherapie dargestellt werden.

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Funktionsstörungen der Speiseröhre Die Funktionsstörungen der Speiseröhre werden in primäre und sekundäre Formen unterteilt. Während die sekundären Folge einer extraösophagealen Erkrankung beziehungsweise ösophagealer Tumoren sind, ist die Ätiologie der primären Funktionsstörung weitgehend unbekannt. Neben der Achalasie gehören zu den primären Funktionsstörungen der diffuse Ösophagusspasmus, der Nußknacker-Ösophagus, unspezifische Mortalitätsstörungen und der hypertensive untere Ösophagussphinkter. Klinisch können sich diese Erkrankungen in Schluckstörungen, die sowohl feste wie flüssige Nahrung betreffen, in thorakalen Schmerzen oder einer Odynophagie (Schmerzen beim Schlucken) manifestieren. Dabei sind bei Schluckbeschwerden eine organische Ösophagusstenose und bei thorakalen Schmerzen eine kardiale Ursache auszuschließen. Einer Odynophagie liegt zumeist eine infektiös, medikamentös oder refluxbedingte Ösophagitis zugrunde, und sie besteht bei Motilitätsstörung nur bei gleichzeitig vorhandenem Mukosadefekt (10). Bei nicht organisch bedingter Dysphagie liegen in der Regel die oben genannten Motilitätsstörungen des Ösophagus vor. Bis zu 30 Prozent der Patienten mit nicht kardial bedingten thorakalen Schmerzen haben primäre A-610

Die Achalasie ist eine primäre Funktionsstörung der Speiseröhre unbekannter Ätiologie. Die Diagnose ergibt sich in der Regel aufgrund der klinischen Symptomatik, des typischen radiologischen Bildes und nach endoskopischem Ausschluß einer organischen Ösophagusstenose. Im Zweifelsfall ist die manometrische Abklärung der Funktionsstörung der Speiseröhre erforderlich. Therapeutisch stehen die Dilatationsbehandlung und die operative Myotomie des unteren Ösophagussphinkters zur Verfügung. Funktionsstörungen der Speiseröhre, wobei der Nußknacker-Ösophagus mit 50 Prozent im Vordergrund steht und die Achalasie eher selten ist. Die Differenzierung der verschiedenen Funktionsstörungen der Speiseröhre ist nur manometrisch möglich (10).

Epidemiologie und Pathogenese der Achalasie Die Achalasie gehört zu den seltenen Erkrankungen (1:100 000), die bevorzugt zwischen dem 35. und 45. Lebensjahr, aber auch bei Kindern und Jugendlichen sowie älteren Patienten (15 Prozent über 60 Jahre) auftreten. Pathogenetisch ist die primäre Achalasie von der sekundären Form, auch Pseudoachalasie genannt, zu unterscheiden, bei der eine tumoröse Infiltration der Kardia oder extraösophageale Erkrankungen ein ähnliches klinisches und manometrisches Bild 1

Klinik und Poliklinik für Allgemein- und Abdominalchirurgie (Direktor: Prof. Dr. med. Theodor Junginger) der Johannes-GutenbergUniversität Mainz 2 Gastroenterologische Fachpraxis, Dotzheimer Straße 14–18, 65185 Wiesbaden

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hervorrufen. Die Ätiologie der primären Achalasie ist abgesehen von der kindlichen Form, bei der eine genetische Disposition angenommen wird, unklar. Histologisch findet sich eine Degeneration von Ganglienzellen des unteren Ösophagussphinkters und der glatten Muskulatur des Ösophagus. Degenerative Veränderungen lassen sich auch am extraösophagealen Vagus (Nucleus dorsalis, präganglionäre Vagusfasern) nachweisen, wobei unklar ist, ob dieser Degenerationsprozeß primär in den Ganglien oder extraösophageal erfolgt. Als Folge der neuralen Degeneration kommt es zur Hypertrophie der glatten Muskulatur und zu den beiden Charakteristika der Achalasie, nämlich dem Verlust der Ösophagusperistaltik und der schluckbedingten Relaxation des unteren Ösophagussphinkters. Die sich hieraus ergebende Entleerungsbehinderung der Speiseröhre ist für die weiteren pathologischen Veränderungen (Erweiterung der Speiseröhre, Retentionsösophagitis mit Dysplasie und karzinomatöser Entartung) verantwortlich und erklärt die klinische Symptomatik.

Komplikationen der Achalasie Die meisten Komplikationen ergeben sich aus der Entleerungsstörung der Speiseröhre mit Nahrungsrentention. In bis zu 7,5 Prozent der Patienten sind bronchopulmonale Infekte als Folge rezidivierender Aspirationen zu erwarten. Am ernstesten ist die Entstehung eines Karzinoms, das mit einer Häufigkeit von zwei bis sechs Prozent beobachtet wird. Neuere Untersuchungen haben allerdings einen eher geringeren Prozentsatz angegeben. In 90 Prozent handelt es sich um ein Plattenepithelkarzinom, das bevorzugt im mittleren Drittel der Speiseröhre und typischerweise 14 Jahre früher als bei den sonstigen Patienten mit Ösophaguskarzi-

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nom auftritt. Die in zehn Prozent beobachteten Adenokarzinome sind möglicherweise Folge des Epithelumbaus bei Refluxösophagitis nach Dilatation oder Myotomie des unteren Ösophagussphinkters.

Symptomatik Die klinische Symptomatik ist gekennzeichnet durch Schluckbeschwerden, die feste und flüssige Nahrung betreffen und oft einen Gewichtsverlust nach sich ziehen, der jedoch selten mehr als zehn Prozent des Körpergewichts beträgt. Entgegen früherer Annahmen ist die Erkrankung nicht psychisch bedingt, die Dysphagie kann jedoch durch psychische Belastungen verstärkt werden. Infolge der Regurgitation von Nahrung, insbesondere nachts, können pulmonale Symptome wie Husten oder rezidivierende Pneumonien ausgelöst werden. Thorakale Schmerzen sollen bei der sogenannten hypermotilen Achalasie im Vordergrund stehen, einer Sonderform, die manometrisch durch hohe simultane Kontraktionen der Speiseröhre und eine unvollständige Relaxation des unteren Ösophagussphinkters gekennzeichnet ist. Neuere Untersuchungen lassen jedoch Zweifel aufkommen, ob die hypermotile Form der Achalasie ein abgrenzbares Krankheitsbild darstellt, da retrosternale Schmerzen auch bei hypomotilen Formen zu beobachten sind. Da der Druck des unteren Ösophagussphinkters normal bis erhöht ist, klagen Patienten mit Achalasie nur selten über Sodbrennen. Die sekundäre Achalasie unterscheidet sich von der primären durch das Auftreten bei eher älteren Patienten, durch die rasch zunehmenden Schluckbeschwerden und einen ausgeprägteren Gewichtsverlust.

Diagnose Die Diagnose stützt sich auf die röntgenologische Darstellung der Speiseröhre, den endoskopischen Ausschluß einer organischen Stenose und kann manometrisch bestätigt werden.

Radiologisch findet sich im typischen Fall eine Erweiterung der Speiseröhre (Megaösophagus), in der sich das Kontrastmittel geschichtet und vermischt mit Speisen anfüllt (Abbildung 1a und b). Im Kardialbereich kommt es zu einem spitz zulaufenden, fadenförmigen Kontrastmittelübertritt in den Magen bei glatter Schleimhaut. Peristaltische Wellen in der Speiseröhre fehlen, ebenso wie die Magenblase. Immer sollte die gesamte Speiseröhre untersucht werden, um Zweit-

hier eine tumoröse Veränderung auszuschließen. Manometrisch sind vier Befunde typisch: die fehlende Peristaltik der Speiseröhre, die inkomplette Relaxation des unteren Ösophagussphinkters (Grafik), ein normaler bis erhöhter Druck des unteren Ösophagussphinkters und ein erhöhter intraösophagealer Druck im Vergleich zum Magendruck. Der Druck des unteren Ösophagussphinkters weist einen erheblichen Streubereich mit Überlappung zu den Werten gesunder Patienten auf. Ein erhöhter intraösophagealer Druck im Vergleich zum Magendruck kann fehlen, so daß dieses Kriterium für die Diagnosestellung nicht zwingend erforderlich ist. Ergänzend kann szintigraphisch der Transport durch die Speiseröhre mit flüssigen oder festen Speisen untersucht werden. Typisch ist der Nachweis einer Entleerungsa b verzögerung in aufrechter PoAbbildung 1: a) Eine Achalasie (Grad II) bei einem 68 Jahre alten Mann; b) Glei- sition bei fehlencher Patient acht Jahre nach konservativer Therapie präoperativ der organischer Stenose der Speibefunde zu erfassen (Abbildung 2 seröhre. Allerdings erlaubt die szintiund 3). Hinweise auf eine Achalasie graphische Diagnose einer „Transitakönnen sich bereits auf der Röntgen- nomalie der Speiseröhre“ keine Spezithoraxaufnahme ergeben, wo ein Me- fizierung der Motilitätsstörungen der gaösophagus als Verbreiterung des Speiseröhre, so daß die Methode nur Mediastinums mit Flüssigkeitspiegel dann Bedeutung hat, wenn zuverlässiin Erscheinung treten kann. Abhängig gere Untersuchungsmethoden (Ösovom radiologischen Befund kann die phagusmanometrie) nicht zur VerfüErweiterung der Speiseröhre (feh- gung stehen. lend, deutlich, extrem) in drei SchweIn der Regel kann die Diagnose regrade unterteilt werden. der Achalasie aufgrund der kliniDie Ösophagoskopie dient dem schen Symptomatik sowie der radioAusschluß einer organischen Stenose, logischen und endoskopischen Beinsbesondere eines Malignoms. In ty- funde gestellt werden. Im Zweifelspischer Weise finden sich Speisereste fall und auch nach erfolgloser Dilataim Ösophagus, die Kardia ist mit dem tionsbehandlung hat die manometriGerät jedoch widerstandslos passier- sche Untersuchung ihre klare Bebar. In jedem Fall soll eine retrograde rechtigung vor der Entscheidung zur Inspektion der Kardia erfolgen, um Operation. ! Deutsches Ärzteblatt 93, Heft 10, 8. März 1996 (47)

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Medikamentöse Therapie

habung und des schonenderen Vorgehens Verfahren mit einem dehnbaren Zur medikamentösen Therapie Ballon, der unter radiologischer oder wurden Nitropräparate (2) oder Kalendoskopischer Kontrolle vor Ort geziumantagonisten eingesetzt. Beide bracht wurde, durchgesetzt. Als KomMedikamente bedingen einen Abfall plikation wird eine Perforation in ein des Drucks des unteren Ösophagusbis fünf Prozent angegeben. Im Langsphinkters mit einer Verbesserung der zeitverlauf sind in etwa Speiseröhrenentleerung. Allerdings 75 Prozent nach Mehrführt die hohe Rate von Nebenwirfachdilatation gute bis kungen häufig zur Unterbrechung der sehr gute ErgebnisTherapie. se, in bis zu sieben In einer Doppelblindstudie mit Prozent ungünstige Nifedipin (20 mg) und Verapamil (160 Ergebnisse zu erwarmg) gegen Plazebo konnte eine Senten (15). In einer prokung des Druckes des unteren Ösospektiven Vergleichsphagussphinkters, jedoch keine signistudie zwischen pneufikante Beeinflussung der subjektiven matischer Dilatation Beschwerden nachgewiesen werden und Myotomie fanden (13). Eine medikamentöse BehandCsendes et al (4) nach lung der Achalasie mit Kalziumanoperativer Therapie in tagonisten könnte allenfalls für eine 95 Prozent, nach DilaKurzzeitbehandlung bei Patienten tation in 65 Prozent mit sehr milder Achalasie oder bei Pagute Ergebnisse, wotienten mit hypermotiler Form ange- Abbildung 2: Achalasie und epiphrenales Divertikel bei einem 72 Jahre al- bei 22 Prozent der ten männlichen Patienten wendet werden. zunächst konservativ Die neueste Entwicklung in der behandelten Patienten konservativen Therapie der Achala- Neurotoxizität führen. Aus diesen später operiert wurden. Die Methode sie stellt die Behandlung mit Botuli- Gründen ist die Behandlung der Ach- der Dilatation wurde allerdings als num-Toxin dar. Durch direkte endo- alasie mit Botulinum-Toxin vorerst nicht adäquat angesehen, so daß sich skopische Injektion dieses Neuroto- als experimentell anzusehen. keine endgültigen Schlußfolgerungen xins in den unteren Ösophagusüber die vorzuziehende Therapie absphinkter kommt es zu einer Hemleiten lassen. mung der Acetylcholinfreisetzung Die Aussagen der meisten andeDilatation von peripheren Nervenendigungen ren Studien werden durch den retroNach der von Starck 1924 (12) spektiven Charakter, die unterschiedund damit zu einer Senkung des Sphinkterruhetonus. Die Mehrheit al- eingeführten Sondenbehandlung ha- lich lange, selten jedoch über fünf ler so behandelter Patienten erfährt ben sich wegen der leichteren Hand- Jahre hinausgehende Beobachtungszeit und die unterschiedlichen DefiniGrafik tionen der Behandlungsergebnisse eingeengt. P (mm Hg) In einer prospektiven Studie 40 konnte gezeigt werden (6), daß bei 1 20 einmaliger Dilatationsbehandlung 0 nach fünf Jahren nur 26 Prozent der Patienten als remissionsfrei gelten können. Nach mehrmaliger Dilatati40 on waren die Behandlungsergebnisse 2 20 1 0 zwar günstiger, jedoch zeigte sich eine deutliche Verschlechterungstendenz im Langzeitverlauf. Die Ergebnisse 2 bei unter 40jährigen Patienten waren 40 ungünstiger, besonders bei unter 3 20 18jährigen Kranken. Der wesentliche 0 3 prognostische Faktor nach pneumatit (sec) 0 20 40 60 80 100 120 140 160 180 200 220 scher Dilatation war der verbliebene Ruhetonus des unteren ÖsophagusManometrischer Befund bei einem Patienten mit Achalasie. Während des Schluckaktes kommt es ausschließlich sphinkter. Diese Befunde berechtigen dazu, zu simultanen, nicht fortgeleiteten Kontraktionen im distalen Ösophagus, die eine geringe Amplitude aufweidie Dilatationsbehandlung als Erstsen. Der untere Ösophagussphinkter erschlafft während des Schluckaktes nicht. A-612

zumindest eine vorübergehende Beschwerdebesserung (10 a). Über die Langzeitergebnisse einer derartigen Therapie liegen jedoch noch keine Informationen vor, und es ist nicht ausgeschlossen, daß wiederholte Injektionen zu Antikörperbildungen und

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maßnahme bei der Achalasie einzusetzen, zumal die Ergebnisse der operativen Behandlung hierdurch nicht negativ beeinflußt werden. Die Ergebnisse zeigen aber auch, daß trotz adäquater Dilatationstherapie die operative Behandlung im weiteren Verlauf der Erkrankung bei einem nicht unerheblichen Teil der Patienten notwendig wird.

Operation Das operative Vorgehen besteht in der extramukösen Myotomie des unteren Ösophagussphinkters und der angrenzenden Ösophagus- und Magenmuskulatur und kann transthorakal oder transabdominell durchgeführt werden. Da durch die Myotomie die Öffnungsstörung in eine Verschlußstörung verwandelt wird, empfiehlt sich aufgrund umfangreicher retrospektiver Daten, die Myotomie mit einer Antirefluxoperation, zumindest bei dem in europäischen Zentren bevorzugten transabdominellen Vorgehen, zu kombinieren. Bei transthorakalem Vorgehen

Abbildung 3: Ösophagus nach transthorakaler Myotomie und Divertikelabtragung bei dem gleichen Patienten

kann hierauf verzichtet werden, wenn der Halteapparat der Speiseröhre geschont wird. Das eigene Vorgehen kombiniert die transabdominelle Myotomie mit einer sogenannten Semifundoplikatio (Operation nach Dor). Nur in Ausnahmefällen wird die Indikation zur Ösophagektomie zu stellen sein (dysplastische Veränderungen der Speiseröhre, ausgeprägte Dilatation der Spei-

beziehungsweise thorakoskopisch durchgeführt. Ob hinsichtlich der Belastung für den Patienten Vorteile bestehen, muß derzeit offenbleiben.

Indikationen zum Vorgehen Konservatives und operatives Vorgehen stellen keine konkurrieren-

Tabelle

Postoperative Ergebnisse nach operativer Behandlung der Achalasie Klinisches Ergebnis

, 12 Mo

12–24 Mo

25–36 Mo

. 36 Mo

I/II III/IV

5/5 0

6/6 0

9/9 0

11/15 4/15

Ergebnisse in Abhängigkeit von der Nachbeobachtungsdauer (n = 35). Klassifikation nach Eckardt (6). Mo = Monate postoperativ.

seröhre mit fehlendem Sphinkterdruck nach oftmaliger Dilatation). Als Ersatzorgan bevorzugen wir bei Risikopatienten den im Speiseröhrenbett hochgezogenen Schlauchmagen, ansonsten das Coloninterponat. Das Risiko der konventionell durchgeführten extramukösen Myotomie ist gering (0 bis 9 Prozent, Mortalität 0 bis 0,5 Prozent). Die mittlere stationäre Aufenthaltsdauer betrug im eigenen Krankengut 8,8 Tage. Hinsichtlich der Beseitigung der Dysphagie ist das operative Vorgehen effektiv, vermutlich durch die sichere Senkung des Sphinkterdruckes. In 64 bis 88 Prozent sind im Langzeitverlauf gute Ergebnisse zu erwarten. Einschränkend muß jedoch betont werden, daß die Mehrheit dieser Informationen ähnlich wie bei der Dilatationsbehandlung auf retrospektiven Untersuchungen basiert und damit keine endgültige Schlußforderungen zuläßt. Von den eigenen 38 nach einheitlicher Operationsmethode operierten Patienten waren bei einer mittleren Nachbeobachtungszeit von 41 Monaten 19 (54,3 Prozent) völlig und 12 (34,3 Prozent) nahezu beschwerdefrei. Das Alter zum Operationszeitpunkt, die präoperative Anamnesedauer und die Zahl der Dilatationsbehandlungen waren ohne Einfluß auf das Ergebnis (Tabelle). In neuerer Zeit wird die Myotomie auch laparoskopisch

den, sondern einander ergänzende Verfahren dar. Bei erstmals festgestellter Achalasie ist die Dilatationsbe-

a

b

Abbildung 4: a) Ösophagusperforation nach Dilatationstherapie einer Achalasie bei einem 52 Jahre alten männlichen Patienten; b) Kontrolle nach Übernähung, Myotomie und Semifundoplikatio

handlung indiziert, die bei unbefriedigendem Resultat wiederholt werden kann. Das operative Vorgehen ist indiziert nach erfolgloser, für den Patienten unbefriedigender Dilatationstherapie. Primär ist eine Operation angezeigt: 1. Bei Kindern und Jugendlichen, wegen der wenig befriedigen-

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den Resultate der Dilatationstherapie in dieser Altersgruppe. 2. Bei gleichzeitig bestehendem epiphrenalem Divertikel, da möglicherweise die Perforationsgefahr der Dilatationstherapie als höher anzusehen ist und die meist großen Divertikel in gleicher Sitzung transthorakal abgetragen werden können (15) (Abbildung 2 und 3). 3. Bei gleichzeitig zu versorgenden abdominellen (Cholezystektomie, Hiatushernie, Pylorostenose) oder intrathorakalen Erkrankungen. Eine Sondersituation stellt die Ösophagusperforation bei Dilatationsbehandlung dar. Während teilweise ein konservatives Vorgehen bevorzugt wird, sehen wir bei der freien Perforation die Indikation zur Operation gegeben (Abbildung 2 und 3). Das Ri-

siko des operativen Vorgehens ist gering, eine unter Umständen langdauernde Behandlung mit unkalkulierbarem Risko wird vermieden, und durch die gleichzeitige Myotomie neben der Versorgung der Perforation wird der Patient dauerhaft von seinen Beschwerden befreit, ohne daß weitere invasive Maßnahmen erforderlich sind. Insgesamt kann durch adäquate Dilatationstherapie bei einem großen Prozentsatz der Patienten mit Achalasie eine langdauernde Beschwerdefreiheit erzielt werden. Führt dies nicht zum Erfolg oder bestehen Gründe für ein primär operatives Vorgehen, kann durch transabdominell durchgeführte Myotomie mit Antirefluxoperation bei geringem operativen Risiko die Dysphagie langfristig beseitigt werden, ohne einen gastro-

Barrettösophagus und kolorektale Adenome

Adenomen bei 104 Patienten mit histologisch gesichertem Barrettösophagus analysiert. Dabei zeigte sich, daß unter Berücksichtigung des Alters der Patienten kein erhöhtes Risiko für kolorektale Neoplasien besteht. Es ist deshalb nicht gerechtfertigt, bei Patienten mit einem Barrettösophagus Screeninguntersuchungen auf kolorektale Tumoren durchzuführen. W

Der Barrettösophagus gilt als präkanzeröse Kondition für das Adenokarzinom der Speiseröhre. Verschiedene Autoren haben darauf hingewiesen, daß möglicherweise bei diesen Patienten auch ein erhöhtes Risiko für Kolonkarzinome gegeben ist. Die Prävalenz für Kolonadenome wurde dabei von 8 bis 45 Prozent, für das kolorektale Karzinom mit 0 bis 15 Prozent angegeben. In einer prospektiven Multizenterstudie wurde die Prävalenz von kolorektalen

Cauvin JM, Goldfein D, Le Ruhn M et al: Multicentre prospective controlled study of Barrett’s oesophagus and colorectal adenomas. Lancet 1995; 346: 1391–1394. Departments of Gastroenterology, University and General Hospitals of Brest, Frankreich.

„Medikamenteninduzierte“ Pankreatitis selten Kortison und Thiazide waren die ersten Medikamente, von denen berichtet wurde, daß sie eine akute, nicht selten tödliche Pankreatitis auszulösen vermögen. Die Autoren aus Lüneburg führten eine Umfrage an 45 gastroenterologischen Zentren in Deutschland durch, in denen 1 613 Patienten mit akuter Pankreatitis 1993 behandelt worden waren. Bei 22 Patienten (1,4 Prozent) wurden Medikamente als auslösender Faktor angegeben, nämlich Azathioprin, Mesalazin-Sulfalazin, 2,3-Deoxyinosin, Östrogene, Furesemid, Hydrochlorothiazid und Rifampicin. Nur A-614

bei drei Patienten war es zu ausgedehnten peripankreatischen Nekrosen gekommen, bei zwei Patienten zu einer respiratorischen und bei vier Patienten zu einer Niereninsuffizienz. Die Autoren kommen zu dem Schluß, daß eine medikamenteninduzierte akute Pankreatitis selten ist und daß diese Pankreatitisform in der Regel einen benignen Verlauf nimmt. W Lankisch PG, Dröge M, Gottesleben F: Drug induced acute pancreatis: incidence and severity. Gut 1995; 37: 565–567. Medizinische Abteilung, Städtisches Krankenhaus, Boegelstraße 1, 21339 Lüneburg

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ösophagealen Reflux zu induzieren. Langfristige Verlaufsbeobachtungen sind wegen des erhöhten Karzinomrisikos berechtigt. Zitierweise dieses Beitrags: Dt Ärztebl 1996; 93: A-610–614 [Heft 10] Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literaturverzeichnis im Sonderdruck, anzufordern über die Verfasser. Anschrift für die Verfasser:

Prof. Dr. med. Theodor Junginger Klinik und Poliklinik für Allgemein- und Abdominalchirurgie der JohannesGutenberg-Universität Mainz Langenbeckerstraße 1 55101 Mainz

Temperatur von Getränken beeinflußt Motilität Die Magenentleerung wird durch chemische und physikalische Charakteristika der Nahrung beeinflußt. Eine gehaltvolle Nahrung mit hoher Osmolalität verläßt den Magen langsam, da offensichtlich Osmorezeptoren im Dünndarm aktiv werden. Auch die Temperatur scheint dabei eine Rolle zu spielen. Die Autoren untersuchten bei freiwilligen Probanden die Magenentleerung von Getränken bei Temperaturen von 4 Grad Celsius, 37 Grad Celsius und 50 Grad Celsius. Warme und kalte Getränke unterdrückten die Antrummotilität im Vergleich zu einem Trunk mit 37 Grad Celsius Temperatur. Diese Veränderungen waren am ausgeprägtesten in den ersten 30 Minuten nach Nahrungsaufnahme, insbesondere bei kalten Getränken. Offensichtlich gibt es Thermorezeptoren in der Magenschleimhaut, die die Magenentleerung steuern. W Sun W M, Penagnini R, Hebbard G, Malbert C et al.: Effect of drink temperature on antrophyloroduodenal motility and gastric electrical activity in humans. Gut 1995; 37: 329–334. Gastroenterology Unit and Department of Medicine, Royal Adelaide Hospital, Adelaide, SA 5000, Australien