DIAKONIA - Das Netz der Liebe*

1 [Geben Sie den Dokumenttitel ein] DIAKONIA - Das Netz der Liebe* Von George Herbert MEAD, dem amerikanischen Soziologe, stammt der Satz: „[J]ede G...
Author: Kurt Kaiser
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DIAKONIA - Das Netz der Liebe* Von George Herbert MEAD, dem amerikanischen Soziologe, stammt der Satz: „[J]ede Generation [schreibt] ihre Geschichte neu“. Christliche DIAKONIA, deren Erfahrungsräume und Erwartungshorizonte, Rezeptions- und Deutungskategorien, illustrieren dies durch „das Netz der Liebe“: christliche Liebstätigkeit, Armenfürsorge, Innere Mission, Caritas und Diakonie.

Aus dem Proseminar wissen wir: „DIAKONIA“ (prosoziales Verhalten, Fürsorge)1 ist einer von vier Grundvollzügen von Kirche neben „Martyria“ (Zeugnis, Verkündigung), „Leiturgia“ (Gottesdienst, Gebet, Eucharistie) und neuerlich „Communio“ bzw. „Koinonia“2 (Gemeinschaft). DIAKONIA klingt in Deutschland3 wie verfasste Diakonie. Diakonie und Caritas bringen in jeder Mitgliedsbefragung Argumente für Kirchenbindung. Es sind Marken auf dem Sozialmarkt und Kurzformeln für erfolgreiche – und problematisierte - Spitzenverbände der freien Wohlfahrtspflege: „Diakonie Deutschland“ und „Caritas“ mit gut 40 Milliarden Jahresumsatz, mindestens einer Million Mitarbeiter und –innen und einem deutlichen Mehr an Ehrenamtlichen. Die kirchlichen Zuweisungen („Kirchenqoten“) liegen dabei deutlich unter 2%. DIAKONIA klingt wie „Option für die Armen“, Herz für Menschen in Not, in relativer und absoluter Armut. DIAKONIA klingt seltener wie Diakone und Diakoninnen4, wie die traditionelle- Verankerung der „Werke der Barmherzigkeit“ in der Ämterstruktur einer vorzugsweise reformierten5 Kirchengemeinde, ausgestattet * Dem Gedächtnis meiner Schwester Maria M. Hörnig (1962-2014) gewidmet. 1 Ein Auszug aus der Literatur: Immer noch lesenswert (für die beginnende Ökonomisierung und Auseinandersetzung mit Ulrich Bach (1931-2009)): SCHIBILSKY 1991; aktuell und spannend: RUDDAT & SCHÄFER 2005; zur Diakoniewissenschaft: HERRMANN 2008, breite Informationen bieten: HERRMANN & HORSTMANN 2008; ein systematischer Überblick über die Thematik: HASLINGER 2009 (nur die Darstellung der Geschichte wird beim Caritas-Wissenschaftler nach 1897 etwas übersichtlich); kritisch, anregend (bis auf den peinlichen DDR-Beitrag von Eberhard Mannschatz in 2009b): KUNSTREICH 2009a & 2009b; zur Ökonomisierung: HAAS 2010; informativ: HERRMANN & SCHMIDT 2010; ein praktischer, etwas „blümeliger“ Ratgeber: HOFMANN, Beate 2010; sehr kritisch, detailliert und bis in Betätigungsfelder gehend: FRERK 2012; geschichtlicher Überblick, interessant vor allem für das 20. Jahrhundert und die DDR: HAMMER 2013. 2 Vgl. 1 Kor 1, 9 & 2 Kor 13, 13. Das II. Vaticanum (1962-65) und die Vollversammlung des Ökumenischen Rates in Canberra (1991) haben den Koinonia-Gedanken popularisiert. 3 In der Schweiz würde eine Frage nach „Diakonie“ Kopfschütteln bewirken: „Was soll das sein? Mutterhausdiakonie?“, in den Niederlanden repräsentieren Diakone und –innen die soziale Seite lokaler Kirchenverwaltungen. Seit der Gründung der „Protestantischen Kirche in den Niederlanden“ (2004) wurde dieses Amt auch in lutherischen Gemeinden eingeführt. In Norwegen wurde 1987 über das Grundverständnis einer „dienenden Kirche“ nachgedacht: das Amt eines Diakons, einer Diakonin sollte in jeder Kirchengemeinde eingerichtet werden. Aktuelle Diskussionen um das Verhältnis Staat – Kirche verändern gerade die Situation. 4 Diakoniewissenschaft, verbunden mit Ausbildungsstätten für Diakone und –innen, fokussieren das Ämterthema: MERZ; SCHINDLER & SCHMIDT 2008; die klassische Textsammlung: KRIMM 1965. 5 Reformierte Gemeinden mit entsprechenden Ämtern finden sich in Bayern, Berlin, Brandenburg und Bremen; den Grafschaften Bentheim und Lingen, in Ostfriesland, im Bergischen (Wuppertal), im Ravensberger und Wittgensteiner Land, an der Plesse, auf dem Hunsrück, in Lippe, am Niederrhein und im Siegerland.

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mit eigenen Finanzmitteln. DIAKONIA. Begriffliche Unschärfe wird gerne in Kauf genommen: allgemein menschliche Sozialität6, Fürsorge, wie sie religiösen Organisationen gemeinhin eigen ist und professionelle Diensterbringung in „Dienstgemeinschaft“ auf dem umkämpften Sozialmarkt verschwimmen zu diffusem gutem Handeln („Helfen“), zu einer wohltätigen Melange mit der Geschmacksnote Nächstenliebe. Es mag in der Tat vom Motiv her dasselbe Handeln am bedürftigen Nächsten, der Nächsten, zu sein, aber es ist je anders gesteuert, verantwortet und „gegendert“7. Helfendes Handeln ist Ausdruck gesellschaftlicher Konstruktion und politischer Interessen mit je anderer Metaphysik des Übels.8 DIAKONIA: was entstand? Es wurden Stiftungen, Hospize, Asyle, Stadtmissionen, Arbeiterkolonie, Gefängnisvereine, Bibel-, Traktat- und Blödenanstalten, Kinder-, Krüppel- und Altenheime, Sonntagsschulen, Bibelstunden, Rettungshäuser, Pflegeeinrichtungen für Gemütskranke, Altenheim und Komplexeinrichtungen gegründet. 9 DIAKONIA war Raum für gesellschaftliche Konstruktionen des Anders-Seins; Mit-Menschen wurde entwürdigend diszipliniert, aber auch dämonisiert, biologisiert und pathologisiert.10 Der Geist „christliche Liebestätigkeit“ konnte nicht verhindern, dass „totale Institutionen“ (Erving Goffman) entstanden; das Wissen um Gottebenbildlichkeit schützte die Schwächsten im 20. Jahrhundert auf der im ersten Weltkrieg beginnenden11 schiefen Ebene der Infragestellung des Lebensrechts, der Bürokratisierung und Brutalisierung nicht. 1. Vorbemerkung Die Darstellungen der DAIKONIA sind bis heute geprägt von dem enzyklopädischen Wurf des Loccumer Abtes und Konsistorialrates Gerhard Uhlhorn (1826-1901): „Geschichte der christlichen Liebestätigkeit“ (1895). Uhlhorn gab in dieser Monographie12 den Ton vor. Seine Universalgeschichte 6

RÜEGGER & SIGRIST 2011: 34ff setzen reduzierend bei „allgemein-menschliche[m] Helfen“, ein. M.E. verbirgt sich in säkularer Rechtssetzung („unterlassene Hilfeleistung“), Vorbildern und Idealen („ArbeiterSamariter-Bund Deutschland e.V.“; St. Nikolaus oder St. Martin) durchaus christlich eingefärbte Kulturprägung. 7 Vgl. Elke KRUSE & Evelyn TEGELER 2007; spannend auch: Silvia KÄPPELI (2004) und die Geschichte des Mit-Leidens in Theologie und Pflege. 8 Zur Problematik vgl. KLESSMANN 2006: 517ff. 9 Diese Institutionen, aus christlichem Geist entstanden, stehen aber nicht über den pädagogischen oder soziologischen Diskursen und Problemen: Es gibt kaum eine Zeit, da nicht von Gewalt, Übergriffen und Heimskandalen die Rede ist. „Disability History“ erforscht Unbarmherzigkeit oder sexuelle Übergriffe an sog. Behinderten. Möglicherweise wirkte sich „kognitive Dissonanz“ (Leon FESTINGER) aus den hehren Zielen, dem Wollen des unbedingten Guten und dem Streben nach eigenem Seelenheil, aus der moralischen Motivation und den widrigen gesellschaftlichen Umständen, dem Widerstand, der Überforderung und auszehrenden Selbstausbeutung besonders fatal aus. 10 Vgl. ROHRMANN 2011. 11 Es geht hier nicht um eine kausalen Entwicklungskette „erbbiologischer“, „rassehygienischer“ Maßnahmen zu „Euthanasie“-Verbrechen; aber die Akzeptanz kategoriale Infragestellung des „Nutzens“ und damit des Lebensrechtes von Pflegebefohlenen sowie die allmähliche Aushöhlungen weiterer ethischer Positionen zum Schutz der Schwächsten (Zwangssterilisationen) waren in der Moderne durchaus handlungsstiftend. 12 Es handelt sich um eine Sammlung ohne Quellenbelege; auch die Werke von KRIMM 1960-66. 1965 sind faszinierende und fleißige Textsammlungen aber keine historisch-kritisch aufbereiteten Ausgaben.

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der Liebe war als stolze Vorgeschichte der „Inneren Mission“ [„IM“] konzipiert. Apologetisch und etwas triumphalistisch wurde der Bogen von Jesus, dem dienenden Christus13, zu Johann Hinrich Wichern (1801-1881), dem „Vater“ der IM, geschlagen. Bei Wichern las sich das Historische dramatischer und diskontinuierlicher. Sein Geschichtsbild war geprägt von Vorbildern (Liebe der ersten Kirche, Reformation, Spener und Francke) und Verfall (Konstantin, Mittelalter, Aufklärung). Die aktuelle Bedrohung durch „Sozialisten“, „Kommunisten“ wurden als die von heidnischen Mächten, vergleichbar denen, die das Imperium Romanum zerstört hatten, wahrgenommen. So würde der dramatische Abfall vom Christentum bewirkt. Aufgabe der IM als kirchlichem „Vorposten“ war der Kampf gegen Chaos. Not wurde verstanden als Konsequenz von Sünde und politische Folge der Revolutionen (1789 und 1848). Kontinuität war weniger sein Thema als Aufbruch, Erweckung, Rettung, Aufwachen aus dem Schlaf und Aufbruch in einen neuen Morgen durch Vereine, das allgemeine Priestertum der Gläubigen und die IM. Diese Epoche verstand er heilsgeschichtlich als Entscheidungs- und Rettungszeit („Kairos“). Theodor Fliedner (18001864) und Wilhelm Löhe (1808-1872) knüpften, insbesondere was das Amt der Diakonissen betraf, stärker an altkirchlichen Vorbildern an und hatten ein kontinuierlicheres Geschichtsverständnis.

Vielzitiert, mittlerweile auch viel geprügelt, begann Uhlhorn: „Unser Herr nennt das Gebot der Liebe, welches er seinen Jüngern giebt, ein neues Gebot (Joh. 13, 34). Das war es, denn die Welt vor Christo ist eine Welt ohne Liebe.“14 Im Folgenden wurde heidnische Humanitas unterbestimmt und jüdische „Gesetzesreligion“ antijudaistisch konnotiert.15 Fertig war die Ideengeschichte der „Liebestätigkeit“ als Funktion von Gemeinde und Kirche, die er quer durch die Kirchengeschichte zog. „Liebestätigkeit“ bildete den Rahmen, in den die helfenden, pflegenden, rettenden Einzelaktivitäten eingebettet wurden. Solche Theologie verfolgte das Ziel, die DIAKONIA bzw. Innere Mission aus der Kirchengeschichte zu begründen: Kirche wurde mit den „notae ecclesiae“ dienend, missionarisch und diakonisch versehen. Dadurch war – wahre - Kirche schon immer „liebestätig“/ diakonisch und real existierende Kirchen und Gemeinden hatten demzufolge auch hier und jetzt „liebestätig“/ diakonisch zu sein. Uhlhorn sprach von Almosen und „christlicher Barmherzigkeit“, johanneisch konnotiert von „christlicher Liebesthätigkeit“ und „wirklicher Liebesthätigkeit“. Er vermied heute geläufige Liebessemantik („Nächstenliebe“)16, bezog sich nur beiläufig auf den heute „unvermeidlichen“ Samariter (Lk 10, 25-37)17, gar nicht 13

„Er ist nicht bloß ein Lehrer der Liebe oder ein Gesetzgeber der Liebe, sondern der persönliche Anfänger des Liebeslebens.“ (UHLHORN 1959 [1895]: 36) 14 UHLHORN 1959 [1895]: 7. 15 Die „Gegenbeispiele“ von ägyptischen Totenbüchern über den antiken Westen bis nach Israel, vgl. HASLINGER 2009: 25-42. 16 Auch bei Wichern finden sich selten Bezüge zur Nächstenliebe; zupackende, „rettende Liebe“ - dies schon. DIAKONIA sah in Nächsten- und Selbstliebe (Selbstverwirklichung) meist sich ausschließende Gegensätze. 17 Das Samaritergleichnis wurde zum klassischen Narrativ für diakonische Identität und diakonisches Handeln. In der Parabel steht eine Randgestalt als Subjekt für Mitleid, für eine positive Haltung, für das „Zum-NächstenWerden“ und „Sorgen“. Spontanhilfe wird als vorbildlich im Sinne der Praxis der Barmherzigkeit illustriert. Aus

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auf die Vision vom Endgericht (Mt 25, 31-46)18. Seit Uhlhorn ist es so, dass man sich „bruchlos“ entlang von syrischen Kirchenordnungen, vorzugsweise männlichen Protagonisten sowie Institutionen („Anstalten“) ins Heute vor arbeitet: von Jesus zu Luther, Urgemeinde zum Rauhen Haus, Francke zu Gerstenmaier. M.E. dokumentieren die Auflagen der RGG auf spannende Weise, wie sich die neue theologische Disziplin „Diakonik“, „Lehre von der Inneren Mission“ bzw. „Diakoniewissenschaft“ auf- und ausrichtet. Entwicklungen finden sich hinter vier Erzählsträngen: a. Der Uhlhornsche Absolutheitsanspruch wird reduziert. Prosozialität („Liebestätigkeit“) wird auch in der Religionsgeschichte gefunden und gewürdigt. 2. Krankenpflege wird von Sozialarbeit (kirchliche Armenpflege/ Armenfürsorge) geschieden. 3. Die Innere Mission mit Wichern steht ab 1848 für die entscheidende Epoche. 4. Die Ämterfrage (Diakone und Diakoninnen) wird behandelt. In der ersten Auflage findet sich kein Artikel „Diakonie“, dafür: „Diakonen und Diakonenwesen“ (Helene von DUNGERN 1910: Sp. 5-10); die einschlägigen Artikel „Innere Mission“ (SCHIAN 1912: Sp. 515-537), „Liebestätigkeit.“ (ISRAEL/ HACKMANN 1912: Sp. 2130-2146) und „Armenpflege, kirchliche“ (SIMONS 1909: Sp. 707-715). ISRAEL zog den breiten Bogen von Jesus bis zur IM. Schian boten das klassisch werdende Narrativ, wonach das Eigentliche die Innere Mission ist. Deren Geburtsstunde: 22. September 1848. Wicherns Stegreifrede galt als „terminus a quo“ mit der direkten Folge der Gründung des Centralausschusses für Innere Mission „der deutschen evangelischen Kirche“. Davor gab es nach Uhlhorn eine Vorgeschichte, die durch Aufklärung und Pietismus inspiriert war (Oberlin und Pestalozzi), die Teil der allgemeinen Vorgeschichte der christlichen Liebestätigkeit (seit den Tagen Jesu) war. Es kam dieser süßlich konnotierte, sozialarbeiterisch wenig professionell klingende Begriff „Liebesarbeit“ auf. Die Länge des Artikels wird sich in künftigen Auflagen verringern; das Schlagwort wird erhalten bleiben. Das sogenannte „Kronenkreuz“ der Diakonie; unter Verwendung der Buchstaben I und M – für die „Innere Mission“

In der zweiten Auflage signalisiert „Armenpflege III. In der christlichen Gemeinde“ (MAHLING 1927: Sp. 540-549“) den Übergang zum Weimarer Sozialstaat. Statt des Gegensatzes bürgerlicher zu kirchlicher Armenpflege wird nun unterschieden zwischen öffentlicher und privater Wohlfahrtspflege. Das Wort „Armenpflege“ erscheint zu negativ konnotiert; „Fürsorge“ oder „Wohlfahrtspflege“ sollen für Kriegsversehrte und durch Wirtschaftskrise und Inflation Betroffene Beschämung und Erniedrigung vermeiden. Der neue Artikel „Diakonie“ (MAHLING 1927: Sp. 1903-1908) definiert: „1. allgemeine heutiger durch Institutionen geprägter Sicht ist die „verfasste Diakonie“ allerdings eher mit dem Wirt, der die Infrastruktur stellt, weiter sorgt und bezahlt wird („Pflegesatz“), zu vergleichen denn mit dem Samariter! (Vgl. Bovon 1996: 79-99) 18 LUZ 1997: 515-561 führt aus, dass die heute zentrale, faszinierende, universale Deutung des Textes von Matthäus her exegetisch nicht zu vertreten ist. Dort handelte es sich „aller Wahrscheinlichkeit nach“ nicht um notleidende Mitmenschen im Allgemeinen sondern ausschließlich um notleidende Jüngerinnen und Jünger im Speziellen (542): um Kirchengenossen und –innen. Dennoch nennt Luz Gründe, sieht positive Anknüpfungspunkte und einen matthäischer Richtungssinn für eine universalierende Neuinterpretation: Dann, wenn „ein[] biblischer Text[] Liebe bewirkt“ (ebd.: 543), die Liebe „funktionale[s] Wahrheitskriterium“ ist, dann ist eine solche universalisierende Neuinterpretation („und zwar von Jesus her“; ebd.: Anm. 171) doch vertretbar.

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[Geben Sie den Dokumenttitel ein] Dienstpflicht der Christen; 2. berufsmäßiges Dienen; 3. praktisches Handeln; 4. ein durch tiefste innere Erfahrung bestimmtes Handeln.“ (Ebd.: Sp. 1903); Art. „Liebestätigkeit“ wird deutlich gekürzt. In der dritten Auflage findet sich die „Armenpflege“(MENSCHING/ KUTSCH/ DIETRICH/ SURKAU 1957) nur noch auf etwas mehr als vier Spalten (616-619); das Christentum wird auf das „Urchristentum“ reduziert und füllt im Artikel eine Spalte. Der größer werdende Artikel „Diakonie“ (WAGNER 1958:162-167) gerät historisch breit, buchhalterisch und binnenkirchlich. Der Artikel „Innere Mission“ (SCHÜTZ 1959: 756-763) beginnt mit Wichern. „Als Diakonie hat die I.M. eine mit dem NT beginnende reiche Vorgeschichte. Unmittelbare Vorläufer erwachsen ihr aus dem […] Pietismus und der […] Erweckung (: I); aus der pädagogisch und sozial tätig werdenden […] Aufklärung weisen Linien zu ihr hinüber“ (Sp. 757). Art. „Liebestätigkeit“ wird weiter gekürzt. In der vierten Auflage wird erstmals unter „Armenfürsorge“ (TWORUSCHKA/ EBACH/ GAGER/ CAPLAN/ NAGEL/ MEGGITT/ WISCHMEYER/ KAISER/ STROHM 1998: Sp. 753-763) der gewohnt apologetische Zug verlassen. KAISER nimmt Sachße & Tennstedt19 auf; die Methodenarmut der Disziplin wird interdisziplinär ergänzt. Somit wird seit der Reformation der Umgang mit Armut durch die Stichworte „Kommunalisierung“, „Rationalisierung“, „Bürokratisierung“ und „Pädagogisierung“ systematisiert; der interdisziplinäre Blick geht noch nicht auf kulturwissenschaftliche Vereinsforschung, Soziologie oder kritische Pädagogik. Die „Neuzeit“ endet mit dem Pietismus. Der Beitrag zur „Diakonie“ (KAISER/ DAN/ STROHM/ TURRE/ WINTER/ SCHIBILSKY 1999: Sp. 792801) schließt an und ist historisch knapp gehalten, deckt dafür mit konfessionellen, ökumenischen, sozialethischen, rechtlichen und – in großer Breite – praktisch-theologischen Aspekten das Fach „Diakoniewissenschaft“ ab. Ein knapper Artikel zur „Inneren Mission“ (KAISER 2001: 151-154) geht für das 19. Jahrhundert über Wichern, das Jahr 1848, Institutionalisierung und „übergreifende Struktur“ nicht hinaus. Die Schätze protestantischer Zivil- bzw. Vereinsgesellschaft, evangelisch-sozialer Bewegung von u.U. auch „namenlosen“ Laien und Laiinnen im Vormärz wie die Besonderheiten pluralisierter Landeskirchen bleiben ungehoben. Frauenbewegung und Paradigma „Rettung“ fehlen. Dafür wird geboten: Begriff und Werden des Sozialstaates, Drittes Reich, Neubeginn und „Ende“ (1975). „Vermutlich hielten die Zeitgenossen in der Mitte des 20. Jh. den Begriff [Innere Mission] für zu altmodisch und zu ‚fromm‘ und ersetzten ihn deshalb durch ‚Diakonie‘.“ (Sp. 152). Erstmalig finden sich Artikel zu „Diakonenhäuser/ Diakonissenhäuser.“ (GÖTZELMANN 1999: 790792); „Diakoniewissenschaft“ (STROHM 1999a: Sp. 801-803) und zum „Diakonische[n] Werk der EKD“ (STROHM 1999b: Sp. 804-806).

2. PARADIGMEN 2.1 „Diakonia“ und die Seligkeit der Armen, „denn das Reich Gottes ist ihrer“ (Lk 6, 20b) Jesu Verkündigung von der nahen Gottesherrschaft galt dem „Ensemble der Opfer“ (Lange). Viele der Therapiewunder oder Exorzismen fanden in diesem Milieu statt. Zumindest zur Zeit der „Wanderradikalen“ (Theissen) gehörten er und seine Jüngerinnen und Jünger zu den Armen. Die Urgemeinde war eher von absoluter (vgl. Gal 2, 10; dagegen Apg 4, 34), paulinische Gemeinden von relativer Armut geprägt. Christlicher Glaube bildete seine Identität nie ohne Armenfürsorge aus (Mt 25, 31-46; Jak 2, 14-17). Armut bedeutete Abhängigkeit, Not, Gewalterfahrung (bis hin zur 19

Geschichte der Armenfürsorge in Deutschland (1977-2011). Bd. 1-4.

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Wohnungslosigkeit). Armut fügte zu den sprichwörtlichen „Rechtsschwachen“: den Fremden, Witwen und Waisen. Armut macht hilfe- oder gerechtigkeitsbedürftig. Die Reaktionen auf Armut waren im christlichen Kontext ambivalent, dabei bis in die neueste Zeit biblisch20 inspiriert. Meist waren sie mehr von Mitleid und Erbarmen denn vom Streben nach Gerechtigkeit motiviert. Die „klassischen“, „unverschuldeten“ [Bettel-] Armen waren die „Krüppel“, Blinden und Lahmen. Dazu die, die besonderen Schutz brauchten: die Witwen und Waisen. Lazarus (Lk 16, 20) ist Inbegriff eines Armen im NT. Reaktionen auf Armut bewegten sich zwischen christologisch-soteriologischer Verheißung: „Was ihr getan habt einem von diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan.” (Matthäus 25,40) und Bestandsgarantie: „Denn Arme habt ihr allezeit bei euch” (Matthäus 26, 11a; dagegen Dtn 15, 4). Armut war faktische Gegebenheit, soziale Realität (Spr 22, 2.7). Sie galt zunächst als selbstverschuldet (Spr 10,4; 20,13; 24, 30-34). Die Propheten fragten zwar nach Ursachen wie Ausbeutung (Am 2, 6-8; Jes 5, 8-10), aber zu ihrem Geschickt gehörte, wenig Gehör zu finden. Die Sicht auf Armut, zumal wenn letztere überhandnahm, war schnell mit einer kleinen aber giftigen Prise Misstrauen gewürzt: „Nur wirklich Arme sollen die Früchte christlicher Wohlthätigkeit genießen; sie sollen nicht elend ihre Gabe empfangen, sondern als der Opferaltar der Gemeinde in Gottvertrauen warten auf die Lob- und Dankopfer der Gemeinde.”21 Erbarmen und Mitleid wanderten neutestamentlich zudem auf dem Grat zwischen Spiritualisierung („Selig sind, die da geistlich arm sind“; Mtth 5, 3) und Überhöhung („Selig seid ihr Armen, denn das Reich Gottes ist euer“; Lk 6, 20). Letzteres knüpft an exilisches (ganz Israel ist arm, vgl. Ps 9/10; 25; 34; 27; 140) bzw. nachexilisches Verständnis von Armut an, wonach Arme als Idealbild frommer Menschen „aus der Tiefe“ (Ps 130, 1) rufen, zutiefst Bedürftige und Wartende sind, die nichts von sich aus sind, nichts haben und daher alles vom helfenden, rettenden Eingreifen ihres Gottes erhoffen. Hilfe, Beherbergung, Krankheit und Sterben fand mit Lk 10, 34 bald im Schatten der Bischofskirchen und Klöster statt: im „hospicium“ oder im „hospitale pauperum“. Maßnahmen gegen Not und Armut folgten noch lange biblischen Vorbildern bzw. präsentierten konkurrierende Überlegenheit: Kinderrettung im 19. Jahrhundert suchte den Kindern mehr zu bieten als einen schäbiger Futtertrog („Krippen“, Kleinkinderschulen), bedürftige, wandernde Handwerksgesellen galt es vor „Schnappspennen“ und Sozialdemokratie zu bewahren, angemessen zu beherbergen und damit in regelnde Obhut zu nehmen („Herbergen zur Heimat“). Die Typologie der Handlungsformen deckt ein breites Spektrum ab: als Nächste lieben; dienen, behandeln, betreuen, pflegen, therapieren; unterbringen, 20

Alle irgend diakonisch anschlussfähigen Stellen aus dem Neuen Testament listet KRIMM 1960: 19-39 auf; vgl. auch: SCHÄFER & STROHM 1998. 21 Immer noch: SCHÜTZE 1883: 189; Hervorhebung vom Verf.

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versorgen; beraten, erziehen, bessern; kontrollieren, bespitzeln („schwarze Polizei“), zur Meldung bringen; zeitlich wie ewig retten, beeinflussen, zur Umkehr bringen; Service erbringen, Dienstleistung bereitstellen; neuerlich auch: anwaltlich eintreten für. Von Energieberatung bis Tafelladen, von Schuldnerberatung bis zur Inobhutnahme von Jugendlichen: es gibt viele refinanzierte Produkte in der Angebotspalette der Sozialkonzerne. 2.2 Alte Kirche. Die eigenen Bedürftigen und erste Institutionen22 Über DIAKONIA in der Urgemeinde und im frühen Christentum ist nicht viel Genaues bekannt. Hier wartet noch Arbeit für die Diakoniewissenschaft! Aber von Justin dem Märtyrer, Aristides von Athen oder später von Kaiser Julian lassen wir uns gerne bestätigen, dass Fürsorge zu dem Merkmalen der christlichen Gemeinden gehörte. Da war Sympathie/ „Liebe“, hörte man sagen23, für die Gefangenen, Fremden, Verbannten, Sklaven und selbst für die Verstorbenen. Geklärt werden musste nur, wer für diesen Liebesdienst zuständig war und welche Rollen Frauen zugedacht waren. Frauen verloren im 2. Jahrhundert ihre Rolle als Prophetinnen – einziges Gemeindeamt blieb das im ersten Jahrhundert entstandene Amt der „Witwe“. Dieses wurde im vierten Jahrhundert mit dem Titel „Diakonisse“ versehen, gehörte aber nicht zum Klerus. Weibliche Gemeindeglieder wurden betreut, u.a. im Taufbad oder bei Krankheiten. Durch asketische Bewegungen im 4. Jahrhundert entstanden als besonderer Stand der der „Jungfrauen Christi“ bzw. der „Eunuchen für das Reich Christi“ (Mt 19, 12). Weiblicherseits war die Askese weniger rigoristisch als sozial ausgeprägt. Äußeres Zeichen einer vom Amt her beeinflussten und definierten Institutionalisierung der Kirche war im 3. Jahrhundert die Übernahme des heidnischen Priesterbegriffs in konkurrierender Überlegenheit. Dieser bezeichnete zunächst (Orts-) Bischöfe, dann auch Presbyter. Bischöfliche Macht („Monepiskopat“/ „monarchischer Episkopat“) zeigte sich in der Zentralisierung von Aufgaben sowie dem Ausbau kirchlicher Verwaltung. Der Klerus spezialisierte sich, ausgehend von den Funktionen im Gottesdienst, abhängig vom Bischof, in Presbyter und Diakone; Lektoren und Subdiakone. Nach der gottesdienstlichen Entlassformel wurde für die Gemeindearmen gespendet: liturgisches Vollzug und karitative Praxis waren verbunden und dienten der Solidarität. Gaben wurden im Speicher des neben der Kirche gelegenen Bischofshauses gelagert. Diakone gewannen besondere Bedeutung für das Gemeindeleben, weil ihr Amt für Finanzverwaltung, Armenfürsorge, Betreuung Kranker und Alter sowie für Mitwirkung im Gottesdienst stand. Nachkonstantinisch begann die Kooperation von Staat und Kirche, die reichskirchliche Etablierung der Armenfürsorge. Dies zeigte sich als funktionale Synthese. Kirchen wurden begünstigt, finanziell bei den Gehältern, Kirchbauten oder der besonders geförderten Armenfürsorge unterstützt. Der soziokulturelle 22 23

Vgl. THEISSEN 2004; HAUSCHILD 2007. Belege bei HASLINGER 2009: 44-47.

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Referenzrahmen veränderte sich: aus einer aus gesellschaftlichen Minderheit, die sich in grundlegender Verbundenheit um Bedürftige kümmerte, wurde eine gesellschaftliche, staatstragende Institution. Soziale Verwerfungen, Verweltlichung und Funktionalisierung für Herrschaftsinteressen konnten nicht ausbleiben. Diakonia wurde gefördert, gefordert – wohl auch überfordert. 2.3 Mittelalter: fromme, verdienstliche Werke für das Seelenheil 2.3.1 Kirche, Klöster, Obrigkeit Die Trägerschaft der allgemeinen Armenpflege blieb in kirchlicher Hand. Wohltätigkeit und reichliche Barmherzigkeit waren verstärkt an kirchliche Riten, Gelübde, Stiftungen, Vermächtnisse und Ablässe gebunden: Brot, Kleider und Schuhe wurden verteilt; freie Bäder („Seelbäder“) und freier Aderlass geboten, freie Wohnungen („Seelhäuser“), freies Holz für den Winter bereit gestellt. Spenden und Almosen waren an kirchliche Feste, Gottesdienste oder Begräbnismessen, insbesondere „Seelenmessen“, gebunden. Die Kirche empfing, leitete, verwaltete. Rechtsverpflichtende „Gegenleistung“ für empfangene Almosen seitens der Empfänger und –innen waren insbesondere Fürbitten. Denn auch Almosen, so die herrschende Theologie, würden aktuelle oder zukünftige Strafen im Fegfeuer reduzieren („pro remedium animae“). Nach dem Ende des Römischen Reiches (476) wurde Armut in Folge von allgemeinem Bevölkerungswachstum, Hungersnöten, Kriegen ein Massenphänomen. Städte erlebten einen Zerfallsprozess; das gesellschaftliche und kirchliche Leben verlagerte sich auf das Land. Arm („pauper“) war Gegensatz zu mächtig („potens“), nicht zu reich („dives“). Die einsetzende Dezentralisierung des Kirchenlebens führte allerdings nicht zu einer Dezentralisierung der bischöflich verankerten DIAKONIA. In diese Lücke stieß nun das sich entwickelnde Mönchtum, vor allem der Benediktinerorden (gegr. 529). In den Armen Christi („pauperes Christi“) begegneten die Mönche Christus. Liturgie und Diakonia waren verknüpft, vom frommen Aufnahmeritual zur regelmäßigen Fußwaschung. Entstehende Klöster, beeinflusst von Basilius von Cäsarea (330-379), verbanden Armenpflege und Betreuung von Reisenden (Hospital, Hospiz, Speiseanstalt) mit Bildung (Schulen für Elementarunterricht). Das Mönchtum in den Großstädten wurde stilbildend für die medizinische Versorgung in den Hospizen. Kinder und Jugendliche wurden oft in der Solidargemeinschaft der Großfamilie (Sippe) aufgefangen. Ansonsten wurden Kinder in den von Klöstern betriebenen karitativen Einrichtungen, wenn in Not geraten, gleich mit versorgt. Hilfe und Versorgung gingen nicht über die Befriedigung physischer Minimalbedürfnisse hinaus. Seit Karl dem Großen (747-814) entstanden behutsam Ansätze zu Ordnungen und Verordnungen, die Fürsorgepflicht, bisher in der Sippe verankert, sollte auf die Grundherren ausgedehnt werden. Es entwickelte sich in sehr bescheidenen Ansätzen eine Art „Obrigkeitsdiakonat”. 2.3.2 Hochmittelalter: Orden und Institutionen.

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Das Hochmittelalter brachte weitere Veränderungen. Es waren nicht mehr nur die Benediktinermönche, die fast schon ein Monopol an Armenpflege hatten, die tätig waren. Die Enturbanisierung kam zum Ende – Geldwirtschaft, Stadtkultur und neues soziales Denken führten zu einer Art individueller Sensibilisierung für Not und zu Humanisierung. Auf dem Hintergrund einer aktualisierten Armutstheologie und –bewegung erfolgte wiederum Idealisierung von Armut (ob unfreiwillig als „pauperes cum Lazaro“ oder freiwillig als „pauperes cum Petro“), damit eine Verharmlosung von Armut aber auch Zuwendung zur Herausforderung durch neue diakonische Gemeinschaften. Einspruch? Quergedachtes; oder: es ging auch anders! Moses Maimonides ([Moshe ben Maimon] 1138-1204) setzte die Ethik des Talmuds in acht Stufen der Gerechtigkeit um. Bleibend wichtig ist dabei, dass soziale Dienstleistung Verpflichtung gegenüber dem Mitmenschen ist. Es geht nicht um Barmherzigkeit, Mildtätigkeit, Erbarmen – der Bedürftige hat einen Rechtsanspruch auf Hilfe. Sozialität ist konkret und werktätig. Ausgehend vom Ideal (a) werden zunehmend „Abstriche“ vorgenommen: a. Die höchste Stufe aktiver Gerechtigkeit ist demnach Hilfe zur Selbsthilfe und zur Unabhängigkeit. Bedürftige sollen in die Lage versetzt werden, sich dauerhaft selbständig zu ernähren. Dafür wird Arbeit beschafft, Geschäftspartnerschaft angeboten, zinsloses Darlehen gewährt. [Dies wird im 19. und 20. Jahrhundert „Subsidiarität“ genannt!] b. Die zweite Stufe übt Wohltätigkeit in einer Weise aus, dass Spender, -innen und Bedürftige nichts voneinander wissen. Damit wird Beschämung auf Seite der Empfangenden vermieden. c. Stufe drei setzt voraus, dass Wohltäter und -innen wissen, wem sie geben, aber die Armen erfahren nichts von der Identität der Spendenden. d. Stufe vier: Die Gebenden kennen die Identität der Bedürftigen nicht, aber diese kennen die Spender und -innen. e. Stufe fünf: Es wird gegeben, bevor darum gebeten wurde. f. Stufe sechs: Es wird gegeben, nachdem darum gebeten worden ist. g. Auf Stufe sieben ist die Gabe zwar nicht ausreichend, aber sie wurde mit Freundlichkeit geben. h. Die achte Stufe, die die Verpflichtung zur Gerechtigkeit gerade noch erfüllt, bedeutet: mit Unfreundlichkeit geben.24

Kreuzzüge waren durchaus vielschichtigere Dialog- und Austauschprozesse als es reduzierende, gewaltgetränkte Darstellungen glauben lassen. Aus Cluny waren in den Anfängen auch Laienbruderschaften gerufen worden, die Armenund Krankenpflege – nach muslimischen Vorbildern – nun in großen Anstalten in Jerusalem ausübten (Johanniterhospital). Die Idee wurde anschließend nach Europa verpflanzt (Deutschorden). Dazu kamen Orden, die sich darüber hinaus dem Loskauf von Gefangenen widmeten (Nolasker, Trinitarier). Ende des 12. Jahrhunderts kann konstatiert werden: Klöster kümmern sich weiterhin um „Arme“, neu gegründete Laienorden und –bruderschaften (Antoniter, Heiligeistbrüder) sich spezialisierend um Kranke, „Krüppel“, Sieche und 24

Vgl. Maimonides 1862: 10:1,7-14; diese Prinzipien sind für die ZWST (Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland) bis heute maßgeblich.

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Lepröse; es entstanden häufig weibliche Zweige für Krankenpflege. Franz von Assisi (1181/82-1226) und Elisabeth von Thüringen (1207-1231) erneuerten karitative Impulse, standen für konsequente Nachfolge und persönliche Zuwendung zu Bedürftigen. Bettelorden, bürgerliche Laien oder Laiinnen betrieben Stiftungen, die von Bürgern oder Stadtobrigkeit finanziert, meist dem Heiligen Geist als Tröster der Armen gewidmet waren: Spitäler, Armen- oder Aussätzigenhäuser. Franziskaner und –innen werden sich große Verdienste in der Pflege Pestkranker erwerben. Der Predigerorden der Dominikaner verband im 13. Jahrhundert vor allem in Deutschland theologische Arbeit mit Seelsorge und Armenpflege. Aber auch Wohltätigkeit und Wirtschaftlichkeit näherten sich an: Beginen25 etwa kümmerten sich seit 1200 in Brabant, Flandern oder dem Rheinland um Mädchen, Frauen und Witwen in sozialen Schwierigkeiten und beschäftigten sie erwerbsmäßig in Krankenpflege und Armenfürsorge. Gilden entwickelten sich zu Bruderschaften, Zünfte und Hansen standen für Gewerbeinteressen, Geselligkeit, ordentliche Begräbnisse, Absicherung gegen Unfall, Krankheit und Alter. Der kirchliche Bezug konnte sich lockern. Doch blieb theologisch die Überzeugung: Bettler und -innen waren Teil der göttlichen Ordnung und boten die Möglichkeit, Almosen zu geben und christliche Tugenden zu pflegen. Mit Thomas von Aquin (1225-1274) gedacht, war Privateigentum Folge von Sünde. Denn „Im Anfang“ war alles gemeinsam („omnia communia“). Sodass Armut („non proprium habere“) ein sittlich höherer Zustand war als Besitz. Geiz war schwerere Sünde als Verschwendung. 2.3.3 Spätmittelalter und Neuzeit: „Sozialdisziplinierung“ (Gerhard Oestreich). Arme werden lästig. Neue, allseits rezipierte Paradigmen für Armenfürsorge und DIAKONIA in Spätmittelalter und Neuzeit kamen aus der Übernahme der Ergebnisse von Christoph Sachße und Florian Tennstedt.

Das Spätmittelalter erlebte einen Umbruch der herrschenden Paradigmen. Immer mehr schwoll das Heer der Bettler an. Die Pest hatte soziale Probleme verschärft. Polizeiverordnungen versuchten zunächst „fremde” Arme mit aller Härte von der eigenen Stadt fernzuhalten. Bettelzeichen wurden vergeben: hie die anständigen eigenen, dort die verwerflichen fremden Bettler. Auch Jugendliche konnten unter Maßnahmen der Armenpolizei fallen. Armenpflege war weiterhin Einzelhilfe, keine organisierte, sozialpolitische Tat. Unter dem Einfluss des Humanismus wurde aus dem Ideal der Armut ein generelles Übel: Typus wurde der hässliche Arme. In den wachsenden Städten drängte ein selbstbewusster werdendes Bürgertum zur Organisation städtischer 25

Das männliche „Pendant“, die Begarden, blieben vergleichsweise unbedeutend. Männer hatten einen vagantischen Flügel. Dieser entzog sich kirchlicher Aufsicht und wurde mit Häresieverdacht überzogen. 1311 wurden Beginen und Begarden verboten; die „regulierten“ Konvente blieben davon unbehelligt.

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Hilfeleistung. Hilfe war nicht mehr „frei“: Gegenleistung wie Arbeitsverpflichtung wurden erhoben. Es kam zur Arbeitserziehung, zur Pädagogisierung der Armenfürsorge. Soziale Ruhigstellung und Kontrolle waren das Ziel; Sozialdisziplinierung.26 Die „wilden“ Bettelmarken (Pilgermuschel, im Hut getragener Löffel) werden ersetzt durch „richtige“, meist (reich-)städtische. Armut wurde zum sozialen Problem und Fürsorge zur politischen Gestaltungsaufgabe. 2.4 Reformation: Das Ende der theologischen „Würde“ von Armut. Noch mehr Sozialdisziplinierung. Die Reformation setzte die Linie der „Kommunalisierung“, „Rationalisierung“, „Bürokratisierung“ (Sachße/ Tennstedt), also: Verobrigkeitlichung der Armenhilfe („An den christlichen Adel“; 1520), fort, beraubte die „Liebestätigkeit“/ Diakonia vollends ihrer traditionelle Motivation und dispensierte so von konkreter Hilfe: nichts war mehr verdienstlich. Nichts war gutes Werk. Mochte die Kirche von Glauben und Nächstenliebe predigen – durchzuführen hatte es die Obrigkeit. Neben den „guten“ weil „schuldlos“ verarmten Hausarmen, deren Lebenswandel auf bürgerliche Tugenden („Anständigkeit“, Fleiß, Mäßigung) überprüft wurde, wurden die fremden Armen, die „fremden Bettler“ konstruiert, diskriminiert und sanktioniert: vagierende Armut, „unehrliche Berufe“ oder Abweichungen vom Leben der Mehrheitsgesellschaft.27 In Nürnberg (1522) und Straßburg (1523) wurde erstmals Bettel verboten; dafür hatten die Kommunen Unterstützungspflicht. Im lutherischen Flügel der Reformation wurde „dämonisiert“: aufrührerische Bauern, katholische Kirche, Juden und „Türken“ waren „des Teufels“ – aber auch „Behinderte“ („Wechselbälge“, „Mondkinder“), „Zigeuner“. Die sozialpolitischen Linien des 15. Jahrhunderts setzen sich fort: es entstehen „Kastenordnungen“. Kommunale Wohlfahrt wurde aus eingezogenem Kirchengut organisiert. Die „Kastenherren“ oder „Kastenmeister“ waren beamtete Armenpfleger. Hervorgehoben werden die von Luther beeinflussten „Wittenberger Beutelordnung“ (1520/21) oder „Leisnitzer Kastenordnung“ (1523). Die württembergische Kastenordnung (1536), entstanden im Kontext der Einführung der Reformation (1534), war europäischer „Exportschlager“. Vorbildlich schienen Armenfonds bisherige kirchliche Einkünfte, Erträge von Sammlungen, Gebühren und Strafen zu verwalten. Aber auch die besten Ordnungen konnten nicht garantieren, dass sie umgesetzt wurden. Bürokratisierung (der Grad der Bedürftigkeit wurde festgelegt), Pädagogisierung und Sozialdisziplinierung wurden charakteristisch für bürgerliche Armenfürsorge. Zwinglis Theologie28 war deutlich sozialethisch akzentuiert; „Volksküche, 26

Vgl. SACHSSE & TENNSTEDT 1998, 34f; MOLLAT 1984, 229. Es wurde unbarmherzig stigmatisiert. Der Bettler wurde geradezu zur „Spukgestalt“; Bettler und -innen, Prostituierte, jüdischen Menschen wurden an den Rand der städtischen Gesellschaft gedrängt. 28 Vgl. für Literatur: RÜEGGER & SIGRIST 2011, 97ff. 27

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„Mushafen“ und Hospital wurden in Zürich geschaffen. Mit kommunalem „Obmann“ und vier „Pflegern“ wurde erste Professionalisierung vollzogen; die Kirchenordnung von 1525 übergab der Stadt Zürich die Armenpflege. Der Straßburger Reformator Bucer (1491-1551; mit Apg 6, 1-6) und Johannes Calvin (1509-1564; mit Röm 12, 8) in Genf vertreten eine viergliedrige Ämterstruktur in der Kirche mit Lehrern, Pastoren, Ältesten und Diakonen. In Genf kommt es zur Unterscheidung Krankenpfleger („hospitaliers“) und Armenpfleger („procureurs“). Johann Laski (1499-1560) inspirierte durch seine („apostolische“) Kirchenordnung holländisch-reformierte Gemeinden in London, darauf reformierte in Ostfriesland und am Niederrhein (Kirche „unter dem Kreuz“) zu einer rein kirchlichen Armenpflege durch Diakone. „Katholische Reform“ hielt in Trient (1545-1563) an der grundsätzlichen Verdienstlichkeit guter Werke (Almosen) fest. Es kam im 16./ 17. Jahrhundert zu einer kurzen Renaissance kirchlicher Hospitäler und zur Entstehung von Pflegegemeinschaften wie der Hospitalorden des Heiligen Johannes von Gott (1539), Elisabethinnen (1622) und der von Diakonissenhäusern später ob ihres größeren Erfolges beneideten „Barmherzigen Schwestern“ („Vinzentinerinnen“, 1633). Jedoch: die Paradigmen Pädagogisierung und Sozialdisziplinierung wurden evangelisch wie katholisch „durchgängige[] Signatur der sozialen Arbeit.“29 Die sich anschließende Entwicklung der Armen- und Kinderfürsorge führte in der sich verschärfende Arbeitslogik und –pflicht zu Armen- oder Zuchthäuser. Diese 1596 in Amsterdam als „tuchthuis” (Zuchthaus) entstanden, u.a. zur Umerziehung von Dissidenten gedachten Einrichtungen, regierten mit Zwang und Härte und waren darin Alternative zu Haft oder Galgen. Diese Form der „Fürsorge” gewann schnell in Deutschland an Bedeutung: Bremen (1609), Lübeck (1613), Hamburg (1622) oder Danzig (1629) ahmten das holländische Beispiel nach. Selbst Waisen- und Findelhäuser schlossen sich der Idee „Besserung durch Arbeit” an. Die Lebensbedingungen waren ruinös; Bildung war von Religionsunterweisung dominiert. Insbesondere der Merkantilismus nahm die Idee der „Zuchthäuser” auf und beutete die Insassen und -innen entsprechend aus. Es entstanden „totale Institutionen“ (Goffman). 2.5 Pietismus: frommes Leben, Einzelinitiativen gegen Armut Die Städtepolitik des späten Mittelalters setzte sich fort: Armenpolitik, soziale Fürsorge blieb der „guten“ Obrigkeit übertragen. Nach sozialer Zurückhaltung (und „reiner Lehre“) bildeten sich vereinzelt Gesellschaften freiwilliger Armenpfleger („frommes Leben“), gemeinnützige Anstalten und Sparkassen. Armenordnungen werden zu Polizeiordnungen. Armenfürsorge wird verweltlicht, Notlagen standardisiert, ständig neue, weiter diskriminierende Armenordnungen erlassen. Lähmend und verkrampfend auf die Armenfürsorge wirkte sich der „Arbeitsgedanke“ aus. „Unwürdige“ Arme wurden stigmatisiert. 29

HASLINGER 2009: 63.

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Die Lage nach dem 30-jährigen Krieg war von Massenarmut gekennzeichnet; obrigkeitliche Armenfürsorge kam fast zum Erliegen. Nur der Adel erholte sich einigermaßen schnell. Absolutismus entwickelte sich in der Form der Kleinstaaterei; Bürokratisierung und Verhöflichlichung (!) sind angesagt. Manufakturen werden Quellen von Reichtum – aber auch von Armut und Elend.30 Die Armenpolizei griff hart durch. Selbst an Kindern und Jugendlichen wurden Hinrichtungen vollzogen. Findelstiftungen öffneten sich für größere Kinder, es gab einen Mangel an Pflegefamilien. Die Not war groß. Es fehlte nicht an Privatinitiativen von evangelischen Predigern zur Gründung von Armen- und Waisenhäusern. Philipp Jakob Spener (1635-1705) geißelte in seiner Schrift „Pia Desideria” (1675) das „Unterdrücken und Aussaugen” der Armen, die von ihm in Frankfurt mit gegründete Armeneinrichtung wurde aus heutiger Sicht nach unannehmbaren Erziehungsmethoden geleitet. Angeregt wurden trotzdem Armen-, Waisen- und Arbeitshäuser in Kassel (1690), Darmstadt (1698), Stuttgart (1719). Lieblingskinder der Aufklärung waren Industrieschulen. August Hermann Francke (1663-1727) schaffte mit seiner Anstalt in Halle ein erstes viel beachtetes Exempel31 für selbständige kirchliche Sozialarbeit und für „Verwandlung der Welt durch Verwandlung von Menschen“. Er gliederte Betriebe an (Verlag, Apotheke, Landwirtschaft, Steinbruch) und versuchte sein Sozialunternehmen wirtschaftlich abzusichern. Waise-Pflege kam auf: das Kind rückte in das Interesse von Pädagogik und Armenpflege. Neben einfacher Bevölkerung wurden auch die Eliten des preußischen Staates ausgebildet. Den Abstieg der evangelischen Kirche zur Predigt- und Unterrichtsanstalt konnte auch dies Beispiel nicht aufhalten. Diakonia als gemeindliche Kontrastgesellschaft zur spätbarocken fand sich bei Nikolaus Ludwig Graf von Zinzendort (1700-1760) mit seiner Herrnhuter Brüdergemeinde (seit 1727). In Orientierung an einer idealisierten Urgemeinde entstand ein beeindruckendes, gleichwohl sich selbst genügendes christliches Gemeinwesen mit Armen- und Krankenpflege, der Beherbergung Fremder und der Erziehung des eigenen Nachwuchses. 2.6 Aufklärung: Niedergang und hoffnungsvolle Ansätze Der klassische Ort für soziales Handeln war in der frühen Neuzeit zunächst das 30

Ca. 4% der Bevölkerung galten als „nichtseßhafte Arme“: Gebrechliche aller Art, Witwen und Waisen, um der Religion willen Verjagte, Studenten, Schüler, Singmädchen, „Zigeuner“, entlassene Lehrer, selbst verarmter Adel. Dazu kamen „Vagantenbanden“ und „Bauernbanditen“, z.T. Widerständige gegen lokale Obrigkeit. 31 Ein durchgängiges Problem der Geschichtsschreibung der Diakonia liegt darin, dass die Wirkungsgeschichte von Ordnungen, Institutionen oder Persönlichkeiten schwer zu erheben ist. Für die Epoche des Pietismus/ der Erweckungsbewegung/ Inneren Mission gefragt: Interessierte man sich in Bremen wirklich für Francke? Wussten die Thüringischen Staaten etwas von Oberlin? Paris nahm sich Oberlin/ Luise Scheppler (1775) aus dem entfernten Steintal zum Vorbild – Appolda oder Illmenau eher nicht. Was wusste man in Westpreußen vor 1836 von Rettungshäusern? Wichern war erfolgreich in Hamburg und Berlin, verehrt in Pommern, erfolglos in Baden, verhasst in Hannover und ignoriert in Löhes eigenem Land, in Bayern. Aber innerhalb der internationalen Erweckungsbewegung besuchte man einander, schrieb Briefe, verfasste Publikationen und Zeitschriften; später erscheinen z.B. die vielgelesenen „Blätter aus dem Rauhen Haus“.

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Armenhaus. Aus dem mittelalterlichen Hospiz bzw. Spital erwachsen, war es ein Ort zur Bewahrung vor dem Ärgsten, etwa dem Hungertod. Ort zur Aufbewahrung, Maßregelung und intensiven Bevormundung von Menschen. Die Unterbringung war eine unfreiwillige, armenfürsorgliche staatliche Zwangsmaßnahme. Je nachdem, was damit verbunden war, ob Gefängnis oder Krankenhaus, Waisenhaus, Arbeitshaus oder Zuchthaus, waren der Charakter und die Ordnung derselben entsprechend repressiv ausgeprägt. Oft lebten dort auch ältere Menschen, die nicht mehr für ihren Lebensunterhalt sorgen konnten. Wohnplatz und tägliche Versorgung wurden geboten. Es bestand Arbeitspflicht. Armenhäuser gehörten zum normalen Stadtbild und dienten der Versorgung der eigenen Armen. Auch Waisenhäuser waren Teil der Armenpflege und beschränkten sich zunächst auf Obdach und Ernährung. Zwei Autoren32 prangerten die Missstände in Armenanstalten an: Johann Peter Süssmilch (1707-1767), der Mitte des 18. Jahrhunderts die hygienischen und gesundheitlichen Zustände, sowie Christian Gotthilf Salzmann (1744-1811), der 1784 die pädagogischen Verhältnisse kritisierte. Der anschließende „Waisenhausstreit” führte zur Schließung vieler Häuser, was die Notstände nicht beseitigte. In dieser Zeit rechnete man in einzelnen Territorien mit mehr als 25% „vagabundierenden” Armen, wozu noch die „sesshaften” kamen. In Berlin galten 1775 immerhin 8% der Bevölkerung als arm. Pionier und Vorbild für Kinderrettungsanstalten wurde Johann Heinrich Pestalozzi (17461827). Pestalozzi wirkte nach seinen wenig erfolgreichen Gründungen in Neuhof (1774-77) und Stanz (1795) durch seine Schriften. Diese Gründungen im Geiste der Aufklärung, ergänzt durch die Ideen Philipp Emanuel Fellenbergs (1771-1844; Hofwyl), wurden mit der an der Konzeption einer als Haushalt organisierten kleineren ländlichen Anstalt ohne „fabrikmäßigen Betrieb” stilbildend für den südwestdeutschen Pietismus und die Erweckungsbewegung. Alles hatte etwas Kleinbürgerliches: die Familienstruktur und die feste Führung mit individuellem Umgang sollten Halt geben. Versorgung wurde geboten, Besserung erwartet. Es waren „Missionsanstalten”: Das Böse wie die Sünde wurden bekämpft, das Klientel gerettet, nein, die Seele derselben und die verlorene Gottesebenbildlichkeit wiederhergestellt. Es war soziale Einzelhilfe, die klein und still auch am Gemeinwesen Rettungsarbeit betrieb, wo sie Verwahrlosung wahrnahm. Solch „christliche Haushaltung” mit all ihren moralischen, ökonomischen und pädagogischen Seiten fand sich auch bei Inspektor Christian Zeller (17791860) in Beuggen (1820). Dies waren eine Armenlehrerausbildungsstätte und Erziehungsanstalt, die als „Pflanzschulen des Christentums” gedacht waren. Beuggen hatte große Ausstrahlung und Vorbildcharakter für Süddeutschland, Siedlung in Bessarabien und Südrußland.

2.7 „Diakonia“ der Erweckungsbewegung und Innere Mission: Rettungsarbeit. „Innerer“ und „äußerer“ Paperismus33 Diakoniegeschichtliche Forschung erweist sich dann als innovativ und fruchtbar, wenn der kirchengeschichtliche Tellerrand interdisziplinär überschritten wird. Der geschärfte soziologische Blick auf Heime „als totale Institutionen“ (Erving Goffman), auf „Überwachen und Strafen“ (Michel Foucault), der interdisziplinäre Blick der „Disability Studies“ oder die „schwarze Pädagogik“ 32 33

SÜSSMILCH 1762; SALZMANN 1783f. Zum Folgenden vgl. HÖRNIG 2013; 2014a; 2014b und 2015.

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(Rutschky) führen zu schmerzlichen Erkenntnissen: Anders- oder Fremdsein, „Behinderung“, werden als von politischen Interessen, gesellschaftlichen Problemstellungen und historischen Wissensbeständen bedingte Konstruktionen entlarvt. Inspiration für die „DIAKONIA“ der Erweckungsbewegung war die aufgrund liberalen Vereinsrechtes in Basel durch Johann August Urlsperger (1728-1806) gegründete „Deutsche Gesellschaft zur thätigen Beförderung reiner Lehre und wahrer Gottseligkeit“ (kurz: „Christentumsgesellschaft“34) von 1780. Sie hatte Partikulargesellschaften in Württemberg, Bayern und Ostfriesland, pflegte innerevangelischer Austausch mit Freunden und Liebhabern der Wahrheit in England, Holland, Frankreich, Schweden durch Vernetzung (Briefe, Besuche). Entscheidend Fahrt nahm die Innere Mission durch zwei „Schrecken“ auf: die Revolution von 1789 und noch einmal die von 1848. Die IM war wesentlich antimodern und –urban. Sie positionierte sich gegen die „Prinzipien von 1789“, Freiheit, die über den Rhein gekommen war, Liberalismus, Urbanisierung, Industrialisierung, Säkularisierung und später gegen die Sozialdemokratie. „Rettung“ war Gegensatz zu Verwahrlosung, darum ging es Privatinitiativen aus der reaktionären, bürgerlich-frommen Zivilgesellschaft. Not kam besonders bei der Verelendung von Kindern und den menschenverachtenden Zuständen in den Gefängnissen in den Blick. Sozialdisziplinierung lief unter dem Schlagwort „Erziehung zur Arbeit durch Arbeit“. Das Elend des Pauperismus („Industrieproletariat“) wurde selten in’s Bild gesetzt; es gab eher sentimentale Armendarstellung als Bilder Typhuskranker in Hamburg. Vereine waren seit 1799, ausgehend von Elberfeld und Basel, an der Bibel als Missionsvereine für Juden- und Heidenmission („Bibel konkret“), als Traktatvereine35 und –gesellschaften („Bibel light“), als Bibelgesellschaften („Bibel classic“) und als 495 Bibelverbreitungsvereinen orientiert.36 Vereine sorgten vieltausendfach37 für „rettende“ Institutionen. Bis 1899 entstanden in Deutschland 102 Kinderkrippen und 2700 Kleinkinderschulen und 332 Kinderhorte; Arbeitsfelder für Kleinkinderlehrerinnen und Diakonissen. Patriotische Frauenvereine, aus dem aufgeklärten Absolutismus erwachsen, philanthropisch motiviert, 2.595 Gemeinde-, Kranken- und Armenpflegen sorgten für Besuche bei Kranken und Wöchnerinnen, reichten Suppen und 34

Im Raum Basel wurden vor allem auf Initiative des rührigen Sekretärs Christan Friedrich Spittler (1782-1876) gegründet: die Basler Mission (1915), Kinderrettungs-, Lehrer- (1820) und Taubstummenanstalt (1820) in Beuggen, Diakonissenhaus Riehen (1820) und Pilgermission St. Chrischona (1840). 35 Zunächst wurden englische oder französische Traktate übersetzt, was sich nicht unbedingt bewährt. So konnte Material von Lausanne nach Esslingen, dann nach Stuttgart wandern: zur späteren Evangelischen Gesellschaft. 36 Vgl. Statistik 1899. 37 Für 1899 (ebd.) wurden in Deutschland 33.568 rettende Vereine bzw. Institutionen aufgelistet. (Arbeiterkolonien, Arbeitervereine, EC, Familienabende, Gustav-Adolf-Vereine, Jungfrauenvereine, Kindergottesdienste, Kleinkinderschulen, Seemannsmissionen, Stadtmissionen, Vereinshäuser u.s.w.) angegeben. Als Berufsarbeitende (Diakonissen, Kleinkinderlehrerinnen, Diakone) wurden 11.886 angeführt. Die Versuche von Fliedner (Gutachten von 1856) und Wichern (Monbijou 1856) ein festes Diakonenamt in den Kirchengemeinden zu verankern, schlugen fehl.

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trugen Sorge um für Beschäftigung. 320 Rettungsanstalten für arme und „verwahrloste“ Kinder sowie 140 Erziehungsvereine entstanden; die ersten im Vormärz in Weimar (1813), Overdyk/ Düsseltal (1819) und vor allem in Württemberg (22 Häuser). Gefängnisvereine (seit Fliedner; 1826), 465 Herbergen zur Heimat (seit 1854), Stadtmissionen, 4.261 Sonntagsschulen bzw. Kindergottesdienste wurden gegründet. Das Rettende konnte Dach für Komplexeinrichtungen sein: Rauhes Haus in Hamburg (1833), Diakonissenanstalt Kaiserswerth (1836), „Erziehungs- und Rettungsanstalt“ in Reutlingen (Gustav Werner, 1840). Diakonen- und Diakonissenanstalten standen für durchschlagenden Erfolg, Professionalisierung der Arbeit und für ein unglaubliches Arbeitspensum. Rettende Aktivitäten zielten auf himmlische Seligkeit und gesellschaftliches Wohl: auf Himmelsbürger und –innen aber auch brave Untertanen und –innen. Die Geschichtsschreibung der Inneren Mission ist bleibend zu charakterisieren und zu problematisieren durch die Stichworte Jubiläumsgeschichtsschreibung, Personengeschichtsschreibung, Anstalts- und Vereinsgeschichtsschreibung. Monographien entstanden, die zu Jubiläen Tradition präsentierten, Spenden sammeln und Identität stiften sollten. Aus der „inneren“ (räumlich im Gegensatz zur „äußeren“) Mission wird die Marke „Innere Mission“ mit volksmissionarischen Zügen und klarer Tendenz zu Anstalten und Klientelisierung (Bethel).38 Sozialdisziplinierung; wie gehabt.

Darstellungen dienten Fundraising und Prestige der Einrichtung. Geschichtsschreibung (vor allem die Anfänge) war religiös konnotiert und folgte gerne biblischen Narrativen. Angesichts von „Reich-Gottes-Arbeit“ und knappen Ressourcen gab es kein Bewusstsein für Archivpflege. Monographien kontextualisierten zu wenig. IM, deren Mentalitäten und Milieus, wandte sich häufig dezidiert gegen die heraufziehende Moderne. Staats- oder Kirchennähe wäre jeweils zu bestimmen. Das Verhältnis zum Proletariat wäre zu klären. Die Fixierung auf Gründerfiguren, die Ideen „gebaren“ und bleibend (!) „Geschichte machten“, überdeckten Konflikte, Brüche und verschleierten Machtausübung. Geld war selten Thema. Frommer Vorsehungsglaube interpretierte darüber 38

Nicht unerwähnt bleiben sollen aber vorhandene Bezüge zur äußeren Mission: das Diakonissenhaus „Bethlehem“ schickte mit der Norddeutschen Mission Frauen nach Afrika, Johann Ludwig Schneller eröffnete über St. Chrischona das „Syrische Waisenhaus“ in Jerusalem. Bodelschwingh gründete 1886 die „Evangelische Missionsgesellschaft für Deutsch-Ostafrika“. Theodor Zöckler (1867-1949) begann als Judenmissionar in Galizien, Ernst Jakob Christoffel (1876-1955) begann die Christoffel-Blindenmission.

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hinweg: „Deus providebit.“ (Gen 22, 8) Geschlechtsstereotype wurden befestigt: Mütterlichkeit als Beruf, Verweiblichung der Pflege. Die Wege der Inneren Mission in Vereinen und Institutionen, in je eigenem Verhältnis zu 39 pluralisierten Provinzial- und Landeskirchen blieben kaum bestimmt. Innere Mission, sprachlich gefasst als „Diakonie“, geriet zunehmend zu einer Funktion von Kirche. Heute müssen diakonische Einrichtungen sich auf dem Sozialmarkt behaupten – und versuchen weiterhin Glanz aus der Geschichte zu ziehen. Es hat sich ein 25-Jahres-Rhythmus für Publikationen bewährt. WichernJubiläen atmen mindestens so viel Zeitkolorit und aktualisierende Themenvielfalt wie Reformationsjubiläen. Wichern erscheint als Herold der Inneren Mission, Erzieher, „Menschenfischer aus Passion“, „Anwalt der Armen“. Kritische Darstellung ist vor den 1970er-Jahre nicht vorgesehen. Und nachher bald auch nicht mehr. Zur Schar der in der Tat beeindruckende Persönlichkeiten mit häufig als erwecklich zu bezeichnendem Hintergrund, mit Ecken und Kanten, die „charismatische Herrschaft“ (WEBER 1980 [1922]: 140) ausübten, sollten wenigstens ein paar Damen ergänzt werden: Gräfin Wally Poninska (18331912) in Breslau, Gräfin Hedwig von Stosch (1834-1920) in Frankenstein/ Schlesien, Regine Jolberg (1800-1870), Wilhelmine Canz (1815-1901) im schwäbischen Großheppach. Das Gedenken an den ungeheuren Einsatz und die Verdienste der Diakonissen und Kleinkinderlehrerinnen vergeht mit ihrem „Aussterben“.39 Zu oft werden die großen, zu Verbänden gewordenen heterogenen (!) Vereinen in Blick genommen, die mehrheitlich nach 1848 entstanden waren: GustavAdolf-Verein (1832), Evangelischer Bund (1886), berufsständische Organisationen wie Evangelische Arbeiter- und Arbeiterinnenvereine, Frauen-, Männer- und Jugendbünde; insbesondere der Centralausschuß für Innere Mission (1848/49). Diese Tätigkeiten sind durch Archive gut dokumentiert. 39

Ein schöner Ansatz: HAUFF, Adelheid M. von 2006f. [Von der biblischen Zeit bis ins 20. Jahrhundert.] In seiner noch nicht veröffentlichten Habilitationsschrift hat sich der Verf. bemüht gerade den Diakonissenhäusern und Kleinkinderlehrerinnenseminaren von Schlesien bis Baden ein „Denkmal“ zu setzen. Das Arbeitspensum war immer gewaltig, der Radius beachtlich, wenn badische Bauerntöchter via Nonnenweiher im Baltikum, in Texas oder Sierra Leone eingesetzt wurden, Schwestern aus Kaiserswerth seit 1850 die Sonntagsschule um die Welt trugen, Dienst in Alexandria, Beirut, Jerusalem oder Budapest taten.

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Diakonisse/ Kleinkinderlehrerin des Frankfurter Diakonissenhauses am Arbeitsplatz („Gemeindehaus“!)

Der erwünschte Zugriff der Innere Mission kann durch einen Text aus den lutherischen Sächsischen Herzogtümern verdeutlicht werden. Dort herrschten Ende des 19. Jahrhunderts Notstände; die Obrigkeiten förderten nicht. Generalsuperintendent Dr. Karl Braune aus Altenburg, ein Freund Wicherns, entwarf nun auf der Hauptversammlung in Weimar im Jahr 1875 ein Programm radikaler Rundumbetreuung im Vereinsprotestantismus. Er buchstabierte als klassische ABC der Inneren Mission aus, was deren „Liebesketten“ (Zinzendorf) bewirken könnten: „Versäulung der Gesellschaft“ (Lijphart). „Wir haben da das Leben anzuschauen, das die Aufgaben stellt. – Zuerst treten wir in eine Wohnung: Stube, Küche, Schlafstätte in Einem; Groß und Klein, Eltern und Kinder, vielleicht noch um der Miete willen ein Schlafbursche, sind da eng beisammen, die Wände feucht, die Luft dumpf und ungesund; das Heim recht unbehaglich, sodass der Mann gern das Wirtshaus aufsucht. Da fordert die Wohnungsnot den Menschenfreund zur Abhilfe auf. – Die Eltern gehen dem Verdienst nach, die Kleinen werden eingeschlossen, oder treiben sich auf der Straße umher. Da ist Veranlassung, Krippen, Kleinkinderbewahranstalten, Kleinkinderschulen zu gründen. – Was wird aber sonntags mit den schulpflichtigen Kindern? Die Predigten gehen ihnen über die Köpfe weg. Da müssen Sonntagsschulen, Kindergottesdienste helfen. – Manches Kind verwildert, auch aus besser situierten Familien. Nun wird ein Erziehungsverein und, da es an christlichen Familien fehlt oder sie nicht genügen, ein Rettungshaus nötig. – Nach der Konfirmation stehen Jünglinge, Lehrlinge, Gesellen heutzutage fast ganz außer der Familienverbindung. Da müssen Jünglingsvereine Ersatz bieten. – Es kommt die Zeit der Wanderung. Wie nötig sind Herbergen zur Heimat! – Auch an die Töchter ist zu denken. Diese soll in Dienst treten; vorübergehend sind sie außer Diensten; da nahen schwere Versuchungen. Mägdeschulen, Mägdeherbergen können Hilfe schaffen. – Was sie für ihren Beruf als Frauen, als Mutter brauchen, lernen sie zu Hause nicht. Näh- und insbesondere die so warm von Amalie Sieveking empfohlenen Flickschulen müssen aushelfen. – Wo sie aber der Sünde verfallen sind, die die dunkelsten Schatten wirft, ein Krebsschaden, an dem Staaten zu Grunde gehen, da müssen Magdalenenstifte zu helfen versuchen. – viele verfallen dem Zuchthaus; der erklärtesten Sünden muss man sich in Gefängnisvereinen und besonders Vereinen für Entlassene annehmen. – Schon die Armut kann einen Druck üben, dass es an Armenvereinen nicht fehlen darf. – Schon bei der Geburt des ersten Kindes, nun erst, wenn die Familie größer wird, müssen Vereine für arme Wöchnerinnen eintreten. – Krankheit eines Familiengliedes, vollends des Versorgers, oder der Mütter steigert die Armut zur größten Not. Daher Krankenvereine. An manchen Stellen sind Kinderhospitale einzurichten. – Gemeinden von bedeutender Größe mit zahlreichen Anstalten bedürfen Diakonissen, Krankenpflegerinnen. – Anstalten, die die Aufgaben haben, solche zu bilden, Diakonissenanstalten dürfen nicht fehlen, so wenig als Brüderanstalten, welche Hausväter für Herbergen, Rettungshäuser heranbilden. – Für Blödsinnige oder Epileptische kann in Irrenanstalten und Taubstummenanstalten nicht genug gesorgt werden, das muß weise Liebe in besonderer Weise besorgen. – Gegen Verkümmerung des geistigen Lebens helfen Vereine für gute Volksbibliotheken, für Verbreitung christlicher Schriften. – Zur Hebung sittlichen Volkslebens tut Sonntagsheiligung not.“ 40 40

GRAEBENTEICH 1899: 82f. Es fehlte fast keine Aktivität: Die Bedeutung des wiedergewonnen Pfarramtes bzw. der Kirchengemeinden war

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Im Kaiserreich wurden Arbeitsfelder professionalisiert, Politikberatung erfolgreich praktiziert: Theodor Lohmann (1831-1905)41 arbeitete Otto von Bismarck (1815-1898) bei der Kranken-, Unfall-, Invaliditäts- und Altersversicherung als „Daseinsvorsorge“ zu, Friedrich Naumann (1860-1919) war Vordenker für eine „Zukunft der Inneren Mission“. In den Jahren bis 1914 machten die Anstalten der IM aus dieser den größten konfessionellen Wohlfahrtsverband. Gerade die offenen oder geschlossenen Anstalten der Fürsorge waren unverzichtbarer Bestandteil des sich entwickelnden staatlichen sozialen Sicherungssystems. Die sog. Stadtmissionen u.a. in den industriellen Ballungszentren signalisierten deutlich, dass über Fürsorge (Gefängniswesen, Armen-, Kranken- und Altenpflege) hinaus Volksmission ein deutlicher evangelistischer Schwerpunkt war („Re-Christianisierung“). Die entkirchlichten Schichten sollten für die verfassten Kirchen wiedergewonnen werden. Stadtmissionen hatten einen reduzierten sozialen Auftrag im „heimatfremden“, ungeliebten Moloch Stadt. Ungeklärt blieben das Verhältnis von Diakonissen und Diakonen zum „geistlichen Amt“ sowie deren kirchenrechtliche Verankerung (CA V und XIV). Die 1861 von Theodor Fliedner (1800-1864)42 gegründete Kaiserswerther Generalkonferenz vernetzte weltweit Diakonissenhäuser; besonders nach Skandinavien wurden Diakonissen als Oberinnen vermittelt. Der Beitrag der Diakonissen zur Professionalisierung der Krankenpflege kann nicht hoch genug eingeschätzt werden. 1897 entstand der Caritas-Verband für das katholische Deutschland (Lorenz Werthmann, 1858-1921), 1918 die Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland, 1919 die Arbeiterwohlfahrt, das Deutsche Rote Kreuz (1921) und der Deutsche Paritätische Wohlfahrtsverband (1924). 2.8 „Diakonia“ im I. Weltkrieg und der Zwischenkriegszeit; „Sattelzeit“ Im Krieg fokussierte der Centralausschuss seine Arbeit auf Volksmission, Religionspädagogik, Seelsorge: Lesestoff und Sittlichkeit. Kriegsnot wurde kaum gelindert. Lazarette wurden betrieben; Ernährungsnot war kein Thema. Es kamen namhafte neue „Player“ auf: staatliche Wohlfahrtspflege (Militärverwaltung) und Rotes Kreuz. Aus der Zeit des ersten Weltkriegs (dirigistische „Kriegswohlfahrtspflege“) kamen wesentliche sozialpolitische Impulse zum Weimarer Wohlfahrtsstaat. Es war eine Art „Sattelzeit“. Das Verhältnis Staat – Kirche wurde in der bis heute geltenden Form der „hinkenden Trennung“ (Ulrich Stutz) nach Artikel 136-139. zurückhaltend akzentuiert; Brautpaare bekamen noch keine Bibel (Inbegriff der Bibelverbreitung). Es fehlten Bibelstunden, evangelische Vereins- bzw. Gemeindehäuser, die gerade in Thüringen so überaus erfolgreichen „Familienabende“ mit und ohne Lichtbildvortrag. Keine Arbeiterkolonien – ansonsten der radikale Zugriff auf das ganze Leben! 41 Vgl. ZITT 1997. 42 Fliedners Werk ist nicht zu Denken ohne die Beiträge seine Frauen Friederike (1800-1842) und Caroline (1811-1892). Kaiserswerth steht für Professionalität von Pflege, Berufsarbeit, Existenzabsicherung von Frauen.

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141 der Weimarer Reichsverfassung geregelt. In der bedrückenden Versorgungslage fand ein sozialdarwinistischer Zeitgeist auch in den Einrichtungen der Inneren Mission Akzeptanz: lebenswertes oder lebensunwertes Leben?43 Schon im ersten Weltkrieg war es grausame Gepflogenheit, die in den Heil- und Pflegeanstalten untergebrachten, größtenteils liegend behandelten und lebenslang hospitalisierten Patienten und -innen, durch drastischen Entzug von Nahrung (vor allem Fett) und Heizung zu schwächen und zu Tode zu bringen. Daneben gab es „Kindereuthanasie“; nicht nur in der Bergischen Diakonie Aprath starben Pflegebefohlene an Unterernährung. Was die medizinischethischen und politischen Diskurse seit dem 1. Weltkrieg betraf, ist m.E. für Deutschland zu fragen, welche Faktoren dazu führten, Humanität so zu verraten. Gab es da eine „schiefe Bahn“, die bei Begriffen wie „minderwertigem“ Leben, „Ballastexistenz“ und Maßnahmen wie „Sonderkost“/ „Hungerkost“ im I. Weltkrieg begannen, sich zu Gedanken von Eugenik und „Rassehygiene“ entwickelten, schlussendlich Widerstand gegen Krankenmorde untergruben? Welche Rolle spielten die Staatsnähe, die „Rücksicht“ auf fatale Wirtschaftsbzw. Ernährungslage und die Zugeständnisse an den Zeitgeist (Eugenik, Zwangssterilisationen) und relativierende Verantwortungsethik (Umschichtung des knappen Geldes zugunsten der Behandlung „weniger“ Schwacher)? Die Klientel änderte sich. Gab es bisher einen gewissen „Unterschichtsgeruch“ und Trend zur sozialen Problemklientel, arm, verwahrlost, sündig, proletarisch, Krüppel und Bettler, so kamen zu den „herkömmlichen Klienten“ jetzt Kriegsgeschädigte. Es konnte der adlige Offizier wie die bürgerliche Kriegerwitwe bedürftig sein, der Soldat im Rollstuhl neben dem „Behinderten“ (ein Schöpfung der Weimarer Zeit) in der Sonne sitzen. Fürsorge wurde nationale Aufgabe: der Weimarer Sozialstaat, sich stützend auf die sechs Wohlfahrtsverbände, entstand. Mal wurde kooperiert; mal wurde „Kulturkampf“ gegeneinander betrieben. Zur Förderung durch den Staat und den rasanten Ausbau von Einrichtungen kam verstärkte finanzielle Abhängigkeit; in Krisenzeiten (1929) gingen vorhandene kirchliche Stiftungen zu Grunde; die Kostenersätze statteten nicht mit den notwendigen Mitteln aus. Kirchen hielten sich zurück, wenn „Kinderschulen“ oder Gemeindestationen kommunalisiert wurden. Die volksmissionarische Zielsetzung blieb erhalten. 1921-1937 wirkte die „Apologetische Centrale“ (Gunther Schweitzer (1889-1965) und Walter Künneth (1901-1997) von Berlin aus gegen „antireligiöse“ Kräfte. Aufgaben wurden vom Strafvollzug bis zur Wohnungsnot wahrgenommen. Skandale blieben nicht aus (Heimskandale, Pleite der Bausparkasse „Devaheim“), die die Autorität des Central-Ausschusses schwächten. 43

Vgl. die Umfrage von Ewald Meltzer, Katharinenhof, Großhennersdorf (1920); vgl. HAMMER 2013: 222ff; KLEE 1983; KLEE 1989.

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2.9 Das Dritte Reich; oder: „Diakonia“ vor Grafeneck In der Inneren Mission gab es nicht wenig Begeisterung für das „Dritte Reich“. In den Diakonissen- und Diakonenanstalten wuchsen große Hoffnungen auf Unterstützung und Volksmission. Mit der Gründung der NS-Volkswohlfahrt (1933) und Angriffen insbesondere auf den Central-Ausschuß wurde die beabsichtigte Gleichschaltung von anderen als Gefahr wahrgenommen. Auch in der IM standen sich Bruderräte und Deutsche Christen gegenüber. Die volksmissionarische Zielsetzung und die stupende Staatstreue von Kirche und IM erschwerten kritische Distanz. Anstalten der IM führten Zwangssterilisationen durch, betrieben sogar ein KZ in Kuhlen (Ricklinger Anstalten). Der NS-Staat übernahm sofort Einrichtungen des freiwilligen Arbeitsdienstes von der IM, Streit gab es um Krankenpflegen, Krankenhäuser, Kindergartenund Kinderhortarbeit (1934), evangelische Schulen (seit 1937). 1940 rettete ein Erlass der von Friedrich Werner geleiteten Kirchenkanzlei der Deutschen Evangelischen Kirche vor den Versuchen, die Innere Mission komplett („Wesens- und Lebensäußerung der Kirche“) gleichzuschalten und der NSVolkswohlfahrt zu unterstellen. Die Selbstauflösung Seitens der IM wurden vermieden; es hemmte wohl die Wertschätzung der Bevölkerung für die IM das Vorgehen des Staates.44 Die NS-Krankenmorde („Aktion T4“) bleiben ein verstörender Kulturbruch. Natürlich lagen sie auf der Linie der brutalen Bio-Diktatur des NS-Regimes. Eugenische Gedanken verschärften sich, volkswirtschaftliche Entlastung verband sich tödlich mit rassehygienischen Reinheitsvorstellungen (14. Juli 1933, „Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“). Ohne die T4Aktionen von sonstigen Aktionen wie Zwangssterilisationen, der Vernichtung „Asozialer“45 ab 1937, Tötungen in Kinderfachabteilungen, Pflegeheimen, „Sonderbehandlung 14f13“, „wilder“ bzw. „regionalisierter Euthanasie“ abzuheben, hatte diese Aktion was Planung und Durchführung fabrikmäßigen Mordens betraf, Eigenarten. Hier erfolgte ein „Testlauf“ auf öffentliche Reaktionen und die technische Realisierung des maschinellen Tötens von Menschen. Täter wurden von Grafeneck nach Hadamar, Belzec, Auschwitz geschickt. Nur in der „intakten“ Kirche Württembergs46 wurde ein Heim der IM (Samariterstiftung) für die Morde im Jahr 1940 ausgewählt.47 44

Vgl. HAMMER (2013): 272-276. Kriminell und „asozial“ vermischte sich: Obdachlose, Alkoholiker, „Arbeitsscheue“, Epileptiker, bereits sterilisierte, „schwachsinnige“ Frauen kamen in KZs. Fürsorgeverbände leisteten Verfolgung und Vernichtung zumindest rhetorisch Vorschub. (Vgl. KLEE 1983: 34ff). 46 Gerade im pietistischen geprägten Württemberg hatte die „Idioten-Lehre“ Paul Solliers (1861-1933) von der schöpfungs- und metaphysikbegründeten Bildungsunfähigkeit sog. Behinderter reichlich Anhänger und –innen. 47 Vgl. KLEE 1985: 92ff. Wie ist der kirchliche Widerstand zu bewerten? Die Forschung bewertet internen Eingaben der Bischöfe August Marahrens (1875-1950) oder Theophil Wurm (1868-1953), in denen sich Loyalitätsbekundungen zum Staat mit gewissem Protest mischen und die dann doch öffentlich wurden, wohlwollend. Zu wohlwollend? Die Opfer der Krankenmorde wurden doch nicht selten (?) kirchlich beerdigt – wie ging das? Warum schwieg Bischof Clemens 45

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Die Arbeit der IM musste zunehmend eingeschränkt werden. Verteilung von Schriften an Soldaten wurde verboten, das Pressewesen kam zum Erliegen. Gebäude wurden beschlagnahmt. Gebäude durch den Krieg zerstört. 2.10 DIAKONIA nach Grafeneck Auch zur Behebung der Not nach dem 2. Weltkrieg wurde wieder auf Diakonie, Caritas und die anderen freien Wohlfahrtsverbände zurückgegriffen. IM und Caritas galten als wenig desavouiert, internationale Verbindungen von Kirchen halfen; das Gesamtklima war restaurativ. An die Verhältnisse von Weimar wurde – wieder nach Diskussionen mit SPD, KPD – zügig angeknüpft. Ein Aufkommen von Gedenkkultur für die Krankenmorde dauerte bis in die 1990er-Jahre – dann wurde die Mahnmale mit Bibelstellen geschmückt; ohne die Forschungen Ernst Klees wäre dieses dunkle Kapitel mit Verstrickungen von IM und Kirche, Eliten als Tätern und – innen nicht so gründlich aufgedeckt worden. Es blieben Schweigen, verweigerte Entschädigungen und Fortbestehen behindertenfeindlicher Ideologie in der frühen Bonner Republik.

Auf der Kirchenkonferenz in Treysa 1945 wurde neben der „Inneren Mission“ das kirchlichere und weniger missionarische „Hilfswerk der Evangelischen Kirche in Deutschland“ unter Eugen Gerstenmaier (1906-1986) gegründet. 1948 wurde von der EKD unter Aufnahme der Formel von 1940 bekannt, dass „die diakonisch-missionarischen Werke Wesens- und Lebensäußerungen der Kirche“ (Art. 15 GO EKD; 13. 07. 1948) sein. Zumindest formal schien das Verhältnis DIAKONIA zu Kirche in Deutschland geklärt. Das Prinzip „Selbsthilfe“ stand beim Hilfswerk im Vordergrund. Es knüpfte Kontakte zu ausländischen Hilfsorganisationen und ökumenischen Partner und -innen, bekämpfte beeindruckend Hunger und Not in Deutschland (durch Sammlungen, Spenden, Verteilung von CARE-Paketen), sorgte insbesondere für Vertriebene und Flüchtlinge, für Siedlungs- und Kirchenbau, Pressewesen und unterstützte Angeklagte in Spruchkammerverfahren z.B. mit „Persilscheinen“. Neue Einrichtungen in Züssow, Bremen, Göttingen entstanden; das „Christliche Jugenddorfwerk“ (1947). Seit den 1950er-Jahren wurden Hilfen für Kirche und Diakonie in der DDR organisiert. Gerstenmaiers sozialpolitische Zielsetzung („Wichern II“) wurden zunehmend von Kirchenleitungen mit Reserviertheit gesehen; 1953 ging er in die Politik. Im Jahre 1957 kam es unter dem Namen „Innere Mission und Hilfswerk der EKD“ zu einem Zusammenschluss von Centralausschuss und Hilfswerk; 1975 erfolgte die formale Auflösung des Hilfswerkes im „Diakonischen Werk der EKD e.V.“. 1991 wurden ost- und westdeutsche Diakonie organisatorisch zusammengeführt. Seit 2012 heißt es August Graf von Galen (1878-1946) bis 1941? Wie sind die Einsprüche Paul Gerhard Braunes (1887-1974) oder Bernhard Lichtenbergs (1975-1943) zu bewerten? Warum kamen kaum nennenswerten Reaktionen aus den Kirchen oder der IM in Baden und Bayern (Tötungsort: Grafeneck), Sachsen (Pirna-Sonnenstein), HessenNassau (Hadamar), Preußen (Brandenburg an der Havel) oder aus der Kirchenprovinz Sachsen (Bernburg/ Saale)? Die Situation in Österreich (Hartheim/ Linz) ließ wohl kaum Proteste zu.

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„Diakonie Deutschland“ („Evangelisches Werk für Diakonie und Entwicklung“), der Sitz wurde von Stuttgart nach Berlin verlegt. 1959 wurde als Reaktion auf die Gründung von Misereor mit der Aktion „Brot für die Welt“ durch Christian Berg (1908-1990) begonnen. In diesem Jahr entstand auch die Kindernothilfe. 1961 und 1974/75 wird als „dagobertinische Phase“ (Hauschild) in Kirche und Diakonie bezeichnet. Geld war kein Problem. Bestehende Einrichtungen wurden erweiterte, neue Hilfefelder erschlossen48, Komplexeinrichtungen geschaffen. Seit 1954 gibt es ein „Diakonisches Jahr“, später wurden Zivildienstleistende (bis 2011), heute „BUFDIs“ wichtige Mitarbeitende. „Taschengeld-Diakonissen“ gibt es kaum noch; angemessene Bezahlung machten Berufe attraktiver – kirchliche Bindung oder christliche Motivation bzw. Normativität verlor bleibend an Bedeutung. Auf dem Gebiet der neuen Bundesländer wurden nach 1989 Einrichtungen „diakonisch“, die es zuvor nicht waren. Es kam zu Problemen mit der „fehlenden“ Kirchenmitgliedschaft. Diakonische Werke räumen nicht überall die ACKKlausel ein (z.B. Bayern). 3. Diakonia – ausgewählte Problemfelder 3.1 Dienstgemeinschaft „Dienstgemeinschaft“ stellt als „kirchliche Dienstgemeinschaft“ einen um 1952 durch Juristen entnazifizierten und theologisierten wichtigen Rechtsbegriff dar. Dadurch werden bleibend die Sonderstellung kirchlicher Arbeitsverhältnisse („Dritter Weg“) begründet und gewerkschaftliche Gestaltungsansprüche in kirchlichen oder diakonischen Einrichtungen zurückgewiesen. In Konfliktfällen ist die Auslegung strittig: verstoßen „Outsourcing“ von Küchen- oder Reinigungspersonal, Leiharbeiter und -innen gegen Prinzipien von Diakonie? Die EKD bestimmt die „Dienstgemeinschaft“ in der Präambel ihres Mitarbeitervertretungsgesetzes (2006) als religiöses Symbol (2 Kor 8, 4) und religiöse Sozialform. Zu ergänzen wäre: arbeitspolitisches „Harmoniekonzept“ (Kranig) und Handlungsnormierung in Tendenzbetrieben. Ausgeschlossen sind Arbeitskämpfe, Streik und Aussperrung. Probleme gibt es in dieser „Gemeinschaft des Dienstes“, die auf konsensualen Ausgleich widerstreitender Interessen angelegt ist, in der postulierten Partnerschaft und vorausgesetzten Gleichberechtigung von Dienstnehmern und –gebern, wenn etwa Schlichtersprüche nicht umgesetzt werden müssen. Machtausübung wird religiös verschleiert. Gefordert wäre gemeinsamer Einsatz für soziale Gerechtigkeit, gemeinwohlorientierte Ausrichtung des Sozialbereichs. Nach § 140 GG ist auch Kirchen wie Diakonie und Caritas als „Tendenzbetrieben“ ein Selbstbestimmungsrecht zugestanden, das großzügige Ausnahmen bei der Anwendung von Betriebsverfassungsgesetz oder Antidiskriminierungsverordnung ermöglicht. 48

Ein Schwerpunkt wurde Trägerschaft von Beratungsstellen: Schwangerschafts-, Ehe-, Erziehungs- oder Schuldnerberatung.

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3.2 Refinanzierung Im Grunde genommen ging es schon immer um das liebe Geld (Opfer, Spenden, Gebühren, Entgelte) und um „Güter“. Soziale Dienstleistungen, die angeboten und vertrieben wurden, mussten bezahlt bzw. refinanziert werden. Baron Hans Ernst von Kottwitz (1757-1843) verlor in Schlesien und Berlin sein Vermögen durch Wohltätigkeit, Gustav Werner (1809-1887) in Reutlingen überstand zwei Konkurse. Nicht umsonst wurde das finanzielle Geschick Bethels in den 1950 und 60er Jahren in Bielefeld von Gymnasiasten und Studierenden der Kino mit den fünf „Bs“ persifliert: „Bethel bietet Barmherzigkeit bei Barzahlung“. Die „Stadt der Barmherzigkeit“ war traditionell geschickter finanziert als manch kleiner Verein oder bescheidene Rettungseinrichtung, die kaum oder auch einmal nicht über die Runden kamen. Und dann verschwanden. Finanzierungen waren nicht nur in der Weimarer Republik „nicht immer auskömmlich“. Eine Folge daraus ist, dass Diakonie sich an Refinanzierung orientiert, orientieren muss. Arbeitszweige, die sich „nicht rechnen“, belasten das Budget. Ökonomisierung bringt u.U. weltanschauliche Bindung („Proprium“) in Konflikt mit Profitorientierung. Aus Hilfeempfängern werden Kunden und Käufer. Die Personalsituation in diakonischen Einrichtungen ist oft prekär. Es herrscht Fachkräftemangel. 3.3 Subsidiaritätsprinzip Der Subsidiaritätsbegriff entstammt der katholischen Soziallehre des 19. Jahrhunderts und betraf zunächst Hilfe und Schutz für selbstbestimmtes und – verantwortliches Handeln untere Ebenen oder kleinere Einheiten. Der Begriff erlebte verschiedentliche Umakzentuierungen. Der Weimarer Sozialstaat sah darin ein bürokratisches Regulativ für die Ordnung des Verhältnisses von Wohlfahrtsverbänden und Staat. Individuelle Selbstverantwortung traf auf gesellschaftliche Aspekte (die materiellen Voraussetzungen für Ausübung von Selbstverantwortung müssen gegeben sein). „Hilfe zur Selbsthilfe“ sollte Vorrang vor der unmittelbaren Aufgabenübernahme durch den Staat hat. Verbandlich kämpften liberale und konfessionelle Verbände für größtmögliche Unabhängigkeit von staatlicher Aufsicht oder Reglementierung, SPD und KPD sahen gerade darin aber die Konfessionalisierung der Wohlfahrt. Sie wollten den Rechtsanspruch auf Sozialleistungen einführen. Bis 1924 wurde aber das spezifisch deutsche Duale System in der „Reichsfürsorgeverordnung“ fixiert. Die freien Wohlfahrtsverbände werden aufgeführt. In den 1950er und 60er-Jahren kam es mit Verabschiedung von Bundessozialhilfegesetzt (BSHG) und Jugendwohlfahrtsgesetzt (JWG) zu Auseinandersetzungen über die „Funktionssperre“ zugunsten freier Vereine, die besagt, dass öffentliche Wohlfahrt auch dort nicht tätig sein darf, wo private Einrichtungen geschaffen werden können! Dieser „Neo-Korporatismusstreit“ hatte große Ähnlichkeiten zu dem der Weimarer Zeit. In der Folgezeit nahm der

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faktische Einfluss des Subsidiaritätsprinzips auf die Gestaltung des Verhältnisses von freien und öffentlichen Trägern ab; von einem schlichten „Vorrang-Nachrang-Verhältnis“ kann keine Rede mehr sein. In den 1970er- und 80er-Jahren kam es zu einer erneuerten Subsidiaritätsdebatte („Neu Subsidiaritätspolitik“). Die Bedeutung der Wohlfahrtsverbände nahm ab: Entkonfessionalisie-rung, Bürokratisierung und Expansion der Verbände verringerten ihre soziokulturelle Akzeptanz. Die aufkommende Selbsthilfebewegung „mischte die Karten“ neu: Neo-Korporatismus, „intermediäre Organisationen“ oder „Dritter Sektor“ wurden diskutiert. Insbesondere der „Paritätische Wohlfahrtsverband“ wurde Ansprechpartner für die Selbsthilfeorganisationen (z.B. Lebenshilfe), autonome, selbstreferentielle Trägersysteme. Trägerlandschaft pluralisierte sich. 3.4 Der Sozialmarkt Nachdem die Politik seit den 1990er-Jahren den „Sozialmarkt“ verordnet hat, findet sich diakonisches Handeln in einer verschärften Marktsituation vor. Die gängige Ausschreibungspraxis (z.B. durch Arbeitsagenturen) stellt diakonische Anbieter in Konkurrenz zu anderen Anbietern in einem Markt- bzw. „Quasi-Markt“-Geschehen.49 Diakonische Besonderheiten sind bei Pflegesatzverhandlungen (z.B. Seelsorge) nicht refinanzierbar. Der Krankenhaus- und Altenheimmarkt ist umkämpft; der Staat, der in der alten BRD lange Zeit großzügig unterstützte, subventionierte, ersetzt inhaltliche Steuerung und Gestaltung des Sozialen durch Marktmechanismen. Soziale Institutionen und Dienstleistungen werden so eher ab- als aufgebaut. Über Geld muss jetzt auch in der Diakonie geredet werden. Management muss sich professionalisieren: Qualitätssicherung, Kosteneffizienz, nachhaltige Kapitalbewirtschaftung soll wettbewerbsfähig erhalten und Kunden zufriedenstellen, also: binden. Neu brechen die Fragen nach dem Proprium der Diakonie angesichts der Funktionslogiken von Markt, Staat und Kundschaft auf: ist „helfendes Handelns“ im wirtschaftlichen Kontext noch diakonisch erkennbar, gibt es noch innerste, unverrückbar Achsen und Profile? Wie verhalten sich Wettbewerbs- und Bedürftigkeitsorientierung? 3.5 Schlusswort? Wunsch? Verheißung? „Aus der Annahme des Schattens, aus der Versöhnung mit den nicht akzeptierten Seiten kann die Möglichkeit zu einem ‚besseren Leben‘ erwachsen – ‚besser‘ im Sinn von: weniger von Idealen und Ansprüchen gedrückt, freier im Annehmen der Zwiespältigkeiten des Lebens. Die berufliche Existenz kann dadurch realistischer und gelassener werden. In diesem Sinn könnte Versöhnung mit dem Schatten in der Diakonie folgendes heißen: - Diakonische Motivation zeichnet sich nicht durch ein ‚mehr‘ an Professionalität und Engagement (mehr Liebe, mehr Barmherzigkeit u.a.) aus, 49

Vgl. EURICH 2010b: 12f.

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sondern durch einen anderen Umgang mit Grenzen und Schwächen.“50

50

KLESSMANN 2006: 533.

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[Geben Sie den Dokumenttitel ein] Literatur Artikel - Die Religion in Geschichte und Gegenwart (1909ff), hg. von SCHIELE, Friedrich Michael [& Leopold ZSCHARNACK]. Tübingen: J.C.B. Mohr: - Art. „Armenpflege, kirchliche.“ (SIMONS 1909), in: Bd. I, Sp. 707-715; Art. „Diakonen und Diakonenwesen.“ (Von DUNGERN, Helene 1910), in: Bd. II, Sp. 5-10; Art. „Innere Mission (in der deutschen evg. Kirche.)“ (SCHIAN 1912), in: Bd. III, Sp. 515-537.; Art. „Liebestätigkeit.“ (ISRAEL/ H. HACKMANN 1912), in: Bd. III, Sp. 2130-2146.

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- Religion in Geschichte und Gegenwart (1998ff). Vierte, völlig neu bearbeitete Auflage, hg. von BETZ, Hans Dieter; BROWNING, Don S.; JANOWSKI, Bernd & Eberhard JÜNGEL. Tübingen: Mohr Siebeck: - Art. „Armenfürsorge“ (Udo TWORUSCHKA/ Jürgen EBACH/ John G. GAGER/ Kimmy CAPLAN/ Tilman NAGEL/ Justin J. MEGGITT/ Wolfgang WISCHMEYER/ Jochen-Christoph KAISER/ Theodor STROHM 1998), in: Bd. I, Sp. 753-763; Art. „Diakon/ Diakonisse/ Diakonat“ (Carolyn OSIEK/ Ruth ALBRECHT/ Martin ZENTGRAF/ Reinhard TURRE/ Peter v. TILING/ Dorothea RIENINGER/ Evangelos D. THEODOROU 1999, in: Bd. II, Sp. 783-790); Art. „Diakonenhäuser/ Diakonissenhäuser.“ (Arnd GÖTZELMANN 1999, in: Bd. )), Sp. 790-792); Art. „Diakonie“ (Jochen-Christoph KAISER/ Anastasios KALLIS/ Joseph DAN/ Theodor STROHM/ Reinhard TURRE/ Jörg WINTER/ Michael SCHIBILSKY 1999), in: Bd. II, Sp. 792-801; Art. „Diakoniewissenschaft“ (Theodor STROHM 199a9), in: Bd. II, Sp. 801-803; Art. „Diakonisches Werk der EKD (Theodor STROHM 1999b, in: Bd. II, Sp. 804-806; Art. „Innere Mission“ (Jochen-Christoph KAISER 2001), in: Bd. IV, Sp. 151-154; Art. „Liebestätigkeit“ (Theodor STROHM 2002), in: Bd. V, Sp. 363-366.

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[Geben Sie den Dokumenttitel ein] Neukirchen: Neukirchener Verlag. - KRIMM, Herbert (1960-1966): Quellen zur Geschichte der Diakonie, I-III. [I. Altertum & Mittelalter; II. Reformation & Neuzeit; III. Gegenwart] Stuttgart: Evangelisches Verlagswerk. - KRIMM, Herbert (1965): Das diakonische Amt der Kirche. Zweite überarbeitete Auflage. Stuttgart: Evangelisches Verlagswerk. - KRUSE, Elke & Evelyn TEGELER [Hrsg.] (2007): Weibliche und männliche Entwürfe des Sozialen. Wohlfahrtsgeschichte im Spiegel der Genderforschung. Opladen & Farmington Hills: Verlag Barbara Budrich. - KUNSTREICH, Timm (2009a): Grundkurs Soziale Arbeit. Sieben Blicke auf Geschichte und Gegenwart Sozialer Arbeit. Bd. I [1850. 1890. 1925. 1935]). Vierte Auflage. Bielefeld: Kleine. - KUNSTREICH, Timm (2009b): Grundkurs Soziale Arbeit. Sieben Blicke auf Geschichte und Gegenwart Sozialer Arbeit. Bd. II [1955. 1970. 1995. DDR]). Vierte Auflage. Bielefeld: Kleine. - LUZ, Ulrich (1997): Das Evangelium nach Matthäus (Mt 18-25), in: EKK [EvangelischKatholischer Kommentar zum Neuen Testament] I/4. Zürich und Düsseldorf/ NeukirchenVluyn: Benziger/ Neukirchener. - MAIMONIDES, Moses (1862): Mischne Tora. Berlin: Julius Sittenfeld. - MERZ, Rainer; SCHINDLER, Ulrich & Heinz SCHMIDT [Hrsg.] (2008): Dienst und Profession. Diakoninnen und Diakone zwischen Anspruch und Wirklichkeit. Heidelberg: Universitätsverlag Winter. - MOLLAT, Michael (1984): Die Armen im Mittelalter. München: Beck. - ROHRMANN, Eckhard (2011): Mythen und Realitäten des Anders-Seins. Gesellschaftliche Konstruktionen seit der frühen Neuzeit. Zweite., überarbeitete und erweiterte Auflage. Wiesbaden: VS Verlag. - ROTZOLL, Maike; HOHENDORF, Gerrit; FUCHS, Petra; RICHTER, Paul; MUNDT, Christoph & Wolfgang U. ECKART [Hrsg.] (2010): Die nationalsozialistische „Euthanasie“Aktion „T4“ und ihre Opfer. Geschichte und ethische Konsequenzen für die Gegenwart. Paderborn-München-Wien-Zürich: Ferdinand Schöningh. - RUDDAT, Günter & Gerhard K. SCHÄFER [Hrsg.] (2005): Diakonisches Kompendium. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht. - RÜEGGER, Heinz & Christoph SIGRIST (2011): Diakonie – eine Einführung. Zur theologischen Begründung helfenden Handelns. Zürich: TVZ. - SACHSSE, Christoph & Florian TENNSTEDT [Hrsg.] (1983): Bettler, Gauner und Proleten. Armut und Armenfürsorge in der deutschen Geschichte. Ein Bild-Lesebuch. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt. - SACHSSE, Christoph & Florian TENNSTEDT (1998): Geschichte der Armenfürsorge in Deutschland. Bd. 1: Vom Spätmittelalter bis zum 1. Weltkrieg. Zweite verbesserte und erweiterte Auflage. Stuttgart-Berlin-Köln: Kohlhammer. - SACHSSE, Christoph & Florian TENNSTEDT (1988): Geschichte der Armenfürsorge in Deutschland. Bd. 2: Fürsorge und Wohlfahrtspflege 1871-1929. Stuttgart-Berlin-Köln-Mainz: Kohlhammer. - SACHSSE, Christoph & Florian TENNSTEDT (1992): Geschichte der Armenfürsorge in Deutschland. Bd. 3: Der Wohlfahrtsstaat im Nationalsozialismus. Stuttgart-Berlin-Köln: Kohlhammer. - SACHSSE, Christoph & Florian TENNSTEDT (2011): Geschichte der Armenfürsorge in Deutschland. Bd. 4: Fürsorge und Wohlfahrtspflege in der Nachkriegszeit 1945-1953. Stuttgart: Kohlhammer. - SALZMANN, Christian Gotthilf (1783f): Carl von Carlsberg oder über das menschliche Elend. Bd. If. Carlsruhe bey Christian Gottlob Schmieder. - SCHÄFER, Gerhard K. & Theodor STROHM [Hrsg.] (1998): Diakonie – biblische

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[Geben Sie den Dokumenttitel ein] Grundlagen und Orientierung. Ein Arbeitsbuch. 3. Auflage. Heidelberg: Universitätsverlag Winter. - SCHIBILSKY, Michael [Hrsg.] (1991): Kursbuch Diakonie. Neukirchen-Vluyn: Neukirchener Verlag. - SCHÜTZE, Otto (1883): Die Innere Mission in Schlesien. Hamburg: Wolf Lothar Oemler. - STATISTIK der Inneren Mission der deutschen evangelischen Kirche (1899), bearbeitet und herausgegeben von dem Central-Ausschuß für die Innere Mission der deutschen evangelischen Kirche. Berlin: Geschäftsstelle des Centralausschusses für Innere Mission. - SÜSSMILCH, Johann Peter (1762): Die göttlichen Ordnungen in den Veränderungen des menschlichen Geschlechts aus der Geburt, dem Tode und der Fortpflanzung derselben erwiesen. 2. Auflage. Berlin: Verlag der Buchhandlung der Realschule. - THEISSEN, Gerd (2004): Die Jesusbewegung. Sozialgeschichte einer Revolution der Werte. Gütersloh: Gütersloher Verlagsanstalt. - UHLHORN, Gerhard (1959 [1895]): Die christliche Liebestätigkeit. Unveränderter fotomechanischer Nachdruck der zweiten verbesserten Auflage von 1895 aus dem Verlag von D. Gundert, Stuttgart. Neukirchen: Neukirchener Verlag. - ZITT, Renate (1997), Zwischen Innerer Mission und staatlicher Sozialpolitik. Der protestantische Sozialreformer Theodor Lohmann (1831-1905). Eine Studie zum sozialen Protestantismus im 19. Jahrhundert, Heidelberg: Universitätsverlag C. Winter.