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DAS NEUE WORT DAS DEN VÖLKERN DEN „ENTSCHEIDENDEN SIEG" UND DEN „DAUERNDEN FRIEDEN" GEBEN WIRD.

EINE CHRISTLICHE BETRACHTUNG

DES GEGENWÄRTIGEN KRIEGES.

VON

EINEM POLEN.

• PREIS 25 ØRE = 50 PF.

VERLAG DES VERFASSERS: ZU HABEN BEI DER MISSIONSDRUCKEREI, BERNSTORFFSGADE 21, KOPENHAGEN B.

Wer was zu sagen hat — möge reden, er findet stets diejenigen, die ihn hören werden. T h o m a s C a r l y l e . Past and Present.

Kopenhagen, September 1917.

E

S sind schon drei Jahre vorbei, als die christ­ liche Bevölkerung der Erde sich in zwei Teile gespaltet hat, die sich gegenseitig aus­ rotten. Die Deutschen sollen jede Minute einen Getöteten, somit auch mehrere Verwundete, ver­ lieren. In Frankreich soll die Zahl der Getöteten weit über 2 Millionen betragen. Russland hat wohl am Schwersten geblutet. So gehen jede Minute, jede Stunde, jeden Tag nach und nach hunderte, tausende, Millionen Menschenleben zu Grunde. Es ist die mänliche Jugend der Erde. Nur Alte, Kranke und Kriipel verbleiben . . . . In Russland, von dem ich gekommen bin, sieht man in Dörfern und Städten beinahe kein junges mänliches Gesicht mehr. Ach, doch: an schönen Sommer-Tagen, da zeigen sich noch Junge. Sie sitzen auf den Boulevaren in langen Reihen. Aber bist Du ein Mensch mit lebendiger Seele, so trete lieber diesen Menschen nicht näher. Denn Du wirst nie eine furchtbarere Empfindung erleben. Allen diesen jungen Männern fehlt nämlich irgend ein Kör­ perteil : dem einen die Hand, dem Anderen das Bein, dem Dritten ein Teil des Gesichtes, der

2 Vierte hat seine Lunge durchgeschossen und atmet schwer. Es gibt nichts mehr herzbrechendes, als der Anblick dieser Reihen von jungen Männern, denen selbst der schwere Mangel das Aussehen der Gesundheit und Kraft, ja der Lebensfreudigkeit, nicht rauben konnte, als machtlose Krüpel da­ zusitzen. Und hast du ein lebendiges Herz, so wirst Du davonlaufen mit unterdrücktem Schluchzen. Dort, in den Häusern versteckt, befinden sich diejenigen, denen noch schwierigere Verstümmel­ ungen das Ausgehen auf die Strasse nicht ge­ statten. Es müssen Viele sein, denn in einer Stadt wie Moskau, sieht man auf jeder Strasse, ja, fast in jedem Hause, die Aufschrift: „Lazaret". Auf dem Lande hören Sie kein fröhliches Jauch­ zen mehr. An Sommer und Herbsttagen, ganz besonders auf kleinen Bahnstationen, hören Sie beim Abgehen des Zuges seltsame Töne. Es sind Weiber, die, nach russischer Sitte, ihre Männer, Söhne und Brüder auf den weiten Weg „absin­ gen". Jedoch unterbricht das Schluchzen den ärmlichen Gesang und man sieht nicht selten die arme Frau, dem schon in Bewegung gesetzten Zuge singend nachzulaufen, bis sie in Tränen und Stönnen ganz zusammenbricht. Ja, Jammer und Tränen, Wunden und Blut sieht und hört man jetzt auf der Erde, wie noch nie zuvor. Vor unseren Augen geht die mänliche Ju­ gend der zivilisirten Welt zu Grunde. Was kann das Leben, was kann die Zukunft der Völker sein, ohne diesem Element? Ein elendes Dasein, voll unabsehbarer Traurigkeit in der Gegenwart, eine Entartung und ein Untergang in der Zukunft. Denn

3 die jungen Weiber verbleiben. Und eine jede trägt in sich das Bewustsein des Rechtes auf das Glück. Mit diesem Bewustsein des Weibes stimmnen alle Civilisationen, alle Wissenschaften und Poeten überein, indem sie sagen, die Liebe sei die Sonne des Lebens. Viele leben wohl und sterben, ohne von den Strahlen dieser Sonne berührt zu werden. Aber jede hat immer etwas Hoffnung. Und dies Bischen Hoffnung beleuchtet und erwärmt ihr ganzes Leben. Und jetzt? . . . Soll denn die Prostitution, diese Gangrene, die das Leben der Völ­ ker immer zersetzte, nunmehr unter einer grossen Fäulniss unser ganzes Dasein bedecken?... Diese Nachtmär, das jedes junge Mädchen halbbe­ wusst erzittern liess, soll es jetzt ihr einziges, un­ vermeidliches Schicksal sein? ... Und die Zu­ kunft? ... Wer wird denn den neuen Geschlechtern das Leben geben? . . . Kranke und Greise, halber­ wachsene Kinder! . . . Das ist die Kluft, in die die Menschheit abstürzt. Es ist vergebens, den forschenden Blick dorthin zu senden: dort herrscht der Chaos und die Finsterniss, es ist das Reich des Satans. Angesichts dessen, ist es beinahe ohne Bedeu­ tung, dass das Vermögen der Völker, das Bischen Wohlsein, welches zu gewinnen die Menschheit tausende von Jahren verbrauchte, jeden Tag in alle Weltrichtungen auseinandergeschossen wird. Dass das Gespenst des allgemeinen Hungers, welches die civilisierten Völker bereits für immer verjagt zu haben glaubten, nahe und lebendig wieder vor ihnen erscheint. Und man sieht kein Ende und keine Lösung

all' diser Schrecknis. Ja, manche Diplomaten und Journalisten hehaupten wohl, dass bereits „in diesem Jahre", oder „im nächsten Jahre", als nur noch eine Anzahl Gewehre und Kanonen hergestellt werden, sie den längst erwarteten „entscheidenden Sieg" über den Feind erringen werden und dass ohne diesem „entscheidenden Siege" kein Glück und kein Leben für ihre Völker möglich sei". Die Herren Diplomaten und Iournalisten müssen wohl ihren Behauptungen glauben. Aber die Völ­ ker werden wohl einige Zweifel an beiden diesen Behauptungen haben. Es sind schon über zehn Jahre worbei, als un­ ter uns Polen, ein gewisser Henryk Bloch ein so gen. „wissenschaftliches Buch" in ca. 10 Bän­ dern unter dem Titel „Der zukünftige Krieg" ge­ schrieben hat. Der Hauptsinn aller seiner Ausei­ nandersetzungen war, dass im zuküntiegen Kriege kein Sieger und kein Besiegter sein werden, weil die gewaltige Entwickelung der Technik auch dem schwächeren Teil stets genügend Mittel gibt, sich mit Erfolg zu wehren. Wollen denn die Her­ ren Diplomaten und Journalisten die Möglichkeit eines solchen Ausgangs, den der bisherige Verlauf des Krieges doch so sehr bestätigt hat, nicht an­ nehmen? . , . Nein, die Kraft der Waffen, alle Gewehre und Kanonen bringen keine Entscheidung dieser gros­ sen Tragödie. Der „Sieg", der darin besteht, in die Hauptstadt des Gegners hineinzufahren und ihm Rechte zu diktieren — solch ein „Sieg" kommt nicht. Aber selbst wenn er kommen sollte, so würde noch die zweite Frage offen bleiben, ob

5 solch ein Sieg tatsächlich das Glück, oder vielmehr das Elend und die Fluch der betreffenden Völker sein sollte? . . . Ein Sieg? . . . Wenn die Hälfte der Jungs des Landes in der Erde flir ewig schläft? . . . Wenn die andere Hälfte verstümmelt ist? . . . Dahin ist die lebendige Jugend, dahin ist das Wohlsein des Volkes. Nur Alter und Elend, tausendfache Narben und Wunden, Jammer und Tränen, nur die ver­ bleiben. Und da ist noch das Meer des grenzen­ losen Hasses beim besiegten Gegner, der ebenso verstümmelt, aber ausserdem noch im tiefsten erniedrigt und gekränkt bleibt. Dieser Hass würde von nun ab die Völker in zwei sich feindselig gegenüber stehende Teile lrennen, diesen Hass könn­ ten vielleicht tausende von Jahren nicht ausrotten. Der „Sieg", den Ihr wollt, meine Herrn, währe ein schlechter Sieg. Und ist es wahr, dass Ihr nach diesem Kriege den dauernden Frieden auf der Erde wünscht, so darf eben deshalb solch ein Sieg nicht kommen. Aber wo ist dann die Lösung? Wo ist das Ende dieser Tragödie? Das Ende, das kommen muss, falls wir nicht in einen Abgrund rettungslos ver­ sinken sollen? Die Lösung, die kommen soll, falls auf dieser Erde Gott und seine Gesetze und nicht Chaos und Satan walten sollen? Um die Antwort auf diese Frage zu finden, müssen wir zurück­ kommen von dem Wege, auf den wir geraten sind; mit Anstrengung sich auf die Zipfel heben und mühsam den Blick dahinten, in die Vergangenheit senden. Ueber das Finsterniss von Jahrhunder­ ten und Jahrtausenden hin, dort, dort werden wir

6 noch ein Licht erblicken. Dasselbe Licht, das vor 2(XX) Jahren aufging, dasselbe Wort, das damals ausgesprochen wurde. Von diesem Licht haben wir uns so entfernt, dass wir es zu sehen und zu erkennen aufgehört haben. Und das alte Wort hat für uns einen unbekannten und nenen Sinn. Wir, die christlichen civilisierten Völker der Erde . . . Wer sind wir eigentlich? . . . Christen nennen wir uns. Die Geburt des Heilands haben wir für das wichtigste Ereigniss des Menschendaseins anerkannt. Wir erkannten an, dass die Zeit selbst für uns erst von diesem Ereignisse anfängt, dass Gottes Sohn unendlich höher, wie alle unsere Könige und Herrscher ist. Dass seine Lehre un­ sere Handlungen beherrschen soll . . . Die Lehre der Verzeihung und der Nächsten Liebe ... Ja, da stehen wir, weisshäutige Christen, vor den verwundeten Augen aller schwartzen, roten und gelben — Bar­ baren und rotten uns aus. Ein Schauspiel geben wir des Hasses, der bösen Hartnäckigkeit der gegenseitigen Vernichtungssucht. Das haben wir freilich zu einer ungeahnter Vollkommenheit ge­ bracht. Die farbigen Zuschauer sehen sich uns wohl mit einer aufrichtigen Bewunderung an. Zu den einfachen und klaren Weisungen Christi's werden wir jedoch zurückkommen müssen, falls wir nicht untergehen sollen. Der Heiland der Welt wird nicht umsonst so genannt. Da be­ findet sich die Menschheit auf dem Rande der grössten Gefahr, die man sich denken konnte. Und nur Seine Lehre kann uns Heil bringen. Liebe deinen Nächsten, wie dich selbst. Werfe auf ihn keinen Stein, — du bist ja selbst nicht ohne Schuld

7 Sieh den Balken in deinem eigenen Auge, nicht das Pulverchen in dem Auge deines Nächsten. Und wirft er einen Stein auf dich, gebe ihm mit Brod wieder. Wie viel mehr Weisheit liegt in diesen einfachen Worten, wie in den langen Reden der Diplomaten und Artikeln der Journalisten! Von diesen Quellen ewiger Weisheit hätten sie doch grade bei ihrer Tätigkeit zu schöpfen. Und das ist Alles. Das ist die Fahne, der man folgen muss, das ist die Fackel, die uns aus einem Labyrint von Finsterniss und Klüften, zum Licht und Leben brin­ gen kann. Es müssen sich nur diejenigen finden, die sich bei dieser Fahne stellen, die diese längst aufgegebene Fackel wiederheben und der Welt zeigen würden, dass einzig von ihr das wahre Licht und die wahre Wärme kommt. Es müssen sich neue Schüler von Jesus Christus zeigen . . . Wo sind sie denn zu finden? Nicht unter den Starken dieser Welt, die Macht und Gut besitzenDenn Jesus ging stets zu den kleinen und armen. Sie hatte er während seines Lebens am liebsten, sie haben nach Seinem Hinübergang seine Lehre in die ganze Welt getragen und das Christentum gebildet. Unter den Völkern Europa's sind wir, Polen, diejenigen, die am Wenigsten Macht und Gut be­ sitzen. Wir sind auch diejenigen, die, nach den jetzt geltenden menschlichen Begriffen, das grösste Recht zum Hass haben. Denn die Deutschen waren, bis zu allerletzten Zeit, die leitende Kraft, die den Untergang unseres Volkes beschlossen und unter­ halten hat. Und die Russen waren stets die Hand, die uns,

8 bereits wehrlosen, die schmerzlichsten Wunden brachte. Da können wir auch der ganzen Welt das beste Beispiel der Verfolgung der christlichen Lehre geben. Unser grösste Poet, Mickiewicz, sagte, dass von Polen einst das Neue Wort zu den Völkern kommt. Da ist die Stunde gekommen. Verzeihung und Liebe — das ist das Alte Wort, das jetzt neu gesprochen werden muss. Und das ist auch die machtvolle Waffe, die den „entscheiden­ den Sieg" demjenigen bringen wird, der sie zu fassen im Stande ist. Da wollen wir denn das Kreuz nehmen und mit dem Kreuze zwischen die kämpfenden Teile treten. Danach kommt auch „der dauernde Friede".