Bedeutung des Ballastes als Nahrungsfaktor Die
dargestellt
anhand von Untersuchungenam wachsendenSchwein Von der
Eidgenössischen Technischen zur
Hochschule in Zürich
Erlangung
der Würde eines Doktors der Technischen Wissenschaften
genehmigte PROMOTIONSARBEIT vorgelegt
von
SIGMUND GOLDSTEIN, dipl. ing. agr. von
Zürich
Referent: Herr Prof. Dr. E. Crasemann Korreferent: Herr Prof. Dr. H. Lörtscher
1950
Juris-Verlag, Zürich
V. Der
Zusammenfassung
Ballast,
als welchen man die unverdauliche organische Sub¬ Nahrung bezeichnet, und dessen Hauptbestandteil in pflanzlichen Nahrungs- und Futtermitteln aus Rohfaser besteht, ist ernährungsphysiologisch nicht wertlos, sondern hauptsächlich in¬ folge seiner die Darmperistaltik anregenden Wirkung ein für die Gesundheit von Mensch und Tier und für den Erfolg der tierischen Produktion unentbehrlicher Nahrungsbestandteil. Da diese Erkennt¬ stanz
der
nis seit noch nicht allzulangerZeit durchzudringen vermochte, exi¬ stieren nur wenige, den Einfluss des Ballastes betreffende, experi¬ mentell gesicherte Daten, insbesondere solche, die den Einfluss des Ballastes auf die tierische Produktionkennzeichnen. Hauptsächlich fehlen Angaben über optimale Ballastverhältnisse, denn sowohl zu niedrige als auch zu hohe Ballastkonzentrationen beeinträchtigen die tierische Leistung. Die vorliegende Arbeit will einen Beitrag zur Abklärung des Ballastproblems leisten; sie befasst sich mit der Be¬ deutung des Ballastes bei der Ernährung des wachsenden Mast¬ schweines und wird ergänzt durch Literaturangaben über die er¬ nährungsphysiologische Bedeutung des Ballastes bei Mensch und Tier. Der Untersuchung wurde folgende Problemstellung zugrunde¬
gelegt:
Wie beeinflusst beim wachsenden Mastschwein unter möglichster aller übrigen Nahrungs- und Haltungsfaktoren und bei im übrigen optimaler Ernährung ein zunehmender Ballastgehalt des Futters den in der Aufnahme an Trockensubsanz, Ballast, ver¬ daulichem Gesamtnährstoff und Stärkeeinheiten zum Ausdruck zu bringenden Futterverzehr? Wie werden unter den vorgenannten Bedingungen die Lebend¬ gewichtszunahmen und die Futterverwertung beeinflusst? Welche
Konstanthaltung
Ballastfütterungkann, mal
angesprochen
gemessen werden?
Welches ist der Einfluso auf die
an
der
steigender Ballastaufnahmen
Durchgangsgeschwindigkeit
Verdauungstrakt,
Futterverwertung, als opti¬
der Futtermittel durch den
auf die Verdaulichkeit der in den Rationen enthaltenen Nähr¬
stoffe,
137
auf die Schlachtausbeute und die Schlachtqualitätund auf die Länge und das Fassungsvermögender einzelnen Teile des Magendarmtraktus?
Als Versuchstiere dienten 20
naheverwandte, ausgeglichene Edelschweine, die, Gruppen zu je vier Tieren eingeteilt, von einem Durchschnittsgewicht von 33,9 (32,5 35,9) kg bis 109,3 (98,7—114,1) kg gemästet wurden. Die Tiere wurden nach folgen¬ dem Plan gefüttert: in fünf
—
Gruppe
Verabreichung
eines Misch¬
futters zum freien
bestehend
Verzehr,
aus
Zuteilung in annähernd gleicher Zusammensetzung und Menge
Eiweisskonzentrat, Mineral
1
100 % Kartoffelmehl
2
90 % Kartoffelmehl
10
»
3
80 % Kartoffelmehl 20
% Sägemehl
»
70
% Kartoffelmehl
»
60 % Kartoffelmehl
»
4 5
% Sägemehl
30 % 40
Sägemehl
% Sägemehl
stoff-, Vitamin- und Grün¬
futterzulagen
Dieser Fütterungsplan ermöglichte es, die Wirkung eines stufen¬ weisen Uebergangesvon einem extrem ballastarmen (Gruppe 1) bis zu einem extrem ballastreichen Futter (Gruppe 5) zu studieren. Die wichtigsten Ergebnisse unserer Untersuchungen lassen sich wie folgt zusammenfassen: I. DIE ERGEBNISSE DES FÜTTERUNGSVERSUCHES
Nährstoffverzehr in Abhängigkeit Ballastgehalt der Trockensubstanz
1. Der Futter- und
a)
vom
Der Trockensubstanzverzehr zeigte mit zunehmen¬ dem Ballastgehalt der Trockensubstanz einen logarithmisch ver¬ laufenden Anstieg (S. 38—41).
138
b)
Der Ballastverzehr stieg proportional mit dem Ballast¬ gehalt der Trockensubstanz (S. 41—42).
c) Der in verdaulichem Gesamtnährstoff und in Stärkeeinheiten ausgedrückte Nährstoffverzehr mit steigendem Ballastgehalt der Trockensubstanz eine schwach rückläufige Tendenz, die sich als nahezu gesichert er¬ wies. Ueber einen weiten Bereich des Ballastgehaltes (8—29 % der Trockensubstanz) konnte er praktisch als nahezu gleichbleibend bewertet werden. Nur bei extrem starker Ballast-
zeigte
zufütterung (36 % der Trockensubstanz) erfuhr er eine deut¬ liche Senkung (S. 42—44). Aus diesem und aus dem Ergebnis
der Literaturauswertung ziehen wir die Schlussfolgerung,dass das Bestreben des tierischen Organismus, seinen Bedarf an verdau¬ lichen Nährstoffen zu decken, d. h. sich in einen Zustand der Nährstoffsättigung zu versetzen, für die Grösse seines Futterverzehrs entscheidend ist. Diesem Bestreben gegenüber bleibt der Einfluss der auf die blosse Füllung des Magen-Darmtraktus sich beziehenden mechanischen- bzw. Ballast¬ sättigung zunächst im Hintergrund, um als limitierender Faktor des Futterverzehrs erst dann in den Vordergrund zu tre¬ ten, wenn der Ballastgehalt des Futters ein extrem hoher wird
(S. 44—52).
2.
Lebendgewichtszuwachsund Futterverwertung in Abhängigkeit Ballastgehalt der Trockensubstanz und vom Stärkewertverzehr
vom
a) Auf Grund der vorgenommenen Auswertung dürfen wir den
Schluss ziehen, dass Zuwachsleistung und Futterverwertung unserer Versuchstiere in erster Linie als Funktion des Nährstoff-(Stärkewert)-Verzehrsaufgefasst werden müssen. Von einer unmittelbaren Beeinflussung des Lebendge¬ wichtszuwachses und der Futterverwertung durch die Ballast¬ konzentration kann erst in zweiter Linie gesprochen werden. Die Hauptwirkung des Ballastes auf die Zuwachsleistung war eine mittelbare, indem zwischen Nährstoff- bzw. Stärkewertverzehr und
Ballastgehalt
der
Futtertrockensubstanz eine entgegengesetzt
gerichtete Tendenz bestand (S. 64—67, 80).
139
b) Im Einklang mit der
Theorie betreffend die Abhängig¬ der Futterwirkung Futtermenge, liess sich die Be¬ ziehung zwischen Zuwachs und Stärkewertverzehr durch eine nahezu gesicherte logarithmische Regressionsgleichung beschrei¬ ben S. 64—67). Die auf die Zuwachsleistung und auf die Futterverwertung sich beziehenden Zusammenhänge konnten anhand einer auf breiter Basis vorgenommenen statistischen Auswertung von Versuchs¬ ergebnissen der Literatur weitgehend bestätigt werden (S. 71 bis keit der
c)
neueren von
78, 79).
Gesagten bezeichnen wir als optima¬ len Ballastgehalt einer Ration denjenigen, der bezüglich Zuwachs und Futterverwertung einen optimalen Nähr¬
d) Auf Grund des
zuvor
stoff- bzw. Stärkewertverzehr gewährleistet. Die¬ ser optimale Stärkewertverzehr dürfte sich im Durchschnitt der üblichen Schnellmast zwischen 1,5 und 1,8 Stärke¬ einheiten pro Tier und Tag bewegen S. 68 / 69,
77/78, 80). e) Der Ballastgehalt des Futters, der einen sowohl bezüglich Zu¬
Futterverwertung optimalen Nährstoff- bzw. Stärke¬ wertverzehr ermöglicht, schwankt innerhalb einer verhältnismäs¬ sig breiten Zone. Die Grenzwertedieser Zone können auf Grund unseres eigenen Versuches mit ungefähr 15 und 30 % Ballast (bezogen auf die Trockensubstanz) angegeben werden, während sich aus den statistisch verarbeitetenVersuchsdaten der Literatur Grenzwerte von annähernd 10 und 20 % berechnen Hessen. Es darf angenommen werden, dass die Variabilität des Ballastopti¬ mums in hohem Masse von der Struktur der Nahrung beeinflusst wird (S. 58—63). Eine direkte Beeinflussung von Zuwachsleistung und Futter¬ verwertung durch die Ballastkonzentration(Beeinträchtigung der Verdauungstätigkeit bei niedriger Ballastkonzentration zufolge mangelhafter Darmperistaltik,Erhöhung des für die Kauarbeit und den Transport der Nahrung durch den Verdauungstrakt nö¬ tigen Energieaufwandes bei hoher Ballastkonzentration)scheint beim Schwein bei einigermassen normaler Fütte¬ rung von eher sekundärer Bedeutung zu sein. Gestaltet sich dagegen die Fütterung in bezug auf die Ballastkonzentration wachs wie
f)
140
so muss auch beim Schwein mit einer ins Gewicht fal¬ direkten Einflussnahme des Ballastes auf Zuwachs und lenden, Futterverwertung gerechnet werden. Anhand unseres Versuches und anhand der Literatur wird gezeigt, dass ausgesprochene
extrem,
Ballastextreme den Fütterungserfolg nicht nur mittelbar, d. h. durch Beeinflussung der NährStoff aufnähme, sondern auch un¬ mittelbar, d. h. durch Beeinflussung der Verdauungstätigkeit und
g)
des Gesundheitszustandes beeinträchtigen (S. 69—70, 83—87). Es wird die Literatur über die Bedeutung des Ballastes für die
Aufrechterhaltung Tier behandelt
einer normalen
(S. 83—93).
Verdauung
bei Mensch und
IL DIE ERGEBNISSE DER DURCHGANGS- UND VERDAU¬ UNGSVERSUCHE SOWIE DER AUSSCHLACHTUNG UND DER MESSUNGEN AM MAGENDARMTRAKTUS 1. Die Durchgangsgeschwindigkeit der Futtermittel durch den Verdauungsrakt wuchs mit steigendem Ballastgehalt der Trockensubstanz, welches Ergebnis sich in Uebereinstimmung mit den Angaben der Literatur befindet (S. 94—96). 2. Die Erhöhung des Sägemehlanteils im Gesamtfutter drückte die
der organischen Substanz Extraktstoffe in geringfügigem Grade und der stickstofffreien herab. Deutlicher trat diese Verdauungsdepression bei der stick¬ stoffhaltigen Substanz und besonders auffällig bei der Rohasche hervor. Eine eindeutige Beeinflussung der Verdaulichkeit des Rohfettes und der Rohfaser durch steigende Sägemehlzusätze war nicht festzustellen (S. 97—103). Anhand der Literatur wer¬ den die Ursachen diskutiert, welche den Einfluss einer ballastbzw. rohfaserreichen Fütterung auf die Ausnützung der Nah¬ rungsbestandteileerklären lassen (S. 109—116). 3. Die Schlachtausbeute sowie die Schlachtqualität erwiesen sich als vom Ballastgehalt des Futters unabhängig
Verdauungskoeffizienten
(S. 116/117).
steigendem Ballastgehalt
des Futters erfuhr die gesamte eine zunehmende Verkürzung, welche sich haupt¬ Darmlänge sächlich am Dünndarm auswirkte (S. 124).
4. Mit
141
Das durch Füllung mit Wasser bei einem Wasserdruck von 25 cm gemessene Fassungsvermögen des gesamten Ma¬ gendarmtraktes stand in keinem Zusammenhang mit der
Ballastfütterung (S. 123/124). Infolge steigender Sägemehlaufnahmen erhöhten sich ziemlich regelmässig die prozentualen Anteile des Dickdarm- und Blinddarmvolumens am Gesamtvolumen des Magendannkanals auf Kosten des Dünndarmanteils. Der Anteil des Magenvolumens am Gesamtvolumen war vom Sägemehlanteil des Futters unab¬ hängig (S. 124/125). Eine Einflussnahme des Ballastes auf die Ausbildung der Mus¬ keldicke der
(S. 126).
Darmwände
war
nicht festzustellen
Unsere die Länge und das Volumenbetreffenden Messergebnisse werden durch die Angaben der Literatur im grossen und ganzen
bestätigt (S. 127—131).
142