Der Zusammenfassung 1. Teil Was ist Naturalismus?

Programm    

Begriff  und  historische  Beispiele   •  19.2.13  Begriff:  Die  Vielfalt  des  Naturalismus   •  26.2.13  fällt  aus   •  05.3.13  Historische  Beispiele:  Die  Vielfalt  des  Naturalismus   2.  Naturalisierte  Erkenntnistheorie   •  12.3.13  Quine:  Naturalisierte  Erkenntnistheorie  TEXT:  Quine   •  19.3.13  GeJer:  Analyse,  IntuiOon,  X-­‐Phi  TEXTE:  GeJer,  Weinberg   •  26.3.13  Kornblith:  Natural  Kinds  TEXT:  Kornblith   •  02.4.13  Osterferien   •  09.4.13  fällt  aus     3.  Der  Mensch  als  biologisches  Wesen   •  16.4.13  Physikalismus?  TEXT:  Lewis  

•  •  •  •  •  •   

23.4.13  Hinführung:  EmoOonen  (Rebekka  Hufendiek)  

30.4.13  Biologischer  Naturalismus:  Darwin  TEXT:  Neander   07.5.13  IntenOonalität:  Ruth  Millikans  TeleosemanOk  TEXT:  Millikan   14.5.13  Bewusstsein:  Fred  Dretskes  RepräsentaOonalismus  TEXT:  Tye   21.5.13  ...   28.5.13  schrialiche  Prüfung  (Stoff:  Alles,  ausser  21.5.)   2  

TEIL  1        

BEGRIFF UND HISTORISCHE BEISPIELE 3  

Der Begriff „Naturalismus“ Das weiss Geschriebene ist nicht prüfungsrelevant

Kunst (19. Jh.)

Malerei (Epoche/ Stil)

Literatur (Zola) Naturalismus

Naturforschung (16.-18 Jh.) Philosophie (20. Jh.)

Methodischer Naturalismus Substantieller Naturalismus 4  

Der philosophische Naturalismus

Methodischer Naturalismus Naturalismus Substantieller Naturalismus

Kontinuität der Resultate (1) Kohärenz (2) Rechtfertigung Kontinuität der Methoden (1) experimentell (2) explanatorisch (3) konstruktiv Ontologischer Naturalismus (1) global (2) lokal [Semantischer Naturalismus]

Das weiss Geschriebene ist nicht prüfungsrelevant

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Typologie des Naturalismus Spielart

Beispiel

M:  Kohärenz-­‐N

ObjekOve  Wahrnehmung  (Burge)

M:  RechferOgungs-­‐N

Charakter  (Doris)

M:  Experimenteller  N

Experimentelle  Philosophie  (VL  26.3.)

M:  Explanatorischer  N

Kausale  Theorien  des  Wissens  (Goldman)

M:  KonstrukOver  N

Menschliche  Natur  (Hume,  VL  26.3.)

S:  Basaler  N

Physikalismus  (VL  16.4.)

S:  Lokaler  N

Biologie  (VK  30.4.)

S:  AnalyOscher  N

gut  (Mill)

S:  PragmaOscher  N

FunkOon  (VL  7.5.) 6  

Verwendung von „Natur“ Spinoza benutzt den Begriff der „Natur“ auf drei Weisen 1.  Natur1: Gesamtheit dessen, was empirisch ist (Schöpfung, Universum, natura naturata) 2.  Natur2: Die in der Gesamtheit dessen, was empirisch ist, wirkende Kraft oder wirkenden Kräfte oder Regeln (Gott, Gesetze, natura naturans) 3.  Natur3: Wesen eines Dinges (Wesen des Menschen, der Affekte, essentia)   Grundgedanke: Alles, was in der Natur1 ist und geschieht, ist und geschieht durch Natur2, insbesondere wird auch das Wesen der Dinge (Natur3) durch Natur2 bestimmt.

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Spinozas Argument   1.  Es gibt nur eine Natur, zu der alle Dinge gehören. 2.  Die Gesetze und Regeln der Natur sind überall und immer dieselben. 3.  Alle Dinge unterstehen folglich denselben Gesetzen und Regeln. 4.  Wir begreifen die Dinge (ihr Wesen), insofern wir sie unter diese Gesetze und Regeln bringen. BEISPIEL: Die Affekte (Emotionen) 8  

Darwinistische Version des Arguments 1.  Es gibt nur ein Leben, zu dem alle Lebewesen gehören. (Alle irdischen Lebewesen stammen von einem Vorfahren ab, also gehören alle Lebewesen durch Abstammung zum selben Lebensstrom.) 2.  Es gibt ein „Grundgesetz“, dass die Evolution von Lebewesen lenkt: die Natürliche Selektion. 3.  Alle Lebewesen unterstehen dem Gesetz der Natürlichen Selektion (Mutation, Reproduktion, Multiplikation & Akkumulation von Merkmalen). 4.  Wir begreifen Lebewesen (ihr Wesen), insofern wir sie unter das Gesetz der Natürlichen Selektion bringen. BEISPIEL: Der Mensch

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TEIL  2        

METHODISCHER NATURALISMUS IN DER ERKENNTNISTHEORIE 10  

W.V.O. Quine Naturalismus in der Erkenntnistheorie In der Erkenntnistheorie geht es um Fragen wie: Was ist Wissen? Was gilt als Evidenz? Worauf beruht (gute) Wissenschaft? Was sind gültige Erklärungen? Quines Idee: Erkenntnistheorie wird ein Teil der Naturwissenschaft (oder emoirischen Wissenschaft). Der erkenntnistheoretische Naturalismus betrachtet Dinge wie Wissen, Evidenz, Wissenschaft, Erklärungen als Eigenschaften und Tätigkeiten von Naturwesen (Geschöpfen der Evolution) oder als natürliche Phänomene, die auch durch eine Naturwissenschaft (oder empirische Wissenschaft) behandelt werde könnten. •  •  •  • 

Spinoza: Mensch und Affekte als Teil der Natur behandeln Darwin: Affektausdrücke bei Mensch &Tier Burge: Objektivität über Konstanzmechanismen Quine: Hund & Mensch bilden induktive Erwartungen 11  

W.V.O. Quine „Die Natur natürlicher Erkenntnis“ Übersicht über den Aufsatz §  Einleitung: Skepsis und Wissenschaft (422-3) §  Teil 1: Wissenschaft als Mittel der Vorhersage (423-6) §  Teil 2: Wissenschaften als Struktur theoretischer Sätze die an Beobachtungssätze geknüpft sind (426-33) §  Coda: Unterbestimmtheit (433-5) Grundgedanken des Aufsatzes 1.  „Epistemology is concerned with the foundations of science.“ („Epistemology Naturalized“, 1968) 2.  „The positing of bodies is already rudimentary physical science.“ (NNK, 1975) 3.  From Stimulus to Science (1995)  

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Einleitung (422-3) Quines Erkenntnistheorie 1.  Erkenntnistheorie ist ein Projekt innerhalb der Naturwissenschaft 2.  Skeptische Zweifel sind nicht der Ausgangspunkt 3.  Wie sind wir zu unseren Theorien über die Natur gelangt? (Genese) 4.  Sinnesreizungen sind die einzige Quelle für unser Wissen über die Aussenwelt (Naturwissenschaft)

Traditionelle Erkenntnistheorie 1.  Erkenntnistheorie kommt vor der Naturwissenschaft 2.  Wir müssen zuerst skeptische Zweifel beseitigen 3.  Ist unser Wissen über die Natur gerechtfertigt? (Geltung) 4.  Subjektive Eindrücke sind der einzige Ausgangspunkt für unser Wissen über die Aussenwelt (Methode des Zweifels)

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Einleitung (422-3) Traditionelle Gründe 1.  Erkenntnistheorie legt die Grundlage für die Naturwissenschaft 2.  Erkenntnis muss auf einem unbezweifelbaren Fundament beruhen 3.  Alle unser Wissen über die Natur könnte falsch oder grundlos sein 4.  Wir können an unseren subjektiven Eindrücken nicht zweifeln

Traditionelle Erkenntnistheorie 1.  Erkenntnistheorie kommt vor der Naturwissenschaft 2.  Wir müssen zuerst skeptische Zweifel beseitigen 3.  Ist unser Wissen über die Natur gerechtfertigt? (Geltung) 4.  Subjektive Eindrücke sind der einzige Ausgangspunkt für unser Wissen über die Aussenwelt (Methode des Zweifels) 14  

Einleitung (422-3) Quines Erkenntnistheorie 1.  Erkenntnistheorie ist ein Projekt innerhalb der Naturwissenschaft 2.  Skeptische Zweifel sind nicht der Ausgangspunkt 3.  Wie sind wir zu unseren Theorien über die Natur gelangt? (Genese) 4.  Sinnesreizungen sind die einzige Quelle für unser Wissen über die Aussenwelt (Naturwissenschaft)

Quines Gründe 1.  Grundlegung war historisch wichtig / Naturwissenschaft ist die beste Art der Erkenntnis, die wir haben 2.  Zweifel entstehen erst innerhalb der Naturwissenschaft 3.  Falsche epistemische Angst / Wir kommen ohne fundamentale Rechtfertigung aus 4.  S u b j e k t i v e E i n d r ü c k e s i n d obskure, private Dinge / Wir müssen bei Sinnesreizungen und Sätzen ansetzen

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Was ist daran Naturalismus?   1.  Ausgangspunkt ist die Naturwissenschaft, sie ist der Rahmen für die Erkenntnistheorie (Methodischer N) 2.  Der Weg von der Sinnesreizung zur Naturwissenschaft wird mithilfe naturwissenschaftlicher Theorien skizziert (Kontinuität der Resultate, Explanatorischer N) 3.  Einfache Induktion ein Produkt der Evolution durch natürliche Selektion bei Menschen und anderen Tieren (Konstruktiver N) 4.  Beobachtungssätze und Theoretisches Sätze durch Sprachenlernen erklärt (Sprachtheorie à Logik à Erkenntnistheorie) (Kontinuität der Resultate, Explanatorischer und Konstruktiver N) 5.  Ziel ist philosophisch: „a better understanding of the relaton between evidence and scientific theory“

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Spezielle Probleme Kohärenz der Resultate: •  Quine: Kinder lernen Objektkonstanz erst, wenn sie Begriffe (d.h. hier: sprachliche Ausdrücke) für physische Objekte erlernen •  Doch die Psychologie heute zeigt: Kleinkinder haben eine Vorstellung von Objektkonstanz bevor sie eine Sprache beherrschen Zirkularität des Erklärungsansatzes: •  Kindliches Sprachlernen setzt einen Sprachlehrer voraus. Dieser verfügt schon über sprachlichen Fähigkeiten und wissenschaftliche Theorien. Woher kommt die Sprachgemeinschaft? Vorschlag: Evolution: Die Sprachgemeinschaf hat sich naturgeschichtlich entwickelt •  Zusatzproblem: Nach Quine hängt die Bedeutung der Ausdrücke einer Sprache von der Bedeutung aller anderen Ausdrücken einer Sprache ab (semantischer Holismus). Rettung: Beobachtungssätze: Die Bedeutung von Beobachtungssätzen hängt zunächst von den Sinnesreizen ab („Reizbedeutung“), nicht von anderen Sätzen

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Allgemeines Problem: Genese und Geltung Quine: •  „We can adopt a genetic approach, studying the theoretical language is learned.“ •  Die Frage lautet also: Wie kommen wir rein genetisch von Sinnesreizungen zu Überzeugungen über die Welt? Dagegen sagt der traditionelle Erkenntnistheoretiker: •  In der Erkenntnistheorie interessiert und nicht die Entstehung (Genese) wissenschaftlichen Wissens, sondern die Rechtfertigung (Geltung). •  Die Frage lautet also: Wie können wir unsere Überzeugungen über die Welt durch Sinnesreizungen rechtfertigen? Erkenntnistheorie ist normativ (Geltung) Wissenschaft ist deskriptiv (Genese) 18  

Quines Reaktion auf Normativität

(Vgl. The Pursuit of Truth, 1992, pp. 19 f.) •  Es gibt keine festere Basis für die Wissenschaft als die Wissenschaft selbst •  Normativität wird zu „Ingenieurproblem“, sie ist eine Technik der Antizipation sensorischer Reizungen •  Erste Norm der naturalisierten Erkenntnistheorie: nihil in ment quod non prius in sensu •  Welche Hypothesen oder Theorien soll man bevorzugen? (1) Konservativismus, (2) Allgemeinheit, (3) Einfachheit, (4) Widerlegbarkeit, (5) Bescheidenheit •  Ziel der Wissenschaft: Technologie und Verstehen •  Checkpoints der Wissenschaft: Vorhersage 19  

Erkenntnistheorie wird naturalisiert (d.h. sie wird ein Teil der Wissenschaft) “The stimulation of his sensory receptors is all the evidence anybody has had to go on, ultimately, in arriving at his picture of the world. Why not just see how this construction really proceeds? Why not settle for psychology? Such a surrender of the epistemological burden to psychology is a move that was disallowed in earlier times as circular reasoning. If the epistemologist’s goal is validation of the grounds of empirical science, he defeats his purpose by using psychology or other empirical science in the validation. However, such scruples against circularity have little point once we have stopped dreaming of deducing science from observations. If we are out simply to understand the link between observation and science, we are well advised to use any available information, including that provided by the very science whose link with observation we are seeking to understand.” (Quine 1969, 75f.) 20  

GegenposiOon...    

ERKENNTNISTHEORIE ALS BEGRIFFSANALYSE 21  

Klassische Analyse von Wissen •  Die Analyse heisst klassisch, weil sie auf Platon zurück geht (Theaitetos) •  Sokrates will wissen, „was das Wissen selbst ist“ (Theaitetos 146e). •  Sokrates fragt nach der Natur (Idee) des Wissen. •  Klassische Antwort: Wissen ist gerechtfertigte, wahre Meinung (Überzeugung, Glaube) Justified true belief •  Pointe: Was muss zu bloss wahrer Meinung hinzukommen, dass sie Wissen wird? (Vgl. Wenn ich zufällig etwas richtig errate, habe ich eine wahre Meinung, aber noch kein Wissen, weil ich ja nur zufällig auf die Wahrheit gestossen bin) 1960er Jahre: Gettier-Fälle

Gettier, E. (1963). „Ist gerechtfertigte, wahre Meinung Wissen?“. P. Bieri (Hg.), Analytische Philosophie der Erkenntnis, Frankfurt/M. 1987, 91-93.

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Begriffsanalyse: Ein Gettier-Fall Müller und Huber sind beide begierig auf eine Beförderung in ihrer Firma. Müller hat gute Gründe zu glauben, dass Huber befördert wird, denn der Chef hat ihm versichert, dass er Huber befördern wird. Müller weiss auch, dass Huber 10 Münzen in seiner Tasche hat, denn er hat sie mit eigenen Augen gesehen. Frustriert bringt Müller abends am Stammtisch die Überzeugung zum Ausdruck: „Ich weiss, dass derjenige, der 10 Münzen in der Tasche hat, befördert wird.“ Der Schluss ist durchaus gerechtfertigt. Nun ist es aber in Wahrheit so, dass Müller befördert wird und dass er ebenfalls 10 Münzen in der Tasche hat, nur weiss Müller weder das eine noch das andere. Es ist also wahr, dass derjenige, der 10 Münzen in der Tasche hat, befördert wird.

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Begriffsanalyse: Intuitive Reaktion auf fiktionale Fälle •  Was würden Sie sagen: Weiss Müller tatsächlich, dass derjenige, der 10 Münzen in der Tasche hat, befördert wird? •  Nach der klassischen Definition weiss Müller dies. •  Aber ihre Reaktion für die Frage lautet vermutlich: Nein, er weiss es nicht. Daraus haben Erkenntnistheoretiker zwei Schlüsse gezogen: 1.  ist die klassische Definition falsch, weil die fiktionalen Fälle Gegenbeispiele darstellen; 2.  muss eine Definition gefunden werden, die durch solche fiktionalen Fälle nicht widerlegt wird. 24  

Methode fiktionaler Fälle   Eine philosophische Analyse ist nur dann eine gute Theorie über einen beliebigen philosophischen Begriff oder Sachverhalt, wenn sie unsere Reaktionen (Intuitionen) auf fiktionale Fälle voraussagen kann. Kann sie dies nicht, ist sie prima facie falsifiziert. Zwei Probleme mit der Methode fiktionaler Fälle 1. 

Begriffsanalyse: Liegt der Methode fiktionaler Fälle eine korrekte Auffassung von begriffen zugrunde?

2. 

Intuitionen: Sind Intuitionen eine zuverlässige Quelle der Erkenntnis?

25  

Experimentelle Philosophie: Wie man Intuitionen in Frage stellt

Truetemp-Kollektiv

weiss, dass 19°

glaub nur, dass 19°

Westerners

20% (32%)

80% (68%)

Eastsasians

88% (12%)

12% (88%)

Weinberg, Nichols, Stich 2001 26