Der Wagenplatz als Form der Raumaneignung

Westfälische Wilhelms-Universität Münster Institut für Geographie Seminar: Unsichtbare Städte Modul: Raum- und Planungsmanagement Dozentin: Dr. Julian...
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Westfälische Wilhelms-Universität Münster Institut für Geographie Seminar: Unsichtbare Städte Modul: Raum- und Planungsmanagement Dozentin: Dr. Juliane Pegels Sommersemester 2013

Der Wagenplatz als Form der Raumaneignung Ein humanistisch-geographischer Blick hinter die Kulissen eines (nicht nur) städtischen Phänomens

Lars Kraehnke M. Sc. Humangeographie Matrikelnummer 400546 Rjasanstr. 9 48147 Münster [email protected]

Lars Kraehnke Der Wagenplatz als Form der Raumaneignung

Inhaltsverzeichnis

1

Einleitung .......................................................................................................... 1

2

Das Phänomen Wagenburg .............................................................................. 2

3

2.1

Definition und Charakteristika .................................................................... 2

2.2

Entstehung und Verbreitung des Phänomens ............................................ 3

Theoretische Rahmung und empirisches Design .............................................. 5 3.1

4

5

Humanistische Geographie als Untersuchungsrahmen ............................. 5

3.1.1

Eine kleine Ideengeschichte der Humanistischen Geographie............ 6

3.1.2

Die Unterscheidung von Space und Place .......................................... 7

3.1.3

Das Konzept der Topophilie................................................................ 8

3.2

Festlegung der Analysedimensionen ......................................................... 9

3.3

Empirisches Vorgehen..............................................................................10

Ergebnisse ......................................................................................................12 4.1

Physischer Kontakt ...................................................................................12

4.2

Zeit und Erinnerungen ..............................................................................14

4.3

Praktiken ..................................................................................................17

4.4

Inklusions- und Exklusionsprozesse .........................................................20

4.4.1

Wagenplatzbewohner als Gemeinschaft ............................................20

4.4.2

Wagenplätze als Form politischen Protests .......................................21

Fazit ................................................................................................................24

Literaturverzeichnis .................................................................................................26

Lars Kraehnke 1 Der Wagenplatz als Form der Raumaneignung

1

Einleitung

Wagenplätze, oder wie sie häufig auch bezeichnet werden: Wagenburgen, sind kein neues Phänomen. Bereits seit den 1980er Jahren hat sich das Wohnen in ausrangierten Bau- oder ähnlichen Wagen in Deutschland zu einer eigenständigen und bewusst gewählten Wohnform entwickelt (vgl. Abschnitt 2.2). Spätestens seit den Bambule-Protesten Anfang der 2000er Jahre in Hamburg hat die Debatte um Wagenplätze und deren teilweise gewaltsame Räumung in erheblichem Maße Eingang in die lokale wie auch die überregionale mediale Diskussion gefunden (vgl. unmittelbar zu den Vorfällen in Hamburg: Stadt Hamburg 2002, o. S.; Hamburger Abendblatt 2003, o. S. sowie Frankfurter Allgemeine Zeitung 2002, o. S.). Umso stärker verwundert es, dass das Phänomen von wissenschaftlicher Seite bisher wenig rezipiert worden ist. So ist dem Verfasser der vorliegenden Arbeit, neben einigen wenigen sozialwissenschaftlichen Publikationen, nur eine originär geographische Studie bekannt (vgl. HASSE 2009). Dies ist umso erstaunlicher, da das Thema als Facette des Themenkomplexes „Wohnen“ in enger Verbindung zur Gentrificationforschung steht, die in der internationalen und deutschsprachigen Geographie weithin Beachtung gefunden hat1. Die vorliegende Untersuchung widmet sich dem Erkenntnisgegenstand Wagenplatz daher mit dem Ziel diese Wohnform als bedenkenswerte Alternative in die wissenschaftliche Diskussion einzuführen. Dabei wird eine phänomenologische Position eingenommen. Es soll also versucht werden, die Gründe für das Wohnen auf dem Wagenplatz aus einer lebensweltlichen Perspektive nachzuvollziehen. Mithin werden vor allem die emotionalen Bindungen zwischen Wagenplatzbewohner_Innen und ihrem jeweiligen Wohnort in den Blick genommen sowie die Relevanz der Plätze im täglichen Leben dieser Menschen herausgearbeitet. Im Einzelnen wird dabei wie folgt vorgegangen: Zunächst wird der Versuch einer Definition des Phänomens Wagenplatz unternommen sowie auf dessen zentrale Charakteristika, Entstehungsgeschichte und Verbreitung eingegangen. In einem nächsten Schritt wird die Humanistische Geographie als raumwissenschaftliche Adaption des phänomenologischen Gedankens eingeführt sowie das empirische Vorgehen dargelegt. Der vierte Abschnitt widmet sich der Darstellung der Ergebnisse entlang von vier zuvor herausgearbeiteten Analysedimensionen, bevor die Argumentation im Fazit zusammengefasst wird. 1

Vgl. zur Gentrification die grundlegenden Texte von GLASS 1964 und SMITH 1979 bzw. für die deutschsprachige Geographie die Sammelbände von BLASIUS und DANGSCHAT 1990 sowie FRIEDRICHS und KECSKES 1996

Lars Kraehnke 2 Der Wagenplatz als Form der Raumaneignung

Hinweis: Die vorliegende Arbeit basiert in erster Linie auf qualitativen Interviews mit Bewohner_Innen und ehemaligen Bewohner_Innen von Wagenplätzen in Münster, Bramsche, Köln und Kiel. Da diese Wagenplätze zum großen Teil nicht über einen gesicherten rechtlichen Status verfügen und deren Bewohner_Innen somit zumindest potentiell einem behördlichen Verfolgungsdruck unterliegen, wurden sämtliche Namen durch Pseudonyme ersetzt und die Interviewpassagen so verändert, dass sie real existierenden Personen und Plätzen nicht zugeordnet werden können.

2

Das Phänomen Wagenburg

2.1

Definition und Charakteristika

Dieser Abschnitt muss zunächst mit einer Enttäuschung beginnen: Den Wagenplatz im Sinne einer einheitlichen Definition gibt es nicht! Trotz intensiver und fächerübergreifender Literaturrecherche konnte demnach in der (ohnehin spärlichen) Fachliteratur keine Definition des Begriffes „Wagenplatz“ gefunden werden. Der Umstand des völligen Fehlens definitorischer Kriterien stellt den Verfasser daher vor die Aufgabe die vorliegenden Ausführungen mit der Entwicklung einer eigenen Arbeitsdefinition zu beginnen. Wikipedia, ohnehin wissenschaftlich nicht zitierfähig und damit als Lieferant für eine anschlussfähige Definition nicht verwertbar, bezeichnet einen Wagenplatz als „eine Wohnsiedlung aus mobilen Fahrzeugen, meist Bauwagen“. Dieser Definitionsversuch erscheint jedoch für die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Phänomen aus zwei Gründen nicht geeignet: Erstens sind Fahrzeuge, zumindest potentiell, immer mobil, denn gerade dies kennzeichnet sie als Fahrzeuge. Wenn hier also auf die potentielle Mobilität von Fahrzeugen rekurriert wird, ist dies schlicht eine Doppelung. Versteht man den Definitionsversuch als Rekurs auf eine tatsächlich zu jeder Zeit gegebene Mobilität muss er ebenso scheitern, denn viele der Bauwagen sind durch die Existenz von Anbauten, durch technische Mängel oder durch ihre Lage im physischen Raum des Wagenplatzes gerade nicht zu jeder Zeit vollständig mobil. Zweitens fehlt der Definition ein wichtiges Element. Nach Erfahrung des Verfassers kann das „Phänomen Wagenplatz“ nicht auf physisch-materielle Gegebenheiten

Lars Kraehnke 3 Der Wagenplatz als Form der Raumaneignung reduziert werden. Vielmehr spielen soziale Aspekte eine bedeutsame Rolle. So stellt das Leben in den Strukturen einer Gemeinschaft von Wagenplatzbewohner_Innen eine alternative Form des Wohnens dar. Diese Aspekte jedoch sind es, die im Fokus der vorliegenden Arbeit stehen und daher auch in einer zugrunde liegenden Definition Berücksichtigung finden sollten. Nach Eliminierung der Doppelung und Ergänzung der sozialen Komponente werden Wagenplätze dementsprechend für die vorliegende Arbeit definiert als Ansammlung von Bau- oder ähnlichen Wagen, die mehrheitlich Wohnzwecken dienen und deren Bewohner_Innen gemeinschaftlich einen spezifischen Lebensstil verfolgen. Hinsichtlich ihrer Charakteristika differieren die zahlreichen Wagenplätze stark. So existieren Wagenplätze völlig unterschiedlicher Größenordnungen, von einigen hundert bis zu mehreren tausend Quadratmetern (vgl. amantine 2012, S. 76). Ähnlich verhält es sich mit der rechtlichen Ausgestaltung. Viele Wagenplätze sind als illegale Platzbesetzungen zu beurteilen. Andere haben mündliche Duldungsabsprachen getroffen und wieder andere verfügen ganz offiziell über zeitlich befristete oder langjährige Nutzungs- oder Pachtverträge. Teilweise befinden sich Grundstücke, auf denen sich Wagenplätze angesiedelt haben, sogar im Eigentum der Wagenbewohner_Innen (vgl. ebd.). Unmittelbar an die rechtliche Situation gekoppelt ist die Gefahr der Räumung. Und so lässt sich ein Bedrohungskontinuum feststellen, dass sich, je nach rechtlichem Status, von einer akuten Räumungsgefahr bis hin zu verhältnismäßiger Sicherheit erstrecken kann. Für eine Vielzahl von Plätzen verbleibt indes ein gewisses Risiko, so dass sie durch städtische Neuplanungen zu häufigen Umzügen gezwungen werden können (vgl. ebd.). Erwähnenswert ist, dass die Gemeinschaft der Wagenplatzbewohner_Innen insgesamt sehr gut vernetzt zu sein scheint. Dazu gehört, dass viele Wagenplätze über eigene Websites verfügen und Wagenplatzbewohner_Innen sowie Interessierte über die Internetcommunity www.wagendorf.de miteinander in Kontakt treten können. Ein weiteres Indiz für die gelungene Vernetzung der Szenemitglieder sind regelmäßig stattfindende Wagentage, bei denen Bewohner_Innen verschiedener Wagenplätze zum gegenseitigen Austausch zusammenkommen und aus denen die Zeitschrift „VogelfrAi“ als szeneinternes Kommunikationsorgan hervorgeht (vgl. KROPP 1997, o. S.).

2.2

Entstehung und Verbreitung des Phänomens

Eine Entstehungsgeschichte zu erzählen setzt zwangsläufig voraus eine genau Vorstellung davon zu haben, was man unter dem Gegenstand der Erzählung versteht.

Lars Kraehnke 4 Der Wagenplatz als Form der Raumaneignung Die begrifflichen Grundlagen für das Phänomen Wagenplatz wurden deshalb bereits im vorigen Abschnitt gelegt. Dennoch lassen sich in der historischen Dimension durchaus unterschiedliche Formen und Funktionen von Wagenplätzen unterscheiden. Die Wagenplätze, welche heutzutage in verschiedenen Städten der BRD verortet sind, haben ihren Ursprung dabei in der Hausbesetzungsszene der 1980er Jahre (vgl. amantine 2011, S. 43). Allerdings hat das Leben in Wagen eine deutlich weiter zurückreichende Tradition, in welcher AUGENSTEIN eine „dialektische Einschreibung in das postmoderne Kulturphänomen Wagenburg“ (2007, S. 18) erkennt. In ihrer Materialität lassen sich Wagenplätze – oder deutlicher der synonym verwendete Begriff Wagenburgen – nach AUGENSTEIN (2007, S. 11) auf die mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Wagenburgen zurückführen, welche während der Kriegsführung als militärische Lagerformation und Kampftaktik genutzt wurden. Ebenso benennt er das so genannte fahrende Volk, also Menschen unterschiedlicher Professionen – Schausteller_Innen, Scherenschleifer_Innen, Wanderdirnen etc. – als Vorgänger_Innen der heutigen Wagenplatzbewohner_Innen. In mittelalterlichen Gesellschaften spielten diese eine erhebliche Rolle für das gesellschaftliche Leben, bis mobile Dienstleistungen im Rahmen der gesellschaftlichen und technologischen Transformationen während der Industriellen Revolution fast völlig an Bedeutung verloren. Das Leben in Wagen erlebte einen Bedeutungswandel von der mobilen Wohneinheit fahrender Dienstleister zu einer Notunterkunft industrieller Arbeiter (vgl. ebd., S. 15). Waren Wagen zuvor eher Mittel zum Zweck, um berufliche Mobilität zu gewährleisten oder um als Behelfsbehausung in Zeiten großer Wohnungsknappheit zu dienen, ist das Leben auf Wagenplätzen der Postmoderne durch eine höhere Ortsgebundenheit und die bewusste Wahl für diese Art des Wohnens gekennzeichnet. Ein Großteil der Bewohner steht zwar gesellschaftlichen Praktiken und Entwicklungen kritisch gegenüber, sieht sich laut BUSCH (2005, S. 15) allerdings eher als Teil der sesshaften Gesellschaft, denn als Fahrendes Volk. Für die Entstehung von Wagenplätzen als postmodernes Phänomen spielt ein genealogischer Rekurs insofern eine Rolle, da Bewohner_Innen Zuschreibungen ausgesetzt sind, welche sich auf die historischen Vorbilder beziehen. Dabei spielen insbesondere rassistische Vergleiche mit der ethnischen Minderheit der Sinti und Roma, sowie die Stigmatisierung als kriminell, arm oder schmutzig eine Rolle (vgl. AUGENSTEIN 2007, S. 19 sowie amantine 2011, S. 46). Aufgrund dieses Diskurses, welcher oftmals zu Ausgrenzungen und Verdrängungen der Wagenplatzbewohner_Innen führt, ist es nicht möglich die genaue Verbreitung von Wagenplätzen zu einem bestimmten Zeitpunkt zu ermitteln. Allein aufgrund der

Lars Kraehnke 5 Der Wagenplatz als Form der Raumaneignung unterschiedlichen rechtlichen Verhältnisse können einige Wagenplätze lange bestehen, während andere dauerhaft von einer anstehenden Räumung bedroht sind (vgl. amantine 2011, S. 44). Auch die unterschiedliche Vernetzung und Außendarstellung der Plätze erschwert eine Katalogisierung. Während einige Plätze sehr um Kontakt zu ihrem Umfeld bemüht sind, nutzen Bewohner_Innen anderer Plätze die besondere symbolische Form der ehemaligen Militärtaktik Wagenburg als Mittel der Ausgrenzung und des Protestes (vgl. AUGENSTEIN 2007, S. 18) Während AUGENSTEIN (2007, S. 20) von ca. 160 Plätzen im Jahr 2007 und einer steigenden

Anzahl

ausgeht,

geben

die

Betreiber

des

Onlineportals

www.wagendorf.de im Jahr 2013 eine Anzahl von mindestens 107 Plätzen an und berufen sich dabei auf eine Adresssammlung aus dem Jahr 2011. Auch wenn eine Verortung der Plätze in der BRD aufgrund der mangelnden Datenlage nur sehr grob geschehen kann, stellt AUGENSTEIN (2007, S. 21) eine Ballung in den Städten Berlin und Hamburg fest. In den Neuen Bundesländern findet sich – mit der Ausnahme Berlins – die geringste Dichte an Wagenplätzen (vgl. ebd.).

3

Theoretische Rahmung und empirisches Design

3.1

Humanistische Geographie als Untersuchungsrahmen

Nachdem in den vorangehenden Abschnitten die begrifflichen Grundlagen gelegt sowie eine Einführung in den Untersuchungsgegenstand Wagenplatz gegeben worden ist, wird im Folgenden der theoretische Rahmen für die vorzunehmende Analyse vorgestellt. Es handelt sich dabei gewissermaßen um die „Brille“, durch welche die empirisch erhobenen Aussagen betrachtet und interpretiert werden. Dabei ist es wichtig zu verstehen, dass bestimmte Begriffe, die im deutschen Sprachgebrauch verhältnismäßig unreflektiert verwendet werden, im englischsprachigen Raum mit wissenschaftlichen Konzepten hinterlegt sind. Da im Folgenden stets die konzeptionelle Ebene gemeint ist und eine Fehlinterpretation vermieden werden soll, wird auf eine Übersetzung der Begriffe „Space“, „Place“, „Topophilie/Sense of Place“ und „Home“ verzichtet.

Lars Kraehnke 6 Der Wagenplatz als Form der Raumaneignung 3.1.1 Eine kleine Ideengeschichte der Humanistischen Geographie Bis in die 1970er Jahre bezeichnete der Terminus „Humanistische Geographie“ ein grundsätzlich angewandtes, philanthropisches Geographieverständnis. Teilweise wurde der Begriff auch synonym zum Begriff der Humangeographie verwendet (vgl. SMITH 2009, S. 240 f.). Daneben wurde der Begriff seit Beginn des 20. Jahrhunderts auch in einem engeren Sinne gebraucht, um denjenigen Teil der Geographie zu bezeichnen, der sich nicht nur inhaltlich von der Physischen Geographie unterscheidet, sondern sich auch methodologisch von den Naturwissenschaften abgrenzt. Diese Denkrichtung fand zunächst jedoch wenig Anhänger und konnte der Vormachtstellung der naturwissenschaftlichen Geographie nicht gefährlich werden (vgl. ebd., S. 241). Zwar führten Carl Sauer in den 1940er Jahren und David Lowenthal in den 1960er Jahren die Idee fort, zur selben Zeit setzte sich in der Geographie jedoch ein quantitatives, nomothetisches und in hohem Maße formalisiertes Wissenschaftsverständnis durch (vgl. ebd.). Diese Denkweise wurde in den 1970er Jahren von Humanisten und einigen Marxisten zunehmend kritisiert2, da diese die Gefahr sahen, dass allgemeingültige Sätze als Instrument sozialer Kontrolle und Machtausübung missbraucht werden könnten (vgl. CRANG 1998, S. 101). Die Humanistische Geographie kritisierte dabei insbesondere die Zerlegung von Menschen in einzeln messbare Merkmale. Der Mensch sei demnach aus Sicht der Humanistischen Geographen mehr als die Summe seiner Einzelmerkmale, weshalb eine holistische Sichtweise angebracht sei (vgl. ebd., S. 102). Im Gegensatz zur positivistischen naturwissenschaftlichen Denkweise, in welcher Menschen lediglich passive Elemente darstellen, die sozialen, psychologischen oder ökonomischen Kräften und Rationalitäten unterworfen sind, geht die Humanistische Geographie davon aus, dass Menschen aus Gründen handeln, die auf eigenen Intentionen, Interessen und Werten basieren. Hauptziel der Arbeit Humanistischer Geographen ist es demnach die Weltsicht und die Lebenswelt der untersuchten Subjekte zu verstehen (vgl. SMITH 2009, S. 242 ff.), Menschen also als wissende und fühlende Subjekte und nicht nur als rationale Entscheider unter gegebenen Umweltbedingungen zu begreifen (vgl. CRESSWELL 2009a, S. 172). Damit stellt sich die Humanistische Geographie ganz klar in die Tradition der Phänomenologie Husserls und Heideggers und bildet gewissermaßen deren geographische Adaption.

2

Als berühmteste Vertreter einer solchen, kritischen Denkweise sind für den deutschsprachigen Raum vor allem Marcuse, Horkheimer und Adorno zu nennen

Lars Kraehnke 7 Der Wagenplatz als Form der Raumaneignung 3.1.2 Die Unterscheidung von Space und Place Es wurde bereits angedeutet, dass die Begriffe Space und Place im Gedankengebäude der Humanistischen Geographie eine wichtige Stellung einnehmen. Es war YI-FU TUAN, der mit seinem Paper „Geography, Phenomenology and the Study of Human Nature“ (1971) sowie seinen Büchern „Topophilia“ (1974) und „Space and Place“ (1977) einige der zentralen Schlüsselwerke der Humanistischen Geographie schuf und in diesen die Begriffe Space und Place erstmals mit wissenschaftlichen Konzepten hinterlegte (vgl. CRESSWELL 2009b, S. 499). Space ist dabei zunächst ein Raum, der eine Ausdehnung in Form von Fläche und Volumen aufweist (vgl. CRESSWELL 2004, S. 8). In Unterscheidung zu Place wird Space dabei jedoch als Raum ohne eigene Bedeutung, als bedeutungsleerer Raum verstanden (vgl. ebd., S. 10). Places werden demgegenüber definiert als bestimmte Abschnitte innerhalb der Unendlichkeit des bedeutungsleeren Space: als Zentren von Bedeutung (vgl. CRESSWELL 2009b, S. 500). Ein Place entsteht aus Space, wenn wir einen Ort näher kennenlernen und ihm eine persönliche Bedeutung zuweisen (vgl. TUAN 1977, S. 6). Im Place verbindet sich demnach das Materielle mit dem Emotionalen. Places erhalten ihre Bedeutung dabei oft durch ein beständiges Wachstum an Gefühlen für sie, dass sich über Jahre erstrecken kann (vgl. ebd., S. 33). Durch eine Vielzahl kleiner und einzeln betrachtet wenig bedeutsamer Erlebnisse können über die Zeit starke Empfindungen für einen Ort aufgebaut werden, was ihn zum Place werden lässt (vgl. ebd., S. 143). Auf diese Weise entwickelt sich eine Vertrautheit zum Place, die sich aus dem Gefühl der Sicherheit, aus Erinnerungen an Geräusche, Gerüche oder Aktivitäten sowie aus über die Zeit akkumulierten und mit dem Place verbundenen Freuden speist (vgl. ebd., S. 159). Das bedeutet jedoch nicht, dass Places ausschließlich in der langen Frist entstehen können. Zwar braucht es oft eine gewisse Zeit durch alltägliche Routinen eine Beziehung zum Place aufzubauen, jedoch hat die Intensität des Erfahrens ebenso einen Einfluss, so dass auch aus kurzen Begegnungen eine intensive Verbindung entstehen kann (vgl. ebd., S. 198). Als Zentren von Bedeutung erfüllen Places somit soziale Bedürfnisse. TUAN bezeichnet sie daher auch als „Lagerstätten von Erinnerungen und Träumen“ (1977, S. 164). Als bekanntestes und zugleich bedeutendstes Beispiel für einen Place dient Home (vgl. CRESSWELL 2004, S. 24). Da für diesen Begriff mit Heimat und Zuhause im deutschen

Sprachgebrauch

zwei

Übersetzungen

existieren,

vom

anglo-

amerikanischen Sprachgebrauch jedoch beide, auf unterschiedlichen Maßstabsebenen angesiedelte Übersetzungen umfasst werden, erscheint eine Übersetzung

Lars Kraehnke 8 Der Wagenplatz als Form der Raumaneignung auch hier nicht sinnvoll. Als Home bezeichnen Humanistische Geographen eine Art von Place mit dem Menschen eine besonders tiefe Verbundenheit und Verwurzelung empfinden. Einen intimen Ort. Einen Ort, an dem man sich von der Hektik des Alltags und der Außenwelt zurückziehen und ganz man selbst sein kann. Im Home ist die Erfahrung eines Ortes besonders intensiv (vgl. ebd.). Home kann daher als zentraler Referenzpunkt der menschlichen Existenz bezeichnet werden (vgl. RELPH 1976, S. 20) und ist als solcher nicht ohne weiteres austauschbar (vgl. ebd., S. 39). Die Gefühle, die einem Place beigemessen werden, können jedoch nicht nur individueller, sondern auch kollektiver Natur sein (vgl. CRESSWELL 2009a, S. 169). Betrachtet man Places statt auf der individuellen somit auf einer gesellschaftlichen Ebene, können Places als das Resultat von Praktiken derjenigen, die einen Ort bereits aufgesucht haben, begriffen werden (vgl. CRESSWELL 2004, S. 36). Sie sind dabei niemals komplett, sondern werden beständig „performed“ und dadurch auf einer täglichen Basis produziert und reproduziert (vgl. ebd., S. 37 ff.). Jeder Place verfügt dabei über ein „Inside“, welches ihn vom „Outside“ unterscheidet (vgl. RELPH 1976, S. 22). Der Place wird damit zum Kristallisationspunkt einer Unterscheidung zwischen denjenigen, die dazugehören („Wir“), und denjenigen, für die dies nicht gilt („die Anderen“) (vgl. TUAN 1977, S. 50). Oder anders ausgedrückt: Durch die Verortung von Bedeutungen, Praktiken und Identitäten kommt es zur Konstruktion normativ aufgeladener Places, an denen man „in place“ aber auch „out of place“ sein kann. Es entstehen zwangsläufig Grenzen, die definieren, was angemessen und was unangemessen ist (vgl. CRESSWELL 2009a, S. 173). Places sind demnach gesellschaftlich umkämpft (vgl. CRESSWELL 2004, S. 62) und können damit tendenziell Gegenstand von Raumnutzungskonflikten sein. Ein Fall der in der beobachtbaren Realität häufig zutrifft. Ein gutes Beispiel hierfür liefert die vorliegende Arbeit: Während die Bewohner_innen von Wagenplätzen von Teilen der Mehrheitsgesellschaft und der politisch Verantwortlichen als „out of place“ wahrgenommen und daher vertrieben werden sollten, fühlen sie sich selbst, soviel sei bereits vorweggenommen, als ausgesprochen „in place“. Aus ihrer Sicht werden damit die Verdränger, sobald diese das Areal des Wagenplatzes betreten, zu Menschen „out of place“. 3.1.3 Das Konzept der Topophilie YI-FU TUAN definiert Topophilie als die emotionale Bindung zwischen Menschen und ihren Places (vgl. TUAN 1974, S. 4). Der Begriff bildet dementsprechend eine Art verbindender Klammer zwischen Gefühl und Raum. Es findet dabei stets ein Abgleich zwischen persönlicher und kultureller Identität einerseits und der Identität eines Place andererseits statt (vgl. BUTTIMER 1980, S. 167). Nur wenn diese mitei-

Lars Kraehnke 9 Der Wagenplatz als Form der Raumaneignung nander kompatibel sind, kann sich Topophilie entwickeln. Die entstehenden Gefühle können demgemäß nicht als unmittelbar und ausschließlich durch die Umwelt determiniert angesehen werden. Die Umwelt bietet lediglich Stimuli, die individuell unterschiedlich ausgewertet werden. Für den Außenseiter trostlos erscheinende Orte können für deren Bewohner daher der schönste Ort der Welt sein (vgl. TUAN 1974, S. 113 f.). Hier zeigt sich der starke Kontrast in der Art und Weise wie Insider und Outsider Places wahrnehmen. Zusammenfassend lässt sich Topophilie mit den Worten von YI-FU TUAN als „Love of Place“ (1974, S. 92) beschreiben. Diese Liebe kann unterschiedliche Formen annehmen und hinsichtlich emotionaler Reichweite und Intensität variieren (vgl. ebd., S. 247). Andere Autoren sprechen in diesem Kontext von einem Sense of Place, meinen aber letztendlich das Gleiche: Gefühle und Emotionen, die ein Place weckt (vgl. CRESSWELL 2009a, S. 169).

3.2

Festlegung der Analysedimensionen

Die bereits angeführten klassischen und neueren Werke der Humanistischen Geographie weisen für eine Untersuchung wie die vorliegende einen erheblichen Nachteil auf: Sie alle liefern zwar zahllose Beispiele dafür, was Inklusions- und Exklusionsprozesse

Physischer Kontakt

alles unter dem Begriff des Place

Place Zeit und Erinnerungen

werden

kann, es gelingt ihnen jedoch nicht, diese in einen konsistenten

Praktiken

verstanden

Analyserahmen

zu

überführen, entlang dessen eine wissenschaftliche Unter-

Abb. 1: Analysedimensionen placezentrierter Räumlichkeit (Quelle: Eigene Darstellung 2013).

suchung

aufgebaut

werden

könnte. Ein solcher Rahmen ist für ein empirisches For-

schungsvorhaben jedoch unerlässlich. Um die notwendigen Analysedimensionen zu gewinnen wurde daher wie folgt vorgegangen: Zunächst wurde die vorliegende Literatur zur Humanistischen Geographie erneut gesichtet. Aus dieser wurden alle Beispiele dafür, was einen Place ausmacht, exzerpiert. Diese wurden auf aussagekräftige Schlagworte reduziert, welche sodann lose schriftlich gruppiert wurden. Anschließend wurden die entstandenen Gruppen mit neuen, zusammenfassenden Überschriften versehen, welche erneut gruppiert und zusammengefasst wurden.

Lars Kraehnke 10 Der Wagenplatz als Form der Raumaneignung Durch wiederholte Zusammenfassung und Konzentration auf die am bedeutsamsten erscheinenden Aspekte konnte die Zahl der Kategorien in einem iterativen Prozess auf vier reduziert werden. Diese bilden die (allerdings als Heuristik zu betrachtenden) Analysedimensionen für die vorliegende Arbeit (vgl. Abb. 1).

3.3

Empirisches Vorgehen

Um die gefundenen Analysedimensionen mit Leben, vor allem jedoch mit Wissen zu füllen, wurden leitfadengestützte qualitative Interviews mit sechs aktuellen sowie einem ehemaligen Bauwagenplatzbewohner durchgeführt. Da mit einer qualitativen Erhebungsmethodik „ohnehin keine Repräsentativität angestrebt werden kann [...], muss die Auswahl der Gesprächspartner nicht nach einem Zufallsverfahren erfolgen, sondern sie kann bewusstere und subjektivere Auswahlelemente enthalten“ (REUBER und PFAFFENBACH 2005, S. 150; Hervorhebung im Original). Es geht mithin nicht darum, eine möglichst große Anzahl an Interviews zu führen und statistische Häufigkeitsaussagen zu machen, sondern festzustellen, welches Spektrum an Handlungs- und Denkmustern im Feld vorhanden ist (vgl. ebd.). Aus diesem Grund wurden, soweit die zeitlichen, logistischen und finanziellen Ressourcen dies zuließen, möglichst verschiedene Menschen als Interviewpartner einbezogen. So konnten auf vier verschiedenen Wagenplätzen insgesamt drei weibliche und vier männliche Bewohner_Innen befragt werden, die zudem verschiedensten Altersgruppen und Bildungsniveaus, vom Hilfsarbeiter im handwerklichen Bereich bis zum promovierten Mediziner und Familienvater, zugeordnet werden können. Nicht nur die Wahl der Interviewpartner, sondern auch die Wahl der richtigen Orte kann die Ergebnisses qualitativer Interviews beeinflussen. Der Interviewte sollte sich am gewählten Ort wohl fühlen können. Im Sinne des Abbaus gedanklicher Hürden und Blockaden sollten qualitative Interviews daher, sofern möglich, in einem lebensnahen und für den Befragten alltäglichen Umfeld geführt werden (vgl. ebd., S. 132). Im vorliegenden Fall wurden daher alle Interviews im Bauwagen des / der jeweils Interviewten geführt. Einer der zentralen Vorteile leitfadengestützter Interviews gegenüber standardisierten Interviews oder Fragebögen besteht darin, dass in der relativ offenen Gestaltung der Gesprächssituation die persönlichen Sichtweisen des Befragten besser zur Geltung kommen (vgl. FLICK 2011, S. 194). Die Offenheit der Gesprächssituation kann daher als eines der zentralen Grundprinzipien qualitativer Forschung betrachtet werden, das stets zu gewährleisten ist. Konkret bedeutet dies, dass im Interview der

Lars Kraehnke 11 Der Wagenplatz als Form der Raumaneignung Erzählperson der Raum gegeben werden muss, ihr eigenes Relevanzsystem oder Deutungsmuster zu entfalten (vgl. HELFFERICH 2009, S. 114). Im konkreten Fall wurde daher in besonderem Maße darauf geachtet, Folgefragen und -themen an das zuvor Gesagte anzuknüpfen und mit dem Leitfaden flexibel umzugehen. Die Interviews wurden dementsprechend eher als Gespräch zwischen gleichrangigen Gesprächspartnern denn als Befragung begriffen. Ein letzter anzusprechender Punkt betrifft die Transkription der geführten Interviews. In welchem Umfang diese sinnvoll und notwendig ist, ist jedoch umstritten. So erachten MEUSER und NAGEL eine vollständige Transkription vor allem aus arbeitsökonomischen Gründen als nicht notwendig (vgl. MEUSER und NAGEL 2005, S. 83), wohingegen GLÄSER und LAUDEL dafür plädieren, wenn möglich das ganze Interview zu transkribieren (vgl. GLÄSER und LAUDEL 2006, S. 188). Um eine methodisch nicht kontrollierbare Reduktion von Informationen zu vermeiden und den Forschungsprozess möglichst transparent zu gestalten, wurden im vorliegenden Fall alle Interviews vollständig transkribiert (vgl. Anhänge 2 bis 8). Auf eine Notation mit Berücksichtigung von Sprechpausen, Stimmlagen, Dialekten und sonstigen nonverbalen oder parasprachlichen Elementen wurde hingegen weitestgehend verzichtet, da ein solches Verfahren für die durchgeführte Untersuchung keinerlei zusätzlichen Erkenntnisgewinn versprach und zudem die flüssige Lesbarkeit der erstellten Transkripte deutlich erschwert3. Entsprechende Besonderheiten wurden daher nur an besonders markanten Stellen im Transkript kenntlich gemacht, beispielweise bei sprunghaften Sinnwechseln des Gesagten oder Lachen. Die so entstandenen Transkripte bilden die „neue Realität“ (FLICK 2007, S. 384), die der eigentlichen Analyse durch den Forscher zugeführt wurde. Letztere umfasst die Auflösung der Ursprungsstruktur des gesprochenen Textes und die Neustrukturierung entlang der aus der Theorie heraus entwickelten Kategorien. Dabei wird, entsprechend des phänomenologischen Gedankens, an den subjektiven Bedeutungsstrukturen der einzelnen Menschen angesetzt (vgl. MAYRING 2002, S. 107). Den Kerngedanken bildet dabei die Variation (vgl. ebd., S. 108). Für die vorliegende Arbeit bedeutet dies, dass vor allem die (räumlichen, alters- und bildungsbezogenen) Kontexte variiert wurden. „Was dabei invariant bleibt, gibt Hinweise auf das Wesen des Phänomens“ (ebd.).

3

Zum Für und Wider aufwendiger Notationssysteme in qualitativen Interviews vgl. GLÄSER und LAUDEL 2006, S. 188, MEUSER und NAGEL 2005, S. 83 sowie REUBER und PFAFFENBACH 2005, S. 154.

Lars Kraehnke 12 Der Wagenplatz als Form der Raumaneignung

4

Ergebnisse

Entsprechend der phänomenologischen Verankerung steht vor allem die Wahrnehmung von Wagenplätzen durch deren Bewohner im Vordergrund der vorliegenden Arbeit. Im Folgenden sollen dementsprechend vor allem die Bewohner selbst zu Wort kommen, was sich konsequenterweise in einer hohen Anzahl wörtlich zitierter Interviewpassagen ausdrückt. Die Darstellung der Ergebnisse erfolgt dabei entlang der in Abschnitt 3.2 herausgearbeiteten Analysedimensionen.

4.1

Physischer Kontakt

YI-FU TUAN bezeichnet physischen Kontakt mit einem Place als eine der zentralen Bedingungen dafür, dass sich emotionale Bindungen zwischen Mensch und Place herausbilden können (vgl. TUAN 1974, S. 95 ff.). Im Folgenden geht es also um die Frage, ob und wie sich solche Bindungen zum eigenen Wagen sowie zum jeweiligen Wagenplatz aus physischen Aspekten heraus entwickeln. Einerseits ergeben sich diese Bindungen, wie bei jedem Bewohner jedes Ortes, sei es die eigene Mietwohnung, eine Eigentumswohnung oder gar das eigene Haus im Grünen, auch bei den Bewohnern von Wagenplätzen aus der bloßen physischen Anwesenheit sowie der Nutzung des Ortes als Schlaf-, Aufenthalts- oder wie auch immer geartetem Raum. Darüber hinaus wirken jedoch weitere Kräfte. So betonen alle der Interviewten, dass durch den Do-It-Yourself-Faktor des Wagenlebens eine erhebliche Bindung zum eigenen Wagen und dessen Stellplatz geschaffen wird. Diese kann, wie Lotta betont, aus den dieser besonderen Lebensform innewohnenden Zwängen zur handwerklichen Beschäftigung mit der eigenen Behausung resultieren: Lotta: „Also ich bin auch mit dem konkreten Platz hier, wo ich jetzt wohne, total verbunden. Also durch die ganze Arbeit, die ich – als ich hier eingezogen bin, war das ganze Grundstück Brombeeren und Brennnesseln. Und es gab den Wagen, der ungefähr da stand. Man konnte von hier unten reingehen und vor dem Wagen waren so zwei Meter Platz, wo keine Brombeeren und Brennnesseln waren. Da konnte man einen Grill aufstellen und in die Ecke pinkeln. Wirklich. Genau so war es, weißt Du. Und – also alles, was das jetzt hier ist irgendwie, habe ich halt gemacht.“

Lars Kraehnke 13 Der Wagenplatz als Form der Raumaneignung Ähnlich äußert sich Sebastian, der auf die Frage, ob er an seinem Wagen viel selbst gebaut habe, antwortet: Sebastian: „Ja. Darum habe ich auch zu meinem Wagen so ein ziemlich enges Verhältnis, weil ich habe jedes Fenster selber eingesetzt, selber geschnitten. Ich habe jedes Paneel, das da dran ist, selber angeschraubt und zugesägt.“ Andererseits spielt dabei offenbar jedoch auch die Möglichkeit zur individuellen, den eigenen Vorstellungen angepassten Gestaltung des Lebensraumes eine gewichtige Rolle. In der folgenden Passage, die einem Interview mit Simon entnommen ist, kommt dies zum Ausdruck: Simon: „Du kannst Dir halt alles Mögliche in den Wagen hängen und reinzimmern. Und wenn Du Bock auf irgendetwas verspieltes hast oder so – es macht halt mehr Spaß und Du hast ja so diese Sachen, die Du selber gebaut hast, die hast Du ja immer um Dich herum [...]. Man kann sich so richtig seine Persönlichkeit sage ich mal auf seinen Wagen übertragen. Wie man halt selber gerne wohnen will, das kannst Du dann halt auch verwirklichen.“ Peter verdeutlicht, stellvertretend für mehrere Interviewpartner, dass man als Wagenbewohner unter Umständen sogar eine größere Bindung an sein Zuhause entwickelt, als Bewohner einer Wohnung oder eines WG-Zimmers dies je könnten, und beschreibt, wie der Wagen zu einem Bestandteil der eigenen Identität wird: Peter: „Ja, ich glaube das ist für mich ein ganz entscheidender Grund. Und eben in einem Wagen leben zu können, der über lange Zeit ausgebaut worden, gestaltet worden und einfach ein Stück von einem selbst geworden ist [...]. Und wenn ich mir ein Zimmer in einer WG auf irgendeinem großen Hof oder sowas einrichte, dann kann ich meinen Stuhl, meinen Tisch und mein Bett mitnehmen, aber es ist einfach nicht das Gleiche.“ Auch Sabine stützt diese Argumentation und zieht aus ihrer eigenen Lebenserfahrung heraus den Vergleich zwischen dem Wohnen auf einem Wagenplatz im umgebauten LKW und dem Wohnen in einer WG: Sabine: „[...] [H]ier den LKW habe ich auch komplett selber ausgebaut. Und das verbindet auf jeden Fall stärker mit dem Zuhause. Würde ich schon sagen, ja. Also

Lars Kraehnke 14 Der Wagenplatz als Form der Raumaneignung ich fühle mich hier auf jeden Fall mehr zuhause, als in meinen alten WG-Zimmern zum Beispiel.“ Insgesamt lässt sich damit festhalten, dass der Do-It-Yourself-Faktor, der mit dem Leben im Bauwagen einerseits zwangsweise verbunden ist, andererseits jedoch auch bewusst genutzt wird, um den eigenen Lebensraum den individuellen Wünschen entsprechend zu gestalten, dazu beiträgt, eine Identifikation mit dem eigenen Wagen und damit eine emotionale Bindung zu diesem zu entwickeln, die derjenigen des Bewohners einer Wohnung zumindest ebenbürtig ist. Mehrere Wagenbewohner betonen gar die stärkere Bindung an das eigene Zuhause, die aus diesem Prozess heraus entsteht. Gleiches gilt, wie zahlreiche Interviewpassagen verdeutlichen, für das Verhältnis zum Wagenplatz insgesamt, auf dem ebenfalls in Eigenarbeit und oft in Form kollektiver Zusammenarbeit zahlreiche Projekte umgesetzt werden. Stellvertretend sei hier erneut Peter zitiert, der sagt: Peter: „Ja, ich glaube so ein Bauwagen hat im kleinen Maßstab ganz viel mit Lebensraum gestalten zu tun. Und dann sofort aber, sobald er irgendwo steht in der Gemeinschaft, eben auch ganz viel mit der Gestaltung des Lebensraumes gemeinsam mit diesen Leuten, der Verbindung der einzelnen Wagen und Lebensräume zu einer größeren Einheit, zu einem größeren Lebensraum.“ Aus Sicht der Wagenplatzbewohner können daher sowohl der eigene Wagen, als auch der jeweils bewohnte Wagenplatz als Place im Hinblick auf die Untersuchungsdimension des physischen Kontakts interpretiert werden.

4.2

Zeit und Erinnerungen

Nach TUAN steigert sich die Intensität der Verbindung mit einem Place, je länger diese dauert (vgl. TUAN 1977, S. 31). Er bezeichnet Places als etwas zeitlich stabiles (vgl. ebd., S. 140) beziehungsweise permanentes (vgl. ebd., S. 154). Zeitliche Stabilität und Permanenz können als Gegenteil von hoher Mobilität bezeichnet werden. Der Begriff der Mobilität wurde daher ganz bewusst ins Zentrum dieses Abschnittes gerückt. Lotta schildert ihre bisherige Mobilitätsbiographie wie folgt: Interviewer: „Seit wann wohnst Du denn überhaupt hier?“

Lars Kraehnke 15 Der Wagenplatz als Form der Raumaneignung Lotta: „Ähm, ich bin 1995 eingezogen. Das ist schon richtig lange. Also das war mein erstes Zuhause. Mein erstes eigenes. 17 war ich da. Und habe aber zwischendurch dann mal in der Stadt gewohnt. [...] [U]nd dann bin ich hier in die Schuhfabrik gezogen [die Schuhfabrik ist ein alternatives Kultur- und Wohnzentrum in AStadt; L. K.] und dann noch in zwei andere WG‘s. Und dann aber wieder her.“ Lotta wohnt demnach, mit Unterbrechung, seit 18 Jahren auf demselben Platz. Hinsichtlich der Mobilität auf dem von ihr bewohnten Wagenplatz nimmt sie ebenfalls Stellung: Interviewer: „Was ich mich gefragt habe, als ich so ein bisschen darüber nachgedacht habe über dieses Phänomen Wagenplätze, ist, welche Rolle eigentlich der Faktor Mobilität dabei spielt. Weil so ein Wagen hat ja grundsätzlich Räder. Ich habe mich halt gefragt, ob das eine Rolle spielt.“ Lotta: „Also hier auf dem Platz eigentlich nicht. Also das ist ein fester Wohnplatz hier und es ist relativ schwer hier raufzukommen, weil es recht voll ist. Die Leute sind eher hier, um hier zu bleiben. [...] Und für mich: Früher hätte ich auch gerne mobiler gewohnt, aber mittlerweile bin ich hier auch verwurzelt in der Stadt und ich will eh hier bleiben. Also passt. Nee, spielt eigentlich keine Rolle.“ Peter schildert, angesprochen auf die Frage der Mobilität, wie sich die Mobilität von Wagenplatzbewohnern charakterisieren lässt als etwas, das sich über die Zeit auch verfestigen kann: Interviewer: „Das geht in die Richtung einer Frage, die ich hier auch noch stehen habe und zwar die Frage, welche Rolle eigentlich Mobilität dabei spielt, wenn man im Wagen wohnt. Denn so ein Wagen hat ja Räder im Gegensatz zu einer Wohnung. Spielt das eine Rolle?“ Peter: „Ja. Wobei die wahrscheinlich kleiner ist, als man denkt. Also soweit ich das wahrnehme, finden bei Leuten, die in Wagen wohnen, gar nicht so viele Standortwechsel statt, wie man denken würde. Also ich glaube, dass das wichtigste die Möglichkeit ist. Also dieses Gefühl: Ich könnte hier jederzeit weg. Beziehungsweise positiv formuliert, die Möglichkeit sich die Gruppe, die Lebensgemeinschaft, den Ort zu suchen, wo man sich wohl fühlt. [...] Insofern ist das mit dem Wagen und den Rädern so ein Charakteristikum, was mit den Bewohnern auch zu tun hat und ja, das

Lars Kraehnke 16 Der Wagenplatz als Form der Raumaneignung kann unterschiedliche Auswirkungen haben. Das kann diese Note der Unverbindlichkeit haben, aber es kann auch eben das Gegenteil haben, wenn man nämlich wegen des Wagens letztlich nach ein, zwei Versuchen genau bei dem Projekt ist, wo man hingehört und da ganz, ganz, ganz lange bleibt. Und so, wie Du das ja in AStadt auch wahrgenommen hast, dann womöglich aus dieser ehemals mobilen Geschichte eine Immobilie macht mit allen möglichen Anbauten, bis es dann eigentlich eine größere Hütte oder sogar verzweigt mit Zweit- und Drittwagen ist oder so.“ Auch Sebastian und Tobias erzählen im Interview, wie sie auf den Platz gekommen sind und dass sie seit 17 (Sebastian) bzw. knapp 10 Jahren (Tobias) auf demselben Wagenplatz wohnen. Tobias erläutert im Interview zudem, dass sich im Verlauf dieser Zeit erhebliche Bindungen zu seinem Wagen einerseits („Aber ich hänge schon sehr an dem Wagen. Das ist schon ein Unterschied, ob es jetzt der ist oder ein anderer.“), als andererseits auch zum Platz („Also klar. Ich bin jetzt fast zehn Jahre hier auf dem Platz und das ist natürlich auch eine lange Zeit. Entsprechend verbinde ich halt viel mit dem Platz.“) entwickelt haben. Simon und Sabine wohnen zwar erst seit wenigen Jahren auf ihren Plätzen, sind allerdings auch noch recht jung und erst unmittelbar zuvor aus ihren Elternhäusern ausgezogen. Insofern kann diese Tatsache nicht als Beleg für eine in besonderem Maße erhöhte Mobilität von Wagenplatzbewohnern gewertet werden. Home als Gefühl ist jedoch nicht nur mit der physischen Anwesenheit an einem Ort verbunden, sondern auch mit Erinnerungen und Erlebnissen, die im Kopf mit diesem verknüpft werden. Tobias nimmt explizit dazu Stellung, wie sich aus dem alltäglichen Leben und Erleben von Raum heraus emotionale Bindungen entwickeln: Tobias: „Wie gesagt, ich habe hier viele Jahre schon verbracht so und entsprechend auch viel erlebt. Und das ist ja etwas, was einen schon mit so einem Heimatgefühl verbindet. Das ist genauso, wie wenn ich irgendwie nach Aachen komme irgendwie. Da kommt meine Familie her irgendwie [...]. Also insofern finde ich das schon, dass so Erinnerungen und Erlebnisse ein Gefühl von Zuhause ausmachen.“ Lisa erläutert wie ihr in bestimmten Situationen klar wird, wie sehr sie emotional an ihren Wagen und dessen Platz gebunden ist. Vor allem äußert sich dies in einem Gefühl von Heimweh:

Lars Kraehnke 17 Der Wagenplatz als Form der Raumaneignung Interviewer: „Gibt es in der Zeit, die Du jetzt hier wohnst, gibt es da so bestimmte Ereignisse, die Dich irgendwie mit Deinem Wagen oder mit dem Platz verbinden? Wo Du das Gefühl hast, da hat sich irgendwie so eine Verbindung aufgebaut?“ Lisa: „Hmm, also das letzte Mal, dass ich jetzt die Verbindung so gespürt habe, war tatsächlich vor zwei Wochen, als ich irgendwie – also da war ich in Berlin in der großen Stadt unterwegs. Auch eine längere Zeit. Und hatte irgendwann dieses untrügliche Gefühl von Heimweh. Und das habe ich höchst selten in meinem Leben eigentlich. Dieses Gefühl von: Boah, ich will meinen eigenen Wagen wiederhaben! Und die eigene Tür, die ich zu machen kann und meine Katze, meine Hühner um mich herum und im Grünen draußen sein, ganz anders als Berlin. Das war die letzte deutliche Erinnerung von Verbindung. Ansonsten – ja das ist total gewachsen über die Jahre. Also ich habe mich von Anfang an ziemlich zuhause hier gefühlt, aber so über die Zeit, die ich jetzt hier bin, ist das irgendwie immer mehr. Und ich freue mich jedes Mal, wenn ich hier bin. Ich denke jedes Mal: Das ist genau das Richtige! Und ich fühle mich einfach nur unglaublich wohl hier und unglaublich zuhause und ich will hier nicht weg!“ Insgesamt stellt sich Mobilität aus Sicht der Wagenplatzbewohner_Innen daher als etwas dar, was sich hauptsächlich im Kopf abspielt. Zwar spielt die potentielle Mobilität in der Gedankenwelt der Befragten immer wieder eine Rolle, tatsächlich aber wohnen viele der Interviewpartner schon lange auf dem jeweiligen Platz. Die übrigen sind noch jung und erst vor kurzem aus dem Elternhaus ausgezogen. In der Gesamtschau ergibt sich so ein Bild, in dem, verglichen mit der Biographie des Verfassers und anderen in Wohnungen lebenden Personen aus dessen persönlichem Umfeld, keine erhöhte Mobilität der Wagenlatzbewohner_Innen festgestellt werden kann. Stattdessen präsentieren sich Wagenplätze als Orte, die oft langfristig bewohnt und im Zeitverlauf sukzessive mit Erinnerungen und Emotionen verknüpft werden. Auch im Hinblick auf die Untersuchungsdimension Zeit und Erinnerungen können Wagenplätze demnach als Places beurteilt werden.

4.3

Praktiken

JOHN AGNEW weist darauf hin, dass Places vor allem aus Praktiken gemacht sind (vgl. AGNEW 1987, S. 2). Auch CRESSWELL betont, dass der einem Ort beigemessene Sense of Place in entscheidendem Maße von den dort stattfindenden Praktiken abhängt (vgl. CRESSWELL 2009a, S. 170). Space wird nach dieser Lesart zu Place,

Lars Kraehnke 18 Der Wagenplatz als Form der Raumaneignung indem er genutzt und gelebt wird (vgl. ebd.). Auf die Frage, was das alltägliche Leben auf dem Wagenplatz ausmacht und vom Leben in einer Wohnung unterscheidet, wurden regelmäßig zwei Aspekte genannt: 1. Der Do-It-Yourself-Aspekt. Dieser kann sicherlich als Praktik verstanden werden, wurde jedoch, da es sich um eine Praktik handelt, durch die ein unmittelbarer physischer Kontakt mit dem eigenen Lebensraum hergestellt wird, bereits in Abschnitt 4.1 behandelt. 2. Das Leben in und mit der Natur. Dieser Aspekt des Wagenlebens soll im Folgenden näher betrachtet werden. Lisa berichtet, nachdem sie der von ihrer Schwester vorgebrachten Idee in einen Bauwagen zu ziehen zunächst eher skeptisch gegenüberstand, von ihrem ersten bewussten Besuch des bis heute von ihr bewohnten Wagenplatzes: Lisa: „Ich bin dann hier vorbeigefahren und dachte so: Okay, wenn man auch so im Bauwagen wohnen kann, dann ist das vielleicht doch etwas für mich, weil das war genau das, was ich wollte so. Viele Leute, viele Kinder, viele Hunde, Tiere und mit den Füßen direkt im Gras stehen morgens. Das war mein Traum. Also ich war super begeistert. Gut, ich habe mir den Platz jetzt auch im Frühling angeschaut, wo wirklich alles angefangen hat zu grünen und zu blühen. Das war wunderschön. Ich habe gedacht: Boah, das ist ja das Paradies hier! Also von daher war für mich der Gedanke Wagenburg beziehungsweise Bauwagen ganz eng geknüpft an dieses Gefühl von ich will draußen sein in der Natur und ich will auf dem Land wohnen und mit Leuten zusammen. Und so hat sich das alles dann ergeben.“ An späterer Stelle geht sie noch deutlicher darauf ein, wie sich das alltägliche Leben im Kontakt zur Natur und abseits von materiellem Luxus gestaltet: Lisa: „Also ich schätze auch sehr zum Beispiel für mein Wasser selber verantwortlich zu sein. Ich verbrauche so irrsinnig wenig Wasser. Ich könnte noch viel weniger Wasser verbrauchen. Dadurch, dass ich alleine dafür verantwortlich bin, die scheiß Kanister mit den 20 Litern hier her zu schleppen, ist das noch mal eine ganz andere Verantwortung oder eine ganz andere Motivation. Auch mit dem Strom jetzt im Winter. Ich lade meinen Computer nur alle drei Tage. Gibt es halt weniger Internet. Ja, dann lese ich halt mehr. Also ich mag sehr, sehr, sehr gerne diese an die natürli-

Lars Kraehnke 19 Der Wagenplatz als Form der Raumaneignung chen Gegebenheiten – Wetter, Jahreszeiten – angepasste Lebensweise. Ich weiß nicht, ob das jetzt überhaupt noch in die Frage passt.“ Interviewer: „Ich auch nicht, finde ich aber trotzdem spannend.“ Lisa: „Ich mag diesen Aspekt einfach total gerne und das bringt mich total runter und ich habe das Gefühl, dass ich eine außergewöhnlich hohe Lebensqualität habe dadurch.“ Sabine geht noch einen Schritt weiter und bezeichnet ihr Wohnumfeld sogar als wahren Luxus: Sabine: „Also ich freue mich, wenn ich hier her komme, dann freue ich mich auf meinen Luxus, der anders ist, als Luxus in einer Wohnung oder in einem Haus. Für mich ist einfach – diese Ruhe ist Luxus. Weil, wenn hier um fünf Uhr das Industriegebiet dicht macht, dann ist hier einfach Ruhe. Dann hört man einfach nichts mehr. Und ja, einfach dieses direkte an der Natur dran sein, die frische Luft, mein Ofen, gerade jetzt so im Winter, wenn man irgendwie nach Hause kommt und es ist rattig kalt draußen, dann kommt man rein und der Ofen ist irgendwie an. Das finde ich total schön. Also das hat auch so ein bisschen was romantisch verklärtes vielleicht, aber es ist halt einfach auch nett, so zu leben und einfach auch minimalistischer zu leben.“ Die zitierten Interviewpassagen aus den Gesprächen mit Lisa und Sabine bilden nur zwei Beispiele dafür, wie das Leben in und mit der Natur von den Platzbewohnern wahrgenommen wird. Unzählige Fundstellen aus nahezu allen geführten Interviews ließen sich ergänzen. Insgesamt ergibt sich dabei das Bild, dass das Leben im direkten Kontakt zur Natur und die damit einhergehenden materiellen Entbehrungen keineswegs, wie aus Sicht der Mehrheitsgesellschaft vermutet werden könnte, als Last wahrgenommen werden. Vielmehr ist es gerade dieser Aspekt, den die Befragten in besonderem Maße schätzen und über den offenbar ein Sense of Place vermittelt, mithin Topophilie hergestellt wird.

Lars Kraehnke 20 Der Wagenplatz als Form der Raumaneignung

4.4

Inklusions- und Exklusionsprozesse

4.4.1 Wagenplatzbewohner als Gemeinschaft Sechs der sieben Interviewpartner nennen in Bezug auf die abschließende Aufforderung, die drei aus ihrer Sicht bedeutsamsten Aspekte, die für ein Leben auf dem Wagenplatz sprechen, noch einmal zusammenzufassen, den Aspekt der Gemeinschaft. Sebastian erläutert, wie das Gemeinschaftsgefühl auf einem Wagenplatz durch gemeinsame Erlebnisse und gemeinsamen Kampf gestärkt wird: Sebastian: „[I]ch weiß nicht, ob Du die Vorgeschichte von dem Platz kennst. Also da habe ich noch nicht da gewohnt, aber in Stadtteil X war ja der ursprüngliche Bauwagenplatz, der dann 1994 sehr brutal geräumt wurde. Wo von 40 Wagen 36 mit dem Bagger plattgewalzt wurden. Und ich bin zwei Tage nach dieser Räumung nach CStadt gezogen und habe dann eigentlich sofort Leute vom Platz kennengelernt und habe dann diese Odyssee durch die Stadt noch nicht als Bewohner, aber als Freund mitgemacht und da auch schon viele Leute kennengelernt, aber auch emotional diesen ganzen Stress und die ganze Aufregung und das hier Ankommen alles live miterlebt. Und dann auch die Auseinandersetzung darüber, ob hier bleiben oder ob ein anderes Gelände fordern. Und der ganze Streit dann bis – also wir haben dann ja auch Gerichtsstreite mit der Stadt gehabt und viele Aktionen auch gemacht und so. Ja, das verbindet. Also vor allem aber auch verbindet es mich dann mehr mit Menschen. Also natürlich dann auch auf dem Platz, weil der Platz dann natürlich nicht nur ein Ort ist, sondern eben der Ort ist, wo sich diese Menschen treffen.“ Tobias antwortet auf die Frage, ob man die Bewohner eines Wagenplatzes als Gemeinschaft verstehen kann, wie folgt: Tobias: „Schon. Das schon. Es ist jetzt keine homogene Gruppe. Es ist schon auch eher ein lockerer Verband. Also schon eher Selbstversorger. Wo es dann innerhalb der großen Gruppe wieder Kleingruppen gibt, die dann mehr miteinander zu tun haben. Aber trotzdem gibt es schon so ein Gemeinschaftsgefühl. Wir machen ja auch schon gemeinsame Aktivitäten wie das Plenum. Also ich kenne auch Plätze, wo das Gemeinschaftsgefühl kleiner ist als hier. Und auch umgekehrt. Kenne ich auch. Das ist schon – doch finde ich schon. Doch so ein Gemeinschaftsgefühl gibt es auf jeden Fall.

Lars Kraehnke 21 Der Wagenplatz als Form der Raumaneignung Peter und Tobias hingegen berichten, wie nicht nur innerhalb eines Wagenplatzes, sondern auch platzübergreifend Solidarität gelebt wird: Peter: „Oder wenn eine – wenn Gemeinschaften in Schwierigkeiten sind, bedroht werden von Räumung, dass dann eben sehr schnell von ganz vielen Orten der Republik her innerhalb von Tagen oder Stunden Leute dort auftauchen und sagen: Wir sind auch hier und so einfach soll das nicht gehen!“ Tobias: „Also es gibt schon – klar – irgendwie ein Zusammengehörigkeitsgefühl ein Stück weit unter Wagenmenschen. Ist auch, wenn hier jemand vorbeikommt zu Besuch und er sagt, er kommt von einem anderen Platz, ist es halt eigentlich nie ein Thema sich hier abzuparken oder in einen Gästewagen zu gehen. Bei anderen guckt man sich die Leute dann eher mal genauer an. Sollte man bei Wagenmenschen manchmal auch tun. Aber ich meine das ist ja auch so ein Vorteil der Wagenszene. In den meisten Städten gibt es Wagenplätze und wenn man sagt man kommt von einem anderen Platz, hat man meistens auch eine Unterkunft dann. Für eine Zeit zumindest.“ Die dargestellten Interviewpassagen stellen nur einen kleinen Ausschnitt der Aussagen zur Frage der Gemeinschaft dar. Insgesamt lässt sich zusammenfassend festhalten, dass die Wagenplatzbewohner sich selbst sowohl als Bewohner eines spezifischen Platzes als auch als Wagenbewohner insgesamt als Gemeinschaft begreifen4, wobei Gemeinschaft nicht bedeuten muss, dass man mit jedem jederzeit Kontakt hat oder zusammenarbeitet. Vielmehr geht es den Befragten um die emotionale Seite einer Gemeinschaft, um das Gemeinschaftsgefühl. Nichtsdestotrotz wird auch im praktischen Umgang miteinander Solidarität gelebt und gegenseitige Hilfestellung angeboten. Wie die Zitate von Peter und Tobias zeigen nicht nur platzintern, sondern auch städteübergreifend. 4.4.2 Wagenplätze als Form politischen Protests Die Diskussion um Wagenplätze befasst sich auf Seiten der Mehrheitsgesellschaft vielfach mit der Frage, ob Wagenplätzen ein Existenzrecht zugebilligt werden oder deren Räumung aktiv vorangetrieben werden sollte. Damit ist eine Differenzierung 4

Lediglich eine Bewohnerin vertritt die Ansicht, dass der von ihr bewohnte Platz keine wirkliche Gemeinschaft und kaum Gemeinschaftssinn besitze. Sie bezeichnet dies aber als Kritikpunkt ihrerseits am Platz, würde sich selbst also mehr Gemeinschaft wünschen. Insofern ist das grundsätzliche Interesse an Gemeinschaft und Gemeinschaftsgefühl auch hier vorhanden.

Lars Kraehnke 22 Der Wagenplatz als Form der Raumaneignung angesprochen, die auf theoretisch-konzeptioneller Ebene als ein Charakteristikum von Places genannt wird: Ihre Umkämpfung. Die Vorstellungen davon, was als Home bezeichnet werden kann, differieren zum Teil deutlich. So kann ein Ort, wie bereits ausgeführt, für den einen trostlos erscheinen, für jemand anderen aber der schönste und wichtigste Ort der Welt sein (vgl. TUAN 1974, S. 114). Places fungieren dabei auch als Orte des Widerstands (vgl. CRESSWELL 2004, S. 60 ff.). Im Folgenden steht daher die Frage im Vordergrund, ob und wie Wagenplätze aus Sicht ihrer Bewohner als Form des politischen Protests, mithin als Kampf um Raum und gesellschaftliche Anerkennung bewertet werden. Dabei geht es den Bewohnern, wie Lotta betont, oft weniger darum konkret politische Protestaktionen zu organisieren. Vielmehr wird das Wohnen im Bauwagen grundsätzlich als politische Wohnform und damit als Form politischen Protests angesehen: Interviewer: „Eine Frage, die ich mir noch gestellt habe, ist, ob der Platz eigentlich eine politische Aussagekraft hat. Ob er in irgendeiner Form als eine Art Protest auch gegenüber den herrschenden Zuständen anderswo interpretiert werden kann?“ Lotta: „Da triffst Du ein bisschen einen wunden Punkt. Also auf den Versammlungen ist es so, dass viele sagen: Nein, wir sind total unpolitisch! Wir halten uns aus allem raus, wir äußern uns zu nichts! Und bloß nicht auf uns aufmerksam machen! Wir sind froh, dass wir jetzt hier so sind! Ist ja auch alles nicht so richtig abgesichert. Wir haben keinen Vertrag und so. Aber natürlich hat das politische Aussagekraft. Also ich finde die Wohnform an sich ist natürlich politisch [...].“ Dabei geht es jedoch nicht, wie möglicherweise vermutet werden könnte, ausschließlich darum, gegen Wohnungsknappheit und teure Mieten zu protestieren. Zwar wird sich teilweise explizit auf die Aspekte „Wohnen“ und „Recht auf Stadt“ bezogen, darüber hinaus werden mit dem Wohnen auf dem Wagenplatz jedoch ganz unterschiedliche und vielfältige Formen der Kritik an gesellschaftlichen Strukturen und Prozessen geübt: Simon: „Also für mich ist das auf jeden Fall ein Protest gegen die gesamtgesellschaftliche Situation. So zu zeigen: Ich habe keinen Bock auf Euch! Ich habe keinen Bock auf diesen spießbürgerlichen Kack, diese oberflächlichen Gespräche, diesen Mist, den man sich jeden Tag anhören muss auf der Arbeit oder sonst wo, im Su-

Lars Kraehnke 23 Der Wagenplatz als Form der Raumaneignung permarkt. Und man nimmt das alles auch anders war. Zum Beispiel seit ich auf dem Wagenplatz wohne – auch vorher schon ein bisschen, aber jetzt mit dem Wagenplatz verbunden – finde ich es halt immer krass, wenn man so in so Einkaufszentren oder so in so riesige Konsumtempel rein stolpert und Du denkst Dir so: Fuck, was ist das hier? Wozu? Und man sieht einfach nur die Leute die kaufen, kaufen, kaufen wollen. Haben, haben, haben. Und Du denkst Dir dann einfach nur so: Ey, wozu? Du brauchst das doch gar nicht. Denk doch mal nach!“ Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass diese Interpretation des Lebens auf dem Wagenplatz als Form von Gesellschaftskritik nicht universell übertragbar ist. So betont Peter im Interview, dass es keineswegs Ziel des von ihm begründeten Wagenplatzes in B-Stadt gewesen sei, andere in ihrer Lebensweise zu kritisieren. Vielmehr gehe es darum in einer Art geschütztem Raum so leben zu können, wie man sich selbst dies wünsche (vgl. Interviewtranskript Peter, S. 9). Hinsichtlich der von außen vielfach thematisierten Konflikte mit Anwohnern nimmt Lotta in der folgenden Passage Stellung: Interviewer: Dann noch einen Punkt, wo wir gerade so ein bisschen bei Problemlösungen und Konflikten sind. Und zwar, wie das eigentlich gegenüber Außenstehenden aussieht. Also gibt es irgendwie Konflikte mit Außenstehenden, also mit Grundstückseigentümern oder irgendwie mit der Stadt oder Behörden? Lotta: Gab es früher viel. Aber dann gab es halt so ein großes Treffen. Und da sind wir mehr ins Gespräch gekommen auch mit den Nachbar_Innen und haben dann halt mit dem Sprecher_Innen-Rat, dafür wurde der ursprünglich nämlich mal gebildet, dass man von außen einen Ansprechpartner hat hier auf dem Platz. Und die Nachbarn und Nachbarinnen haben dann alle unsere Telefonnummer bekommen. Also die Telefonnummer von so einem Menschen – ähh drei Menschen glaube ich waren das damals – die dann halt ansprechbar sind, damit nicht immer gleich zu den Bullen gerannt werden muss. Früher lief alles über die Polizei. Und früher war es auch jugendgefährdender Ort – also früher gab es eine Menge Stress. Ist vorbei. Also quasi Null. Ich weiß nicht ob – vielleicht ärgert sich noch mal jemand über den Rauch aus einem Schornstein, wenn ein Mensch gerade da Wäsche auf dem Balkon trocknen will da hinten irgendwo, aber – also kriege ich nicht mit. Ja, Sommerfest. Oh ja. Heute Nacht kommen – nein Samstagnacht kommen dann vielleicht mal wieder die Bullen wegen Lautstärke und so. Das könnte passieren. Aber wir sind da ziemlich bemüht, dass das nicht passiert, so. Machen auch nicht oft Veranstaltun-

Lars Kraehnke 24 Der Wagenplatz als Form der Raumaneignung gen deswegen. Um die nicht zu sehr zu nerven. Und das funktioniert eigentlich, glaube ich, ganz gut. Ja.“ Darin zeigt sich, dass durchaus ein Bemühen erkennbar ist, die Bedürfnisse und Wünsche der Anwohner auf ein ruhiges Wohnumfeld zu respektieren und weitestgehend auf diese einzugehen. Indem das genannte Sommerfest öffentlich zugänglich ist, sich sogar explizit an externe Besucher wendet, wird einer zu starken Abschottung der Bewohnerschaft vom Rest der Gesellschaft entgegengewirkt. Es erfolgt eine bewusste Öffnung nach außen. Eine Praxis, die den persönlichen Erfahrungen des Verfassers entsprechend auch von anderen Wagenplätzen durchaus bewusst genutzt wird. Ebenso verhält es sich mit dem bereits näher ausgeführten Punkt der Rücksichtnahme. Auch hier ergibt sich ein einheitliches, wagenplatzübergreifendes Bild dergestalt, dass im Rahmen der Rationalitäten und der Spezifika der gewählten Wohnform versucht wird, soweit wie möglich Rücksicht auf die Belange der in Wohnungen oder Häusern wohnenden Anwohner zu nehmen.

5

Fazit

In der vorliegenden Arbeit ging es darum, eine Wohnform, die aus der Perspektive einer städtischen Mehrheitsgesellschaft und im medialen Diskurs vielfach mit Konflikten um Raum assoziiert und teilweise für diese verantwortlich gemacht wird, aus einer lebensweltlichen Perspektive, vor allem jedoch aus der Perspektive der Bewohner nachzuzeichnen. Dabei stand die Frage im Vordergrund, inwiefern die Orte, an denen sich diese Wohnform lokalisiert, von ihren Bewohnern als Places im Sinne der Humanistischen Geographie angesehen, mithin mit Bedeutungen aufgeladen werden. Es konnte gezeigt werden, dass insbesondere der Do-It-Yourself-Faktor des Wagenlebens, der sich in besonderem Maße auf die eigene Behausung bezieht, zu einem erhöhten Sense of Place führt. Mobilität, von Außenstehenden oft als zentrales Charakteristikum der Wohnform „Wagenplatz“ angesehen, spielt in der Praxis des Wagenlebens hingegen eine geringere Rolle als üblicherweise angenommen. Stattdessen präsentieren sich Wagenplätze als Orte, die oft langfristig bewohnt und im Zeitverlauf sukzessive mit Erinnerungen und Emotionen verknüpft werden. Auch im Hinblick auf die Untersuchungsdimension Zeit und Erinnerungen können Wa-

Lars Kraehnke 25 Der Wagenplatz als Form der Raumaneignung genplätze demnach als Places beurteilt werden. In Bezug auf die Untersuchungsdimension Praktiken, wurde die Besonderheit des Lebens in und mit der Natur aufgegriffen. Insgesamt ergibt sich dabei das Bild, dass das Leben im direkten Kontakt zur Natur und die damit einhergehenden materiellen Entbehrungen keineswegs, wie aus Sicht der Mehrheitsgesellschaft vermutet werden könnte, als Last wahrgenommen werden. Vielmehr ist es gerade dieser Aspekt, den die Befragten in besonderem Maße schätzen und über den offenbar ein Sense of Place vermittelt, mithin Topophilie hergestellt wird. In einem vierten und letzten Schritt wurden Inklusionsund Exklusionsprozesse im Zusammenhang mit Wagenplätzen untersucht. Dabei konnte herausgearbeitet werden, dass die Wagenbewohner sich sowohl innerhalb der Grenzen ihres jeweiligen Platzes als auch platzübergreifend als Gemeinschaft verstehen. Im praktischen Umgang miteinander wird dabei ein erhebliches Maß an Solidarität gelebt und Hilfeleistung angeboten, wenn diese benötigt wird. Zwar fungieren Wagenplätze aus der Sicht ihrer Bewohner durchaus als lokalisierte Form politischen Protest und das in vielerlei Hinsicht, jedoch wird versucht den unmittelbaren Anwohnern dabei mit Respekt zu begegnen und, soweit die Rationalitäten und Spezifika der Wohnform es zulassen, Rücksicht auf deren Vorstellungen eines angenehmen Wohnumfeldes zu nehmen. Lässt man die vorliegende Arbeit an dieser Stelle noch einmal Revue passieren, so stellt man fest, dass Wagenplätze die Knotenpunkte im Leben ihrer Bewohner bilden, an denen Emotionen und Praktiken im sozialen Austausch zusammenlaufen, oder anders ausgedrückt: an denen ein bedeutender Teil des alltäglichen Lebens geführt wird. TUAN bezeichnet Home als „a unit of space organized mentally and materially to satisfy a people’s real and perceived basic biosocial needs” (TUAN 1991, S. 102). Im Hinblick auf diese Definition und die herausgearbeiteten Charakteristika der untersuchten Wagenplätze lassen sich diese aus der Perspektive ihrer Bewohner als Home und damit als Musterbeispiel eines Place begreifen. Als solcher sind sie mit einem enormen Maß an Topophilie versehen und, um mit den Worten von EDWARD RELPH zu schließen, „nichts, was irgendwo sein könnte oder austauschbar wäre. Home ist vielmehr ein unersetzbares Zentrum von Bedeutung“ (RELPH 1976, S. 39). Die städtischen Planungsinstanzen täten gut daran dies zu verinnerlichen, bevor vorschnell über die Mitglieder der Wagenszene geurteilt oder über deren Vertreibung entschieden wird.

Lars Kraehnke 26 Der Wagenplatz als Form der Raumaneignung

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Lars Kraehnke 28 Der Wagenplatz als Form der Raumaneignung MEUSER, M. und U. NAGEL (2005): ExpertInneninterviews – vielfach erprobt, wenig bedacht. Ein Beitrag zur qualitativen Methodendiskussion. In: BOGNER, A., LITTIG, B. und W. MENZ (Hrsg.) (2005): Das Experteninterview. Theorie, Methode, Anwendung. 2. Auflage. Wiesbaden, S. 71-93. RELPH, E. (1976): Place and Placelessness. London. REUBER, P. und C. PFAFFENBACH (2005): Methoden der empirischen Humangeographie. Beobachtung und Befragung. Braunschweig ( = Das Geographische Seminar 22). SMITH, J. M. (2009): Humanism/Humanistic Geography. In: KITCHIN, R. und N. THRIFT (Hrsg.) (2009): International Encyclopedia of Human Geography. Oxford, S. 239-250. SMITH, N. (1979): Toward a Theory of Gentrification. A Back to the City Movement by Capital, not People. In: Journal of the American Planning Association 45, Heft 4, S. 538-548. Stadt Hamburg (2002): „Bambule“. Solidaritätsbewegung für Bauwagenplatz wird zur „Anti-Schill-Kampagne“. Online unter: http://www.hamburg.de/innenbehoerde/ archiv/231788/bambule-solibewegung-fuer-bauwagenplatz-artikel.html

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am 09.11.2013). TUAN, Y.-F. (1971): Geography, Phenomenology, and the Study of Human Nature. In: The Canadian Geographer 15, Heft 3, S. 181-192. TUAN, Y.-F. (1974): Topophilia. A Study of Environmental Perception, Attitudes, and Values. Englewood Cliffs. TUAN, Y.-F. (1977): Space and Place. The Perspective of Experience. London. TUAN, Y. F. (1991): A View of Geography. In: Geographical Review 81, Heft 1, S. 99-107.

Anhänge  Anhang 1: Interviewleitfaden

 Anhang 2: Interviewtranskript Lotta

 Anhang 3: Interviewtranskript Peter

 Anhang 4: Interviewtranskript Sebastian  Anhang 5: Interviewtranskript Tobias  Anhang 6: Interviewtranskript Simon  Anhang 7: Interviewtranskript Lisa

 Anhang 8: Interviewtranskript Sabine

 Anhang 9: Erklärung zur selbstständigen Erarbeitung

Anhang 1 1 Interviewleitfaden Anhang 1: Interviewleitfaden

Einleitung: Narrativer Teil Seit wann wohnst Du hier und wie bist Du damals auf den Platz bzw. mit dem Thema Wagenplätze in Kontakt gekommen? Erzähl doch mal!

Fragenblock 1: Physischer Kontakt 



Schildere doch einfach mal Deinen typischen Tagesablauf! Was unterscheidet sich daran von jemandem, der in einer Wohnung wohnt? Hast Du hier viel selbst gebaut? Verbindet einen das mit seinem Wagen?

Fragenblock 2: Zeit und Erinnerungen 

 

Gibt es bestimmte Ereignisse oder Erinnerungen, die Du mit dem Platz hier oder mit Deinem Wagen verbindest? Welche? Welche Gefühle kommen Dir als erstes in den Sinn, wenn Du an den Platz hier denkst? Ist der Platz hier für Dich ein Zuhause und wenn ja, was macht ihn dazu? o

Zuhause = mehr als die bauliche Dimension bzw. die eigenen vier Wände?

o

Idee dahinter: Mögliche Argumentation bei einer potentiellen Räumung: Es ist ja egal, wo die stehen, ein Bauwagen(platz) ist ja eh kein richtiges Zuhause!

Fragenblock 3: Praktiken    

Was findet typischerweise an Aktivitäten auf dem Platz statt? Wird hier auch gearbeitet? Besitzt der Platz eine politische Aussagekraft? Geht diese über ein wohnungspolitisches Statement hinaus? Wagen besitzen Räder! Welche Rolle spielt Mobilität für Dich?

Anhang 1 2 Interviewleitfaden Fragenblock 4: Inklusions- und Exklusionsprozesse 

  

Was bedeutet Gemeinschaft für Dich? Bilden die Platzbewohner eine solche? Gibt es auch Probleme zwischen den Platzbewohnern? Wie werden diese gelöst? Gibt es Konflikte mit Außenstehenden, zum Beispiel dem Grundstückseigentümer, den Nachbarn oder der Stadt? Wie geht man mit diesen um? Grenzt man sich als Wagenplatzbewohner ein Stück weit auch bewusst von anderen Menschen ab, die nicht im Wagen wohnen? Was sind die Gründe dafür?

Zusammenfassung: Welches sind für Dich die drei wichtigsten Gründe, sich für ein Leben auf dem Wagenplatz zu entscheiden?

Vielen Dank für das Gespräch!

Anhang 2 1 Interviewtranskript Lotta Anhang 2: Interviewtranskript Lotta Interviewer: Lars Kraehnke (abgekürzt: I) Interviewte Person: Lotta (abgekürzt: L) Ort: A-Stadt Datum: 14.08.2013 Dauer: 29 Minuten und 19 Sekunden

I: Als erstes habe ich mir aufgeschrieben, vielleicht als kleinen Einstieg, ob Du vielleicht einfach mal Lust hast ein bisschen was von Deinem typischen Tagesablauf zu erzählen und zu erzählen, was sich darin unterscheidet oder ob sich daran etwas unterscheidet von jemandem, der in der Stadt in einer Wohnung wohnt? L: Hmm, also so richtig so einen typischen einen Tagesablauf rund ums Jahr habe ich eigentlich gar nicht so richtig. Also ich bin Studentin und dann gibt es – also klar, in der Studienzeit natürlich habe ich dann da einen normalen Studierendenablauf, aber in der Zeit dazwischen – keine Ahnung, jetzt ist Praktikum, dann reise ich mal und so. Das unterscheidet sich dann immer ziemlich. Hmm, ich stehe nicht so sehr gerne sehr früh auf (lacht!). Wenns geht vermeide ich das. Aber naja, wenn die Vorlesung um acht anfängt, was soll ich machen. Oder wenn ich jetzt um sieben beim Praktikum sein muss. Hmm, was anders ist – also dadurch, dass ich nicht zur Miete wohne und selber für den Zustand meiner Behausung zuständig bin, bin ich schon öfter mit Instandhaltungsarbeiten beschäftigt. Und viel mit dem Garten, wie Du Dir denken kannst. Also ich stehe halt auf Garten und mache da dann halt auch relativ viel. Und das merke ich schon, dass das deutlich Zeit in Anspruch nimmt, die andere Leute dann nicht so brauchen dafür. Und auch die Sachen, wie Wasser holen mit dem Kanister zu Fuß. Ähm, wenn ich duschen will, dann springe ich nicht einfach darunter, sondern ich mache mir erst einen Kessel Wasser heiß und hole eine Gießkanne Regenwasser von draußen und mische das dann in dem Eimer zusammen und... also das ist dann immer so eine viertel Stunde, zwanzig Minuten bis ich dann anfangen kann zu duschen. Also ich brauche mehr Zeit für alle möglichen Arbeiten, aber dafür wohne ich halt günstig und zahle keine Miete. Das ist sozusagen der Deal.

Anhang 2 2 Interviewtranskript Lotta I: Ja, okay. Du hattest das eben auch schon so ein bisschen angedeutet, dass habe ich hier nämlich auch noch draufstehen... Du hast ja wahrscheinlich relativ viel selbst gebaut hier, oder? L: Ja. Alles ungefähr. Mit Freunden. Also außer die Blechhüllen der Bauwagen natürlich, aber ja. I: Wie macht Ihr das? Macht Ihr das dann zusammen, oder... ? L: Ja. Das war einfach mit Freunden. Der Eine war gerade arbeitslos und der Andere ist selbstständig und hatte einfach Bock und hat gesagt: ‚Okay ich nehme mir jetzt Zeit ein paar Wochen und wir bauen einfach zusammen.‘ So war das. Und ich war damals kurz vor meiner Ausbildung und hatte gerade noch Zeit. Und dann fing aber die Ausbildung an und es war nicht fertig (lacht!). Und dann hat es sich ziemlich hingezogen. I: Hast Du vor dem Studium schon eine Ausbildung gemacht, oder was? L: Ja. Ich bin Gärtnerin. I: Ahh, okay. Deswegen auch die Gartenaffinität. L: Ja, genau. Jetzt nur noch als Hobby. Sehr gut. Ich habe danach auch erst mein Abi gemacht und dann studiert. Also ich hatte gar kein Abitur vorher. I: Ja, nicht schlecht. Seit wann wohnst Du denn überhaupt hier? L: Ähm, ich bin 1995 eingezogen. Das ist schon richtig lange. Also das war mein erstes Zuhause. Mein erstes eigenes. 17 war ich da. Und habe aber zwischendurch dann mal in der Stadt gewohnt. Also irgendwann hatte ich kein Bock mehr hier alleine – ich hatte Bock auf WG, ich hatte Bock auf mehr Sachen zusammen machen, weil es zunehmend einzelner wurde hier. Alle hatten so ihren Kram und weniger Zeit bei anderen mitzumachen und irgendwie – und dann bin ich hier in die Schuhfabrik gezogen [die Schuhfabrik ist ein alternatives Kultur- und Wohnzentrum in A-Stadt; L.K.] und dann noch in zwei andere WG's. Und dann aber wieder her. I: Hast Du das dann doch vermisst?

Anhang 2 3 Interviewtranskript Lotta

L: Also Stadtwohnung ist eigentlich nicht mein Ding. Das ist geil, wenn mir keiner auf dem Kopf rumtrampelt, ich habe hier meine Ruhe, ich kann es machen, wie ich es möchte. Was ich will, wie ich es will. Klar muss ich mich auch mit meinen Nachbarn und Nachbarinnen arrangieren, aber das ist ja nicht ganz so eng einfach. Und einen Garten haben ist einfach total wichtig für mich. Auch wenn es im Winter natürlich etwas schwieriger ist hier. Aber den Rest des Jahres ist es einfach geil. I: Ähm, irgendetwas lag mir gerade auf der Zunge, aber jetzt weiß ich es nicht mehr. Ach ja. Was ich mich gefragt habe, als ich so ein bisschen darüber nachgedacht habe über dieses Phänomen Wagenplätze ist, welche Rolle eigentlich der Faktor Mobilität dabei spielt? Weil so ein Wagen hat ja grundsätzlich Räder. Ich habe mich halt gefragt, ob das eine Rolle spielt. L: Also hier auf dem Platz eigentlich nicht. Also das ist ein fester Wohnplatz hier und es ist relativ schwer hier raufzukommen, weil es recht voll ist und die Leute sind eher hier, um hier zu bleiben. Oben auf dem Parkplatz hast Du eine Frau mit einem LKW gesehen. Die hat hier vorher fest gewohnt und die wollte mobiler sein. Und darum wohnt sie jetzt in einem LKW und steht dann halt doof auf dem Parkplatz, weil wir mal beschlossen haben, dass wir keine Autos auf dem Gelände haben wollen, weil sich früher, als das alles noch ein bisschen anders war hier – das war alles etwas wilder – wurden sich Schrottautos, Wohnmobile und so geholt und wurde darin gehaust und dann hauten die Leute ab und man saß mit dem Dreck zu. Und die haben dann rumgeölt und so. Und deswegen haben wir irgendwann beschlossen, dass wir das nicht wollen. Also ist absolut kein mobiler Platz hier. Was auch finde ich eigentlich nicht mehr so ganz passt mittlerweile. So, wie es hier ist, könnte man es auch anders machen und einfach Regelungen finden. Also früher gab es einfach nicht die Möglichkeit Absprachen zu machen. Das war einfach ein wilder Haufen. So, und das ist einfach anders gewachsen mittlerweile, da könnte man nochmal drüber reden. Und für mich – früher hätte ich auch gerne mobiler gewohnt, aber mittlerweile bin ich hier auch verwurzelt in der Stadt und ich will eh hier bleiben. Also passt. Nee, spielt eigentlich keine Rolle. I: Okay. Wenn Du sagst verwurzelt, gibt es dann irgendwie bestimmte Ereignisse oder Erinnerungen, Erlebnisse oder so, die Du mit dem Platz hier speziell verbindest?

Anhang 2 4 Interviewtranskript Lotta L: Klar. Einen Haufen. Klar. Total viel. Also, ja. Ich bin auch ganz viel geworden hier. Also durch den Hausbau zum Beispiel. Durch – also vorher habe ich anderen Leuten beim Häuser bauen geholfen hier. Dadurch habe ich dann die Sachen gelernt, so dass ich überhaupt in der Lage war selber zu bauen. Und auch die Gärtnerausbildung ist im Endeffekt zustande gekommen, weil ich hier auf dem Platz war und hier versucht habe Sachen zu machen und dann gemerkt habe: ‚Oh, das macht mir voll Spaß. Ich habe Bock da mehr zu machen.‘ Und dann auch über den Platz die Connection gekriegt für den ersten Job da in dem Bereich. Im Garten- und Landschaftsbau. Und darüber dann die Ausbildung gemacht. Also ja, tierische Verknüpfung von meinem Leben und dem Platz. Auf jeden Fall. I: Das ist auch etwas, was mich halt interessiert hat, ob man da vielleicht eine stärkere Bindung oder zumindest eine gleichstarke Bindung aufbaut, wie jemand anderes zu seiner Wohnung, in der er schon ewig wohnt. Weil, wenn man die politischen und Mediendiskurse betrachtet, dann heißt es ja auch oft ‚der Bauwagenplatz soll geräumt werden‘. Die Leute würden ja aber nie auf die Idee kommen, irgendwie mich aus meiner Wohnung zu räumen oder sowas. Und das finde ich interessant, dass da ein Unterschied gemacht wird. L: Ja, stimmt. Also ich bin auch mit dem konkreten Platz hier, wo ich jetzt wohne, total verbunden. Also durch die ganze Arbeit, die ich – als ich hier eingezogen bin, war das ganze Grundstück Brombeeren und Brennnesseln. Und es gab den Wagen der ungefähr da stand. Man konnte von hier unten reingehen und vor dem Wagen waren so zwei Meter Platz, wo keine Brombeeren und Brennnesseln waren. Da konnte man einen Grill aufstellen und in die Ecke pinkeln. Wirklich. Genau so war es, weißt Du. Und – also alles, was das jetzt hier ist irgendwie, habe ich halt gemacht. Da steckt schon einfach viel Arbeit drin auch und also klar – ist mir total wichtig. Das habe ich am Anfang auch nicht so bedacht beim Haus bauen. Dass mich das auch an den Platz ziemlich bindet. Das habe ich dann im Nachhinein erst gemerkt, dass es schwerer wird sich vorzustellen abzuhauen, wegzugehen. I: Wobei das ja nichts schlechtes sein muss, oder? L: Naja. Eine Zeit lang fand ich das schon auch schwierig. Mittlerweile jetzt finde ich es gut. Also, durch die Erfahrungen, die ich mittlerweile gemacht habe. Viel auch in Deutschland unterwegs gewesen für irgendwelche Treffen, weil ich da in so einer bundesweiten Gruppe war und so. Ist total toll, ist total aufregend, man sieht viel,

Anhang 2 5 Interviewtranskript Lotta aber irgendwann war ich dann an dem Punkt, dass ich dachte: ‚Ja, ist schön hier, aber zuhause ist es viel besser.‘ So das war für mich dann auch ziemlich beeindruckend, weil ich eigentlich immer noch mal weg wollte. Und das ist jetzt irgendwie vorbei. Ich bin angekommen hier. I: Ja, das klingt spannend auf jeden Fall. Ähm, jetzt habe ich hier noch auf meinem Zettel den Punkt ‚Praktiken‘ stehen. Also was passiert hier eigentlich so. Als erste Frage habe ich hier stehen, was eigentlich an alltäglichen und nicht-alltäglichen Aktivitäten auf dem Platz stattfindet. Das geht natürlich auch ein bisschen einher mit dem, was wir eingangs hatten, so dem Tagesablauf und so. L: Naja, allgemein auf dem Platz sieht es schon ein bisschen anders aus. Also es sind schon einige Leute hier, die auch keine Beschäftigung für Geld haben. Und daraus resultiert oder kann ja auch resultieren, dass sie mehr auf dem Platz machen. Das ist nicht unbedingt so, dass nur die das sind, aber ja. Und Platzaktivitäten – ja, das Gemeinschaftshaus hat fast immer geöffnet. Also Montags ist zu und Sonntags ist – wenn jemand was macht, ist was. Das ist so offen. Und es gibt unser Sommerfest und es gibt einmal die Woche eine VoKü [Abkürzung für Volksküche. Es wird gemeinsam gekocht und jeder, auch von außerhalb, darf kommen und wird versorgt; L.K.], wo Leute halt zum Markt gehen und Gemüse schnorren und andere Leute hier kochen. Das ist übrigens heute. Deswegen muss ich auch gleich kochen gehen. Genau. Und da kommen dann eben auch Leute von außerhalb dazu. Also, das ist nicht nur so nur platzintern. Also die Kneipenabende schon meistens, aber zur VoKü kommen auch Leute aus der Stadt. Das sind so die wichtigsten Aktivitäten würde ich sagen. Dann gibt es natürlich die Plenas, die einfach einberufen werden, wenn jemand meint, es muss mal eines geben. Gegen feste Termine wird sich da sehr geweigert. Zum Leidwesen der Leute, die auch sonst einiges auf dem Zettel haben (lacht!). Also ja, es wird dann halt ein Zettel aufgehängt und drei Wochen später oder so ist dann halt das Treffen. So Sonntags 17 Uhr, das haben wir soweit ganz klar, dass das irgendwie so das Beste ist. Und sonst gibt es manchmal, keine Ahnung, Geburtstagsfeiern, die öffentlich sind. Hier von Leuten vom Platz. Wir haben halt so eine Kommunikationswand im Wasserhaus, wo dann ausgehängt wird, wenn irgendwas besonderes los ist. So. das sind eigentlich so die Aktivitäten hier. Ja und dann gibt es so Kleinkram, wie ich mache hier den Winterstreudienst am Weg für Postboten und Müllleute, was dann delegiert wird an andere, wenn ich nicht da bin oder so. Das wird dann bezahlt aus der Gemeinschaftskasse, Geld genommen für das Streugut.

Anhang 2 6 Interviewtranskript Lotta

I: Und die Arbeiten habt ihr dann so ein bisschen aufgeteilt, oder was? L: Ja. Ja. Entweder jemand kommt darauf, dass es irgendwas zu tun gibt und sagt: ‚Hier, mache ich!‘ oder dann haben wir so ein bisschen Posten. Also es gibt einen Kassenwart/Kassenwartin und es gibt eine Sprecher_Innen-Gruppe für platzintern und für nach außen. So Kommunikationssachen. Wenn es hier Probleme gibt, kann man mit denen reden. So ein bisschen mentorenmäßig auch. Ja, und einer ist dafür zuständig die Wasserflasche im Wasserhaus zu wechseln im Winter – ähh die Gasflasche, damit es nicht einfriert und halt lauter so kleine Jobs, die man so gar nicht richtig überblickt. Die einfach dann auch gemacht werden ohne dass da irgendwer groß hinterherrennt. I: Eine Frage, die ich mir noch gestellt habe, ist, ob der Platz eigentlich eine politische Aussagekraft hat. Ob er in irgendeiner Form als eine Art Protest auch gegenüber den herrschenden Zuständen anderswo interpretiert werden kann. L: Da triffst Du ein bisschen einen wunden Punkt. Also auf den Versammlungen ist es so, dass viele sagen: ‚Nein, wir sind total unpolitisch! Wir halten uns aus allem raus, wir äußern uns zu nichts. Und bloß nicht auf uns aufmerksam machen. Wir sind froh, dass wir jetzt hier so sind.‘ Ist ja auch alles nicht so richtig abgesichert. Wir haben keinen Vertrag und so. Aber natürlich hat das politische Aussagekraft. Also ich finde die Wohnform an sich ist natürlich politisch und fast alle stehen dahinter, dass sie ökologischer wohnen wollen, als es in Wohnungen der Fall ist. Die Allermeisten finden es gut, dass es keine Klos gibt, in denen die Scheiße mit Trinkwasser weggespült wird, dass wir nicht am Stromnetz hängen und unseren Strom selber machen. Wobei es hier auch Leute gibt, die halt mit Stromgeneratoren dann Strom machen, also so mit Benzin. Das ist dann auch nicht besser. Aber die Allermeisten haben schon Solar oder es wird halt auch sich eingeschränkt dann mit dem Strom einfach. Also, Solar ist jetzt halt mehr geworden, seit es günstiger ist, aber früher gab es halt auch Solar und naja. Da oben steht noch meine Petroleumlampe. 60 Watt. Das war die totale Innovation irgendwann mal vor – keine Ahnung – zehn Jahren oder so. Juhuu, endlich keine Kerzen mehr! Helles Licht machen können! Ich finde viel mehr Leute sollten die Möglichkeit haben so leben zu dürfen. Also ich finde es scheiße, dass es so super eingeschränkt ist und dass das nur so wenige können. Ich meine viele – unter den Zuständen hier jetzt mit überhaupt keine festen Zuund Ableitungen haben, das wollen dann viele auch nicht. Aber keine Ahnung, woh-

Anhang 2 7 Interviewtranskript Lotta nen in Schrebergärten oder so. Darüber wäre ja total viel möglich auch. Das sich Gemeinschaften zusammenschließen können und dann irgendwelche Sachen machen können oder so. Mir ist das oft zu reglementiert hier. Ja. Also, ich kann mir schwer vorstellen anders zu wohnen. Also, es müsste schon ein kleines Haus sein dann. Also Mietwohnung ist bei mir total durch. Vor allem seit der Letzten. Ich hatte am Ende eine Zweier-WG und der Vermieter hat uns dermaßen abgezogen hinterher. Das war unglaublich teuer und nervig die ganze Zeit und Schimmelbude und ahhhhh... (An dieser Stelle wurde aus rechtlichen Gründen ein Teil herausgenommen, bei dem es um die Person des Vermieters und dessen Namen ging) I: Ähhm, genau. Dann habe ich als letzten großen Oberpunkt hier nochmal etwas, das habe ich als Inklusions- und Exklusionsprozesse betitelt. Da wollte ich so ein bisschen darauf hinaus, auf die Frage, was eigentlich Gemeinschaft für Dich bedeutet und ob Du die Platzbewohnerschaft als eine Gemeinschaft bezeichnen würdest. L: Also, hmm. Allein schon, weil wir hier zusammen Entscheidungen fällen für den gesamten Platz würde ich uns als Gemeinschaft bezeichnen. Das muss nicht heißen, dass ich jetzt mit jedem einzelnen im Alltag so besonders viel zu tun habe. Und natürlich hat man Leute mit denen man besser kann und mit denen man weniger kann. Und es gibt hier so Cliquenbildung auch und so. Ja, ähh – wie ging es weiter? I: Ähh, was Gemeinschaft für Dich bedeutet und ob die Platzbewohner eine bilden? L: Ja. I: Du hattest da aber eben noch einen anderen Punkt angesprochen, den ich auch hier noch mit drunter habe. Und zwar, wie überhaupt Probleme zwischen den Bewohnern oder unterschiedliche Meinungen, Abstimmungen und so weiter – wie sowas gelöst wird? L: Naja, gewünscht ist ja, dass das auf dem Plenum diskutiert wird oder halt im kleineren Kreis. Clique oder Nachbar / Nachbarin dazu ziehen, wenn es Probleme gibt. Das ist eigentlich immer so das Erste. Oder halt den Sprecher_Innen-Rat. Also es wird eigentlich versucht das mit reden zu lösen. Manche können das nicht gut. Dann gibt es auch mal Stress, klar. Ja, es gibt schon den einen oder anderen – so einen

Anhang 2 8 Interviewtranskript Lotta Cholerikermenschen, der dann auch mal fiese Drohungen ausspricht und total eskaliert und so. Wo man das nachher dann alles wieder ins Lot bringen muss und so. Wie es halt anderswo auch sein kann im Endeffekt. Und wir wohnen halt dicht zusammen. I: Dann noch einen Punkt, wo wir gerade so ein bisschen bei Problemlösungen und Konflikten sind. Und zwar, wie das eigentlich gegenüber Außenstehenden aussieht. Also gibt es irgendwie Konflikte mit Außenstehenden, also mit Grundstückseigentümern oder irgendwie mit der Stadt oder Behörden? L: Gab es früher viel. Aber dann gab es halt so ein großes Treffen. Und da sind wir mehr ins Gespräch gekommen auch mit den Nachbar_Innen und haben dann halt mit dem Sprecher_Innen-Rat, dafür wurde der ursprünglich nämlich mal gebildet, dass man von außen einen Ansprechpartner hat hier auf dem Platz. Und die Nachbarn und Nachbarinnen haben dann alle unsere Telefonnummer bekommen. Also die Telefonnummer von so einem Menschen – ähh drei Menschen glaube ich waren das damals – die dann halt ansprechbar sind, damit nicht immer gleich zu den Bullen gerannt werden muss. Früher lief das alles über die Polizei. Und früher war es auch jugendgefährdender Ort und – also früher gab es eine Menge Stress. Ist vorbei. Also quasi null. Ich weiß nicht, ob – vielleicht ärgert sich noch mal jemand über den Rauch aus einem Schornstein, wenn ein Mensch gerade da Wäsche auf dem Balkon trocknen will da hinten irgendwo, aber – also kriege ich nicht mit. Ja, Sommerfest. Oh ja. Heute Nacht kommen – nein Samstagnacht kommen dann vielleicht mal wieder die Bullen wegen Lautstärke und so. Das könnte passieren. Aber wir sind da ziemlich bemüht, dass das nicht passiert, so. Machen auch nicht oft Veranstaltungen deswegen. Um die nicht zu sehr zu nerven. Und das funktioniert eigentlich, glaube ich, ganz gut. Ja. I: Und dann hat man ja auch eine Absprache mit der Stadt gefunden, oder? L: Genau. Und dadurch ist ja eigentlich auch vieles erst gewachsen, was es vorher nicht gab, als es hier noch illegaler war. Also habe ich ja vorhin schon erzählt. Es ist viel ordentlicher geworden, es wird sich viel mehr Mühe gegeben, die Gemeinschaft ist mehr zusammengewachsen, es gab – gibt die Plenas seitdem. Nein, nicht seitdem, quatsch. Eigentlich schon vorher. Ja, als wir uns entschlossen haben halt mit der Stadt in Dialog zu treten und uns für uns einzusetzen sozusagen. Da fing das dann an mit Plenas. Genau, ja. Aber ich bin mir nicht sicher, ob es sich so weiter-

Anhang 2 9 Interviewtranskript Lotta entwickelt hätte, wenn wir nicht so halbwegs legalisiert worden wären. Also das hat für das Leben hier viel gemacht. Und ich glaube nicht, dass ich noch da wäre, wenn es noch so wäre wie 95, 98. Das wäre mir mittlerweile zu kaputt. Also, das hat sich schon sehr verändert hier. Wir sind ziemlich gewachsen. I: Dann habe ich als Frage noch so ein bisschen die bewusste Abgrenzung. Also: Grenzt man sich als Wagenplatzbewohner auch ein Stück weit ganz bewusst von Anderen ab, die nicht auf dem Platz wohnen? L: Hmm, das ist sehr personenabhängig würde ich sagen. Ich mich früher schon. Mittlerweile nicht unbedingt. Also mir ist natürlich klar, dass ich hier in einer besonderen Wohnform lebe und mich interessiert auch, wie die anderen Leute leben, und öfter kommt man mal ins Gespräch darüber, wie das denn so ist, oder so. Aber eigentlich – nein, ich habe Bock so zu leben. Ist mir egal, wie die anderen Leben eigentlich. Also nein. Hänge ich jetzt auch nicht an die große Glocke. Wenn das Gespräch darauf kommt, ist es okay, aber so erstmal – nein. I: Okay, dann habe ich als allerletzte Frage, die das vielleicht alles ein bisschen zusammenfasst, mir die Frage aufgeschrieben, welches eigentlich für Dich die drei wichtigsten Gründe sind sich für ein Leben auf dem Wagenplatz zu entscheiden? L: Hmm. Also erstmal, dass man hier selbstbestimmter leben kann und dass man auch die Möglichkeit hat seine Kreativität auszuleben, was in einer Wohnung ja immer sehr beschränkt ist. Für mich persönlich ist auch wichtig das mit der Natur leben. Also ziemlich draußen einfach. Dann ist sicher für viele ein Argument die Sache mit dem Geld, was für mich auch immer phasenweise mal wieder ziemlich gut war. Also ich musste halt nicht immer unbedingt einen Job haben. Oder einen Job mit viel Geld. Ich konnte mir auch mal überlegen: okay, ich lebe jetzt von 300 Euro im Monat und das passt auch. Naja, gerade so eben. Ja, jetzt sind wir bei zwei. Ja, da bin ich eigentlich schon wieder bei der Natur. Also ich finde es total gut, dass ich hier so ressourcenschonend leben kann. Das ist für mich wichtig. Ja und eigentlich dann noch Punkt vier: Also Gemeinschaft ist auch wichtig. Also ich meine, weil – ich wohne hier halt irgendwie alleine so. Ich habe meine Küche, muss mich da nicht absprechen mit anderen, was einigermaßen geht, manchmal aber auch – naja, ich habe ja in verschiedenen WG's gewohnt – auch mal anstrengend sein kann. Trotzdem finde ich es gut, dass so viele Leute in der Nähe sind auch. Dass ich hier einfach mal in die Kneipe gehen kann, dass ich immer Nachbarn fragen kann, wenn

Anhang 2 10 Interviewtranskript Lotta irgendetwas ist und dass man sich gegenseitig hilft und ich weiß, wo ich mir die Kabeltrommel leihen kann oder die Wasweißichspezialsäge oder irgendwie so. Ja, das ist auch wichtig. Ja. I: Ja, das war es. Ich fand es auf jeden Fall sehr interessant mich mit Dir zu unterhalten. Vielen Dank nochmal, dass Du da mitgemacht hast.

Anhang 3 1 Interviewtranskript Peter Anhang 3: Interviewtranskript Peter Interviewer: Lars Kraehnke (abgekürzt: I) Interviewte Person: Peter (abgekürzt: P) Ort: B-Stadt Datum: 24.08.2013 Dauer: 1 Stunde, 18 Minuten und 25 Sekunden

I: Die anderen Interviewpartner hatte ich immer als erstes gefragt, wie sie eigentlich auf den Platz gekommen sind. Bei Dir ist es ja ein bisschen anders. Du hast das ja maßgeblich mit initiiert. Vielleicht kannst Du dann mal kurz erzählen, wie das Projekt eigentlich entstanden ist und sich dann im Laufe der Zeit entwickelt hat. P: Ja, ich denke der Anstoß, wie das Projekt entstanden ist, war ja im Prinzip mein Bedürfnis etwas wiederzufinden oder wieder entstehen zu lassen, was wir damals hinter uns gelassen haben, als wir aus dem Bauwagen ausgezogen sind, mit dem wir da in Mecklenburg gestanden hatten. Das war damals zwar kein geschlossenes Projekt, sondern mehr ein Sammelsurium aus zehn, zwölf Familien, die über drei, vier Dörfer verteilt waren, wo aber doch sehr viel Gemeinsames möglich war. Und ja, wir mussten dann damals wegen der Ausbildung von dort weg und damals war es schwer überhaupt einen Ausbildungsplatz zu finden und wir haben dann den Einzigen, der sich angeboten hatte, genommen und dort halt eine kleine Wohnung gemietet. Und unser erstes Kind war da auch schon unterwegs, das heißt wir sind im Prinzip aus dem Leben im Bauwagen beziehungsweise in diesem bewohnten Feuerwehr-LKW unter Freunden, unter vernetzten Freunden in die Isolation von einer Eineinhalb-Zimmer-Wohnung in einem hässlichen toten Vorhof – ähh, Vorort von Frankfurt gezogen. Und vom Lebensrhythmus dann eben auch in die 70, 80 Stunden-Woche beziehungsweise der andere Partner dann jeweils zuhause mit dem Kind, später mit zwei Kindern. Da haben wir dann zwar jeweils gewechselt, jeweils der Eine seine Ausbildung weitergemacht, der andere mit den Kindern zuhause, aber es war halt wirklich Vater, Mutter, Kind und überhaupt nichts von Gemeinschaft und schon gar nicht von Entwicklungsmöglichkeiten, weil wir mit den Leuten, mit denen das möglich gewesen wäre, gar keinen Kontakt hatten, da, wo wir gewohnt hatten, nichts davon möglich war und auch durch die extrem hohe Arbeitsbelastung dann zeitlich gar nicht möglich gewesen wäre da noch Kontakte zu pflegen. Das heißt, das hat mir alles dann sehr stark gefehlt, also der Lebensrhythmus,

Anhang 3 2 Interviewtranskript Peter den wir da hatten, war über lange Zeit so ziemlich das Gegenteil von dem, was ich eigentlich für mich wollte. Und als wir dann irgendwann soweit waren, dass wir erstens mal halbzeit arbeiten konnten, zweitens mal ungefähr wussten, wo wir bleiben wollen, weil ich dann inzwischen hier in B-Stadt die Praxis übernommen hatte, da haben wir dann irgendwann einmal gesagt: Gut, wir wollen etwas anders wohnen. Haben uns nach einem Resthof umgeguckt, weil das eigentlich eher unser Anliegen war einen Resthof zu finden und den dann gestalten zu können mit anderen Leuten. Den gab es hier in der Gegend nicht. Jedenfalls nicht so, das wäre halt wenn, dann so weit abgelegen gewesen, dass wir das nicht gewollt hätten. Wir wollten, dass die Kinder auf jeden Fall mit dem Fahrrad die Stadt und ihre Freunde erreichen können. Dann haben wir also dieses Stück Land hier gekauft und bebaut, wo zumindest unser Bauwagen dann wieder drauf konnte. Den haben wir dann wiedergeholt. Der war in den Jahren davor von... den hatten wir nie verkauft, sondern immer nur Leuten überlassen, die in einem Bauwagen wohnen wollten. Und dann haben wir den irgendwann hierher zurück geholt und hatten uns eben auch vorgestellt, dass dieses Grundstück mit dem Bauwagen dann vielleicht auch wieder so ein bisschen der Anfang von dem sein könnte, wie wir damals gewohnt haben. Und darum haben wir dann eben auch im Wagendorf.de dann inseriert, dass wer will diesen Bauwagen bewohnen könnte und schon auch mit dem Gedanken, dass daraus vielleicht ein Wagenplatz oder ein Projekt werden könnte. Und das war eigentlich der Anfang von dem. Also dieses Gefühl uns fehlt etwas, was wir früher mal hatten, was ganz, ganz – über viele Jahre so weit weg war, dass wir wirklich in einer anderen Welt gewohnt haben und vor allen Dingen mir das ganz, ganz schwer gefallen ist so zu leben. Und es war halt ein ganz intensives Bedürfnis, das muss irgendwann mal wieder zurück in mein Leben finden. Guck und hier mit dem Grundstück und dem Anfang, dass unser Bauwagen von jemand anderem bewohnt wurde, damit hat das dann im Prinzip als Keimzelle angefangen. Ich hatte dann – ja, das war von 2006 an dieses – diese Anzeige im Wagendorf: Wer will, soll sich doch melden und vielleicht wird was daraus. Ja, nun ist B-Stadt nicht die Metropole. Es gibt als nächste Stadt E-Stadt, das – kaum einer weiß, was E-Stadt überhaupt ist, also es sind dann allenfalls Leute, die hier aus der Gegend sind dann aufgetaucht, die Interesse daran hatten. Am Anfang jedenfalls. Und das hat dann bis 2009 gedauert, bis dann Leute hier aufgetaucht sind, wo wir das Gefühl hatten: ‚Hey, mit denen könnte es was werden!‘ Also wir haben ganz viele schräge Gestalten hier gehabt, wo wir dachten: Nee, mit denen wollen wir das gar nicht starten. Das ist auch so ein ganz wichtiges Thema: Mit was für Leuten beginnt ein Projekt. Was ist überhaupt beabsichtigt. Es gibt ja ganz viele Möglichkeiten, wie man eine Lebensgemeinschaft gestalten kann, was für Lebens-

Anhang 3 3 Interviewtranskript Peter absichten da sind, was einer dort möchte, was einer in so einer Lebensgemeinschaft erleben möchte und was nicht. Und ganz und gar ohne Wertung muss man sagen, es gibt Lebensentwürfe, die passen nicht zusammen. Und es gibt auch Charaktere, die einfach nicht zusammenpassen, aber die können jeweils in einem anderen Projekt diejenigen sein, die das Projekt am Leben erhalten und überhaupt ausmachen. Wo dann so jemand wie ich ganz und gar nicht dazu passen würde. Und ja, wir haben halt so bestimmte Ideen besprochen, wenn jemand hier her gekommen ist. Was will ich? Was möchte ich erleben? Und es hat also relativ lange gedauert. 2009 ist dann erst Sarah hier aufgetaucht. Die hatte einen Studienplatz in EStadt und suchte halt so in der Gegend von E-Stadt was. Und hat sich dann, nachdem sie hier war und sagte: ‚Ja, kann ich mir vorstellen. Will ich.‘ und wo wir auch dachten mit der könnten wir echt gut zusammen leben, dann hat die sich erst mal zuhause, wo sie herkam, einen Bauwagen gekauft, ausgebaut, hat eine zweite Etage drauf gesetzt, und ist dann Ende 2009 hier her gekommen mit dem Wagen. Und relativ bald danach kam dann Christian dazu, der hatte in – ich weiß gar nicht mehr genau – in Itzehoe glaube ich irgendwo sich einen Wagen ausgebaut, einen 8 Meter Wagen, während er dort auf einem Projekt – so einem Arbeitsprojekt mit behinderten Jugendlichen glaube ich war das – da hatte er nebenher sich diesen Wagen ausgebaut. Ihm war aber klar, er wollte da nicht bleiben und hat dann auf diese Anzeige eben auch sich gemeldet, ist hier gewesen und wir haben auch von Anfang an gedacht: ‚Hey, das ist einer, der auch klare Ziele im Kopf hat, weiß, was er will, auch anpackt, etwas entwickeln will.‘ Das waren dann die beiden, mit denen das Ganze sozusagen gestartet ist. Wo man sagen kann, ab dann war es ein Projekt einer Gruppe. Wie die beiden dann mit dabei waren. Aber ursprünglich war es einfach nur ein Bedürfnis: Ich will so nicht weiterleben! Und mit dem Grundstück und der Wiese dahinter eben eine Möglichkeit. Also so ein Bedürfnis und eine Möglichkeit. Das ist so irgendwie der Anfang. I: Gibt es denn bestimmte Ereignisse oder Erinnerungen, die Du immer wieder im Kopf hast, wenn Du an den Ort hier denkst irgendwie? Die Du quasi vor Deinem inneren Auge mit dem Ort verknüpfst? P: Auf jeden Fall. Also, es gab im Prinzip eine Zeit, als hier die meisten Leute – also als das Projekt sozusagen in voller Blüte stand – wo hier sehr, sehr viel passiert ist, wo viele interessante Menschen auch immer wieder hier her gekommen sind, die sonst nie hier her kommen würden, wenn es nicht diese Gemeinschaft gegeben hätte. Wo Ideen realisiert worden sind, umgesetzt worden sind, die man alleine und

Anhang 3 4 Interviewtranskript Peter auch mit zwei, drei Leuten überhaupt nicht – ja, weder umsetzen kann, aber noch nicht mal sich trauen würde sich vorzunehmen. Also gar nicht daran denken würde. Im Frühjahr 2012 – nein 2011 – im Frühjahr 2011 waren hier halt ich glaube elf, zwölf Leute, die hier gewohnt haben und wir hatten hier ein – die Permakultur Sommerakademie haben wir es genannt. Also das war ein Projekt, das über zwei Wochen ging, wo Leute aus ganz Deutschland und sogar aus Österreich und Norddeutschland, also aus wirklich unheimlich verschiedenen Ecken der Republik hier her gekommen sind und haben zwei Wochen lang miteinander Dinge umgesetzt. Also einen Lehmofen gebaut, eine Kräuterspirale gebaut, ein Windrad angefangen zu bauen, eine Hängemattenlandschaft. Es war so das Gefühl alles ist möglich, was wir haben wollen, wir müssen es nur machen und hier ist der Ort an dem es gemacht werden kann, weil die Leute beieinander sind, weil der Platz dafür da ist und einfach die Power und der Schwung. Also dieses Gefühl, egal, was man sich wünscht, wenn man mit den richtigen Leuten beieinander ist, kann man es machen. Das ist ja ein unheimlich intensives Gefühl, was im Umkehrschluss ja auch die Frustration der meisten Menschen so ausmacht, nicht so leben zu können, wie sie wollen, vorenthalten zu kriegen, was sie eigentlich möchten oder: ‚Ja, würde ich ja gerne, aber geht ja nicht.‘ Und hier war so dieses Gefühl: ‚Natürlich geht es! Such Dir die Leute, mit denen Du das machen willst und tue es!‘ Und das ist schon ein ganz, ganz, ganz intensives Gefühl, was ich mit diesem Projekt verbinde. Was also im Prinzip seinen Gipfel wirklich in diesen zwei, drei Wochen hatte, wo hier so viele Leute waren und sich alle im Prinzip auch ruck zuck so gefühlt haben, als würden sie sich schon ewig kennen. Also eine sehr schnelle, sehr rasche, sehr intensive Vertrautheit unter den Leuten. Auch eine Identifikation hier mit dem Projekt. Also es sind ja auch Leute hier geblieben, die eben eigentlich nur zu dieser Sommerakademie gekommen waren, und denen es so schwer gefallen ist, hier wieder weg zu fahren, dass sie am Ende hier her gezogen sind. Und ja, also das ist bestimmt ein ganz starkes – ein ganz starker Gedanke, den ich immer damit verbinde. Letztlich ja auch so ein bisschen das, was ich gesucht hatte, nur viel mehr als das, was ich gesucht hatte. Also ich hatte schon das Bedürfnis mit Leuten zusammen zu leben, mit denen man Dinge umsetzen kann, die einem wichtig sind, aber ich hätte nie... ich hätte das nie so intensiv formuliert, wie es dann geworden ist. I: Du hattest eben diesen Satzteil benutzt: „etwas machen“ oder „man kann ganz viel machen“ oder auch „ganz viel selber machen und selber schaffen“. Das heißt Ihr habt ja an Euren Wagen wahrscheinlich auch sehr viel selbst gebaut. Verbindet einen das auch ein Stück weit mit seinem Wagen oder mit dem Ort?

Anhang 3 5 Interviewtranskript Peter

P: Ja, auf jeden Fall. Ich glaube schon auch, dass die Leute, die in einem Wagen wohnen, eines verbindet, nämlich das Bedürfnis seinen Wohnraum so zu gestalten, wie man ihn selber haben möchte. Und wenn man nicht unheimlich viel Geld hat, ist das anders als mit einem Bauwagen kaum möglich in einem Wohnraum zu wohnen, der genau so ist, wie man ihn haben möchte. Zudem ja, wenn man in einem Alter oder in einer Lebensphase oder in einer – hmm, ja in einer Lebensphase ist, in der man sehr viel in Bewegung ist, wo man also gar nicht vor hat sich festzulegen, wo man bleibt, ist das ja auch ein bisschen blöd, wenn man also ständig von A nach B nach C zieht und jeweils dort unpersönlich erst mal wohnen muss. Also in den Räumen, wie sie einem gerade zur Verfügung gestellt werden oder wo man als Gast ist. Einen eigenen Bauwagen zu bauen hat ja eben auch genau diese Möglichkeit, dass alles, was man da rein investiert an Herzblut, an Gestaltung und an Freiheit sich seinen Wohnraum zu gestalten, dass man das eben mitnehmen kann. Also auf jeden Fall ist das so, dass das sehr stark verbindet. Also bei uns war das ja auch so intensiv, dass wir – wir haben ja nur zweieinhalb Jahre in diesem Wagen gewohnt – wie wir weggezogen sind war ganz klar, dass wir den nicht verkaufen. Das der nie verkauft wird, auch wenn wir überhaupt keine Ahnung hatten, wo es uns mal hin verschlägt. Und es hat ja glaube ich zwölf Jahre gedauert, bis wir dann ein Grundstück hatten, wo er hin konnte und in diesen zwölf Jahren haben ganz viele Leute, die den genutzt haben nach uns, immer wieder gefragt, ob wir den nicht auch verkaufen würden. Und wir haben gesagt: ‚Nein, der wird nicht verkauft. Du kannst darin wohnen so lange Du willst. Wenn wir ihn irgendwann mal brauchen, melden wir uns rechtzeitig, dass Du die Möglichkeit hast, Dir was neues zu suchen, aber der wird nicht verkauft.‘ Und das war schon auch, als wir dann hier dann ja eben das Grundstück hatten, das Haus gebaut haben, hat ja schon ganz intensiv noch etwas gefehlt. Es war zwar ein Grundstück, was groß und schön ist und wir hatten es versucht so zu gestalten, wie wir uns unseren Resthof vorgestellt hätten, aber es hat schon auch dieses Flair oder diese Möglichkeiten gefehlt, die mit dem Bauwagen verbunden sind. Und wir haben ihn dann ja letztlich zurückgeholt, damit diese Facette wieder in unser Leben kommt. Also die ursprüngliche Absicht war erst mal nur der soll da stehen und soll uns daran erinnern, was wir mal hatten, damit wir das nicht vergessen und damit wir das auch wieder in unser jetziges Leben holen. Also es war schon ein bewusstes wieder her holen von etwas, was uns gefehlt hat. Also der war die ganze Zeit schon auch noch ganz intensiv in Erinnerung dieser Wagen, auch wenn er weit weg war. Ja, und dann ist er ja letztlich auch – hat er ja diese Rolle auch gekriegt, eben dass jemand ihn wieder bewohnt und dass dieses mit

Anhang 3 6 Interviewtranskript Peter anderen Leuten zusammen sein, die noch nicht genau wissen, wo das Leben sie hinträgt, aber die vorübergehend erst mal in einem Wagen da wohnen, wo sie jetzt sind und mit denen man das starten kann wozu man Lust hat. I: Gibt es denn auch so spezifische alltägliche Aktivitäten, die jetzt für das Leben auf einem Wagenplatz oder in einem Wagen charakteristisch sind? Die das vielleicht auch unterscheiden, das Leben im Wagen, gegenüber dem Leben in einer Mietwohnung zum Beispiel? P: Hmm, weiß ich nicht. Das hängt sicherlich – ich glaube das hängt eher davon ab, wer in einem Wagen wohnt. Es gibt Konstellationen, wo Leute in Wagen wohnen und wo sich kaum etwas unterscheidet von demjenigen, der in einem Projekt im Wagen wohnt und denjenigen, die in dem gleichen Projekt im Haus wohnen, das jetzt mal so – innerhalb eines Projektes kann sich das fast null unterscheiden. Aber ich glaube das geht auch noch weiter, ich glaube es gibt auch Leute, die ihren Wagen genauso nutzen, wie jemand anderes sein Zimmer in einer Mietwohnung oder in einer Wohngemeinschaft. Nee, ich glaube so richtig charakteristisch, dass man sagen könnte das trifft für alle Wagenbewohner zu, kann man nichts formulieren. Und wenn man jetzt sagt: ‚Okay, also vielleicht nicht für alle Wagenbewohner, aber für die meisten oder irgendwie‘, dann wird es aber schon wieder schwierig, weil ich kenne ja nur begrenzt viele Projekte und Leute, die in Wagen gewohnt haben. Ich kann es höchstens für mich sagen. Was für mich den entscheidenden Unterschied ausmacht, das ist die Tatsache, dass man in einem Wagen sich das ganz, ganz stark individuell gestalten kann. Das hatten wir ja vorhin schon besprochen. Aber obwohl das dann immer so das ganz intensive, persönliche traute Heim ist: ein Wagen ist halt nicht mehr als 16 Quadratmeter. Und man will nicht den ganzen Tag da drin sitzen und es findet viel mehr draußen statt. Also, wenn man in einem Wagen wohnt in einer Gemeinschaft, ist die Wahrscheinlichkeit, dass man nicht die ganze Zeit in seinem Zimmer hockt viel größer. Man tritt halt eben nach außen, zumal man ja für jeden Pipi-Gang nach draußen muss. Und für jedes bisschen, egal wo man hin will, geht man erst mal raus auf das Grundstück, auf den Platz und ist in der Regel dann auch für alle sichtbar und wird angesprochen oder spricht andere an. Also ich glaube schon, dass es – dass man, wenn man in einem Wagen wohnt, viel eher mit den anderen in einer Gemeinschaft in Kontakt tritt, als wenn man in einem ich sage mal großen Haus sein Zimmer irgendwo hat, wo man dann also vielleicht sich gemeinsam zum Essen irgendwo trifft oder so. Also so habe ich es jedenfalls erlebt. Wenn ich im Wagen bin, bin ich mehr draußen.

Anhang 3 7 Interviewtranskript Peter I: Das heißt aber, wenn ich nochmal auf die Sichtbarkeit zurückkomme, dass Du schon die Bewohner eines Wagenplatzes als eine Gemeinschaft sehen würdest? P: Ja, muss ja nicht. Muss nicht. Also es gibt ja ganz, ganz viele Leute, die ihren Wagen zum Beispiel hinter irgendeinem Hof stehen haben, weil die Besitzer des Hofes nichts dagegen haben. Und derjenige wohnt halt in seinem Wagen, weil er keine Lust hat anders zu wohnen und mag eben gerade diese Zurückgezogenheit, das gibt es ja auch. Und es gibt auch innerhalb von Projekten Wagenbewohner, die recht nah bei der Gruppe sind, und welche, die sich da eher eigentlich auch zurückziehen möchten und das auch einfach tun. Nee, das würde ich nicht über einen Kamm scheren. Das ist nur so, dass – dadurch, dass man für jeden kleinen Alltagsgang, egal ob man gerade Wasser holt oder auf Klo geht oder seinen Einkauf nach Hause bringt, man bewegt sich sozusagen immer durch das gemeinsame Wohnzimmer des Platzes und jeder kriegt es mit. Und ja, wenn man mit seiner Tasse Kaffee auf der Treppe sitzt morgens, ist es relativ unwahrscheinlich, dass alle Bewohner gerade mit ihrer Tasse Kaffee auf ihrer Treppe bleiben. Es ist also ziemlich wahrscheinlich, dass man sich dann doch an einem gemeinsamen Esstisch trifft und – ähh ja, wenn einer dann eben gerade wach wird und sich überlegt: ‚Trinke ich meine Tasse Kaffee drinnen? Ach die anderen sitzen draußen.‘, dann ist er eben schneller draußen bei den anderen, als das vielleicht in einer Mietwohnung wäre. Ehe man da also bei den Nachbarn klingelt, trinkt man seinen Kaffee wahrscheinlich in seiner Wohnung. Ich glaube es sind diese Möglichkeiten, die mehr sind. Also man hat mehr von diesen Möglichkeiten in Kontakt mit den anderen zu treten, wenn man im Wagen wohnt auf einem gemeinsamen Wagenplatz in einer Gemeinschaft. Ja und der Wagen erlaubt einem eben in eine Gemeinschaft zu ziehen. Also wenn ich meinen Wagen habe, dann kann ich, wenn ich da, wo ich gerade stehe, und ich hätte jetzt die letzten Jahre gerade allein und zurückgezogen stehen wollen und das ändert sich jetzt aus irgendeinem Grund für mich, dann kann ich ja Wagenplätze besuchen gehen und kann schauen, wenn ich also lieber wieder in die Stadt ziehen möchte, dann suche ich mir einen Wagenplatz in der Stadt, oder ich möchte gerade weg von der Stadt und suche mir einen auf dem Land, kann ich mir die Gemeinschaft suchen, die zu mir passt und möglicherweise dann auch mit meinem Wagen dort hinziehen. Also der Wagen gibt einem die Möglichkeiten zu anderen Leuten Kontakt aufzunehmen. Ich glaube das ist ein Hauptunterschied zu einer Wohnung. I: Das geht in die Richtung einer Frage, die ich hier auch noch stehen habe, und zwar die Frage, welche Rolle eigentlich Mobilität dabei spielt, wenn man im Wagen

Anhang 3 8 Interviewtranskript Peter wohnt. Denn so ein Wagen hat ja Räder im Gegensatz zu einer Wohnung. Spielt das eine Rolle? P: Ja, wobei sie wahrscheinlich kleiner ist, als man denkt. Also soweit ich das wahrnehme, finden bei Leuten, die in Wagen wohnen gar nicht so viele Standortwechsel statt, wie man denken würde. Also ich glaube, dass das wichtigste die Möglichkeit ist. Also dieses Gefühl: ‚Ich könnte jederzeit hier weg.‘ Beziehungsweise positiv formuliert, die Möglichkeit sich die Gruppe, die Lebensgemeinschaft, den Ort zu suchen, wo man sich dann wohl fühlt. Es kann also sein, dass ein, zwei Standortwechsel in relativ kurzem Zeitabschnitt stattfinden und danach aber eine sehr lange Zeit an einem Ort. Und ja, dann eben auch noch ein Aspekt, der eigentlich eher von den – von einer anderen Perspektive aus kommt: Ein Mensch, der im Wagen wohnt, wenn es jetzt also ein Projekt, eine Lebensgemeinschaft ist, die nicht nur Wagenleute, sondern auch Leute, die in einem großen Haus, in einem Cotton also wohnen, dann sind die Wagenleute von der Wirkung auf die anderen unter Umständen diejenigen, die unverbindlicher wirken, weil sie ja jederzeit weg könnten. Die ein bisschen die Eigenheim-Note angeheftet kriegen. Also die haben so ihr kleines, trautes Zuhause, wo sie sich alles für sich machen. Vielleicht eine kleine Veranda davor und ein paar Blümchen und einen kleinen Garten. Und das wirkt dann unter Umständen etwas abgrenzend zu den Leuten, die halt nur ein Zimmer in einem großen Haus haben. Insofern ist das mit dem Wagen und den Rädern so ein Charakteristikum, was mit den Bewohnern auch zu tun hat und ja, das kann unterschiedliche Auswirkungen haben. Das kann diese Note der Unverbindlichkeit haben, aber es kann auch eben das Gegenteil haben, wenn man nämlich wegen des Wagens letztlich nach ein, zwei Versuchen genau bei dem Projekt ist, wo man hingehört und dann da ganz, ganz, ganz lange bleibt. Und so, wie Du das ja in A-Stadt auch wahrgenommen hast, dann womöglich aus dieser ehemals mobilen Geschichte eine Immobilie macht mit allen möglichen Anbauten, bis es dann eigentlich eine größere Hütte oder sogar verzweigt mit Zweit- und Drittwagen ist oder so. Ja. I: Jetzt hattest Du mir ja schon eine Geschichte vorhin erzählt, die Ihr mit dem örtlichen Stadtrat erlebt habt. Wie ist das denn überhaupt mit der politischen Aussagekraft? Ich glaube die unterscheidet sich ja je nach Wagenplatz. Wie war es denn in Eurem Fall? Besitzt der Wagenplatz für Euch oder besaß er, als er in voller Blüte stand, eine politische Aussagekraft auch nach außen hin?

Anhang 3 9 Interviewtranskript Peter P: Hmm, eine bewusste, ausgewählte und klar formulierte politische Aussagekraft? Nee, bestimmt nicht. Er hat eine politische Wirkung gehabt, auf jeden Fall. Also grundsätzlich würde ich bei dem Thema politische Außenwirkung von Wagenplätzen eben wirklich ganz stark unterscheiden von Wagenplätzen, die in erster Linie nur ein geschützter Raum sein wollen für die, die da leben, also sich schützen vor Aspekten des gesellschaftlichen Lebens, wie das nicht gewünscht ist, und eben so eine Käseglocke darstellen, in der man geschützt vor solchen Dingen das Leben so leben kann, wie man es sich wünscht, und Wagenplätzen, die einer Gruppe einen Lebensraum bieten, die sich bewusst für Veränderungen der Gesellschaft einsetzt. Und da gibt es bestimmt dann eben auch Gemeinschaften, in denen ein Teil der Leute so und ein Teil der Leute so lebt, auf jeden Fall. Aber das würde ich erst mal grundsätzlich voneinander unterscheiden. Unser Wagenplatz war ausgelegt eher für das Erste, also er sollte einen geschützten Raum darstellen, um Dinge ausleben zu können, die man ohne eine solche Gemeinschaft nicht ausleben kann. Das war ganz klar die Hauptabsicht. Das heißt es war kein... es war nicht der Wunsch da gegen irgendetwas zu kämpfen und sich irgendetwas zu ertrotzen oder freizukämpfen, sondern es war der Wunsch da geduldet zu werden. Aber eben schon nicht geduldet auf Abruf und jederzeit mit einem Fingerschnipp wegradiert zu werden, sondern es war das Bedürfnis da die Gemeinde schon auch davon zu überzeugen, dass niemand etwas gegen uns unternehmen braucht. Also wir haben es doch sehr bewusst darauf angelegt, dass wir nicht irgendwen oder irgendwas kritisieren und sagen: ‚Ihr lebt falsch!‘, sondern, dass wir Bedürfnisse für uns haben und dass wir die gerne leben möchten. Ich glaube das hat ziemlich viel Vertrauen dann auch seitens der Politiker dann ausgemacht, als die hier waren und uns besucht haben und uns wahrgenommen haben, dass sie sehr schnell sich klar darüber waren: Man braucht sich nicht gegen uns zu schützen. Man braucht nicht irgendwelche Barrieren aufbauen. Man braucht nicht die Nachbarn vor uns zu schützen oder irgendwen anders, sondern hier ist eine Facette des Lebens, manche Leute wollen so leben und die kann man dann eben auch so leben lassen. Wir haben also bewusst die – den Kontakt mit den Stadträten gesucht. Jedenfalls ab dem Moment – also ganz am Anfang haben wir einfach erst mal versucht unerkannt zu bleiben, was hinter dieser Hecke ja auch möglich ist. Das heißt einige Monate lang, ja ein dreiviertel Jahr lang hat kein Mensch mitgekriegt, dass es diesen Wagenplatz gibt. Jedenfalls kein offizieller Mensch. Die Nachbarn schon, die haben wir immer wieder eingeladen. Auch wenn ein neuer Mitbewohner hier her gezogen ist, haben wir die ganzen Nachbarn eingeladen zur Einweihungsparty, jedenfalls bei den ersten Mitbewohnern. Dann hatten wir nach einem dreiviertel Jahr, als der Winter dann kam, das Bedürfnis nach

Anhang 3 10 Interviewtranskript Peter einem Gemeinschaftsraum, den man auch im Winter nutzen kann, nachdem wir im Sommer ja immer draußen zusammengesessen haben, und haben uns dann eine große, gedämmte Jurte gebaut von acht Metern Durchmesser. Und das war übrigens auch mit einem – das war ein Jurtenbauseminar. Wir hatten es als Jurtenbauseminar

ausgewiesen.

Einer

von

uns

war

vorher

auf

einem

Jurtenbauseminar und hatte sich das Know-How angeeignet und hat das alles geplant. Und wir haben dann eben in zwei Wochen diese Jurte aufgebaut auch mit Leuten von überall her, die hier her gekommen waren, um die mit uns gemeinsam aufzubauen. Das war auch ein sehr schönes Ereignis. Auch nach Fertigstellung dann die ganzen Nachbarn eingeladen dann zum gemeinsamen Fest. Aber das hatte dann den Anstoß gegeben, dass jemand, zunächst mal der Baudirektor der Stadt, eine Anfrage bei uns schriftlich gestellt hat, ob das was – er hätte also gehört, dass da Leute leben und dass da eine Jurte gebaut worden wäre und dass die Leute in Wagen leben und, ob denn das legal wäre. Und er hatte diese Frage auch an denjenigen im Landkreis, der für Baugenehmigungen zuständig ist dann gestellt und wir haben also einen Termin mit denen gemacht, wo die hier her gekommen sind, der Mann vom Landkreis und der Mann hier vom städtischen – der städtische Baudirektor. Und die haben sich das vor Ort angeguckt. Wir haben denen das erklärt, was wir wollen und worum es uns geht. Und er hat halt klipp und klar gestellt, dass die Jurte ein Schwarzbau ist, also ein Baukörper im Sinne des Gesetzes, für den es keine Baugenehmigung gibt und dass es auf diesem Grund und Boden, auf der Grünfläche auch nie eine Baugenehmigung geben kann, weil da ja nicht wohnen vorgesehen ist. Und dass eben das Wohnen in den Wagen auch für sich genommen nicht nach den Gesichtspunkten des Baurechtes legal ist. Und das war dann der Punkt – er hat dann eine Aussage gemacht, wir hatten uns schon ein bisschen darauf vorbereitet, aber er hat uns im Prinzip den Weg, den wir gehen wollten, vorweggenommen. Er hat halt gesagt, dass das Projekt, so wie es da ist, nicht legal ist und dass dieser illegale Zustand nur geheilt werden kann, wie er das dann ausgedrückt hat, wenn es eine Baugenehmigung dafür gibt. Also durch eine Änderung des Bebauungsplanes. Und dass es also keinen anderen Weg gibt. Und eigentlich hatten wir genau diesen Weg dann auch schon uns vorgenommen. Nur hatten wir gehofft, dass wir, bevor wir diesen Weg gehen können, noch mehr fertiggestellt hätten. Wir hatten gehofft, dass wir bis dahin auch eine Pflanzenkläranlage schon fertig haben. Aber nun war er uns ein bisschen zuvorgekommen und das war dann ab dem Zeitpunkt also der Marsch durch die Institutionen sozusagen. Gucken, was kann man tun, um die Gemeinde da hin zu bekommen, dass sie für das, was wir hier tun wollen, eine legale Form gibt – ähh, erfindet und uns einbettet in das legale

Anhang 3 11 Interviewtranskript Peter Wohnen, wie alle anderen auch legal wohnen. Aber da haben wir halt erstaunlicherweise – also der Baudirektor war von Anfang an derjenige, der versucht hat uns da weg zu bekommen, und der auch dagegen war, dass eine legale Lösung gefunden wird. Erstaunlicherweise hatte er ja schon die Vorgabe gemacht: ‚Es kann nur so gehen!‘. Wahrscheinlich deswegen, weil er es für ziemlich sicher gehalten hat, dass das nie und nimmer passieren würde, dass ein Bebauungsplan geändert würde für uns. Die zuständigen Politiker im Stadtrat haben das dann aber doch zumindest erst mal wertfrei sich angehört die Situation und haben gefragt: ‚Was kann man denn tun?‘. Und wir haben uns halt sehr intensiv im Baurecht eingelesen beziehungsweise wir haben auch Kontakt aufgenommen zu einem Städteplanungsbüro, die wir um Hilfe gefragt hatten. Die haben uns dann auch hier besucht. Haben sich das angeguckt und waren von Anfang an ganz positiv eingestellt und haben uns dann verschiedene Vorschläge gemacht, was der Weg sein könnte. Und man hat uns auch gleich zu erkennen gegeben, dass das ein langer Weg wird und dass da viele Etappen gemeistert werden müssen. Und als wir dann aber gesagt haben: ‚Wir haben aber nicht viel Geld. Können Sie uns sagen, was das grob kosten kann, wenn Sie diesen Weg mit uns bis zu Ende gehen?‘, dann haben die uns also gleich beim ersten Treffen gesagt: ‚Also zunächst mal ist das ja nicht so, dass nur wir etwas für Sie tun. Wir haben ja auch etwas davon. Das ist ja schließlich hier eine Angelegenheit, die für uns äußerst interessant ist, die wir so noch nie bearbeitet haben.‘ Der Eine ist passionierter Jäger und naturverbunden, der Andere ist passionierter Pfadfinder und naturverbunden. Das, was wir da machen hat die irgendwie an irgendeiner Ader angesprochen. Jedenfalls haben sie gesagt: ‚Erst mal können wir ja mal anfangen und wenn wir den Eindruck haben, dass der Aufwand so groß wird, dass unsere Tarifuhr angeschaltet werden muss, dann sagen wir rechtzeitig vorher Bescheid.‘ Und die haben letztlich fast bis zur Umsetzung dieser Bebauungsplanänderung ganz, ganz, ganz viele Stunden für uns investiert. Termine mit uns, mit der Stadt, mit den Erben – mit der Erbengemeinschaft, die das besitzt. Also die haben uns ganz viel geholfen und dadurch hatten wir Einblicke in das Baurecht, die es uns erlaubt haben, den Hürden, die der Baudirektor uns immer wieder in den Weg gelegt hat, zu begegnen und ja, was eben das wichtigste war: Wir konnten die Leute vom Stadtrat immer wieder mit klipp und klaren Paragraphen ausstatten, wo wir ihnen sagen konnten: ‚Das geht aber doch! Es wäre halt dieser und jener Weg zu gehen und das ist möglich, wenn Sie das wollen, wenn Sie Stadtrat das wollen.‘ Also wir haben die immer wieder darauf hingewiesen, dass der Baudirektor ja nur ein Angestellter ist, der das umzusetzen hat, was die Stadt, nämlich die Stadträte wollen und dass der nicht zu bestimmen hat, was geht und was nicht, sondern dass

Anhang 3 12 Interviewtranskript Peter eben die Stadträte zu bestimmen haben, was geht und was nicht, und dass die sich darüber Gedanken machen müssen. Insofern haben wir da glaube ich auch in BStadt etwas politisch verändert, weil das in den vergangenen Jahrzehnten immer anders herum war. Die Stadträte haben immer das beschlossen, was als Empfehlung von der Bauverwaltung kam, weil sie ja doch selber keine Ahnung vom Baurecht haben und die Angestellten, die Verwaltung ja doch die Ahnung haben. Und wenn die das empfehlen, dann wird es schon richtig sein. Und wenn man eine Empfehlung gescheit präsentiert, wirkt sie auch meistens plausibel. In der Vergangenheit war das so, dass der Baudirektor eine unglaubliche Macht hatte und sich niemand getraut hat sich mit ihm anzulegen. Das habe ich also von ganz vielen Seiten gehört hier im Dorf. Und ja, wir haben uns nicht direkt mit ihm angelegt, sondern wir haben einfach darauf bestanden, dass die Möglichkeiten, die das Baurecht bietet einer Gruppe wie uns ein legales Leben in der Gemeinde zu ermöglichen, dass diese Möglichkeiten genutzt werden. Und so ist es dann also gekommen, dass am Ende ein ziemlich kompliziertes Verfahren zusammengestrickt worden ist, was zum Ziel gehabt hätte eine Sondernutzungsfläche für einen Wagenplatz auszurufen, also den Bebauungsplan dementsprechend zu ändern. Das musste unheimlich kompliziert zusammengebastelt werden, weil wir immer wieder versucht haben die Erbengemeinschaft vor Nachteilen zu schützen, denn das ist Bauerwartungsland. Warum sollten die Bauerwartungsland umwidmen zu einer Sondernutzungsfläche für Wagenplätze, wenn sie erwarten dürfen, dass sie in zwanzig Jahren mit sehr hohem Gewinn dieses Land verkaufen können als Bauplätze. Und deshalb haben wir also das zum Einen als Zwischennutzung definiert, zum Anderen haben wir die Kosten, die auf die Besitzer einer Fläche, die im Bebauungsplan umgewidmet wird, normalerweise zukommen, haben wir auf unseren Verein genommen, indem wir als vorhabenbezogenen Bebauungsplan den Verein als Vorhabenträger ausgewiesen haben. Das sind alles Winkelzüge, die uns diese Städteplaner beigebracht haben. Ja, und so war es eben am Ende so, dass die Stadt, die Politik sich viele Gelegenheiten genommen hat sich mit dieser Idee auseinanderzusetzen und der Vorsitzende vom Ausschuss für Bauen der hat es einmal auf den Punkt gebracht bei einem dieser Treffen und hat zu den anderen Stadträten, die auch da waren, gesagt: ‚Also ich sehe das so: Wir haben Bauplätze für junge Familien für Einfamilienhäuser ausgewiesen, wir haben Bauplätze für Reihenhäuser ausgewiesen, für Leute die Eigentum aber etwas günstiger wohnen wollen, wir haben Bauplätze für Wohngenossenschaften ausgewiesen, für günstigen Wohnraum, wir haben Bausubstanz in der Innenstadt restauriert, wir haben für alle möglichen Menschen, für die Art des Wohnens, wie sie leben wollen uns darum gekümmert, dass es diese Lebensräume gibt.

Anhang 3 13 Interviewtranskript Peter Warum sollten wir nicht auch eine Wohnfläche ausweisen für Menschen, die in einem Wagenplatz leben wollen. Die haben doch das gleiche Recht, wie alle anderen Bürger. Und deswegen kann hier keiner meckern: Wie kann das sein, dass ihr Grünfläche zur Sondernutzungsfläche umwidmet, das gibt es doch sonst nicht. Egal, wer das ist, der da meckert, er lebt in einem Bebauungsplan, der so ausgewiesen worden ist, wie er das brauchte. Und das dürfen die Anderen auch haben.‘ Und das war eine Argumentation, die ich so nie erwartet hätte, aber die natürlich unheimlich viel – ja, wie soll ich sagen – also wir haben uns aufgehoben gefühlt, wir haben uns eingeladen gefühlt, wir haben uns akzeptiert, angenommen gefühlt als gleichwertige Bewohner dieser Stadt. Und das ist glaube ich schon – ich habe es von anderen Projekte, die eine Duldung oder irgendeine andere Form des Vertrages gefunden haben, zumindest noch nicht so deutlich gehört, dass eine Stadt sich so deutlich geäußert hätte. Und als dann also der Stadtrat diesem Bebauungsplan zugestimmt hat, dieser Änderung des Bebauungsplanes, haben das alle Parteien, also CDU, SPD, Grüne und FDP voll einstimmig, also ohne eine Enthaltung oder Gegenstimme, beschlossen. Und das fand ich auch sehr beeindruckend, weil sie bei dieser Sitzung, bei der sie das beraten haben, waren sie konfrontiert mit dem Baudirektor, der das ja nicht wollte. Und der hatte sogar extra noch von einem Anwalt in Köln glaube ich, einem Spezialisten, der schon viel mit Wagenplätzen oder so zu tun hatte, ein Gutachten anfertigen lassen, in dem er dann also vorgebracht hat welche Risiken die Stadt eingeht, wenn sie hier Grünland zu Wohnland umwidmet. Dass also dagegen geklagt werden könnte und dass diese und jene Nachteile entstehen könnten und er hat also ein Gutachten vorgelegt, was klipp und klar der Stadt empfohlen hat: ‚Tut das nicht!‘. Und der Verwaltungsausschuss hat dann aber gesagt: ‚Ja, Herr Baudirektor. Wir nehmen das zur Kenntnis, wir beschließen aber, dass wir es doch tun und als zuständiger Mann in der Verwaltung setzen Sie das bitte um! Punkt! Auch, wenn Sie genau das Gegenteil wollen.‘ Das war also schon sehr – ja sehr beeindruckend und aussagekräftig und hat sich dann – ja, hat sich dann so angefühlt, als wären wir am Ziel und hätten wirklich das erreicht, was wir wollten, nämlich eine Akzeptanz in der Stadt, eine Gleichberechtigung als Wohn- und Lebensform. I: Das heißt Ihr habt dann auf jeden Fall zunächst einmal mit der Politik positive Erfahrungen gemacht? P: Genau!

Anhang 3 14 Interviewtranskript Peter I: Wie kam es dann dazu, dass sich das Projekt jetzt doch wieder recht stark verkleinert hat? P: Ja, es hat sich aufgelöst. I: Ja, einen Wagenbewohner gibt es noch, oder? P: Ja, das ist ein Überbleibsel. Also im Prinzip ist die Seifenblase relativ bald danach geplatzt, als es darum ging diese Verwaltungsetappen zu – umzusetzen. Es war halt nötig, dass ein Vertrag zwischen Verein und Stadt geschlossen wird für diesen vorhabenbezogenen Bebauungsplan. Und um diesen Vertrag zustande zu bringen, mussten wir aber vorweisen, dass die Fläche, um die es da geht, die umgewidmet werden soll, dass diese Fläche eben auch langfristig für dieses Projekt zur Verfügung steht. Und genau daran ist es gescheitert, weil die Besitzer der Fläche ja nicht nur aus der Sprecherin der Erbengemeinschaft bestand, mit der wir immer zu tun hatten, die war uns im Laufe der Monate sehr wohlwollend eingestellt und hatte auch ein gewisses Vertrauen in uns geschöpft. Aber es gab ja auch Mitglieder der Erbengemeinschaft, mit denen wir nie Kontakt gehabt hatten, die irgendwo in der Republik wohnten, die uns nie besucht haben, die wir aber auch nie aufgesucht haben. Und als es nun darum ging von einem vorher eher locker formulierten Nutzungsvertrag überzugehen zu einem Pachtvertrag, der juristisch große Konsequenzen hat, eben auch für diese Umwidmung der Fläche, da gab es dann zwar immer noch eine Bereitschaft der Erbengemeinschaft, das zu tun, also die Fläche für die Sondernutzungsfläche zur Verfügung zu stellen, aber einige der Erben hatten sich eben juristisch beraten lassen und hatten die Empfehlung den Vertrag so zu formulieren, dass es heißen sollte ‚Kündigung jederzeit und ohne Angabe von Gründen möglich‘. Ich kann das gut nachvollziehen aus der Sicht eines Besitzers einer solchen Fläche. Also natürlich, wenn man jetzt sagt ‚Kündigung bei 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7 Gründen‘ und einer der Gründe tritt im Laufe der Zeit ein und nun verlassen aber die Leute, die da auf der Fläche wohnen nicht das Gelände, so wie es vertraglich vereinbart war, sondern behaupten dieser Grund habe gar nicht stattgefunden, dann gibt es unter Umständen einen Rechtsstreit darüber, ob der vereinbarte Grund nun stattgefunden hat oder nicht. Und dann kann sich das zwei, drei Jahre hinziehen und man hat einen riesen Ärger mit irgendeinem Rechtsstreit und Kosten und das kann man natürlich alles vermeiden, wenn man in den Pachtvertrag reinschreibt: ‚Kündigung auch ohne Angabe von Gründen möglich‘. Und darauf haben dann eben, für mich irgendwo nachvollziehbarer Weise, ein Teil der Erben bestan-

Anhang 3 15 Interviewtranskript Peter den. Und ja, dann haben wir dann noch versucht mit denen zu reden, ihnen klar zu machen, dass, wenn sie das so lassen, es nie zu diesem Vertrag kommen wird, weil wir als Gruppe uns da ja nicht drauf einlassen können, dass wir jederzeit aus einer Laune heraus weggekündigt werden, dass wir also auch keine Möglichkeit haben uns davor zu schützen jederzeit weggekündigt zu werden, weil wir ja gar nicht – wenn wir beachten müssten dies und das und jenes, was vereinbart ist, dann geht das, aber wenn also jederzeit durch üble Nachrede oder sonst was die Erben dazu veranlasst fühlen zu kündigen, das hätten wir nicht gewollt. Die Kaution, die sie gewollt hätten, die hätten wir noch irgendwie aufgebracht, aber diesen Passus hätten wir nicht unterschreiben können. Und außerdem hätte die Stadt mit einem solchen Pachtvertrag auch nie und nimmer die Sondernutzungsfläche umwidmen können, denn das wäre ja genau das Gegenteil von dem, was Voraussetzung war, nämlich eine langfristige Garantie, dass die Fläche zur Verfügung steht. Ja, und als wir dann also gesagt haben: ‚Wir können diesen Vertrag so nicht unterschreiben.‘, kam dann eben auch seitens der Erbengemeinschaft: ‚Dann möchten wir aber auch nicht, dass Ihr da jetzt bleibt. Sondern, wenn wir diese Rechtssicherheit nicht bekommen, dann möchten wir, dass Ihr innerhalb von so und so viel Monaten die Fläche wieder verlasst.‘ Da haben sie sich sehr großzügig gezeigt. Wir hatten also erst ein halbes Jahr Zeit. Dann fiel aber das Ende dieses halben Jahres in das feuchte Frühjahr, wo es hier eher morastig ist, dann haben sie uns noch ein Vierteljahr länger gegeben. Also wir haben ein wenig länger gebraucht, haben in dieser Zeit ganz intensiv versucht ein anderes Grundstück zu finden, eine andere Fläche. Wäre vielleicht innerhalb von B-Stadt möglich gewesen, aber dann war es so, dass wenn schon ein Neuanfang, dann doch der Großteil der Gruppe diesen Neuanfang eher in der Nähe von E-Stadt – mehr in der Nähe von E-Stadt oder im Stadtbereich E-Stadt gesucht hätte, weil in der Zwischenzeit doch eigentlich alle ihre politischen Zusammenhänge und Gruppen, ihre beruflichen – ihre Arbeitsplätze und so – alle doch in E-Stadt hatten und sich dann gesagt haben: ‚Wenn wir schon einen neuen – ein neues Projekt von Grund auf nochmal anfangen mit der ganzen Energie, die man da reinstecken muss, dann eher im Stadtgebiet E-Stadt.‘ Und die Politik im Stadtgebiet E-Stadt hat sich diametral gegensätzlich verhalten wie die Politik in B-Stadt. Und als dann ein, zwei konkrete Versuche gemacht worden waren, konkret Flächen gefunden waren, Besitzer sich auch schon bereiterklärt hatten, die Politik dann aber in E-Stadt einen Strich durch die Rechnung gemacht hat, dann war die Frustration bei Einzelnen – ja und dann war auch die Power weg, so dass dann doch einer nach dem anderen Einzellösungen gefunden hat und als Einzelner irgendwo anders hingezogen ist. Und dann war am Ende im Prinzip keine Gruppe mehr da, die einen Neuanfang

Anhang 3 16 Interviewtranskript Peter hätte machen können und ja, dann haben also auch die allerletzten eine Einzellösung gefunden. Und Wolfgang ist dann eigentlich der Einzige, der dann jetzt noch hier bei uns geblieben ist. Wir sind dann also zu dem Zeitpunkt, wo wir die Fläche verlassen mussten, mit ähh – 1, 2, 3, 4 Wagen – 5 Wagen dann hier von der Weise zurück hier auf unser Grundstück. Das sah dann aber auch nur geparkt aus. Also das war dann eben die Zwischenlösung bis eine andere gefunden ist. Und dann haben mehrere ihre Wagen verkauft und sind woanders hingezogen, zum Teil in Wohnprojekte ohne Wagen oder auf einen anderen Wagenplatz. Ja und jetzt ist halt nur noch dieser eine bewohnte Wagen übrig, wo auch noch nicht so ganz klar ist, wann der woanders hin zieht. I: Okay, im Prinzip habe ich jetzt auf meinem Fragebogen noch so ein bisschen den Punkt Inklusions- und Exklusionsprozesse, wo es eben auch um Gemeinschaft geht. Darüber hatten wir ja schon gesprochen. Und wo es auch um Konflikte mit Außenstehenden geht, da hattest Du ja eben recht ausführlich ein schönes Beispiel genannt, wie auch mit solchen Konflikten dann umgegangen wird gegenüber den Eigentümern, gegenüber den Politikern und gegenüber der Verwaltung. Jetzt habe ich noch eine Frage, die ich auch noch unter diesem Punkt mit gefasst habe. Und zwar ist das die Frage, ob man sich als Bewohner eines Wagenplatzes ein Stück weit auch abgrenzt von Nicht-Bewohnern? Ob man da eine Grenze zieht, sei es, um sich als Wagenbewohner allgemein oder um seinen spezifischen Wagenplatz? Ob da also eine Art Grenzziehung bewusst vorgenommen wird? P: Also hier bei unserem Projekt nicht. Das mag es geben. Das mag es woanders geben, aber also wir haben es versucht bewusst zu vermeiden, indem wir immer wieder bei Anlässen die Nachbarschaft eingeladen haben, dass die dazu kommen, mit uns feiern, was auch immer gerade zu feiern war. Ob das jetzt ein Osterfeuer war oder die Fertigstellung der Jurte oder ganz am Anfang die ersten, die eben neu hierhergezogen sind, dass wir da so – eben so eine Willkommensfeier gemacht haben. Also wir haben schon versucht eher im Gegenteil die Leute aus der Nachbarschaft hier mit einzuladen. Und auch als wir die Stadträte eingeladen haben zu uns in die Jurte, haben wir das schon auch immer so ein bisschen als kleine Feier, also mit Kaffee und Kuchen und Gedöns und – wo dann auch ganz oft persönliche Zweier- oder Grüppchengespräche stattgefunden haben. Also wo erstens mal der Kontakt gepflegt worden ist grundsätzlich, was ja schon mal keine Abgrenzung ist, und zum anderen, dass wir auch immer wieder versucht haben eben klarzustellen, es geht uns nicht darum eine andere Form des Lebens zu kritisieren, sondern es geht

Anhang 3 17 Interviewtranskript Peter uns darum, dass wir für uns durchaus ein Bewusstsein haben, dass Veränderungen der Gesellschaft unabwendbar sind. Also jetzt als ein Aufhänger zum Beispiel, dass wir darum wissen, dass Peak of Oil, also das Maximum der Förderung von fossilen Rohstoffen schon längst überschritten ist, das Wissen darum, dass bei dem aktuellen Verbrauch von fossilen Rohstoffen es höchstens 15, maximal 20 Jahre dauern kann und die werden nicht mehr zur Verfügung stehen, also nicht mehr unsere Gesellschaft so bedienen können, wie unsere Gesellschaft jetzt aufgebaut ist. Das heißt die Gesellschaft wird sich zwingend in ihren Strukturen verändern müssen, auch hin zu lokaleren Strukturen, dass eben Nahrungsmittel und andere Güter nicht mehr so viel hin und her gekarrt werden können, sondern dass immer mehr regionale Strukturen aufgebaut werden müssen, um die Bevölkerung zu versorgen. Und dass wir uns eigentlich nur als ein Experimentierfeld verstehen solche Ideen für neue – für Veränderungen testweise sozusagen hier zu leben. Und das ist eben etwas ganz anderes als Kritik an der jetzigen Gesellschaft, sondern es ist die Bereitschaft diese Herausforderung anzunehmen so, wie wir das gerne möchten und die anderen können sozusagen mitmachen. Also wir hatten, nochmal auch als Beispiel gegen eine Abgrenzung, wir hatten hier regelmäßig den Kindergarten von gegenüber, die regelmäßig hier her gekommen sind. Also was heißt regelmäßig, mehrere Male im Jahr zu bestimmten Anlässen. Anfangs war es ein Projekt von einer Geographiestudentin, die eben sich auch mit einigen ihrer Kommilitonen als Semesterarbeit eben mit den Kindergartenkindern hier Wildbienenhotels gebaut hat und andere Dinge. Wo die dann hier her gekommen sind und die sind halt mehrfach hier her gekommen. Die sind dann auch zum Laternenumzug hier her gekommen. Und wir hatten hier eine Berufsschule aus E-Stadt. Da hatte der Berufsschullehrer als Thema ‚Wie will ich leben?‘ in der Klasse und hatte von unserem Wagenplatz gehört. Und dann sind die also mit der ganzen Schulklasse hier her gekommen, Berufsschulklasse wohlgemerkt, und haben also hier ganz interessante Fragen auch zu dem Projekt gestellt und sich hier informiert. Also eine Abgrenzung hat so nicht nur nicht bewusst stattgefunden, sondern sie ist sogar versucht worden zu überwinden und das ist uns in vielen Aspekten glaube ich auch gut gelungen. Dass trotzdem manche Menschen von außen mit diesem Projekt nichts anfangen können oder sich indirekt angegriffen gefühlt haben, obwohl sie es nie waren, das kann man glaube ich nicht verhindern, aber wir haben jedenfalls nie versucht den Wagenplatz nach außen hin gegen die andere Welt abzugrenzen. Was wir halt getan haben: Es kamen manchmal halt Leute einfach so auf den Platz geschlappt aus Neugier, dass wir dann kommuniziert haben: ‚Ähhm, Sie stehen gerade in unserem gemeinsamen Wohnzimmer. Das ist hier ein Wohnraum, ein privater Wohnraum und wir sind kein

Anhang 3 18 Interviewtranskript Peter öffentlicher Ort.‘ Diese Abgrenzung: ja! Also, dass wir gesagt haben wir sind zwar ein Ort, an dem immer wieder Veranstaltungen stattfinden und auch eine Gemeinschaft, die Kontakt nach außen pflegt, aber wir sind kein öffentlicher Ort, man kann hier nicht einfach draufschlappen. Das haben wir schon versucht zu kommunizieren, weil es einfach auch das Bedürfnis der Bewohner war sich hier ein bisschen geschützt zu fühlen in seinem Wohnzimmer sozusagen. Wenn da jemand zwischen den Gärten rumspaziert, dann befindet er sich nun mal im gemeinsamen Wohnzimmer. I: Okay. Dann habe ich als allerletzte Frage, vielleicht auch als Frage... P: Ach so, vielleicht noch mal kurz, weil wir das vorhin besprochen hatten, als Du es nicht aufgezeichnet hast, dieses Beispiel mit dem Wildbienenhotel. I: Ja, das könntest Du noch einmal kurz erzählen, das fand ich spannend. P: Das passt ja auch gerade eben noch mal zu der vorigen Frage. Bei dem Versuch den Stadträten nahe zu bringen, wie wir uns verstehen, wie wir auch unsere Rolle im Verhältnis zur Gemeinde, zu der Stadt verstehen, hatte Benno eine nette Idee und hat die Stadträte vor unser Wildbienenhotel geführt. Das war zu dem Zeitpunkt sehr stark bewohnt. Da ist es rein und raus gekrabbelt, die meisten Löcher waren zugespachtelt, einige waren gerade am rein und rausfliegen. Also es war ein sehr gut frequentiertes Wildbienenhotel. Und er hat den Stadträten dann gesagt: ‚Nun stehen wir hier vor dem Wildbienenhotel. Warum glauben Sie, dass wir das überhaupt gebaut haben? Was nützt uns dieses Wildbienenhotel? Die Bienen geben keinen Honig, wir können sie für nichts benutzen. Was die hier bauen und machen ist für uns von keinem direkten Nutzen. Und trotzdem fanden wir es wichtig ein Wildbienenhotel hier zu haben.‘ Und als er dann erklärt hat: ‚Ja, wenn man genau überlegt, ist es halt doch von Nutzen, weil unsere Obstbäume, unsere Obststräucher, unsere Blumengärten werden ja von diesen Bienen befruchtet. Und wenn wir wollen, dass unsere Pflanzen in guter Blüte stehen, dann brauchen wir diese Wildbienen. Und auf den ersten Blick wäre es doch gar nicht aufgefallen, wie nützlich die sind und was die bei uns alles verändern. Dass die uns Lebensqualität geben.‘ Und dann hat er eben umgeschwenkt und gesagt: ‚Ja, und wir möchten gerne als Wagenplatz das Wildbienenhotel der Stadt Bramsche sein. Auf den ersten Blick zu nichts nutze, gibt der Stadt auch nichts, ist auch vielleicht nicht unbedingt nötig, dass eine Stadt einen Wagenplatz hat, aber wir stehen in Kontakt mit dem Kinder-

Anhang 3 19 Interviewtranskript Peter garten, wir stehen in Kontakt mit irgendwelchen ökologisch arbeitenden Höfen und auch, wenn das auf den ersten Blick vielleicht nicht erkennbar ist, wozu ein Wagenplatz für eine Stadt gut ist, wird es doch jetzt vielleicht erkenntlich, dass einfach ein Austausch, eine Befruchtung, neue Ideen, eine Vernetzung mit Leuten, die vielleicht vorher nichts miteinander zu tun hatten, dass das doch eben auch Dinge bewegen kann in der Stadt. Und dass man eben als Stadt sich durchaus überlegen kann, dass ein Wagenplatz ein Input, eine gewisse Anregung für Veränderungen ist. Gerade eben auch, weil ja – Peak of Oil und so – weil ja Veränderungen unabwendbar nötig sind und man ja auch erst mal darauf kommen muss, wie will man es machen. Und dann kann dieser Wagenplatz für B-Stadt vielleicht doch von Nutzen sein.‘ Und das war so eine Idee, so ein Gedankengang, der glaube ich bei vielen Stadträten dann letztlich eben auch ein bisschen was verändert hat aus der Perspektive: ‚Wir können es ja mal dulden‘ zu dem Gedanken hin: ‚Naja, vielleicht brauchen wir das ja tatsächlich‘. Und einer der Stadträte, der Vorsitzende von dem Ausschuss für Bauen sogar, der sagte: ‚Mensch. Wir haben vor drei, vier Jahren versucht in einem Stadtteil von Bramsche eine ökologische Siedlung anzusiedeln und haben da Bauplätze ausgewiesen für ökologisches Bauen und kein Mensch war daran interessiert. Und wir haben da viel versucht planerisch zu erzwingen und es hat einfach nicht funktioniert und jetzt sind hier Leute zusammengekommen, die mehr oder weniger genau diese Anliegen umsetzen wollen. Dann sollten wir denen doch auch ihren Lebensraum, wenn sie den hier ausgesucht haben, dann hier auch planerisch zur Verfügung stellen.‘ Also ich glaube schon, dass dieses nicht nur nicht abgrenzen, sondern die Bereitschaft mit der Stadt zusammen zu leben da recht deutlich rübergekommen ist und dann eben auch bei den Stadträten entsprechende Inputs oder Energien dann freigesetzt hat sich für dieses Projekt einzusetzen. I: Ja, vielen Dank, dass Du da noch einmal an das Beispiel gedacht hast. Das fand ich auch auf jeden Fall sehr illustrativ. Das verdeutlicht das eigentlich ganz gut, finde ich. Ja, genau. Als letzte Frage, die ich hier noch auf meinem Zettel habe, das ist so ein bisschen vielleicht die Zusammenfassung noch einmal, wollte ich Dich einfach mal bitten zu sagen, was für Dich die drei bedeutsamsten Gründe sind, warum man sich für ein Leben auf dem Wagenplatz entscheiden kann, soll, möchte – wie auch immer. P: Ja, ich kann es ja nur für mich versuchen zu formulieren, weil es gibt bestimmt ganz viele andere Menschen, denen ganz, ganz andere Gründe viel wichtiger sind. Also für mich ist es die Möglichkeit sich die Leute auszusuchen, mit denen man zu-

Anhang 3 20 Interviewtranskript Peter sammen leben möchte. Also dieses mobile Heim. Die Möglichkeit zu einer Gemeinschaft zu ziehen und im Laufe eines Jahres oder zwei Jahren dann festzustellen: Das ist nicht genau das, was ich dachte, und dann weiterziehen zu können oder aber irgendwann mal festzustellen: Das ist genau das, was ich möchte. Und dann kann es ja nun auch sein, dass entweder man sich selber verändert, so dass man nach einer gewissen Zeit gar nicht mehr dort leben möchte und kann dann eben von dort wieder weg ziehen und zu einer anderen Lebensgemeinschaft ziehen, wenn zum Beispiel man selber – seine Bedürfnisse sich verändert haben. Oder es kann ja auch sein, dass eine Gruppe in ihrer Entwicklung einfach andere Richtungen einschlägt, die man dann irgendwann für sich nicht mehr möchte. Wo das irgendwann nicht mehr das ist, was man ursprünglich mal hatte – gesucht hatte. Wo sich also eine Gruppe oder Gemeinschaft so entwickelt, dass man da nicht mehr sein möchte. Also schon diese Möglichkeit der Mobilität, verbunden aber mit der Möglichkeit genau da zu sein, wo es passt. Ja, ich glaube das ist für mich ein ganz entscheidender Grund und eben in einem Wagen leben zu können, der über lange Zeit ausgebaut worden, gestaltet worden und einfach ein Stück von einem selbst geworden ist, dass man das mitnehmen können möchte. Und wenn ich mir ein Zimmer in einer WG auf irgendeinem großen Hof oder sowas einrichte, dann kann ich meinen Stuhl, meinen Tisch und mein Bett mitnehmen, aber es ist einfach nicht das Gleiche. Wenn ich irgendwo anders hin komme, wird es dann doch wieder irgendwie anders. Und das ist eine Frage der Mentalität, ob man das möchte, dass es dann auch wieder anders wird, oder ob man eben doch an so einem – an so etwas, wie einem Lebensraum, den man sich gestaltet hat, so hängt, dass er so mitkommen soll. Und da sind die Menschen verschieden. Also ich hänge immer noch an diesem Wagen, obwohl wir da jetzt seit 17 Jahren nicht mehr drin wohnen, aber ich könnte ihn unmöglich weg tun. Und jetzt baue ich mir einen anderen Wagen, so wie ich ihn dann haben möchte, der muss halt mobiler sein, der muss leichter sein, der muss hinter mein Auto können und muss kurzfristiger bewegbar sein. Deswegen würde ich den alten Wagen, in dem wir damals gewohnt haben, trotzdem nie weg geben können. Das ist eine Mentalitätsfrage dieses Ding etwas behalten zu wollen, sich erhalten zu wollen. Ja, Menschen, die eigentlich nur ihren Rucksack brauchen und irgendwie so und so viel Monate dort und dann so und so viel Monate da und die sich gar nicht beschweren wollen mit solch Besitz, leben halt anders. Die kommen eher hier und da mal in irgendeinem Zimmer unter bei Freunden. Richten sich da ein, wo sie gerade sind und brauchen nicht so viel persönliches im Gepäck. Ja, und ich glaube Leute, die sich einen Wagen ausbauen, denen ist das einfach wichtig. Drei Gründe wolltest Du, oder?

Anhang 3 21 Interviewtranskript Peter

I: Ja, wir müssen das jetzt nicht an der Zahl festmachen. Wenn es zwei sind, ist es auch okay, wenn es vier sind auch. P: Ja, und das Andere: Wagenleute, gut sie leben auch zuweilen alleine irgendwo hinter einem Bauernhof irgendwo, wo man sie leben lässt, aber sind halt häufig Leute, die in einer Lebensgemeinschaft leben. Und Lebensgemeinschaft bietet einfach, das hatte ich ja vorhin schon so gesagt bei der ersten Frage: ‚An was denkst Du, wenn Du an diese Gemeinschaft zurück denkst? Was fällt Dir als erstes ein?‘, eben diese Möglichkeiten sein Leben zu verändern, seinen Lebensraum zu gestalten eben über den Bauwagen hinaus den Lebensraum um sich herum. Das geht halt in einer Gemeinschaft in einer Art und Weise, die es sonst nirgendwo gibt, die ohne Gemeinschaft nicht möglich ist. Und ein Wagen ermöglicht einem eben das Leben in so einer Gemeinschaft. In der, die man sich ausgesucht hat. Ja, ich glaube so ein Bauwagen hat im kleinen Maßstab ganz viel mit Lebensraum gestalten zu tun. Und dann sofort aber, sobald er irgendwo steht in der Gemeinschaft, eben auch ganz viel mit der Gestaltung des Lebensraumes gemeinsam mit diesen Leuten, der Verbindung der einzelnen Wagen und Lebensräume zu einer größeren Einheit, zu einem größeren Lebensraum. Und ja, was mir auch ganz wichtig war in der Zeit, wo es hier diesen Platz gab, und was jetzt immer weniger wird, wobei so lange Wolfgang noch hier ist tauchen hier auch immer wieder Leute auf, die über ihn hier her gefunden haben, das ist der Kontakt zu Menschen, die grundsätzlich ihr Leben selber gestalten wollen. Diese Menschen finden sich, die kennen sich über Entfernungen. Es sind in unserer Republik überschaubar viele. Wenn ich in anderen Lebensgemeinschaften bin und man unterhält sich über irgendwas und es werden Namen genannt, dann fällt mir auf, dass ich einen Teil dieser Namen kenne, obwohl ich die von ganz, ganz, ganz woanders kenne. Das heißt auch diese vielen Gemeinschaften, die es in unserem Land gibt, die sind miteinander ja auch durch Menschen verbunden, die sehr mobil sind, die sehr engagiert sind, die sich bewusst darum kümmern ihr Leben und diese Welt zu gestalten. Und die finden sich untereinander und sind untereinander in Kontakt. Ich glaube, ich hatte das vorhin ja schon mal gesagt, das ist so eine Meta-Ebene der Gemeinschaft, die es gibt, die eben nicht durch einen geographischen Raum erkennbar ist und auch nicht durch einen Wohnraum, sondern die eigentlich in den Köpfen oder zwischen den Menschen stattfindet, die diese Räume bewohnen. Also es gibt halt nicht nur den Lebensraum Wagen oder den Lebensraum Wagenplatz, sondern es gibt darüber hinaus noch so eine MetaEbene des Lebensraumes, dass die Leute sich kennen, dass sie sich gegenseitig

Anhang 3 22 Interviewtranskript Peter helfen, dass sie sich zum Teil – also jetzt eine Lebensgemeinschaft in Mecklenburg auch, nicht die, wo ich damals war, sondern eine andere, die haben jetzt gerade Land dazugekauft und haben das ganz ohne Bank gemacht und haben also über andere Projekte sich da Geld geliehen, um das möglich zu machen. Oder wenn eine – wenn Gemeinschaften in Schwierigkeiten sind, bedroht werden von Räumung, dass dann eben sehr schnell von ganz vielen Orten der Republik her innerhalb von Tagen oder Stunden Leute dort auftauchen und sagen: Wir sind auch hier und so einfach soll das nicht gehen! Das ist also vielleicht kein Place im Sinne Deiner Arbeit, aber das ist trotzdem eine Gemeinschaft, die eben überhalb dieses geographischen Gedankens da ist. Und auch diese Leute die findet man eben, wenn man im Bauwagen wohnt und das ist jetzt nicht gerade isoliert irgendwo vereinzelt, sondern in einer Gemeinschaft, dann kriegt man automatisch mit diesen Leuten Kontakt. Und auch international. Hier waren auch Leute von anderen Ländern, die dann auf Wegen, die wir nie geahnt hätten, von hier erfahren haben und hier aufgetaucht sind, wo man sich fragt: ‚Was will ein Mensch von da hier in B-Stadt?‘ Aber die sind halt, als hier das Projekt war, sind die hier regelmäßig auf irgendwelchen Wegen angekommen und haben hier Tage oder Wochen oder noch länger verbracht und sind dann wieder weiter. Und diese Bereicherung die gibt es eben nicht, wenn ich in einer Drei-Zimmer-Wohnung irgendwo wohne. Die gibt es halt nur in solchen Lebensformen. Und das verbinde ich halt für mich mit dem Leben in einem Wagen. I: Okay. Dann bedanke ich mich auf jeden Fall bei Dir ganz herzlich für das Gespräch und stoppe dann mal die Aufnahme.

Anhang 4 1 Interviewtranskript Sebastian Anhang 4: Interviewtranskript Sebastian Interviewer: Lars Kraehnke (abgekürzt: I) Interviewte Person: Sebastian (abgekürzt: S) Ort: C-Stadt Datum: 23.11.2013 Dauer: 50 Minuten und 01 Sekunden

I: Ich hatte ja schon gesagt, dass ich mich mit den Wagenplätzen befassen will und versuchen will, das ganze ein bisschen aus so einer lebensweltlichen Perspektive heraus zu erfassen. Vielleicht fangen wir am Besten so an – oder ich frage Dich einfach mal, ob Du kurz erzählen könntest, wie Du überhaupt auf den Platz gekommen bist? S: Ja. Ich habe vorher in verschiedenen besetzten Häusern gewohnt. Bis 1995/96. Und beim letzten Haus, wo wir geräumt worden sind, gab es dann von der Gruppe im Haus die Idee einen Wagenplatz zu besetzen, weil das einfacher war, als Häuser zu besetzen. Oder was heißt einfacher, eher Aussicht auf Dauerhaftigkeit hatte. Ich wollte eigentlich nicht im Wagen wohnen, bin dann aber trotzdem nach der Räumung hier, es war Sommer, gelandet und bin dann auch hier geblieben. Ich wollte aber eigentlich, also meine Idee war nicht in einen Wagen zu ziehen. Das war eher dann – hat sich eher so ergeben. Also ich habe mir vorher – ich kannte den Platz vorher auch, fand den auch immer nett, aber ich wollte eigentlich nicht vorher jetzt in einem Wagen wohnen. Fand es dann aber ziemlich schnell – also ich bin dann auch durch Zufall ziemlich schnell an einen großen Zirkuswagen gekommen und dann bin ich jetzt seit fast 17 Jahren glaube ich in dem Wagen hier. Also es war nie mein Lebensziel, aber es ist – ja. Aber andere Leute haben auch nicht das Ziel in einem Haus zu wohnen. Die machen es einfach. I: Also so richtig Gründe vorher gab es dann nicht? S: Nein. Also ich war eher noch dagegen. Also ich fand das irgendwie eine zu stark individualisierte Lebensweise. Das hat meiner politischen Intention nicht so wirklich entsprochen. Ich fand dann auch das Besetzen von leer stehenden Geländen fand ich jetzt nicht das Gleiche wie Häuser besetzen. Aber das sehe ich heute nicht mehr – also ich bin nicht mehr so verkrampft.

Anhang 4 2 Interviewtranskript Sebastian

I: Hat sich daran dann im Anschluss etwas geändert? Als Du erstmal hier warst. Bis heute. S: Ja, auf jeden Fall. Also das – also ich könnte auch schon wieder in irgendeinem Haus wohnen, aber ich mag meinen Wagen sehr gerne. Ich könnte schon auch wieder irgendwie in ein Haus ziehen, aber es gibt jetzt auch nicht unbedingt – also ich finde es schön hier. Ich finde es auch schön dieses Rausfallen aus der Tür und in meinem Garten zu stehen, finde ich total nett. Und ja. Also es hat sich schon auf jeden Fall verändert, aber ich finde immer noch, dass Wagenplätze durchaus etwas – also wir sind ja hier jetzt in C-Stadt sehr zentral und mir fallen keine guten Argumente ein. Wenn man jetzt sagen würde, hier wird jetzt echt günstiger Wohnraum gemacht, würden mir nicht viele gute Argumente einfallen, warum jetzt 30 Leute viel mehr Rechte haben sollten, als vielleicht Wohnraum für 200 Leute der bezahlbar ist in C-Stadt. Allerdings stehen wir jetzt hier auf einem Gelände, mit der Bahn und mit der Straße, das jetzt für Wohnraum auch nicht so gut geeignet war. Also bis jetzt waren die Planungen für dieses Gelände immer irgendetwas wie Hotel oder Gewerbe. Also da finde ich dann schon, dass wir eine bessere Nutzung sind für die Brachfläche. Aber sonst finde ich – also es hat eine Berechtigung, aber jetzt auch nicht unbedingt ein Vorrecht vor anderen Formen zu wohnen. I: Ja. Vielleicht kannst Du auch nochmal ein bisschen was von Deinem typischen Tagesablauf erzählen. Und vielleicht auch, was sich daran unterscheidet von jemandem der im Haus wohnt oder in einer Wohnung. S: Also ich glaube mein normaler typischer Tagesablauf – also ich gehe normal arbeiten. Also die Woche hatte ich jetzt Urlaub, dann nicht. Aber normalerweise gehe ich halbtags arbeiten und das unterscheidet mich halt, weil ich mit halbtags locker so viel verdiene, dass es wirklich mehr als ausreicht. Also es ist einfach unglaublich viel billiger. Ich glaube, das macht wirklich schon einen Unterschied. Auch wenn das jetzt in einer Wohnung, die umsonst wäre, nicht anders wäre. Ich weiß gar nicht – mein Tagesablauf, was unterscheidet sich da denn? Weiß ich nicht. Wenn ich jetzt eine Wohnung hätte mit einem Holzofen, würde ich dafür auch Holz machen müssen. Oder Kohle oder sowas. Was glaubst Du denn, was sich unterscheidet? Also man wohnt mit vielen Leuten zusammen. Das ist natürlich schon mal etwas Anderes nochmal. Aber auch das könnte man in einer Hausgemeinschaft ja auch haben.

Anhang 4 3 Interviewtranskript Sebastian I: Also woran ich jetzt gedacht hätte oder was mir so spontan einfallen würde, wäre vielleicht: Du hattest ja auch gesagt, dass Du weniger arbeiten musst, um Dir das leisten zu können. Aber auf der anderen Seite hätte ich vermutet, musst Du dafür hier entsprechend mehr tun. S: Das bestimmt. Das sagen auch viele, die jetzt irgendwie kurzzeitig mal hier waren, so für ein halbes Jahr oder so, dass es einfach viel mehr Aufwand ist im Alltag. Das fällt mir aber gar nicht mehr auf. Also viele Sachen die automatisieren sich dann ja auch. Dieses dann schon mal Holz zurecht machen und so. Also was manchmal nervig ist, aber auch das wäre – ist, dass wir nur ein Bad haben, das wir mit über 20 Leuten nutzen und man doch oft lange warten muss, bis man dann dran kommt. Und dass man dann so die Freundschaften in der Umgebung – also ich habe drei WG’s in der näheren Umgebung, wo ich dann öfter mal zum Duschen hingehe, damit es einfach schneller geht. Oder andere sind dann Mitglied im Fitnessstudio hier auf der Straße, damit man einfach eben mal spontan duschen kann, ohne zehn Leute, die davor stehen. Aber auch das, wenn man jetzt ein Haus hätte, dass nur ein Bad hat, was es wahrscheinlich selten gibt in dem Land, wäre das ja auch nicht anders. Also ich weiß nicht – oder wir sollten uns vielleicht mal einen zweiten Badewagen zulegen. Das fänd ich glaube ich gut. I: Ja. Tobias hat auch eben erzählt, dass Ihr sozusagen einen neuen Toilettenwagen bauen wollt und stattdessen den alten, etwas größeren Toilettenwagen eventuell als Badewagen umbauen oder so. S: Ja, genau. Aber ich fänd es dann gut, glaube ich, wenn der andere – also ich würde beide umbauen. Also den alten Badewagen dann auch wieder so fit machen, dass man den auch nutzen kann. Ich finde das jetzt keinen Luxus. Ich finde weder vier Klos für die Leute einen Luxus, noch zwei Bäder. Aber sonst weiß ich gar nicht. Also man ist mehr mit heizen beschäftigt natürlich als in einem Haus. Aber das macht mir auch Spaß. Also so Holz machen und sowas, das mache ich auch gerne. Und wir haben ja hier auch ein Luxusleben verglichen mit – also ich kenne auch andere Wagenplätze, die jetzt weit abseits sind. Also das ist ja – wenn Du kein fließend Wasser hast und keinen Strom hast, verändert sich das natürlich noch mal ganz anders, als jetzt hier, wo wir im Prinzip alle normalen Sachen hier haben. Also man kann sich in jeden Wagen, wenn man möchte, Wasser reinlegen. Also das macht dann keinen großen Unterschied mehr.

Anhang 4 4 Interviewtranskript Sebastian I: Macht es denn einen Unterschied, dass so ein Wagen, das liegt ja in der Natur der Sache, Räder hat? Also macht Mobilität irgendwie einen Unterschied? S: Bei vielen ja, aber ich glaube das ist wirklich eher bei Leuten, die im LKW oder in irgendwas motorisiertem direkt wohnen. Bei Leuten, die im Bauwagen wohnen oder im Zirkuswagen, wie ich, ist es bei den meisten, die ich kenne, auch von anderen Wagenplätzen, dass man, weil es ja auch immer ein relativ großer Aufwand ist, sich damit wirklich zu bewegen. Das nimmt man sich am Anfang vor und macht es dann trotzdem recht selten. Also dass man alles – weil man es sich meistens auch gar nicht so einrichtet, dass es – wirklich einfach anhängen und losfahren – das dauert ja dann trotzdem immer bis alle Sachen irgendwo verstaut sind und so gemacht sind, dass nichts runterfällt und nichts kaputt geht. Also meine Mobilität ist dann wenn – also ich habe hier auf dem Platz glaube ich schon auf fünf oder sechs verschiedenen Plätzen gestanden. Alle zwei, drei Jahre stelle ich mich mal um. Wobei den Platz, wo ich jetzt bin, gebe ich nicht mehr auf. Also der ist zu schön. Aber diese Mobilität, also bei mir, also ich verlasse mit meinem Wagen C-Stadt eigentlich nie. Ich habe in C-Stadt ein paarmal Leute besucht mit dem Wagen, aber auch nicht für einen Tag. Also das wäre mir zu aufwendig. Also eher, wenn man mal sagt, für drei Monate will man mal irgendwie irgendwo stehen. Aber auch bei LKW-Leuten, die ich kenne, also die meisten – auch da ist die Tendenz: So mobil, wie man am Anfang es sich vorgestellt hat, ist es meistens dann trotzdem nicht. I: Hmmm. Du hattest eben gesagt, Du verlässt den Platz auch nicht, weil Du ihn so schön findest. S: Meinen jetzigen, ja. I: Hat das dann, also die nicht so ausgeprägte Mobilität, wie man es sich als Außenstehender vielleicht vorstellt, auch etwas mit dem Ort an sich zu tun? Hat das also nicht nur praktische Gründe, sondern irgendwie auch, dass man sich eingelebt hat, heimisch fühlt oder so? S: Ja. Auf jeden Fall. Also das total. Also – aber ist das etwas positives? Weiß ich nicht so richtig. Ja, doch. Also auf den anderen Wagenplätzen in C-Stadt jetzt zum Beispiel hätte ich auch auf keinem – würde ich auch auf keinen anderen jetzt unbedingt ziehen wollen.

Anhang 4 5 Interviewtranskript Sebastian I: Kannst Du das in Worte fassen, was für Dich den Platz hier so ausmacht oder so besonders macht? S: Hmm, kann ich das in Worte fassen? Also es sind einmal die Freundschaften. Also ich wohne ja nicht – wohne ja mit manchen Leuten schon echt lange zusammen. Und das macht auf jeden Fall – ja, halt das. Also halt dieses Vertraute, Normale. Und gerade den Platz hier mag – also ich bin halt glaube ich auch sehr praktisch oder pragmatisch – also ich finde dieser Platz hier ist schon auch insofern besonders, dass wir wirklich sehr zentral sind und nicht irgendwie total in der Peripherie sind. Also das ist zwar manchmal auch ganz schön – so F-Stadt oder sowas, ich weiß nicht, ob Du den kennst, das ist echt ein schöner Platz, aber das ist so weit weg von allem, dass ich da zum Beispiel mir nicht vorstellen könnte zu wohnen, weil man einfach sich nachts immer gut überlegen muss, wie man wieder nachhause kommt oder sowas. Und das ist hier halt einfach anders. Also ich kann hier überall hin und überall – ja. Aber das ist auch wieder sehr praktisch gedacht. Ja, weiß ich nicht. Ich kann das glaube ich nicht so gut in Worte fassen. I: Ich habe in den ersten beiden Interviews, die ich gemacht habe, in A-Stadt und in B-Stadt, habe ich gehört, dass irgendwie diese Nähe zur Natur eine Rolle spielt. Also auch dieses draußen sein. Ist das für Dich auch wichtig? S: Ja. Das bin ich auch total gerne und das macht mir auch total Spaß. Wobei jetzt Natur ist natürlich immer so ein Begriff. Also wir sind ja jetzt hier schon mitten in der Stadt und es ist hier echt laut und ist jetzt keine Idylle in dem Sinne. Also man kann bestimmt Fotos so machen, dass es idyllisch aussieht, aber spätestens, wenn man Ton dazu nimmt... (lacht!). Aber trotzdem bin ich total – also ich mag auch dieses ‚draußen ist es kalt‘. Also gerade letzte Woche zum Beispiel, als es angefangen hat richtig kalt zu werden und sonnig war, das finde ich super. Draußen sein und es ist kalt und man geht dann in den beheizten Wagen, der fast Saunatemperatur hat. Also auch das finde ich ganz – ja, das mag ich. Ich weiß aber immer nicht, was so wagenspezifisch ist, aber vielleicht bin ich da auch ein bisschen zu arg – ich habe manchmal so Abwehrmechanismen. Also mich nervt das, wenn man das zu stark romantisiert. Letztendlich ist es eine Form von wohnen und auch nicht die ideale. Eigentlich sind sechs Außenwände nicht ideal, aber naja. Geht.

Anhang 4 6 Interviewtranskript Sebastian I: Was mich noch mal interessieren würde, ist – wir hatten das schon so ein bisschen angesprochen, dass man viel selber machen muss irgendwie. Gilt das auch für Deinen Wagen? Hast Du den zum großen Teil selbst gebaut? S: Ja. Darum habe ich glaube ich auch zu meinem Wagen so ein ziemlich enges Verhältnis, weil ich habe jedes Fenster selber eingesetzt, selber geschnitten. Ich habe jedes Paneel, das da dran ist, selber angeschraubt und zugesägt. Also das – ja. Die Küche, in der wir jetzt hier sitzen, die ist nächstes Jahr mal wieder grundrenovierungsbedürftig. Wäre sie auch dieses Jahr schon gewesen, da hatte ich aber keine Zeit. Aber auch das habe ich erst im Wagen angefangen. Ich war vorher nie ein großer Handwerker. Bin ich auch jetzt noch nicht. Also vieles ist auch immer noch Improvisation eher, aber ich werde besser. Aber das macht Spaß. Ich werde aber niemals so ein Schrauber, der sich an – also mit Motoren möchte ich nichts zu tun haben. Holz finde ich besser. Auch einfacher zu behandeln. I: Ja, ich bin auch kein guter Handwerker, aber ich finde auch Holz ist immer auch ein Werkstoff mit dem man so viel gestalten kann. Mit Metall kann man auch gestalten, aber dann muss man es erst schmelzen und das ist dann wieder viel aufwendiger. Mit Holz kann man relativ einfach relativ viel selber gestalten, finde ich. S: Ja und auch etwas autodidaktischer arbeiten, als mit Metall. Und selber dann so sehen, was man falsch gemacht hat und was man beim nächsten Mal dann vielleicht doch besser macht. I: Gibt es denn, um noch mal so ein bisschen auf diesen emotionalen Aspekt zu sprechen zu kommen, gibt es bestimmte Ereignisse oder Erinnerungen, die Dich jetzt ganz besonders stark mit Deinem Wagen oder mit dem Platz hier verbinden? S: Ohh, da gibt es auf jeden Fall viele Ereignisse, die mich mit dem Platz verbinden. Also ja. Es war ja auch immer politisch umkämpft. Also im Augenblick nicht, auch wenn es durchaus passieren kann, dass wir irgendwann hier nicht mehr stehen können, aber das habe ich ja schon auch – ich weiß nicht, ob Du die Vorgeschichte von dem Platz kennst. Also da habe ich noch nicht da gewohnt, aber in Stadtteil X war ja der der ursprüngliche Bauwagenplatz, der dann 1994 sehr brutal geräumt wurde. Wo von 40 Wagen 36 mit dem Bagger plattgewalzt wurden. Und ich bin zwei Tage nach dieser Räumung nach C-Stadt gezogen und habe dann eigentlich sofort Leute vom Platz kennengelernt und habe dann diese Odyssee durch die Stadt noch

Anhang 4 7 Interviewtranskript Sebastian nicht als Bewohner, aber als Freund mitgemacht und da auch schon viele Leute kennengelernt, aber auch emotional diesen ganzen Stress und die ganze Aufregung und das hier Ankommen alles live miterlebt. Und dann auch die Auseinandersetzung darüber, ob hier bleiben oder ob ein anderes Gelände fordern. Und der ganze Streit dann bis – also wir haben dann ja auch Gerichtsstreite mit der Stadt gehabt und viele Aktionen auch gemacht und so. Ja, das verbindet. Also vor allem aber auch verbindet es mich dann mehr mit Menschen. Also natürlich dann auch auf dem Platz, weil der Platz dann natürlich nicht nur ein Ort ist, sondern eben der Ort ist, wo sich diese Menschen treffen. Auch wenn die meisten von damals – also die einzige, die noch da wohnt von damals, ist Simone, meine direkte Nachbarin. Aber die wohnen auch fast alle nicht mehr in C-Stadt. Also die sind meistens dann immer irgendwann nach Berlin. I: Ich weiß gar nicht, was die Leute immer alle an Berlin finden. S: Ich auch nicht. Für eine Woche finde ich es immer ganz nett, aber dann... I: Ja, mein Bruder lebt auch in Berlin und der ist auch großer Fan. Ich finde es auch immer gut, wenn ich ihn mal besuche für eine Zeit, weil da ist viel los und so. Viel Action und alles irgendwie. Aber nach einer Zeit denke ich immer: Boah, das ist aber auch alles ziemlich groß und grau. S: Ja. Für jeden Scheiß braucht man eineinhalb bis zwei Stunden. Egal wo man jemanden besuchen will, man ist eine Stunde, eineinhalb Stunden unterwegs. Will man ins Grüne ist man noch viel länger unterwegs. I: Genau. Du hattest eben schon so ein bisschen diesen politischen Konflikt angesprochen. Den habe ich hier nämlich auch noch auf dem Zettel, weil das ja immer so ein Dauerbrennerthema irgendwie bei Wagenplätzen ist. Wie ist das denn überhaupt von Eurer Seite aus? Verfolgt Ihr als Platz bewusst eine politische Aussagekraft? S: Also da würde ich erst mal nein sagen. Also bewusst nicht. Aber man gehört natürlich schon irgendwie so zu dieser bestimmten, zu dieser linken Szene. Also diese ganze Wagenbewegung ist ja letztendlich aus der Hausbesetzerbewegung irgendwann in den 80er Jahren, Ende der 80er entstanden. Aber auf unserem Plenum wird eigentlich – also wir diskutieren nie politisch. Das bräuchte ich jetzt auch nicht

Anhang 4 8 Interviewtranskript Sebastian so unbedingt. Aber ich glaube so instinktiv würden wir alle uns schon irgendwie als links oder linksradikal oder autonom oder irgend sowas bezeichnen. Aber es gibt jetzt keine gemeinsame politische Orientierung in dem Sinne, dass – also nein. Ich meine wir stehen ja jetzt relativ ruhig hier. Also wenn jetzt irgendwann diese Bedrohung von außen kommt, also Räumungsgefahr oder sowas, dann ist das natürlich noch mal anders. Dann wird man sich vielleicht mit dem Thema Platz an sich wieder nach außen begeben müssen. Aber die meisten, die hier wohnen kennen auch solche Kampagnen noch gar nicht, weil es auch seit zehn Jahren keine mehr gab. Ich meine es gibt immer Leute, die zu den Wagentagen fahren. Da war ich jetzt auch schon ewig nicht mehr. Aber jetzt nicht, weil ich die boykottiere, sondern weil ich meistens etwas besseres vorhabe, wenn die sind. Wenn ich mir die VogelfrAi – ich weiß nicht, kennst Du die? I: Ja, das ist die Zeitschrift, oder? S: Ja genau, die Zeitschrift. Das ist ja auch eher eine bunte Heimwerkerzeitung. Also ich finde die okay. Ich schaue die aber nur an, wenn ich mal irgendeine Adresse suche oder sowas. Aber das ist kein hochgradig theoretisches Politmagazin. Also ist es nicht. Und das ist glaube ich auch in der Wagenszene eher normal. Also es gibt schon einen Konsens glaube ich. Einen gewissen. Der wird aber nicht bewusst diskutiert. Also das merkt man dann immer eher, wenn Sachen passieren, über die sich dann alle gemeinsam aufregen. Da merkt man dann immer, dass man schon einen gewissen gemeinsamen Konsens hat, der aber sonst gar nicht explizit ausformuliert wird. Aber auch das glaube ich ist relativ normal für soziale Gemeinschaften. I: Ich habe zu dem Thema noch auf meinem Zettel die Frage stehen: Protest gegenüber den herrschenden Verhältnissen? Kann man das so deuten? Sollte man das so deuten? S: Ja, mein Leben lang ist es ein einziger Protest (lacht!). Ja, weiß ich jetzt gar nicht. Finde ich ein bisschen übertrieben glaube ich. Also vielleicht ist es dann in irgendeiner Form schon, aber vor glaube ich vier oder sechs Wochen hat die FDP-Fraktion im Rat von C-Stadt zum Beispiel so einen bescheuerten Antrag gestellt. Also man muss dazu sagen, es ist Kommunalwahlkampf und es war unmittelbar nach der Bundestagswahl und alle waren In Panik, also dass sie irgendwie Angst hatten: Oh Gott, wenn das so ähnlich ausgeht, wie bei der Berlin Wahl, dann sind wir hier in C-

Anhang 4 9 Interviewtranskript Sebastian Stadt auch alle Sitze los. Und die haben dann den Antrag gestellt, dass hier ein Studentenwohnheim hin gebaut werden soll. Das soll die Stadt prüfen. Und da waren wir natürlich im Rat und haben uns das angehört und selbst da hat dieser FDPMensch, der diesen Antrag gestellt hat, gemeint, dass auf jeden Fall in einer modernen Stadt wie C-Stadt auch Platz für solche Wohnformen sein muss, aber halt nicht so zentral. Also selbst der hat – also warum er auf die Idee kam, hier ein Studentenwohnheim hin zu bauen, wo es zig brachliegende Flächen und vor allem auch ganz viele Liegenschaften der Stadt Köln gibt, die man unmittelbar beziehen könnte, das ist dann ein bisschen absurd. Und der Antrag wurde auch – also die CDU hat dann auch dagegen gestimmt, weil das war einfach zu absurd der Antrag. Also auch viel zu teuer für das Studentenwerk. Aber auch da hat man gemerkt, selbst den Antragsstellern ist – die finden dass das irgendwie in so eine bunte Stadt wie C-Stadt gehört und dann weiß ich auch nicht mehr: Was ist dann noch Protest?! Man wird ja immer und überall einverleibt. Und der gewisse Protest ist dann vielleicht auch nur Teil von – also gehört dann vielleicht auch zu so einem Flair oder zu so einem Ambiente für die Stadt. I: Da gibt es ja auch eine durchaus rege Diskussion darüber auch in der Geographie. Das Paradebeispiel, dass ich da aus der Geographie kenne, ist dann immer Los Angeles irgendwie, wo man selbst die Obdachlosen kommodifiziert, indem man sie als ‚urban roughness‘ verkauft. Das ist schon absurd manchmal ein bisschen. S: Ja, und es gibt, also bei Wagenplätzen weiß ich es jetzt noch nicht so, aber in der Hausbesetzerbewegung gab es ja auch schon viele Studien, dass die Viertel, die die meisten besetzten Häuser hatten die ersten waren, die gentrifiziert wurden. Und in Hamburg ist das ja immer noch. Also, wenn ich durch das Schanzenviertel – da sind dann die bunten Häuser zwischen den noblen Schuppen und das finden alle auch ganz schick. Also von daher: Ich mag ja noch so sehr Protest wollen, aber ob das nun ernsthaft irgendeine Auswirkung hat, weiß ich nicht. Da funktioniert Gesellschaft oft anders. Aber ich finde deshalb trotzdem nicht, dass ich jetzt den Wagenplatz aufgeben muss, weil ich befürchte, dass es sonst vielleicht zu einer Gentrifizierung kommt. Nein, also soweit würde ich – nein. I: Ja, aber das stimmt. In Hamburg kenne ich mich auch ganz gut aus, weil ich ja auch aus dem Norden komme. Da ist das ja wirklich extrem. Rund um den Florapark und so. Da ist das ja schon echt krass. Direkt gegenüber von der Flora da die super schicki-micki weiß getünchten Altbauhäuser.

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S: Ja. Also man ist hier in C-Stadt – das sind auch die Viertel die – also der Stadtteil Y war in den 70ern und 80ern auch das Hauptbesetzerviertel. Jetzt ist es das schickste innerstädtische Viertel und pflegt aber immer noch sein Flair, der alternative Stadtteil Y zu sein, dabei kann sich da kein Mensch mehr eine Wohnung leisten. Also der nicht echt ein gutes – also da muss man dann schon Oberstudienrat sein. Also für die Studenten-WG ist da kein Platz mehr. Aber hätte man die Häuser verfallen lassen, wäre es vielleicht auch nicht anders. Vielleicht wäre das dann genauso passiert, wenn es anders gekommen wäre. I: Hmm, was haben wir denn hier noch? Ach ja, genau. Das hattest Du auch schon so ein bisschen angesprochen. Und zwar die Frage, was Gemeinschaft für Dich bedeutet und ob die Platzbewohner eine Gemeinschaft sind für Dich. S: Ja, also das sind sie auf jeden Fall. Es ist nicht so verbindlich vielleicht, wie sich das manche – also weil es doch einen relativ hohen Wechsel hat. Ich glaube jetzt so ungefähr die Hälfte vom Platz wohnt noch keine fünf Jahre hier. Und das ist eigentlich seit ich hier wohne immer so gewesen, dass es Leute gibt, die dann für eine Weile mal das machen und dann halt entweder merken, dass es ihnen irgendwie zu anstrengend ist, oder weil sich dann irgendwie im Privatleben etwas ändert oder ganz häufig, weil man dann irgendwann Kinder bekommt und das dann vielleicht am Anfang sogar noch versucht, aber dass einem alles dann auch zu viel wird. Ich glaube, wenn man das dann eher in einer Beziehung bekommt. Also Alleinerziehende bleiben dann tendenziell eher länger, weil dann hier durchaus auch eine Hilfe da ist. Dass dann der Babysitter nebenan wohnt, ist ja dann auch ganz praktisch. Finde ich auch gut so. Also ist gar nicht böse gemeint. Aber wenn man dann eher in einer Paarbeziehung zu zweit ist und dann mit Kind, dann wird glaube ich auch oft diese Gemeinschaft drum herum oft zu viel. Und dann zieht man irgendwann in eine Wohnung und lässt noch seinen Wagen hier stehen und nach ein, zwei Jahren bemerkt man dann, dass man eigentlich nie mehr zum Wagen kommt und dass man das eigentlich gar nicht mehr schafft. Aber auch das kann ich verstehen. Also das – ja. Also wenn Leute hier einziehen wollen, finde ich schon, dass sie in irgendeiner Weise Interesse zeigen sollten an den Anderen und am Platz. Also, wenn man nur einfach irgendwo quasi billig wohnen, seinen Wagen hinstellen und nichts mit den anderen zu tun haben will, dann sollte man auf einen Camping-Platz ziehen. Also nicht nur, weil ich das dann doof finde, sondern auch für die Leute selber. Sowas wird total schnell dann auch total schräg. Aber das gibt es eigentlich auch selten.

Anhang 4 11 Interviewtranskript Sebastian Oder Leute, die dann merken, dass sie hier gar nicht ankommen. Die muss man auch gar nicht rauswerfen, weil die meistens dann von selbst relativ schnell wieder gehen. Das ist ja auch nicht angenehm für die. Die empfinden dann einmal quer über den Platz als Spießrutenlauf und das will ja niemand. Ja, aber das denke ich ist aber bei den ganzen Wagenplätzen, die ich jetzt so kenne, schon irgendwie immer so ein bisschen Konsens, dass man sich als eine Art von – also ich würde immer eher sagen, es ist eher Dorf als Kommune. Also ein Dorf ist eine Kommune im geographischen Sinne, aber ich meine jetzt so diese Kommune in der linken Tradition. Also eher Dorf, wo man schon irgendwie aufeinander achtet, aber trotzdem jeder noch irgendwie für sich wohnt. I: Gibt es auch Probleme zwischen den Bewohnern? S: Ja. I: Und habt Ihr da irgendeinen Modus, wie die gelöst werden? Nein. Also keinen generellen. Unterschiedlich. Also es gibt immer wieder Konflikte natürlich, wir sind ja irgendwie mit über 20 Leuten, mit 25 Leuten hier. Eigentlich haben wir auch so ein Verfahren beim Einzug. Unser Einzugsverfahren dauert relativ lange. Bis man fest eingezogen ist das dauert mindestens ein viertel Jahr, eher ein halbes Jahr, damit eben auch die Zeit gegeben ist, dass alle sich irgendwie halbwegs kennenlernen. Trotzdem passiert es, dass Leute dann einziehen, wo man eigentlich von vornherein wusste, dass es irgendwann knallt. Und das ist ganz unterschiedlich. Also man kann sich halt auseinanderstellen und weit genug auseinander stehen und versuchen das einfach zu ignorieren. Das geht bei über 20 Leuten schon ganz gut. Was ich auch okay finde. Ich muss ja nicht und kann ja nicht mit allen Leuten, mit denen ich hier wohne, eng befreundet sein. Also das fände ich einen verrückten Anspruch. Wenn es dann sehr stark wird und der Konflikt über zwei Leute oder drei Leute hinausgeht, haben wir sowas auch schon gemacht, dass wir moderierte Plenen gemeinsam gemacht haben und solche Sachen. Ist meistens für alle Beteiligten recht unangenehm. Trotzdem fällt mir halt auch nichts anderes ein. Wenn dann irgendwie Leute da sind, wo die Hälfte der Bewohner sagt, dass es eigentlich so nicht mehr geht, dann – mir tun die Leute immer leid, auch wenn ich selber manchmal auch schon fand, dass Leute echt nicht mehr gehen, aber es ist sehr unangenehm im Zentrum einer Diskussion von 20 Leuten zu stehen. Und das machen wir auch nicht oft. Also wir sind jetzt hier nicht die Psycho-Gruppe, die re-

Anhang 4 12 Interviewtranskript Sebastian gelmäßig irgend so ein – also ist nicht Scientology in klein. Aber auch da ist dann oft die Frage: Bringt das was? Also, weil dann setzt man sich zusammen, reißt sich zusammen und ja man hat sich halt mal ausgesprochen, aber das löst oft so Sachen ja auch nicht endgültig auf, weil das ja oft dann auch Sachen sind, die tiefer liegen. Und sonst wird dann oft halt auch – also meistens wird sich dann einfach gegenseitig ignoriert. Also, wenn man Probleme hat, dann stellt man sich weiter auseinander und, ja. Haben andere Wagenplätze denn ein einheitliches Verfahren? Wahrscheinlich auch nicht, oder? I: Ich weiß nicht. Die zwei, die ich bis jetzt kennengelernt habe, so richtig auch nicht. Die einen machen relativ viel über die Plenen und so, aber natürlich auch nicht immer. Also zwischen zwei Personen wird das da auch bilateral geklärt natürlich. S: Ja, das ist ja auch schwierig. Also ich meine das sind auch so Schwierigkeiten, aber okay. Häufig gibt es ja so Stress, wenn es Beziehungen innerhalb des Platzes gab, die dann auseinander gehen zum Beispiel. Das ist so ein Standard-Brenner. Wo man natürlich auch nicht will, dass dann unbedingt eine Seite geht oder gehen muss, aber auch da müssen die Leute dann auch selber das dann irgendwie checken, wie sie damit zurechtkommen. Weil ich wüsste jetzt auch nicht, wie ich da von außen jetzt bestimmen soll, wer mehr Recht hat oder mehr – aber ich würde jedem raten, keine Beziehung auf dem Platz anzufangen, sondern immer außerhalb. Es sei denn, man hat es für immer geplant. Wenn man sich sicher ist, es ist für immer. I: Vielleicht solltet Ihr ein Testverfahren einführen. Den Bravo Love-Check (beide lachen!)! Ja, genau. Also den zweiten Punkt, den ich hier unter dem Konfliktbereich noch mit habe, den hattest Du auch schon so ein bisschen angesprochen. Jetzt hatten wir ja so ein bisschen die Konflikte nach innen und dann gibt es ja natürlich noch die Frage der Konflikte mit Außenstehenden. Mit der Stadt oder mit dem Eigentümer des Grundstücks, Nachbarn und so weiter. S: Also das Grundstück ist beim Liegenschaftsamt. Also wird von denen als Liegenschaft verwaltet. Und mit dieser Verwaltung haben wir eigentlich ein ganz gutes Verhältnis im Laufe der Jahre bekommen. Also wir können da jetzt direkt anrufen und fragen, wenn irgendetwas ist, oder die kommen auch gleich direkt auf uns zu. Das war nicht immer so, aber hat sich die letzten Jahre - und ich glaube auch für die Stadt war das ganz praktisch – so bewährt. Wir sprechen eigentlich fast nie mit der Politik, sondern eigentlich immer direkt mit der Verwaltung. Und jetzt hier in der

Anhang 4 13 Interviewtranskript Sebastian Nachbarschaft gibt es eigentlich keine – also was ein paar – aber das ist halt eher, weil wir spießige alte Leute sind, was dann manchmal eher Konflikte gibt ist – hier gegenüber ist so eine komische Disco, die schlimme Menschen aus dem Umland anzieht, die dann völlig betrunken irgendwelchen Scheiß über den Zaun werfen oder auch Leute anpöbeln. Aber das ist kein echter Konflikt. Ist dann eher fast lustig, wenn man – naja, eigentlich auch nicht lustig, sondern eher fast beleidigend, wenn man im Kiosk gesagt bekommt, als wir hier her kamen, hätten ja alle Angst gehabt, aber wir wären ja gar nicht so schlimm, wie die Leute, die in die Disco gehen. Wo man dann so denkt: Danke. Warum erzählst Du mir das? Hältst Du das für ein Lob? Aber nein, selbst wenn wir hier Partys, Konzerte machen, wir können das. Also es ist halt auch einfach laut hier eh. Von daher haben wir ein bisschen so – ein bisschen Freifahrt. Also unsere Nachbarn sind sehr duldsam. Also bis die das Ordnungsamt rufen, muss man sich schon sehr aufführen. Aber wir versuchen auch darauf zu achten halt, dass man die Boxen dann so ausrichtet, dass sie Richtung Straße und nach hinten raus Richtung Park gehen und sowas. Dass man jetzt nicht den Leuten das Wohnzimmer beschallt oder so. Das finde ich auch okay. Aber sonst wüsste ich jetzt keinen – also das Viertel hier, der Stadtteil Z, ist ja schon so ein eher – also schon so ein Alternativviertel auch. Also man kriegt es zumindest nicht mit. Also im Stadtteil W hatten wir mal ein Gelände besetzt in den 90ern, da wurden wir dann wirklich an des Führers Geburtstag mit Molotov-Cocktails beworfen. Aber das ist hier jetzt zum Beispiel auch noch nie passiert, dass es hier Angriffe gab oder so. Aber die waren so schlecht gebaut, die konnte man austreten. I: Gott sei Dank! S: Ja, zum Glück. Zum Glück, ja auf jeden Fall. Also das ist gar nicht lustig, aber zum Glück waren die echt so miserabel gemacht, so dass die nicht wirklich gezündet haben. Aber sonst wüsste ich keinen. Nein. I: Und die Stadt macht da im Moment auch keinen großen Stress, oder? S: Gar nicht. Das Gelände ist nicht gut verkaufbar. Also die haben versucht, das wiederholt zu verkaufen. Das ist aber alles hier – das war ja mal eine Tankstelle und Werkstatt. Also das müsste weitgehend hier abgegraben werden. Okay, wenn man es tief unterkellert oder sowas, würde es noch gehen, aber dann mit der Bahn und mit der Straße müsste man Lärmschutz – für Wohnbebauung unglaublich viel Lärmschutz zu drei Seiten hin machen. Das ist sau teuer und teure Wohnungen gibt es

Anhang 4 14 Interviewtranskript Sebastian genug in C-Stadt. Also wenn, dann müsste man eher die Sozialschiene und – also der Bebauungsplan wurde auch dann zig mal geändert. Zuerst war hier mit 60% Wohnraum und so geplant, aber dafür gab es nie einen Investor. Und der letzte, wo die Stadt dann verkaufen wollte, aber das war dann auch recht leicht auszuhebeln, das war dann eben so Gewerbe- und Hotelnutzung und die Wohneinheiten wären dann 30 Wohnungen gewesen, die dann irgendwo ganz am Rand gewesen wären. Und auch da – also der Investor ist dann irgendwann auch abgesprungen, als er gehört hat das Gelände ist schon bewohnt. Wir sind bei dem Architektenbüro, nein es war kein Architekt – die das halt kaufen wollten, mal vorbei und haben den mal, aber wirklich nur mitgeteilt, also wir haben denen jetzt nicht das Büro verwüstet, dass das ja bewohnt ist und ob sie sich darüber bewusst sind. Aber ich weiß nicht, ob sie deshalb abgesprungen sind oder ob sie nicht dann eh gesagt haben, das ist zu viel Stress und lohnt sich nicht. Ich meine das gibt, wenn man in C-Stadt fragt, die Stadt nach Liegenschaften, was denn zu verkaufen wäre, da gibt es so eine richtig lange Liste, da ist dieses Gelände immer dabei. Also es nicht so, dass die Stadt das nicht versucht. Würde ich an ihrer Stelle wahrscheinlich auch machen, weil die Stadtkasse ist immer pleite. Wenn man zehn Millionen bekommen kann für so ein innerstädtisches Gelände, ist das ja, also – aber ich will es nicht kaufen (lacht!) I: (lacht auch!) Ich glaube ich auch nicht. Mal ganz davon abgesehen, dass ich weit davon entfernt bin, mir irgendein Grundstück kaufen zu können. S: Ja, die Kaufpreise waren immer so hoch. Andere Städte haben das ja gemacht. G-Stadt glaube ich hat irgendwann den Wagenplatz gekauft, weil die ein unglaublich günstiges Angebot für das Gelände bekommen haben, aber hier war das immer gleich so hoch, dass man auch gar nicht auf die Idee kommt, sich zu überlegen, ob es sich lohnt. Also von den ehemaligen besetzten Häusern in C-Stadt sind fast alle – haben sich die irgendwann selber gekauft. Wenn man zehn Jahre Miete spart, kann man natürlich auch irgendwann das Haus kaufen, in dem man wohnt (lacht!). I: Ja, was ich als letztes hier noch stehen habe, aber das ist auch ein Aspekt, der so ein bisschen in Richtung der Gemeinschaft geht vielleicht auch ein wenig in die Richtung des politischen Protests, das ist die Frage, ob man sich als Wagenplatzbewohner eigentlich auch ein Stück weit bewusst von anderen Menschen abgrenzt die nicht auf dem Platz wohnen?

Anhang 4 15 Interviewtranskript Sebastian S: Das versuche ich eigentlich nicht. Also ich versuche damit eigentlich eher – also ich – nein. Also wenn, dann nicht, weil ich Wagenplatzbewohner bin. Dann eher... also mein Freundeskreis oder sowas teilt ungefähr meine politischen Überzeugungen. Ungefähr, aber auch das ist wahrscheinlich relativ normal. Aber ich fühle mich jetzt weder irgendwie besser, als die anderen Bewohner – nein, auf gar keinen Fall. Nein, würde ich jetzt nicht wollen. Es kommt immer drauf an: Ich sage auch den Leuten, wo ich wohne, wenn sie mich fragen, aber ich muss das jetzt auch nicht jedem erst mal auf die Nase binden, dass ich im Zirkuswagen in der Stadt wohne. Es verliert aber auch das Besondere. Wenn man das irgendwie ein paar Jahre macht, fragt man sich immer, was die Leute so besonders daran finden. I: Und dann kommen solche Leute wie ich und finden es wieder besonders (beide lachen!) S: Ist wahrscheinlich natürlich. I: Das tut mir leid. S: Muss es nicht. Aber das ist dann echt immer sowas: Weiß ich nicht jetzt. Was unterscheidet sich? Keine Ahnung. Ich muss mir Schuhe anziehen auf dem Weg zum Klo, wolltest Du das hören? I: Vielleicht sehe ich das auch zu sehr durch eine naive Brille. S: Das ist aber auch normal. Von außen sehen Sachen immer anders aus. Also zu mir passt das Leben auf dem Wagenplatz und so und würde ich jetzt in irgendein Haus ziehen, dann würden sich schon immer viele Fragen stellen. Also da würde sich schon vieles verändern. Aber ich habe mich das die letzten Jahre auch nie gefragt. Allein schon, weil ich auch meiner geliebten Katze – also der könnte ich das nie antun, dass die jetzt in eine Wohnung ziehen müsste. Das würde die nicht verkraften. Und solange die lebt, stellt sich die Frage gar nicht. Ich will aber halt auch in einer größeren Gemeinschaft wohnen. Das ist für mich schon etwas, das – auch, wenn ich in ein Haus ziehen würde, ich könnte mir jetzt nicht vorstellen alleine zu wohnen. Das habe ich noch nie gemacht. Ich habe immer, schon bevor ich ausgezogen bin – ich bin ja in einer Großfamilie aufgewachsen, ich bin in eine WG gezogen, ich habe noch nie alleine gewohnt. Als kleinste WG habe ich zu dritt gewohnt und das fand ich schon oft, wenn die anderen beiden nicht da waren, dachte ich oft:

Anhang 4 16 Interviewtranskript Sebastian Gott, ich vereinsame. Also ich kann schon auch gut alleine sein mal, also einen Tag auf meinem Bett rumliegen und nichts machen, aber jetzt ganz alleine wohnen: Nein. Also ich finde das schon netter, wenn ich rausgehe und dann die Leute kenne, die da sind, und nicht so das Gefühl habe ich möchte jetzt die Scheuklappen anziehen. I: Ja, dann sind wir soweit fast durch. Was ich als letzten Punkt hier noch drauf stehen habe, ist die Bitte an Dich, ich weiß nicht, ob man das so in Worte fassen kann, aber wenn man das kann: so die drei wichtigsten Gründe, warum man sich für ein Leben auf dem Wagenplatz entscheiden, kann, sollte, möchte... S: Also bei mir war es – also der erste Grund war: Ich wollte mit vielen Leuten also mit mehr Leuten zusammen wohnen und das mit dem gemeinsamen Hausprojekt hat nicht geklappt, also hat sich der Wagen ergeben. Das war der erste Grund. Jetzt muss ich mir noch zwei andere, die mir spontan nicht einfallen... I: Du musst ja nicht. S: Ich kann es ja mal versuchen. Warum Wagen? Also ich glaube, das war schon der zentrale Grund, warum ich da eingezogen bin. Die anderen Sachen haben sich so ergeben. Also nein, ich wüsste jetzt – nein. I: Wir müssen das ja auch nicht an der Zahl jetzt irgendwie festmachen. S: Ich könnte eher noch ein paar Gründe sagen, die gegen Wagen sprechen. Wie gesagt, die sechs Außenwände und dass die Kälte immer von unten kommt. Das zum Beispiel. Dass man Temperaturunterschiede im Wagen zwischen oben und unten von 15 bis 20 Grad hat. Aber auch das geht. Mit Teppichboden und so kann man das dann auch ausgleichen. Aber sonst... I: Okay. Dann bedanke ich mich auf jeden Fall bei Dir recht herzlich für das Mitmachen.

Anhang 5 1 Interviewtranskript Tobias Anhang 5: Interviewtranskript Tobias Interviewer: Lars Kraehnke (abgekürzt: I) Interviewte Person: Tobias (abgekürzt: T) Ort: C-Stadt Datum: 23.11.2013 Dauer: 51 Minuten und 56 Sekunden

I: Ich hatte Dir ja schon erzählt, dass ich mich im Rahmen meiner Modulabschlussprüfung mit dem Thema Wagenplätze so ein bisschen auseinandersetzen will und versuchen will das Phänomen, wenn man es so nennen kann, ein bisschen aus so einer lebensweltlichen Perspektive heraus betrachten möchte. Vielleicht können wir so anfangen, dass Du einfach mal, wenn Du möchtest, erzählst, wie Du überhaupt selbst auf den Wagenplatz gekommen bist. T: Ja. Also das erste Mal auf dem Wagenplatz war ich – wann war denn das? – 93. In H-Stadt an der L-Straße. Das war eher Zufall. Das war so KlischeeStraßenpunker und da kam halt ein Typ auf uns zu und hat gesagt, er hat da einen Wagen stehen, den er halt irgendwie nicht nutzt, und den können wir zum Überwintern nehmen. Und da habe ich dann halt einen Winter das erste Mal im Wagen gewohnt und hatte aber wenig Kontakt mit den Leuten von dem Platz. Das war jetzt auch nicht so das Klientel, wo ich Bock drauf hatte. War halt viel so aus dem Rockerumfeld. Und wir sind dann auch früher da wieder raus und ich habe mich selber also mehr in der Hausbesetzer-Szene aufgehalten, hatte dann aber mehrere Beziehungen zu Frauen, die auf Wagenplätzen gewohnt haben, und hatte da dann auch schon mal immer wieder Kontakt zu Wagenplätzen. Und dann war vor ungefähr zehn Jahren – hat sich eine Gruppe in H-Stadt gebildet, die halt einen neuen Wagenplatz aufmachen wollte und wo ich halt auch zugehört habe. Und das war ja auch ein bisschen so ein kleiner Hype da so. Das war so die Bambule-Zeit, wo Wagenplätze nochmal irgendwie stark so in den Vordergrund gerückt sind. Und ja, aus dieser Gruppe ist halt nie etwas geworden. Die meisten von denen wohnen mittlerweile in Wagen, aber auf verschiedenen Plätzen. Und das als sich das immer weiter nach hinten gezogen hat, brauchte man natürlich auch erst mal einen Stellplatz. Und es war eine Frau von diesem Platz hier, die auch in dieser Gruppe war, und dadurch bin ich auf diesen Platz hier gekommen und habe dann erst mal gefragt, ob ich hier als Gast stehen kann bis wir halt etwas besetzen. Und wie sich dann her-

Anhang 5 2 Interviewtranskript Tobias ausgestellt hat es gibt nichts, dann habe ich dann nach ein paar Monaten hier einen Antrag gestellt, dass ich einziehen darf. War anfangs auch eher so ein bisschen skeptisch auf diese Umstellung von Wohnung irgendwie auf Wagen, ob ich das so hinkriege. War glaube ich auch ganz froh, so einen großen Wagen gekriegt zu haben, was doch die Umstellung ein bisschen leichter macht, wenn man relativ viel Platz dann doch mal hat, und es hier auch ein Platz ist, wo es Strom und Wasser gibt. Das finde ich heute nicht mehr so zwingend erforderlich, aber so für den Einstieg war das auf jeden Fall schon mal – hat es das auf jeden Fall schon mal leichter gemacht. Allerdings war das auch damals hier eine Phase, wo der Platz eigentlich umziehen sollte. Räumung stand halt nicht mehr an irgendwie. Es war schon so weit, dass hier ein Ersatzgelände-Vertrag unterschrieben wurde, und sich dann aber herausgestellt hat, dass der Investor abgesprungen ist. I: Für das Grundstück hier? T: Für das Grundstück hier, ja. Und wir uns dann halt geweigert haben umzuziehen. Ja, das war so mein Einstieg in das Wagenleben. I: Du hattest eben gesagt: ‚Die Umstellung von der Wohnung auf einen Wagen‘. Du hattest den Platz angesprochen. Was würdest Du noch an den... an welchen Unterschieden würdest Du das Wohnen festmachen so Wohnung versus Wagen? T: Es spielt sich halt schon sehr viel draußen ab. Ich habe mittlerweile auch rausgefunden, oder relativ schnell, dass man eigentlich viel mehr Platz halt in Anspruch nimmt, als in einer Wohnung. Also ich habe auch schon in einer 20 Quadratmeter Wohnung gewohnt, aber wenn man das alles so zusammenzählt und es spielt sich ja nicht nur im Wagen ab, vieles draußen, man hat halt einen Holzschuppen oder mehrere, dann Baustoffe, die man irgendwo lagert, dann einen Klowagen, Badewagen und so. Im Großen und Ganzen nutze ich gerade mehr Fläche, als ich jemals in einer Wohnung hatte. Aber vorher habe ich halt einfach nur die Größe des Wagens im Kopf gehabt. Und klar, hier ist dann halt – Abwasser geht in einen Kanni [Kanister; L. K.] und das trägt man dann halt zum Gully. Das ist jetzt irgendwie nicht – also wenn man es gewohnt ist irgendwie kein großes Ding, aber ist erst mal, also ich habe mich da auch relativ schnell dran gewöhnt, aber erst mal ist es schon etwas anderes, dass man kein fließend Wasser im Wagen hat, dass man das Wasser sich erst besorgen muss, das ist halt alles zeitintensiver und ich finde schon, dass man dadurch Sachen auch mehr wertschätzt. Du machst halt nicht einfach den Hahn auf

Anhang 5 3 Interviewtranskript Tobias und lässt Wasser laufen, sondern musst halt Deinen Kanister voll machen und wenn der leer ist, musst Du halt neues holen. Und auf Plätzen, wo es kein Wasser gibt, muss man halt noch mehr haushalten. Und wenn man baden will, wenn es jetzt nicht gerade kalt ist, also man sich kalt abduschen will, dauert das halt schon. Erst mal Holz machen, dann den Ofen anmachen, warten bis der Boiler heiß ist. Im Winter kann das auch mal drei Stunden dauern. Das ist halt schon ein ziemlich zeitintensives Leben im Wagen. I: Das heißt, das wirkt sich dann auch im Prinzip auf Deinen Alltag ein bisschen aus? T: Ja, auf jeden Fall. Ich denke schon. Also auch, wenn ich nur eine Halbtagsstelle habe, bin ich doch den ganzen Tag beschäftigt. I: Hast Du Deinen eigenen Wagen auch selbst ausgebaut? T: Nein. Der stand schon hier. Den habe ich übernommen von der Frau, die damals auch in dieser Besetzergruppe war. Die ist in einen LKW umgezogen. Allerdings war der ziemlich schlecht isoliert und ich habe schon noch einige Umbauten gemacht. Die Fenster die habe ich halt alle selber eingesetzt. Wie gesagt dicker isoliert. Die Innenverkleidung habe ich neu gemacht. Das halt schon. Also das ist halt auch etwas, dass man in einem Wagen relativ schnell eigentlich lernen muss, so ein paar handwerkliche Kniffe zu beherrschen. I: Da wäre ich schon verloren. T: Naja. Also ich – hätte ich halt nie gedacht. Ich glaube im Vergleich zu vielen Wagenmenschen bin ich immer noch recht dilettantisch, aber im Vergleich zu vielen Wohnungsmenschen kann ich doch recht viel. Ich vermesse mich bis heute, obwohl ich schon seit zehn Jahren im Wagen wohne, immer wieder. Ich muss Sachen irgendwie wieder zurecht schleifen oder – also richtig gerade ist es halt auch selten, aber es passt irgendwie. Und das ist auch etwas, was ich eigentlich ganz cool finde, dass man, weil man halt gezwungen ist Sachen selber zu machen, irgendwie das auch relativ schnell lernt, also auch learning by doing. Also das ist jetzt nicht irgendwie so, dass man sagt ich kann das nicht und die Leute machen das für einen. Also man kriegt schon Hilfe, aber es ist schon der Anspruch, dass man es halt auch selber lernt und kann und ja, das ist so etwas, was man halt so nebenbei lernt,

Anhang 5 4 Interviewtranskript Tobias auch, wenn man sich jetzt nicht viel mit Schreinerei beschäftigt. Trotzdem kann man viele Sachen auf einmal. Die Menschen, die im LKW wohnen, die können alle zumindest rudimentär schrauben. I: Verbindet einen das auch mit seinem Wagen? Stärker als vielleicht mit einer Wohnung, wo man nicht so viel selber macht? T: Also mich auf jeden Fall. Also es gibt ja schon in der Wagenszene Leute, die halt mit Wagenausbau auch Geld machen, was ich persönlich nicht so cool finde. Irgendwie ist das nicht Sinn der Sache, aber es gibt schon einen Markt dafür. Wenn man mal bei Wagendorf guckt, dann fangen die meisten Bauwagen irgendwo bei 10.000 EUR an. Ich fand den hier für 1.200 EUR schon teuer. Aber klar, die Leute haben da halt nicht so die Verbindung zu. Die wohnen dann da teilweise ein halbes Jahr oder ein Jahr drin und dann wird der verkloppt und dann kommt ein neuer. Da kenne ich auch einige, die das mit LKWs so machen. Aber ich hänge schon sehr an dem Wagen. Das ist schon ein Unterschied, ob es jetzt der ist oder ein anderer. I: Hmm, jetzt muss ich doch mal auf meinen Zettel gucken. Du hast gesagt, Du hängst an dem Wagen. Gilt das auch für den Platz an sich? T: Ja. Teils, teils. Also klar, ich bin jetzt fast zehn Jahre hier auf diesem Platz und das ist natürlich auch eine lange Zeit. Entsprechend verbinde ich halt viel mit dem Platz. Und ich finde diesen Platz hier auch wichtig, weil er eben innenstadtnah ist und weil es kein reines Wohnprojekt ist. Allerdings war das – war so meine Vorstellung von Wagenleben eher eine andere. Also ich hatte eher etwas grüneres und doch so etwas mehr ökologischem Bewusstsein im Kopf. Und das ist eigentlich auch immer noch, dass ich persönlich schon auch Bock auf etwas grüneres hätte. Andererseits, wenn ich jetzt die Plätze in C-Stadt mir angucke, ist jetzt kein anderer Platz hier in C-Stadt irgendwie von den bestehenden Plätze, wo ich halt wohnen wollen würde. Aber ich glaube schon, dass die Gruppe eher wichtiger für mich ist, als der Standort selber. Wie gesagt, ich finde es wichtig, dass es hier so einen innenstadtnahen Platz gibt, aber wie gesagt, die Gruppe ist finde ich eher das Ausschlaggebende für die Wahl des Platzes. I: Okay, das heißt – kann man dann sagen, dass sich die Gruppe der Platzbewohner hier schon als Gemeinschaft versteht? Kann man das so interpretieren.

Anhang 5 5 Interviewtranskript Tobias T: Schon. Das schon. Es ist jetzt keine homogene Gruppe. Es ist schon auch eher ein lockerer Verband. Also schon eher Selbstversorger. Wo es dann innerhalb der großen Gruppe wieder Kleingruppen gibt, die dann mehr miteinander zu tun haben. Aber trotzdem gibt es schon so ein Gemeinschaftsgefühl. Wir machen ja auch schon gemeinsame Aktivitäten wie das Plenum. Also ich kenne auch Plätze, wo das Gemeinschaftsgefühl kleiner ist als hier. Und auch umgekehrt. Kenne ich auch. Das ist schon – doch finde ich schon. Doch so ein Gemeinschaftsgefühl gibt es auf jeden Fall. I: Trotzdem gibt es ja wahrscheinlich auch ab und zu mal Unstimmigkeiten und Probleme zwischen den Bewohnern. Gibt es da irgendeinen bestimmten Modus, wie man die löst? T: Klar. Also Unstimmigkeiten gibt es immer wieder. Wir sind über 30 Personen und auch die Bewohnerschaft wechselt relativ häufig. Es gibt halt ich würde sagen so die Hälfte irgendwie, die halt sehr lange hier wohnt, und dann also je nach Motivation halt. Es gibt halt die Leute, denen es um das Wagenleben geht, dann gibt es halt die, die in einem politischen Projekt wohnen wollen. Das sind eigentlich eher die, die halt nach ein, zwei Jahren oder drei Jahren wieder ausziehen und dann in das nächste Projekt ziehen. Ich finde halt beide wichtig. Aber klar, es ist halt schwierig, so einen Konsens zu finden bei so einer heterogenen Gruppe. Was, insofern ist das teilweise ja rudimentär, was halt Konsens ist, ist halt: Keine Gewalt oder Gewaltandrohung unter Mitbewohnern. Und wenn Sachen sich persönlich nicht klären lassen, dann gibt es halt immer das Plenum. Und da wird auch alles per Konsens entschieden. Es gibt ein Veto-Recht und ja, was Definitionsmacht betrifft irgendwie, kommt es immer drauf an, wie gerade die Konstellation ist. Also wir haben da auch schon Probleme mit gehabt, wie das hier läuft mit der Definitionsmacht. Halt, das der ausgenutzt hat, was allen bewusst war, aber trotzdem der hatte halt die Definitionsmacht und man muss darauf eingehen auch wenn man wusste oder das Gefühl hatte das wird gerade ausgenutzt. I: Was meinst Du mit Definitionsmacht jetzt? T: Naja, die Grenzen der Leute sind ja sehr unterschiedlich. Was man halt schon als Gewalt irgendwie definiert. Das kann ein Blick sein oder übergriffiges Verhalten. Also das meine ich halt mit Definitionsmacht. Also jeder muss halt für sich definieren, wo seine Grenzen sind. Und wenn diese Grenzen aber sehr stark irgendwie

Anhang 5 6 Interviewtranskript Tobias auseinanderklaffen bei den Leuten, das ist dann schwierig manchmal einen Konsens zu finden. Und je nach Gruppenkonstellation wird diese Definitionsmacht sehr verteidigt. Auch, wenn man eigentlich nicht dahinter steht. Und manchmal halt irgendwie gibt es dann auch Konstellationen, wo dann gesagt wird: Das nehmen wir Dir nicht ab. Das ist halt beides schwierig. Zum einen kann man in den Mensch nicht reingucken und weiß nicht, ob – also man kann nicht mit Sicherheit sagen irgendwie nutzt der das gerade aus oder nicht. Nein, aber was Konflikte betrifft: Eigentlich versucht man Sachen untereinander zu klären, ansonsten über das Plenum. Wir hatten auch schon einen Mediator zum Beispiel, weil wir dann gesagt haben: Okay, wir holen jetzt Hilfe von außen. Aber das wird dann individuell entschieden. I: Um vielleicht noch einmal das zweite, sich logisch anschließende Konfliktfeld irgendwie nochmal anzusprechen: Das wären dann ja Konflikte mit außen, nenne ich es jetzt einfach mal. Mit Außenstehenden. Mit der Stadt, mit Anwohnern, mit dem Grundstückseigentümer oder wem auch immer. Gibt es sowas oder ist das eher bei Euch eine ruhige Situation? T: Also Eigentümer ist die Stadt. Ein kleiner Streifen gehört der AWB. Und theoretisch steht das Gelände zum Verkauf. Es ist auch immer wieder mal irgendwie, dass wir dann Gerüchte hören, dass es halt Interessenten gibt. Allerdings würde ich sagen, dass es eigentlich seit neun Jahren recht ruhig ist. Und zuletzt war jetzt, vor zwei Monaten war das, dass die FDP einen Antrag gestellt hat in der Ratssitzung, dass hier Studentenwohnungen gebaut werden. Ein paar Wochen vorher war das Studentenwerk auch schon mal hier auf dem Platz und hat sich schon mal umgeguckt. Ist halt dann rausgeschmissen worden. Allerdings ist das im Rat abgelehnt worden. Wir haben ja gerade die SPD an der Regierung und die haben sich mit dem AZ [Autonomes Zentrum; L. K.] schon ziemlich in die Nesseln gesetzt. Die haben doch irgendwie nicht damit gerechnet, wie massiv die Proteste werden. Und ich glaube nicht, dass die gerade Bock darauf haben, in ihrer Amtszeit noch so was sich anzutun. Also den Platz gibt es schon recht lange und sie sind sich bewusst, wie vernetzt wir sind. Allerdings sind im Mai Wahlen und je nachdem, wie das ausgeht, kann das natürlich sich auch noch mal ändern die Situation dann. I: Und wie ist das mit den Anwohnern, die hier drum herum wohnen? Beschweren die sich oder haben die da irgendwie ein Problem mit, dass hier jetzt der Platz ist?

Anhang 5 7 Interviewtranskript Tobias T: Also klar gibt es bei Konzerten oder Partys immer mal die Situation, dass die Polizei kommt wegen Ruhestörung. Aber so im Großen und Ganzen, also wenn ich mich im Park mit anderen Hundebesitzern unterhalte, ist das eher Neugierde. Und ansonsten gibt es immer mal wieder Phasen irgendwie, wo öfter mal Flaschen irgendwie über den Zaun fliegen oder der Zaun eingetreten wird, aber das ist halt – sind dann eher Discobesucher. Wir sind halt genau zwischen Disco und Puff. Und auf dem Weg kann man dann ja mal... I: Dann habe ich noch eine Frage, die auch noch so ein bisschen in den Komplex eigentlich mit reingehört, und zwar die Frage, wie jetzt das Verhältnis eigentlich von Dir jetzt als Wagenplatzbewohner allgemein zu Nicht-Wagenplatzbewohnern ist. Also fühlt man sich als Wagenplatzbewohner und grenzt sich ein Stück weit von der Außenwelt ab? So seine eigene Welt irgendwie? Oder spielt das überhaupt keine Rolle im Alltag? T: Hmm. Im Alltag glaube ich eher nicht so. Also es gibt schon – klar – irgendwie ein Zusammengehörigkeitsgefühl ein Stück weit unter Wagenmenschen. Ist auch, wenn hier jemand vorbeikommt zu Besuch und sagt er kommt von einem anderen Platz, ist es halt eigentlich nie ein Thema sich hier abzuparken oder in einen Gästewagen zu gehen. Bei anderen guckt man sich die Leute dann eher mal genauer an. Sollte man bei Wagenmenschen manchmal auch tun. Aber ich meine das ist ja auch so ein Vorteil der Wagenszene. In den meisten Städten gibt es Wagenplätze und wenn man sagt man kommt von einem anderen Platz, hat man meistens auch eine Unterkunft dann. Für eine Zeit zumindest. Und ich finde schon auch so innerhalb der Linken, dass man schon auch Unterschiede sieht zwischen zum Beispiel einer AZSzene oder der Wagenszene. Also ich finde die Wagenszene ist viel praktischer veranlagt. In der Wagenszene fehlt oft so ein bisschen der theoretische Background. Also nicht bei allen, klar. Aber so im Schnitt. Während so eine AZ-Szene oft sehr verkopft ist. Und dann fehlt da so viel der praktische Bezug. Aber jetzt im Umgang mit so einem Ottonormalverbraucher würde ich mich jetzt nicht abgrenzen. I: Du hattest jetzt eigentlich schon so ein bisschen übergeleitet in einen Punkt, den ich hier auch noch stehen habe, und zwar die Frage, Du hattest das jetzt als praktischer veranlagt und als verkopft bezeichnet, ich habe das jetzt hier als die Frage stehen, ob der Wagenplatz eigentlich auch eine politische Aussagekraft beinhaltet. Ich habe hier noch stehen: Beispielsweise als Form des Protests gegenüber den

Anhang 5 8 Interviewtranskript Tobias herrschenden Verhältnissen, aber es gibt natürlich auch andere Formen politischen Protests. T: Klar. Also ich denke in der Entstehung auf jeden Fall. Aber ich denke schon, dass bei vielen lange bestehenden Projekten hast Du dann auch Bewohner die damit überhaupt gar keinen politischen Anspruch haben. Die dann einfach das gesehen haben, das ganz nett finden, das ausprobieren wollen und dabei bleibt es dann. Gerade, wenn so Wohnprojekte recht sicher sind. Man merkt das dann, wenn dann irgendwie wieder so ein Gerücht aufkommt oder wie jetzt mit der FDP, dass dann einigen dann doch nicht bewusst ist, dass das hier eher eine unsichere Situation ist. Also auch immer gewesen ist so. Ja, hier sind auch einige Leute, die hier nicht wohnen würden, wenn es keinen Strom und kein Wasser geben würde oder halt diese Bedrohungssituation ständig wäre. Also ein Freund von mir der wohnt in I-Stadt auf dem Wagenplatz zum Beispiel und die ziehen ständig um. Die sind dann froh, wenn sie mal einen Vertrag für ein halbes Jahr haben. Und bei so Plätzen ist natürlich der politische Anspruch ständig präsent, während bei Projekten, die es halt schon lange gibt, das halt oft auch ein bisschen verloren geht. Also ich finde schon, dass sowas eine politische Aussage hat, aber dass das nicht unbedingt den Bewohnern immer präsent ist oder dass nicht alle Leute, die hier hin ziehen, das mit einem politischen Background machen. Oft dann erst, wenn es dann haarig wird. Wo das dann in das Bewusstsein kommt oder Plätze dann auch aufgeschmissen sind. Das habe ich auch schon erlebt. Plätze, die halt völlig raus aus der Szene waren und dann, wie sie geräumt werden sollten, sich dann erst mal das ganze Wissen und die Kontakte erarbeiten mussten und das dann teilweise auch zu spät sein kann. Ja, das ist halt ein Beispiel irgendwie für eine andere Wohnform oder für eine andere Lebensform. Also, ich lehne ja das derzeitige System ab so und glaube aber nicht an eine große Revolution, sondern denke eher, dass durch vorleben man irgendwie Menschen zum Umdenken bewegen kann oder halt Denkanstöße geben kann. Und ich sehe da jetzt auch nicht meine Meinung als jetzt irgendwie die ultima ratio. Ich lerne ja auch ständig dazu und bin ja auch offen so irgendwie für Input, aber ich finde das ist irgendwie der Weg, wie man irgendwie Gesellschaft beeinflussen und ändern kann. I: Kannst Du das in Worte fassen, was genau der politische Anspruch dabei ist? Kann man das so verbalisieren? T: Naja. Es wurde sich Raum angeeignet. Und dann ist das hier nicht so unpersönlich, wie in einem Mietshaus. Man ist aufeinander angewiesen, dadurch, dass das ja

Anhang 5 9 Interviewtranskript Tobias nicht wirklich legal ist sondern nur geduldet und dass hier viele Sachen nur funktionieren, indem man miteinander kommuniziert und sich hilft. Und das ist ja schon irgendwie so eine Stoßrichtung in eine andere Gesellschaftsform und auch, wenn das Leben hier natürlich auch stark vom Kapitalismus beeinflusst ist, ich meine wir leben in diesem System, aber ja – das Zeigen auch, dass man sich auch Raum nehmen kann und ja, dass man halt nicht so – also unsere Gesellschaft individualisiert sich ja sehr, was ja auch mit sehr viel Vereinsamung einhergeht. Und das ist hier halt nicht der Fall. Hier ist ja eher das Gegenteil. Manchmal hätte man gerne ein bisschen mehr Ruhe. I: Okay, jetzt sind wir hier irgendwie so kreuz und quer durchgegangen, dass ich selber nicht mehr weiß, worüber wir schon gesprochen haben und worüber nicht. Ähhm, genau. Hier haben wir noch den einen Punkt und zwar ist mir aufgefallen, beziehungsweise ist das ja eine allgemeine Erkenntnis, aber im Hinblick auf meine Fragestellung aufgefallen, dass so ein Wagen ja Räder hat. Das liegt ja in der Natur der Sache eines Wagens. Macht das einen Unterschied? Also spielt Mobilität irgendwie eine besondere Rolle, wenn man im Wagen wohnt? T: Teils, teils. Also hier ist halt das Ding, dadurch, dass der Platz halt nicht legal ist, sondern geduldet, also so halb-legal nur und zumindest, wie ich hier hingezogen bin, es noch sehr präsent war, gibt es hier halt sehr wenig feststehende Bauten. Ich glaube der Platz sähe auch anders aus, wenn von vornherein klar gewesen wäre, man kann hier 20 Jahre bleiben auf dem Grundstück. Und zum anderen ist dadurch, dass dieser Platz so innenstadtnah ist, ist er auch sehr voll und es muss auch immer mal wieder Platz geschaffen werden irgendwie für neue Leute. Insofern ist es hier schon recht wichtig, dass die Wagen auch ein Stück weit beweglich sind. Also mit einem zentralen Platz ist man halt auch in der Verantwortung viel Wohnraum zu bieten. Bei einem Platz der sehr außerhalb ist, finde ich kann man sich auch eher den Luxus leisten viel Platz, also viel Raum um sich herum zu haben, weil da der Bedarf nicht so hoch ist. Also hier ist es ja auch – der Platz ist ja relativ laut und da sind ruhige Plätze natürlich sehr begehrt und wenn so ein Platz mal frei wird, dann ist es natürlich schön, wenn Dein Wagen noch beweglich ist und man sich auf den ruhigen Platz stellen kann. Andererseits kenne ich aber auch Plätze irgendwie, wo das Grundgerüst noch ein Wagen ist und das mittlerweile eher feststehende Bauten sind. In H-Stadt zum Beispiel.

Anhang 5 10 Interviewtranskript Tobias I: Ja. In A-Stadt war das, da wo ich auf dem Platz war, auch relativ stark so, dass die dann Anbauten, Ausbauten, Umbauten, zwei Wagen mit einem Mitteltrakt verbunden und alles Mögliche hatten. T: Ja. Also in H-Stadt hinter der N-Straße der Wagenplatz jetzt, da war halt auch klar – also die N-Straße ist halt ein komplett besetzter Straßenzug, der ist in den 80ern besetzt worden und die haben ich glaube 91 einen 20-Jahres-Vertrag gekriegt – da war dann halt klar, solange die Verträge gelten ist auch der Bauwagenplatz safe. Der ist halt hinter den Häusern. Und da ist kein Wagen mehr so wirklich so. I: Du hast das jetzt so auf einen praktischen Aspekt irgendwie reduziert. Kann man das auch irgendwie auf so einen gefühlsmäßigen Aspekt bringen? Also macht einen das, ich weiß nicht, freier, wenn man irgendwie Räder unter dem Arsch hat? T: Naja, es ist ja schon ein Unterschied, ob Du jetzt im LKW wohnst oder im Bauwagen. Also mit einem Bauwagen fährst Du halt nicht mal eben so los. Für die Leute, die im LKW wohnen, ist das mit Sicherheit ein Gefühl von ‚Ich kann jederzeit losfahren‘. Tun die meisten auch, die im LKW wohnen, dass sie öfter mal woanders hinfahren oder sich woanders abparken. Sonst würde es sich nicht lohnen. Ich finde das Wohngefühl im Bauwagen ist schon etwas besseres als im LKW. Aber ich habe jetzt nicht das Gefühl, ich kann jetzt hier jederzeit mit meinem Wagen herumfahren. Ich würde den schon gerne mitnehmen, wenn ich hier ausziehe. Also ich kann mir gerade nicht vorstellen in einer Wohnung zu wohnen. Aber ich habe jetzt nicht die ganze Zeit so präsent, ich wohne in einem Gefährt. Also ich habe eine Zugmaschine, haben die meisten, die im Wagen wohnen ja nicht, allerdings mit Deichsel komme ich dann auf elf Meter plus Trecker und das ist jetzt auch nicht mal eben zum herumfahren. Ich habe mir letztes Jahr einen kleinen Bauwagen gekauft. Der ist fünf Meter lang. Nein, gar nicht wahr: Vier. Vier Meter lang. Und mit dem habe ich vor auch mal herumzufahren. Das ist auf jeden Fall ein anderes Fahrgefühl, als mit einem LKW, also ich fahre dann eher mit 30 km/h, aber den habe ich halt damals gekauft, weil ich auf einen anderen Platz ziehen wollte und ich mir nicht sicher war, ob das mit der Gruppe passt. Und ehe ich dann mit diesem riesen Schiff da rüber fahre und eventuell dann wieder zurück, habe ich erst mal den kleinen gekauft. Und nachdem die Stadt uns das Gelände halt wieder abgenommen hat, bevor der erste Wagen da stand, und sich die Gruppe so zersplittert hat, habe ich den jetzt erst mal behalten, allerdings verliehen. Also es wohnen jetzt gerade Leute da drin, aber ich

Anhang 5 11 Interviewtranskript Tobias habe ihn halt nicht gebraucht so. Habe halt vor den Trecker zu TÜVen und dann damit mal herumzufahren ganz entspannt. I: Aber Du würdest dann trotzdem hier den Wagen so als Basiszuhause irgendwie behalten? T: Ja. Also es wäre jetzt auch nicht, dass ich da mit dem Wagen dann ewig unterwegs wäre. Mit dem kleinen. Nur halt diese Möglichkeit mal so kleine Touren zu machen. Wo ich halt manchmal Leute im LKW beneide, ist halt dieses, wenn man mal irgendwie Ruhe – also die Schnauze voll hat oder so, einfach mal rausfahren, sich an den Fluss stellen, auf einen anderen Platz stellen und runterkommen. Wir stehen hier schon sehr eng. Also es ist ein Platz, wo Du sehr viel ausleben kannst. Also Du kannst hier – hast hier sehr viele Möglichkeiten, was Veranstaltungen betrifft und, und, und. Aber dadurch, dass wir so eng stehen, ist es auch schwer hier mal zur Ruhe zu kommen. Du bist halt schon in so einem Dauerstress. Also Lärm, Nachbarn, ständig Besucher, ständig Veranstaltungen so. Ja, das war auch damals meine Intention mit dem anderen Platz. Der wäre halt auch gar nicht weit gewesen. Wir waren da irgendwie zu siebt und der wäre grün gewesen und mit dem Auto 15 Minuten von hier entfernt. Das war auch noch in C-Stadt. Also mein Traum wäre gewesen, diesen Platz noch weiter zu nutzen, aber dann auf einem ruhigen Platz zu wohnen in einer kleineren, homogeneren Gruppe. I: Ich habe jetzt gerade so ein bisschen aus Versehen oder unreflektiert den Begriff Zuhause benutzt, aber vielleicht ist das gar nicht so ein schlechter Punkt, um da noch mal einzuhaken. Ist der Platz hier für Dich denn ein Zuhause und wenn ja, was macht ihn dazu aus Deiner Sicht? T: Na klar ist das mein Zuhause. Naja, was macht ein Zuhause zu einem Zuhause? Es ist halt eine vertraute Umgebung und hier habe ich irgendwie meine Homebase und ja... I: Meine Idee dahinter war jetzt gerade, viele Außenstehende oder, ich weiß nicht, ob man das so sagen kann, viele Befürworter einer möglichen Räumung oder was weiß ich – ich weiß nicht, ob so argumentiert wird tatsächlich, aber zumindest ist es ja vorstellbar, die Argumentation irgendwie: Ja, das kann man ja ruhig räumen, weil das hat ja keine vier Wände und ist nicht fest gemauert und es ist ja egal, wo die hinfahren, ein Wagen ist ja eh kein Zuhause.

Anhang 5 12 Interviewtranskript Tobias

T: Nein, klar. Das ist ja eigentlich etwas, was ich auch am Anfang schon ein bisschen gesagt habe. Also dass einen auch sehr viel mit dem Platz hier schon verbindet. Ich habe hier, wie gesagt, schon fast zehn Jahre verbracht bisher und ich hänge auch an diesem Platz. Auch wenn meine Vorstellung von einem ruhigen Platz auch noch so da ist irgendwie, aber wie ich hier hingezogen bin, war es mir auch wichtig auf einen Platz zu ziehen, der kein reines Wohnprojekt ist. Das finde ich eigentlich auch gut, auch wenn es halt stressig ist. Nein, es ist auf jeden Fall ein Platz, wo ich sehr dran hänge. Und selbst, wenn ich hier nicht mehr wohnen würde, wäre das immer noch irgendwie, wenn ich hier hinkommen würde, ein Gefühl von Zuhause. Andererseits habe ich mit dem kleinen Wagen – bin ich auch auf das Grenzcamp gefahren und da war dann halt auch so ein anderer Stellplatz, aber Du gehst in Deinen Wagen und bist dann da auch wieder zuhause. Das ist dann etwas anderes, als wenn ich da jetzt irgendwie in einem fremden Wagen geschlafen hätte so. Also insofern hast Du dann zum Einen Deinen Wagen als Zuhause und zum Anderen Deinen Platz als Zuhause. Also ich würde mich auf einem anderen Platz mit meinem Wagen heimischer fühlen, als mit einem fremden Wagen oder mit einem neuen Wagen, in den ich umziehen würde, aber trotzdem ist das Gelände hier selber auch ein Zuhause. I: Okay. Ich muss mal gucken, ob ich hier noch etwas stehen habe. Ja genau, das ist aber der letzte wirkliche Punkt, den ich jetzt noch offen habe so ein bisschen. Das geht eigentlich auch so ein bisschen in die Richtung Zuhause, denn dieser Theoretiker, den ich gelesen habe, sagt eben auch, dass sich ein Zuhause eben auch entwickelt, dadurch, dass man eben den Raum lebt, dass man ihn mit Ereignissen und mit Erinnerungen irgendwie verknüpft und mit Erinnerungen auflädt. Kannst Du das für den Platz hier bestätigen? T: Klar. Wie gesagt, ich habe hier viele Jahre schon verbracht so und entsprechend auch viel erlebt. Und das ist ja etwas, was einen schon so mit so einem Heimatgefühl verbindet. Das ist genau so, wie wenn ich irgendwie nach Aachen komme irgendwie. Da kommt meine Familie her irgendwie. Schon als Kind sind wir da weggezogen, aber trotzdem ist das, auch wenn ich danach nie wieder da gewohnt habe, gibt das trotzdem dann irgendwie noch mal wieder so ein Gefühl von Zuhause. Also insofern finde ich das schon, dass so Erinnerungen oder Erlebnisse ein Gefühl von Zuhause auch ausmachen.

Anhang 5 13 Interviewtranskript Tobias I: Okay, dann habe ich als letzten Punkt, vielleicht als eine Art Zusammenfassung, wenn man es so nennen will, möchte ich Dich einfach vielleicht noch mal bitten, falls Du das benennen kannst, so ein bisschen die wichtigsten Gründe eigentlich – die zwei, drei wichtigsten Gründe, die für Dich eigentlich das Leben auf dem Wagenplatz ausmachen und die einen bewegen sozusagen, diesen Weg zu wählen. T: Also, dass sich halt viel draußen abspielt und dass Du halt nicht irgendwie in vier Wänden gefangen bist, sondern quasi verschiedene Räume nutzt. Draußen wie drinnen. Und zum Anderen, dass Du halt in einer Gemeinschaft lebst. Wie locker oder eng die auch sein mag. Das war auf jeden Fall etwas, das ich in einer Mietwohnung halt vermisst habe. Was mich in der Hausbesetzerbewegung auch immer sehr, wo ich mich ja auch irgendwie herumgetrieben habe – aber da waren es halt meistens nur relativ kurze – also Hausbesetzungen sind zumindest irgendwie in Westdeutschland zu der Zeit, wo ich da unterwegs war, schon lange nicht mehr drin gewesen. Also im Osten mittlerweile auch nicht mehr wirklich, aber das waren ja irgendwie die 90er und da war dann, wie gesagt, in Westdeutschland schon irgendwie Feierabend. Ich habe halt lange in H-Stadt gewohnt und da hat es noch 2001 irgendwie eine Besetzung gegeben über drei Tage und die wurde als die längste Besetzung seit über zehn Jahren gefeiert so. I: Okay. Dann bedanke ich mich auf jeden Fall bei Dir, dass Du mitgemacht hast, nochmal. T: Ja, gerne. Ergänzung nach dem Ende der Aufzeichnung: Die Möglichkeiten seinen Lebensraum selbst zu gestalten sind im Wagen wesentlich größer, als in einer Mietwohnung, und auch größer, als in einem besetzten Haus, da die räumlichen Gegebenheiten eine freiere Gestaltung erlauben.

Anhang 6 1 Interviewtranskript Simon Anhang 6: Interviewtranskript Simon Interviewer: Lars Kraehnke (abgekürzt: I) Interviewte Person: Simon (abgekürzt: S) Ort: C-Stadt Datum: 23.11.2013 Dauer: 41 Minuten und 51 Sekunden

I: Ich hatte Dir ja schon gesagt, dass ich mich für meine Modulabschlussprüfung mit dem Thema Wagenplätze befasse. Und zwar möchte ich versuchen das aus so einer Alltagsperspektive der Bewohner, aus so einer lebensweltlichen Perspektive heraus nachzuvollziehen. Und da wollte ich Dich jetzt zum Einstieg vielleicht einfach mal fragen, wie lange Du schon hier wohnst und wie Du überhaupt auf den Platz gekommen bist. Und auf das Thema Wagenplätze für Dich selbst. S: Also ich wohne seit eineinhalb Jahren im Wagen, bin aber vorher noch – also bin seit ich dreizehn, vierzehn bin immer auch auf Wagenplätzen unterwegs gewesen. Sei es in K-Stadt oder sei es in C-Stadt, I-Stadt immer mal so in Kontakt getreten. Und – wie ich auf das Thema gekommen bin war die Frage, oder? I: Ja. S: Genau. Ja, keine Ahnung. Also für mich hat sich das einfach so erschlossen, weil ich sehe es nicht ein für sagen wir mal – so viel Geld im Monat rauszuhauen, dafür dass man wohnen kann. Also Du hast, was weiß ich, eine 42 Quadratmeter Zimmer oder Bude oder sowas und musst dann halt irgendwie 300 Ocken dafür lassen. Das ist halt schon echt happig. Aber das ist so der geringere Aspekt. Also das bezieht sich mehr so auf das Thema überhaupt generell: ‚Wie will ich überhaupt wohnen?‘ Und das ist dann mehr so ein – ja, auf jeden Fall, warum ich in den Wagen gezogen bin, war Bock so auf Projekt, so Gemeinschaftsleben und sowas. Mit anderen Menschen. Sonst würde ich auch nicht in den Wagen gezogen sein. Aber das war schon auf jeden Fall mein großer Wunsch, da irgendwie ein Hausprojekt oder sowas, weil es halt einfach Bock macht so mit mehreren Leuten sowas zu machen und sei es jetzt irgendwie – halt irgendwas anzupacken. Konzerte organisieren, VoKü [Volksküche; L. K.] machen, die haben wir mittwochs jetzt auch immer seitdem ich hier wohne eigentlich, und so – also so gesamt – irgendwie halt ein Wohnprojekt. Und im

Anhang 6 2 Interviewtranskript Simon Wagen halt auch zum Thema alternatives Leben und so. Wie kann man noch wohnen, außer in der Bude, dass Du dann hochgehst und Du bist in Deinen vier Wänden und dann bist Du alleine und schottest Dich irgendwie ab, sondern dann bist Du hier und Du nimmst das dann irgendwie ganz anders war. Du stellst auch irgendwie den Konsum zurück. Sei es jetzt, also wir haben ja hier jetzt natürlich Luxus: Strom und Internet, aber es gibt natürlich auch Plätze, die haben keinen Strom. Einfach ein bisschen minimalistischer wohnen. Halt dass Du nicht so viel Prüddel hast. Ja, Dein Leben beschränkt sich ja dann hier in meinem Fall auf 14 Quadratmeter und dann hast Du halt einfach Deinen ganzen Stuff da drin und mehr brauchst Du halt nicht. Dann lebst Du halt irgendwie mit dem, was Du hast. Und Du brauchst einfach nicht mehr. Viele Sachen, die Du dann zum Beispiel durch eine Wohnung oder durch einen Beruf, wenn Du mehr Geld hast oder so, die Du dann Dir anschaffst, die Du aber im Prinzip dann gar nicht brauchst. So dass Du dann – also Du kommst nach Hause, setzt Dich vor die Glotze und gehst dann am Wochenende feiern. Das ist hier halt nicht so der Fall, sondern Du kommst nach Hause und es ist immer etwas zu tun. Sei es jetzt irgendwie der Holzschuppen muss neu aufgebaut werden oder hier und da muss etwas repariert werden und man muss halt irgendwie tun. Man kann nicht einfach nur wohnen, sondern man muss auch etwas dafür machen irgendwie. Und das ist halt das Coole so. Das Leben ein bisschen bewusster auch, mit dem Holzofen oder so. Du musst halt dafür sorgen, dass es warm ist, nicht einfach die Heizung aufdrehen oder so. Das ist halt so ein bewussteres Leben sage ich mal. Das war auf jeden Fall mein Ziel, als ich in den Wagen gezogen bin. Und natürlich weil die Wagenszene auch echt eine große Gemeinschaft ist und auch sehr familiär. Sei es jetzt Du fährst irgendwie nach Berlin auf einen Platz, Du bist eigentlich überall immer herzlich willkommen. Und: ‚Ach, wo kommst Du denn her?‘ ‚Ja, ich komme von hier auf dem Platz.‘ ‚Ich komme von da.‘ ‚Ach super.‘ Und dann versteht man sich. Also es gibt direkt – es ist irgendwie noch einmal so eine größere Gemeinschaft irgendwie, die da ist. Und das ist halt das Coole daran. I: Ja, Du hast ja jetzt ganz viele Sachen schon angesprochen, die ich hier auch noch stehen habe. Unter anderem eben auch, dass der Tagesablauf vielleicht auch ein bisschen anders ist. Macht das für Dich das Wohnen im Wagen auch aus? S: Ja, auf jeden Fall. Also, wie gesagt, dass man halt nicht nach Hause kommt und sich halt irgendwie – jemand der sich dann vor den Fernseher setzt, seien es jetzt meine Eltern oder so, die kommen nach Hause, schmeißen die Glotze an, setzen sich dann da hin, rauchen eine Kippe. Und das ist halt irgendwie so trostlos. Aber im

Anhang 6 3 Interviewtranskript Simon Wagen halt – Du – wenn Du keinen Bock hast alleine zu sein, dann gehst Du halt rüber, gehst in den Nachbarwagen, trinkst ein Käffchen da, machst hier was – ‚Haste Lust zu kochen?‘ und so. Und der Tagesablauf ist auch – also ich mache jetzt eine Ausbildung. Ich muss halt auch immer früh raus. Und es ist halt auch viel spontan, was so passiert: ‚Ach da ist irgendwas heute. Lass mal alle da hin fahren.‘ Oder wir kochen jetzt alle zusammen oder wir machen jetzt unseren neuen Klowagen. Man kann halt immer irgendwie etwas anderes machen. Man ist – das ist halt so spontan immer, das irgendwas passiert oder so. Tagesablauf gibt es eigentlich gar nicht wirklich. Du kannst im Prinzip auch unter der Woche Party durchmachen bis morgens, was natürlich jetzt nicht Hauptaspekt ist, aber es ist halt möglich, weil Du halt in so einer großen Gemeinschaft wohnst. I: Spielt der Aspekt des Selberbauens da auch eine große Rolle für Dich? Also hast Du Deinen Wagen selber gebaut und macht das einen Unterschied vielleicht gegenüber einer Wohnung, wo man – ich weiß nicht, hat man da mehr Gestaltungsspielraum oder sucht man sich bewusst genau diesen Gestaltungsspielraum? S: Ja, auf jeden Fall. Also den Wagen habe ich bekommen, der musste halt grundsaniert werden. Also alles bis auf die Außenhölzer musste raus. Und dann neu dämmen, neu verkleiden, Du musst Dir dann irgendwie – Du kannst Dir halt alles Mögliche in den Wagen hängen und reinzimmern. Und wenn Du Bock auf irgendetwas verspieltes hast oder so – es macht halt mehr Spaß und Du hast ja so diese Sachen, die Du selber gebaut hast, die hast Du ja immer um dich herum und Du kannst ja alles immer verändern. Und in der Wohnung hast Du halt auch weniger Spielraum. Da hast Du dann ja so – Du musst ja eine Kaution oder sowas hinterlegen und dann darfst Du bestimmte Sachen in der Wohnung auch nicht verändern oder eine Mauer einreißen oder so. Aber wenn Du Bock hast, kannst Du einfach in Deinen Wagen ein Loch reinkloppen und da noch eine Hütte vorsetzen oder so. Das ist natürlich irgendwie – wenn Du etwas verändern willst, dann kannst Du das auch und das ist halt auch das Coole, dass Du – ja Du kannst alles machen, was Du willst. Du suchst Dir irgendwelche Möbel aus vom Sperrmüll und kannst immer so Kleinscheiß machen. Keine Ahnung, ich habe so kleine Aschenbecher aus Schrott gebaut oder hier so Sachen mit den Holzdingern. Du guckst halt einfach: was liegt auf dem Boden rum und was kann man da vielleicht tolles draus machen. Man kann sich so richtig seine Persönlichkeit sage ich mal auf seinen Wagen übertragen. Wie man halt selber gerne wohnen will, das kannst Du dann halt auch verwirklichen. Also ich stehe voll drauf, dass alles von der Decke hängt. Oder überall – Du kannst

Anhang 6 4 Interviewtranskript Simon gucken – überall sind Fotos oder Poster und selbstgebaute Sachen. Hier das Spülbecken, oder so. Dann guckst Du halt einfach, welche Materialien man hat, und Du kannst dann einfach alles, was Du willst, im Prinzip erstellen. I: Verbindet einen das auch stärker mit seinem Wagen? Also so von einer – vom Herzen her sage ich mal. Von der emotionalen Seite aus. S: Auf jeden Fall. Also Du kannst ja Deinen Wagen, der ist ja fahrbar, den kannst Du ja dann immer mitnehmen. Das heißt Du wohnst ja auf Rädern und kannst dann Dein Zuhause immer dahin mitnehmen, wo Du willst. Also, wo Du gerade wohnen möchtest. Und das ist natürlich schon so sein eigenes Baby, sage ich mal. Irgendwie: Das ist mein Wagen, das ist so irgendwie mein Wohnraum. Und das ist schon irgendwie so ein Ding, wo man wie gesagt so seine Persönlichkeit auch drauf überträgt. I: Du hattest jetzt gesagt, der Wagen hat ja Räder und man kann den überall mit hinnehmen. Das finde ich einen interessanten Aspekt, weil ich mir dann die Frage stelle: Welche Rolle spielt dann der Platz, auf dem man sich befindet? Spielt der dann gar keine Rolle mehr? Ist man nur noch mobil? S: Also der Platz – genau das ist dann irgendwie auch die Freiheit, die man hat. Man kann sich aussuchen, wo man wohnen möchte, wenn man dann denn akzeptiert wird von den Mitbewohner_Innen. Und Du suchst Dir natürlich speziell den Platz aus, wo Du wohnen möchtest. Also hier ist es jetzt zum Beispiel, dass viele verschiedene Typen wohnen, so Musiker, Künstler, Maler, Zimmerleute – und Du suchst Dir natürlich Deine Gemeinschaft und den Platz, wo Du auch wirklich meinst, dass Du – also für mich jetzt, wo ich meine, dass ich etwas machen kann. Ich bin hier hin gezogen, weil ich weiß hier sind Konzerte. Hier kann ich Konzerte veranstalten, hier ist dann Mittwochs immer Kneipe. Da macht man dann die Kneipe. Und dann habe ich die VoKü gestartet, dass man dann Mittwochs auch etwas zu essen hat und Leute vorbeikommen können zum Futtern, so. Und ich habe mir den halt ausgesucht, weil man hier so viele Möglichkeiten hat. Es ist mitten in der Stadt. Und genauso halt der DIY-Aspekt [Do-it-Yourself; L. K.] ist hier halt ziemlich groß. Wenn Du Lust hast so was zu machen, dann ist Dir auch kein Stein in den Weg gelegt, so. Ja, so Veranstaltungen und sowas. Und Du willst natürlich auch mit netten Leuten zusammen wohnen. Und guckst dann natürlich schon: Wo passe ich rein? Wo passe ich überhaupt nicht rein? Und sei es – würde ich jetzt zum Beispiel auf einen

Anhang 6 5 Interviewtranskript Simon Platz ziehen, wo nur 60-jährige Leute wohnen und dann komme ich da an und höre von morgens bis abends laut Krach und will irgendwie Crust- oder HardcoreKonzerte veranstalten, das geht dann natürlich nicht. Und das ist auf jeden Fall ein großer Aspekt gewesen, den ich machen wollte, so Veranstaltungen und sowas. I: Das geht eigentlich auch in die Richtung einer Frage, die ich hier auch noch drauf stehen habe. Und zwar die Frage, die Du schon jetzt so ein bisschen angeschnitten hattest, was eigentlich Gemeinschaft für Dich bedeutet und ob die Platzbewohner – also ob man die als Gemeinschaft sehen kann? S: Was Gemeinschaft bedeutet? Also ich glaube Gemeinschaft bedeutet für mich sowohl ein Geben und Nehmen. Also jeder gibt irgendwie das, was er möchte oder was er hat oder was er kann. Ich zum Beispiel für mich koche unwahrscheinlich gerne und ich frage dann immer rum: ‚Will irgendwer mit essen?‘ Und dann versucht man natürlich so viele Leute, wie möglich. Und dann sitzt man alle beisammen, unterhält sich, schmiedet neue Pläne für Weltveränderungen und halt so ein großer Freundeskreis, sage ich mal. Wobei ab einer gewissen Größe von Platz bist Du natürlich mit vereinzelten Personen enger in Kontakt, als mit anderen. Und ja, Gemeinschaft bedeutet einfach so ein soziales Gefüge, sage ich mal, von – halt nicht so egoistisch sein. Nicht so auf sich selber achten. So ich will mein Geld haben, ich kaufe mir nur das, was ich brauche, sondern ich gucke dann auch immer so, wenn etwas auf der Straße rumliegt, das kann ich dem und dem mitbringen. Oder heute machen wir alle zusammen einen Platzausflug, das haben wir auch schon öfter gemacht. Und halt einfach so ein – ja nicht so halt so ein typisch gesellschaftliches Ding, dass jeder für sich kämpft, sondern dass man einfach zusammen versucht irgendetwas zu machen. Also das ist natürlich so ein Grobziel, was natürlich jetzt, wenn man – kann man reden, wenn der Tag lang ist – aber es fängt ja immer klein an, sage ich mal. Und Du willst irgendwie mit verschiedenen Leuten irgendetwas bewirken. I: Macht das für Dich den Platz aus? S: Ja, auf jeden Fall, weil hier wohnen auf jeden Fall Menschen, mit denen ich schon intensiven Kontakt habe, so. Und man spornt sich auch gegenseitig an. Sei es jetzt irgendwie zur Demo zu gehen. Manchmal ist man ja da so ein bisschen träge und sagt: Ahh, lieber zuhause hängen und einen Film gucken. Dann wird gesagt: ‚Nein komm! Wir gehen jetzt los!‘ Und dann macht man das auch. Der Platz hier ist

Anhang 6 6 Interviewtranskript Simon auf jeden Fall, dass ich gute Freunde und Freundinnen habe hier und ja, das ist mir auch wichtig, weil man erstellt ja dann eine Bindung zu den Personen und auch zu dem Platz. Und man will ja dann nicht so einfach wieder weg. Also man hat ja dann schon eine intensive Beziehung zu seinem Platz, weil dann wohnen ja da Freunde und – ähhm ja. I: Ja, ich bin so ein bisschen auf die Frage gestoßen weil, ich weiß nicht, ob das wirklich als Argument kommt, aber zumindest ist es ja denkbar auch in Konflikten mit Personen außerhalb, die vielleicht den Platz räumen wollen, was ja auch gelegentlich gemacht wird, das Argument kommen könnte: Ja, das kann denen ja egal sein. Die haben ja ihren Wagen, die können ja gefälligst woanders hinfahren. Ist ja ganz egal wo die stehen. Da habe ich mich gefragt: Ist das so? Ist das wirklich egal, wo man steht? S: Nein, weil bei uns ist ja auch – wir sind ja auch internetpräsent und zu uns können auch immer Gäste kommen, was ich halt auch ziemlich cool finde. Wir haben hier vier Gästewagen, wo dann immer verschiedene Leute, sei es jetzt, wenn sie kurzzeitig obdachlos sind oder gerade nicht wissen wohin, dann kann man hier immer fragen und wir nehmen dann halt auch Leute auf und so und versuchen dann auch immer zu helfen. Und das finde ich halt auch gut an dem Platz, dass wir halt uns auch schon wieder dieses – also man ist halt nicht ich-bezogen, weil man versucht auch Leuten von außerhalb zu helfen, sei es jetzt wenn die hier hinkommen und sagen ‚Ja, ich habe gerade mega Stress.‘ Hier ist eine gekommen, die hatte keine Wohnung mehr. Irgendwie ist aus der Wohnung geflogen und sucht jetzt eine Wohnung. Und dann haben wir die halt aufgenommen, weil sie sonst in der Karre auf der Straße hätte pennen müssen. Und so Leute gibt es dann immer wieder und das ist halt auch, dass man auch anderen Menschen die Möglichkeit gibt irgendwie Wagenplatz zu erfahren und das kennenzulernen. Ich meine, wie soll man das denn sonst machen? Wie soll man sonst in die Wagenszene reinrutschen. Und dass man sich auch – also bei mir ist das so, ich versuche mich halt immer in andere Leute hineinzuversetzen. Dass es nicht so ist, dass man denkt: ‚Was habe ich damit am Hut‘, sondern versuche irgendwie das Problem zu erkennen, von der Person und dass man halt einfach nicht so stumpf scheuklappenmäßig durch die Welt geht, sondern halt wirklich guckt, wo vielleicht Menschen Hilfe brauchen oder sich halt in andere Personen hineinversetzen können. Das spielt auch eine große Rolle, denke ich mal.

Anhang 6 7 Interviewtranskript Simon I: Ein weiterer Aspekt, den ich hier noch stehen habe, ist die Frage einer politischen Aussagekraft. Hat der Platz hier oder haben allgemein Wagenplätze Deiner Ansicht nach eine politische Dimension? S: Ja, auf jeden Fall. Ich meine auch wenn man jetzt komplett unpolitisch sein sollte, sage ich mal, ist im Wagen wohnen doch schon irgendwie ein Statement zu sagen: Ich habe keinen Bock auf den normal-bürgerlich gesellschaftlichen Kram und ich will einfach eine Alternative finden, wie ich mein Leben anders gestalten kann, also wie ich jetzt – wie ich mich selber weiterentwickle und sowas. Das ist auf jeden Fall eine politische Aussage. Ich meine, würden die den Platz hier plattmachen, dann könnten die hier einen Wohnblock hin bauen, wo hundertmal so viele Menschen wohnen könnten, aber das ist halt – also jeder hat das Recht auf Stadt und auch, wenn man im Wagen wohnt, zu sagen: Im Wagen könnt ihr das auch auf einer Wiese 20 Kilometer außerhalb von C-Stadt machen, so das ist halt nicht das Ding, sondern jeder hat irgendwie das Recht mitten in der Stadt zu wohnen beziehungsweise mitten in der Stadt präsent zu sein. Und das dann auch Platz dafür da sein muss für Menschen, die halt keinen Bock auf eine Wohnung haben, die keinen Bock haben in ihrer viereckigen Bude zu hocken und ja – man sucht halt eine Alternative, sich selber irgendwie den Platz in der Gesellschaft, in ganz großen Anführungsstrichen, zu suchen, was man natürlich nicht so wirklich will, weil, wenn man in den Wagen zieht, dann ist man schon so ein Stück mit einem Sprung aus der Gesellschaft raus auf jeden Fall, weil viele Leute kennen das ja nicht und sagen ‚Da wohnen doch nur Asoziale und Alkoholiker‘. Da kommen Leute vorbei manchmal irgendwie: ‚Wird mal Zeit, dass das hier abbrennt‘ oder ‚Wird mal Zeit, dass das hier plattgemacht wird die Asozialen da‘. Die denken dann, wenn sie hier auf den Platz kommen, dann kommen denen 80 Köter entgegen und 20 besoffene Punker. Aber so ist es ja meistens nicht. Wagenplätze, da sind ja auch voll viele ultraverschiedene Menschen unterwegs. Man merkt schon, dass auf Wagenplätzen auf jeden Fall der politische Anspruch höher ist beziehungsweise hoch ist. Das man halt – also ich würde mal sagen auf dem Platz so Themen wie so Sexismus oder Faschismus, Rassismus die existieren einfach gar nicht. Das ist eng verbunden halt. Was will man in der Wagenszene, wenn man irgendwie sagt: Deutschland ist sau geil, ich feier jetzt voll ab, dass hier Flüchtlinge abgeschoben werden! Das geht halt nicht. Irgendwie ist Wagenplatz schon so eine eigene politische Richtung auf jeden Fall. Wenn Du in den Wagen ziehst, dann hast Du denke ich mal auch schon so einen politischen Anspruch auf jeden Fall. Du willst irgendwie – die meisten Plätze die existieren sind ja auch, ich sag mal so Hälfte, Hälfte ungefähr, besetzt, um auch dieses Recht auf

Anhang 6 8 Interviewtranskript Simon Stadt geltend zu machen und ja, der politische Anspruch sollte auch auf jeden Fall gewahrt werden. Das ist auch weswegen ich halt hier hin gezogen bin. Hier ist der politische Anspruch höher. Ja, Politik spielt da auch eine Rolle. Also man muss jetzt keiner Partei angehören. Das meine ich nicht, sondern nur so ein Verständnis vom Leben haben. Gerade bei Thema Sexismus, wo vielen Menschen nicht klar ist, was jetzt sexistisch ist. I: Das heißt Du würdest den politischen Anspruch auch weiter fassen, als nur auf die Wohnungssituation bezogen? S: Also für mich auf jeden Fall. Für mich hat Wagenwohnen etwas mit Politik zu tun. Es gibt natürlich auch Leute, die wohnen im Wagen und, keine Ahnung, wählen die CDU. Wird es bestimmt auch irgendwo geben. Kann sein so. Würde ich zwar nicht verstehen... I: Ich habe noch keinen getroffen. S: Ich würde es auch nicht verstehen, aber das kann es bestimmt geben. So eine Person oder so. Aber wie war nochmal die Frage? I: Ob die politische Situation für Dich über die Wohnungsfrage hinausgeht. Man kann das als Form des Protests gegen Wohnungspolitiken sehen oder man kann das eher auf so einer gesamtgesellschaftlichen Ebene sehen. S: Also für mich ist das auf jeden Fall ein Protest gegen die gesamtgesellschaftliche Situation. So zu zeigen: Ich habe keinen Bock auf Euch! Ich habe keinen Bock auf diesen spießbürgerlichen Kack, diese oberflächlichen Gespräche, diesen Mist, den man sich jeden Tag anhören muss auf der Arbeit oder sonst wo, im Supermarkt. Und man nimmt das alles auch anders war. Zum Beispiel seitdem ich auf dem Wagenplatz wohne – auch vorher schon ein bisschen, aber jetzt mit dem Wagenplatz verbunden – finde ich es halt immer krass, wenn man so in so Einkaufszentren oder so in so riesige Konsumtempel rein stolpert und Du denkst Dir so: Fuck, was ist das hier? Wozu? Und man sieht einfach nur die Leute, die kaufen, kaufen, kaufen wollen. Haben, haben, haben. Und Du denkst Dir dann einfach nur so: Ey, wozu? Du brauchst das doch gar nicht. Denk doch mal nach! I: Vor allem sehen die Teile auch überall gleich aus auf der Welt.

Anhang 6 9 Interviewtranskript Simon S: Ja, genau. Du hast dann da irgendwie so einen Betonklotz mit Fensterfassaden und dann kommst Du in so einen Supermarkt rein. Eine Produktpalette an scheiß Nahrungsmitteln irgendwie und so. Aber wenn man jetzt in einer Wohnung wohnen würde, dann gibt es halt viele Leute, die dann einfach abschalten. Die dann sagen so: Okay, das ist mein Leben. Ich wohne jetzt hier, gehe jeden Tag in den Supermarkt und kaufe, und kaufe, und kaufe und die kommen nicht aus ihrer Kuppelblase da raus. Wenn Du dann im Wagen wohnst oder auf dem Platz wohnst halt, dann ist das so, Dir wird erst mal bewusst, wie viel unnötige Scheiße eigentlich produziert wird beziehungsweise gekauft wird. Ich meine, ich habe hier auch eine Glotze stehen, aber da zocke ich einmal in der Woche Super Nintendo mit. Kannst aber auch nicht machen, wenn Du keinen Strom hast. Weil Du es im Prinzip gar nicht brauchst, so. Du hast auf dem Platz Leute, mit denen Du wohnst. Anstatt den Fernseher einzuschalten, gehst Du halt irgendwo anders hin und unterhältst Dich. Oder Du nimmst Dir halt ein Buch. Du hast halt viel mehr Möglichkeiten. I: Ja, die Sache mit der Mobilität hatten wir ja schon angesprochen. Die Gemeinschaftssache auch. Jetzt habe ich noch den Block, wo es um Inklusions- und Exklusionsprozesse geht. Da habe ich zunächst mal die Frage, wie das überhaupt bei Problemen auf dem Platz ist. Gibt es da einen speziellen Modus, wie man das dann löst? Gibt es überhaupt viele Probleme auf dem Platz oder hält sich das in Grenzen? S: Ja, das ist denke ich mal normal. Also hier und da hast Du immer mal so Missverständnisse oder Du gerätst auch mal mit Mitbewohner_Innen aneinander. Probleme lassen sich hier auf jeden Fall aber immer lösen. Du hast das Plenum, hast Du nicht auf jedem Platz, aber wir haben hier halt wöchentlich immer das Plenum, und da werden dann halt aktuelle Sachen, Probleme angesprochen und das lässt sich alles lösen. Du ziehst ja nicht auf den Platz, wenn Du jetzt die ganzen Leute nicht magst und dann nur Streit mit denen anfängst. Du suchst Dir ja schon Deine Mitbewohner_Innen schon auch aus. Und Konflikte, ja. Es gibt halt halt immer Konflikte, weil Du hast halt auch verschiedene Individuen. Ich habe so mein Bild, wie ich – so mein Verständnis von verschiedenen Dingen und das andere nicht haben. Und da gerätst Du schon manchmal in so einen Interessenskonflikt, wenn es dann darum geht, ob – es muss was gemacht werden auf dem Platz und dann gibt es eine Person, die macht einfach gar nichts, sondern lässt einfach nur für sich machen. Das ist dann zum Beispiel so meine Kritik, wo ich mir denke: Ja, warum wohnst Du dann im Wagen, wenn Du nur in Deiner Hütte rumhängst und nichts machst? Wozu? Dann

Anhang 6 10 Interviewtranskript Simon kannst Du auch in eine Wohnung ziehen oder kannst Dich auch auf eine Wiese stellen oder so. Dann brauchst Du halt nicht hier zu wohnen. Und das ist halt viel mit Selbstorganisation auch. Du musst halt alles – es ist keiner da, der sagt: so und so hat es zu laufen. Kein Oberkommandeur, -kommandeurin, der sagt oder die sagt: ‚Das und das musst Du jetzt machen, das und das muss gemacht werden‘. Sondern man kommt zusammen: ‚Wie machen wir das?‘ Entscheidet. Kommt auf einen Nenner, kann auch mal Stunden dauern, weil wie gesagt jeder eine andere Ansicht hat, und dann machst Du es halt. Und genau, Du musst halt alles selbst organisieren. I: Ein zweiter Aspekt, der da auch noch mit zugehört, wenn wir jetzt den Blick nach innen hatten, sozusagen der Blick nach außen, also Konflikte mit Außenstehenden. Gibt es hier viel Stress mit der Stadt oder mit dem Grundstückseigentümer oder mit den Nachbarn oder so? S: Ist halt auch bedingt so – es kommen immer mal wieder irgendwelche strangen Leute hier an, die meinen, dass hier ist irgendwie so ein Drogenumschlagsplatz. Die dann meinen hier wohnen ja nur Asoziale. Dann kommen hier irgendwelche Leute an und wollen auf einmal Drogen kaufen und dann guckt man auch nur so: Ähh, was?! Bist Du doof? Oder es kommen immer mal wieder Leute am Zaun vorbei, die irgendwelche Sprüche klopfen. Wie gesagt so: ‚Das soll hier alles abbrennen‘ oder ‚das soll hier plattgemacht werden, hier wohnen doch nur Asoziale‘. Oder Du hast manchmal auch Kids, die irgendwie das Tor eintreten. Vielleicht auch der Frust, nicht zu verstehen wer oder was da jetzt wohnt. Oder was das überhaupt ist. Oder auch, wenn zum Beispiel Konzerte veranstaltet werden, dass es zu laut ist. Dann rufen die Nachbarn halt an und dann stehen hier die Bullen vor der Tür und wollen Dir dann den Strom abschalten. Also Stress gibt es häufiger, aber – nicht häufiger, gibt es ab und an mal. Es kommen immer mal wieder ein paar Flaschen geflogen, so über den Zaun, weil Du hast da hinten [gemeint ist eine Diskothek hinter dem Gelände des Wagenplatzes; L. K.] ja auch Techno-Partys oder hier den Puff. Dann kommen die ganzen besoffenen Idioten halt an und treten den Zaun ein oder werfen Dir halt irgendwas gegen den Wagen. Weil sie es halt einfach nicht verstehen beziehungsweise einfach nicht einschätzen können oder wissen was das ist, so. I: Wie ist das eigentlich hier mit der – oft hört man ja, das Wagenplätze irgendwie latent von Räumung bedroht sind, oder so. Ist das hier auch der Fall?

Anhang 6 11 Interviewtranskript Simon S: Wir hatten jetzt nochmal – warte ich muss nochmal Holz nachschmeißen (geht zum Ofen und füllt Holz nach!). Ähm, Räumung. Ja es gibt halt viele Plätze, die räumungsbedroht sind, weil die Stadt zum Beispiel so etwas nicht haben will. So keinen Bock auf Leute die halt da rumhängen oder halt auch wieder so zum Thema: Sind ja alles nur Asoziale. Wir selber haben jetzt – wir sind geduldet. So es gibt keinen Vertrag oder sowas mit der Stadt. Und wir hatten jetzt letztens nochmal das Thema, dass das Studentenwerk hier war. Das Gelände hier steht halt zum Verkauf. Immer noch, nach wie vor. Aber das ist halt so eine alte Tankstelle und Schutt und verseuchter Boden und sowas. Wie die meisten Plätze eigentlich auch. Der Hauptteil der Plätze ist immer auf alten Müllhalden oder sowas. Und alten Schrottteilen. Und hier war es dann halt so, dass ja der Platz auch da wäre, um halt Studentenwohnblöcke dahin zu ballern und wir dann halt irgendwo anders hin müssen, was dann halt wieder in diesen Aspekt von Recht auf Stadt sich mit einbezieht, dass auch wir sagen: Wir wollen aber auch mitten in der Stadt wohnen. Auch im Wagen. Und halt auch zum Thema Stadtteil V. Das war halt so ein ganzer Häuserzug, den sie da plattgemacht haben. Also 300 Wohnungen oder sogar mehr, wo man sich dann denkt: Baut doch da ein scheiß Studentenheim hin! Aber das machen sie ja nicht, weil das ist ja Parkplatz dann für die Messe. Kann man ja nicht. Wo sollen dann die Messebonzen parken und so ein Scheiß. Wo man sich dann denkt: Ja, dann müsst Ihr mal auf Eure eigenen Finger gucken. Wenn die Stadt C-Stadt – hier drüben auf der anderen Straßenseite steht schon seit zehn Jahren ein Haus leer. Da kann man das sanieren und da nochmal ein paar Wohnungen rein machen oder wie gesagt da vor der Messe oder sowas. Da ist genügend Platz, aber da wird erst mal geguckt so, wie man zum Beispiel den Platz jetzt entfernen kann. Da ist die Stadt dann schon so ein bisschen – ich weiß nicht, ob es hier bei der Stadt C-Stadt so ist, aber bei manchen Städten ist es dann schon so, dass die irgendeinen Grund suchen, um den Platz halt zu entfernen, weil es halt nicht in das Stadtbild passt. Ich könnte mir auch nicht vorstellen zum Beispiel, dass in Münster irgendwo mitten in der Stadt so ein Platz wäre. I: Ich mir ehrlich gesagt auch nicht, wie ich Münster kenne. S: Weil das sind alles schicke Wohnungen und alles super friedfertig. Und dann hast Du da mittendrin so einen Platz, wo dann – was die Stadt halt nicht haben will, weil die diesen Schein von der perfekten Welt waren will. Und da passt das dann einfach nicht ins Bild rein, dass Du dann auf einmal irgendwie so einen Platz hast, wo andere Menschen wohnen, also wo andere Wohnformen vertreten sind. Deswegen sind

Anhang 6 12 Interviewtranskript Simon viele Plätze auch räumungsbedroht, wie jetzt hier mit dem AZ zum Beispiel. Dann wird halt gesagt: Ja, da soll jetzt ein Grünstreifen hin. Es wird halt immer irgendwas geguckt, was kann man machen, um das zu entfernen und dann kann man das halt so begründen, was ja auch für die Stadt relativ easy ist, wenn es jetzt keinen Mietvertrag oder sowas gibt. Der Platz ist ja eh nur besetzt. Zack! Räumung! Und dann ist das halt weg vom Fenster. Und dann wird halt gesagt, da kommt in zehn Jahren mal irgendwas hin. Viele Städte versuchen auf jeden Fall so Bauwagenplatz: Nein, nein, bitte nicht! Auf keinen Fall! G-Stadt zum Beispiel ist ja auch akut bedroht, weil – ich weiß jetzt gar nicht mehr genau warum. Ich glaube da sind sie gerade den Hafen am neu machen oder so. Dann muss der Platz halt mit weg, weil wenn dann da irgendwie Bürokomplexe hin gebaut werden sollen, aber dann geht das halt nicht, dass Du einen Bürokomplex hast und daneben ist dann direkt ein Wagenplatz. Dann kommen die dicken Mercedes da an und denken sich so: Ähh, was ist das denn für eine Stadt?! Es geht halt immer so um die Geldfrage, sage ich mal. Um so Leute von außerhalb, die von anderen Städten kommen, so Geschäftsleute und sich dann denken: Hä?! Was ist denn das hier für ein Scheiß?! Und die Stadt dann Angst hat so Kunden zu verlieren, sage ich mal. Das ist jetzt so ein ganz kleiner Aspekt. Man versucht halt so den Schein von einer sauberen Stadt zu wahren. I: Ich gucke gerade mal, ob ich hier noch etwas an Stichpunkten habe, worüber wir noch nicht gesprochen haben. Aber ich glaube, das war es im Großen und Ganzen. Vielleicht noch einmal als letzten Punkt, das habe ich bei den anderen Beiden jetzt auch so gemacht, da hatte ich die nochmal zuletzt gebeten, so die drei wichtigsten Gründe noch mal zu benennen, warum man sich für das Leben auf einem Wagenplatz entscheiden sollte, möchte oder könnte. S: Ja, der eine Aspekt ist halt diese Selbstorganisation. So dieser DIY-Faktor, dass Du halt machen kannst, worauf Du Lust hast. Also Konzerte veranstalten, VoKü machen, Bar machen, das und das und das bauen und so selbstorganisiert leben. Dafür verantwortlich sein, wenn Du nach Hause kommst, dass es warm ist und nicht einfach die Heizung aufdrehen. Ich glaube der zweite Aspekt wäre dann so halt dieses in der Gruppe zu wohnen auf jeden Fall. In einer Gruppe von sei es jetzt einer homogenen Gruppe oder einer Gruppe mit vielen verschiedenen Typen. Es gibt ja auch hier drüben den Punkerplatz. Dann wohnen da halt nur Punker. Oder es gibt in G-Stadt auch einen Punkerplatz. Oder es gibt halt so einen gemischten Platz, wo halt so verschiedene Typen wohnen. Wo Du halt in einer Gemeinschaft wohnst mit vielen verschiedenen Individuen, sage ich mal. Und der dritte Aspekt wäre glaube

Anhang 6 13 Interviewtranskript Simon ich diese alternative Wohnform beziehungsweise das alternative Leben, was Du für Dich aussuchst. Dich aus der Gesellschaft auszukoppeln und Abstand zu nehmen von diesem normalen geraden Weg, den jeder einschlägt: Aus der Schule kommen, Ausbildung suchen, arbeiten, Wohnung haben, Kinder kriegen, sterben. Zack! Das war es! Und es sind ja 99,9 Prozent, die so leben. Oberflächlich gesehen natürlich. Und für sich selber sucht man halt einen Weg, um das zu umgehen. Also Du ziehst auf einen Wagenplatz und dann bist Du gar nicht mehr in diesem Film drin, dass Du jetzt irgendwie arbeiten gehen musst und dass Du einen guten Job haben musst und dass Du viel Geld haben musst, sondern dass Du so einfach Deinen eigenen Lebensstil, sage ich mal, verwirklichst. Also, dass man eine Alternative sucht, um sich selber irgendwie zu verwirklichen oder sich selber irgendwie seinen Ausweg aus dieser tristen, grauen Welt zu suchen irgendwie. Das ist glaube ich so der dritte Grund. I: Okay, alles klar. Dann bedanke ich mich bei Dir auf jeden Fall recht herzlich für das Mitmachen. S: Ich hoffe Du hast neue Erkenntnisse bekommen. I: Bestimmt!

Anhang 7 1 Interviewtranskript Lisa Anhang 7: Interviewtranskript Lisa Interviewer: Lars Kraehnke (abgekürzt: I) Interviewte Person: Lisa (abgekürzt: L) Ort: D-Stadt Datum: 09.12.2013 Dauer: 34 Minuten und 29 Sekunden

I: Ja, ich hatte Dir ja schon erzählt, dass ich mich im Rahmen dieser Modulabschlussprüfung mit dem Thema Wagenplätze befasse und das Ganze versuchen will so ein bisschen aus so einer Alltagsperspektive oder lebensweltlichen Perspektive heraus nachzuvollziehen. Bei den Anderen habe ich es jetzt so gemacht, dass ich die gebeten hatte zum Einstieg vielleicht einfach mal zu erzählen, wie sie überhaupt selber mit dem Thema Wagenplatz in Kontakt gekommen sind und wie sie dann da gelandet sind, wo ich sie kennengelernt habe. L: Witzigerweise habe ich die Geschichte heute schon mal erzählt. Also bei mir hat das ziemlich genau vor drei Jahren eigentlich angefangen, oder eigentlich noch viel früher, dass ich immer Lust hatte außerhalb der Stadt zu wohnen. Auf dem Land in einer großen WG irgendwie. Da hatte ich schon immer richtig Bock drauf, aber hatte nie so richtig Kontakte oder da war nie so richtig die Gelegenheit da, dass tatsächlich zu machen. Und habe dann mit meiner Schwester angefangen, so ein bisschen rumzuspinnen, nachdem ich in C-Stadt gewohnt hatte, mitten in der Stadt mit meinem damaligen Freund zusammen, und wollten ganz viel reisen und wollten uns dafür einen Bus ausbauen. Naja, und irgendwie in diesen ganzen Recherchen dafür, was man dafür alles braucht und welcher Bus dafür wohl der beste ist, kam sie irgendwann auf die Idee und sagte: Was ist denn mit einem Bauwagen? Ich meine der ist ja auch im Zweifel mobil. Und ich weiß noch genau, dass ich gesagt habe: Nein! Also ein Bauwagen, das kann ich mir überhaupt nicht vorstellen. Und dann bin ich hier wieder nach D-Stadt zurückgezogen, zu meiner Familie, weil mir sehr am Herzen liegt – weil meine Großeltern damals schon ziemlich alt waren und ich Lust hatte noch Zeit mit denen zu verbringen. Und dann sagte meine Schwester eben wieder: Ja, guck Dir doch mal die Wagenburg an. Ich weiß, dass ich mit dem Fahrrad hier schon vorbeigefahren bin und das ziemlich total abgefahren fand, aber sonst weiter nichts hier gemacht habe. Ich bin dann hier vorbeigefahren und dachte so: Okay, wenn man auch so im Bauwagen wohnen kann, dann ist das vielleicht

Anhang 7 2 Interviewtranskript Lisa doch etwas für mich, weil das war genau das, was ich wollte so. Viele Leute, viele Kinder, viele Hunde, Tiere und mit den Füßen direkt im Gras stehen morgens. Das war mein Traum. Also ich war super begeistert. Gut, ich habe mir den Platz jetzt auch im Frühling angeschaut, wo wirklich alles angefangen hat zu grünen und zu blühen. Das war wunderschön. Ich habe gedacht: Boah, das ist ja das Paradies hier! Also von daher war für mich der Gedanke Wagenburg beziehungsweise Bauwagen ganz eng geknüpft an dieses Gefühl von ich will draußen sein in der Natur und ich will auf dem Land wohnen und mit Leuten zusammen. Und so hat sich das alles dann ergeben. I: Ja, cool. Das habe ich von vielen Anderen auch schon gehört. Also das sagen echt viele, dass das so ganz viel eben mit diesem draußen sein und von Natur irgendwie umgeben zu sein, in der Natur zu leben zu tun hat. L: Ja, das ist unterschiedlich glaube ich, aber auf jeden Fall glaube ich ein großer Grund. I: Ja, natürlich ist das unterschiedlich, klar. Aber mir ist das jetzt schon mehrfach irgendwie über den Weg gelaufen. Gibt es in der Zeit, die Du jetzt hier wohnst, gibt es da so bestimmte Ereignisse, die Dich irgendwie mit Deinem Wagen oder mit dem Platz verbinden? Wo Du das Gefühl hast, da hat sich irgendwie so eine Verbindung aufgebaut? L: Hmm, also das letzte Mal, dass ich jetzt die Verbindung so gespürt habe, war tatsächlich vor zwei Wochen, als ich irgendwie – also da war ich in Berlin, in der großen Stadt unterwegs. Auch eine längere Zeit und hatte irgendwann dieses untrügliche Gefühl von Heimweh. Und das habe ich höchst selten in meinem Leben eigentlich. Dieses Gefühl von: Boah, ich will meinen eigenen Wagen wiederhaben und die eigene Tür, die ich zu machen kann und meine Katze, meine Hühner um mich herum und im Grünen draußen sein, ganz anders als Berlin. Das war die letzte deutliche Erinnerung von Verbindung. Ansonsten – ja, das ist total gewachsen über die Jahre. Also ich habe mich von Anfang an ziemlich zuhause hier gefühlt, aber so über die Zeit, die ich jetzt hier bin, ist das irgendwie immer mehr. Und ich freue mich jedes Mal, wenn ich hier bin. Ich denke jedes Mal: das ist genau das Richtige. Und ich fühle mich einfach nur unglaublich wohl hier und unglaublich zuhause und ich will hier nicht weg.

Anhang 7 3 Interviewtranskript Lisa I: Eine Frage, die ich mir gestellt habe: Zunächst mal die Frage, ob Du an Deinem Wagen viel selbst gemacht hast, gebaut hast und ob das auch etwas damit zu tun hat, dass man irgendwie vielleicht eine enge Beziehung dazu entwickelt. L: Oh ja, ganz bestimmt. Also es ist so, dass ich hier hingekommen bin und so von Handwerk im weitesten Sinne oder im näheren Sinne überhaupt keine Ahnung hatte. Also fast überhaupt nicht. Und dann bin ich über Umstände an diesen Wagen gekommen und dann habe ich komplett innen drin alles raus gerupft und habe den abgeschliffen, das habe ich gemacht, und dann habe ich von unten isoliert und dann musste ich mich mit Elektrik beschäftigen, habe dann wirklich zum ersten Mal in meinem Leben das Gefühl gehabt, das Physik irgendetwas ist, was schlau ist zu können oder was schlau ist zu wissen. Zumindest in manchen Teilen. Habe mich dann mit Strom beschäftigt. Tja, was habe ich noch gemacht? Ja, jetzt im letzten Sommer habe ich eine Terrasse gebaut. Mit Unterstützung von verschiedenen Leuten, aber letztendlich kann ich schon sagen, ich habe sie auch alleine gebaut und konstruiert. Und das war echt super befriedigend, dieses Gefühl von etwas mit den eigenen Händen zu erschaffen. Ich habe hier die Küche selber gebaut und so ein paar Sachen. Ich habe den Ofen verstellt und ich musste einen Ofenausgang aussägen und das alles neu installieren. Also es sind schon so ein paar Sachen, die ich tatsächlich – ja, die Fenster, wenn ich so darüber nachdenke, die habe ich auch selber gemacht. Also nicht die Fenster gemacht, aber bearbeitet. Neue Gläser eingesetzt, lackiert. Ja, doch. Ich habe ganz, ganz viel im Garten gemacht. Das hat natürlich mit dem Wagen an sich nichts zu tun, aber ja. Also es entwickelt sich alles genau so und es ist alles genau so, dass es sich richtig gut entwickelt. I: Ja, schön. Hat man da Deiner Meinung nach mehr Gestaltungsspielraum, als wenn man in einer Wohnung wohnen würde? L: Ja, auf jeden Fall. Also viel mehr Freiheiten vor allem auch im Kopf. Also ich habe einfach gemerkt, wie eingleisig ich häufig gedacht habe: Ahh, etwas ist kaputt? Gut, das muss weg, muss ausgetauscht werden. Und das hat sich so verändert in: Okay, mein Aufladegerät für mein Handy ist kaputt. Lass uns doch mal gucken, was ist denn da genau kaputt? Ahh, prima. Man muss es nur wieder löten. Kein Problem. Auch wenn ich sonst immer ein neues gekauft hätte, weil: Was soll man da schon machen? Also das ist jetzt mein letztes Beispiel mal wieder dafür, aber meiner Kreativität war das nur zuträglich.

Anhang 7 4 Interviewtranskript Lisa I: Ich gebe zu ich bin auch ein Handwerk... L: ...nerd? I: Nein, ein Handwerk-Anti-Nerd eher. Einen Nagel kriege ich noch in die Wand für ein Bild. Aber auch nur, wenn das ein leichtes Bild ist. L: Ja ja, ich weiß genau. Ich komme ja auch genau aus der Welt. So ist es irgendwie. Was brauchst Du das in einer Wohnung? Eigentlich nicht wirklich. I: Ja, da ist was dran. L: Wenn es hoch kommt, baut man sich mal ein Regal und ist dann schon verdammt stolz so. Und das ist ja auch richtig so. Also ich finde das ist wirklich irgendwie ein anderes Leben oder eine andere Lebenswirklichkeit. Mir gefällt das gerade ganz gut hier. I: Du hattest vorhin etwas erwähnt, was ich auch interessant fand, und zwar diesen Aspekt der Mobilität. Ein Wagen hat ja Räder, was ihn ja doch durchaus von einer Wohnung unterscheidet. L: Ich sage ja immer: Ich habe meine eigenen vier Räder. Nicht meine eigenen vier Wände. Doch, die habe ich auch. I: Inwiefern spielt die Mobilität für Dich denn ganz konkret eine Rolle? L: Im Moment gerade gar keine. Also was meinen Wagen angeht jedenfalls. Aber das war ja mein Ursprungsgedanke. Ich wollte mobil sein. Ich wollte ein Zuhause haben, dass ich überall mitnehmen kann. Und das kann ich natürlich mit meinem Wagen. Ich kann einfach den hinter einen Trecker hängen oder hinter einen LKW und kann weg und habe irgendwo anders genau das gleiche Zuhause. Das ist schon schön. Also auch die Vorstellung – ich habe jetzt vor kurzem, eine kleinere Ausschweifung mal eben, das für mich im Moment perfekte englische Wort gefunden, um einen Bauwagen zu beschreiben, weil in der englischen Sprache gibt es Bauwagen nicht. I: Wusste ich gar nicht.

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L: Ähhm, und alles, was ich mal versucht habe zu erklären, war construction wagon oder so was. Das hat immer kein Schwein verstanden. Ich bin jetzt dazu übergegangen zu sagen: circus wagon. Oder wagon, like the gypsies had in former times. Und das beschreibt für mich tatsächlich auch diesen Aspekt von Bewegung, weil beim Zirkus weiß jeder, das steht nicht immer an einer Stelle, sondern das ist einfach beweglich. Genau so, wie unser Leben. Und daher – Du weißt bestimmt, woher der Begriff Wagenburg kommt, oder? I: Ja, so ungefähr. L: Ja, dass sich früher eben genau das fahrende Volk schützen wollte gegen Räuber und Banditen und sich im Kreis aufgestellt hat als Burg. Ich mag den Aspekt sehr gerne. Ich sage auch lieber Wagenburg als Wagenplatz. I: Das ist glaube ich unterschiedlich habe ich festgestellt. Einige bezeichnen sich selbst als Wagenplatz, andere eher als Wagenburg. L: Ja. Das ist auch von Mensch zu Mensch mal unterschiedlich. Aber um noch mal auf den fahrenden Aspekt zurückzukommen: Ich finde das ist, zumindest in meinem Kopf, ist das auch ein total beruhigender Gedanke. Weil ich einfach auch sehr gerne unterwegs bin und in meiner Vorstellung oder in meinem Gefühl dieser Freiheitsaspekt sehr ausgeprägt habe. Das heißt ich mag mich nicht gerne festlegen. So habe ich mit meinem Zuhause überhaupt nichts, worauf ich mich oder womit ich mich festlegen muss. Ich kann immer umziehen. Das ist sehr schön. I: Aber Du bist dann auch gezwungen, Dich in eine neue Gemeinschaft irgendwie einzuleben, oder? L: Stimmt. Klar. I: Und vielleicht ein Stück alte Gemeinschaft aufzugeben. L: Das ist glaube ich beim Umziehen immer der Fall, ja. Ich glaube das unterscheidet jetzt nicht unbedingt den Umzugsaspekt von anderen, aber ja, das stimmt schon. Beim Umziehen mit dem Wagen zieht man ja selten – wenn man in der Stadt von Wohnung zu Wohnung zieht, ist das eine Entscheidung, die man mit sich selber

Anhang 7 6 Interviewtranskript Lisa in erster Linie ausmacht oder mit dem Menschen, mit dem man vielleicht noch zusammenwohnt. Einen Wagen stellt man selten irgendwo ganz solitär hin und lässt den dann da stehen, sondern es ist häufiger, dass man von einer Gemeinschaft in eine andere Gemeinschaft umzieht, das ist schon richtig. Finde ich aber nicht schlecht oder abschreckend den Gedanken. Ich mag gerne die Gemeinschaftsidee. I: Man lernt ja auch neue Leute kennen. Das wr übrigens eine gute Überleitung, weil ich nämlich den Gemeinschaftsaspekt hier auch noch als Frage drauf stehen habe. Und zwar die Frage, was für Dich Gemeinschaft bedeutet und ob die Wagenplatzbewohner oder Wagenburgbewohner aus Deiner Sicht eine Gemeinschaft bilden. L: Na, das ist aber ein großes Fass. Was ist für mich Gemeinschaft? Eine ideale Gemeinschaft? Ja, das ist sehr unterschiedlich. Zum Beispiel würde ich nicht sagen, dass ich in einer für mich idealen Gemeinschaft wohne. Das hier ist eine Zweckgemeinschaft. Nicht mehr und nicht weniger, nicht schlechter und nicht besser. Ich verstehe mich mit den aller-, allermeisten hier vom Platz und ich bin überall gerne gesehen und ich sehe die Menschen total gerne. Und wenn ich Hilfe brauche, kann ich sie bekommen. Viele Sachen laufen hier einfach so. Viele Sachen laufen auch überhaupt nicht. Und das ist ein bisschen das, was ich mir mehr wünschen würde. Wenn ich eine ideale Gemeinschaft mir vorstelle, dann sind das irgendwie Leute, die irgendwie streitbar sind und die Lust haben auch auf Gemeinschaft, auf gemeinschaftliche Aktionen und gemeinschaftliches Leben, wo viel auch Gemeinschaftsaktionen laufen. Ich weiß auf manchen Wagenplätzen gibt es ja so Aktionstage. Das ist bei uns überhaupt nicht so. Da machen dann immer so ein paar Aktive irgendetwas. Bauen irgendetwas, wenn irgendwas ansteht oder sonst irgendwas, aber der Rest hält sich halt raus. Das ist einfach bei uns so. Ich würde mir wünschen, dass das eigentlich anders wäre, weil das ist das, was ich anstrebe, irgendwann mit Menschen zusammen zu wohnen, die – mit denen ich zusammen auch etwas erreichen kann und die einfach die Lust haben auf Gemeinschaftsbildung und auch auf Prozesse und auf Auseinandersetzung. Beantwortet das Deine Frage? Deine erste? I: Ja, ich glaube schon. L: Und was war die zweite Frage? I: Ob aus Deiner Sicht die Bewohner eines Wagenplatzes oder einer Wagenburg eine Gemeinschaft bilden.

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L: Ja, also in irgendeiner Art und Weise ja. Gemeinschaft ist ja sehr unterschiedlich definiert, würde ich mal sagen. Und generell Wagenleute untereinander, also auch städteübergreifend. Also es gibt ja einmal im Jahr oder ein paarmal im Jahr auch die Wagentage. Die waren ja letztens hier. Im September waren die bei uns. Das finde ich schon schön, einfach zu hören, wie läuft es auf anderen Plätzen so. Was läuft bei denen gut? Welche Schwierigkeiten haben die? Wobei das natürlich durchaus auch eine eingeschworene Gemeinde ist und nicht so ganz die Szene, der ich mich zurechne. Wobei ich mich keiner Szene eigentlich zurechne. Aber auch da gibt es so ihre eigenen Gesetze oder so eigene Regeln, nach denen das häufig abläuft. Da würde ich mir manchmal ein bisschen mehr Offenheit wünschen. I: Du hattest eben auch schon gesagt, dass es ab und zu natürlich auch mal irgendwie Auseinandersetzungen gibt auf dem Platz. Habt Ihr da eigentlich irgendeinen speziellen Modus, wie man sowas regelt? L: Naja, wir haben eigentlich halt einmal in der Woche Plenum, aber das findet in der Regel im Moment höchstens einmal im Monat statt, was viel zu wenig ist. Aber gut – nein, haben wir nicht tatsächlich. Das führt dann manchmal dazu, dass Menschen zwei Jahre lang nicht miteinander reden. Finde ich eine merkwürdige Art und Weise miteinander umzugehen, aber wir sind nicht so eine Art von Gemeinschaft, dass das dann irgendjemanden außergewöhnlich kratzen würde. Also das Plenum ist schon irgendwie eine ganz gute Art und Weise umzugehen mit größeren Problemen, um dann da irgendwie auch einen Konsens zu finden meistens. Aber es ist auch nicht so, dass alle immer zum Plenum kommen, sondern dass das dann auch immer häufig so eine Sache von – ich glaube wir sind irgendwie 28 Erwachsene und es sind vielleicht auf dem Plenum so 20 da. Immer in unterschiedlicher Besetzung, aber so um die 10 bis 15 Leute sind immer da. Naja, wir geben unser Bestes. I: Eine Sache, die mich jetzt als Geograph natürlich interessiert, was auch ein Thema war, das bei vielen Projekten, mit denen wir uns in dem Seminar befasst haben, eine Rolle spielte, sind so diese Konflikte um Raum und um Raumaneignung. Ist bei Wagenplätzen ja glaube ich auch mehr oder weniger ein Dauerbrennerthema. Allein schon dadurch, dass Wagenplätze ja auch gelegentlich mal geräumt werden und so weiter. Wie ist das bei Euch? Ist das alles entspannt oder gibt es da Probleme mit den Nachbarn oder der Politik oder wie auch immer?

Anhang 7 8 Interviewtranskript Lisa L: Tatsächlich ist es so, dass seit 20 Jahren die Wagenburg hier ist und irgendwann die Stadt uns auch offensichtlich irgendwie vergessen hat oder ziemlich zufrieden ist mit unserer geographischen Lage, nämlich am Arsch der Welt im Industriegebiet. Das Industriegebiet oder das Gebiet, was die Stadt ja dann verkauft an Firmeninhaber, das rückt uns immer näher. Das ist etwas, was ich auf jeden Fall und andere hier mit Argwohn betrachten, sagen wir es mal so. Wir haben weniger Probleme natürlich mit Anwohnern, weil wir keine haben oder mit der Tatsache einen Platz besetzt zu haben. Ich meine der ist besetzt, aber geduldet von der Stadt. Also von daher: seit 20 Jahren haben wir hier überhaupt keine Probleme. Trotzdem rückt eben dieses Industriegebiet näher und dieser Platz kann natürlich auch veräußert werden. Und ich habe Zweifel daran, ob die Stadt den Platz nicht verkauft, nur weil wir da zufällig stehen. I: Das wäre jetzt auch meine nächste Frage gewesen, weil Du gesagt hattest das Industriegebiet rückt immer näher, in wessen Eigentum sich eigentlich dieses Grundstück befindet, weil theoretisch könnte man das ja auch zum Industriegebiet machen. L: Stadt. Stadt. Also es gibt einen Bebauungsplan für diesen Platz von vor 30 Jahren, dass hier irgendwie mal eine Bahntrasse über den Kanal geführt werden soll, aber wer weiß, ob dieser Plan von vor 30 Jahren noch immer Bestand hat oder so. Also wir haben hier schon einen relativ sicheren Platz, das glaube ich eigentlich schon. Dass hier rundherum so die schönen Wälder platt gemacht werden, das glaube ich wird demnächst so sein, ja. Aber es gehört alles der Stadt, um auf die Frage zurückzukommen. I: Einen Aspekt habe ich noch, den ich vergessen habe. Und zwar die Frage, inwiefern der Wagenplatz eigentlich aus Deiner Sicht eine politische Aussagekraft verfolgt. L: Verfolgt? Unserer gar nicht. I: Ja, vielleicht sind das auch zwei Aspekte, ob man aktiv eine politische Aussage verfolgt oder ob man eine politische Aussagekraft hat. Das sind eigentlich zwei Fragen, oder?

Anhang 7 9 Interviewtranskript Lisa L: Ja, das stimmt. Also unserer verfolgt das gar nicht. Dazu sind wir eigentlich viel zu weit am Arsch der Welt, um es mal auf Gutdeutsch zu sagen. Wir sind einfach nicht im Blick der Politik, nicht im Blick der Bevölkerung. Von den Besuchern, die hier mal vorbeifahren, mal abgesehen, die dann – man hört sie ganz gut – die dann sagen: Da wohnen doch die Obdachlosen oder die Zigeuner oder sowas. Das ist wirklich witzig. Gerade im Sommer eine große Gaudi immer, wenn die ganzen Fahrradtrupps hier vorbeifahren. Von daher: Unser Platz ist politisch nicht besonders im Mittelpunkt oder verfolgt kein politisches Ziel. Einzelne von uns sind politisch aktiv, aber dann für sich persönlich oder dann halt in anderen Projekten, die sich auch damit beschäftigen, zum Beispiel dieses Recht-auf-Stadt-Ding. Und das ist durchaus auch schon mal ein Thema gewesen, als überlegt wurde, ob es in D-Stadt noch einen anderen Platz geben soll, dass eben die Sichtbarkeit und auch die Konfrontation noch mal eher gesucht werden soll. Ich für meinen Teil – also das ist ja überhaupt nicht der Grund gewesen, warum ich hier her gezogen bin – ich finde das durchaus auch wichtig, irgendwie Plätze bewohnbar zu machen, die nicht genutzt werden, und durchaus auch irgendwie sichtbar zu sein in der Stadtplanung tatsächlich. Dass es einfach Platz geben muss für Menschen, die Lust haben anders zu leben oder aus welchem Grund sie das auch immer tun. Und ein gewisser Sinn für Kreativität finde ich darf da auch nicht fehlen. Also ich habe das Gefühl, dass einfach Viertel geplant werden und überhaupt kein Handlungs- oder Kreativitätsspielraum gelassen wird für die Menschen, die da tatsächlich dann wohnen. Das ist an anderen Plätzen ganz anders. Da ist einfach viel – gerade so J-Stadt, da habe ich ganz gute Kontakte hin, oder auch K-Stadt, die so geräumt werden und die wirklich existenzielle Probleme haben. Da können wir ganz entspannt die Hände in den Schoß legen, was das angeht. Und moralisch sollten wir, das tun einige von uns auch, die Plätze unterstützen, die im Mittelpunkt stehen von Räumungen und von Repressionen, die einfach enorme Probleme haben. Also von daher: Ja, es ist auch verbunden mit einer – also für mich auch immer mehr geworden in den letzten Jahren – es ist eine Aussage von: Boah, ich habe keine Lust irgendwie irrsinnig viel Geld von meinem mühsam verdienten Einkommen auszugeben für einen Platz, an dem ich es warm habe und wohnen kann und sicher bin. Für mich persönlich ist es dann nochmal: Ich möchte abspecken. Ich möchte mit weniger auskommen. Komme ich gut und ich fahre sehr gut damit. Ich lese gerade Momo noch mal. Kennst Du bestimmt. das Mädchen, das es aufnimmt mit den grauen Herren, die die Zeit stehlen und die Menschen dazu bringen immer noch mehr Dinge zu kaufen, die Zeit sparen. Und ich persönlich bin gerade sehr dabei Zeit auszugeben ehrlich gesagt und das finde ich total schön. Das ist ein bisschen abgegriffen, aber irgendwie so

Anhang 7 10 Interviewtranskript Lisa ein bisschen back to the roots zu gehen und ich bin unglaublich glücklich damit, einfach ein bisschen gegen den Strom zu schwimmen. Nicht, dass das meine Absicht ist, ich mache das jetzt nur, um gegen den Strom zu schwimmen, aber tatsächlich tue ich es und bin sehr glücklich damit. Und ich mag es auch gerne, Menschen hier zu haben, also Leute, die Bock haben irgendwie was zu – was heißt was zu lernen – einfach nur mal zu schauen, wie kann man denn sonst noch so leben. Aha, man kann offensichtlich mit Holz heizen und man muss es nicht kalt haben im Winter. Die meisten denken ja, dass es einfach total kalt ist im Winter hier. I: Ich finde es eigentlich immer eher ziemlich warm. Also man kommt immer, vorletzte Woche, als ich in C-Stadt war, war es auch draußen so ungemütlich und kalt und so und dann kommt man rein und denkt: ahh... L: ... schön warm. Ja. Also ich schätze auch sehr zum Beispiel für mein Wasser selber verantwortlich zu sein. Ich verbrauche so irrsinnig wenig Wasser. Ich könnte noch viel weniger Wasser verbrauchen. Dadurch, dass ich alleine dafür verantwortlich bin, die scheiß Kanister mit den 20 Litern hier her zu schleppen, ist das noch mal eine ganz andere Verantwortung oder eine ganz andere Motivation. Auch mit dem Strom jetzt im Winter. Ich lade meinen Computer nur alle drei Tage. Gibt es halt weniger Internet. Ja, dann lese ich halt mehr. Also ich mag sehr, sehr, sehr gerne diese an die natürlichen Gegebenheiten – Wetter, Jahreszeiten – angepasste Lebensweise. Ich weiß nicht, ob das jetzt überhaupt noch in die Frage passt. I: Weiß ich auch nicht, finde ich aber trotzdem ganz spannend. L: Ich mag diesen Aspekt einfach total gerne und das bringt mich total runter und ich habe das Gefühl, dass ich eine außergewöhnlich hohe Lebensqualität habe dadurch. I: Eine Sache ist mir gerade noch eingefallen, weil Du die Recht-auf-StadtBewegung erwähntest, die ja auch in der Geographie immer gerne wieder zitiert wird. Du hattest ja auch gesagt, dass Du eigentlich gerne hier in der Natur wohnst, aber dass Du es eben auch wichtig findest, dass man irgendwie so im Stadtbild oder im Bewusstsein der Stadt schon präsent ist. Macht das für Dich auch eine bunte und eine lebenswerte Stadt aus?

Anhang 7 11 Interviewtranskript Lisa L: Ja, absolut. Das ist genau das, was ich gerade im Kopf hatte. So diese durchgeplanten Stadtviertel die haben für mich so wenig Leben, wenig Quirligkeit und Kreativität so. Das ist irgendwie schon ganz schön öde. Finde ich absolut. Von daher sympathisiere ich sehr mit den Menschen, die alternativ leben. Von Hausbesetzern, die es ja durchaus auch in D-Stadt gibt, mit den Kreativen. In D-Stadt gibt es ja, ich weiß nicht, das U-Viertel. Kennst Du das? Das ist so ein Viertel, wo so Wohnförderung oder wie das heißt, wo ziemlich viele Leute eben auch leben, die das Ganze mit unterstützen. Und die haben ein ziemlich buntes Viertel da. Auch, was politische Aktionen angeht, aber auch einfach so Gemeinschaftsbildung, Nachbarschaftshilfen. Die haben echt tolle Sachen da. Also das ist für mich so ein – da bin ich total gerne und da denke ich auch gerne hin, weil das finde ich, auch wenn die Wohnblocks grau sind, so viel mit Leben gefüllt ist. Und das würde ich sehr vermissen, wenn es die nicht mehr geben würde. I: Das gucke ich mir noch mal an. Da informiere ich mich auf jeden Fall noch mal. Genau, dann hatte ich es bei den anderen Interviewpartnern so gemacht, dass ich sie zum Schluss, sozusagen als so eine Art Zusammenfassung, noch mal gebeten hatte, aus ihrer Sicht vielleicht so die drei – müssen keine drei sein, können auch zwei oder vier oder wie viele auch immer – Punkte so ein bisschen zu nennen, die das Leben auf dem Platz aus ihrer Sicht besonders ausmachen beziehungsweise, die mich vielleicht auch überzeugen oder wie auch immer, warum ich jetzt unbedingt auf einem Wagenplatz oder in der Wagenburg wohnen sollte, könnte, möchte. L: Du kannst von einem handwerklichen Linkshänder zu einem handwerklichen Rechtshänder kommen (lacht!). Du kannst Deiner Kreativität freien Lauf lassen. Wirklich, das finde ich schön. Das finde ich gut. Ja, für mich ist das einfach total der Kontakt zur Natur, das draußen sein. Für mich beschränkt sich einfach mein Lebensraum nicht auf die zwölf Quadratmeter in meinem Bauwagen, sondern ich habe alles drum herum. Ich habe das größte Wohnzimmer ever! So ist das einfach. Total genial. Und die Tatsache, dass ich Hühner habe, die bei mir wohnen. Das finde ich einfach grandios. I: Wo sind denn die? Ich habe die noch gar nicht gesehen. L: Ja, die sind jetzt schon schlafen. Die sind jetzt da hinten im Hühnerhotel. Und so viele unterschiedliche Menschen kennenzulernen. Die Möglichkeit zu haben einfach, also mich auch inspirieren zu lassen. Ins Gespräch zu kommen mit den unterschied-

Anhang 7 12 Interviewtranskript Lisa lichsten Menschen. Das würde ich in einer Wohnung oder in der Stadt nicht. Meistens habe ich ja doch im Viertel oder im Haus Leute aus einer ähnlichen Schicht, sage ich mal so. Das habe ich hier auf dem Platz nicht. Ich mag nicht so gerne tatsächlich dieses Denken in Schichten, aber in dem Fall sage ich es dann doch mal. Hier wohnen einfach die unterschiedlichsten Menschen mit den unterschiedlichsten Einkommen, mit den unterschiedlichsten Bildungsabschlüssen oder auch nicht Abschlüssen, mit den unterschiedlichsten Hintergründen, Lebenszielen, Familienständen, was auch immer. Also diese Vielschichtigkeit der Menschen das finde ich schon ganz schön cool ehrlich gesagt. Das gefällt mir. Also wir sind einfach eine sehr heterogene Masse. I: Ja, schön. Dann bedanke ich mich bei Dir recht herzlich, dass Du mitgemacht hast. L: Sehr gerne.

Anhang 8 1 Interviewtranskript Sabine Anhang 8: Interviewtranskript Sabine Interviewer: Lars Kraehnke (abgekürzt: I) Interviewte Person: Sabine (abgekürzt: S) Ort: D-Stadt Datum: 13.12.2013 Dauer: 41 Minuten und 31 Sekunden

I: Genau, ich hatte Dir ja schon erzählt, dass ich mich jetzt im Rahmen meiner Modulabschlussprüfung mit dem Thema Wagenplätze befasse und dabei möchte ich halt versuchen, das Ganze so ein bisschen aus so einer Alltagsperspektive heraus zu begreifen. Also was so aus einer lebensweltlichen Perspektive heraus das Phänomen Wagenplatz sozusagen für die Bewohner selbst ausmacht. Vielleicht fangen wir einfach mal an, bei den anderen, die ich interviewt habe, hatte ich das auch so gemacht, dass Du vielleicht einfach mal erzählen kannst, seit wann Du hier wohnst und wie Du überhaupt auf den Platz gekommen bist beziehungsweise überhaupt mit dem Thema Wagenplätze in Kontakt gekommen bist. S: Okay, wo fange ich an? Also hier auf dem Platz lebe ich jetzt seit ziemlich genau drei Jahren, habe aber auch schon vorher im Bauwagen gewohnt. Ungefähr ein dreiviertel Jahr vorher bin ich in einen Bauwagen gezogen und stand hier in der Umgebung an so einem Hof noch mit bei und war so quasi – hatte mein WGZimmer quasi ausgelagert in einen Bauwagen. Und dann hat das aber mit der WG irgendwie nicht mehr gepasst und dann war so die Überlegung: Okay, wo ziehe ich hin? Und die Wagenburg hier kenne ich seit knapp zehn Jahren würde ich sagen. Habe halt irgendwann mal auf einem Straßenfest jemanden kennengelernt, der hier gewohnt hat. Der ist mittlerweile auch schon ausgezogen. Und den habe ich dann öfter mal besucht und daher kenne ich halt die Burg. Und ja, keine Ahnung. Das war schon – mein Papa war früher LKW-Fahrer und dann bin ich öfter mal mitgefahren und habe mir schon irgendwie mit zehn oder elf gedacht, wie cool das wäre, sich so einen LKW-Koffer auszubauen und dann ein mobiles Zuhause zu haben. Und als ich dann gesehen habe es gibt wirklich Leute, die das machen, war für mich klar: Okay ich habe da auch Bock drauf. Und dann hat es halt noch ein bisschen gedauert, bis ich dann mal die Kohle zusammen hatte für den Bauwagen.

Anhang 8 2 Interviewtranskript Sabine I: Ja, cool. Gibt es, wenn Du jetzt schon gesagt hast, dass Dich dieses Leben fasziniert hat, wie ist das eigentlich, habe ich mich gefragt, mit so einem typischen Tagesablauf? Also gibt es irgendwie einen typischen Tagesablauf, wenn man im Wagen wohnt, der sich unterscheidet von dem typischen Tagesablauf eines Menschen, der in einer Wohnung wohnt? S: Ja, also es gibt einfach Unterschiede. Also es kommt auch ein bisschen darauf an, was man sonst noch so macht. Also ich bin auch noch – ziemlich lange vor meinem Studium habe ich noch gearbeitet. Da sah mein Tagesablauf natürlich so aus, dass ich morgens aufgestanden bin, zur Arbeit gefahren bin, irgendwann wiederkam, aber dann fängt es halt schon an. Wenn es jetzt Winter ist, kommt man nach Hause und es ist einfach kalt. Und dann muss man den Ofen anmachen, das heißt man muss vorher Holz haben oder man muss das Holz noch hacken, dann muss man den Ofen anmachen. Und hier ist es ja so, dass wir kein fließendes Wasser haben. Also wir haben keinen Wasseranschluss. Das heißt wir haben unsere Kanister mit Wasser, die dann mit der Tauchpumpe funktionieren. Und im Winter ist es dann schon mal so, wenn man ein paar Tage länger weg war und vergessen hat die Pumpe aus dem Kanister zu nehmen und der Kanister eingefroren ist, dann sitzt man erst mal da und muss ein paar Stunden warten, bis man wieder Wasser hat. Also es sind halt so Kleinigkeiten, die schon auch zeitintensiver sind. Sich einfach zu kümmern um Holz. Ich habe mir jetzt, dadurch dass ich neben meinem Studium auch noch arbeiten gehe, jetzt Holz bestellt. Feuerholz. Aber letzten Winter habe ich es so gemacht dass – wir haben ja hier die Entsorgungszentren um die Ecke. Mit denen haben wir Absprachen, dass wir uns einfach Schrottholz in Anführungszeichen nehmen können. Da habe ich mir das letzte Jahr über immer Holz weggeholt und das dann zurecht gesägt und damit halt geheizt einen Winter lang. Das sind halt so Sachen, die anfallen, die man machen muss und die schon auch zeitintensiv sind. Das ist einfach ein bisschen anders, als in einer Wohnung, wo man nach Hause kommt und da ist es warm, weil die Heizung ist an und man hat fließendes Wasser. Und hier ist es einfach – man muss ein wenig mehr achtgeben, wie viel Wasser man verbraucht, weil man hat halt nur begrenzt Wasser. I: Eine andere Sache, die vielleicht auch ein bisschen in eine ähnliche Richtung geht, ist die Frage, die ich mir gestellt habe a) bei Dir ganz persönlich, ob Du an Deinem Wagen viel selbstgebaut hast und b) ob das auch ein Aspekt ist, dieses selber bauen oder selber gestalten können, der einen irgendwie in gewisser Weise

Anhang 8 3 Interviewtranskript Sabine mit seinem Wagen vielleicht stärker verbindet, als jemand der in einer Wohnung wohnt? S: Auf jeden Fall. Also das würde ich auf jeden Fall sagen. Ich habe also damals, als ich den Bauwagen gekauft habe, da hieß es, der wäre schon fertig. So bezugsfertig. Habe dann aber im Winter relativ schnell gemerkt, dass der überhaupt nicht isoliert ist. Also habe ich quasi nach dem Winter noch mal alles isoliert und neu verkleidet und meine Küche da selber rein gebaut. Und da fließt natürlich schon auch Persönlichkeit mit ein in die Gestaltung des jeweiligen Wagens. Und das sieht man auch, wenn man hier in die verschiedenen Wägen geht. Die sehen alle komplett unterschiedlich aus. Also das ist schon auch witzig zu sehen. Und hier den LKW habe ich auch komplett selber ausgebaut. Und das verbindet auf jeden Fall stärker mit dem Zuhause. Würde ich schon sagen, ja. Also ich fühle mich hier auf jeden Fall mehr zuhause, als in meinen alten WG-Zimmern zum Beispiel. Das ist halt meins. Der LKW ist meiner, das ist mein Besitz. Und das, was ich mir hier aufgebaut habe, das ist so – ist halt ganz meins. So, wie ich mir mein Zuhause vorstelle. In WGZimmern ist das halt auch immer zeitlich begrenzt. Man weiß, man zieht irgendwann wieder aus. Da steckt man dann nicht so viel Zeit und Energie rein. Und hier ist es schon so, dass man sich denkt: Okay, das ist mein zuhause für die nächsten zehn Jahre auf jeden Fall und das möchte ich dann natürlich auch gut und schön gestalten. I: Du hattest gerade so ein bisschen diesen zeitlichen Aspekt angesprochen, also das ist Dein Zuhause für die nächsten zehn Jahre. Wenn Du jetzt mal zurück guckst, gibt es da auch sowas – also der Theoretiker, mit dem ich mich so ein bisschen befasst habe und auf den ich mich so ein bisschen stützen will, der sagt, dass so etwas, wie ein Zuhause oder wie eine Heimat eben auch durch Erinnerungen und Ereignisse irgendwie sich entwickelt, die man dann sozusagen mit seinem Zuhause verbindet. Gibt es da irgendwie bestimmte Ereignisse, die Du mit Deinem Wagen oder mit dem Platz jetzt ganz speziell verbinden würdest? Die Dich vielleicht besonders geprägt haben oder so? S: Generell schon alleine die ganzen Fähigkeiten und Fertigkeiten, die ich erworben habe hier. Sei es im handwerklichen Bereich, sei es im technischen Bereich. Also ich schraube halt an dem Laster selber und mein Auto repariere ich auch selber und man lernt hier einfach ganz viel dazu. Schon das alleine sind so viele gute Erinnerungen. Aber auch, also das ist ja auch ganz normal, das hat man ja auch in WG’s,

Anhang 8 4 Interviewtranskript Sabine Mitbewohner, mit denen man sich gut versteht, mit denen man eine gute Beziehung oder Bindung hat, die gibt es hier natürlich auch. Und da gibt es natürlich auch viele gute Erinnerungen. Und hier ist es einfach so – ja man hat halt hier so einen – also dieser Platz generell würde ich sagen hat jetzt nicht so die beste Gemeinschaft, aber es gibt ein paar Leute, mit denen funktioniert das einfach gut. Dann kann man auch einfach mal sagen: Du, ich bin jetzt mal eine Woche weg. Ich kann den Hund nicht mitnehmen. Kannst Du irgendwie gucken und den Hund bei Dir mit laufen lassen? Und dann ist das kein Ding. Das läuft hier einfach gut und das gefällt mir, ja. I: Du hast jetzt schon so ein bisschen die Gemeinschaft angesprochen. Das ist ein Punkt, den ich hier nämlich auch noch stehen habe auf der zweiten Seite. Und zwar die Frage eigentlich, was Gemeinschaft für Dich bedeutet und ob Deiner Meinung nach die Wagenplatzbewohner eine Gemeinschaft bilden. S: Jein, also ich habe hier gute Freunde und da funktioniert das unterstützen sehr gut untereinander, aber generell würde ich sagen, dass dieser Platz keine wirkliche Gemeinschaft hat. Also klar, wir treffen uns eigentlich alle zwei Wochen zum Plenum, um Sachen zu besprechen, die den ganzen Platz angehen. Das funktioniert aber auch nicht immer so gut. Ist ja auch nicht so schlimm. Wenn keine Punkte da sind zum diskutieren, muss man ja auch kein Plenum machen. Aber so Gemeinschaftssinn fehlt mir hier schon so ein bisschen. Also ich fänd es einfach schön ein paar Gemeinschaftsaktivitäten zu haben oder ja, ich lasse das mal so stehen. Das Problem an diesem Platz ist, dass wir ziemlich viele Menschen sind und keine homogene Gruppe. Also jeder, der hier wohnt, ist sehr individuell. Das ist natürlich auch gut, aber das führt natürlich auch zu Reibungen, was auch nicht so schlimm ist. Aber so eine richtige Gemeinschaft – ich würde mir halt wünschen, das wird auch irgendwann der Grund sein, warum ich hier weg ziehen werde, weil ich mir eine kleinere Gruppe wünsche, die wirklich einen Gemeinschaftssinn hat. Wo man irgendwie weiß, alle ziehen an einem Strang, wenn man Gemeinschaftssachen hat, wie wir hier ja auch haben. Wir haben eine Gemeinschaftssauna, wir haben einen Gemeinschaftswagen, ein Neuneck, was jetzt neu gebaut wurde, Telefonwagen – was haben wir noch? – Computerwagen. Halt alles so Sachen, die eigentlich Gemeinschaftssachen sind, die hier aber einfach verrotten, weil sich hier keiner darum kümmert und weil auch keiner irgendwie Lust hat Verantwortung dafür zu übernehmen. Und ich würde mir halt einfach eine Gruppe wünschen, wo es selbstverständlich ist, dass sich jeder dafür verantwortlich fühlt. Und das ist hier halt wenig gegeben. Das ist vielleicht auch so ein bisschen, dadurch, dass die Gruppe so groß ist,

Anhang 8 5 Interviewtranskript Sabine ist hier auch ein bisschen Verantwortungsdiffusion. Jeder denkt: Ach ja, der Andere kann das ja genauso gut machen. Und: Warum soll ich das jetzt machen? Ich habe doch schon das und das gemacht und das muss jetzt reichen. I: Das ist aber nichts wagenplatzspezifisches, sondern glaube ich das Problem einer jeden größeren Gruppe, in der sich einzelne sehr gut verstecken können. S: Ja, da hast Du Recht, aber das ärgert mich halt hier manchmal. Dann ist die Motivation hier viel Energie reinzustecken bei mir natürlich auch nicht gerade die größte. Und ich denke: Okay, ich habe jetzt schon ein halbes Jahr lang jedes Mal Wasser geholt, wenn das Wasser leer war, für alle. Vielleicht könnte das jetzt auch mal jemand anderes machen. Das sind halt so Sachen, die einfach stören, und wo ich mir für mich persönlich eine kleinere Gruppe von Menschen wünsche, die Bock haben irgendwie etwas zusammen aufzubauen und sich schön zu machen. I: Du hattest eben auch schon angesprochen, dass es ab und zu auch mal so Reibereien zwischen den Bewohnern gibt. Habt Ihr da eigentlich irgendeinen bestimmten Modus, wie man die löst? S: Es kommt immer so ein bisschen darauf an. Also eigentlich soll das untereinander gelöst werden. Wenn es gar nicht geht, dann wird es manchmal auch auf dem Plenum besprochen, wenn es irgendwie größere Probleme sind. Manchmal ergeben sich aber auch so eine Art Mediatoren. Also es gab hier schon mal einen Konflikt zwischen drei Personen, der irgendwie überhaupt nicht zu lösen war, wo sich dann – also das waren so zwei Parteien. Eine Person gegen zwei Personen, wo dann jede Partei sich noch mal einen unabhängigen Menschen dazu geholt hat und wir dann ein Konfliktgespräch hatten. Sowas gibt es dann auch. I: Ein zweiter Aspekt, der sich da direkt anschließt, wo wir schon von Konflikten gerade sprechen und auf Krawall gebürstet sind, ist die Frage, die eigentlich, wenn man etwas über Wagenplätze liest, immer so ein Dauerbrenner ist: Die Konflikte mit Außenstehenden, also mit Grundstückseigentümer, Nachbarn, Stadt und so weiter. Habt Ihr da nennenswerte Probleme oder ist das bei Euch alles ganz friedlich? S: Wir können von Glück sprechen. Hier ist alles eigentlich total friedlich. Also die Burg gibt es hier jetzt seit 20 Jahren mehr oder minder ungestört. Es wurde damals besetzt das Gelände, aber die Stadt scheint das nicht zu stören. Also letztens war

Anhang 8 6 Interviewtranskript Sabine auch noch mal jemand da mit einem – ich weiß gar nicht mehr – Bebauungsplan oder so nennt sich das. I: Ja, es gibt da verschiedene. Bebauungsplan, Flächennutzungsplan und so weiter. S: Ja, Flächennutzungsplan war es glaube ich. Sonst war immer noch dieser Wendehammer, den wir hier haben, eingezeichnet und der ist jetzt schon gar nicht mehr eingezeichnet. Das ist jetzt Grünfläche. Und es ist schon so, dass die Stadt... [Unterbrechung des Gesprächs wegen spontanem Kurzbesuch einer Mitbewohnerin; L. K.] S: Ähh, wo waren wir denn jetzt? I: Weiß ich nicht. Ach ja, genau. Bei den Konflikten mit Außenstehenden und so. Du hattest erzählt, dass die Stadt Euch bisher relativ in Ruhe lässt. S: Ach ja. Wir hatten vor eineinhalb Jahren glaube ich oder zwei Jahren, da hieß es, dass ein Grundstück hier verkauft werden sollte. Ist dann auch verkauft worden. Hier vorne, wenn man reinkommt direkt. Da gibt es ja zwei Firmen und wir wollten halt nicht so gerne, dass das Grundstück da verkauft wird, weil das ja quasi bei uns direkt in der Einfahrt ist und wir gerne unsere Parkreihe behalten wollten und so weiter. Und dann gab es auch Gespräche mit der Stadt und letztendlich wurde es dann doch verkauft und das ist halt so. Also wir sind hier im Industriegebiet und die Flächen hier drum herum stehen alle zum Verkauf und wir müssen uns einfach damit abfinden, dass das irgendwann auch verkauft wird. Die Stadt ist auf jeden Fall immer zu Gesprächen bereit, um irgendwelche Kompromisse mit uns zu schließen. Das ist auf jeden Fall ganz schön. Ähm, ja. Wir stehen hier halt und müssen auch nichts zahlen. Das, wie gesagt, ist halt besetzt hier und die Stadt stört es nicht. Wir haben auch eine offizielle Meldeadresse. Von daher: Uns geht es eigentlich ganz gut hier. I: Das ist doch schon mal etwas Positives. Das hätte ich der Stadt D-Stadt gar nicht zugetraut. Auf mich wirkt D-Stadt immer so ein bisschen... S: Konservativ?

Anhang 8 7 Interviewtranskript Sabine I: Spießig, konservativ und wohlhabend. S: Ja. Aber da ist die Stadt echt ganz kulant. I: Ja, cool. Ich gucke mal, was ich hier noch so an Notizen stehen habe. Ja, genau. Eine Frage, die vielleicht noch so ein bisschen an diese Konfliktgeschichte anschließt, ist die Frage, ob der Wagenplatz als solcher irgendwie auch ein politisches Statement sein soll oder eine politische Aussagekraft hat. S: Schwierige Frage. Also politisch ist hier kaum – nein, das ist falsch. Das kann ich so auch nicht sagen. Aber der Platz betreibt keine politische Arbeit. Ist auch nicht gewünscht. Letztens gab es eine kleine Diskussion darüber, wie man diesen Platz zu verstehen hat. Ob der denn wohl links wäre oder nicht. Ich verstehe das hier schon als linke Struktur. Einige Mitbewohner anscheinend nicht. Da war ich ein bisschen überrascht. Ja, der kleinste gemeinsame Nenner, den wir tatsächlich hier haben, ist, dass wir alle im Wagen wohnen wollen, aus den unterschiedlichsten Gründen. Man kann es auch als politisches Statement betrachten, ja. Aber das ist vom Platz aus, von der Gemeinschaft auf jeden Fall nicht initiiert. I: Ist denn das Wohnen im Wagen an sich etwas politisches Deiner Meinung nach? S: Für mich schon. Für manche glaube ich nicht. Also es gibt ja auch Bewohner, die sagen: Ich möchte hier naturnah leben und da bietet sich das an im Wagen zu leben, weil das ist einfach so, wenn man aus seinem Zimmer raus geht, ist man direkt draußen und kriegt alles mit. Finde ich natürlich auch schön. Ist ein toller Nebeneffekt, den ich auch nicht mehr missen möchte, aber es ist schon auch so, dass ich keine Lust habe, irgendwie Menschen, die Geld damit verdienen, anderen Wohnraum zu bieten, also dass ich die unterstützen möchte. Ich finde es besser, in meinem eigenen kleinen Raum zu leben und für mich autonom zu sein. Also für mich ist das schon auch etwas Politisches, ja. I: Ein anderer Aspekt, den ich hier auch noch habe – jetzt sind wir schon so kreuz und quer hier drüber gegangen. Trotz Zettel habe ich es jetzt geschafft, den Überblick zu verlieren (beide lachen!), aber ich mache einfach mal kreuz und quer weiter. Ein anderer Aspekt, der mir auch noch aufgefallen ist, das liegt ja in der Natur der Sache, dass so ein Wagen ja Räder hat. Das heißt, ich stelle mir die Frage, welche Rolle eigentlich Mobilität bei dem ganzen Phänomen spielt.

Anhang 8 8 Interviewtranskript Sabine

S: Ich finde den Mobilitätsaspekt ziemlich wichtig. Deshalb habe ich mich ja jetzt auch vom Bauwagen zum LKW hin entwickelt. Weil ich es einfach super finde, irgendwo hinzufahren und sein Zuhause dabeizuhaben. Das ist einfach – ja, gefällt mir sehr gut. Mit einem Bauwagen ist man auch mobil. Das heißt, wenn man irgendwo in eine andere Stadt zieht, kann man den Wagen einfach dahin ziehen. Aber ich sage mal so: Man fährt jetzt mit einem Bauwagen nicht einfach so durch die Gegend. Die meisten Bauwägen hier stehen auch fest, also mit Terrassen dran und so weiter und so fort. Also die sind jetzt hier nicht so mega mobil. Aber für mich ist das schon auch ein wichtiger Aspekt, ja. I: Nutzt Du das auch tatsächlich oder ist das mehr sowas, was man als Option irgendwie im Kopf hat oder so? S: Ich will das auch nutzen. Also ich bin jetzt erst vor drei Monaten hier eingezogen und bin gerade dabei, den LKW – der hat noch ein paar kleine Reparaturen. Also ich muss den jetzt TÜV-fertig machen und dann will ich ihn schon anmelden und dann auch damit unterwegs sein. I: Okay. Die Frage, die ich mir dann stelle, ist, wenn man jetzt mal den Begriff von Heimat oder Zuhause aufgreift, weil Du jetzt gerade gesagt hast, dass Du dann auch damit fahren willst: Was ist denn für Dich mehr Zuhause, der Wagen oder der Platz? S: Beides ein Stück. Also Du hast ja gerade zwei Begriffe genannt. Einmal Zuhause und einmal Heimat. Also meine Heimat ist schon auch hier. Ich komme auch hier aus der Gegend. Der Platz selber – ich habe hier natürlich auch meine Freunde, deshalb ist das natürlich auch ein Stück mein Zuhause. Aber dieser Raum hier, mein LKW, ist auch mein Zuhause. Ich finde es halt immer schön, eine Anlaufstelle zu haben, wo man hin zurückkehren kann. Und das ist halt dieser Platz jetzt erst mal, bis man vielleicht irgendwann etwas Neues aufmacht. Und das finde ich auch schön so einen sicheren Hafen zu haben, wo man wieder hinkommen kann. Aber dann eben trotzdem die Option zu haben, ich habe jetzt irgendwie Bock mal unterwegs zu sein und fahre dann irgendwie für ein, zwei Monate einfach durch die Gegend.

Anhang 8 9 Interviewtranskript Sabine I: Du hattest gerade gesagt, Du hast hier ja auch Deine Freunde. Heißt das, dass ein Zuhause für Dich mehr ist als die bauliche Dimension? Also mehr als die Materialität dieser vier Wände? S: Auf jeden Fall. Natürlich. Zuhause besteht auch oder Heimat besteht auch aus Beziehungen. Zwischenmenschlichen Beziehungen. Freundschaften, Familie, ja. I: Eine Frage, über die ich auch noch nachgedacht habe in diesem Mobilitätskontext. Naja, es ist eigentlich eine Mischung aus dem Mobilitätskontext und dieser Zuhause-Geschichte. Und zwar, ob es eigentlich egal ist, wo man mit seinem Wagen steht? Es ist ja potentiell denkbar von den Seiten derjenigen, die einen Platz räumen wollen oder so, das geschieht ja teilweise, die Argumentation: Es ist ja eigentlich egal, wo die stehen. Die haben ja Räder, die können ja überall hinfahren und so ein richtiges Zuhause ist das ja auch nicht. Und dann können die ja einfach woanders hinfahren. Kann man das so einfach sagen? S: Na klar kann man irgendwo anders hinfahren, aber ich habe letzten Sommer noch jemanden besucht in J-Stadt, der an der Straße steht, und das wäre für mich überhaupt keine Option. Also, da hast Du doch nie Deine Ruhe. Ich brauche einen Ort, einen Rückzugsort. Und das ist halt hier mein Rückzugsort und, wie schon gesagt, mein sicherer Hafen, in den man zurückkehren kann, wenn man möchte. deshalb finde ich einen Ort schon auch wichtig, den man hat und wo man hinkommen kann. Ich meine, klar kann man, machen ja auch viele, an der Straße stehen und immer unterwegs sein. Hat auch seinen Reiz bestimmt für eine Zeit, aber für mich ist es halt auch wichtig einen Ort zu haben, wo ich hinkommen kann, und zu wissen, da bin ich sicher, da ist mein Zuhause, da kann ich zur Ruhe kommen. I: Du hattest eben den sicheren Hafen genannt oder das Gefühl von Sicherheit. Damit hast Du ja im Prinzip schon so ein bisschen so eine Gefühlsdimension angeschnitten. Gibt es noch andere Gefühle, die Dir sofort in den Sinn kommen, wenn Du an Deinen Wagen oder den Platz hier denkst? S: Da muss ich gerade mal nachdenken. Ähm, Gefühle. Naja, also was ich schon gesagt habe, dieses zur Ruhe kommen können. Also ich freue mich, wenn ich irgendwie lange unterwegs war und dann wieder hier her komme. Dann weiß ich so: Okay, jetzt bin ich wieder zuhause und habe meine Ruhe und freue mich auch auf die Menschen hier. Zum Teil (lacht!). Ja, man versteht sich ja nicht mit allen immer

Anhang 8 10 Interviewtranskript Sabine top. Aber ich glaube das ist ganz normal, wie jeder sich auf Zuhause freut. Also ich merke schon auch, dass mir dieses Naturnahe total wichtig ist und ich froh bin – also mein Freund wohnt im Pott in einer Wohnung. Und wenn ich da mal eine Woche war, dann habe ich immer den totalen Wohnungs-Koller und freue mich hier zu sein und, was halt gerade schon gesagt habe, die Tür aufzumachen und draußen zu sein und einfach mitzukriegen, was draußen so gerade los ist, ob es regnet oder ob die Sonne scheint. Ja, sonst so Gefühle – kann ich jetzt so direkt glaube ich gar nicht mehr so viel zu sagen. I: Naja, aber das war glaube ich auch schon eine Erkenntnis irgendwie. Also Du hast ja irgendwo gesagt: Genauso, wie jemand anderes seine Wohnung als Zuhause empfindet, oder so. Ich glaube das ist auch schon eine Aussage, weil ich glaube, das würden diejenigen, die Räumungen von Wagenplätzen befürworten oder so, würden das glaube ich nicht als gleichwertig akzeptieren. Weiß ich jetzt nicht, aber würde ich vermuten. Die würden ja auch nicht auf die Idee kommen irgendwie ein normal bewohntes Hauses platt zu machen oder so. S: Also ich freue mich, wenn ich hier her komme, dann freue ich mich auf meinen Luxus, der anders ist, als Luxus in einer Wohnung oder in einem Haus. Für mich ist einfach – diese Ruhe ist Luxus. Weil, wenn hier um fünf Uhr das Industriegebiet dicht macht, dann ist hier einfach Ruhe. Dann hört man einfach nichts mehr. Und ja, einfach dieses direkte an der Natur dran sein, die frische Luft, mein Ofen, gerade jetzt so im Winter, wenn man irgendwie nach Hause kommt und es ist rattig kalt draußen, dann kommt man rein und der Ofen ist irgendwie an. Das finde ich total schön. Also das hat auch so ein bisschen was romantisch verklärtes vielleicht, aber es ist halt einfach auch nett, so zu leben und einfach auch minimalistischer zu leben. Man besinnt sich halt auf andere Dinge. I: Ja, ich finde das auch immer super. Ich selbst wohne ja in einer Wohnung, aber ich finde das immer super cool, wie krass die Gegensätze sind, wenn man von draußen reinkommt in so einen Wagen und das ist irgendwie meistens echt gut geheizt und man kommt rein und denkt so: Ahhh! Geil! Wärme, Gemütlichkeit! Das fasziniert mich immer wieder. S: Ja, hier ist es halt – gerade auch die Sache mit dem Strom. Also man haushaltet einfach irgendwie mehr und macht alles viel bewusster als in einer Wohnung, würde ich behaupten. Also ich weiß halt ich habe zwei Batterien, die ich wechseln kann,

Anhang 8 11 Interviewtranskript Sabine die ich dann auflade, aber ich kann halt nicht den ganzen Tag vor em Laptop hocken, weil dafür reicht der Strom nicht. Also man macht einfach Sachen bewusster und das finde ich sehr gut. I: Ja, cool. Dann sind wir glaube ich auch weitestgehend durch. Vielleicht zum Abschluss nochmal, das hatte ich mit den anderen auch so gemacht, die ich interviewt hatte, die hatte ich zum Abschluss nochmal, so als eine Art Zusammenfassung vielleicht, gefragt oder besser gesagt gebeten, nochmal so die zwei, drei wichtigsten Gründe vielleicht zusammenzufassen oder in so ein Schlagwort zu packen, warum man sich für ein Leben auf dem Wagenplatz entscheiden sollte oder mit denen Du mich überzeugen kannst. S: Unabhängigkeit. Soll ich das noch ausführen? I: Ja, mach. Wenn Du möchtest, darfst Du gerne. S: Naja, es ist halt so, hier hat man, also gerade wir haben hier – wir müssen ja nichts zahlen, das heißt ich kann mir so ein bisschen aussuchen, was ich mache. Ich kann halt mit viel weniger Geld haushalten, als man das normalerweise tun muss. Das bedeutet ich studiere, bekomme auch noch BAföG und habe nebenbei noch einen Job, kann mir also auch andere Luxusgüter, wie zum Beispiel ein Auto leisten. Ja und ich bin halt so ein bisschen freier in meiner Wahl. Wenn ich jetzt irgendwie sage ‚gut, ich habe keinen Bock mehr zu arbeiten‘, dann gehe ich nicht mehr arbeiten, weil mir die Zeit wichtiger ist. Das ist ein Argument. Unabhängigkeit, genau. Mobilität ist für mich auch ganz wichtig. Also einfach dieses ich habe mein Zuhause und ich habe Bock jetzt mal wegzufahren. Also schmeiße ich den Motor an und fahre irgendwo anders hin. Und tatsächlich das Naturnahe. Also gerade hier ist es ja so: Wir sind mitten im Grünen. Es sind Bäume um uns herum, der Kanal ist direkt vor der Haustür. Also ich hätte jetzt keinen Bock mitten irgendwo in der Stadt zu stehen, wie es zum Beispiel in C-Stadt bei einigen Plätzen der Fall ist. I: Ja, in Köln war ich ja auch. Die sind ja da direkt in der Stadt. S: Ja. Das wäre für mich keine Option. Also ich habe schon Bock irgendwie so ein bisschen außerhalb zu sein und was von der Natur mitzukriegen. Das sind so meine Beweggründe.

Anhang 8 12 Interviewtranskript Sabine I: Die drei wichtigsten. S: Ja. I: Ja, cool. Dann bedanke ich mich bei Dir nochmal recht herzlich für das Mitmachen. S: Gerne.

Anhang 9 1 Erklärung zur selbstständigen Erarbeitung

Erklärung zur selbstständigen Erarbeitung Ich versichere, dass ich die schriftliche Modulabschlussprüfung selbstständig verfasst und keine anderen als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel benutzt habe. Alle Stellen der Arbeit, die anderen Werken dem Wortlaut oder Sinn nach entnommen wurden, habe ich in jedem Fall unter Angabe der Quelle als Entlehnung kenntlich gemacht. Das Gleiche gilt auch für die beigegebenen Zeichnungen, Kartenskizzen und Darstellungen.

Münster, den 09.02.2014

Lars Kraehnke