Der Segen des Maharishi. Leseprobe

Lothar Pirc Der Segen des Maharishi Die wunderbare Geschichte meines Lebens Eine Autobiografie Leseprobe Leseprobe Inhaltsverzeichnis Ein Wort zu...
Author: Herta Fried
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Lothar Pirc

Der Segen des Maharishi Die wunderbare Geschichte meines Lebens Eine Autobiografie

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Inhaltsverzeichnis Ein Wort zuvor ............................................................................................ 11 So viele Geschichten ................................................................................... 12

I. Das Dorf ......................................................................................... 15 Den Kopf voll Flausen ................................................................................ Mein erstes Geheimnis ................................................................................ Die Weichen sind gestellt ............................................................................ Die erste Meditation .................................................................................... Ein neues Leben .......................................................................................... Seelisberg .................................................................................................... Die Kluft .....................................................................................................

16 22 26 32 39 43 48

II. In der Nähe des Meisters ............................................................ 51 Erste Zeit ..................................................................................................... Größere Verantwortung ............................................................................... Der Segen des Maharishi ............................................................................ Mehr und mehr ............................................................................................ Der Besuch .................................................................................................. Strafversetzt ................................................................................................

52 59 63 67 71 77

Impressum

III. Studium des Bewusstseins ........................................................ 81

© Lothar Pirc, 56130 Bad Ems Kalyana Verlag, 56130 Bad Ems Alle Rechte vorbehalten Layout und Satz: Hans-Jürgen Metz / Monika Schwarz Umschlag: Stefan Kiefer Titelfoto: Trinity Mirror/ Mirrorpix/ Alamy Stock Foto Druck und Bindung: CPI books GmbH, 25917 Leck

Zu neuen Ufern ........................................................................................... 82 Bus ohne Ziel............................................................................................... 89 Erster Dämpfer ............................................................................................ 93 Ungläubige Polizisten ................................................................................. 98 Vagabund im Bürgermeisteramt ............................................................... 105 Glück ohne Ende ....................................................................................... 110 Die Natur trägt mich ................................................................................. 113 Höhere Kräfte ............................................................................................ 117 Ab in die Luft ............................................................................................ 125 Kurz vor dem Ziel ..................................................................................... 130 Ein mulmiges Gefühl ................................................................................ 133

ISBN 978-3-9819620-0-0 Die in diesem Buch beschriebenen Personen oder Institutionen tragen ihre realen Namen. Namen von Personen oder Institutionen aus dem öffentlichen Leben wurden jedoch häufig verändert, um diese vor eventuell auftretenden Nachteilen durch ihre Erwähnung zu schützen. Die verwendeten Fantasienamen sind mit einem* gekennzeichnet.

Der Segen des Maharishi

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IV. Lehrer für Transzendentale Meditation ................................ 137

VIII. Zypern ................................................................................... 281

Kursbüro ................................................................................................... Zwangsversetzt ......................................................................................... Zivi beim Roten Kreuz .............................................................................. Endlich aktiver TM-Lehrer ....................................................................... Erster Tod .................................................................................................. Regierungskontakte am Rhein .................................................................. Verliebt ......................................................................................................

Nikosia ...................................................................................................... Ein süßes Geheimnis ................................................................................. Der kleine Mönch ..................................................................................... Eine Wunderheilung .................................................................................. Yogisches Fliegen vor Publikum ..............................................................

V. Klosterjahre ........................................................................................ Unter Männern .......................................................................................... Mönch auf Zeit .......................................................................................... Der erweiterte Maharishi-Effekt ............................................................... Innen und Außen ....................................................................................... Die Geburt des Phantoms .......................................................................... Das Maß ist voll ........................................................................................ Ein unsäglicher Prozess ............................................................................ Nicht ins Herz eindringen lassen .............................................................. Mit Maharishi auf Reisen .......................................................................... 7.000 in Schnee und Eis ............................................................................

138 140 143 147 151 155 158 163 164 168 172 177 182 194 201 208 214 219

VI. Afrikanisches Intermezzo ....................................................... 225 Plötzlich Sonne ......................................................................................... Schulkinder im Aufwind ........................................................................... Freche Affen und puterrote Köpfe ............................................................ Bekannt im ganzen Land .......................................................................... Die indische Braut .....................................................................................

226 230 238 246 254

VII. Zurück ..................................................................................... 261 Ein jähes Ende ........................................................................................... Ayurveda Konferenzen und Panchakarma ................................................ Einführung des Ayurveda in Europa ......................................................... Ausgebüxt .................................................................................................

262 268 272 277

282 284 286 289 295

IX. Noch einmal Klosterleben ....................................................... 303 Ertappt ....................................................................................................... Verfahren ................................................................................................... Expansion .................................................................................................. Kreuz und quer durch Europa ................................................................... Nächtliche Telefonate ...............................................................................

304 310 315 319 329

X. Pendler zwischen den Welten ....................................................331 Das erste Jahr als Familienvater................................................................ Kirchliche Intrigen .................................................................................... Ein neues Wesen ....................................................................................... 3.000 in Jugoslawien ................................................................................. Die Prophezeiung wird wahr..................................................................... Heißer Draht nach Afrika .......................................................................... Fügungen in Tansania ............................................................................... Verhandlungen in Ostdeutschland ............................................................. Arbeitsgruppe mit dem Meister................................................................. Pendler zwischen den Welten ................................................................... Das Donnerwetter...................................................................................... Noch mehr Projekte................................................................................... Ich werde gekocht .....................................................................................

332 339 344 347 353 358 366 373 380 386 390 395 389

XI. Maharishi AyurVeda-Klinik ................................................... 407 Neben Maharishi ....................................................................................... Maharishi Ayurveda in Bad Ems .............................................................. Licht und Schatten .................................................................................... Viel Lärm um Nichts .................................................................................

408 411 417 423

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Naturgesetzpartei ...................................................................................... Washington D.C. ....................................................................................... Quantenphysik und Bewusstsein .............................................................. Zahlen und der Kongress .......................................................................... Freud und Leid .......................................................................................... Geburt und Tod ......................................................................................... Noch einmal Vlodrop ................................................................................ Reisen ........................................................................................................ Fast Bankrott ............................................................................................. Krankenversicherer in der Klemme .......................................................... Lassen Sie den Maharishi weg .................................................................. Weltanschauungsbeauftragte springen über ihren Schatten ......................

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427 430 436 439 443 451 455 461 465 470 474 478

XII. Schwere Zeiten ....................................................................... 487 Falsches Spiel ............................................................................................ Ich leite das Kurhotel ................................................................................ Vor Gericht ................................................................................................ Mosambik im Aufwind ............................................................................. Frieden für Jugoslawien ............................................................................ Der menschliche Körper – Ausdruck des Veda ......................................... Der Zeigefinger des Meisters .................................................................... Wunderbare Fügung der Natur ................................................................. Vedische Baukunst .................................................................................... Und immer wieder TM ............................................................................. Trost aus den Puranas ...............................................................................

488 494 502 508 516 521 526 532 538 545 550

XIII. Abschied und Neubeginn...................................................... 559 Regierung des Bewusstseins...................................................................... Dreifaches Glück – Veda, Familie und Beruf............................................ Mahasamadhi............................................................................................. Ein Großer geht..........................................................................................

560 564 572 580

XIV. Maharishis weltweite Programme heute – Überblick und Links.............................................................................. 589

Anhang............................................................................................. 604 Glossar....................................................................................................... 605 Erläuterungen............................................................................................. 611 Literatur...................................................................................................... 618 Das vedische Wissen und die Umsetzung von Maharishi ist teils so revolutionär, dass es, vor allem bei der ersten Beschäftigung damit, tieferer Erläuterungen bedarf. Umfassendere Ausführungen haben wir jedoch meist aus dem laufenden Text herausgenommen und in den Anhang Erläuterungen ab Seite 611 verschoben, um den Fluss der Erlebnisse weniger zu unterbrechen und sie trotzdem denjenigen Leser/innen nicht vorzuenthalten, die sich für genaueres Hintergrundwissen interessieren.

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Ein Wort zuvor Dieses Buch beschreibt die ganz persönlichen, subjektiven Erfahrungen meines Lebens und den Segen, den ich in nahezu vier Jahrzehnten durch den Kontakt mit Maharishi Mahesh Yogi und seinem unendlichen Wissen erfahren durfte. Weder bin ich ein besonders enger Schüler von Maharishi gewesen, noch erheben meine Erlebnisse den Anspruch, Maharishis Aktivitäten auch nur annähernd in seiner Vollständigkeit darstellen zu wollen. Maharishi hat im Laufe seines Wirkens Tausenden von Leuten die Gelegenheit gegeben, für eine bestimmte Phase ihres Lebens direkt mit ihm zusammenzuarbeiten und ihnen seine ganz besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Meist tat er das mit vielen von ihnen gleichzeitig. Viele Menschen waren über längere Zeiträume und wesentlich enger um ihn herum gewesen als ich. Trotzdem bin ich das Wagnis eingegangen, meine Leser an meinem Leben mit Maharishi teilhaben zu lassen. Um Menschen, denen es noch weniger oder gar nicht vergönnt war, diesen großen Heiligen zu erleben, ein wenig von dem erahnen zu lassen, was er war und was er geschaffen hat. Es ist unmöglich, mit Worten angemessen zu beschreiben, wie sehr allein die Gegenwart eines Menschen mit einem so grenzenlosen Bewusstsein das eigene Erleben und Empfinden anheben kann. Ich hoffe, dass es mir trotzdem gelungen ist, ein wenig den Geist von Maharishi durch die Zeilen hindurchschimmern zu lassen und den Lesern eine Ahnung von seiner Größe zu vermitteln. Das große Vermächtnis, das er uns hinterlassen hat, sind neben all den zahllosen Projekten, die er zur Verbesserung des Lebens der Menschen auf diesem Planeten ins Leben gerufen hat, das Wissen und die Bewusstseinstechniken der vedischen Tradition. Durch sein Wirken sind sie heute als Transzendentale Meditation mit ihren Fortgeschrittenenprogrammen jedermann zugänglich und leicht erlernbar. Sie beleben das unendliche Bewusstsein, dessen Erfahrung in jedem von uns als unser Geburtsrecht schlummert. Durch regelmäßige Praxis beleben wir die Wahrnehmung dieses alles durchdringenden Bewusstseins immer mehr, so 11

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dass ein jeder von uns ein zunehmend glückliches, erfülltes und gesegneteres Leben führen kann.

So viele Geschichten Das Kaminfeuer wirft orangefarbene, flackernde Lichter an die Wand, jemand hat Kerzen angezündet, die Stimmung ist gelöst. Ein paar Männer und Frauen sitzen zusammen, ich bin in irgendeinem Land, weit weg von zu Hause. Tagsüber habe ich bei einer Konferenz als Geschäftsführer einer deutschen Privatklinik über die erstaunlichen Behandlungserfolge bei unseren Patienten mit Maharishi Ayurveda gesprochen, Studien zitiert und mit Ärzten, einflussreichen Politikern, manchmal auch mit einem Gesundheitsminister diskutiert. Wie fast immer haben selbstlose Menschen der jeweiligen Stadt mich bei der Vorbereitung dieser Kontakte unterstützt, die ebenso wie ich sich dafür einsetzen, dieses Wissen zu verbreiten, das die Menschheit so dringend braucht. Nun sitzen wir am Abend alle in gemütlicher Runde zusammen, überlegen nächste Schritte oder erfreuen uns gemeinsam an den heute erzielten Erfolgen. Geschichten und Anekdoten machen die Runde. Und früher oder später beginne ich zu erzählen, wie ich Maharishi, den großen Weisen des letzen Jahrhunderts persönlich erlebt habe. Oft schmunzelnd berichte ich ein paar Begebenheiten meines Lebens, meine teils unglaublichen Erlebnisse. Und schließlich sagt einer meiner manchmal bewegten, dann wieder mitlachenden Zuhörer: „Lothar, warum schreibst du das nicht mal auf? Es sind so wunderschöne Geschichten!“ Ich fuhr fort zu erzählen, in den verschiedensten Ländern dieser Erde. Die Menschen liebten es, ich liebte es. Und immer mal wieder schlug ein gerade gewonnener Freund vor: „Lothar, du solltest das alles aufschreiben. Mach ein Buch daraus, so viele Menschen würden das gerne erfahren!“ Irgendwann fragte ich einen Jyotishi danach, einen vedischen Astrologen, der mein Horoskop daraufhin beäugte und sich dann über12

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zeugt festlegte: „Du wirst dieses Buch schreiben und sehr viele Menschen werden es lesen!“ Ein paar Jahre gingen ins Land, ich fragte einen Zweiten. „Ja, Lothar, du wirst dieses Buch schreiben. Und es wird Zehntausende bewegen.“ Oha, ermutigend, aber kann ich das denn überhaupt? Schon drückte er genau das aus, was ich instinktiv fühlte: „Aber du kannst nicht so gut schreiben. Es wird nur gut, wenn du die Geschichten so wiedergibst, wie du sie erzählst.“ Ein paar Jahre später wurde der Drang immer stärker, diese Geschichten zu einem Ganzen zusammenzufügen. Ich verschob es immer wieder, der Alltag mit seinen Tausend Kleinigkeiten fraß mich immer wieder auf. Aber irgendwann war es so weit. Ich begann in mein kleines Diktiergerät zu sprechen, ganz von Anfang an, wie alles begonnen hatte. Den ersten Ausdruck zeigte ich meiner Frau Karin. Kaum hatte sie es gelesen, hob sie schon den Kopf und sagte vorsichtig: „Hm, das liest sich noch nicht sonderlich fesselnd. Du kannst das doch so lebendig und mitreißend erzählen. Genau so muss es auch aufs Papier!“ Tja, in Schriftform formulieren ist tatsächlich nicht meine Stärke. Ich muss halt erst in Fahrt kommen und dafür brauche ich echte Zuhörer. „Lass mich mal probieren, ob ich das kann!“ Meine Liebste reizte es total, und bald machte ihr das Schreiben und Formulieren richtig Spaß. Ich erzählte ihr meine Erlebnisse. Sie fragte nach, nach jedem noch so kleinen Detail, lockte die Gefühle, die mich damals bewegten, durch weiteres Nachfragen aus mir heraus, recherchierte in der Folge viele faszinierende Einzelheiten, um schließlich alles in lebendige Worte zu fassen. Nur um es mir danach erneut vorzulesen, so dass wir es noch einmal (und nicht nur einmal!) abstimmen konnten. So liegt jetzt schließlich dieses Buch vor Ihnen, in der höchstmöglichen Genauigkeit, die einem im Nachhinein möglich ist. Tauchen Sie nun ein, lieber Leser, in mein recht bewegtes, vielschichtiges Leben mit all seinen Fügungen und wundersamen Begebenheiten, durch das sich wie ein roter Faden die Segnungen meines Meisters Maharishi Mahesh Yogi zogen. 13

I. Das Dorf Denn der Raum des Geistes, dort wo er seine Flügel öffnen kann, das ist die Stille.



Antoine de Saint-Exupéry 1900-1944, franz. Schriftsteller und Pilot

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Den Kopf voll Flausen Der Fluss war mein Fluss. Ich liebte ihn. Ich liebte es, unbewegt am Ufer zu sitzen und seine kleinen wirbelnden Bewegungen und sein ruhiges Fließen in mich aufzunehmen. Die Stille ringsum war mir total vertraut, ein Teil meiner Selbst, manchmal belebt durch die entfernten Stimmen der Nachbarn, die weiter weg ihre am Fluss liegenden Schrebergärten bestellten. Nur einmal die Stunde ratterte die Dampflok mit ihrem Tuff-tuff-tuff am Lahnufer entlang. Ansonsten lag unser kleines Dorf in beschaulichem Frieden, den selbst die monotonen Töne der nahen Marmorfabrik oder das fröhliche Rufen von Kindern auf den ungeteerten Straßen nicht stören konnten. Knapp 200 Einfamilienhäuser aus verschiedenen Epochen schmiegten sich an einer Seite an den Hang, darüber thronten die erhabenen Mauern der 900 Jahre alten Schaumburg. Auf der gegenüberliegenden Seite meines Flusses standen unbeweglich die hohen Bäume des großen, unberührten Waldes. Ich kannte nicht nur fast alle Häuser von innen, sondern auch ihre Bewohner. Meine Mutter und auch mein Vater überschütteten uns drei Jungen mit Liebe und Aufmerksamkeit. Sie waren fürsorglich darauf bedacht, Unbill von uns abzuwenden. So wuchsen meine beiden Brüder und ich in der Gewissheit auf, dass Vater und Mutter in jeder Beziehung für uns da sein würden, um uns einen guten Start ins Leben mitzugeben. Ich fühlte mich als kleiner Junge rundum geliebt und geborgen.

Wir lebten in unserem eigenen Haus, trotzdem wurde bei uns immer eisern gespart und wir lernten schon früh, dass jeder Pfennig zweimal umgedreht werden musste. Einer der Höhepunkte des Jahres waren die Fahrten der Familie nach Koblenz, wo wir uns zur Schnäppchenjagd in den Schlussverkauf stürzten. „Kinder, zieht Eure Jacken an, es geht los!“ 16

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Die Stimme der Mutter gab das Startsignal. Sechs magere Jungenbeine trappelten den Hügel unserer Straße hinunter, überquerten springend die Bahngleise, sahen das Schild mit den schwarzen Lettern, das den Namen unseres Ortes Balduinstein trug und kletterten dann nach aufgeregtem Warten ungeduldig die großen Stufen hoch in den Zug. Der Triebwagen zog seine Waggons direkt am Lahnufer entlang. Die hoch aufragenden, bewaldeten Hänge zu beiden Seiten gaben die Sicht nur auf die an uns vorüber flitzenden Bäume und die wenigen Häuser der kleinen Dörfchen und Bahnstationen im Tal frei. Kurz vor Bad Ems stürmte ich regelmäßig zum Fenster und drückte mein Stupsnäschen an der Scheibe platt. Aufgeregt und völlig gebannt schaute ich hinaus. Bei jeder Fahrt wuchs die innere Spannung von Neuem. Gleich würde die Stadt mit dem riesigen, weißen Haus in Sicht kommen! Mit den hundertfünfzig Sprossenfenstern auf drei Stockwerken, seinem mit Schiefer gedeckten, winkligen Dach, das mehrere spitze Türmchen zierten – es war für mich der Inbegriff von Harmonie und Imposanz. Jedes Mal bemächtigte sich meiner eine unerklärliche Faszination, der ich mich nicht entziehen konnte. Der Hauch einer fernen Ahnung umwehte mich ... Schon als kleiner Steppke liebte ich es, draußen in der freien, weiten Natur zu sein. Ich verbrachte viel Zeit beim Spielen mit meinen Freunden und streifte durch die Wälder und Wiesen der unberührten Umgebung. Getrübt wurde diese Idylle durch den täglichen Gang zur Schule, an der ich kein sonderliches Interesse hatte. Meinen Vater, der sich die beste Zukunft für mich wünschte, brachte das mit schöner Regelmäßigkeit auf die Palme. Er hatte mit eigenen Händen einen Großteil der Bauarbeiten an unserem Haus übernommen, machte Nachtschichten bei der Bahn und verdiente sich tagsüber als Schneidermeister noch etwas hinzu. Sein Leben hatte ihn gelehrt, dass man es nur mit harter Arbeit und besonderem Einsatz zu etwas bringen kann. Damit war der tiefe Dauerkonflikt meiner Kinderjahre vorprogrammiert. Denn kaum von der Schule gekommen, dribbelten schon die Nachbarsjungs 17

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mit dem Lederball vor unserem Esszimmerfenster und riefen: „Lothar, komm, mer geh’n Fußball spille!“ Dann hielt mich nichts mehr, ich zappelte und wollte nur noch raus. Wer kann bei solch einer Verlockung Hausaufgaben machen wollen? Wenn mein Vater die Geduld verlor und um meine Zukunft fürchtete, gipfelten seine Ermahnungen fast immer in dem hilflosen Standardsatz: „Wenn dau dich net meh o’strengst, da kannste später mit Schipp un Hack uffem Bau schaffe geh’n“. Na, wenn das keine Drohung für einen unbekümmerten Jungen ist! Nicht selten verkrümelte ich mich nach diesen düsteren Prophezeiungen nach draußen und grübelte über die drohende Zukunft, die ihren dunklen Schatten über mich zu werfen schien. Eines Nachmittags auf dem Balkon unseres Hauses überließ ich mich meinen brütenden Gedanken. In mir wurde es stiller und stiller, die Grenzen meines kleinen, schmalen Jungenkörpers schienen dabei plötzlich durchlässig zu werden. Ich fühlte mich weit, unendlich weit, mit den Hügeln vor mir und dem Himmel über mir zu Einem verschmolzen. Die ganze Umgebung schien wie in helles Licht gehüllt und ich fühlte es von innen aufsteigen: ‚Du brauchst dir keine Sorgen zu machen, denn du wirst später einen ganz besonderen Beruf ergreifen und etwas Großartiges tun, etwas, das es heute noch gar nicht gibt’. Ich hörte diese Worte nicht in der Weise wie sonst Menschen mit mir sprachen, es war mehr ein überdeutlicher Gedanke, der ohne mein Zutun aus meinem Inneren quoll. Auch war er ganz anders als alle Gedanken, die mir sonst durch den Kopf zogen. Diese innere Stimme empfand ich so, als hätte mir jemand etwas mitgeteilt, auf eine sehr sanfte, leise, aber unmissverständliche Weise. Verbunden mit dem unendlichen Gefühl der Befreiung, das sich dabei einstellte, fühlte ich mich in der grenzenlosen Weite und in dieser Geborgenheit zutiefst beruhigt. Ein anderes Mal verdrückte ich mich nach einer ähnlichen, donnernden Schimpftirade meines Vaters ins Elternschlafzimmer und schaute verloren in den großen, dreiteiligen Spiegel. Da stand ein 8-jähriger Junge in kurzer Hose, mit staksigen Beinen, blonden, kurz 18

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geschnittenen Haaren und blauen, etwas verträumten, traurigen Augen. Völlig unerwartet kam es wieder auf die gleiche Weise von innen: ‚Du wirst später ein König sein, in einem Bereich, den man jetzt noch nicht kennt.’ Die tiefe Sanftheit und unerschütterliche Stärke, die mit diesen Worten einherging und mein kindliches Vertrauen in sie trösteten mich vollkommen. Diese innere Sicherheit war schon seit frühester Kindheit ein Teil von mir. Immer wenn Freunde und Verwandte mich bereits als kleinen Jungen liebevoll fragten: „Ei, Lotha, wad willst du da mo wärn, wenn de groß bist?“, tauchte schon damals die Antwort tief aus meinem Inneren auf: ‚Ich werde etwas, was es heute noch nicht gibt…’ Und eine klare, zarte Gewissheit stellte sich dabei ein, es fühlte sich gut und wahr an. Nicht nur wegen meines mangelnden schulischen Enthusiasmus war mein Vater häufig ungehalten. Denn hin und wieder wurde er zum Schulleiter zitiert, weil ich nicht lernen wollte oder etwas ausgefressen hatte. Unser Kontakt zur Außenwelt beschränkte sich in diesen Tagen auf die Tageszeitung sowie das mit Stoff bespannte, glänzende Holzradio mit großen Drehknöpfen, das in fast jedem Haus zu finden war. Ansonsten war nix los, so dass die überschäumende Energie und eine gute Portion ungenutzter Kreativität sich regelmäßig Bahn brachen. Nicht nur unsere Lehrer waren für uns Jungen besonders gerne eine dankbare Zielscheibe für Streiche, von denen wir viele ausheckten. „Lotha, machst de mit?“ Mein Freund Joachim flüsterte mir grinsend etwas zu. Au weia, das klang verlockend! Abgemacht, getan. Wir besorgten uns einen langen Zwirnsfaden aus dem Nähkästchen meiner Mutter, eine verheißungsvoll glitzernde Reißzwecke, etwas Kolophonium – und wählten unser Opfer. In einer mondhellen Nacht stahlen wir uns nach draußen und schlichen leise zum Haus des Klassenlehrers. Aus dem Schlafzimmerfenster des ahnungslosen Ehepaares tönte lautes Schnarchen, ein untrügliches Zeichen, dass es jetzt losgehen 19

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konnte. Ich umwickelte die Reißzwecke mit dem Faden und zog den Doppelknoten fest an, während mein Magen Purzelbäume schlug und mir die Beine vor Aufregung zitterten. Schnell die Reißzwecke in den Fensterkitt gedrückt und zwar so – das war ganz wichtig – dass die Metallspitze des kleinen Stifts durch den Kitt hindurch die Glasscheibe berührte. Und nun nichts wie weg. Ein anderer von uns kleinen Steppkes stand fünf Meter weiter in sicherer Entfernung. Er verwandelte nun den unschuldigen Faden durch Bestreichen mit dem Kolophonium in eine schauderhaft klingende Geigensaite, die in Kombination mit dem dumpfen Summen und Vibrieren der Fensterscheibe ein lautes, grausiges Geräusch erzeugte. An einigen Stellen in Lehrers dunklem Vorgarten standen unsichtbare Lausebengel Schmiere und horchten. Endlich, die angstvolle Stimme der Lehrersfrau: „Günther, da sägt jemand an unserem Haus! Oh Gott, da sind Einbrecher! Sollen wir das Licht anmachen oder besser nicht?“ Wir Knirpse hielten uns die Bäuche vor unterdrücktem Lachen und sägten eifrig weiter. „Elli, mach’ das Licht nicht an! Ich werde sie überraschen!“ Plötzlich ging die Haustür auf und der Lehrer zeigte sich in all seiner Pracht, mit weißem, im Mondlicht schimmernden Nachthemd nebst Zipfelmütze, während wir Jungen nun doch mit unsäglicher Angst die Flucht ergriffen und uns so schnell wir konnten in alle Richtungen verteilten. Einen von uns aber jagte er über eineinhalb Kilometer, bis der Lehrer schließlich schwer schnaufend aufgab und den vor nacktem Entsetzen zitternden Jungen notgedrungener Weise entwischen ließ. Wir machten uns alle schreckliche Sorgen wegen des ungewissen Schicksals des Freundes und vereinten uns eine Stunde später – Gottlob vollzählig – in der nachtschwarzen Dorfmitte, wo wir uns vor Lachen nicht mehr halten konnten. Oh, was für ein entsetzlicher, köstlicher Schrecken, der natürlich nach häufiger Wiederholung drängte, auch bei anderen Opfern! Nachdem der Dorfbäcker früh am Samstagmorgen die Brötchentüten auf seiner Runde vor die Haustüren gelegt hatte und das Dorf in 20

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arglosem Schlummer lag, waren wir schon unterwegs. Mit dünnem, flinkem Finger bohrten wir ein Loch in die noch warmen Wasserwecks, labten uns an dem mit aller Vorsicht rausgepulten, noch etwas klebrigen Innenleben. Und glucksten bei der Vorstellung über die verdutzten Gesichter, die die rechtmäßigen Besitzer der Brötchen nach dem Aufschneiden derselben wohl am Frühstückstisch ziehen würden. Am Abend der Hexennacht, der Nacht zum 1. Mai, an der man in unserem Dorf nach altem Brauch jeden Unsinn ungestraft verzapfen durfte, kippten wir dem Lehrer sowie dem Pfarrer eine doppelt große Fuhre Mist vor ihre Haustüre oder sangen im Dorf provozierende Lieder. Der Pfarrer ließ sich nicht lumpen und hielt schon immer zehn Eimer Wasser für uns bereit, um sein Territorium zu verteidigen. Als wir älter waren, nahmen mein großer Bruder und ich das laute Zetern einer Nachbarin, die sich regelmäßig und lauthals quer über die Straße über uns Kinder beschwerte, flugs mit unserer stolzen Neuerwerbung, einem nagelneuen Tonbandgerät, auf. Dies ließen wir mit feixenden Gesichtern und vielleicht noch ein wenig lauter als das Original – natürlich in sicherem Abstand von unserem Kinderzimmerfenster aus – abspielen. Auch das darauf von ihr folgende, erneute Wutgeschrei nahmen wir auf und ließen es zum Ergötzen aller anderen Kinder über die Straße schallen. Solange, bis ein Schreiben vom Anwalt kam. Zur Ehrenrettung meines Vaters muss an dieser Stelle allerdings erwähnt werden, dass er selber große Freude daran hatte, Leute auf die Schippe zu nehmen. So nahm er uns nicht selten in Schutz und musste sich selber häufig das Lachen verkneifen, wenn wir Brüder mal wieder einen ordentlichen Streich gespielt hatten und er uns auf die Schliche kam! Das war die eine Seite meines Lebens: Ich war ein ganz normaler, ausgelassener, meist vergnügter Junge, mit dem Kopf voller Flausen. Die andere Seite aber war mein sorgsam gehütetes Geheimnis.

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Mein erstes Geheimnis Ein warmer, sonniger Sommertag. Meine Füße steckten in Ledersandalen und trugen mich federnd einen der steilen Hügel hinauf. Ich war glücklich und zufrieden. Die Geräusche des Dorfes hatte ich weit unter mir gelassen. Die Luft schien unter dem blauen Sommerhimmel fast still zu stehen, nur ab und zu war das feine Sirren einer Mücke zu hören. An einer Stelle des steinigen Fußwegs vernahm ich völlig unverhofft die mir nun bereits vertraute weiche, innere Stimme, die mich sanft aber bestimmt aufforderte: ‚Setz dich hier hin, auf diesen Felsen!’ So zwingend war dieser innere Impuls, dass ich ihm unvermittelt folgte. Kaum hatte ich Platz genommen, brachte mich ein weiterer, zarter Ruf aus meinem Inneren dazu, den Namen eines Freundes vor mich hin zu murmeln. Ich fragte mich nicht weshalb und wozu, ich tat es einfach, langsam, unschuldig, einfach so, mehrere Male. Dabei verwandelten sich die Silben, wurden zarter und feiner, veränderten sich und klangen weiter in mir nach. Ich überließ mich allem, während ich das Gefühl hatte, dass mein Kopf sich nach oben hin öffnete und eine mir bisher unbekannte, sanfte Energie aufnahm. Es wurde hell und kristallklar, während zwei feine Silben von oben in meinen Scheitel herabsanken. Instinktiv wiederholte ich sie immer und immer wieder, bis der Klang schließlich völlig abebbte. Ich ruhte völlig wach in mir, und der Körper wurde fast starr, verbunden mit einem seligen Gefühl, endlich zu Hause angekommen zu sein. Hier war die Welt in Ordnung und alle Probleme, die ich sonst im Alltag haben mochte, verblassten. So saß ich dort vielleicht eine viertel- oder halbe Stunde. Beglückt und sanft berührt machte ich mich schließlich auf den Heimweg. Ich wusste, dass das, was mir da widerfahren war, mein Geheimnis bleiben würde und auch, dass ich dieses jederzeit wieder herbeiholen könnte. Mir war instinktiv klar, dass ich weder mit meinen Freunden noch mit meinen Eltern darüber würde sprechen können, weil sie es nicht verstehen könnten. Eine tiefe Freude überkam mich jedoch, jetzt dieses mir ganz eigene, wunderbare Geheimnis zu haben. 22

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Von nun an zog es mich bei meinen Streifzügen durch die Natur immer wieder zu meinen Lieblingsplätzen: der Bank am Waldrand in der Nähe eines Bienenhäuschens oder einer Bank am Fluss neben einer Trauerweide, deren Zweige leicht schwingend das ruhig vorbei strömende Wasser streichelten. Unbemerkt von Eltern und Geschwistern strebte ich dahin. Wie konnte ich auch Worte dafür finden, dass ich dort in mein Inneres sank, wenn ich die mir geschenkten Silben in der Stille meiner Gedanken wiederholte? Und dass ich das Wasser und die Natur in einer Weise in mich aufnahm, dass mich nur noch Schweigen und Losgelöstheit umfing, bis mein Atem fast stillzustehen schien? Diese innere Welt, die sich da vor mir eröffnete und für die ich jetzt einen Schlüssel besaß, zog mich magisch an. Sie war so schön, so ruhig, so vollkommen – es schien mir, dass das, was ich dort in meinem Inneren erfuhr, sehr viel bedeutsamer und wichtiger war, als alles, was sonst in meinem kleinen Leben geschah. Erstaunlicherweise schienen die anderen Menschen von diesem inneren Königreich nichts zu wissen. So beließ ich es dabei und erfreute mich still und heimlich weiter daran. Es war unmöglich, es zu vergessen, denn regelmäßig erinnerte mich die sanfte, innere Stimme daran, wieder dort hinzugehen und mich in diese Leere voller Fülle fallen zu lassen. Durch dieses Hineinsinken in mein Inneres war mir vollkommen klar, dass es noch ein anderes Wissen geben müsste, eines, das jedoch in der Schule nicht unterrichtet wurde. So überzeugt war ich davon, so unerschütterlich sicher, dass ich mir eines Tages zu Hause – ich war vielleicht acht Jahre alt – unser dickes Lexikon schnappte, mir den grünen Stoffrücken mit seinen goldgeprägten Lettern auf den Schoß legte und lange darin blätterte. Ich suchte systematisch nach dem Bild einer großen Persönlichkeit, die neues oder ein anderes Wissen in die Welt gebracht hatte und mir meine inneren Erfahrungen erklären konnte. Ich hatte eine ganz klare Vorstellung davon, wie diese Person aussehen müsste und war nach langem Suchen sowohl verwirrt als auch enttäuscht, diesen bedeutenden Menschen in unserem Lexikon nicht entdecken zu können. 23

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‚Nun gut, wenn er darin nicht zu finden war, so musste ich ihn halt suchen gehen!’ Viele Male fasste ich diesen Entschluss, aber mein Verstand hielt mich immer wieder davon ab, als kleiner Knirps in die weite Welt zu ziehen. So stritten die zwei Seelen in meiner Brust, bis ich schließlich – Vernunft hin oder her – meinem inneren Drängen folgend einfach in den Wald ging und mich auf die Suche machte. Ich ging länger, immer weiter und weiter, bis schließlich nach fast drei Stunden und sechs Kilometer weiter, kurz vor dem nächsten Städtchen und bei Einbruch der Dämmerung mein Verstand die Oberhand gewann: ‚Was willst du denn machen? Du hast nichts zu essen, wo willst du schlafen? Und deine Eltern werden sich größte Sorgen machen, wenn du nicht zurückkommst!’ Hin und her wälzten sich diese widerstreitenden Impulse, bis ich schließlich aufgab und mich schweren Herzens wieder auf den Heimweg machte. Und so musste ich mich weiter damit begnügen, diesen Zustand grenzenlosen Friedens ganz bewusst für mich allein herbeizuführen. Wenn ich irgendwo in der unberührten Landschaft saß, richtete ich meine Aufmerksamkeit darauf, ließ völlig los und schon sah und spürte ich, wie diese tiefe Stille die gesamte Natur durchdrang, die Bäume und Wiesen, die Häuser und Menschen. Ihre Sanftheit verbreitete sich in mir und um mich herum. Dieser Zustand von greifbarer Ruhe und Frieden war schließlich so ein Teil von mir selbst geworden, dass ich sie oft auch verspürte, wenn ich mit meinen Freunden in der Straße herumtollte. Auch dann fühlte ich den lautlosen Segen, der mir das Herz wärmte. Trotzdem ging in den letzten Jahren meiner Schülerzeit an der Dorfschule, während meiner kaufmännischen Ausbildung sowie der täglichen Arbeit in einem Textilgeschäft in der Nachbarstadt dieser bewusste Kontakt zu meiner Innenwelt mehr und mehr verloren. Nie mehr nahm ich im Alltag wahr, dass alles in Licht getaucht war. Ebenso verstummten die stillen Mahnungen meiner inneren Stimme, die mich stets in die Natur geholt hatten, um das magische Wort zu wiederholen, das mich in mein Inneres gezogen hatte. Ein zunehmend dichter 24

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Schleier des Vergessens breitete sich darüber. Bis ich mich schließlich nicht einmal mehr daran erinnerte. Noch immer zog es mich viel in die Natur. Jedoch waren die unbekümmerten Streifzüge der Kinderjahre langen Ausflügen mit dem Motorrad gewichen, die ich sehr genoss. An den Wochenenden zeltete ich mit meinen Freunden oder schlief in lauen Sommernächten unter freiem Himmel. Unbemerkt und allmählich suchte ich meine Freude nun mehr im äußeren Leben. Ich begann, wie meine Altersgenossen zu rauchen, Alkohol zu trinken, ging in Diskotheken und suchte ebenso verklemmt wie vergeblich nach der idealen Freundin. Unter der Woche fuhr ich täglich in die nächstgrößere Stadt und absolvierte dort meine Ausbildung in einem Textilgeschäft. Selbst als ich im zweiten und dritten Lehrjahr mehr und mehr eigenständig und verantwortlich Kunden beriet, Anzüge und Mäntel verkaufte, Buchführung und alle anderen dazu gehörigen Tätigkeiten lernte, erschreckte mich die Aussicht, dies oder etwas Ähnliches mein Leben lang machen zu müssen. Ich war nicht mit dem Herzen dabei, zu leer und eintönig erschien es mir. Aber ich wusste auch nichts Besseres, was ich mit meinem Leben anfangen könnte. Alles in allem machte mir mein Leben in diesen Jahren wenig Freude. Ich fühlte mich deswegen oft frustriert und niedergedrückt. Abgeschnitten von dem Zauber meiner Kindheit wusste ich nur eins: Ich bin hier nicht am richtigen Platz, so ein Leben will ich nicht. Nicht tagein, tagaus diese Langeweile, die immer gleiche Tretmühle. Ohne Sinn und ohne Bedeutung.

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Der Segen des Maharishi

Die Weichen sind gestellt

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Er, dessen Bild ich schon als kleiner Junge vergeblich im Lexikon gesucht hatte und den ich bei meinem Ausreißer in den tiefen Wald aufspüren wollte. Ein mir beim ersten Anblick völlig vertrautes Gesicht, das für mich Weisheit, Güte und inneren Frieden ausdrückte. Er, von dem ich mit untrüglicher Sicherheit schon damals gewusst hatte, dass er mir ein Wissen und eine Wahrheit geben konnte, nach der meine Seele so sehr dürstete. Sein Gesicht prangte an der Litfasssäule und kündigte einen Vortrag über Transzendentale Meditation am selben Abend an. Völlig klar, dass ich da hin sollte, ja unbedingt musste. Ich zögerte nur kurz … – und nahm den Zug nach Hause.

dass es auch erfahrbar sein muss. Alles, was ich da las, war mir aus eigener Erfahrung vertraut. Und ich versuchte dieses Sein durch die von Sokrates beschriebenen Fragen zu entdecken. Ein Abglanz dessen stellte sich auch bei der Beschäftigung mit diesen Texten ein, aber es fehlte etwas Wesentliches: eine Möglichkeit, dieses Sein praktisch zu erfahren. Meine Suche und das Drängen blieben. Kurze Zeit später lieh mir ein Freund das Buch Siddhartha von Hermann Hesse. Wie viele Männer bin ich ein ziemlicher Lesemuffel. Aber diese Geschichte des reichen Königssohns, das schließlich in der Erleuchtung gipfelte, traf total ins Schwarze. Entgegen meiner sonstigen seltenen Lesegewohnheiten verschlang ich das Buch in einem Stück. Bis morgens früh um fünf zog es mich in seinen Bann, wobei ich manche Textstellen zwei- oder dreimal lesen musste, um alles tief in mich aufzunehmen, so fasziniert war ich. Hier war es endlich, was ich suchte und bisher selbst nicht in Worte zu kleiden vermochte. Hin und wieder habe ich danach zu meditieren versucht, wie es Siddhartha gemacht hatte und lange verloren geglaubte Ahnungen aus meinen Kinderjahren belebten sich wieder.

Was für ein kolossaler Irrtum! Wieder und wieder versuchte ich das Gefühl abzuschütteln, etwas überaus Kostbares verpasst und einen schwerwiegenden Fehler in meinem Leben gemacht zu haben. Noch zwei Wochen danach war ich deswegen verstört, noch Monate später manchmal traurig.

Durch dieses großartige Buch verstand ich nun, dass es höhere Zustände des menschlichen Bewusstseins gab und dass die Quellen für das Wissen darüber in Indien lebendig waren. Ich spürte, ich brauchte einen Lehrer, ich brauchte jemanden, der mich anleitete. Es war immer noch nicht das Richtige, wenn ich wirklich nach innen gehen wollte.

Ein Jahr danach besuchte ich die Abendschule, um den Realschulabschluss zu machen. In meiner Not sprach ich nach dem Unterricht meinen Geschichtslehrer an, von dem ich spürte, dass er mit meinem unbestimmten Drängen am ehesten etwas anfangen könnte. Aber mir fehlten die Worte, ich wusste keine Bezeichnungen für das, was ich suchte. Trotzdem gab er mir einen segensreichen Rat, ich besorgte mir ein Buch über Sokrates. Durch die in Platons Schriften eingewobenen Dialoge des großen Griechen mit seinen Schülern und anderen Zeitgenossen wurde mir erstmals intellektuell klar, dass es ein Sein gibt und

In dieser Zeit veränderte sich noch etwas Einschneidendes. Urplötzlich mochte ich kein Fleisch mehr essen. Allein der Geruch war mir zuwider. Viel schlimmer aber war der Gedanke, dass für den Erhalt meines Körpers unschuldige Tiere ihr Leben lassen mussten. Wie aber sollte ich das meinen Eltern beibringen, wo doch meine Mutter unermüdlich und mit viel Liebe tagein, tagaus, gut schmeckende deutsche Hausmannskost auf den Tisch brachte. Mir schwante schon, dass diese Änderung meines Speiseplans nicht gerade auf offene Ohren stoßen würde.

Eines Abends schlenderte ich nach der Arbeit zum Bahnhof, um wie immer mit dem Zug nach Hause zu fahren – und … … da war er.

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Der Segen des Maharishi

„Ich möchte kein Fleisch mehr essen!“ So, nun war es heraus. Die prompte Reaktion meines Vaters ließ nicht auf sich warten: „Wer hat dir denn diesen Spleen ins Ohr gesetzt?“ Beide Eltern versuchten geschlossen, mir diese neue Anwandlung mit allen ihnen zur Verfügung stehenden Argumenten auszureden. Aber ich war hartnäckig. Mutter und Vater äußerst besorgt. Wie kann man einen zu allem entschlossenen Jüngling von achtzehn Jahren umstimmen? Einen, der inzwischen seine Haare in langen Wellen offen bis auf die Schultern trug, der fleißig und entschlossen seine Abendschule mit allen damit verbundenen Unbequemlichkeiten durchzog? Einen, der einem langsam entglitt und seinen eigenen Weg gehen wollte? Hier musste fachmännischer Rat her! So stapfte mein Vater wenig später in die Praxis des Dorfarztes und berichtete von unserem Dilemma. Der Arzt war ein guter Arzt und auf dem (damals) neusten Stand der Wissenschaft. „Das kann der Junge nicht machen, nur Fleisch enthält alle essenziellen Aminosäuren. Ohne Fleisch werden ihm lebenswichtige Eiweißbausteine fehlen, die sein Körper nicht selbst herstellen kann.“ Und mein Vater brachte auch gleich die Hiobsbotschaft des Arztes mit nach Hause, die er ihm zum Abschluss mit auf den Weg gegeben hatte. „Wenn du gar kein Fleisch mehr isst, gibt dir der Doktor maximal nur noch ein Jahr zu leben.“ Das war das Ende der Diskussion. Aber meine Abneigung blieb. Noch immer zog es mich oft nach draußen. Ein ganz besonders inniges Gefühl verband mich mit den Kühen auf der lang gestreckten Viehweide weit außerhalb auf den Auen der anderen Lahnseite. Wanderte ich dort entlang, so liefen sie gerne neben mir her, während sie mit ihren großen, sanft schmelzenden Augen zu mir auf die andere Seite der Einfriedung hinüber schauten. Nicht selten gingen wir in schweigendem Einvernehmen den ganzen, langen Kilometer bis zum Ende ihrer Weide, wo sie nicht mehr weiterkonnten, lange stehen blieben und mir nachsahen. 28

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Wie kann man nur das Fleisch dieser wunderbaren, sanften Geschöpfe essen? Und selbst ich war dazu gezwungen, obwohl es sich für mich falsch anfühlte. Dies tat mir so leid, dass ich mich innerlich oft bei ihnen dafür entschuldigte. Es nützte zwar nicht viel, aber erleichterte mein Herz. Nach der Abendschule besuchte ich auf dem Nachhauseweg mit dem Motorrad gelegentlich das Jugendzentrum in der benachbarten Kleinstadt Diez. Junge Leute saßen darin bei schummrigem Licht, in kleinen Grüppchen verteilt auf mehrere Sitzecken. Ich nahm irgendwo im Raum oder an der Theke am Eingang Platz, trank meine Cola oder ein anderes Getränk, lauschte der Pop-Musik für fünfzehn Minuten und trollte mich wieder. Einmal fielen mir ein paar Jungen und Mädchen in meinem Alter auf, die besonders locker und fröhlich wirkten. Diese Jugendlichen hatten eine so offene Ausstrahlung, dass ich immer wieder hinschauen musste. Etwas war bei ihnen eindeutig anders. Die nächsten Male, wenn ich die Treppe hoch in das alte Fachwerkhaus ging, war ich jedes Mal gespannt. Sind sie heute da? Wenn ja, wanderten meine Augen wie von selbst zu diesen sechs jungen Menschen, um herauszufinden, was sie gemeinsam hatten. Sie rauchten nicht, tranken keinen Alkohol und waren doch glücklich. Ihre Augen strahlten und sie lachten miteinander. So gerne ich es auch wollte, so gerne ich ein Teil dieser fröhlichen Clique gewesen wäre, ich traute mich nicht, sie anzusprechen. Fünf-, sechsmal ging ich hin und jedes Mal verließ mich wieder der Mut. Ich wusste, dass sie etwas hatten, nach dem ich suchte. Aber immer wieder ging ich bedrückt nach Hause, weil ich aus Angst, dass ich mich blamieren könnte, wieder kein Wort hervorgebracht hatte. Eines Abends war nur noch ein junger Mann aus dieser Gruppe da, schlank, mit abwartenden, braunen Augen und kurzen dunklen Haaren, der einen enormen Frieden und eine Harmonie ausstrahlte, die mich anzog. Gott sei Dank – er saß allein an der Theke. Ich setzte mich 29

Der Segen des Maharishi

unauffällig auf den Barhocker neben ihn. Wir kamen ins Gespräch. Irgendwann bemerkte er: „Mann, ich habe lange nichts gegessen, ich habe echt Hunger!“ Das war mein Stichwort! Froh, ihm etwas Gutes tun zu können, bot ich ihm mein Brot an. „ Das kannst du gerne haben, ich brauche heute nichts mehr!“ Lächelnd fragte er: “Was ist denn da drauf?“ „Blutwurst.“ „Schade, dann kann ich es nicht essen, ich bin Vegetarier.“ „Wie lange isst du denn schon kein Fleisch mehr?“ „Zwei Jahre.“ Mein Gott, der Kerl sah aus wie das blühende Leben! „Und, bist du gesund?“ „Mir geht es besser als je zuvor!“ Augenblicklich beschloss ich, von nun an kein Stück Fleisch mehr zu mir zu nehmen. Aber meine Neugier war noch nicht gestillt: „Wie bist du denn dazu gekommen, Vegetarier zu werden?“ „Seitdem ich meditiere ist das Bedürfnis nach Fleisch bei mir ganz von selbst weniger geworden.“ Sofort bohrte ich weiter: „Welche Meditation machst du denn und wo kann man die erlernen?“ Jochen schien sich zu freuen, einen so interessierten Zuhörer gefunden zu haben und erzählte mir bereitwillig alles, was ich wissen wollte. So hörte ich an diesem Abend erstmals von Transzendentaler Meditation, die Jochen salopp TM nannte. Ich erfuhr, dass diese Art des Meditierens besonders leicht in der Anwendung sei. Aber sie könne nur von einem qualifizierten Lehrer gelernt werden, der von Maharishi, der diese Methode aus Indien in den Westen gebracht hatte, persönlich ausgebildet worden war. Nun dämmerte es mir langsam. Ich fragte Jochen nach seinen Freunden und Freundinnen, die sonst mit ihm hier im Jugendzentrum waren. „Ja, sie meditieren alle zweimal täglich.“

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was ich schon lange suchte? Etwas später gesellte sich noch Jochens Bruder Frank zu uns, der mir mit großem Eifer die wissenschaftlichen Studien und den Nutzen der TM näher ans Herz legen wollte. Aber ich war bereits entschlossen. Ich brauchte keine Argumente. Ich wollte nur wissen, wo und wann ich diese Meditation erlernen konnte. So schnell wie irgend möglich. Die beiden kannten zwei Lehrer für Transzendentale Meditation in der Nähe. Einen Juristen, einen gestandenen Mann mit einer charismatischen Ausstrahlung, von dem sie in den höchsten Tönen schwärmten – jedoch so ausgebucht, dass ich vier Wochen auf meine TM-Einführung hätte warten müssen. Oder einen Studenten in Koblenz, der wahrscheinlich sofort Zeit hätte. Ich fragte nur: „Spielt es für die Qualität meiner Meditation eine Rolle, bei wem ich sie erlerne?“ „Nein, sie sind beide gleich gut ausgebildet, dir den Einstieg in die Meditation zu weisen. Das ist unabhängig von der Person des Lehrers.“ Geduld war noch nie meine Stärke! Ich konnte mich kaum zügeln. Gleich Morgen würde es nach Koblenz gehen! Morgen, ja morgen schon würde ich meditieren!

Das war es also, was mir sofort aufgefallen war! War ich hier in diesem großen Raum im Jugendzentrum unverhofft genau auf das gestoßen, 30

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Der Segen des Maharishi Die ersten sieben Tage eines jeden Jahres verbrachte Maharishi seit Gründung seiner Bewegung 1957 im indischen Madras1 in vollständiger Stille. Er ging in Silence, wie wir es nannten, blieb dann allein in seinem Zimmer, sprach nicht, aß nicht und niemand störte ihn in diesen Tagen. Das ganze Jahr über war er unermüdlich und ohne einen einzigen Tag Pause nur für andere und für die gesamte Welt da. Er schlief maximal zwei bis vier Stunden und hielt eine Konferenz oder Besprechung nach der anderen ab, arbeitete gleichzeitig mit seinen Schülern an unzähligen Projekten oder telefonierte mit Menschen überall auf der Welt, selbst des Nachts. Viele Sekretäre, junge Männer im besten Alter, die ihn bei seinen Unternehmungen unterstützten, hielt er in drei Wechselschichten täglich auf Trab; Keiner konnte mit seiner Kraft und unermesslichen Aktivität auch nur annähernd Schritt halten. Er verschenkte sich und seine Energie grenzenlos – nur diese eine Woche im Jahr gehörte ihm allein. Alle Kursteilnehmer, die in diesen Monaten hier in der Schweiz in den mehr als 20 Hotels meditierten, nutzten die kostbare Gelegenheit dieser sorgfältig geplanten Schweigewoche und schlossen sich ihm an. In unserem Hotel lebten zu der Zeit etwa 120 Personen, die zu seinem engsten Mitarbeiterkreis gehörten. Auch sie blieben die sieben Tage auf ihren Zimmern und versenkten sich mit Hilfe der seit Jahrtausenden bewährten geistigen Technik aus dem Himalaja. Nur dreimal täglich kamen sie in den Speisesaal und nahmen frischen Saft zu sich. Aus allen Weltreligionen und Traditionen kennt man die heilende Kraft des Fastens und des Schweigens und nutzt sie, um die Verbindung des Menschen zum Göttlichen zu intensivieren. Aber das, was ich hier nun erleben durfte, ging weit über alles hinaus, was ich mir je hätte ausmalen können. Es war so jenseits aller Worte, so tief, so unendlich, dass es unser Verstand nicht zu ermessen vermag. Eine so unglaubliches, sanftes 1

Chennai

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Der Segen des Maharishi

Schweigen senkte sich über das ganze Haus, dass es sich zu einem Feld verdichtete, das sich greifbar wie Watte anfühlte. Noch nie zuvor in meinem Leben hatte ich eine so konzentrierte Stille und Energie erlebt wie in dieser Silence-Zeit. Selbst die Wände vibrierten vor Glück. Und mir wurde klar, was Maharishi meinte, wenn er von der Kraft der Stille sprach. Das war keine Redensart, die Kraft der Stille ist eine lebendige Ebene des Lebens, eine konkrete Erfahrung. Die Pforten meiner Wahrnehmung öffneten sich. In aller Deutlichkeit erfuhr ich das alles durchdringende Sein. Mich überwältigte die Ehrfurcht gebietende Stille in meiner Umgebung, etwas, was ich bisher so nur in tiefsten Meditationen erfahren hatte. Ich fühlte eine gewaltige und zugleich samtene Stille und Unbegrenztheit. Dieses Kraftfeld unendlicher Energie, sonst für mich nicht wahrnehmbar, durchdrang machtvoll schweigend die Sessel, Stühle, die Wände, den Teppich, die Luft. Ewigkeit und Frieden berührten mich und meine Umgebung, es war ein himmlisches Schweigen. Ich war zu Hause, mein Herz sang. Und ich presste Saft. Ich war einer der Wenigen, die im Hotel in diesen Tagen noch einer äußeren Tätigkeit nachgingen. Die Küche war geschlossen, statt dessen bestellte und empfing ich lastwagenweise blaue und grüne Weintrauben. Direkt unter Maharishis Zimmer presste ich Liter um Liter köstlichen, frischen Traubensaft, den ich dann dreimal täglich im Restaurant für alle servierte. Das einzige noch vorhandene laute Geräusch war die große Maschine, die mit ihrem Sirren die Stille durchschnitt. Aber selbst dieses konnte das Schweigen nicht stören. Mehr als Tausend Liter presste ich in diesen Tagen. Für all diejenigen, die dieses Feld, dieses gewebte Netz aus Bewusstsein so belebten, dass ich es auch während meiner Arbeit sehen und fühlen konnte. Meine Seele blühte und ich badete in den Wellen der Ewigkeit. Nach sieben Tagen – um Mitternacht des 7. Januar – beendete Maharishi wie in jedem Jahr seine Silence in seinem Zimmer. Das war für viele 64

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von uns der Höhepunkt. Denn er ließ uns daran teilhaben; jeden, der in sein tiefes Schweigen eintauchen wollte, und wir wollten es alle. Die 120 Menschen aus unserem Hotel sowie weitere 300, die in anderen Hotels in der Nähe ihre Sechs-Monatskurse besuchten und an unser gemeinsames Schweigen angeschlossen waren. Sie warteten bereits geduldig schweigend auf der Straße, eingemummt in dicke Anoraks und Pudelmützen. Mein sprichwörtliches Glück war mal wieder an meiner Seite. Ich durfte als einer der ersten in einer Gruppe von etwa 30 Leuten leise in Maharishis Zimmer treten, alle fünfzehn Minuten kam eine neue Gruppe. Maharishi sah uns alle, bis in die frühen Morgenstunden. Jemand öffnete seine Zimmertür von innen. Man hörte nur gedämpftes Tapsen von Strumpfsocken auf dem Teppich, alle setzen sich leise in den Schneidersitz auf den Boden. Das Licht in Maharishis Zimmer war so heruntergedimmt, dass meine Augen eine Weile brauchten, bis ich seine Umrisse auf dem Sofa ausmachen konnte. Wie kann man das Unbeschreibliche in Worte fassen? Die Ehrfurcht gebietende Größe dessen, was wir hier wahrnahmen, auch nur andeuten? Die geballte Kraft der Stille hier drinnen war unvorstellbar. Wir wussten, dass das Schweigen des Maharishi so tief war, dass er zwei oder drei Tage brauchen würde, bis sein weites Bewusstsein wieder Besitz von seinem menschlichen Körper ergriffen hatte. Bis sein Stoffwechsel wieder so aktiv war wie zuvor. Einige Leute drückten flüsternd ihre Freude darüber aus, dass sie hier sein durften und dankten ihm für alles, was er für die Menschheit tat – und er antwortete liebevoll, sehr leise und äußerst langsam. Er war noch so weit weg, kam nur langsam wieder zurück auf diese dichte, grobe Erde. Wir fühlten die Unbegrenztheit und Heiligkeit dieses Mannes, der da aus Indien zu uns gekommen war. Aus dem Land, wo die großen Meister das Innen soviel wichtiger nehmen als das Außen. Ein Freund hatte mir vorher erklärt, dass durch diese tiefe Stille das gesamte Weltbewusstsein gereinigt würde – und wir hier nahmen hautnah daran teil. 65

Der Segen des Maharishi

In diesem Hotelzimmer zu Füßen meines Meisters bekam ich eine Ahnung davon und fühlte die Dimension seines weiten Bewusstseins, das auf uns alle ausstrahlte. Ich war zutiefst ergriffen. Wir alle fühlten seine grenzenlose, selbstlose und universelle Liebe, die er aus den Bereichen mitgebracht hatte, in denen er gewesen war. Und da saßen wir, andächtig schweigend, nahmen alles ehrfürchtig und dankbar in uns auf. Und er umhüllte uns, jeden Einzelnen von uns, und erfüllte unsere weit offenen Seelen – der Segen des Maharishi.

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Der Segen des Maharishi

Die indische Braut Auf meinem Weg zur Schule sprang mir eines Tages in unmittelbarer Nähe zum Stadtzentrum das Schild ‚Birmingham Secondary School und Business College’* ins Auge und mich durchzuckte die spontane Idee, dort vorzusprechen. Hätte ich allerdings geahnt, was mich hier erwartete, hätte ich meine selbstsicheren Schritte gewiss schnurstracks in eine andere Richtung gelenkt. Von zukünftigen Ereignissen unbelastet, verlangte ich also wenig später den Inhaber der Schule und saß kurz darauf zwei indischen Sikh-Brüdern gegenüber, denen dieses Institut gemeinsam gehörte. Ich gab ihnen die übliche Präsentation für das Erziehungswesen, während sie mit den Köpfen und ihren weiß gewickelten Turbanen immer wieder zustimmend nickten, bis ich ihnen zum Abschluss den Hinweis gab, die Transzendentale Meditation erst einmal selbst auszuprobieren, bevor sie die Programme in ihrer Schule einführten. Tatsächlich erschienen beide wenig später in unserem TM-Center – im Schlepptau ihre Frauen und Kinder. Der indischen Kultur entsprechend wies ich bei dieser Gruppe nur die männlichen Mitglieder in die Meditation ein, für die weiblichen bat ich Anju, eine indische TM-Lehrerin, hinzu. Von nun an kam die geschlossene Gruppe von neun Personen recht häufig sonntags mit dem VW-Bus zu uns. Wir besprachen ihre Meditationserfahrungen und auch an vedischem Wissen waren sie höchst interessiert, das ich vor diesen aufgeschlossenen Familien natürlich mit vollen Händen austeilte. Die Tochter des Herrn Singh* war etwa zwanzig Jahre alt. Sie war extrem schüchtern, schaute immer nach unten, aber warf mir ab und zu kurze Blicke zu, an denen ich erkannte, dass ich ihr nicht gleichgültig war. Auch die anderen Familienmitglieder fanden offensichtlich Gefallen an mir. Je öfter sie kamen, desto häufiger richtete es mal der eine, mal der andere von ihnen ein, mich kurz einzeln zu sprechen. Hierbei begannen sie mehr oder minder unverblümt Andeutungen zu machen, dass ich ein Mitglied der Familie 254

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werden und ihre Tochter heiraten könnte. Sie träumten schon davon, dass ich ihre Schulen expandieren und eine Kette in Indien aufmachen könnte. Ich hingegen ging überhaupt nicht darauf ein und ertrug ihre Andeutungen kommentarlos. Aber es war bald nicht mehr zu übersehen und meine TM-Lehrerkollegen hatten bereits einen Heidenspaß an leicht anzüglichen Witzen auf meine Kosten. Irgendwann luden die zwei Familien Anju, ihren Mann und mich in ihr gemeinsames Haus ein. Nichts ahnend freute ich mich auf ein vorzügliches indisches Essen und auf einen netten und anregenden Abend. Als Gastgeschenk brachte ich ein liebevoll eingepacktes, gerahmtes Maharishi Bild und ein Buch mit. Als ich beides den Gastgebern überreichen wollte, lehnten sie es freundlich lächelnd ab. „Lothar, du kannst das gerne unserer Tochter selbst geben!“ Puh, war mir das peinlich; Es war doch für die Familie gedacht. Ich hatte nichts, aber rein gar nichts, mit diesem zarten Mädchen im Sinn! Sie aber wollten davon nichts wissen, so dass mir nichts anderes übrig blieb, als meine Gaben schließlich doch der Schönen mit den Samtaugen und den ebenholzschwarzen, zu einem dicken Zopf geflochtenen Haaren zu überreichen. Aber damit war es immer noch nicht überstanden. Die beiden Brüder und die Mutter des Mädchens holten mich kurz danach – immer hübsch einer nach dem anderen – allein in einen separaten Raum und fragten mich völlig unverblümt: „Wie stehst du dazu, würde es dir gefallen, ein Teil unserer Familie zu werden und unsere Tochter Rohini zu heiraten?“ Oh Jemine, war mir das alles unangenehm! Ich hatte keine Ahnung, wie ich mich mit Anstand aus dieser Situation herauswinden sollte. Zu allem Überfluss begann sich diese zunächst völlig abwegige Vorstellung nun doch als vage Möglichkeit in meinem Kopf einzunisten. Ich begann also die schüchterne indische Braut, mit der ich kaum je ein Wort gewechselt hatte, näher anzuschauen und erst da fiel mir auf, dass sie durchaus anziehend, ja sogar hübsch war. 255

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Schließlich ging es zum langen Tisch, der für zwanzig Personen gedeckt war. Der Hausherr wies mir den Platz am Kopfende der Tafel zu. Dort thronte ich nun auf einem ausladenden, besonders eleganten Sessel und stellte mit Befremden fest, dass auf meinen Platz eine Video-Kamera gerichtet war, die dort auf einem Stativ bereit stand. Auf meine Nachfrage hin eröffnete mir der Hausherr: „Wir haben eine große Familie, ein Teil lebt in London, ein anderer Teil in Gujarat, und sie alle müssen der Hochzeit zustimmen.“ Ich war völlig geschockt. Hier kam ich zu einem ganz normalen Abendessen, erpicht darauf, die TM in der Schule der beiden Brüder einzuführen, sie jedoch waren einfach nur darauf aus, mir ihre Tochter als Ehefrau anzudrehen. Unfähig ein klares Wort zu sprechen, wusste ich nicht, wie ich aus diesem Schlamassel wieder heraus kommen sollte und war nicht in der Lage, ihnen eine klare Absage zu erteilen. Ich fühlte mich unter Zugzwang und hatte keine Ahnung, was ich machen sollte. In meiner Not sprach ich über das, was mir am Nächsten war. Ich erläuterte vor laufender Kamera das Einheitliche Feld aller Naturgesetze, sprach über Erleuchtung und Untersuchungen über die Auswirkungen der TM, und spulte mein geliebtes Spezialgebiet vor ihnen ab. Innerhalb von zwei Minuten war ich wieder voll in meinem Element und die ganze Nervosität und Peinlichkeit der Situation, die ich gerade noch empfunden hatte, war wie ausgelöscht. Dass ich damit vom Regen in die Traufe kam, wie hätte ich das auch nur ahnen können? Anju und ihr Mann Sushil hatten natürlich nichts Besseres zu tun, als all dies am nächsten Morgen brühwarm den anderen zu berichten. Die ganze Geschichte verbreitete sich wie ein Lauffeuer in unserer Gruppe von deutschen und indischen Purushas, den Ehepaaren und unseren afrikanischen TM-Lehrerkollegen. Ich als Bräutigam wider Willen war das Gesprächsthema schlechthin und wie nicht anders zu erwarten, begannen die anderen mich damit in allen Variationen aufzuziehen. Wie konnte das nur passieren, dass ich als Sprecher unserer Pusruha-Gruppe in so eine Affäre hineingeschlittert war? 256

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Immerhin gaben mir meine Freunde Schützenhilfe und erklärten Herrn Singh bei nächster Gelegenheit, dass ich Purusha sei und somit zu einer Gruppe unverheirateter Männer gehörte, die der Maharishi persönlich spirituell führte und einsetzte. Aber der Brautvater in spe war nicht mehr zu bremsen. „Alles klar, Lothar, ich habe inzwischen Nachricht von unseren Verwandten aus England und Indien erhalten. Du hast einen guten Eindruck auf sie gemacht und sie sind einverstanden, dass du unsere Rohini zur Frau nimmst. Am besten gibst du mir gleich die Telefonnummern von Maharishi und deinem Vater. Ich werde das schon regeln!“ Es war nicht zu fassen, nun rutschte ich noch tiefer in dieses seltsam verwobene Netz hinein! Es war buchstäblich kurz vor zwölf und nun endlich konnte ich mich wehren. „Dazu muss ich weder Maharishi noch meinen Vater fragen – dies ist ganz allein meine Sache und ich kann das selbst entscheiden. Ich werde alles einige Tage überdenken!“ Und das tat ich auch. Wie angekündigt ging ich gründlich in mich. Hübsch war sie ja und wer weiß, vielleicht war dies ja genau das, was mein Schicksal mit mir vorhatte? Gab nicht die Natur, die göttliche Intelligenz, mir einen deutlichen Fingerzeig und servierte mir auf dem Präsentierteller zukünftige Wonnen des Eheglücks mit einer zauberhaften, zarten Inderin an meiner Seite? Tja, vielleicht, ganz vielleicht sollte ich dieser verrückten Sache doch eine Chance geben und sie einmal persönlich kennen lernen? Gedacht, getan. Ich nahm meinen Mut zusammen, rief in aller Unschuld bei Herrn Singh an und unterbreitete ihm nach kurzer Vorrede: „Ich möchte Rohini gerne zum Mittagessen ins Hilton-Hotel einladen, um sie näher kennen zu lernen.“ Damit stach ich allerdings mitten ins Wespennetz. Laut und wütend schimpfte der entsetzte Vater: „Das ist eine bodenlose Frechheit! Du hast meine ganze Familie damit zutiefst beleidigt und in den Schmutz gezogen. Das kommt überhaupt nicht in Frage!“ Nachdem er sich wieder etwas abgeregt hatte, setzte er zum Schluss allerdings doch noch hinzu: „Darüber muss mein Bruder entscheiden, 257

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da er der Ältere ist und in unserer Familie die Entscheidungen trifft. Ich werde ihm das vortragen. Ruf in einer Stunde wieder an!“ Mit klopfendem Herzen rief ich also eine Stunde später wieder an, nur um den Kopf noch einmal gewaschen zu bekommen, diesmal von Herrn Singh, dem Älteren. Er tobte und schrie mit laut keifender Stimme am Telefon auf mich ein und lehnte mein unziemliches Ansinnen in Bausch und Bogen ab. Damit war es noch nicht genug, er rief auch Anju und Sushil an, beschwerte sich bitterlich über mich, wie ich so unverschämt sein könne, die Tochter einzuladen. Sie kannten beide Kulturen und versuchten, so gut es ging zu vermitteln. Mir machten sie klar, dass so etwas in der indischen Kultur völlig undenkbar und ungehörig ist, da eine unverheiratete Frau, die alleine mit einem Mann ausgeht, ihren Ruf verliert und anschließend nicht mehr ohne weiteres zu verheiraten ist. Umgekehrt gaben sie der aufgebrachten Familie zu verstehen, dass es von mir in keiner Weise schlecht gemeint gewesen war und ein solches Verhalten wiederum in unserem Kulturkreis gang und gäbe ist. Trotzdem herrschte nun von Seiten der Familie ein volles Vierteljahr totale Funkstille. Eines schönen Sonntag morgens jedoch kam der ganze Klan geschlossen wieder ins TM-Center als sei nichts gewesen und das ganze Spiel begann von vorne; die heimlich-schüchternen Blicke der Tochter, die Bemerkungen und Andeutungen der Verwandten – nicht zu vergessen die frotzelnden Sprüche meiner Purusha-Freunde. Schließlich rückten die Brüder mit einem ganz besonderen Vorschlag heraus. Sie wollten der TM-Bewegung ihre Schule und ihr College verkaufen und von dem Geld lieber helfen, eine 7.000er Gruppe in Indien aufzubauen, um sich damit für den Weltfrieden einzusetzen. Immer wieder kamen sie mit dieser wilden Idee, bis ich irgendwann Maharishis Sekretäre in Europa anrief und ihren Vorschlag sowie ihre sicher nicht ganz uneigennützige Preisvorstellung weiterleitete. Der Finanzausschuss der internationalen Organisation wollte vor einem Gegenangebot zuerst Zahlen sehen: Umsatz und Gewinn der Schule, nötige Investitionen und so weiter. Kaum hatte ich diese Ansinnen weitergegeben, hatte ich dem Familienclan erneut auf die Füße getreten. „Das haben 258

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wir ja noch nie gemacht! Noch nie haben wir unsere Zahlen jemand anderem gezeigt. Nein, das kommt überhaupt nicht in Frage!“ Sie taten sich unheimlich schwer, aber nach langem Hin und Her entschlossen sie sich schweren Herzens die vertraulichen Zahlen herauszurücken. Ich gab die detaillierten Informationen zur Prüfung nach Holland weiter. Als ich eine Woche später das Gegenangebot erhielt, betrug dies nur ein Viertel des Betrags, den die Sikhs mir genannt hatten. Nichts Gutes ahnend trat ich meinen schweren Gang nach Canossa an. Allein betrat ich die Schule, wo mich beide Brüder im obersten Stock erwartungsvoll empfingen. Kaum hatte ich ihnen den Preis genannt, verzerrten sich ihre Gesichter. Laut erregt beschimpften sie mich. „Wärst du nicht ein Freund der Familie, würden wir dich jetzt hier an Ort und Stelle umbringen und aus dem Fenster werfen!“ Ihr Temperament ging mit ihnen vollends durch. Sie schrien immer ärger, steigerten sich gegenseitig in ihre Wut hinein. Unter wüsten Beschimpfungen packten sie mich zwischendurch an Schlips und Kragen. Eingeschüchtert und völlig überrumpelt von ihren hitzigen Ausbrüchen machte ich schließlich so schnell wie möglich, dass ich die rettende Treppe hinunter kam. Und das war’s. Ich sah die Brüder und auch meine lieblich-schüchterne indische Braut nie mehr wieder.

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Der kleine Mönch Die Zyprioten, die bei uns die Transzendentale Meditation erlernten, fühlten sich beschwingt von den positiven Veränderungen, die durch das regelmäßige Hinabsinken in die feineren Schichten von Gedanken und die regelmäßig erfahrene tiefe Stille in ihr Leben kamen. Bei Panos Panadakis* schlug diese Begeisterung gleich nach der Einweisung sehr hohe Wellen. „Ich möchte nur noch meditieren, erleuchtet werden und deswegen will ich nach Holland gehen, zum Purusha!“ Alles schön und gut, aber so schnell geht das nun mal nicht. Andreas und ich redeten auf ihn ein. „Das Nervensystem braucht einige Zeit, bis es sich an lange Meditationsprogramme gewöhnt. Du musst es langsam angehen lassen! Erst einmal müssen eine ganze Menge der lange im Nervensystem angestauten Stresse und Verspannungen gelöst werden. Wenn du zu früh sehr viel und lange meditierst, kann es passieren, dass du zu viel auf einmal aufwirbelst. Dadurch fühlst Du dann nicht so oder reagiert vielleicht ein bisschen sensibel auf deine Umgebung. Lass es besser ruhig angehen! Wir können dir noch keine Empfehlung geben. Aber gerne später, wenn die Zeit reif ist!“ Aber das war nichts für so einen spirituellen Heißsporn wie unseren Panos. Er wollte es jetzt und er wollte es sofort. Immer wieder bedrängte er uns. Immer wieder vertrösteten wir ihn. So ging das über viele Wochen. Zunächst kam er jeden Tag bei uns reingeschneit, später einmal pro Woche. Er war inspiriert, funkelte mit seinen strahlenden Augen und wollte mehr – wir liebten ihn, aber bremsten ihn auch. Eines schönen Tages kam er nicht mehr. Eine, zwei, drei Wochen vergingen. Wo er wohl steckte? Na, er würde schon wieder auftauchen, begeistert, wie er war. Wenige Tage später schaute ich nachmittags durch die großen Glasfenster unseres Vortragsraums hinunter auf die belebte Straße. Autos hupten, drängelten sich auf typisch südländische Art aneinander vorbei, alles wie immer. Und doch, irgendetwas war merkwürdig. Direkt vor unserer Haustür standen wild gestikulierend ein paar Zyprioten, ir286

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gendwie aufgeregt und aufgebracht. Ein paar Augenblicke später klingelte es an der Centertür. Genau diese Männer drückten sich herein, grob und ungebärdig. „Wo ist unser Bruder, wo habt ihr ihn versteckt?“ Du lieber Himmel, zwei Brüder und ein Onkel von Panos Panadakis! Schon zog der Älteste mit drohender Gebärde ein stehendes Messer aus der Tasche. „Wenn ihr ihn nicht sofort herausrückt, bekommt ihr ganz großen Ärger!“ In ihren aggressiven Mienen und ihren lauten, schneidenden Stimmen lag eine solche Bedrohung, dass mir angst und bange wurde. Als Andreas und ich ihnen klar zu machen versuchten, dass auch wir ihn seit Wochen nicht gesehen hatten, glaubten sie uns kein Wort. Trotzdem zogen sie schließlich unter lauten Verwünschungen wieder ab. Tagelang postierten sie sich abwechselnd gegenüber der Eingangstür unten auf der Straße – drohende, misstrauische Gestalten, äußerst besorgt um das Wohlergehen ihres jüngsten Familienmitglieds. Derweil betätigten Andreas und ich uns als Privatdetektive. Wir befragten alle Meditierenden, beauftragten sie nach ihm zu forschen, telefonierten überall herum, um Panos irgendwo ausfindig zu machen. Entnervt riefen wir schließlich in Vlodrop an, um zu hören, ob da vielleicht ein junger Grieche angekommen sei, der unbedingt Purusha werden wolle. Nein, Fehlanzeige, auch da war er nicht. Sollte er noch auftauchen, baten wir um sofortige Benachrichtigung. Während wir alle Hebel in Bewegung setzten, um Panos Panadakis zu finden, waren die aufgebrachten Brüder nicht minder untätig. Kriminalpolizisten kamen und verhörten uns, weil sie durch Panos Familie auf die Fährte gesetzt worden waren, dass wir den jungen Mann nach Holland geschickt haben könnten. Unten vor dem Meditationscenter sahen wir Kripobeamte auf der Straße gelangweilt Wache schieben. Ein paar Tage später erblickte ich auf dem Bürgersteig gegenüber einen Mann, der mit einem Fernglas unser Center ins Visier nahm. Als ich die Gardine zurückschob, ließ er es auffällig-unauffällig hinter einer flugs hervorgehobenen Zeitung verschwinden. Aber Andreas 287

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und ich fühlten uns so bar jeder Schuld, dass wir all das auf die leichte Schulter nahmen und uns sogar einen Spaß daraus machten. Danach erschien eine Reihe von Artikeln in verschiedenen Tageszeitungen, in denen vom Verschwinden von Panos Panadakis berichtet wurde. Und jedes Mal wurde erwähnt, dass er zuletzt bei uns gesichtet worden war. Es gab teilweise unangenehme Kommentare, geschürt von den griechisch-orthodoxen Priestern Nikosias, die diesen Verdacht ungehindert auch in Kirchenkreisen verbreiteten. Wir aber waren bereits in Deutschland durch das Fegefeuer von Verleumdungen und Verunglimpfungen gegangen. So stellten wir hier unter der gleißenden Mittelmeersonne mehr belustigt als entnervt fest, dass die Kirchenleute hier auch nicht besser waren als zu Hause. Panos wurde inzwischen steckbrieflich gesucht. An vielen Stellen Nikosias prangte sein Bild. Aber es half alles nichts. Die Suche war rundherum erfolglos. Unser Strahlemann war und blieb wie vom Erdboden verschluckt. Nach Wochen beruhigte sich die Szene und das Center blühte und gedieh ungehindert weiter. Erst sechs Monate später löste sich das Rätsel. Panos hatte sich telefonisch bei seiner Familie gemeldet. Wir waren erleichtert, kugelten uns aber auch vor Lachen, als wir diese Nachricht erhielten. Er war weit hoch in die Berge entflohen – in ein einsam gelegenes, griechisch-orthodoxes Kloster!!! Was für ein grotesker Scherz! Dort lebte er die ganze Zeit schon als Mönch, betete und hatte eine Art der Einkehr gefunden, die er so intensiv gesucht hatte. Auf diese Idee wären wir nicht einmal im Traum gekommen! Wir waren entlastet und trotzdem befremdet. Keine Entschuldigung der Brüder für ihr Benehmen uns gegenüber. Kein Zeichen der Reue der Priester über die falschen Verdächtigungen und – dies kam uns höchst bekannt vor – nicht eine einzige, kleine Richtigstellung in den Zeitungen.

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Eine Wunderheilung Andreas und ich waren überaus aktiv. Führende Politiker erlernten bei uns die TM, mehrere Botschafter, Inhaber großer Firmen, teilweise auch Mitarbeiter großer Institute, ebenso wie der Sonderbeauftragte des Generalsekretärs der UNO, der zwischen den miteinander verfeindeten türkischen Nord- und den griechischen Südzyprioten vermittelte. Er begann nicht nur selbst zu meditieren, sondern fand es ausgesprochen gut, was wir hier für das Land taten. Wir wurden zu Abendessen und Banketten eingeladen. Wichtige Persönlichkeiten des Landes brachten daraufhin wieder andere. Und sie alle hörten mit großem Interesse, welche Möglichkeiten diese uralte vedische Technik ihnen eröffnen könnte. Wir organisierten einen Vortrag vor dem Gesundheitsminister, allen Direktoren des Gesundheitsministeriums sowie vor allen Krankenhauschefs über Maharishi Ayurveda und Transzendentale Meditation. Als die Zusage dafür stand, gewannen wir unseren Purusha-Kollegen Dr. George Janssen aus Vlodrop, den Arzt, der eine Rolle bei der Entwicklung des Maharishi Ayurveda spielte, für unsere Präsentation. Die Direktoren und Chefs waren anschließend an Maharishi Ayurveda und TM so sehr interessiert, dass sie beides ins gesamte Gesundheitswesen Südzyperns integrieren wollten. Sie baten uns, die konkreten Schritte zu Papier zu bringen, wie die angebotenen Programme am besten umgesetzt werden könnten. Der frühere Erziehungsminister, ein hoch gebildeter Mann, hatte zu dieser Zeit als Berater des Präsidenten und des Parlaments den Auftrag, Zyperns erste Universität aufzubauen. Er war äußerst angetan von dem Konzept, ein Bildungssystem zu schaffen, das die Entwicklung des Bewusstseinspotenzials der Lernenden mit einbezieht. Die vorliegenden Studien und die Erfolge der Maharishi International University in den USA waren für ihn ausschlaggebend. „Ich habe auch Angebote von anderen Partnern. Aber diese Universität mache ich mit Ihnen zusammen. Ich werde Sie Schritt für Schritt beim Aufbau beraten und unterstützen!“ 289

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Schon zehn Monate waren Andreas und ich auf dieser Insel und gerade dabei, die Kooperationsangebote aus dem Gesundheits- und Erziehungsbereich weiter auszubauen. Da erreichte uns eine unverhoffte Einladung von Maharishi. Er lud alle Purushas sowie andere Gäste aus allen Teilen der Weilt ein, über das Guru Purnima-Fest – der Feier zu Ehren des spirituellen Meisters, des Gurus, am ersten Julivollmond – für vier Wochen zu ihm nach Indien zu kommen. Wir herzten und küssten also unsere neuen Freunde zum Abschied, übergaben unser blühendes Center vorübergehend in die Obhut von George Hadgiorgio, der selbst gerne TM-Lehrer werden wollte und saßen mal wieder im Flieger. Maharishi war dabei in Noida, einer südöstlichen Vorstadt von New Delhi, eine riesengroße Anlage mit vielen Gebäuden innerhalb eines Parks bauen zu lassen, bis zu dreistöckige ellenlange Bauten, hübsch mit den typisch indisch-maurischen Rundbögen verziert. Die Bauarbeiten waren noch längst nicht abgeschlossen. Und die Anzahl der fertigen Räume war deutlich kleiner als die Anzahl der geladenen Purushas. Ich bezog also mit zwei anderen ein Zimmer. Der noch frische Betonfußboden staubte. Die sanitären Einrichtungen waren indisch-einfach. Und als ich einmal in die Großküche schaute, sah ich dort Scharen von Fliegen auf dem Essen. Mir verging der Appetit dermaßen, dass ich hier auf dem Gelände fast nichts mehr zu mir nehmen konnte. Etwa alle drei Tage fuhr ich daher mit einem jener ständig hupenden Tuktuks, den knallgelb gestrichenen, an den Seiten offenen Dreiradtaxis, zum Ashoka-Hotel nach Delhi hinein, um mir mit einer gepflegten Mahlzeit den hungrigen Bauch so richtig vollzuschlagen. Für mehr reichte weder Zeit noch Geld. So unangenehm für mich die äußeren Umstände waren, so traumhaft waren die allabendlichen Gespräche und Vorlesungen mit Maharishi. Er saß in einem runden Gartenpavillon mitten in einem großen Rasenareal. Vor ihm mehr als 1.500 Zuhörer in eng gestellten Stuhlreihen, die die lauen indischen Sommernächte und seine Gegenwart im Mondschein genossen. Neben uns Purushas nahmen noch an die 290

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zweihundert Ärzte aus aller Welt teil, die hier über fünf Wochen eine ausführliche Fortbildung in der ayurvedischen Pulsdiagnose erhielten. Außerdem Hunderte von weiteren Teilnehmern, die entweder am Pulsdiagnosekurs teilnahmen oder aber einen wochenlangen Einführungskurs in Jyotish, vedischer Astrologie, belegt hatten. Sie alle fuhren zur Nacht in verschiedene Hotels nach Delhi. Jeden Morgen kamen sie mit Bussen zurück, besuchten ihre Vorlesungen und übten gemeinsam ihr Sidhi-Programm in zwei großen Hallen aus. An mehreren Abenden kam Swami Vishnudevananda Saraswati, der damals amtierende Shankaracharya von Jyotir Math hinzu.2 Er saß neben Maharishi im Gartenpavillon und tauschte sich vor unseren Augen und Ohren mit ihm aus. Hier erlebte ich das erste Mal Maharishi in seinem Heimatland im Gespräch mit dieser anderen geistigen Größe des indischen Subkontinents. Die Hochachtung und Ehrerbietung, die diese beiden sich gegenseitig erwiesen, beeindruckte mich zutiefst. Der Shankaracharya strahlte eine außergewöhnlich starke Ruhe und Würde aus. Aber ich persönlich empfand die spirituelle Kraft und Klarheit von Maharishi als noch viel intensiver. Mein ausgehungerter Körper machte mir allerdings zunehmend zu schaffen. Trotz der in großen Abständen genossenen kräftigenden Mahlzeiten wurde ich immer schwächer. Meine Abwehr lag am Boden und ich fing mir eine schlimme Mittelohrentzündung ein. Als ich nach Tagen schließlich die Hoffnung begraben musste, dass sich die ständig pochenden Ohrenschmerzen von selbst geben würden, fuhr ich wieder nach Delhi. Dieses Mal, um einen Arzt aufzusuchen. Die Arztpraxis in einem fensterlosen Hinterhofzimmer schien mir nicht gerade Vertrauen erweckend. Alles war extrem einfach und für unsere verwöhnten europäischen Standards auch recht schmuddelig. Aber ich hatte keine Wahl. Der indische Ohrenarzt fackelte nicht lange. Geschickt zog er eine Spritze mit einer Flüssigkeit auf, die er in mein gequältes Ohr geEin Shankaracharya ist vergleichbar mit einem Papst in unserem Kulturkreis, wird jedoch nach dem Grad seiner Bewusstseinsentwicklung gewählt.

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ben wollte. „Machen Sie sich keine Sorgen! Dies ist ein sehr wirkungsvolles Mittel. Es holt den Eiter heraus und muss nur wenige Minuten im Ohr bleiben, so stark ist es!“ Brav legte ich meinen Kopf im 90-Grad-Winkel seitlich auf den Untersuchungsstuhl. Bequemlichkeit ist etwas anderes. Kaum hatte ich das Zeug im rechten Ohr, prickelte es kräftig und erzeugte Geräusche wie von platzenden Bläschen in meinem Kopf. Und dann fiel der Strom aus. Das Licht erlosch, und mit ihm entschwand der eilfertige Arzt. Ich hörte nur noch das Klacken der Tür. Auch der Ventilator war ausgefallen und in dem ohnehin stickigen Zimmerchen wurde es immer heißer. Ich saß allein im Stockdunkeln und hatte das Gefühl, dass Säure mein Ohr zerfraß. Aber ich konnte nichts dagegen tun, ich saß auf dem Stuhl fest mit abgeknicktem Kopf und der Mischung im Ohr. Es fühlte sich grausam an. Die Ohrenschmerzen wurden schier unerträglich und nach einer unendlich langen halben Stunde kam der Strom zurück und mit ihm der Arzt. Schnell entfernte er die Flüssigkeit aus meinem entzündeten Ohr und ich schlich wie betäubt von dannen. Nach dieser ‚Heilbehandlung’ ging es mir erst richtig schlecht. Ich bekam hohes Fieber und war bald von Hunger und der Krankheit total geschwächt, lag in Noida oft mehr tot als lebendig auf meiner Pritsche. Ich wollte nur noch zurück in mein geliebtes Zypern und das so schnell wie möglich. Gleich am nächsten Tag wollte ich den Rückflug buchen. Als ich mich gerade nach Delhi aufmachen wollte, kam mir Dr. Geoffrey Clements entgegen. Ein englischer Physiker, der in Maharishis Wissenschaftlerteam eine wichtige Rolle spielte und Verantwortung für Maharishis Bewegung in ganz Europa trug. „Maharishi hat mich gebeten, Andreas und dir auszurichten, dass ihr noch hier bleiben sollt. Er will mit euch beiden und George Janssen noch persönlich sprechen, bevor ihr nach Zypern zurückfliegt.“ Welch große Ehre! Aber es war in meinem Zustand auch eine riesige Kraftanstrengung, noch länger hier bleiben zu müssen. Mein geschundener Körper wollte sich nur noch ausruhen. Aber meine Seele, 292

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die Maharishi so liebte und verehrte, freute sich auf diese kostbare Gelegenheit. Andreas war schon vorgestern zurück geflogen. Also schleppte ich mich neben Dr. Janssen nach dem Ende der Abendvorlesung um 23 Uhr langsam hinüber zu Maharishis kleinem Haus. Wir warteten dort im Erdgeschoss auf unseren Termin. Es zog sich hin. Eine ganze Reihe von Leuten wartete schon vor uns. Und ich war schlapp, unendlich schlapp. Gegen zwei Uhr nachts kam schließlich Maharishis indischer Sekretär von oben und bat alle, die noch nicht drangekommen waren, am nächsten Abend wieder zu kommen. Die gleiche Prozedur wiederholte sich auch in den nächsten beiden Nächten. Ich wurde immer schwächer. Ich schlich spätabends in Maharishis Haus, war nicht mal mehr in der Lage zu sitzen, sondern lag einfach flach ausgestreckt auf dem Fußboden. Ich konnte nicht mehr. Mit allerletzter Kraft bewegte ich mich am dritten Tag mit dem Tuktuk nach Delhi, da ich das Ticket für die Rückreise persönlich bei der Airline abholen musste. Als die allabendliche Warteprozedur wieder anhob, informierte ich den Sekretär über meinen desolaten Gesundheitszustand und sagte: „Egal, was heute Nacht passiert, morgen in aller Frühe werde ich nach Zypern fliegen.“ Wir warteten geduldig, ich mal wieder im Liegen. Seit Tagen hatte ich nichts Richtiges zu mir genommen. Die Infektion wütete in meinem Körper und ich war so krank, dass ich nicht einmal mehr richtig meditieren konnte. Tat ich es dennoch, dümpelte ich an der Oberfläche meines Geistes herum. Keine Spur von feineren Bewusstseinsschichten und erst recht keine klare Transzendenzerfahrungen. Aber Maharishi hatte uns gelehrt, dass es sinnvoll ist, auch zu meditieren, wenn man krank war, da durch die vermehrte körperliche Ruhe die Selbstheilungskräfte aktiviert wurden. Gegen drei Uhr morgens kam wieder der Sekretär und sagte sein Sprüchlein auf: „Alle sollen gehen und sich ausruhen. Kommt Morgen wieder …“ Dann wandte er sich George Janssen und mir zu, “ … aber ihr beide könnt jetzt hochkommen.“ 293

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Ich schleifte mich die Treppe hoch, direkt in Maharishis Suite. Hier war es angenehm kühl. Das ganze Zimmer duftete nach den frischen Jasminblüten der Blumengirlanden, die auf einem Tischchen lagen. Maharishi war nicht da. Jedoch erfüllte seine Gegenwart den Raum mit einer sanften Süße und Stille und einer kristallklaren Wachheit, die bis in die tiefsten Schichten meiner Zellen drang. George und ich setzten uns auf zwei leere Sessel in der ersten Reihe, direkt vor Maharishis Sofa, über das ein weißes Seidentuch gebreitet war. Wir begannen zu meditieren. Und hier in seiner Aura, nur eine Tür von ihm entfernt, war zu meiner großen Verwunderung trotz meiner Krankheit mein Bewusstsein plötzlich wieder völlig klar. Ich hatte eine mit himmlischer Glückseligkeit erfüllte Meditation. Innerhalb von zwanzig Minuten fühlte sich mein Körper leicht und gesund an. Das Fieber und die Niedergeschlagenheit der Krankheit, sowie die rasenden Schmerzen in meinem Ohr waren wie durch ein Wunder vollkommen abgeklungen und kamen nie mehr wieder.

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Mosambik im Aufwind Nur wenige Male im Jahr öffnete die MERU in Vlodrop ihre Tore für Außenstehende. Einer dieser Tage war Guru Purnima, der Juli-Vollmond, an dem traditionell die Tradition der vedischen Meister, als Quelle des Wissens, geehrt wird. Alljährlich ließ Maharishi diesen Feiertag von Repräsentanten der weltweiten TM-Bewegung die Erfolge bei der Verbreitung des vedischen Wissens vorstellen. Es war seine Form der Danksagung an seinen Meister Guru Dev für all das, was durch ihn möglich geworden war. Diese Festsitzung wurde per Satellit in fast alle Länder der Welt übertragen und war für viele ein Höhepunkt des Jahres. Unsere Kinder tobten mit vielen anderen in den weitläufigen Gartenanlagen herum, schwangen hoch hinauf auf der Schaukel in einem alten Baum und hatten ihren Spaß. Karin und ich säumten mit vielen anderen die fahnengeschmückte Auffahrt, als eine Eskorte der Niederländischen Regierung mehrere Staatskarossen zum MERU-Gebäude hinauf begleitete. Ihnen entstieg der Präsident von Mosambik mit einer ganzen Reihe seiner Kabinettsmitglieder. Sie entschwanden durch das große Eingangsportal. Ursprünglich hatte der Präsident an einer europäischen UNO-Konferenz teilnehmen wollen, die jedoch kurzfristig abgeblasen worden war. Nun nutzte er den freigewordenen Termin und folgte einer stehenden Einladung von Maharishi. Da dies mit dem Juli-Vollmondfest zusammenfiel, war es uns allen möglich, an diesem Ereignis teilzunehmen. Wir saßen im großen Versammlungsraum in Maharishis Suite. Die Stühle waren bis auf den letzten Platz besetzt. Verschiedene Sprecher berichteten über die positiven Ergebnisse ihrer Aktivitäten. „Meinst du, dass das der Präsident ist?“ Karin zupfte mich am Ärmel und wies mit einer unauffälligen Kopfbewegung auf einen hoch gewachsenen Mann, der inmitten einer Gruppe anderer Afrikaner oben auf der Rednertribüne saß. Er hatte ein angenehmes, freundliches, rundes Gesicht. Seine gesamte Erscheinung strahlte große Autorität aus. 508

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„Vermutlich“, ich wusste es auch nicht. Kurz darauf wurde er als nächste Redner angekündigt: Joaquim Chissanó, Staatpräsident von Mosambik. Über Jahre hatten Purusha-Teams in vielen Ländern der Erde Staatsoberhäupter angesprochen und ihnen die TM-Programme vorgestellt. Sie hatten die Hintergründe und wissenschaftliche Untersuchungen präsentiert, die zeigen, dass ein neuer Ansatz zur Verfügung stand, um Probleme auf den verschiedensten Ebenen eines Landes friedlich in den Griff zu bekommen. Staatspräsident Chissanó erklärte: „Ich war fasziniert, aber auch vorsichtig. Ich hab erst einmal selbst mit meiner Familie die TM erlernt und ein paar Monate praktiziert. Danach wusste ich mit Sicherheit, dass es eine gute Sache ist. Erst dann habe ich mit meinen Ministern Gespräche unter vier Augen geführt und sie nach und nach ebenfalls dafür gewinnen können. Auch sie haben es erst einmal selbst getestet und waren mit ihren Familien ebenso angetan von den positiven Veränderungen in ihrem Leben wie ich. Langsam und behutsam haben wir es dann immer weiter ausgedehnt, bis die meisten Kabinettsmitglieder die TM selbst praktizierten. Erst im nächsten Schritt haben wir die Offiziere der Regierungsarmee in unsere Pläne eingeweiht, ein großes dauerhaftes Friedenskorps aufzubauen. Diese hatten die Auswirkungen in ihrem persönlichen Leben inzwischen ebenfalls überzeugt. Und dann haben alle im letzten Jahr das Vorhaben einer gründlichen Prüfung unterzogen, ob wir dieser Sache eine Chance geben wollten.“ Er lachte ein jungenhaftes Lachen. „Und wir haben uns dafür entschieden. Viele Tausend Mosambiker haben inzwischen die TM erlernt, allein 12.000 Soldaten, von denen ein Großteil täglich die TM-Sidhis in der Gruppe praktiziert.“ Wir waren berührt. Endlich! Das erste Staatsoberhaupt der Erde, das die vedischen Bewusstseinstechniken genau auf die Weise einsetzte, die Maharishi wieder und wieder vorgeschlagen hatte. Mosambik entlohnte nun als erstes Land seine Soldaten für echte Friedenssicherung. Präsident Chissanó fuhr fort: „Kaum hatte die Gruppe der Soldaten mit ihren Meditationen begonnen, setzten nach einer lange währenden 509

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Trockenperiode üppige Regenfälle ein, die bald darauf zu Rekordernten führten. In Mosambik und auch in den benachbarten Regionen.“ Kam mir das nicht irgendwie bekannt vor? Wie kein Staatsoberhaupt zuvor hatte Joaquim Chissanó die Gesetze über den Einfluss des Bewusstseins verstanden und ganz gezielt für Lösungen genutzt. Er berichtete uns von den Friedensverhandlungen mit seinen politischen Gegnern über die Beendigung des seit 1975 andauernden Bürgerkriegs, der unmittelbar nach Beendigung der Kolonialherrschaft der Portugiesen ausgebrochen war, als Mosambik in den Kampf gegen die Herrschaft der weißen Minderheit im benachbarten Südafrika und in Simbabwe hineingezogen worden war. Über diese Friedensverhandlungen verriet er uns: „Ich hatte eine Gruppe meditierender Leute in einem Büro neben dem Verhandlungssaal dabei, die die ganze Zeit während dieses Treffens Kohärenz erzeugt haben. Als die Repräsentanten der anderen Organisationen zu mir kamen, erwarteten sie alle massive Auseinandersetzungen und Streit. Dennoch war die Atmosphäre völlig entspannt; Wir waren wie alte Freunde, die sich nach einer langen Zeit trafen!“ Tatsächlich gelang ihm das vorher Unmögliche. 1992 wurde der Konflikt beigelegt, bei dem in den 17 Jahren zuvor fast eine Million Menschen durch Krieg und Hungersnöte ums Leben gekommen waren. Sechs Millionen waren entwurzelt worden und das Agrarland war niedergewirtschaftet, so dass das Land schließlich zu 70 Prozent von ausländischer Hilfe abhing. Inzwischen sah es ganz anders aus. Schon 1993 zeigten sich bemerkenswerte Reduktionen bei Kriminalität und Verkehrsunfällen, während das ökonomische Wachstum 19% statt der erwarteten 6% betrug. (72) An diesem Juli-Vollmond bekam Joaquim Cissanó einen Ehrendoktor für die Schaffung des Maharishi-Effekts in seinem Land von der Maharishi Vedic University in Holland verliehen. Voll Bescheidenheit bedankte er sich dafür: „Wer ist verantwortlich für all die guten Dinge, die in Mosambik geschehen? Es mögen die Mosambiker sein, 510

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die dort meditieren; aber auch die Menschen auf der Welt, die für die Veränderung in der Welt vom Schlechten zum Guten meditiert haben. Deswegen sollten die Ehren, die uns zuteil werden, all denjenigen erwiesen werden, die diese Technik der Transzendentalen Meditation praktizieren.“ In der nächsten Pause schwirrten unsere Stimmen angeregt und glücklich durcheinander. Das waren wirklich gute Neuigkeiten! „Weißt Du, was ich daran das Beste finde?“, blitzte mich Karin mit leuchtenden Augen an, „Ich finde es super, dass es Afrikaner sind, die das jetzt als erste umsetzen. Sonst bilden sie immer das wenig beachtete Schlusslicht des Weltgeschehens und jetzt gehen sie beispielhaft voran!“ Ich konnte ihr nur zustimmen, aber würde das auch halten? Ich war nicht mehr so blauäugig, wie vielleicht noch vor zehn Jahren. Damals hätte mich eine solche Nachricht in eine überbordende Euphorie versetzt. Voll Gewissheit wäre ich davon ausgegangen, dass sich das Geschick der Menschheit zum Guten wenden würde, nachdem wir erst einmal ein funktionierendes Modellprojekt vorführen konnten. Inzwischen hatte ich jedoch zu oft miterlebt, dass selbst genial erfolgreiche Projekte im Sand verlaufen konnten, wenn die Aufmerksamkeit oder die Mittel dahinter nachließen … Also hoffte ich einfach nur aus tiefstem Herzen, dass dieses hier Bestand haben würde. Unbemerkt von der Weltöffentlichkeit praktizierte der Friedensflügel des Militärs in Mosambik täglich sein TM-Sidhi-Programm. Wir aber, die wussten, welches Potenzial diesem Vorgang innewohnte, warteten gespannt auf die weitere Entwicklung. Vor einiger Zeit hatten wir bei einer ähnlichen Konferenz erfahren, dass von den vier Millionen Neuseeländern 40.000 die TM erlernt hatten. Auch da hatten wir die Auswirkungen dieses 1%-Effekts in der Presse verfolgt und freuten uns darüber, dass in den Zeitungen bald erstaunte Kommentare über den Rückgang der Arbeitslosigkeit und die Besserung der Volkswirtschaft auftauchten. Wir meinten die Gründe auf der feinen Ebene zu kennen. Was würde man nun aus Mosambik hören? 511

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Etwa eineinhalb Jahre später gab es eine Serie ausführlicher Berichte über die erstaunlichen Veränderungen in Mosambik. In der konservativen Frankfurter Allgemeinen Zeitung war zu lesen: „Größer könnte der Unterschied nicht sein zwischen den ehemaligen Kolonien Portugals im Süden Afrikas. Vor einem Jahrzehnt lagen Angola wie auch Mosambik im Bürgerkrieg. Angola besaß reiche Ressourcen von Öl und Diamanten. Mosambik galt in den Weltbankstatistiken als ärmstes Land der Welt. Zehn Jahre später hat sich der Krieg in Angola verschärft, … Mosambik gilt dagegen als Musterfall einer friedlichen Streitbeilegung … Die geachtete Regierung schlichtet Konflikte in der Region. Die Wirtschaft weist Wachstumsraten von mehr als zehn Prozent auf und eine Inflation von null Prozent, die Währung steigt auf dem freien Markt auch gegenüber dem amerikanischen Dollar. … Dass Mosambik auf bestem Wege ist, eine der wenigen rechtsstaatlichen Verfassungen nicht nur auf dem Papier zu erhalten, zeigt schon jetzt die Haltung gegenüber der Pressefreiheit.“ (73) Vier Jahre später bestätigte die internationale Auflage der Times die bemerkenswerte Transformation, die im Geschick der Bewohner von Mosambik stattfand. “… Mosambik produziert nun das erste Mal seit Jahren genügend Nahrungsmittel, um sich selbst zu ernähren. Flüchtlinge aus dem Bürgerkrieg sind aufs Land zurückgekehrt und im fruchtbaren Norden sind nach den schlimmsten Dürren in der Geschichte Südafrikas die Ernten überreichlich. Die Inflation ist von 70% auf 5% gefallen … Das Land, das einst als eines der ärmsten der Welt angesehen wurde, beginnt wie eine afrikanische Erfolgsgeschichte auszusehen. … Die Kontrolle der U.N. bei der Beendigung des Bürgerkriegs und die sich ergebende allgemeine Wahl war ein seltener afrikanischer Erfolg für die Organisation. Die internationale Hilfeleistung war einst das einzige Wachstum der Industrie in Mosambik, aber heute gibt es dort viel mehr neue private Autos in Maputo (Hauptstadt Mosambiks) als die der Hilfsorganisationen.“ (74) Ein Folgeartikel wenige Monate später drückte aus, dass die Transformation in Mosambik ihre Wurzeln in etwas Menschlicherem hatte als reiner Politik. „Dem Volk ist ein Frieden eigen, angetrieben durch eine allgemeine Verweigerung, den Konflikt fortzuführen und eine un512

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erschütterliche Entschlossenheit, ein normales Leben zu führen. ... Was Mosambiks Aufstieg wirklich antreibt, ist die Energie der Einzelnen, Probleme vom Grund aus anzupacken.“ (75) Joaquim Cissanó wusste, woher diese erstaunlichen Veränderungen in der Psyche seiner Landsleute kamen. Und ihm war sonnenklar, wie man sie duplizieren konnte. Er liebte sein Land und er liebte auch seine Nachbarstaaten. Was also lag näher, als ihnen zu verraten, wie sie Ihr Geschick mit wenig Einsatz und Kosten wenden könnten? Er wurde nicht müde, bei politischen Treffen mit anderen afrikanischen Staatsoberhäuptern die vedische Verteidigungsstrategie zu erläutern und seine Erfahrung beim Aufbau dieser Friedesstruppen anzubieten. Ende 1999 bestätigte er noch einmal bei einer Konferenz in New York den anhaltenden Erfolg seiner Kohärenz erzeugenden Truppe. Er berichtete, wie es ihm gelang, den 20-jährigen Bürgerkrieg seines Landes zu beenden und wie seitdem in den vergangenen sieben Jahren Frieden, Stabilität und Demokratie seiner Nation aufrecht erhalten blieben, indem er die Techniken von Maharishis Universität angewendet hatte. „Die Kultur des Krieges muss durch die Kultur des Friedens ersetzt werden!“, sagte dieser große unkonventionelle Denker in seiner Ansprache. „Aus diesem Grund muss etwas Tieferes in unserem Geist und in unserem Bewusstsein verändert werden, um das Wiederaufflammen des Kriegs zu verhindern.“ Der Staatsmann Chissanó unterstrich, dass Menschen, die immer in einem friedlichen Land gelebt hatten, den Einfluss des Krieges auf das tägliche Leben einer Nation nicht verstehen könnten. „In Mosambik wissen wir sehr gut, worüber wir sprechen, wenn wir sagen ‘Keinen Krieg mehr’ und ‘Frieden für immer!’“ Er gab seiner tiefsten Überzeugung Ausdruck: „Stress ist die Grundursache für Ängste und Konflikte. Stress in der Familie erzeugt häusliche Gewalt. Stress in der Regierung erzeugt falsche Wahrnehmungen, Machtkämpfe und mangelnde Erfolge für das gesamte Land.“ Nicht lange darauf kam, was kommen musste. 513

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Bei einer kleineren Versammlung in Vlodrop wandte sich der große afrikanische Hoffnungsträger Joaquim Chissanó vor unser aller Augen an Maharishi: „Maharishi, ich habe in den letzten Wochen massiven Gegenwind bekommen. Die Staatsoberhäupter der reichen westlichen Länder sind über mein Engagement für die vedische Verteidigungsstrategie in den anderen afrikanischen Ländern alles andere als erbaut. Die U.N.O. hat mir angedroht, alle finanziellen Hilfeleistungen für mein Land ersatzlos zu streichen, wenn ich nicht aufhöre, bei politischen Veranstaltungen über die Möglichkeiten der TM-Sidhis innerhalb des Militärs zu sprechen. Sie verlangen, dass ich die Abteilung der Soldaten auflöse, die in Mosambik Transzendentale Meditation praktiziert.“ Atemlose, gespannte Stille folgte seinen Worten. „Maharishi, es tut mir sehr leid. Ich weiß, was du für unser Land getan hast, und ich bin äußerst dankbar dafür. Dies ist nicht mein Wille. Aber ich sehe keine andere Möglichkeit. Ich muss diese Gruppe auflösen. Wir sind noch nicht so weit, dass wir ohne diese Subventionen auskommen können.“ Maharishi versuchte ihm Mut zu machen. „Wenn die Soldaten die Sidhis in so einer großen Gruppe weiter ausüben, wird dein Land so stark werden, dass Mosambik auch ohne die internationale Unterstützung weiter wachsen wird.“ Aber Chissanó konnte dem Druck nicht mehr standhalten. „Ich werde mit Sicherheit selber weiter meditieren und viele meiner Kabinettsmitglieder und Landsleute ebenso. Aber uns bleibt nichts anderes übrig, wir müssen klein beigeben.“ Am Ende des Gesprächs sagte Maharishi nur noch: „Wenn du diese Truppe auflöst, musst du sehr vorsichtig mit Wasser sein – es besteht die Gefahr, dass dein Land überschwemmt wird.“ Die Würfel waren gefallen, Joaquim Chissanó, der große, kräftige Chissanó mit dem innovativen Verstand beugte sich den Großmächten.

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Nach dem Ende seiner Präsidentschaft 2007 erhielt Joaquim Chissanó für die Demokratisierung des Landes, die Ausarbeitung einer Verfassung mit einem Mehrparteiensystem und die Normalisierung der Beziehungen zum Nachbarstaat Südafrika den ,Preis der Mo Ibrahim Foundation für gute Regierungsführung’.

Im Februar 2000 machte Mosambik erneut Schlagzeilen, dieses Mal wieder negative. Schwere Regenfälle hatten zu einer Flutkatastrophe geführt, die zahlreiche Menschenleben forderte. 514

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