Der Präsident Geisel des Kapitals?!

Der Präsident – Geisel des Kapitals?! Stephan Ottenbreit OFM und Pfarrer Norbert Arntz Der Hungerstreik des brasilianischen Franziskanerbischofs Lui...
Author: Busso Michel
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Der Präsident – Geisel des Kapitals?! Stephan Ottenbreit OFM und Pfarrer Norbert Arntz

Der Hungerstreik des brasilianischen Franziskanerbischofs Luiz Flavio Cappio zusammen mit den Sozialbewegungen Brasiliens zeigt eine beachtliche Wirkung. Im Februar 2008 debattiert der Senat im Kongress einen ganzen Tag lang erstmals mit Cappio, mit Ministern und Wissenschaftlern. Man streitet über die Konsequenzen des gigantischen Flussumleitungsprojekts am Rio São Francisco, das 2007 von der Armee in Angriff genommen worden war. Vor Weihnachten 2007 hatte Bischof Cappio durch diesen 24-tägigen prophetischen Gestus gegen das umstrittene Projekt weltweit Aufsehen erregt. Als Bischof Cappio nach dem ersten Hungerstreik 2005 in den Präsidentenpalast vorgelassen wird, sagt er Lula klare FranziskanerWorte: „Senhor, ich habe mitgekämpft, damit Sie Präsident werden. Doch Sie haben ihre und jenes Volkes Wurzeln vergessen, das Sie gewählt hat. Senhor Lula, heute sind Sie Geisel des Kapitals, großer in- und ausländischer Wirtschaftsgruppen.“ Der so redet und handelt, ist zweifellos ein kenntnisreicher Störenfried. Bei seiner Wallfahrt 1992 den Rio São Francisco entlang – immerhin fast 2800 km – wird ihm der Strom zum Symbol für einen Planeten mit vergifteten Flüssen, verwüsteten Wäldern, ohne Biodiversität, dominiert von Monokulturen, besetzt von einer unsagbar reichen, ausbeuterischen, technokratischen und der Zukunft der Mutter Erde gegenüber gleichgültigen Elite. Über neunzig Prozent des Wassers seien für Industrie und Exportlandwirtschaft bestimmt, nur fünf Prozent für bedürftige Menschen. Deren Wasserprobleme würden bei weitem nicht gelöst. Dies könnten weit billigere Alternativprojekte leisten. Das Vorbild für Bischof Cappio: Franz von Assisi, der sich Anfang des 13. Jahrhunderts mit den Opfern der entstehenden Industrie solidarisierte. Franziskus entledigte sich auf dem Platz von Assisi seiner Kleider. Die Technik, mit der sein Vater diese Tücher produzieren ließ, brachte die Kunsthandwerker um ihre Arbeit und ihr Einkommen und verdammte sie damit ins Elend. Wir publizieren dieses Heft mit Briefen und Texten von Bischof Cappio, mit Deutungen von Weggefährten und Theologen. Das tun wir, um sein prophetisches Engagement zu stützen, aber auch um der Opfer der Verhältnisse willen, denen dieser prophetische Gestus gilt, und in der franziskanischen Tradition, die heute wieder Menschen zu mobilisieren vermag.

Vorwort

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Bischof Cappio erhält einen Unterstützungsbrief.

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Grüne Schriftenreihe 103 – Störenfried: Bischof Cappios prophetischer Einspruch

Inhalt

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Brief von Bischof Luiz Cappio Zur Wiederaufnahme des Fastens am 27.11.2007

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Dom Cappio beendet sein Fasten Den Kampf gemeinsam fortsetzen

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Lebenslauf von Bischof Luiz Cappio Bischof in einer sehr armen Gegend

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Rückblende auf die Protestbewegung Kurze Übersicht über die wichtigsten Ereignisse

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Brief von Bischof Cappio an den Präsidenten Brasiliens Betrug an der brasilianischen Gesellschaft

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Dom Luiz stellt sich kritischen Stimmen Zum Abbruch des Fastens aufgefordert

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„Warum ich in Sobradinho faste“ Bischof Cappio in der Tageszeitung A Tarde – Salvador de Bahia

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„Ich faste nicht zuletzt für eine wahre Demokratie“ Bischof Cappio in der Tageszeitung Folha de São Paulo

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Erklärung der Präsidentschaft der Brasilianischen Bischofskonferenz Wasser ist öffentliches Gut

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Memorandum des Präsidenten der CNBB für den Präsidenten Vorschlag für eine Dialog-Kommission

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Für das Leben von Dom Luiz Cappio, für das Leben des Rio São Francisco Eine öffentliche Erklärung

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Solidaritätsbrief der Deutschen Bischofskonferenz an Präsident Lula Den Hilferuf erhören

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Brief an den franziskanischen Mitbruder Der Prophet im Unrecht?

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Lob des Wahnsinns Bischof Luiz hat sich zum „Wahnsinnigen Gottes“ gemacht

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Luíz Cappio, warum bist Du denn gekommen, uns zu stören? Mit den elitärem und korrupten Kräften brechen

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Nicht Worte, sondern Gesten sind gefordert Erwartet werden sichtbare prophetische Gesten

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Bisher erschienene Titel der Grünen Schriftenreihe

Carlos Mesters Leonardo Boff

Paulo Suess José Comblin

Inhalt

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Demonstration vor dem Kongress in Brasilia. Der Text lautet: „Der São Francisco soll leben: Erde und Wasser, Fluss und Volk!“

„Ich kämpfe für sinnvolle Lösungen um das Leben in Fülle für die Bevölkerung des Sertão.“ Bischof Cappio

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Grüne Schriftenreihe 103 – Störenfried: Bischof Cappios prophetischer Einspruch

Brief von Bischof Luiz Cappio zur Wiederaufnahme des Fastens am 27.11.2007 Weil die Regierung ihr Versprechen nicht gehalten, sondern den Dialogprozess abgebrochen hat, blieb Bischof Cappio keine andere Alternative, als sein Fasten und Beten wieder aufzunehmen.

Liebe Brüder und Schwestern aus dem Nordosten, aus Ceará, Rio Grande do Norte, Paraíba und Pernambuco, Pax et Bonum! Als ich vor zwei Jahren mein elftägiges Fasten in Cabrobó (Pernambuco) beendete, war ich guten Glaubens, dass die Bundesregierung unsere gemeinsam unterzeichnete Vereinbarung einhalten würde. Dieses Abkommen legte fest, die nachhaltige Entwicklung der semiariden Region und des São FranciscoTals mit der Bevölkerung öffentlich, landesweit und umfassend zu debattieren. Ich vertraute darauf, dass in einer ehrlichen Debatte die wirklichen Bedürfnisse und Potentiale der semiariden Region aufgezeigt werden könnten. Dadurch würde deutlich, dass die Flussumleitung für die Bevölkerung und den Fluss weder notwendig noch dienlich ist. Die reichhaltigen Wasserreserven sprechen für sich. Die vorhandenen Alternativvorschläge würden sich durchsetzen, wie die Bauvorhaben des Atlas des Nordostens und die Methoden zur Regenwassernutzung und zu alternativen Anbaumethoden, die vom Netzwerk der Nichtregierungsorganisationen in der semiariden Region (ASA) entwickelt worden waren.

Die Regierung hat ihr Versprechen nicht gehalten. Sie hat den begonnenen Dialogprozess abgebrochen, nachdem die Wahlen gewonnen waren, und sie hat das Militär damit beauftragt, die Bauarbeiten der Flussumleitung zu beginnen. Soziale Bewegungen und zivilgesellschaftliche Organisationen verstärkten ihre Mobilisierungen und Proteste. Aber die Regierung stellte sich taub. Somit blieb mir keine andere Alternative, als mein Fasten und Beten wieder aufzunehmen. Dass hatte ich angekündigt für den Fall, dass das Abkommen mit der Regierung nicht eingehalten würde. Ich habe dafür die Franziskuskapelle in Sobradinho (Bahia) gewählt, die am Ufer des vor 30 Jahren gebauten Sobradinho-Stausees liegt. Dort sieht man: der Rio São Francisco ist ein kranker Fluss, und zwar im Endstadium. Ich weiß, dass meine Geste bei vielen von Euch auf Unverständnis und Befremden stoßen wird. Ich werfe Euch das nicht vor. Seit Generationen wird Euch gesagt, dass nur das Riesen-Projekt der Flussumleitung das Dürreproblem lösen kann. Das meiste Interesse an diesem Projekt haben jene Leute, die ihr bereits gut kennt: es sind dieselben, die seit vielen Jahren die Region dominieren und ausbeuten. Sie nutzen die Dürre aus, um

Bischof Cappio – Brief zur Wiederaufnahme des Fastens am 27.11.2007

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öffentliche Mittel zu unterschlagen und die Wahlen zu gewinnen.

„eine Geste der Liebe zum Leben“ Die mit der Dürre zusammenhängenden Probleme lassen sich aber nicht mit großen Bauvorhaben lösen. Im Nordosten wurden bereits siebzigtausend Stauseen angelegt, die insgesamt eine Speicherkapazität von über 36 Milliarden Kubikmeter Wasser haben. Es fehlen jedoch die Zuleitungen und Kanäle, die das Wasser zu den Bedürftigen bringen. Viele dieser Projekte liegen brach, genau wie die Agrarreform, die nicht vorwärts geht. Die Umleitung von größeren oder kleineren Wassermengen des Rio São Francisco wird das gesamte verfügbare Wasser teurer machen und zu Wassergebühren für nicht aufbereitetes Wasser im ganzen Nordosten führen. Und die Bevölkerung, vor allem die der Städte, wird die agroindustriellen Folgeprojekte wie den Anbau von Tropenfrüchten, Krabbenzucht sowie die Stahlproduktion – alles für den Export bestimmt (!) – “subventionieren”. Das gleiche geschieht bereits mit dem elektrischen Strom, der für die Firmen viel billiger ist als für uns. Das ist der wirkliche Zweck der Flussumleitung, den man Euch vorenthält. Die Kanäle würden weit weg von den trockensten Gebieten des Sertão dorthin fließen, wo es schon Wasser gibt. Folglich bin ich nicht gegen Euer heiliges Anrecht auf Wasser. Ganz im Gegenteil, ich setze mein Leben aufs Spiel, damit euer Anrecht darauf nicht schon wieder missachtet und manipuliert wird, wie es immer wieder passierte. Ich kämpfe für sinnvolle Lösungen: um das Leben in Fülle für die Bevölkerung des Sertão. Das war mein Lebensinhalt während meiner letzten 33 Jahren als Pater und Bischof im Sertão. Es ist somit eine Geste der Liebe zum Leben, zur Gerechtigkeit und zur Gleichheit. Diese haben im semi-ariden Gebiet noch nie

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geherrscht, sei es hier am São Francisco oder weit weg vom Fluss. Gerade im Moment leidet die Bevölkerung unweit Bischof Cappio des Flusses und des Stausees von Sobradinho sehr. Der Stausee verfügt nur noch über 14% seiner Wasserspeicherkapazität, weil immer mehr Wasser zur Stromgewinnung benötigt wird, und diese Entwicklung kommt der Bevölkerung nicht zu Gute. Investitionen von 13 Millionen Real (ca. 4,5 Mio Euro) würden die Wasserversorgung der vier Gemeinden um den Stausee garantieren. Aufgrund fehlender Interessen der Regierung warten die Bauvorhaben seit 2001 auf ihre Umsetzung. Wir müssen uns dringend um den Rio São Francisco kümmern. Es darf keine weitere rein auf Gewinnstreben abzielende Nutzung des Flusses geben, wie sie seit langem geschieht. Ich habe Euch schon das letzte Mal gesagt: wäre die Flussumleitung die wirkliche Lösung für Eure Schwierigkeiten bei der Wasserversorgung, dann würde ich mich an vorderster Front dafür einsetzen. Was wir brauchen, ist eine neue Mentalität und ein respektvoller Umgang mit Wasser, und zwar nicht nur hier im Nordosten. Wir müssen gegen die Verschwendung vorgehen und jeden verfügbaren Tropfen wertschätzen, damit es bei der Fortpflanzung von Leben – und nicht nur beim menschlichen – nicht an Wasser fehlt. Wir müssen neu überdenken, wie wir mit den natürlichen Ressourcen unseres Planeten umgehen. Wir müssen uns Gedanken über die Wege der Entwicklung in Brasilien und in der Welt machen. Sonst sind wir verdammt, unser eigenes Heim und unser eigenes Leben zu zerstören, entgegen dem Plan Gottes. Gott, Herr des Lebens, hilf uns dabei! ”Damit alle das Leben haben!” (Joh 10,10).

Gott segne Euch, Dom Luiz Flávio Cappio, OFM

Grüne Schriftenreihe 103 – Störenfried: Bischof Cappios prophetischer Einspruch

Dom Luiz Cappio beendet sein Fasten übersetzt und eingeleitet von Gustav Krammer

In seinem Brief kündigt Dom Luiz Cappio an, den Kampf um das Überleben des Rio São Francisco gemeinsam fortsetzen.

Dom Luiz Cappio, Bischof von Barra, erklärte am Donnerstag (20.12.2007) nach der Abendmesse in Sobradinho, die von Dom José Geraldo, Bischof von Juazeiro, geleitet wurde, sein Fasten offiziell für beendet. Aus Protest gegen die von der Regierung mit zweifelhaften Methoden in Angriff genommene Umleitung des Rio São Francisco hat er bereits 23 Tage ohne Nahrungsaufnahme zugebracht. Nach der Bekanntgabe einer höchstrichterlichen Entscheidung vom 19.12., der den Bau der Kanalsysteme – zwischendurch war ein Baustop verfügt worden – wieder freigab, war Dom Cappio zusammengebrochen und musste kurzzeitig im Spital Memorial in Petrolina behandelt werden. Vor über 700 Teilnehmern las Dom Cappio im Rollstuhl sitzend und offensichtlich in guter Verfassung einen Brief an die Menschen des Nordostens: „Nach diesen 24 Tagen beende ich mein Fasten, aber nicht meinen Kampf, der auch unserer ist.“ Er bedankte sich bei allen Anwesenden für die Solidarität. Seine Entscheidung

wurde mit Freude und mit viel Applaus zur Kenntnis genommen. Seit seiner Einlieferung ins Krankenhaus war seitens seiner Familie sowie von Künstlern und Weggefährten der Wunsch nach einem Ende des Hungerstreiks laut geworden. Während der 24 Tage des Fastens hat

Bischof Cappio beim Briefe Lesen und Schreiben

Dom Luiz Cappio beendet sein Fasten

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Dom Cappio neun Kilo verloren und wiegt nun 63,5 kg. Der Befreiungstheologe Leonardo Boff sagte, durch seinen Hungerstreik habe Dom Cappio eine breite Debatte über die Lage im brasilianischen Nordosten ausgelöst. „Im Grunde wollte Dom Luiz den Präsidenten daran erinnern, dass er gewählt wurde, weil er versprochen hatte, für die Armen zu regieren”. Bereits am Tag zuvor wiederholte Präsident Lula auf die Fragen von Journalisten über die Umsetzung des Projekts, dass er mit allen Mitteln daran festhält und dass sie – bereits von Pedro

II. als Traum ausgesprochen – das größte Werk seiner Regierung sein wird. „Würde sich der Staat ergeben, würde er sich aufgeben – er muss aber funktionieren”, sagte Lula und forderte Dom Cappio zum Abbruch des Fastens auf, da er nicht nachgeben wird. Das Projekt würde 12 Millionen Menschen des Nordostens zugute kommen und auch die Zukunft des Flusses garantieren. Die Gegner des Projekts und Dom Cappio bezweifeln das allerdings und sprechen von Privilegien für die exportorientierte Agro- und Hydro-Industrie.

Brief von Bischof Luiz Cappio über das Ende des Fastens gegen die Umleitung des Rio São Francisco Sobradinho, 20.12.2007 Ankunft des Herrn

Meine Schwestern und Brüder der Region des São Francisco, des Nordostens und von Brasilien: Paz e Bem! Friede und Wohlergehen! Macht die erschlafften Hände wieder stark und die wankenden Knie wieder fest! Sagt den Verzagten: Habt Mut, fürchtet euch nicht! Seht, hier ist euer Gott! Die Rache Gottes wird kommen und seine Vergeltung; er selbst wird kommen und euch erretten. Dann werden die Augen der Blinden geöffnet, auch die Ohren der Tauben sind wieder offen. Dann springt der Lahme wie ein Hirsch, die Zunge des Stummen jauchzt auf. (Jes. 35, 3-6) Gestern vollendete ich 36 Jahre meines Priesterseins - 36 Jahre im Dienst an den Bewohnern der Favelas von Petropolis (Rio de Janeiro), der Arbeiter an den

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Stadträndern von São Paulo und dem Volk in den semiariden Gebieten des Nordostens Brasiliens. Gestern sahen wir fassungslos, wie die Mächtigen das Theater der Unterwürfigkeit der Justiz feierten. Gestern, als mir meine Kräfte ausgingen, erfuhr ich wirklich die Hilfe jener, die mir in diesen langen und leidvollen Tagen zur Seite standen. Aber unser Kampf geht weiter und er hat seine Fundamente dort, wo alles seinen Bestand hat: im Glauben an den Gott des Lebens und in der organisierten Vorgangsweise des Volk. Unser weiterer Kampf besteht darin, das Leben des Rio São Francisco und seines Volkes zu garantieren und den Zugang zum Wasser sowie eine wirkliche Entwicklung zugunsten aller betroffener Bevölkerungsteile im gesamten semiariden Gebiet zu gewährleisten, und nicht nur eines Teiles. Das ist den Einsatz meines Lebens wert und ich bin glücklich, dass ich mich dazu entschieden habe, als Teil meiner Hingabe an den Gott des Le-

Grüne Schriftenreihe 103 – Störenfried: Bischof Cappios prophetischer Einspruch

bens, an das lebendige Wasser, „Wir ersehnen für unser geliebtes das Jesus ist und das sich denen schenkt, die elendiglich zu leben Brasilien eine Zukunft, in der alle – haben aufgrund von Strukturen der Unterdrückung und des To- alle ohne irgendwelche Ausnahmen – des. Brot zu essen, Wasser zu trinken, Während dieser Tage war es eine große Freude für uns zu se- Land zum Arbeiten, Menschenwürde hen, wie das Volk sich erhebt und und Bürgerrecht haben.“ wie in seinem Herzen die bewusste Kraft der Einheit wieder auf- Bischof Cappio leuchtet, wenn Kinder und Jugendliche Lieder der Hoffnung und Pa- ten: im Kampf gegen die Zerstörung unrolen mit erhobenen Händen singen; serer Biodiversität, unserer Flüsse, unsewenn die Blicke sich in eine Zukunft rer Landsleute und gegen die Arroganz richten, die wir für unser geliebtes Brasi- jener, die alles in einen Kaufladen und in lien ersehnen: eine Zukunft, in der alle – Wechselgeld transformieren wollen. In alle ohne irgendwelche Ausnahmen – Sobradinho ist ein wunderbares GeBrot zu essen, Wasser zu trinken, Land meinschaftswerk entstanden, wir erlezum Arbeiten, Menschenwürde und ben unvergleichbare Momente der inBürgerrecht haben. tensiven Gemeinsamkeit und der AusIch habe mit viel Liebe und Hoch- übung von Solidarität. achtung die Solidarität von jedem von Nach diesen 24 Tagen beende ich euch, nahe oder entfernt, erhalten. Ich mein Fasten, aber nicht meinen Kampf, freute mich über die Solidarität meiner der auch der eure ist, der unserer ist. Brüder im Bischofsamt, Väter und Hir- Wir müssen die Debatten ausweiten, die ten, die auf brüderliche Weise ihr Ver- wahren Informationen verbreiten und ständnis der schwerwiegenden Momen- am Wachsen unserer Bewegung arbeite, die wir erleben, zum Ausdruck ten, bis wir jenes Projekt des Todes zum brachten. Fall gebracht und eine wirkliche EntDurch ihr mutiges Positionspapier wicklung für die semiariden Gebiete machte uns die Brasilianische Bischofs- und den São Francisco erreicht haben. konferenz CNBB wieder Hoffnung und Euch zuliebe, die ihr mit mir gelässt sie wieder als solche erkennen, die kämpft habt und den gleichen Weg besie immer in ihren Blütezeiten war: Jesus schreitet, beende ich mein Fasten. Ich und seinem Evangelium gegenüber treu weiß, dass ich mit euch rechnen kann, ist sie eine Einrichtung, die sich den gro- und ihr könnt auf mich zählen, wenn es ßen Anliegen Brasiliens und seines Vol- darum geht, unseren Kampf fortzusetkes zuwendet und bei der Verteidigung zen, damit „alle das Leben haben, und der Würde der menschlichen Person zwar Leben in Fülle“. und der unaufgebbaren Grundrechte klare und entschlossene Positionen ein- Dom Frei Luiz Flávio Cappio, nimmt. Vorrangig stellt sie sich auf die OFM Seite der Armen und Marginalisierten in Bischof von Barra-BA diesem Land. Ich habe mit großem Respekt die Appelle meiner Familienangehörigen, von Freunden und Schwestern und Brüdern vernommen, die mich in diesem Kampf begleiten und die mich stets lebend und im Einsatz für das Leben woll-

Dom Luiz Cappio beendet sein Fasten

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Bischof Cappio liebt die Menschen (I)

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Grüne Schriftenreihe 103 – Störenfried: Bischof Cappios prophetischer Einspruch

Lebenslauf von Bischof Luiz Cappio

Bischof Luiz Flavio Cappio gehört dem Franziskaner-Orden an und ist Bischof der Diözese Barra, in einer sehr armen Gegend am Mittellauf des Rio São Francisco in Nordost-Brasilien.

1946 Am 4. Oktober, am Tag des Heiligen Franziskus, wird Luiz Cappio in Guratinguetá (São Paulo) geboren.

1965 Am 19. Dezember tritt er in den Franziskaner Orden ein und verlässt damit seine wohlhabende Familie.

die 2800 km des Flusses von der Quelle bis zur Mündung. Mit diesem symbolischen Akt weisen die Wallfahrer die Öffentlichkeit auf die gravierenden Probleme des Flusstals und seiner Bevölkerung hin. In einem Gottesdienst an der Quelle zu Beginn der Pilgerreise zieht Bischof Cappio folgendes Resümee: „Die verzweifelte Lage im São Francisco Tal ist Teil einer globalen Krise. Sie macht uns

1971 Nach dem Noviziat, dem Studium der Philosophie, der Theologie und Betriebswirtschaftslehre wird er am 19. Dezember 1971 zum Priester geweiht. Anfangs wirkt er in der ArbeiterPastoral in São Paulo.

„Die verzweifelte Lage im São Francisco Tal ist Teil einer globalen Krise. Es liegt an uns, weiter dem Weg des Todes zu folgen oder uns für das Leben einzusetzen.“ Bischof Cappio

1974 1974 bricht er auf in die Armenregion des Nordostens Brasiliens, in die arme semiaride Region des Bundesstaates Bahia, lediglich mit der Kleidung, die er am Leib trägt.

1992 In diesem Jahr beginnt er seine berühmte Wallfahrt längs des Rio São Francisco. Zusammen mit dem Soziologen Adriano Martins, Schwester Conceição und dem Bauern Orlando de Araújo, wallfahrtet er

bewusst, dass der blinde Fortschrittsglaube zur Unterentwicklung vieler Völker geführt hat und das Leben der ganzen Erde bedroht. Es liegt an uns, weiter dem Weg des Todes zu folgen oder uns für das Leben einzusetzen.” Die Situation des Flusses verschlimmert sich jedoch weiter.

1997 Am 6. Juli wird er zum Bischof von Barra (Bahia) geweiht.

Bischof Cappio – Lebenslauf

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2005 2005 beschließt die Regierung Lula die Umleitung des Rio São Francisco Am 26. September beginnt Bischof Luiz sein Fasten und Beten – seinen Hungerstreik – in der Tradition des gewaltfreien Protestes von Mahatma Gandhi. Er wählt den Ort Cabrobó, an dem die Wasserentnahme für den Nordkanal gebaut werden soll. Tausende Menschen kommen nach Cabrobó, um sich solidarisch zu zeigen. Aus der ganzen Welt schicken die Menschen Briefe, um den Widerstand zu unterstützen. Nach elf Tagen beendet Luiz Cappio sein Fasten, weil der Präsident Luiz Ignacio Lula da Silva, verspricht, über das Projekt der Umleitung einen umfassenden Dialogprozess mit der Bevölkerung durchzuführen und der Revitalisierung des Flusses Vorrang zu geben.

sten der Umleitung. Bischof Cappio bricht zusammen. Am 20. Dezember 2007 beendet Luiz Cappio sein Fasten.

2005 bis 2007 Organisationen der Zivilgesellschaft bemühen sich darum, einen demokratischen, transparenten und partizipativen Dialog über das Projekt zu erreichen. Vergeblich. Die Vereinbarung zwischen dem Präsidenten und dem Bischof wird vom Präsidenten nicht eingehalten.

2007 Ende Mai wird das brasilianische Militär beauftragt, mit den Bauarbeiten zu beginnen. Eine Flut von Protesten und rechtlichen Einsprüchen gegen das Projekt wird dadurch ausgelöst. Am 27. November beginnt Bischof Cappio einen zweiten Hungerstreik als Zeichen des friedlichen Widerstands gegen die Zerstörung des Rio São Francisco, und zwar in der São FranziskusKapelle in der Gemeinde Sobradinho (Bahia), am Ufer des SobradinhoStausees. An diesem Ort zeigt sich der gravierende Zustand des Rio São Francisco und seine fehlende Wasserkapazität besonders deutlich. Der riesige Stausee ist derzeit auf lediglich 14% seiner Kapazität reduziert. Am 19. Dezember trifft das Bundesgericht ein Urteil zugun-

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Grüne Schriftenreihe 103 – Störenfried: Bischof Cappios prophetischer Einspruch

Demonstration gegen das Umleitungsprojekt. Der Text lautet: „Nein zur Flussumleitung. Das Zusammenleben mit dem Semi Árido ist die Lösung!“

Rückblende auf die Protestbewegung gegen die Flussumleitung Ein breites Netzwerk von sozialen Bewegungen mobilisiert sich gegen das Umleitungsprojekt für den Rio São Francisco, weil sie es für illegal hält und weil die Regierung undemokratisch vorgeht.

Seit das Projekt der Flussumleitung von der brasilianischen Regierung angedacht wird, gibt es großen Widerstand von breiten Teilen der brasilianischen Gesellschaft. Noch im Jahr 2001 stellten auch die Arbeiterpartei (PT) und der damalige

Präsidentschaftskandidat Lula die Umsetzbarkeit und Effizienz dieses Projektes in Frage und sprachen sich dagegen aus. Jedoch kurz nach dem Wahlsieg im Jahr 2002 stellte der neugewählte Präsident Lula das Projekt der Flussumleitung

Rückblende auf die Protestbewegung gegen die Flussumleitung

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als eine seiner Prioritäten vor. Laut der Projektpropaganda soll das Projekt die Wasserversorgung für 12 Millionen Einwohner des Nordostens garantieren. Ein breites Netzwerk von sozialen Bewegungen mobilisiert sich gegen das Projekt aufgrund seiner Unrechtmäßigkeiten und der undemokratischen Vorgehensweise der Regierung. Beispielsweise wurden die gesetzlich vorgeschriebenen öffentlichen Anhörungsverfahren mit der Bevölkerung nicht durchgeführt. Entgegen den Erwartungen der Umweltverbände und Fachleuten ver-

gung für die Bewohner der semiariden Region und über die nachhaltige Entwicklung der Region sowie die Revitalisierung des Rio São Francisco öffentlich zu diskutieren. Monate später fand ein einziges Treffen zwischen Vertretern der Regierung und der Zivilgesellschaft statt. Aufgrund der beginnenden Wahlkampfkampagne zu den Präsidentenwahlen wurde der Dialogprozess ausgesetzt und auf die Zeit nach den Wahlen vertagt. Nach der Wiederwahl des Präsidenten Lula ignoriert dieser das getroffenen Abkommen und entsendet das brasilianische Militär, um mit den Bauarbeiten zu beginnen. Im folgenden eine kurze Zusammenfassung der wichtigsten Ereignisse:

2004 Lula nimmt das Projekt der Flussumleitung als Priorität in das Regierungsprogramm auf.

2005

Verwüstete Landschaft am Rio São Francisco

gab die Bundesumweltbehörde (IBAMA) im März 2007 die Baugenehmigung. Ende September 2005 beginnt Dom Luiz Cappio seinen Hungerstreik und macht die öffentliche Meinung auf die Manipulation durch die Projektpropaganda aufmerksam. Denn in Wirklichkeit zielt das Projekt nicht auf die Wasserversorgung der lokalen Bevölkerung ab, sondern auf wirtschaftliche Nutzung des Wassers für Bewässerung, Garnelenzucht und industrielle Nutzung. Nach elf Tagen Hungerstreik wurde eine Verhandlungslösung erreicht. In dem getroffenen Abkommen wurde mit dem Präsidenten Lula vereinbart, das Projekt zu suspendieren und einen breiten Dialogprozess beginnen. Ziel war es, über die effizienteste Art der Wasserversor-

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26.September bis 06. Oktober – Dom Luiz Cappio beginnt sein Fasten gegen das Flussumleitungsprojekt, in Cabrobó (Pernambuco). Der Vatikan und die Nuntiatur drängen Bischof Cappio, “im Gehorsam gegenüber dem Hl. Stuhl” den Hungerstreik zu beenden. Aufgrund öffentlichen Drucks entsendet der Präsident Lula den damaligen Minister Jaques Wagner als Verhandlungsführer. Der “Hungerstreik” endet mit einem beiderseitig unterzeichneten Übereinkommen, in dem die Bildung einer Verhandlungskommission und der Beginn eines Dialogprozesses festgelegt wird. November – Die Bundesstaatsanwaltschaft, die Staatsanwaltschaft des Bundesstaats Bahia und das Netzwerk der Nicht-Regierungs-Organisation „Permanentes Forum zur Verteidigung des São Francisco in Bahia”, reichen eine neue Klage gegen das Projekt beim Obersten Gerichtshof (STF) ein, und fordern die Einstellung des Genehmigungsverfahren.

Grüne Schriftenreihe 103 – Störenfried: Bischof Cappios prophetischer Einspruch

15. Dezember – Erste Audienz des Präsidenten Lula mit der Verhandlungskommission und Dom Luiz Cappio.

2006 23. Februar – Ein amtliches Dokument an Lula wird protokolliert, in dem er aufgefordert wird, den Terminkalender für die öffentlichen Debatten über das Flussumleitungsprojekt festzulegen: Das hatte die Regierung seit Oktober 2005 versprochen. Unterschrieben werden die Dokumente von Bischof Tomaz Balduino für die Landpastoral, von Dom Luiz Cappio, von der Staatsanwaltschaft und vom Komitee für das Wassereinzugsgebiet des Rio São Francisco. 06. und 07. Juli – Workshop über nachhaltige Entwicklung im semi-ariden Gebiet, zwischen Vertretern der organisierten Zivilbevölkerung und Vertretern der Bundesregierung, es entstehen drei thematische Arbeitsgruppen, um die Debatte über die Revitalisierung des Flussgebietes zu vertiefen. Vom 04. bis 07. Oktober – Mobilisierungs- und Bildungscamp in Cabrobó (Pernambuco) zur Entwicklung gemeinsamer Strategien des Widerstandes mit Teilnahme von sozialen Bewegungen, Fischern, indigenen Gruppen und traditioneller Bevölkerung. 10. November – Der Oberste Rechnungshof veröffentlicht eine Verfahrensprüfung des Flussumleitungsprojektes und stellt Empfehlungen an das zuständige Ministerium aus. Dezember – Die Nationale Wasserbehörde (ANA) veröffentlicht den “Atlas des Nordostens”, der alternative Vorschläge für die Wasserversorgung in den Kleinstädten der neun Bundesstaaten des Nordostens, sowie des Nordens von Minas Gerais enthält. 19. Dezember – Der Oberste Bundesrichter Sepúlveda Pertence (STF) erklärt die 11 Einspruchsverfahren, die den Beginn der Arbeiten für die Flussumleitung verhinderten, für unrechtmäßig.

2007 22. Januar – Veröffentlichung des Regierungsprogramms zur Beschleunigung des Wachstums (PAC). Darin sind öffentliche Mittel im Umfang von R$ 6,6 Milliarden (2,5 Mrd. Euro) für den Zeitraum von 2007 bis 2010 für das Flussumleitungsprojekt bestimmt. 5. Februar – NGO-Netzwerk “Permanentes Forum zur Verteidigung des São Francisco in Bahia” reicht erneut eine Klage beim Obersten Bundesgerichtshof gegen die Entscheidung des Bundesrichters Pertence, der die laufenden Klagen aufgehoben hatte. 12. Februar – Der oberste Bundesstaatsanwalt, Fernando Antonio de Souza, reicht eine Klage beim Obersten Bundesgerichtshof ein und fordert, das Genehmigungsverfahren für die Bauarbeiten der Flussumleitung auszusetzen. 21. Februar – Dom Luiz Cappio reicht einen Brief an Lula ein, in dem er die Wiederaufnahme des Dialogs fordert. März – Die brasilianische Bundesumweltbehörde (IBAMA) vergibt die Baugenehmigung für den Beginn der Bauarbeiten. 12. bis 16. März – Protest-Camp in Brasília "Für das Leben des Flusses São Francisco und des Nordostens, gegen die Flussumleitung", mit mehr als 600 Teilnehmern aus dem Flusstal und anderen Bundesstaaten, wie Ceará und São Paulo. 16. März – Geddel Vieira Lima wird zum Amtsnachfolger von Pedro Brito als Minister des Ministeriums für Nationale Integration ernannt. 16. April – Die brasilianische Rechtsanwaltskammer von Sergipe (OAB/SE) erhebt Klage gegen das Umleitungsprojekt. Das Dokument mit 150 Gutachten beinhaltet eine Studie der Weltbank, sowie Berichte über die hydrologischen Bedingungen in den Empfängerbundesstaaten. Demnach sind die Probleme der Wasserknappheit auf die schlechte Verteilung des Wasser zurückführen. Mai - Das Militär beginnt mit den

Rückblende auf die Protestbewegung gegen die Flussumleitung

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Bauarbeiten bei den Wasserentnahmestellen am Nord- sowie am Ostkanal des Projektes. 4. Juni – Vertreter der Zivilgesellschaft fordern in einem Brief die Einhaltung des 2005 von der Regierung beschlossenen Abkommens. Es unterzeichnen den Brief: Dom Luiz Cappio, Adriano Martins, Yvonilde Medeiros, Jonas Dantas (Permanentes Forum zur Verteidigung des São Francisco), Luciana Khoury (Staatsanwaltschaft Bahia), ASA (Netzwerk der Nichtregierungsorganisationen des semi-ariden Region), Frente Cearense für eine Neue Wasserkultur; Forum Sergipano, Via Campesina Brasil, Landlosenbewegung MST, quilombolas, Fischer und indigene Völker des Flusstals, sowie die Staatsanwaltschaft von Sergipe und die Professoren João Suassuna un João Abner. 26. Juni bis 4. Juli – Mehr als 1500 Aktivisten besetzen die Baustelle des Nordkanals des Projektes der Transposição in Cabrobó (Pernambuco). An den folgenden Tagen führen die indigenen Gruppen der Truká e Tumbalalá Landnahmen ihrer angestammten Territorien in der gleichen Region durch. Juli - Der oberste Bundesstaatsanwalt reicht eine Petition ein, in der er die unmittelbare Suspension der Bauarbeiten der Flussumleitung fordert. 19. August bis 1. Sept. - Fachleute und Vertreter der Zivilgesellschaft unternehmen eine Kampagnen-Reise durch 11 brasilianische Großstädte. In öffentlichen Veranstaltungen wurden die zentralen Argumente gegen die Flussumleitung und Gegenvorschläge für die ländliche Entwicklung in der semiariden Region vorgestellt und diskutiert. 10. bis 14. September – BasisarbeitsKampagne in den Dörfern und Städten entlang des geplanten Ostkanals mit Beteiligung von Vertretern verschiedener sozialer Bewegungen. 03. bis 10. November – BasisarbeitsKampagne in den Dörfern und Städten entlang des geplanten Nordkanals mit Beteiligung von Vertretern verschiede-

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Grüne Schriftenreihe 103 – Störenfried: Bischof Cappio

ner sozialer Bewegungen. 27. November – Dom Luiz Cappio nimmt den Hungerstreik wieder auf und bekundet, diesen erst abzubrechen, wenn das Militär aus der Region abgezogen wird und das Projekt der Flussumleitung endgültig zu den Akten gelegt wird. 19. Dezember – Der Oberste Bundesgerichtshof gibt den Weiterbau der Kanalsysteme frei. Dom Luiz erleidet einen Zusammenbruch. 20. Dezember – Dom Luiz beendet sein Fasten und schreibt in einem Brief: “Euch zuliebe, die ihr mit mir gekämpft habt und den gleichen Weg beschreitet, beende ich mein Fasten. Ich weiß, dass ich mit euch rechnen kann, und ihr könnt auf mich zählen, wenn es darum geht, unseren Kampf fortzusetzen, damit ”alle das Leben haben, und zwar Leben in Fülle”. [...] Ich habe mit großem Respekt die Appelle meiner Familienangehörigen, von Freunden und Schwestern und Brüdern vernommen, die mich in diesem Kampf begleiten und die mich stets lebend und im Einsatz für das Leben wollten: im Kampf gegen die Zerstörung unserer Biodiversität, unserer Flüsse, unserer Landsleute und gegen die Arroganz jener, die alles in einen Kaufladen und in Wechselgeld transformieren wollen.”

2008 14. Februar – Dom Luiz debattiert im Senat des Kongresses die Konsequenzen des Flussumleitungsprojekts.

Brief von Bischof Cappio an den Präsidenten Brasiliens, Luiz Inacio „Lula“ da Silva Während seines zweiten Fastens schreibt Bischof Cappio dem Präsidenten und macht ihm den Vorwurf, er habe das Abkommen nicht eingehalten, sondern ihn und die brasilianische Gesellschaft betrogen.

Barra, BA, 4. Oktober 2007, am Fest des Heiligen Franziskus

Herr Präsident, Pax et Bonum! Am 6.10.2005 haben wir gemeinsam in Cabrobó (Pernambuco) die Vereinbarung getroffen, das Projekt der Umleitung des Rio São Francisco auszusetzen und einen umfassenden Dialogprozess zwischen der Regierung und der brasilianischen Zivilgesellschaft zu beginnen, um Alternativen für die nachhaltige Entwicklung der ganzen semi-ariden Region zu suchen. Angesichts dessen habe ich das Fasten abgebrochen und an das Abkommen und die Verhandlung geglaubt. Zwei Jahre sind vergangen, der Dialogprozess wurde lediglich begonnen und sogleich unterbrochen. Es gibt bereits konkrete Gegenvorschläge, wie die Wasserversorgung für die ganze Bevölkerung der semiariden Region garantiert werden kann: die im Atlas des Nordostens vorgesehenen Projekte - vorgestellt von der Nationalen Wasserbehörde (ANA), sowie die vom Netzwerk der Nichtregierungsorganisationen der semi-ariden Region (ASA) entwickelten Maßnahmen. Am 22. Februar 2007 habe ich im

„Eine Nation kann man nur mit aufrichtigen Menschen schaffen, angefangen bei seinen Regierenden. Würde und Ehrbarkeit sind notwendige Voraussetzungen für die Bürgerrechte.“ Bischof Cappio Regierungspalast ein Dokument eingereicht, das die Wiederaufnahme und Weiterführung des Dialogprozesses fordert, der wahrhaftig, transparent und partizipativ sein soll. Ihre Antwort war der Beginn der Bauarbeiten der Umleitung durch das brasilianische Militär. Herr Präsident, Sie haben ihr Wort nicht gehalten. Sie haben unser Abkommen nicht eingehalten. Sie haben mich und die ganze brasilianische Gesellschaft betrogen. Eine Nation kann man nur mit aufrichtigen Menschen schaffen, angefangen bei seinen Regierenden. Würde und Ehrbarkeit sind notwendige Voraussetzungen für die Bürgerrechte. Daher nehme ich mein Fasten und Beten wieder

Bischof Cappio – Brief an den Präsidenten Brasiliens, Luiz Inacio „Lula“ da Silva

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auf. Und ich werde es erst beenden mit dem Rückzug des Militärs von der Baustelle der Flussumleitung am Nord- und am Ostkanal und mit der endgültigen Archivierung des Projektes der Umleitung des Rio São Francisco. Es besteht keine andere Alternative. Ich nehme an, dass die Kräfte, die Interessen in dem Projekt haben, alle Mittel nutzen werden, um unseren Widerstand zu entmutigen und die öffentliche Meinung zu verwirren. Doch als Jesus sich entschlossen hat, sein Leben zu opfern, hatte er keine Angst vor dem Kreuz. Ich nehme es auf mich, gekreuzigt zu werden, denn das ist der Preis, der zu zahlen ist.

Das Leben des Flusses und seines Volkes oder der Tod eines brasilianischen Bürgers. „Wenn es keine Vernunft mehr gibt, ist der Wahnsinn der Weg.” Der Gott des Lebens sei die Garantie des vollkommenen Lebens. „Brasilien ist ein Land von Größe. Wird es auch Regierende von gleicher Größe haben?” (Bourdoukan Georges in „Capitão Mouro”).

Dom Frei Luiz Flávio Cappio, OFM

Bischof Cappio bei einer Demonstration

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Grüne Schriftenreihe 103 – Störenfried: Bischof Cappios prophetischer Einspruch

Dom Luiz stellt sich kritischen Stimmen übersetzt und eingeleitet von Gustav Krammer

Dom Luiz antwortet einem Mitbischof, der ihn zum Abbruch des Fastens aufgefordert hatte.

„Viel wichtiger als meine Person sind die Probleme des Flusses, die Probleme des Volkes”, sagte Dom Luiz Cappio, als er über die Notwendigkeit und die persönlichen Gründe seines Hungerstreiks befragt wurde. Er bekam viel Besuch von der lokalen Bevölkerung sowie aus den umliegenden Städten. Auch Landtagsabgeordnete von Bahia und Lokalpolitiker kamen. Die Bundesregierung versucht weiterhin, den Protest zu ignorieren. Der Minister für Nationale Integration und verantwortlich für das Projekt, Geddel Viera Lima, verurteilte den Weg, den Dom Luiz gewählt hatte, und bezeichnete ihn als „einen absoluten Irrtum“ und „gegen jeden gesunden Menschenverstand“. Er vergab weitere Bauaufträge in Millionenhöhe und bekräftigte, dass das Projekt nicht umkehrbar sei. Dom Luiz ließ sich von diesen Aussagen nicht beeindrucken. Auch Dom Aldo Pagotto, Erzbischof von Paraiba und Befürworter der Flussumleitung, kritisierte Dom Luiz und forderte ihn zum Abbruch des Fastens auf. Dom Luiz Cappio antwortet ihm.

Sobradinho, am 30 November 2007 Fest des Hl. Andreas, Märtyrer

Lieber Dom Aldo, Pax et Bonum! Ich habe Ihr “Erklärungs-Schreiben” erhalten und aus Respekt vor Ihnen antworte ich. Zugleich nütze ich die Gelegenheit, um den Brüdern und Schwestern von Paraiba den Sinn meines Tuns zu erklären. 1. Ich stimme zu, dass unser Leben Gott gehört und wir nicht das Recht haben, es uns zu nehmen. Genau weil mein Leben nicht mir gehört, sondern Gott – seit vielen Jahren habe ich es Ihm übergeben – , bringe ich es Ihm dar für das Leben vieler. Ich nehme mir nicht das Leben – ich faste und bete nur, wie es biblische und christliche Tradition ist, und das auf unbestimmte Zeit, bereit bis zum Ende zu gehen. Erstens wende ich mich dadurch an Gott, den Herrn des Lebens und der Geschichte, als ein Opfer: Er möge sich unser erbarmen und das Herz der Menschen - erblindet durch Macht und Geld - ändern. Zweitens wende ich mich dadurch an die Regierenden dieses Landes, als legitime Handlungsweise eines Bürgers, um – nachdem alles versucht wurde Dom Luiz stellt sich kritischen Stimmen

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und die bisherigen Bemühungen ergebnislos geblieben sind – breiten Sektoren der Zivilgesellschaft Gehör und Respekt zu verschaffen. Das ist ein persönliches Zeichen, aber mit kollektiver Bedeutung. 2. Wenn Sie mein Leben kennen, wissen Sie, dass mein aktuelles Verhalten in unumstößlichem Zusammenhang mit meinem Franziskanischen Werdegang steht: als Pater und Bischof im Dienst der Verteidigung und Förderung des Lebens zu sein. Das will mein bischöflicher Wahlspruch zum Ausdruck bringen: “Damit alle das Leben haben” (Joh 10,10). 3. Wörtlich hat mich der Heilige Stuhl durch den Apostolischen Nuntius “gebeten”, dass ich nicht mehr zum Mittel des Hungerstreiks greifen sollte. Es handelte sich dabei nur um eine “Bitte”. Den Ausdruck “Hungerstreik” verwendete ich letztes Mal, weil er bekannter ist und wegen seiner politischen Bedeutung. Dieses Mal bevorzuge ich “Fasten und ständiges Gebet”. 4. Bezüglich des Projekts der Flussumleitung sollten Sie und andere gut informierte Persönlichkeiten, die es verteidigen, dem Volk die ganze Wahrheit darüber sagen: seine wirklichen Ziele, Kosten, Gebührenerhebungen für Wasser, Trassenverläufe weit weg von den wirklichen Trockengebieten, Geschäftsinteressen etc. Dieses Projekt ist keine Lösung, es wird eher ein Problem sein. In der momentanen Situation ist es eine Fortsetzung des alten “Diskurses von der Trockenheit” oder das Predigen eines “Wasser-Populismus” im Dienst der gewohnten “Industrie der Trockenheit”, jetzt ganz modern “Hydrobusiness” genannt, ein schlechter Dienst am Volk und eine Perversion unseres Hirtenauftrags. Die Frage, um die es hier geht, ist nicht technischer, sondern pastoraler Art, denn “Schafe” in Gefahr suchen die Fürsorge des Guten Hirten. Basierend auf dieser Argumentation trugen die Bischöfe des Nordostens vor fast 60 Jah-

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ren – mit pastoraler Kompetenz und technischer Hilfe – zur Bildung der SUDENE [Anm. der Redaktion: SUDENE ist das Amt für die Entwicklung des Nordostens.] bei. 5. Das Projekt der Flussumleitung wird keinen wirklichen Fortschritt bringen. Die Propaganda für die Bewässerung des São Francisco Tales verdeckt das wahre Gesicht der sozialen und umweltbedingten Schäden, und auch die wirtschaftlichen Erfolge sind relativ. Es ist kein Modell, das man fördern sollte, es bedarf dringend einer Überarbeitung. Warum setzt man sich nicht genauso lautstark ein für die 530 Maßnahmen, die im Atlas des Nordostens von der Nationalen Wasserbehörde (ANA) vorgeschlagen werden, und für die mehr als 140 angepassten Maßnahmen, entwikkelt vom Netzwerk der Nichtregierungsorganisationen der semi-ariden Region (ASA) oder der landwirtschaftlichen Bundesforschungsanstalt (EMBRAPA)? Denn diese sind wirkliche Lösungen und um vieles billiger. Sie lösen den Wassermangel in den Städten und fördern eine den vielfältigen Gegebenheiten des semi-ariden Gebietes angepasste Entwicklung. Dadurch werden dem ohnehin schon so leidgeplagten Volk des Nordostens und der Umwelt keine neuen Lasten auferlegt. 6. Die Stimme des Geistes des Herrn weht, wo Er will (vgl. Joh 3,8) und beim Wehklagen des Volkes fordert Er von uns, “arglos zu sein wie die Tauben und schlau wie die Schlangen” (Mt 10,16). Mögen Sie meinen Gruß annehmen, der auch allen Schwestern und Brüdern von Paraiba gilt!

+ Luiz Flávio Cappio Bischof der Diözese Barra (Bahia)

Grüne Schriftenreihe 103 – Störenfried: Bischof Cappios prophetischer Einspruch

„Warum ich in Sobradinho faste“

Dom Luiz erklärt am Samstag, den 8. Dezember 2007 in der Tageszeitung A Tarde – Salvador de Bahia einer breiten Öffentlichkeit die Motive seines Protestes.

Vor 33 Jahren kam ich in das vom São Francisco Strom durchflossene Hinterland Bahias, und fand mich in diesem Fluß wieder. Hier entdeckte ich die mir angemessene Form, dem Beispiel des Franz von Assisi zu folgen, der für mich Vater und Vorbild in der Nachfolge Jesu ist. Wie der Heilige Franz verließ ich eine gutsituierte Familie, um mich in den Dienst der Armen zu stellen. Geboren im entwickelten Umland von São Paulo, fand ich mich nun im Armenhaus des brasilianischen Nordostens wieder. Mit dem São Francisco Strom ist es ähnlich: er entspringt im Bundesstaat Minas Gerais, das zum reichen Südwesten Brasiliens gehört, und fließt - im Unterschied zu den Flüssen seiner Nachbarschaft - in den verarmten Nordosten Brasiliens, wohin er Wasser und Nahrung trägt. Der Strom ist die Achse, das Zentrum, die Lebensader für das Volk. So kommt es, dass ich mich diesem Volk und seinem Fluß zutiefst verbunden fühle und für eine Ökologie einstehe, die von meiner franziskanischen Spiritualität getragen wird. In all diesen Jahren erlebte ich Tag für Tag den ökologischen und sozialen

Niedergang am Rio São Francisco und an seinen Zuflüssen mit. Die eingesessenen Anwohner entlang der Flüsse beklagten sich über die wachsenden Schwierigkeiten, ihren Lebensunterhalt aus dem Fluss zu gewinnen: der Fischbestand ist im Schwinden, die fruchtbaren Schwemmgebiete gehen verloren, Sandbänke breiten sich aus, die Schifffahrt gestaltet sich immer schwieriger, vergiftetes Wasser, Verschmutzung, Austrocknung, … Angesichts dessen fühlte ich mich zu einer radikalen Reaktion gezwungen, die über die weitgehend nutzlosen Anklagen der Missstände hinausgehen sollte. So kam es, dass ich zwischen 1992 und 1993 mit zwei Gefährten und einer Ordensschwester eine große Pilgerreise unternahm, die uns über ein Jahr lang von der Quelle bis zur

Bischof Cappio beim Pressegespräch (Ausschnitt)

Bischof Cappio – „Warum ich in Sobradinho faste”

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Bischof Cappio erklärt Demonstranten seinen Standpunkt

Mündung des São Francisco Stromes führte. Wir wollten die Menschen am Strom aufrütteln, das öffentliche Bewusstsein auf die Flussproblematik lenken sowie das Volk und seine Vertretungen aufrufen, sich der Bewegung zur Rettung des São Francisco Stroms und seiner „Der Menschen anzuschließen. Diese Wanderung bot die außerordentliche Chance, den Strom, seine Nöte, seine Schönheit und sein Potenzial aus nächster Nähe zu erleben. Dabei wurde uns klar, dass vor allem die ausgedehnten Rodungen der GalerieWälder* größten Schaden anrichten. Sie werden abgeholzt, um monokulturellen Ackerbau zu betreiben oder Holz für Köhlereien zu gewinnen. In der Folge versiegen die Quellen, die Flussbette versanden, die Ufer erodieren. Dazu kommen die Verschmutzung durch städtische und industrielle Abwässer sowie Wasservergiftungen, die auf schonungslosen Berg- und Ackerbau zurückgehen. Des weiteren sind die großen Bewässerungsanlagen zu nennen, die einerseits enorme Konzentrationen an Spritzmitteln einsetzen, andrerseits Unmengen von Wasser verschwenden. Die Dämme und Stromkraftwerke führen sehr oft zur Vertreibung der eingesesse-

nen Flussanrainer, bringen den natürlichen Wasserkreislauf aus dem Lot und beanspruchen 70% der Abflussmenge für die Energie-Gewinnung. Vor allem aber bewirkt die Umweltzerstörung am Fluss die Misere und Vernachlässigung der Bevölkerung des Flusstals, denn diese Menschen erfahren die Konsequenzen der Zerstörung des Flusses am eigenen Leib. Die Wurzel all dieser Fehlentwicklungen liegt im sogenannten „Entwicklungsmodell”, das nichts anderes ist als die ungezügelte Anhäufung von Kapital. Die darin begründete maßlose, unbegrenzte und konfliktreiche Übernutzung von Land, Wasser und Bevölkerung des ”Velho Chico”, die einzig auf Gewinnmaximierung abzielt, ist das Todesurteil für den Rio São Francisco, und die Gal-

Strom ist die Achse, das Zentrum, genfrist läuft buchstäblich ab. Augenscheinlich wird das an der rasanten Abholzung des Cerrado-Gebiets im Westen Bahias, wo die wichtigsten Zuflüsse entspringen oder an der Vernichtung der Caatinga, jene an die Trockenheit angepasste Vegetationsform Nordostbrasiliens, die heute in Holzkohle umgewandelt wird. Diese Abholzung führt zur Versandung der Zuflüsse und des Hauptstroms. Der Boom der AgroTreibstoffe aus Zuckerrohr, Soja und Eukalyptus ist die jüngste Gefahr, vielleicht jene, die schlussendlich den Tod des Flusses besiegeln wird. Für die Rettung des São Francisco Stroms gibt es keine andere Alternative als die unverzügliche, generelle Aussetzung jeglicher weiterer zerstörerischen Projekte und ein entschlossenes Programm zur Fluss-Revitalisierung. Letzteres würde ein Mammut-Unternehmen

„Für die Rettung des São Francisco Stroms gibt es keine andere weiterer zerstörerischen Projekte und ein entschlossenes 24

Grüne Schriftenreihe 103 – Störenfried: Bischof Cappios prophetischer Einspruch

bedeuten, über Generationen hinweg, unter Zusammenwirken aller staatlichen und zivilgesellschaftlichen Kräfte. Was sich heute als Revitalisierungs-Programm ausgibt, ist allenfalls eine Augenwischerei, ein Feigenblatt für das Flussumleitungs-Projekt, um nicht zu sagen ein marktschreierischer Kuhhandel, wie der Propaganda-Feldzug des Ministers Geddel gezeigt hat. Sobradinho ist ein Sinnbild Ich habe den Ort Sobradinho als Ort meines Fastens ausgewählt. Vor 30 Jahren wurde hier ein riesiges Stauwerk errichtet und dem São Francisco Tal als künstliches Herz eingepflanzt, reduziert auf die Funktion eines EnergieLieferanten, der für 17 % der StromProduktion Brasiliens sorgt bzw. für 95% der im Nordosten konsumierten elektri-

die

schwer kranken São Francisco Stroms geworden. Ein Beispiel für falsche Prioritätensetzung: Die vier Gemeinden, die an den Stausee angrenzen, haben enorme Schwierigkeiten, ihre Bevölkerung mit Wasser zu versorgen; mit 13 Millionen Reais wäre Abhilfe geschaffen, doch warten die Gemeinden seit 2001 auf grünes Licht aus der Politik … Das Projekt zur Flussumleitung folgt der gleichen Logik wie der Staudamm Sobradinho. Eigentlich laufen alle großen nationalen Projekte auf diese Logik hinaus, begonnen von den gentechnischen Produktivitätssteigerungen bis zu den Kraftwerken am Rio Madeira oder in Angra II: immer werden Naturraum und Wasser den Interessen privater Unternehmer überlassen und somit unsere natürlichen Ressourcen der globalen kapitalistischen Ausbeutung geopfert. Die großen Lebensader für das Volk.“ Bischof Cappio Herausforderungen des Ressourcen-Schutzes, die das Überleben des Planeschen Energie. Wir können also schon ten und der menschliche Spezies bedrohier von einer ”Transposição” sprechen, hen, werden missachtet. einer ”Umleitung” des Wassers in die Energie-Produktion, ein gewaltiger Ein- Übersetzt aus dem brasilianischen griff in den natürlichen Flusslauf. Portugiesisch von Martin Mayr Aufgrund der äußerst autoritären Umsetzung des Kraftwerk-Projekts, der Umsiedelung von etwa 72.000 AnrainerFamilien und der Vernichtung ausgedehnten Kulturlandes ist der Ort Sobradinho als Beispiel in die Geschichte eingegangen, wie das Leben der Gier und dem Profit unterworfen wird und der Bevölkerung ein Entwicklungsmodell aufgezwungen wird, dessen hohe soziale und ökologische Kosten zum Tod des São Francisco-Tals führen werden. Im * Anm der Redaktion: Mitten im “Cerrado“, der Augenblick liegt der Wasserstand des größten tropischen Region Brasiliens, existieren Stausees bei 14% seines Fassungsver- dichte Waldformationen, die man “Galeriemögens. Die Menschen an den Ufern Wälder” nennt, weil sie sich längs der Flussläufe tragen wieder die Konsequenzen. Somit entwickeln. Solche Wälder sind die Heimat eiist Sobradinho schlicht zum Abbild des ner grossen Artenvielfalt.

Alternative als die unverzügliche, generelle Aussetzung jeglicher Programm zur Fluss-Revitalisierung. “ Bischof Cappio Bischof Cappio – „Warum ich in Sobradinho faste”

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Bischof Cappio im Gespräch mit der Presse

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Grüne Schriftenreihe 103 – Störenfried: Bischof Cappios prophetischer Einspruch

„Ich faste nicht zuletzt für eine wahre Demokratie“ Dom Luiz Dom Luiz erklärt am Mittwoch, den 12. Dezember 2007 in der Tageszeitung Folha do São Paulo das undemokratische Vorgehen der Regierung.

Man wirft mir vor, ich sei ein Feind der Demokratie, weil ich mit Fasten und Beten ein autoritäres und verlogenes Projekt bekämpfe: die Umleitung der Wasser des São Francisco-Stroms. Ich werde als demokratie-feindlich gescholten, weil ich mit Fasten und Beten jenem autoritären, lügnerischen und rückschrittlichen Mammut-Projekt der Bundesregierung entgegentrete, das die Wasser des São Francisco Stroms umleiten will. Meine Reaktion lässt sich aber nicht so hinstellen, als hätte ich mir freiwillig und allein von mir selbst ausgehend auferlegt, was ich nun tue. Wäre dem so, so könnte ich bestimmt nicht mit soviel Unterstützung rechnen, die mir von großen Teilen der Gesellschaft in steigender Intensität zugesichert wird, selbst aus den Reihen der Regierungspartei PT. Wenn wir tatsächlich in einer republikanischem Geist verpflichteten, unverwässerten Demokratie lebten, so bräuchte ich nicht so weit gehen, wie ich es jetzt tue.

Eines der schlimmsten Übel der ”Demokratie” in Brasilien besteht darin, dass man meint, man habe mit dem Mandat aus der Wahlurne schrankenlose Macht und eine Lizenz erhalten, die im Wahlkampf vertretenen Positionen vergessen zu machen; als wäre durch die Wahl eine Art Blanko-Scheck erstellt für alles, was mehr Macht und mehr Vermögen verspricht. Deshalb gehören nach wie vor alle möglichen Formen von Bevorzugung, Abzweigung öffentlicher Mittel, Interessenschieberei und Bestechung zum Repertoire der brasilianischen Politik, und leider sind die Aussichten sehr gering, dass sich dies bald ändern würde. Der Gesellschaft aber hängen diese Praktiken längst zum Hals heraus, und es ist höchste Zeit, dass sich die Gesellschaft massiv dagegen auflehnt. Es gibt Politiker - und leider sind es nicht eben wenige -, die eine Spur von Übergriffen, Korruption und unrechtmäßiger Bereicherung ziehen, wo immer sie in das öffentliche Leben eingreifen. Da Unsitten wie klientilistischer Wähler-

„... als wäre durch die Wahl eine Art Blanko-Scheck erstellt für alles, was mehr Macht und mehr Vermögen verspricht.“ Bischof Cappio Bischof Cappio – „Ich faste nicht zuletzt für eine wahre Demokratie“

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fang, Glorifizierung der Kandidaten, unerfüllbare Wahlversprechen und die ”Wie-du-mir-so-ich-dir”-Schablone weiterhin ziehen und viel eher politische Verführung als politische Bildung angesagt bleibt, gelingt es besagten Kandidaten und Kandidatinnen immer aufs Neue, wiedergewählt zu werden und in immer höhere Positionen vorzurücken, ganz unabhängig davon, welcher Partei oder welchem politischen Bündnis sie angehören. Im Wahlkampf des Präsidenten Lula wurde das zentrale Thema ”WasserUmleitung” soweit wie möglich gemieden. Und doch werden unsere Wahlgänge, die auf nichts anderem als bloßem Marketing-Kalkül und undurchschaubarer Parteien-Finanzierung durch die Unternehmer aufbauen, als hehre Ausdrucksformen unserer DemokratieKultur hingestellt und gern mit dem Verweis auf unser elektronisches UrnenSystem dekoriert, womit wir selbst den USA als Beispiel dienten … Das Wasserumleitungs-Projekt der Regierung ist undemokratisch, just deshalb, weil es den Menschen im Nordosten Brasiliens, die an Wassermangel leiden, den Zugang zum Wasser eben nicht erleichtert, ganz gleich, ob sie nun nahe beim Flusslauf oder weitab vom Rio São Francisco leben. Die Regierung lügt, wenn sie behauptet, sie würde 12 Millionen Durstleidende mit Wasser versorgen. Vielmehr handelt es sich um ein Projekt, das öffentliches Geld zur Begünstigung der Ausführungs-Firmen ausgeben will; ein Projekt, welches das Wasser des Nordostens Brasiliens – sowohl die Wasser

der großen Stauseen wie die Wasser des São Francisco Stroms – privatisieren und in den Händen der immergleichen Eliten konzentrieren wird. Die Umleitung des Wassers vom São Francisco hat absolut nichts mit der Trockenheit im Nordosten zu tun. Das zeigt sich allein schon darin, dass der Nordkanal, in dem 71% des abgezweigten Wassers in den Norden fließen sollen, weitab von den tatsächlich regenarmen und von Wassernot geplagten Regionen geplant ist. Von diesem Wasser sind nicht weniger als 87% für Produktionszweige mit sehr hohem Wasserverbrauch bestimmt: für bewässerten Obstbau, für die Garnelenzucht und für die Stahlindustrie, allesamt exportorientierte Investitionen mit äußerst bedenklichen sozialen und ökologischen Folgewirkungen. Die genannten Zahlen sind den offiziellen Studien und der abschließenden Umweltverträglichkeitsstudie des Wasserumleitungs-Projekts zu entnehmen, wie sie dem Gesetz entsprechend veröffentlicht worden ist - wogegen die Regierung im Internet nur Propagandistisches über das Projekt veröffentlicht. Das Wasserumleitungs-Projekt ist illegal und wird auf eine ebenso willkürliche wie autoritäre Art forciert: Die Untersuchungen zu den ökologischen Folgen sind nicht abgeschlossen, der rechtmäßige Weg zur Erlangung der umwelttechnischen Bewilligung wurde verfälscht, indigene Gebiete sind vom Projekt betroffen, ohne dass dies - wie in der Verfassung vorgesehen - Gegenstand einer Anhörung im Nationalkongress gewesen wäre.

„... es handelt sich um ein Projekt, ... welches das Wasser des Nordostens Brasiliens – sowohl die Wasser der großen Stauseen wie die Wasser des São Francisco Stroms – privatisieren und in den Händen der immergleichen Eliten konzentrieren wird.“ Bischof Cappio 28

Grüne Schriftenreihe 103 – Störenfried: Bischof Cappios prophetischer Einspruch

Bischof Cappio und das Volk

Insgesamt stehen 14 Gerichtsverfahren an, die Gesetzesverletzungen und Verfahrensmängel anprangern, doch vom Obersten Gerichtshof bislang nicht entschieden worden sind. Dessen ungeachtet hat die Regierung Militäreinheiten zum Kanalanstich mobilisiert, was einem Missbrauch der Heeresbefugnisse und einer Militarisierung jener Gegend gleichkommt. Dass der Entscheid des Regionalen Verwaltungsgerichtshofs vom vergangenen 10. Dezember einen einstweiligen Baustopp bewirkt hat, gilt als weiteres beredtes Zeugnis für das rechtswidrige Durchdrücken des Projekts. Doch die empörendste, weil wirklich schon an Grausamkeit heranreichende Methode der Regierung besteht darin, die öffentliche Meinung - besonders in den Bundesstaaten, die als besonders begünstigt hingestellt werden - mit haltlosen Versprechen zu manipulieren: man redet von reichlicher und einfacher

Wasserzustellung, ohne die wirklichen Nutznießer zu nennen, und sagt auch mit keinem Wort, wie die Wasserzuleitung funktionieren soll, welche Kosten dann zu bezahlen sein werden, wie die kleinen Nutzer die großen Verbraucher indirekt subventionieren werden, ähnlich, wie dies jetzt schon mit den Stromkosten geschieht. Demgegenüber lässt der offizielle Umwelt-Bericht keinen Zweifel am Endzweck des abgeleiteten Wassers: 70 % für Bewässerung, 26 % für industriellen Gebrauch, 4 % für den Konsum der verstreuten Anwohner. Demgegenüber schlagen wir ein weitaus umfassenderes Projekt vor: Wir wollen Wasser für die 44 Millionen Bewohner und Bewohnerinnen des Trokkengürtels Nordostbrasiliens - für alle neun Bundesstaaten, nicht nur für vier; für 1.356 Gemeinden und nicht nur für 397. Und das alles zum halben Preis dessen, was im Regierungsprogramm zur Anheizung des Wirtschaftswachs-

Bischof Cappio – „Ich faste nicht zuletzt für eine wahre Demokratie“

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tums für das Wasserumleitungs-Projekt vorgesehen ist. Was vom ”Atlas des Nordostens”, herausgegeben von der Nationalen Wasserbehörde (Agência Nacional das Águas), und von den Initiativen der ASA-Netzwerks (Articulação do SemiÁrido) an Vorschlägen präsentiert wird, ist wesentlich breiter, stellt die Versorgung mit Trinkwasser für Mensch und Tier in den Mittelpunkt und baut auf der Nutzung der reichen, durchaus genügenden Wasserreserven des Nordostens auf. Man nannte mich einen Fundamentalisten und Feind der Demokratie, weil ich das Volk aufgerufen hätte, sich aufzulehnen. Davor haben die „Demokraten”, die mir diese Vorwürfe machen, offenbar Angst. Warum aber wird die Wahrheit über dieses Projekt nicht eingestanden, und warum wird nicht offen darüber diskutiert, welches das bessere Projekt ist bzw. welcher Weg tatsächlich

zur Entwicklung des Trockengebiets im Nordosten führt? In genau dieser Auseinandersetzung liegt die Essenz meines Widerstands, und in genau dieser Auseinandersetzung vollzieht sich, was Demokratie tatsächlich ist.

Dom Frei Luiz Flávio Cappio, Bischof von Barra (Bahia) Übersetzt aus dem brasilianischen Portugiesisch von Martin Mayr

Bischof Cappio mit Kardinal Majella (rechts im Bild)

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Grüne Schriftenreihe 103 – Störenfried: Bischof Cappios prophetischer Einspruch

Erklärung der Präsidentschaft der Brasilianischen Bischofskonferenz Die Bischofskonferenz unterstreicht, wie wichtig die Revitalisierung des Flusses und der Zugang zu sauberem Wasser für die gesamte Bevölkerung ist, weil dies den Menschenrechten entspricht und Wasser ein öffentliches Gut ist.

„Herr, schenk meinem Volk, in dessen Namen ich Dich bitte, das Leben” (Esther 7,3) 1. Das Fasten und Beten von Dom Luiz Flávio Cappio OFM, Bischof der Diözese Barra, ist von jener Liebe inspiriert, mit welcher der Hirte sein Volk liebt. Dom Luiz drückt damit seinen ungebrochenen Einsatz für den Rio São Francisco und das Leben seiner Anwohner aus Bauern, Nachkommen von Sklaven, Indios. In seiner Haltung spiegeln sich die Achtung vor der Würde von Mensch und Schöpfung; sie bringt seine Überzeugung zum Ausdruck, dass der Mensch fähig ist, mit seiner Umwelt in ehrfürchtigem Einklang zu leben. 2. Damit weist Dom Luiz Cappio auf die Patt-Stellung zwischen zwei gegenläufigen Entwicklungs-Modellen hin: Auf der einen Seite die auf die Förderung familiärer Kleinbauernlandwirtschaft und auf den Naturschutz ausgerichtete Entwicklungs-Philosophie des sozialen Einschlusses und der Nachhaltigkeit; auf der anderen Seite jenes Modell, welches

das Geschäft um Land und Wasser bevorzugt, was zu schwerwiegenden ökologischen und sozialen Problemen führt, weil dabei Menschen ausgebeutet, die Flüsse und Wälder zerstört werden. Der Einsatz für die Verteidigung des Rio São Francisco findet sich in der Erklärung der Lateinamerikanischen Bischofskonferenz von Aparecida wie folgt motiviert: ”Der Naturreichtum Lateinamerikas und der Karibik erfährt heute eine irrationale Ausbeutung, die immer mehr Spuren der Verwüstung, ja sogar des Todes in unserer gesamten Region hinterlässt. Für diesen Prozess trägt das heutige Wirtschaftsmodell die entscheidende Verantwortung, das dem maßlosen Gewinnstreben Vorrang vor dem Leben der Menschen und Völker und vor dem vernunftgemäßen Umgang mit der Natur gibt ” (DA 473) 3. An Regierung und Volk gerichtet, hält die Brasilianische Bischofskonferenz weiterhin an der Notwendigkeit fest, eine breite Diskussion über die Umleitung des Wassers des Rio São Francisco fortzusetzen. Die Bischofskonferenz unter-

„... eine irrationale Ausbeutung, die immer mehr Spuren der Verwüstung, ja sogar des Todes in unserer gesamten Region hinterlässt.“ Dokument von Aparecida Erklärung der Präsidentschaft der Brasilianischen Bischofskonferenz

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In seiner Haltung spiegeln sich die Achtung vor der Würde von Mensch und Schöpfung; sie bringt seine Überzeugung zum Ausdruck, dass der Mensch fähig ist, mit seiner Umwelt in ehrfürchtigem Einklang zu leben. Bischof Cappio am Tropf

streicht die Wichtigkeit eines Programms zur Revitalisierung des Flusses und die Sicherstellung des Zugangs zu sauberem Wasser für die gesamte Bevölkerung, weil dies den Menschenrechten entspricht und Wasser ein öffentliches Gut ist. Einer demokratisch-legitimierten Regierung ist es aufgetragen, die von der Zivilgesellschaft vorgebrachten Anliegen zu ermessen, der Gesellschaft im Blick auf das Gemeinwohl breiten Mitentscheidungs-Spielraum einzuräumen und gerichtliche Entscheidungen in friedlichem Einvernehmen zu akzeptieren. 4. Wir halten es für notwendig, die Alternativen zum Regierungsprojekt ernst zu nehmen; es handelt sich um sozial ausgewogene und wirksame Vorschläge, die von Regierungsorganen, Fach-Spezialisten und zivilgesellschaftlichen Verbänden vorgelegt werden; sie veranschlagen geringere Kosten und schließen die Möglichkeit ein, mehr Menschen und Gemeinden Wasser zu

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sichern. Unter diesen Vorschlägen möchten wir hervorheben, was die ANA (Agência Nacional de Águas) mittels des ”Atlas zum Nordosten” präsentiert, bzw. auf das Programm der ASA (Articulação do Sémi-Árido) hinweisen, welches die Errichtung von einer Million Zisternen anstrebt. 5. Jetzt im Advent, Zeit der lebendigen Hoffnung, laden wir alle christlichen Gemeinden und alle Menschen guten Willens ein, sich fastend und betend mit Dom Luiz Cappio zu verbinden und für sein Leben und seine Gesundheit zu bitten, solidarisch mit dem Anliegen, das Dom Luiz vertritt. Die Hoffnung lässt nicht zugrunde gehen (Röm 5,5). Brasilia, 12. Dezember 2007 Fest Unserer Lieben Frau von Guadalupe (Patronin Lateinamerikas)

Dom Geraldo Lyrio Rocha Erzbischof von Mariana, Präsident der CNBB

Grüne Schriftenreihe 103 – Störenfried: Bischof Cappios prophetischer Einspruch

Memorandum des Präsidenten der CNBB für den Präsidenten Lula da Silva Die brasilianische Bischofskonferenz schlägt die Einsetzung einer Dialog-Kommission vor.

Sehr geehrter Herr Präsident, mit Respekt und Hochachtung möchten wir Ihnen gegenüber unsere Besorgnis über das Leben und die Person von Dom Frei Luiz Cappio, OFM, Bischof der Diözese Barra, zum Ausdruck bringen. Er hat, aufgrund seiner Befürchtungen im Bezug auf das Flussumleitungsprojekt des Rio São Francisco und dessen Konsequenzen und Implikationen, seit dem 27 November sein ”Fasten und Beten” wiederaufgenommen. Dieselbe Initiative hat Dom Luiz Flavio Cappio bereits einmal im Jahr 2005 in Cabrobó (Pernambuco) ergriffen, damals für 11 Tage. Damals beendete er sein Fasten am 6. Oktober 2005, nachdem sich der damalige Innenminister Jaques Wagner in Ihrer Vertretung mit ihm getroffen hatte. In einer Audienz am 15. Dezember 2005 haben Sie Dom Luiz Flavio Cappio und Mitglieder der sozialen Bewegungen empfangen. Bei diesem Anlass wurde der Kompromiss bestätigt, einen Dialogprozess durchzuführen. Dazu wurde eine gemischte Kommission bestehend aus Regierungsvertretern und der Vertretern der Zivilgesellschaft einberufen. Als Vermittler wurden die Casa Civil und der Generalsekretär bestimmt. Trotz all dieser Anstrengungen konn-

te die Kommission den Vorschlägen und Zielen nicht gerecht werden, und es kam zu keinem umfassenden Einverständnis. Die CNBB hat mehrmals bestätigt, wie wichtig es ist, die schwerwiegenden Wasserprobleme der Bevölkerung des brasilianischen Trockengebietes zu lösen. Aufgrund der Komplexität des Projektes der Flussumleitung des São Francisco-Flusses, mit seinen sozialen, wirtschaftlichen, kulturellen und ökologischen Implikationen, glauben wir, dass die Notwendigkeit besteht, eine größere Diskussion mit Beteiligung der Flussanrainer, der Fischer, der indigenen Gruppen, den Quilombolas, den Wissenschaftlern, den Spezialisten und anderen Interessierten durchzuführen. Das aktuelle Projekt muss besser analysiert werden, unter Berücksichtigung anderer Alternativen, die eine qualitativ gute Wasserversorgung für das Volk des Nordostens garantieren, wie zum Beispiel das Projekt ”Ein-Millionen-Zisternen”. Wir erklären uns dazu bereit, die Wiederaufnahme des Dialogs zwischen der Regierung und Dom Luiz Flavio Cappio zu unterstützen. Dazu schlagen wir vor, eine Kommission einzuberufen, um das aktuelle Projekt besser zu analysieren sowie die Projekte, die von den

Memorandum des Präsidenten der CNBB

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Nichtregierungsorganisationen, Spezialisten und sozialen Bewegungen vorgeschlagen werden, unter anderem auch die Revitalisierung und Sanierung des São Francisco Flusses, miteinzubeziehen. Mit diesen Vorschlägen möchte die CNBB beitragen, die momentane Pattsituation zu überwinden und gleichzeitig die Absicht bekräftigen, sich an weiteren Initiativen zu beteiligen, die versuchen den Wasserzugang der brasilianischen Bevölkerung in der semiariden Region

zu garantieren, ”damit alle Leben haben” (cf. Jo 10,10) Brasilia, 12. Dezember 2007

Dom Geraldo Lyrio Rocha Erzbischof von Mariana, Präsident der CNBB

Dom Dimas Lara Barbosa Weihbischof von Rio de Janeiro, Generalsekretär der CNBB

Bischof Cappio erklärt seine Entscheidung

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Grüne Schriftenreihe 103 – Störenfried: Bischof Cappios prophetischer Einspruch

Für das Leben von Dom Luiz Cappio, für das Leben des Rio São Francisco „Nein zum vorliegenden Projekt der Umleitung des Rio São Francisco" heißt es in der Erklärung von Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens und von Organisationen vom 15. Dezember 2007.

Wir, die wir diese Erklärung unterzeich- ten Regionen geplant ist. Nicht weniger nen, drücken auf diesem Weg unsere als 87% dieser Wassermenge sind für Ablehnung des vorliegenden Bundesre- Agrar-Projekte mit intensivem Wassergierungs-Projekts zur Umleitung des São verbrauch bestimmt, für bewässerten Francisco Stroms aus. Es handelt sich Obstbau, für die Garnellen-Zucht und um ein ebenso größenwahnsinniges wie für die Stahl-Industrie. Dabei handelt es undemokratisches Projekt, weil es gera- sich samt und sonders um exportoriende den Menschen, die tatsächlich unter tierte Unternehmen mit äußerst bedenkWassernot leiden, keine gesicherte Was- lichen sozialen und ökologischen Folgeserversorgung garantiert - gleich, ob diese Menschen in Flussnähe oder weitab vom Strom wohnen. Dom Luiz ist ein demütiger Mensch, Die Regierung behauptet, sie werde den Durst von 12 Millio- der den Dialog sucht und pflegt. nen Menschen löschen. Die Wahrheit ist aber, dass dieses Projekt öf- wirkungen. Die genannten Faktoren fentliche Gelder in die Taschen der Bau- wurden in keiner Weise offen und ehrund Zulieferfirmen pumpt und die Agro- lich mit der betroffenen Bevölkerung erIndustrie fördern will. Es handelt sich örtert, weder mit den Flußanrainern, um ein Unternehmen, welches das Was- noch mit den Fischern, Indios, Quilomser des Nordostens Brasiliens privatisie- bolas (Ansiedlungen der Nachkommen ren und in den Händen der immersel- geflohener Sklaven), ja nicht einmal mit ben Eliten konzentrieren wird, sowohl den einschlägigen Fachleuten. die Wasser der großen Stauseen wie die Das vorliegende Projekt ignoriert, Wasser des São Francisco Stroms. dass es weit billigere AlternativDie Umleitung des Wassers vom São Lösungen gibt, die auf rationellere und Francisco Strom hat äußerst wenig mit wirkungsvolle Weise eine wesentlich der Trockenheit im Nordosten zu tun. größere Menge an Nutznießern versorDas zeigt sich allein schon darin, dass gen können. Das Regierungsprojekt der Nordkanal, in dem 71% des abge- würde zu den veranschlagten Kosten zweigten Wassers in den Norden fließen von 6 Milliarden Reais (etwa 2,4 Milliarsollen, weitab von den tatsächlich re- den Euro) vier Bundesstaaten (Pernamgenarmen und von Wassernot geplag- buco, Paraíba, Rio Grande do Norde

Erklärung von Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens und von Organisationen

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und Ceará) bzw. 12 Millionen Menschen in 391 Gemeinden zugute kommen. Dagegen hat die BundesWasserbehörde (Agência Nacional de Águas) mit dem ”Atlas des Nordostens” eine Lösung vorgelegt, die um etwas mehr als drei Milliarden Reais (1,2 Milliarden Euro) neun Bundesstaaten (Bahia, Sergipe, Piauí, Alagoas, Pernambuco, Rio Grande do Norte, Paraíba, Ceará und der Norden von Minas Gerais) in die verbesserte Wasserversorgung einschließen würde, etwa 34 Millionen Menschen in 1.356 Gemeinden. Weiter ist auf das Netzwerk der Nichtregierungsorganisationen der semiariden Region (”Articulação do Sémiárido – ASA”) zu verweisen, das sich vorgenommen hat, eine Million Zisternen zu bauen,

Heeres und einer Militarisierung der betroffenen Gegenden gleichkommt. Dass der Entscheid des Regionalen Verwaltungsgerichtshofs vom vergangenen 10. Dezember einen einstweiligen Baustopp bewirkt hat, ist ein weiteres Indiz für die problematische Konzeption des Regierungsprojekts. Es sind die genannten Fakten und Vorgänge, die das Fasten und Beten von Dom Luiz Cappio, Bischof von Barra (Bahia), begründen. Dom Luiz ist ein demütiger Mensch, der den Dialog sucht und pflegt. Er steht auf der Seite der Armen und teilt mit diesen seit mehr als 30 Jahren die Nöte im São Francisco Tal. Er bietet sein eigenes Leben an, um dem Volk und dem Fluß neues Leben zu ermöglichen. Wir unterstützen sein prophetisches Zeichen, das ihn als wahren Dom Luiz steht auf der Seite der Armen Nachfolger Jesu auszeichnet. und teilt mit diesen seit mehr als 30 „Zwischen den Armen und einem Bischof entscheide Jahren die Nöte im São Francisco Tal. ich mich für die Armen” dieser vom Präsidenten Lula konstruierte Gegensatz ist wovon 220.000 schon errichtet worden völlig unangemessen. Tatsächlich geht sind. Gerade mit dieser Maßnahme es um eine Entscheidung zugunsten der kann den trockensten und abgelegen- Armen oder zugunsten des Geschäfts sten Regionen geholfen werden. mit Wasser - und da stellen wir uns ganz Das Wasserumleitungs-Projekt wird entschieden auf die Seite der Armen. auf eine willkürliche und autoritäre Art forciert: Die Untersuchungen zu den Unterzeichnende: ökologischen Folgen sind nicht abgeschlossen, die Umweltverträglich- Leonardo Boff, Theologe keitsprüfungen wurden manipuliert, indigene Gebiete und Quilombolas sind Eduardo Galeano, Schriftsteller von der Flächenumwidmung betroffen, ohne dass dies - wie in der Verfassung Pedro Casaldàliga, em. Bischof vorgesehen - Gegenstand einer Diskussi- der Prälatur São Félix do Araguaia, MT on im Bundes-Kongreß gewesen wäre. Insgesamt sind 14 Gerichtsverfahren im Laufen, die Gesetzesverstöße und Letícia Sabatella, Schauspielerin Verfahrensmängel nachweisen, aber vom Obersten Gerichtshof bislang nicht Und 700 Einzelpersonen sowie entschieden worden sind. Dessen unge- Organisationen achtet hat die Regierung MilitärEinheiten zum Kanal-Anstich mobilisiert, Übersetzt aus dem brasilianischen Portugiesisch von Martin Mayr was einem Mißbrauch der Funktion des

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Solidaritätsbrief der Deutschen Bischofskonferenz an Präsident Lula da Silva Der damalige Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Karl Lehmann, solidarisiert sich in diesem Brief mit Bischof Luíz Cappio und bittet Präsident Lula, den Hilferuf von Dom Luíz und den der vielen Menschen, die sein Fasten und Beten begleiten, zu erhören.

Deutsche Bischofskonferenz Der Vorsitzende

Zeugnis des Bischofs Dom Frei Luíz Flavio Cappio OFM Sehr geehrter Herr Präsident, mit großer Sorge hat die Deutsche Bischofskonferenz vom radikalen Zeugnis von Herrn Bischof Luíz Flavio Cappio erfahren. Über viele Jahre haben unsere Hilfswerke ADVENIAT und MISEREOR sein entschiedenes Eintreten für die von Armut betroffene Landbevölkerung begleitet. Seine Entscheidung, sein Leben für die Natur und die Menschen am Rio São Francisco einzusetzen, haben wir mit großem Respekt aufgenommen. Als Partner der Kirche und der Menschen in Brasilien ist es uns ein tiefes Anliegen, Bischof Cappio unsere Verbundenheit auszusprechen und die Menschen in Deutschland zur Solidarität aufzurufen. Bitte verstehen Sie unseren Appell nicht als Versuch einer politischen Einmischung in die inneren Angelegenheiten Ihres Landes. Es entspricht unserem weltkirchlichen Auftrag aus dem prophetischen Geist des Evangeliums Solidarität zu üben und die Stimme zu erheben zur Bewahrung der Schöpfung - über die Landesgrenzen hinaus.

Die Nachrichten, die wir täglich aus Brasilien erhalten, geben uns Anlass zu der Befürchtung, dass der ungelöste Konflikt um die Umleitung des Rio São Francisco mit dem Tod unseres Mitbruders enden könnte. Wir teilen die Position der Brasilianischen Bischofskonferenz CNBB, dass der Staat die Verantwortung hat, der Bevölkerung Zugang zu gutem Wasser zu ermöglichen und dass die Suche nach Lösungen für eine nachhaltige Entwicklung in einem breit angelegten Dialog erfolgen muss. Wir teilen auch die Meinung, dass der Rio São Francisco revitalisiert werden muss und die Rechte der regionalen Bevölkerung - besonders der indigenen, der afrikanischstämmigen Bevölkerung und der Flussuferbevölkerung - respektiert werden müssen. Als Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz bitte ich Sie mit allem Respekt vor Ihrer Person und Ihrer Verantwortung als Staatspräsident, den Hilferuf von Dom Luíz und der vielen Menschen, die sein Fasten und Beten begleiten, zu erhören. Über Ihre Antwort würde ich mich sehr freuen. Hochachtungsvoll

Karl Kardinal Lehmann Bonn, im Dezember 2007

Solidaritätsbrief der Deutschen Bischofskonferenz an Präsident Lula da Silva

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Bischof Cappio betet den Rosenkranz

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Lob des Wahnsinns Leonardo Boff

Bischof Luiz hat sich zum „Wahnsinnigen Gottes“ gemacht, der eine höhere Weisheit besitzt als die Klugheit dieser Welt.

Bischof Fr. Luiz Flávio Cappio war mein Schüler in Theologie von 1970 bis 1971 in Petrópolis. Er zeichnete sich vor den anderen Brüdern durch sein radikales Engagement an der Seite der Armen aus und durch das Maß von Bescheidenheit und Heiligkeit, das er ausstrahlte. Er blieb mir seine Abschlussarbeit schuldig, eine kleine, wenigstens 30-seitige These. Am letzten Tag, ehe er nach São Paulo versetzt wurde, legte er unter die Türe meiner Zelle ein Blatt, worauf geschrieben stand: „Nach fünf Jahren von Studium, Betrachtung und Gebet ist dies von meiner Theologie übriggeblieben”. Er hatte in Griechisch, Latein und Portugiesisch das Vater Unser, das Gebet des Herrn, niedergeschrieben. Immer wenn ich ihn traf, fragte ich nach der Arbeit, die er mir schuldig geblieben war. Im Jahre 1975, an einem Gründonnerstag, verschwand er aus dem Kloster in São Paulo. Drei Tage später wurde auf einem Seitenaltar der Kirche ein Brief von ihm gefunden, in dem er seine Entscheidung offenbarte, zu Leonardo Boff, ehemaliger Franziskaner, ist seit 1993 Professor für Ethik und Theologie in Rio de Janeiro. 2001 erhielt er zusammen mit anderen den Alternativen Nobelpreis.

den Ärmsten der Armen zu gehen und ihnen im Namen des Evangeliums zu dienen. Er war in seiner Mönchskutte gegangen und hatte nur das Evangelium mitgenommen. Er war per Anhalter auf Lastwagen mitgefahren und zwei Monate später in Barra angekommen, im Bundesstaat Bahia. In seiner Mönchskutte, in Franziskanersandalen und mit dem Evangelium in der Hand predigte er in den kleinen Landgemeinden am Fluss. Als man Bruder Luiz ausfindig gemacht hatte, rief mich der Ordensprovinzial an und sagte: „Der Bruder Luiz ist verrückt geworden, wir müssen ihn zurückholen”. Ich antwortete ihm: „Bruder Provinzial, öffnen Sie das Markus-Evangelium und lesen Sie im Kapitel 3, Vers 21: „Als seine Angehörigen davon hörten, (dass Jesus umherging und predigte), machten sie sich auf den Weg, um ihn mit Gewalt zurückzuholen; denn sie sagten: Er ist von Sinnen.” Und Ähnliches geschah mit dem Apostel Paulus, als er das Kreuz Christi predigte, ein Skandal für die Juden, eine Verrücktheit für die Heiden und die Rettung für die Christen. Das Gleiche geschah mit dem Hl. Franziskus von Assisi als ihm angeraten wurde, die geltenden Klosterregeln zu befolgen, statt sich radikal mit den Armen zu identifizieren. Er antwor-

Leonardo Boff – Lob des Wahnsinns

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tete dem Gesandten des Papstes: „Gott hat mich gerufen, dem Weg der Einfachheit zu folgen; ich möchte nicht, dass Sie von anderen Regeln sprechen; der Herr hat mir seinen Wunsch offenbart, einen neuen Wahnsinnigen in der Welt zu haben”. Als Bischof Fr. Luiz beschlossen hatte den Hungerstreik anzutreten, sagte er: „Wenn Verständnis und Vernunft am Ende sind, ist der Wahnsinn der Weg”. Dieser Wahnsinn ist kein Wahnsinn, nur eine andersgeartete Logik der Liebe, eine schöpferische Kraft, die aus dem System ausbricht. Wenn es jemanden gibt, der das Tal des Sao Francisco kennt, dann ist es Bischof Frei Luiz. In den Jahren 1992 und 1993 pilgerte er mit einer kleinen Gruppe durch das gesamte Flusstal, traf sich mit den Menschen am Flussufer, zeichnete alle Probleme auf und forderte ökologische Maßnahmen. Präsident Lula erhielt während seiner Wahlkampfreise entlang des São Francisco, an der auch ich teilnahm, aus der Hand des Frei Luiz das gesamte Material, das Fachleute als sehr wertvoll einschätzten. Da Bischof Frei Luiz ein sehr spiritueller Mann ist, mit großer persönlicher Heiligkeit, hat er einen speziellen Spürsinn für die Anliegen der Armen und für die Umweltzerstörung am São Francisco entwickelt. Die Regierung spricht von technischen Lösungen. Er spricht von sozialen Lösungen. Er ist nicht gegen die Verwendung des Fluss-Wassers für das Trockengebiet. Er ist gegen diese Art der Ableitung, die nicht angemessen mit den Betroffenen diskutiert wurde und die keine soziale Lösung gewährleistet. In einer Welt, in der alles zur Handelsware und zum Profitbringer gemacht wird, sollen auch hier 70 %

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des abgeleiteten Wassers dem Agrobusiness für Exportzwecke dienen. Die Bundesstaaten sollten das restliche Wasser an das durstige Volk verteilen. Werden sie das machen, ohne dafür Geld zu verlangen? Bischof Frei Luiz hat in den 30 Jahren, in denen er sich mit den Armen des Flusstales identifiziert, diese Sackgasse erkannt. Er hat sich zum ”Wahnsinnigen Gottes” gemacht, weil er eine sehr viel höhere Weisheit besitzt.

„Wenn Verständnis und Vernunft am Ende sind, ist der Wahnsinn der Weg.“ Bischof Cappio

Bischof Cappio nach dem Zusammenbruch

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Brief an den franziskanischen Mitbruder Carlos Mesters

Es wird immer Leute geben, die behaupten, der Prophet sei im Unrecht!

Rio de Janeiro, 5. Dezember 2007

Geschätzter Dom Luiz Cappio, Bruder und Freund, Bettelmönch wie ich und so Viele! Gott möge Dir Kraft schenken für Dein Fasten, das als lebendiges Zeugnis Deiner Verbundenheit mit dem Evangelium Jesu und den Armen wirkt. Dort und da wird gesagt, Dein Fasten habe nichts mit dem pastoralen Auftrag der Kirche zu tun. Kümmere Dich nicht darum, Dom Luiz! Denn es wird immer Leute geben, die behaupten, der Prophet sei im Unrecht. Das haben sie selbst Jesus unterstellt. Über ihn verbreiteten sie, dass er wahnsinnig sei (siehe Mk 3,21) und von einem bösen Geist getrieben werde (Mk 3,21). Wenn Du Dich vor jener Menge kleiner Leute findest, die sich um Dich schart, mit Dir betet und Deine konkrete Geste unterstützt, dann vergiss alle Kritik der sogenannten Weisen und Verständigen; vielmehr mach Dir das Lob Carlos Mesters, Theologe und Karmelit, ist Mitbegründer des Ökumenischen Zentums für Bibelstudien (CEBI) und einer der bekanntesten Theologen und Exegeten Lateinamerikas.

Jesu zu eigen: „Ich preise dich, Vater, weil Du all das den Weisen und Klugen verborgen, den Unmündigen aber geoffenbart hast. Ja, Vater; denn so hat es dir gefallen!” (Mt 11,25-26) Dom Cappio, bete Du auch für mich und für alle, die Dich unterstützen, auf dass uns Dein Zeugnis helfe, das Evangelium Jesu immer besser zu verstehen und mit all seinen Herausforderungen zu leben, als Christen im Heute, hier im Brasilien des 21. Jahrhunderts. Eine herzliche Umarmung von Deinem Bruder

Carlos Mesters, vom Orden der Karmeliter

Dom Cappio, bete Du auch für mich und für alle, die Dich unterstützen, auf dass uns Dein Zeugnis helfe ... Carlos Meesters – Brief an den franziskanischen Mitbruder

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Bischof Cappio neben der Franziskus-Statue

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Luiz Cappio, warum bist Du denn gekommen, uns zu stören? Paulo Suess Die repräsentative Demokratie zu verändern, heißt nicht mit der Demokratie zu brechen. Wohl aber mit den elitären, den antidemokratischen und den korrupten Kräften zu brechen, die das Land beherrschen.

In der Erzählung „Der Großinquisitor“ von Dostojewski überquert der KardinalInquisitor den Platz von Sevilla und begegnet einem Menschen, in dem der/ die Lesende später Jesus erkennt. „Antworte nicht, schweig! Warum bist Du denn gekommen, uns zu stören?” Später denkt der Inquisitor über die Antworten nach, die Jesus nach seinem 40tägigen Fasten dem Teufel gegeben hat, wo er das Brot als Privileg und ebenso den Ruhm an der Zinne des Tempels und die Macht durch Götzenanbetung zurückgewiesen hat. ”Du wolltest den Menschen nicht der Freiheit berauben und verschmähtest die drei einzigen Mächte, die ein Volk unterwerfen können: das Wunder zum eigenen Vorteil, das Geheimnis, um die anderen zu verwirren und die Autorität, um die Armen zu unterwerfen!” Im Kontext der Regierung Lula würde der Kardinal sagen: Du hast das Wunder in Form der Grundversorgung mit Lebensmitteln, das Geheimnis der Regierbarkeit zur Besiegelung der Partnerschaft von Modernität und soziaPaulo Suess, katholischer Theologe aus Deutschland, lebt und wirkt seit 1966 in Brasilien. Er hat in seinen wissenschaftlichen Arbeiten maßgeblich die Theologie der Inkulturation geprägt.

lem Rückschritt und den Autoritarismus einer angeblichen Unfehlbarkeit der Technokraten abgelehnt. Warum bist Du denn gekommen, uns zu stören? In der Weihnachtszeit und zum Jahresende, in der Zeit der übervollen Tische, hat der Hungerstreik von Dom Luís Cappio in der Tat das allgemeine Klima des Konsumismus gestört. Mehr noch, man stellte im Namen der Demokratie und der christlichen Lehre in Frage, dass dieses Fasten legitim sei. Anders ausgedrückt: bis heute ist nicht entschieden, ob das Verhalten des franziskanischen Bischofs der Diözese Barra (Bahía), das der Umleitung des Rio São Francisco ein alternatives Projekt entgegenstellen wollte, ein Hungerstreik war oder eine Fastenzeit im Advent, dessen 23 Tage noch weit entfernt waren von den 40 Tagen des Fastens Jesu in der Wüste von Palästina. Was es auch gewesen sein mag, ob ordentliches Fasten oder Hungerstreik, alle fühlten sich gestört und suchten nach “honorigen Lösungen”, damit sich der Zynismus der Regierung und der Opportunimus einiger politischer Wallfahrer, das Mitleiden der sozialen Bewegungen und der kämpferische Geist von pastoralen Mitarbeitern darin wieder fänden, obwohl die letztgenannten nach Meinung anerkannter Soziologen

Paulo Suess – Warum bist Du denn gekommen, uns zu stören?

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Die formale Demokratie wurde zum Grundelement für die Akkumulation des Kapitals und die Reproduktion der strukturellen Ungerechtigkeit. nicht in der Lage waren, korrekt zwischen Glauben und Politik zu vermitteln. Von der Catedra aus zu sprechen ist einfacher, als in der Strohhütte einen Dialog zu führen. Wer die 22 indigenen Völker gesehen hat, die durch die Verle-

gung des Flusses betroffen sein werden, ändert seinen “Umgang mit Vermittlung”. Er oder sie wird entdecken, dass es nicht die indigenen Völker sind oder die Anrainer, die Fischer oder die Quilombo-Bewohner im São FranciscoBecken, die sich weigerten, jenes Glas Wasser, von dem die Bibel spricht, ihrem durstigen Bruder zu reichen, wie die Propaganda der Regierung behauptete. Im Gegenteil, es ist die Leitung des Agrobusiness und der Wasserwirtschaft, die ihnen bis heute die Grundsanierung verweigerte und sie jetzt gezwungen hat, in die Logik des neoliberalen Mark-

Bischof Cappio und das Volk beim Gebet

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tes einzutreten, die jede Art von Solidarität erstickt. Von 100 Gläsern Wasser, die durch das Projekt der Regierung dem São Francisco entnommen werden, werden nicht einmal 4 der armen Bevölkerung angeboten. 70 Gläser Wasser werden dem Agrobusiness dienen und 26 den Industriestandorten in den Städten. Das Projekt, das die sozialen Bewegungen und Dom Cappio vertreten, stellt zum halben Preis Wasser für die vierfache Anzahl von Menschen zur Verfügung. Was steht bei der Umleitung eines Teils des Flusses São Francisco auf dem

Spiel? Im besten Fall wird die Umleitung die Verhungernden mit Hungerrationen versorgen, bzw. – da es sich um Wasser handelt – mit Wasserrationen für chronisch Ausgetrocknete oder saisonbedingte Durstleidende. Ich sagte, im besten Fall, denn man vermutet, dass diese Umleitung des Wassers zu den Ausgetrockneten und den Durstleidenden nur als Vorwand dient und dass dieses Wasser eher “die Hände” der Bauunternehmer, des Agrobusiness und der ‚schwarzen’ Kasse der nächsten Wahlen “befeuchten” wird als die Kehlen der Armen. Ohne auf weitere Einzelheiten einzugehen, muss man sagen, dass die Radikalität und Schlichtheit des Fastens von Dom Cappio eine Bedeutung hat, die weit über das Problem am Fluss São Francisco hinausgeht. Es verweist auf demokratische Praxis, auf Mittel und Ziele der Entwicklung und auf die Bedeutung der Kirche in gesellschaftlichen Konflikten.

Demokratische Praxis Wir leben in einer Gesellschaft, die durch die kapitalistische Produktionsweise bestimmt ist, die das Geld als höchsten Wert durchsetzt und deren Ziel die Gewinnmaximierung ist. Die formale Demokratie wurde zum Grundelement für die Akkumulation des Kapitals und die Reproduktion der strukturellen Ungerechtigkeit. Sie legalisiert die rein ökonomische Sicht der Welt mit ihren

Alles, was man nicht kaufen kann, sagte Kant, hat Würde. Angesichts dieser ungewöhnlichen Würde wandte sich die Regierung in ihrer Ratlosigkeit an den Vatikan mit der Bitte einzuschreiten. Paulo Suess – Warum bist Du denn gekommen, uns zu stören?

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Schwerpunkten von Nutzen, Konsumismus, Individualismus und Wettbewerb. In diesem Zusammenhang muss das Megaprojekt der Umleitung des São Francisco (für 6 Billionen Reais) verstanden werden. Es entstand in den Zeiten des Kaiserreichs und trägt bis heute imperiale Merkmale. Entscheidungen werden im Geheimen getroffen, das Blaue vom Himmel wird versprochen, aber die Adressaten des Projektes werden nicht aktiv einbezogen. Pro forma wurde die Öffentlichkeit an einem Mittwoch der Karnevalszeit in Salvador angehört und auf diese Weise demokratische Mitwirkung vorgetäuscht. Um die nationale Bedeutung des Projekts zu unterstreichen und jeden Widerstand zu erstikken, hat Lula das Militär geschickt, als das autoritäre Projekt der Umleitung des Rio São Francisco in Gang gesetzt wurde. Wenn Regierungssprecher behaupteten, der Hungerstreik sei eine autoritäre Handlung, dann verwechseln sie den Feuerwehrmann mit dem Brandstifter; dann verwechseln sie moralische Autorität mit Autoritarismus und verhindern Widerstand außerhalb von Wahlkampfzeiten. Stimmen von Senatoren und Abgeordneten können gekauft werden. Das Fasten von Frei Cappio, der bereit war, sein Leben zu geben, um das Projekt zu verhindern, das die Armen gefährdet, ist ein Geschenk. Und ein Geschenk kann man nicht in Ware verwandeln wie die Umleitung des Flusses. Dieses Geschenk (= O DOM* – Cappio) wurde nicht verkauft. Alles, was man nicht kaufen kann, sagte Kant, hat Würde. Angesichts dieser ungewöhnlichen Würde wandte sich die Regierung in ihrer Ratlosigkeit an den Vatikan mit der Bitte einzuschreiten. In Konfliktzeiten erinnern sich die Mächtigen, dass sie „compadres“ sind und sich gegenseitig Gunst schulden. Welche Möglichkeiten haben denn soziale Bewegungen, Arbeiterbewegungen und Bewegungen der Zivilgesellschaft, in den Handlungsablauf einer Re-

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gierung einzugreifen, die im Dienst der Eliten steht, außer der, die öffentlichen Angelegenheiten erneut zu politisieren, und zwar auch durch symbolische Gesten wie das Fasten von Dom Cappio? Angesichts der Dekadenz und der Anzeichen von Irrationalität in der formalen Demokratie kritisiert der Franziskaner durch sein Handeln unsere halbherzige demokratische Praxis grundlegend. Er macht darauf aufmerksam, das man eine stärker partizipative Demokratie anstreben muss, um das Prinzip der Volkssouveränität, das dem Gesellschaftsvertrag zu Grunde liegt, zu retten. Die Verfassung von 1988 sieht zwar die Möglichkeit von Volksabstimmungen, Streiks und öffentlichen Anhörungen vor, aber dennoch kann das Volk nur sehr eingeschränkt aktiv mitwirken. Wir müssen die Demokratie radikalisieren. Die repräsentative Demokratie zu verändern, heißt nicht mit der Demokratie zu brechen. Wohl aber mit den elitären, den antidemokratischen und den korrupten Kräften zu brechen, die das Land beherrschen. Die Arbeit an der Basis hat den Sinn, dafür zu arbeiten, dass im einfachen Volk die Basis immer größer wird, um die notwendigen Veränderungen am System herbeiführen zu können.

Ziel und Mittel der Entwicklung Nicht der Durst des einfachen Volkes treibt das Projekt zur Umleitung des São Francisco voran, sondern der Wasserbe-

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Die Kirche Jesus Zeichen für Gerechtig Verände ersetzt den eine Welt nicht einen lischen mit Grund mitteln”, so eigene gung von und überflüssig

setzt wie konkrete Offenheit, keit und rung. Sie Kampf für bessere durch „himmWarenkorb nahrungsdass die AnstrenDenken Handeln würde.

darf von Agrobusiness und Industrie. Die Durchführung von Großprojekten, die große Geschäfte für wenige Menschen bedeuten, verbrauchen immer mehr Naturvorkommen (Land und Wasser). Dieses Modell missachtet das Wissen der lokalen Gemeinden, laugt die Böden aus, verunreinigt die Gewässer und treibt in die Arbeitslosigkeit. Es zwingt die Menschen, zuzulassen, dass die Artenvielfalt in ihrer Region, ihre Böden und ihre Subsistenzwirtschaft zu Ländereien für Viehzucht und Monokultur verwandelt werden. Der größere Teil der Landbevölkerung wird gezwungen, in die Peripherien der Städte abzuwandern. Die herrschende Leitvorstellung von Entwicklung basiert auf großflächigen Ländereien, auf Maschinen, auf chemischen Zusätzen und auf genetisch verändertem Samengut. Solche Entwicklung produziert für den Großmarkt und den Außenmarkt. Die Geste von Frei Cappio war ein Versuch, gegen dieses sich ständig weiter ausbreitende Modell von Latifundien, von Monokultur, Export, Industrialisierung des Elends (“Industrie der Trokkengebiete”), von privilegiertem Luxus und sozioökologischer Zerstörung Widerstand zu mobilisieren. Frei Cappio und das Volk der Region stehen für ein nachhaltiges Zusammenleben mit dem Gebiet des halbtrockenen Klimas (Auffangen des Regenwassers in Zisternen und unterirdische Wasserreservoire). Versuche für dieses Modell sind von der Landpastoral (CPT) und der Landlosenbewegung (MST)

gemacht worden. Diese setzen sich ein für landwirtschaftliche Vielfalt, Familienwirtschaft, Agrarreform, Wiedererlangung des Gleichgewichts zwischen Land und Stadt, Stärkung der lokalen und regionalen Märkte und für Nahrungsmittelautonomie.

Bedeutung der Kirche Die Kirche hat von Jesus von Nazaret gelernt, mit den Kleinen und Leidenden mitzuleiden. Sie kennt die Armen und die Anderen; sie respektiert ihre theologische Autorität: „Die Kirche … ist das Zuhause für die Armen Gottes”, sagten die Bischöfe in Aparecida (DA 8, 524). Das Mitleiden mit den Armen gehört zum Selbstverständnis der Kirche, bestimmt ihre Vorstellungswelt und ihre Symbolik. Sie baut nicht an einem Paradies auf Erden, aber wie Jesus setzt sie konkrete Zeichen für Offenheit, Gerechtigkeit und Veränderung. Sie ersetzt den Kampf für eine bessere Welt nicht durch einen “himmlischen Warenkorb mit Grundnahrungsmitteln”, so dass die eigene Anstrengung von Denken und Handeln überflüssig würde. Indem sie uns Bilder der Hoffnung unterbreitet („Auferstehung”), greift sie unsere Freiheit auf, entschlüsselt uns aber nicht alle Rätsel der menschlichen Existenz. Die Teufel sind immer noch los. Und wir haben keine anderen Sicherheiten als die Wahrscheinlichkeiten unseres Glaubens. Wer einen Hungerstreik, ein Mittel des gewaltlosen Kampfes, beginnt, weiß nicht, wie er enden wird. Das Ziel ist nicht, den Kampf “zu gewinnen”. Wer gewinnt, das sind die anderen. Das Ziel ist, ein Anliegen voranzubringen. Indem Frei Cappio seine fast unsichtbare Gestalt sichtbar macht, bringt er das Anliegen der Anrainer, der indigenen Bevölkerung und der Quilombo-Bewohner am Fluss São Francisco voran. Indem er auf symbolische Weise ihr genügsames Leben teilte und für das Wasser der Durstleidenden kämpfte, wurde Luís

Paulo Suess – Warum bist Du denn gekommen, uns zu stören?

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Cappio zur Ikone der Hoffnung und zum Zeichen einer höheren Gerechtigkeit. Durch Schweigen, Gebet und Fasten in der Kapelle São Francisco in Sobradinho (Bahía) motivierte er uns erneut, an die Gegenwart eines Gottes zu glauben, der sich entäußerte, um an der Seite der Kleinen seinen Platz einzunehmen. Wir leben von den Wallfahrten um Land, vom Schrei um Land, vom Fasten und Beten, von der Mystik bei den Landbesetzungen der Landlosen (MST), von den Gottesdiensten im Gedenken an unsere Märtyrer, von der Eucharistie – wir leben von all diesen unscheinbaren Zeichen, die unseren Kämpfen Kraft geben. Der Kampf geht weiter, weil die Teufel immer noch los sind. Doch die Große Cobra, die sich in den Flüssen São Francisco, Araguaia, Xingú/

Amazonas versteckte, fand in Luís Cappio, Pedro Casaldáliga und Erwin Kräutler tapfere Krieger, die uns zusammenrufen, um an einer neuen Welt zu bauen, in der solche heroischen Gesten nicht mehr notwendig sind, weil in dieser Welt die Verzweiflung sich in Hoffnung verwandelt.

* Im Portugiesischen bedeutet "o Dom" sowohl Bischof als auch Geschenk. Durch die doppelte Wortbedeutung ergibt sich inhaltlich, dass man Dom (Cappio) nicht verkauft hat [Anmerkung der Übersetzerin].

Übersetzt aus dem brasilianischen Portugiesisch von Maria Schwabe

Bischof Cappio liebt die Menschen (II)

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Nicht Worte, sondern Gesten sind gefordert José Comblin Inmitten einer Gesellschaft, in der das Geld den höchsten Wert darstellt und Wettbewerb und Machterweiterung regieren, kann die Kirche nicht mehr durch Verlautbarungen Zeugnis geben. Erwartet werden sichtbare prophetische Gesten.

Das II. Vatikanische Konzil verkündete, dass die Kirche im Dienst der Welt steht und kein Selbstzweck ist. Ihr Ziel ist die Erlösung aller Völker, der ganzen Menschheit. Das Konzil anerkennt, dass die Welt autonom ist und dass nicht mehr die Kirche die Welt regiert, wie zu den Zeiten christlicher Herrschaft. In Gaudium et Spes verzichtet man auf dieses Projekt der Christenheit. Allerdings sind die Worte das Eine, die Realität ist ganz anders. In der Praxis handelt ein großer Teil der Kirche so, als gäbe es noch die gesellschaftlich herrschende Christenheit wie in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts oder als könne man sie wiederherstellen. Als in Brasilien die Trennung von Staat und Kirche vollzogen wurde, erarbeiteten die Bischöfe ein Programm zur Rückeroberung der verlorenen Macht und nutzten dabei die Strukturen der republikanischen Gesellschaft, so dass die Kirche in der Praxis José Comblin, katholischer Theologe aus Belgien, lebt seit 1958 in Brasilien. Neben seinen wissenschaftlichen Arbeiten zur Exegese hat er sich in jüngster Zeit vor allem mit der Herausforderung von Glauben, Theologie und Kirche durch die Globalisierung befasst.

die gesellschaftlich herrschende Christenheit wieder herstellte. Sie setzten vor allem die uralte Strategie ein: evangelisieren durch Kinder und durch Bildungsinstitutionen. So hat die Kirche in einem Zeitraum von 50 Jahren und unter der Anleitung von Kardinal Leme, einem großen Bewunderer der europäischen Christenheit, in Brasilien wieder große Macht errungen. Man sagt, dass 80% der brasilianischen Elite katholische Bildungseinrichtungen besucht haben. Wiederum hatte die Kirche eine beeindruckende Fassade. Wiederum wurden Kirche und Staat miteinander verflochten. Die herrschende Klasse spürte, dass sie die Kirche brauchte, um sich das Volk zu unterwerfen, und sparte nicht mit Begünstigungen oder gar Privilegien, von denen die katholischen Institutionen profitierten. Fast alle lateinamerikanischen Länder machten eine ähnliche Entwicklung durch. Das Vorbild war der Wohlfahrtsstaat Westeuropas, das heißt ein durch Sozialgesetzgebung eingegrenzter Kapitalismus, in dem die Arbeiter beschützt und die traditionellen ethischen Werte, insbesondere die Familie, bewahrt wurden. Es stimmt jedoch, dass es auf dem Land anders aussah. Diese neue Christenheit stellte die Strukturen auf dem Land nicht in Frage, die Menschen auf

José Comblin – Nicht Worte, sondern Gesten sind gefordert

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dem Land wurden ignoriert und blieben ohne Einfluss auf das Leben der Nationen. Der CEPAL-Plan passte zu diesem Modell, weil er verhinderte, dass das große Weltkapital sich der nationalen Ökonomie bemächtigte, obwohl das Eindringen nicht voll und ganz verhindert werden konnte. Alles schien in Frieden zu sein.

Neues Bündnis von politischer und religiöser Macht Die Abkommen zwischen den Bischöfen und dem Präsidenten Juscelino Kubitschek symbolisierten die harmonischen Beziehungen innerhalb einer de facto herrschenden neuen Christenheit, in der die Kirche zwar offiziell über keine politische Macht verfügte, diese aber in Wirklichkeit doch besaß, und zwar dank der vertraulichen Beziehungen zwischen der religiösen Macht und der Macht auf nationaler, staatlicher oder kommunaler Ebene. Die danach herrschenden Militärregimes haben die Gesellschaftsstrukturen nicht grundsätzlich geändert, außer in Chile, wo Pinochet seit den 70er Jahren das neue Modell der neoliberalen Globalisierung einführte. In Brasilien übernahm es die Kirche mit einem gewissen Erfolg, die zivilen Freiheiten und die Rechte der Bürger zu schützen. Wenn man die Länder vergleicht, war die Repression in Brasilien viel geringer als in Argentinien und Chile oder in den Ländern Zentralamerikas. Es gab hier auch nicht so viele Konflikte im Bereich der sozialen und ökonomischen Struktur. In der Praxis stimmten die Militärregierungen – außer in Chile – in gewisser Weise global mit der Soziallehre der Kirche überein und zögerten so die vorhergehende Phase hinaus. Sie praktizierten einen Nationalismus, der sie vor der Ansteckung durch das neoliberale Modell schützte. Deshalb beriefen sich die Bischofskonferenzen, die mit den Militärregierungen zusammen gearbeitet ha-

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ben, auf das Argument der Übereinstimmung mit der Soziallehre. Nach dem Ende der Militärdiktaturen dachten viele, darunter der Klerus und die Bischöfe, dass man ganz harmonisch zum alten System der friedlichen Beziehungen zurückkehren könne, in denen die Soziallehre der Kirche die Ideologie für Regime der sozialen Wohlfahrt liefern könnte. Neu wäre lediglich, dass der Wohlfahrtsstaat auch die anderen Bevölkerungskreise, zum Beispiel die Landbevölkerung, integrieren könnte.

Unter dem Anschein von Demokratie wurde die Macht von den Staaten auf die großen Finanzkomplexe und die multinationalen Unternehmen verlagert. Sie dachten, die Zeit der Agrarreform sei gekommen. Ein Blick auf Chile hätte da mehr Misstrauen erwecken können. In Chile behielt die Demokratisierung das neoliberale Modell bei, ohne es real in Frage zu stellen, und die Kirche schwieg. Die christlich demokratische Partei regierte und wurde für die Fortsetzung des neoliberalen Modells verantwortlich. Doch dann kam das neue Gesellschaftsmodell, Globalisierung oder Neoliberalismus genannt – wobei die Namen keine Bedeutung haben. Alles das vollzog sich in den 90er Jahren, in der „beschämenden Dekade“ nach der „verlorenen Dekade“ der 80er Jahre. Die Lateinamerikanischen Länder öffneten sich für das neoliberale Modell und integrierten sich in das Imperium des Neokapitalismus der großen multinationalen Unternehmen. Das alles ist weithin bekannt. Was in der Ersten Welt seit den 70er Jahren und vor allem in den 80er Jahren geschah, vollzog sich in Lateinamerika

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in den 90er Jahren (in Chile in den 70er Jahren), ohne spürbare Auswirkungen auf das Verhältnis Kirche-Welt gehabt zu haben.

et Spes ist irrelevant geworden, ist ohne realen Bezug und wird nicht angewendet.

Wirksame prophetische Gesten Kirchliche Soziallehre ohne Wirkung Unter dem Anschein von Demokratie wurde die Macht von den Staaten auf die großen Finanzkomplexe und die multinationalen Unternehmen verlagert.

Zwischen dem Projekt der Kirche und dem Projekt des großen Kapitals gibt es keinen Kontakt mehr. Die Regierungen behaupten zwar noch immer, dass sie der christlichen Soziallehre treu blieben, aber die neue Weltwirtschaftsmacht ignoriert diese Doktrin völlig. Sie hat ganz andere Kriterien. Zwischen dem Projekt der Kirche und dem Projekt des großen Kapitals gibt es keinen Kontakt mehr. Das ökonomische Modell beruft sich auf die Autorität der Wissenschaft. Und gegen die Wissenschaft kann man nichts machen. Das bedeutet, dass die Soziallehre der Kirche ihre gesamte Durchsetzungskraft verloren hat. Sie ist unbedeutend geworden, weil ohne Effizienz und reale Wirkung in der Gesellschaft. Es ist so, als ob sie nicht existiert. Deshalb befinden wir uns in einer neuen Situation: wir haben eine Kirche des Schweigens inmitten einer Gesellschaft, in der das Geld den höchsten Wert darstellt und Wettbewerb und Machterweiterung regieren. Niemand liest die Soziallehre der Kirche, denn allen ist mehr oder weniger bewusst, dass sie jede Gültigkeit verloren hat. Gaudium

Daher muss die Kirche ihr Zeugnis auf andere Art und Weise kundtun. Heutzutage Dokumente zu veröffentlichen oder Reden zu halten, wird nicht wahrgenommen. Niemand liest diese Dokumente, Erklärungen, Aufrufe usw. Für den Internationalen Währungsfonds ist so etwas nicht von Bedeutung. Die Welt von heute braucht konkretere, stärkere Botschaften, die es schaffen, die Medien zu mobilisieren und die Aufmerksamkeit und Emotionen der Massen zu wecken. Nicht Worte sind heute die Form, Zeugnis zu geben, sondern Gesten. Die Geste des Daniel, der sich weigerte, die Statue aus Gold anzubeten. Wo findet man die Statue aus Gold? Sie ist in Davos, im Pariser Klub, im Internationalen Währungsfonds, in der Welthandelsorganisation. Sie ist in den multinationalen Unternehmen. Ihre Auswirkungen kann man nicht zählen: Arbeit wird zur Ware, Arbeiter werden in den Betrieben wie Sklaven behandelt, die Hälfte der Bevölkerung wird gesellschaftlich ausgeschlossen, ganze Stadtgebiete werden in Armenviertel verwandelt usw. Es handelt sich dabei nicht um kleine, vereinzelte Skandale, sondern um Fakten großen Ausmaßes. Und vor allem werden Menschen davon betroffen. Erwartet werden sehr deutliche, sichtbare prophetische Aktionen, die das Wort Gottes bei den Menschen kundtun, so dass dieses in der Tat bei den Massen ankommen kann. Ein Beispiel soll darauf hinweisen, wie notwendig das ist. Als der Bischof von Barra, Dom Luís Flavio Cappio, in den Hungerstreik trat, um auf die Lügen und Ungerechtigkeiten im Zusammenhang mit dem Umleitungsprojekt des Rio São Francisco aufmerksam zu machen, haben alle Nachrichtenmedien diese Nachricht

José Comblin – Nicht Worte, sondern Gesten sind gefordert

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übertragen. Diese einfache Aktion wurde sogar von der nationalen Öffentlichkeit diskutiert und es kam zu einem – vorläufigen – Stop dieses Projektes. Wenn die Brasilianische Bischofskonferenz ein Dokument dazu veröffentlicht hätte, hätte niemand davon Kenntnis genommen. In den Zeiten der Militärregime gab es viele ähnliche prophetische Aktionen, beispielsweise von großartigen Bischöfen in Brasilien, Chile und anderen Ländern. Der Tod von Bischof Oscar Ro-

Der Feind ist das diktatorische Weltwirtschaftssystem, das in den Ländern der Ersten Welt sein Zentrum hat. mero war ein außerordentliches Zeichen. In der damaligen Zeit richteten sich die Zeichen an die Völker, die von Militärdiktaturen beherrscht wurden. Heute sind nicht mehr die Militärs das Problem. Im Gegenteil, es gibt Militärs, die zu der in der Geschichte Lateinamerikas sehr starken nationalistischen Tradition zurückkehren möchten. Der Feind ist das diktatorische Weltwirtschaftssystem, das in den Ländern der Ersten Welt sein Zentrum hat.

Präsenz der Kirche? Seitdem das neue Kommunikationssystem auch Eingang in die Kirche gefunden hatte, richtete sich die gesamte Aufmerksamkeit der Medien auf die Person des Papstes Johannes Paul II.. Er monopolisierte die Macht der Bilder auf sich und war praktisch der einzige durch die Medien bekannt gemachte Katholik. Der Papst besaß die Gabe der Kommunikation und wollte – bewusst oder unbe-

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wusst – der einzige Star sein. Dem Papst gelang es, die Kirche ausdrucksstark nach außen sichtbar zu machen. Im Großen und Ganzen aber war seine Botschaft sehr einseitig orientiert, denn es ist nicht möglich, dass eine einzige Person in sich selbst den gesamten Zeugnisauftrag der Kirche vereint. Die nach der Französischen Revolution entstandene Neochristenheit hatte die Schaffung vieler katholischer Institutionen angeregt. Diese schafften es, die alten Menschen vom Land mit ihren bäuerlichen Traditionen im Schoß der Kirche zu halten. Dasselbe gelang ihnen aber nicht mit den Arbeitern oder den Intellektuellen. Auch heute entstehen viele “katholische” Institutionen. Sie haben ihre Vorteile und ihre positiven Wirkungen. Die katholischen Einrichtungen sind aber längst keine starken Signale mehr in der Welt von heute. Sie gleichen eher Inseln, Fluchtorten oder Orten, die dem Rest der Welt unbekannt bleiben. Sie dienen den traditionellen Christen, stellen aber keine Verkündigung des Evangeliums für die große Masse dar. Es gibt nicht einmal mehr eine große Bauernbevölkerung mit traditioneller Kultur. Außerdem gibt es auch solche Einrichtungen, deren Botschaft lautet, dass “die Kirche reich ist”. Darüber hinaus haben solche “katholischen” Einrichtungen die Wirkung, dass in den gesellschaftlichen Institutionen und in der Zivilgesellschaft die Katholiken fehlen. Sie ziehen die Energien der am besten ausgebildeten Katholiken ab. Wer wird Zeugnis geben inmitten der Welt? Statt sich als Missionare ausgesandt zu wissen, leben die Katholiken in einer Parallelgesellschaft ohne Kontakt mit der Gesamtgesellschaft. Wenn die Kirche weiterhin für sich die besten Ordensleute und Laien beansprucht, wer wird dann präsent sein und Zeugnis geben in den Betrieben, in den Wohngebieten, in den Armenvierteln, in den Universitäten, in den Schulen usw.?

Grüne Schriftenreihe 103 – Störenfried: Bischof Cappios prophetischer Einspruch

Heutzutage gibt es tausende von Gesellschaften und Organisationen, die gegen das neoliberale Gesellschaftsmodell kämpfen. Da gibt es auch Raum für die Katholiken. Denn in all diesen Bewegungen braucht man eine Ideologie, konkrete Projekte und überzeugende Führungspersonen. Die Katholiken hätten Platz, sich als die uneigennützigsten, bescheidensten und aufrichtigsten Diener zu erweisen. Sie könnten das Salz der Erde sein, das Licht auf dem Berge, das die Blicke auf sich lenkt. Von amtlicher Seite werden die Laien immer wieder dazu ermahnt, Zeugnis in der Welt zu geben. Doch wie können sie es tun, wenn sie dazu beansprucht werden, katholischen Institutionen zu dienen. Die Kirche vereinnahmt viele Menschen, die in der Welt stehen könnten. Zwischen dem offiziellen Diskurs über die Laien und der institutionellen Praxis, die sich nicht für die Welt interessiert, gibt es einen Widerspruch. Die Hierarchie müsste eine klarere Haltung einnehmen und keine widersprüchlichen Orientierungen geben.

Widerstand und Mystik Die Christen sind in der Welt von heute viel stärker herausgefordert als früher, denn die herrschenden Strukturen sind sehr mächtig und autoritär. In den Unternehmen gibt es eine totale Überwachung. Niemand darf in Frage stellen, niemand kann protestieren, niemand kritisieren. Wer sich nicht wie ein Sklave unterwirft, wird verdächtigt und kann entlassen werden. Zeugnis geben bedeutet daher leidenschaftlich und mutig sein. Zugleich muss man klug sein wie die Schlange. Es gibt keine Redefreiheit. Gleichzeitig gibt es eine Kampagne der Gehirnwäsche, um die Gehirne zu manipulieren und zu erreichen, dass alle davon überzeugt sind, dass man gehorchen muss, dass es keine Alternative gibt und dass man sich glücklich zu schätzen hat, weil man diesem Betrieb

angehört. Alle Humanwissenschaften wetteifern darum, die Gehirne zu unterwerfen. Die Medien, die Institutionen, das globale Ambiente der Gesellschaft: alles dient dazu, jeden Veränderungsversuch zu entmutigen. Deshalb können nur gefestigte Persönlichkeiten mit starker Überzeugung Zeugnis geben. Die Mehrheit wird im Schweigen verharren. Die neoliberale Wirtschaft hat die gleiche Kraft wie die römischen Kaiser. Der psychologische Druck ist stark. In der Praxis weichen die meisten zurück und

Die Christen sind in der Welt von heute viel stärker herausgefordert als früher, denn die herrschenden Strukturen sind sehr mächtig und autoritär. geben ihre eigene Überzeugung preis. Es ist also notwendig, sich gut vorzubereiten und Unterstützung zu bekommen. Ohne eine fundierte Ausbildung kann niemand in der Gesellschaft den Mund aufmachen, sondern alle werden nur die von den Medien verbreiteten Lügen wiederholen. Heutzutage ist das Leben ständig von Sorge geprägt, sei es um den Erhalt des Arbeitsplatzes, wenn man Arbeit hat, sei es von der Suche nach einer Arbeit, wenn man keine Arbeit hat oder vom Nachdenken über Möglichkeiten des Überlebens bei denen, die es aufgegeben haben, nach Arbeit zu suchen. Alle stehen miteinander im Wettbewerb. Um eine Arbeit zu bekommen, ist es notwendig, Gefallen zu finden, zu schmeicheln und vor allem gute Beziehungen zu haben. Wie kann man in einem solchen Ambiente das Gleichgewicht bewahren? Wie kann man ernsthaft mit solchen Drohungen leben? Nur Helden können das. Der soziale Druck ist so stark, dass man sich, ohne eine tie-

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fe Mystik zu haben, nicht davor schützen kann. Der Klerus nimmt gar nicht mehr teil an dem, was in der Gesellschaft passiert. Er lebt an einem privilegierten Ort und weiß deshalb nicht, was vor sich geht. Die Hierarchie ist sich der Herausforderungen der gegenwärtigen Gesellschaft nicht bewusst. Es bringt nichts zu denken, dass sich diese Dinge durch die Entwicklung von selbst ändern, denn in den entwickelten Ländern sind diese Probleme noch stärker. Daher kann man als Christ nicht ohne Mystik in dieser Welt handeln. Rahner hat bereits gesagt, dass die Kirche im 21. Jahrhundert entweder mystisch ist oder nicht mehr sein wird. Es gibt nicht nur eine einzige Form von Mystik, sondern eine Fülle verschiedener Mystiken ist im Entstehen. Ein Leben, ohne die ständige Erfahrung, dass Gott dabei ist, wird niemand aushalten. Heutzutage kann die Mystik nicht an einem Zufluchtsort fern von der Welt gelebt werden. Sie muss in der Gesellschaft gelebt werden wie in der ersten Zeit, das heißt in einer Gesellschaft, die konträr zum Evangelium steht, die keine moralischen Werte kennt, in einer Gesellschaft ohne Liebe und in der alle füreinander Rivalen sind und alle niedergetreten, entlassen und allein gelassen werden können. Aber die neoliberale Wirtschaft und die Art und Weise der Globalisierung sind nicht unüberwindbar. Die Überwindung

dieses Systems ist vielmehr das große Ziel des 21. Jahrhunderts und wird nicht in wenigen Jahren zu verwirklichen sein. Es gibt bereits ein Erwachen, aber die Christen sind noch immer nicht daran beteiligt. Die Männer und Frauen, die sich beteiligen, praktizieren ein Leben, das dem Evangelium entspricht. Sie gehören zur Kirche, aber sie müssen sich gegenseitig kennen und anerkennen und einander in Solidarität unterstützen. Dies wird die Rolle der kleinen Gemeinschaften sein. Ohne die kleinen Gemeinschaften werden auch mutige Menschen müde und mutlos werden. Mit einer lebendigen Kirche können sie jedoch andere anziehen und diese Welt verändern. Die Botschaft Jesu wird nicht von einer Position der Macht aus verbreitet, sondern von leidenschaftlichen, mutigen Menschen, die sich allein mit der Kraft Gottes an die Spitze des Konfliktes stellen. Übersetzt aus dem Spanischen von Maria Schwabe Dieser Artikel ist ein Auszug aus einem längeren Artikel mit dem Titel: „Die großen Unsicherheiten in der Kirche von heute”. Er wurde ursprünglich in der Brasilianischen Kirchenzeitung REB (Revista Eclesiástica Brasileña) Nr. 265, Januar 2007, S. 36-58 veröffentlicht.

Bischof Cappio segnet eine alte Frau

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Grüne Schriftenreihe 103 – Störenfried: Bischof Cappios prophetischer Einspruch

Bisher erschienene Titel der Grünen Schriftenreihe Die seit 1979 erschienen Hefte unserer Grünen Schriftenreihe haben wir nach Stichworten sortiert. Sie sind per Post, Telefon oder E-Mail bestellbar über die Missionszentrale der Franziskaner Postfach 20 09 53, 53139 Bonn Telefon: 02 28 / 9 53 54-0, E-Mail: [email protected] Befreiungstheologie Nr. 1, Leonardo Boff OFM, PUEBLAS HERAUSFORDERUNG AN DIE FRANZISKANER Nr. 5, Bernhardino Leers OFM (vergriffen), KIRCHLICHE BASISGEMEINDEN Nr. 6, L. Boff OFM/U. Zankanella (vergriffen), KIRCHLICHE BASISGEMEINDEN IM DIALOG Nr. 14, Honorio Rito OFM, THEOLOGIE DER BEFREIUNG – Eine kritische Wertung aus franziskanischer Sicht Nr. 27, Alosio Lorscheider, Paulo Evaristo Arns, Leonardo und Clodovis Boff, BEFREIUNG UND THEOLOGIE – Beiträge zur aktuellen Diskussion Nr. 30, Kardinal Paulo Evaristo Arns, VOLK GOTTES VON SAO PAULO – Auf dem Weg zu seiner Befreiung Nr. 31, Dom Valfredo Tepe, Clodovis und Leonardo Boff, ROM UND DIE BEFREIUNGSTHEOLOGIE – Schritte zur Verständigung Nr. 43, ENDE EINER HOFFNUNG – Dokumentation des Konfliktes um das CLAR–Projekt “Wort und Leben” Nr. 57, ARBEITERPASTORAL – Gottes befreiende Botschaft Nr. 62, ANNÄHERUNG AN DIE ANDEREN – Befreiungstheologische Sommerschule

Nr. 71, QUO VADIS, KIRCHE IN AMERIKA? – Römische Bischofssynode – Hoffnungen und Enttäuschungen Nr. 82, HOFFNUNGSTRÄGER BASISGEMEINDEN – Das 10. Treffen der brasilianischen Basisgemeinden im Juli 2000 Nr. 89, WENN LEBEN, GLAUBEN UND DENKEN EINS SIND ... – Befreiungstheologie aktuell

Bewahrung der Schöpfung Nr. 3, Englischsprachige Konferenz der Franziskaner, FRANZISKUS UND DER NEUE MATERIALISMUS – Eine franziskanische Antwort auf die Umweltkrise Nr. 26, Jan Groot Wassink, FRANZISKANISCHE BRUDERSCHAFT IN NATUR UND GESELLSCHAFT – Ausweg aus den Irrwegen einer wissenschaftlich–technischen Kultur Nr. 38, UMKEHR ZUM LEBEN – Franziskanische Positionen zur atomaren Bedrohung Nr. 46, UNSERE MUTTER ERDE – LEBENSRAUM FÜR ALLE Nr. 50, INDIO–FRANZISKANISCHE UTOPIEN – Zur Strategie des Überlebens Nr. 55, SANTO DOMINGO 1992 – IV. Generalversammlung der Lateinamerikanischen Bischofskonferenz, Werden – Verlauf – Wertung

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Nr. 65, MUTTER ERDE – NEUE ERDE – Reflexionen und Texte aus Lateinamerika Nr. 70, WENN LEBEN VERFÜGBAR WIRD – Überbevölkerung, Geburtenkontrolle und andere Fragen Nr. 102, BISCHOFSVERSAMMLUNG APARECIDA 1007 – Neues Pfingsten oder alte Gleise?

Evangelisierung Nr. 8, Claudio Schneider OFM, Brasilien, FRANZISKANISCHE GEMEINSCHAFTEN: EIN DIENST AN DER KIRCHE Nr. 11, Hermann Schalück OFM, SENSIBILITÄT UND SOLIDARITÄT – Impulse zur franziskanischen Evangelisation Nr. 19, Ordensrat OFM, DAS EVANGELIUM FORDERT UNS HERAUS – Überlegungen zur Evangelisierung in Bahia 1983 Nr. 21, DAS LEBEN TEILEN – Franziskanischer Dialog in Asien Nr. 24, Anselm Moons OFM, EVANGELISIERUNG ALS LERNPROZESS – Auswertung und Dokumentation Nr. 29, Kilian Holland OFM, AFRIKAS DILEMMA – Betteln oder das eigene Brot backen Nr. 33, Andreas Müller (Hrsg.), EVANGELISIERUNG FÜR EINE NEUE MENSCHHEIT UND EINE NEUE GESELLSCHAFT – Internationaler Missionsrat der Franziskaner, Nairobi 1987 Nr. 37, WORT UND LEBEN – 500 Jahre Evangelisierung Lateinamerikas, Umkehr und Neubesinnung Nr. 39, DAS WORT BERUFT DAS GOTTESVOLK – Erste Etappe des Projektes “Wort und Leben” der lateinamerikanischen Ordensleute Nr. 42, 1992 KEIN GRUND ZUM FEIERN – Die Kirche und die Eroberung eines Kontinents Nr. 44, DEIN WORT IST LEBEN – Bibelmeditationen Iateinamerikanischer Ordensleute

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Nr. 45, 500 JAHRE INDIOWIDERSTAND – 500 Jahre Evangelisierung in Lateinamerika Nr. 47, DEIN WORT IST LEBEN / 2 – Bibelmeditationen lateinamerikanischer Ordensleute Nr. 48, 500 JAHRE: 1492 – 1992 Nr. 49, 1492 – 1992, 500 JAHRE – Gold und Gott Nr. 51, P. Enrique Rosner, Missionszentrale der Franziskaner (Hrsg.), NACH 500 JAHREN – NEUENTDECKUNG AMERIKAS – Zeugnisse vom Indio– Widerstand Nr. 52, DEIN WORT IST LEBEN /3 – Bibelmeditationen lateinamerikanischer Ordensleute Nr. 53, DEIN WORT IST LEBEN /3 (2. Teil) – Bibelmeditationen lateinamerikanischer Ordensleute Nr. 54, DEIN WORT IST LEBEN /3 (3. Teil) – Bibelmeditationen Iateinamerikanischer Ordensleute Nr. 64, FRANZISKANISCHE SPIRITUALITÄT UND EVANGELISATION – Dokumente der XIV. UCLAF Nr. 79, 500 JAHRE BRASILIEN – Für die “Entdeckten eine schlimme Entdekkung” Nr. 83, AUF DEM WEG ZU EINER INDISCHEN KIRCHE – Facetten einer Studienreise Nr. 92, PFINGSTEN STATT BABEL – Zur Mystik und Spiritualität im Weltsozialforum Nr. 94, „LÖSE DIE FESSELN VON DEINEM HALS” (Jes 52,2) – Das Exodus– Motiv als Leitfaden für eine Bibelwerkstatt Nr. 96, OSCAR ARNULFO ROMERO – Zum 25. Jahrestag seiner Ermordung. “Anti–imperiale” Spiritualität Nr. 97, „HR KÖNNT NICHT GOTT DIENEN UND DEM KAPITAL” – Lateinamerikanische Bibelwerkstatt

Franz und Klara von Assisi Nr. 17, Anton Rotzetter OFMCap, IMPULSE FÜR EINE FRIEDENSSTRATEGIE

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BEI FRANZ VON ASSISI Nr. 22, FRANZ VON ASSISI IM KONTEXT DER KULTUREN Nr. 56, 800 JAHRE KLARA – Die weibliche Wurzel der franziskanischen Familie Nr. 87, Franziskus der Scharniermensch Nr. 101, ClARA, ELISABETH, AGNES – Franziskanische Frauen schreiben

Franziskanerorden Nr. 7, Vinzenz Bohne OFM, FRANZISKANISCHE JUGEND, Brasilien Nr. 12, FRANZISKANER IN VIETNAM Nr. 23, DIE ZEICHEN DER ZEIT – Standortbestimmung für einen Orden Nr. 25, STREIFLICHTER – Franzikaner auf neuen Wegen Nr. 63, FRANZISKANER IM OSTEN – Verantwortung für eine neue Wirklichkeit

Frieden Nr. 41, AKTIVE GEWALTFREIHEIT – Eine franziskanische Initiative Nr. 61, BURUNDI – Paradies im Untergang? Nr. 68, SPIRITUALITÄT DER GEWALTFREIHEIT – Eine Grundpflicht des franziskanischen Charismas Nr. 69, AUSWEG AUS DEM TRAUMA – Bosnien und Kroatien zwischen Machtpolitik und Glaubenskampf Nr. 85, FÜR FRIEDEN UND DIALOG DER RELIGIONEN – Das Engagement der Franziskaner in Mindanao / Philippinen Nr. 90, Gewaltfrei mit Franziskus – gewaltfrei durch Franziskus Nr. 98, EUROPA FRANZISKANISCH BEWEGEN

Gerechtigkeit Nr. 18, ZWISCHEN ANSPRUCH UND WIRKLICHKEIT – Franziskanische Menschen stellen sich der Armut Nr. 32, DEN HUNGERNDEN DAS LAND – Die Kirche Brasiliens im Konflikt um die Landreform Nr. 35, INTERNATIONALE VERSCHULDUNGSKRISE Nr. 40, BERGPREDIGT ODER SACHZWÄNGE – Theologische Anfragen an die Eigengesetzlichkeit der Ökonomie Nr. 66, NEOLIBERALISMUS – Das neue Kreuz des Südens Nr. 67, MENSCHENRECHTE – Unsere Anwaltfunktion für die Entrechteten Nr. 74, IN „GNADENJAHR“ 2000 – Initiativen und Kampagnen für einen Schuldenerlaß zur Jahrtausendwende Nr. 75, WOHNUNG, NAHRUNG, BILDUNG – ... wirtschaftliche, soziale und kulturelle Menschenrechte schützen! Nr. 80, DAS ERLASSJAHR 2000 DARF NICHT STERBEN – Plädoyer aus dem Süden Nr. 81, COLLOQUIUM 2000 – Glaubensgemeinschaften und soziale Bewegungen im Streit mit der Globalisierung Nr. 84, VERSCHWUNDEN IN ARGENTINIEN – Neue Wege gegen Straflosigkeit und Vergessen Nr. 86, „PORTO ALEGRE” IN AFRIKA – Alternativen zur neoliberalen Globalisierung im Südlichen Afrika Nr. 88, VISION UND WIDERSTAND IM GLOBALISIERUNGSPROZESS Nr. 91, BÜNDNIS GEGEN HUNGER – Brasiliens Kampf gegen Hunger und Verelendung Nr. 93, GRUNDLEGENDE RECHTE INDIGENER VÖLKER STÄRKEN: BEITRITT ZUR ILO–KONVENTION 169! – Materialien zur Kampagne in Deutschland Nr. 95, VERTRIEBEN IM EIGENEN LAND – Demokratische Sicherheit” in Kolumbien

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Interreligiöser Dialog Nr. 20, MIT ANDEREN AUGEN SEHEN – Erfahrungen und Impulse zum Religionsdialog Nr. 60, P. Enrique Rosner, Missionszentrale der Franziskaner (Hrsg.), DER TRAUM VON EINER INDIANISCHEN KIRCHE – Versuch einer lnkulturation Nr. 73, DIALOG DER RELIGIONEN – Wege zur Wahrheit Nr. 76, INTERRELIGIÖSE BASISGEMEINDEN IM INDISCHEN KONTEXT NR. 78, INTERRELIGIÖSER DIALOG IN INDIEN Nr. 85, FÜR FRIEDEN UND DIALOG DER RELIGIONEN – Das Engagement der Franziskaner in Mindanao / Philippinen Nr. 99, DAS EINE GEHEIMNIS UND DIE VIELEN RELIGIONEN Nr. 100, ZUM DIALOG BERUFEN – Jubiläumsausgabe zum franziskanischen Auftrag in unserer Zeit

ONSLAND DEUTSCH–LAND – Erfahrungen und Reflexionen eines Franziskaners aus dem Arbeitermilieu Nr. 34, DIE ARMEN HABEN MICH BEKEHRT – Porträt des Erzbischofs von Fortaleza Kardinal Aloisio Lorscheider Nr. 58, DER FRANZISKANISCHE MISSIONSAUFTRAG IN EINER VERÄNDERTEN WELT – Erinnerung und Erneuerung Nr. 59, DIE SUCHE NACH GANZHEIT – Die feminine Dimension des franziskanisch–missionarischen Charismas Nr. 77, 30 JAHRE MISSIONSZENTRALE DER RANZISKANER: Mit den Armen unterwegs

Ökumene Nr. 36, FRANZISKANER IN SKANDINAVIEN – Öffnung zur Ökumene Nr. 72, DIE NEUEN HEILSBRINGER – Ein Beitrag zur Sektenproblematik

Mission Nr. 2, Andreas Müller OFM, 10 JAHRE MISSIONSZENTRALE DER FRANZISKANER Nr. 4, KOMM HERÜBER UND HILF UNS – Franziskanische Predigten zur Dialogmission Nr. 9, Killian Holland OFM, MIT DEN MASSAI UNTERWEGS Nr. 10, Anselm Moons OFM, FRANZISKANISCHE SENDUNG HEUTE – Skizzen zum gewandelten Missionsverständnis Nr. 13, Peter Amendt OFM, DEM EVANGELIUM HEUTE BEGEGNEN – Notizen vom Missionskongreß in Mainz/Juni 1981 Nr. 15, DEN AUFBRUCH WAGEN – Die missionarische Herausforderung der Franziskaner heute Nr. 16, SCHWESTERN OHNE KLOSTERMAUERN – Franziskanerinnen inmitten der Armen Nr. 28, Karl Möhring OFM, MISSI-

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„Die Mystik ... muss in der Gesellschaft gelebt werden wie in der ersten Zeit, das heißt in einer Gesellschaft, die konträr zum Evangelium steht ...“ José Comblin

Grüne Schriftenreihe 103 – Störenfried: Bischof Cappios prophetischer Einspruch

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