DER GROSSE RAT DES KANTONS THURGAU

DER GROSSE RAT DES KANTONS THURGAU Protokoll vom 24. März 2004 Vorsitz Dr. Christoph Tobler, Grossratspräsident, Arbon Protokoll Monika Herzig, Pa...
Author: Kai Busch
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DER GROSSE RAT DES KANTONS THURGAU Protokoll vom 24. März 2004

Vorsitz

Dr. Christoph Tobler, Grossratspräsident, Arbon

Protokoll

Monika Herzig, Parlamentsdienste

Anwesend

127 Mitglieder

Nr. 71/1

Beschlussfähigkeit Der Rat ist beschlussfähig. Ort

Rathaus Weinfelden

Zeit

09.30 Uhr bis 12.55 Uhr

Tagesordnung

1.

Kantonsbürgerrechtsgesuche

2.

Verordnung betreffend die Änderung der Verordnung

Seite 4

des Grossen Rates über die Besoldung der Lehrkräfte vom 18. November 1998 Redaktionslesung, Schlussabstimmung 3.

Seite 6

Gesetz betreffend die Änderung des Einführungsgesetzes zum Schweizerischen Zivilgesetzbuch vom 3. Juli 1991 Fortsetzung 1. Lesung

4.

Seite 7

Motion Dr. Regula Streckeisen und Dr. Peter Wildberger gegen die Speisung privater Abstimmungskomitees mit öffentlichen Geldern Beantwortung, Diskussion, Beschlussfassung

5.

Seite 11

Interpellation Peter Gubser betreffend Unterstützung von Buch-Projekten durch den Kanton Thurgau Beantwortung

6.

Gesetz über die familienergänzende Kinderbetreuung Eintreten, 1. Lesung

Erledigte Traktanden:

Seite 19

1 bis 5, 6 teilweise

Seite 24

KANTON THURGAU Entschuldigt:

Protokoll des Grossen Rates vom 24. März 2004

Bernet Heinz, Bürglen

Beruf

Musy Gabrielle, Häuslenen

Familie

Vorzeitig weggegangen: 11.55 Uhr

Brasey Ursula, Hauptwil

Beruf

12.00 Uhr

Dr. Lang Hansjörg, Mammern

Beruf

12.25 Uhr

Diener Otto, Eschenz

Beruf

Krucker August, Rickenbach

Geschäft

Stutz Christof, Sirnach

Beruf

Schär Gottlieb, Bichelsee

Beerdigung

12.40 Uhr

Präsident: Speziell willkommen heisse ich die Gesuchstellerinnen und Gesuchsteller des Kantonsbürgerrechtes, die heute einen ganz besonderen Tag erleben. Im Weiteren begrüsse ich auf der Tribüne eine Gruppe des Frauenteams Eschlikon, die vor allem auf die Diskussion der familienergänzenden Kinderbetreuung unter Traktandum 6 gespannt sein dürfte. Ein Platz bleibt heute in unserem Rat leer: Unser geschätzter Ratskollege Werner Gubler aus Erzenholz, Frauenfeld, weilt nicht mehr unter uns. Am vergangenen Donnerstagabend hat ihn im Alter von 57 Jahren überraschend ein Herzversagen mitten aus dem Leben gerissen. Im Namen des Grossen Rates und des Regierungsrates entbiete ich seiner Frau Marianne und seinen Angehörigen unser herzliches Beileid. Wir alle sehen und hören Werner Gubler noch in diesem Ratsaal: Er bleibt uns über seinen Tod hinaus nahe und verbunden. Seine Freude an der parlamentarischen Arbeit mit Herz, Humor und spitzer Zunge haben drei Legislaturperioden unseres Rates mitgeprägt. In dieser Zeit hat er in 16 Kommissionen mitgearbeitet, zwei davon hat er präsidiert. Sein Engagement galt insbesondere auch der Justizkommission des Grossen Rates. Thematische Schwerpunkte seines politischen Wirkens bildeten nicht zuletzt die beiden thurgauischen Kernthemen "Landwirtschaft" und "Thurkorrektion". Lieber Werner, Du hättest an dieser Stelle sicher einen träfen Spruch parat, der uns die ganze Schwere Deines Abschieds vergessen liesse. Uns fehlen diese Worte. Wir erheben uns zu einem Moment der Stille und gedenken der gemeinsamen Zeit. Morgen Donnerstag wird um 14.00 Uhr in der Kirche Kurzdorf in Frauenfeld die Trauerfeier für Werner Gubler stattfinden. Alle Ratsmitglieder sind herzlich eingeladen, ihm dabei die letzte Ehre zu erweisen. Wir kommen zum obligaten Blick zurück in die Geschichte des Grossen Rates. Vor fast genau 100 Jahren, am 14. März 1904, beschloss der Grosse Rat mit grosser Mehrheit die Erstellung eines Neubaus für die Kantonsschule Frauenfeld. Am 22. August 1906 lehnten die Stimmbürger dann allerdings den Grossratsbeschluss und den damit verbundenen Baukredit von Fr. 600'000.-

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mit 8'500:11'200 Stimmen ab. Lediglich in den Bezirken Frauenfeld, Diessenhofen und ganz knapp in Arbon resultierte eine zustimmende Mehrheit. Wie schon 50 Jahre vorher bei der Gründung tauchte wieder das Schlagwort von der "Herrenschule" auf, und es war von "Schulpalästen" die Rede. Kurz darauf wurde aber mit einer Motion des Romanshorner Kantonsrates Guhl ein zweiter Anlauf genommen. Die Standortgemeinde Frauenfeld erhöhte ihr Engagement, und siehe da, das Volk liess sich belehren. Am 5. Juli 1908 stimmte es dem neuen Kredit für die Kantonsschule Frauenfeld mit 13'800:7'800 Stimmen zu. Offenbar ist alles schon einmal da gewesen, wie die Baugeschichte der Kantonsschulen Romanshorn und Kreuzlingen drei Generationen später zeigt. Ich gebe Ihnen folgende Neueingänge bekannt: 1.

Botschaft zur Änderung des Gesetzes über Ergänzungsleistungen zur Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung vom 25. August 1971. Das Büro hat für die Vorberatung dieser Botschaft eine 13er-Kommission unter dem Präsidium der FDP bestellt.

2.

Ergänzungsbotschaft zur Änderung des Gesetzes über die Staats- und Gemeindesteuern (Steuergesetz) vom 14. September 1992. Das Büro hat diese Ergänzungsbotschaft der bereits bestehenden Kommission zur Vorberatung der Änderung des Steuergesetzes zugewiesen.

3.

Liste der Kantonsbürgerrechtsgesuche per 24. März 2004.

4.

Vorinformation zur Thurgauer Staatsrechnung 2003.

5.

Geschäftsbericht 2003 der Pädagogischen Hochschule Thurgau. Die Vorberatung dieses Geschäftsberichtes erfolgt durch die Geschäftsprüfungs- und Finanzkommission, die Behandlung zusammen mit den Geschäftsberichten der übrigen selbständigen Anstalten an der Eröffnungssitzung der neuen Legislatur vom 26. Mai.

6.

Beantwortung der Interpellation von Urs Schneider betreffend Auswirkungen der Borkenkäferplage und der Sparmassnahmen des Bundes auf die Waldwirtschaft im Thurgau.

7.

Beantwortung der Einfachen Anfrage von Peter Gubser betreffend 6'000 Menschen suchen Arbeit.

8.

Beantwortung der Einfachen Anfrage von Dr. Ulrich Müller betreffend Nachtverkehr auf der Linie Weinfelden - Bischofszell - St. Gallen.

9.

Beantwortung der Einfachen Anfrage von Dr. Jakob Stark betreffend verzögerte Investitionen an den Infrastrukturen der Bahnlinie Weinfelden - Sulgen - Bischofszell - Gossau St. Gallen.

10. Beantwortung der Einfachen Anfrage von Dr. Regula Streckeisen betreffend die Probleme, welche Cannabis im Strassenverkehr verusacht. 11. Defacto 1/2004 und Arbeitsmarkt-Zahlen (Ausgabe Februar 2004). 12. Thurgauer Wirtschaftsbarometer, Ausgabe März 2004. Ich stelle die heutige Tagesordnung zur Diskussion. Stillschweigend genehmigt.

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Kantonsbürgerrechtsgesuche

(Liste der Einbürgerungsgesuche siehe Anhang zum Protokoll) Eintreten Präsident: Sie haben den Kommissionsbericht und die Liste der Gesuche vorgängig erhalten. Mit Rücksicht auf unsere Gäste, die Gesuchstellerinnen und Gesuchsteller des Kantonsbürgerrechtes, wird der Kommissionsbericht der Justizkommission vollständig verlesen. Kommissionspräsidentin Brasey, FDP: Die zur Beratung im Grossen Rat vorliegenden Kantonsbürgerrechtsgesuche hat die Justizkommission, bestehend aus den Mitgliedern Josef Bieri, Kreuzlingen; Anita Dähler, Mammern; Renata Egli, Kreuzlingen (Beobachterin); Martin Giger, Wilen; Werner Gubler, Frauenfeld; Heinz Herzog, Arbon; Matthias Müller, Gachnang (Beobachter); Dr. Marlies Näf, Arbon; Gottlieb Schär, Bichelsee; Jakob Thurnheer, Buch bei Frauenfeld; Max Vögeli, Weinfelden; Roland Zuberbühler, Busswil, sowie der Sprechenden als Präsidentin, an den Sitzungen vom 12. Februar und 1. März 2004 beraten, nachdem sie in den vier Subkommissionen eingehend vorgeprüft worden sind. Bei der Behandlung dieses Geschäftes stand der Kommission Giacun Valaulta, lic.iur., Chef des Amtes für Handelsregister und Zivilstandswesen, als Vertreter der Verwaltung für Auskünfte und Fragen zur Verfügung. Alle der Kommission unterbreiteten Gesuche konnten abschliessend behandelt werden. Dies war möglich dank der speditiven und guten Zusammenarbeit mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Abteilung Zivilstandswesen wie auch innerhalb der Kommission und der Subkommissionen. Dafür danke ich allen herzlich. Die Kommission beantragt einstimmig, auf die Vorlage einzutreten. Diskussion - nicht benützt. Eintreten ist unbestritten und somit beschlossen.

Detailberatung Kommissionspräsidentin Brasey, FDP: Es liegen 117 Anträge vor, die sich aus einem Ehrenbürgerrecht, dem Kantonsbürgerrechtsgesuch eines Schweizer Bürgers und 115 Kantonsbürgerrechtsgesuchen ausländischer Bewerberinnen und Bewerber zusammensetzen. 12 von ihnen sind in der Schweiz geboren. 42 Bewerber oder Bewerberinnen mit ausländischer Staatsbürgerschaft beantragen die Einbürgerung mit Ehepartner oder Ehepartnerin. Ebenfalls zur Einbürgerung vorgeschlagen sind insgesamt 56 Söhne und 54 Töchter, so dass heute insgesamt 267 Ausländerinnen und Ausländer das thurgauische Kantonsbürgerrecht erhalten.

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In den Ihnen vorliegenden Listen finden Sie weitere Angaben wie Name, Beruf, Staatszugehörigkeit und Alter der Bewerber und Bewerberinnen. Die Kommission hat alle Gesuche auf Übereinstimmung mit den gesetzlichen Grundlagen geprüft und ohne Ausnahme gutgeheissen. Die Kommission beantragt deshalb einstimmig, die vorliegenden 117 Kantonsbürgerrechtsgesuche zu genehmigen, und ersucht den Präsidenten, über die Erteilung des Ehrenbürgerrechtes an Alfred Hertner und seine Gattin aus Steckborn, des Kantonsbürgerrechtes an Friedrich Gerhard Stettler aus Bischofszell und an die vorgeschlagenen ausländischen Staatsbürgerinnen und Staatsbürger getrennt diskutieren und abstimmen zu lassen. Diskussion - nicht benützt.

Beschlussfassung Dem Gesuch Nr. 1 wird ohne Gegenstimme zugestimmt. Präsident: Im Namen des Grossen Rates und des Regierungsrates gratuliere ich dem Ehepaar Alfred und Doris Hertner aus Steckborn zum heute erlangten Ehrenbürgerrecht unseres Kantons und danke ihnen für ihr Wirken zum Wohl der Gemeinschaft. Dem Gesuch Nr. 2 wird ohne Gegenstimme zugestimmt. Den Gesuchen Nr. 3 bis 117 wird mit grosser Mehrheit bei einigen Enthaltungen zugestimmt. Präsident: Ich gratuliere Ihnen im Namen des Grossen Rates und des Regierungsrates zu Ihrem heute erlangten Bürgerrecht. Nutzen Sie es in konstruktiver Weise und engagieren Sie sich in unserer Gemeinschaft! Unsere Demokratie lebt vom Engagement aller. Zur Feier Ihrer Einbürgerung sind Sie nun zum Apéritif im Gasthaus "Zum Trauben" eingeladen.

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Protokoll des Grossen Rates vom 24. März 2004

Verordnung betreffend die Änderung der Verordnung des Grossen Rates über die Besoldung der Lehrkräfte vom 18. November 1998

Redaktionslesung

(Fassung der Gesetzgebungs- und Redaktionskommission siehe Anhang zum Protokoll)

I. Diskussion - nicht benützt. II. Diskussion - nicht benützt.

Schlussabstimmung

(bereinigte Fassung siehe Anhang zum Protokoll)

Der Verordnung betreffend die Änderung der Verordnung des Grossen Rates über die Besoldung der Lehrkräfte vom 18. November 1998 wird mit 115:0 Stimmen zugestimmt.

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Protokoll des Grossen Rates vom 24. März 2004

Gesetz betreffend die Änderung des Einführungsgesetzes zum Schweizerischen Zivilgesetzbuch vom 3. Juli 1991

Fortsetzung 1. Lesung

(Fassung nach 1. Lesung siehe Anhang zum Protokoll)

Präsident: Nachdem wir an der letzten Ratssitzung Eintreten auf die Vorlage beschlossen haben und die Beratung in 1. Lesung mit Ziffer 1 (§ 22) der "Bezirkslösung" begonnen haben, fahren wir nun bei Ziffer 2 (§ 23) fort. Ziffer 2: § 23 Kommissionspräsident Kummer, SVP: Die offenere Fassung der Kommission ermöglicht es dem Regierungsrat, die optimalen Standorte zu bestimmen. Da die neuen Zivilstandsämter wahrscheinlich in den Gemeindeverwaltungen geführt werden, kommen vor allem die bevölkerungsreichsten Orte in Frage. Die historisch gewachsenen Bezirkshauptorte haben an Bedeutung verloren. Wichtig ist sicher auch die Infrastruktur, die zur Verfügung steht. Zudem ist bei der Festlegung durch den Regierungsrat auch ein Amtssitzwechsel möglich, wenn es die Umstände erfordern sollten. Hausammann, SVP: Es ist nachweisbar, dass die verhältnismässig hohe Geschäftslast der Zivilstandsämter in den beiden Standortgemeinden unserer Kantonsspitäler durch letztere begründet sind. Für eine kundenfreundliche Geschäftsabwicklung und zur Verhinderung von an sich unnötigen Fahrten in die Zentren von Frauenfeld und Kreuzlingen macht es Sinn, bei den beiden Kantonsspitälern Zweigstellen einzurichten. Die voraussichtlich notwendigen Stellenprozente nach der Einführung von "Infostar" von 180 % bis 250 % im Fall von Kreuzlingen und von 200 % bis 280 % im Fall von Frauenfeld lassen sinnvolle Schalteröffnungszeiten für diese Zweigstellen zu. Die externe Erfassung der Daten auf "Infostar" dürfte im Zeitalter der Vernetzung ebenfalls kein Problem darstellen. Ich frage deshalb den Regierungsrat an, ob er gewillt ist, in begründeten Fällen an geeigneten Standorten Zweigstellen zu genehmigen. Ich behalte mir vor, in der 2. Lesung einen entsprechenden Antrag zu stellen. Stokholm, FDP: Ich habe eine Frage zu Absatz 2. Können alle Gemeinden, die ein Gesuch stellen und bereit sind, die Kosten zu übernehmen, davon ausgehen, dass ihr Traulokal bewilligt wird, oder sind, wie im Kanton Bern, weitere Kriterien zu erfüllen, und wenn ja, welche? Regierungsrat Dr. Graf: Zur Frage von Kantonsrat Hausammann: Es besteht nicht die Absicht, Zweigstellen einzurichten. Damit würden wir natürlich den Effizienzgewinn, den wir anstreben, zunichte machen. Im Übrigen ist auch die Distanz zwischen dem Kantonsspital Münsterlingen und Kreuzlingen sehr klein. Abgesehen davon ist es nicht notwendig, dass man sich persönlich zum Zivilstandsamt begibt. Zur Frage von Kantonsrat Stokholm: Jede Gemeinde hat die Möglichkeit, ein Traulokal zu installieren und Trauungen durchzuführen. Ein gewisses Minimum an

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Schicklichkeit wird selbstverständlich gefordert, aber wir sind zuversichtlich, dass die Gemeinden im eigenen Interesse dafür sorgen werden. Diskussion - nicht weiter benützt. Ziffer 3: § 23 a Stokholm, FDP: Mit der Zentralisierung der Zivilstandsämter geht den Gemeinden nicht bloss eine Raumnutzung verloren, sondern auch ein Stück Trauungskultur, denn die Heiratswilligen haben sich nicht nur für die Trauung an einem Ort entschieden, sondern auch für eine Person, die sie oder auch ihre Verwandten oder Bekannten gut kennen, für den Zivilstandsbeamten oder die Zivilstandsbeamtin in der Gemeinde. Wie es ist, wenn das verloren geht, können wir am Beispiel von Zürich betrachten. Bei der Trauung in einem so genannten professionellen Zivilstandsamt der Stadt Zürich ist das Paar nach fünf Minuten beim Ja, nach sechs Minuten bei der Unterschrift und nach sieben Minuten wieder vor der Türe. Einer solchen Entwicklung könnten wir im Thurgau vorbeugen. Das kommunale Traulokal ist die eine Seite, aber nur die halbe Lösung. Die ganze Lösung berücksichtigt auch das Personelle und nicht nur die Infrastruktur. Ich frage deshalb den Regierungsrat, ob die Verordnung zur Umsetzung dieser Gesetzesänderung die Möglichkeit enthalten wird, dass für den Vollzug der Trauung in den kommunalen Traulokalen auch kommunale Verwaltungsangestellte eingesetzt werden können. Regierungsrat Dr. Graf: Es kommt darauf an, was für Arbeiten damit verbunden sind. Der Trauungsakt kann nicht durch eine Gemeindeperson vollzogen werden, doch ist es selbstverständlich eine Aufgabe der Gemeinde, das Lokal entsprechend herzurichten. Diskussion - nicht weiter benützt. Ziffer 4: § 23 b Kommissionspräsident Kummer, SVP: Weil nach der Vorstellung der Kommission die Verantwortung und der Ertrag beim Kanton liegen werden, müssen auch die Kosten beim Kanton bleiben. Die Kommission war einstimmig gegen eine Beteiligung durch die Gemeinden. Diskussion - nicht benützt. Ziffer 4bis: § 23 c Nach ersten Erfahrungen mit dem System "Infostar" zeigte sich, dass die Übergabe der Listen nach Bedarf erfolgen muss. Darum hat man § 23 c auf Antrag des Amtes wieder eingefügt. Mit der vorliegenden Formulierung kann jederzeit verlangt werden, dass eine Liste herausgegeben wird. Zudem hat das Zivilstandsamt auch klar die Aufgabe, die von ihm beurkundeten Todesfälle zu melden.

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Dr. Stark, SVP: Ich habe einige Fragen an den Regierungsrat. Wo werden in Zukunft die Todesfälle gemeldet? Meiner Meinung nach wäre es sehr befremdlich und auch nicht bürgernah, Personen, die Todesfälle zu melden haben, an ein Bezirkszivilstandsamt zu verweisen. Mein Vorschlag wäre, dass die Verstorbenen der Wohnsitzgemeinde entweder der Einwohnerkontrolle oder dem Friedhofvorsteheramt gemeldet werden, welche ihrerseits die Meldung dann an das Zivilstandsamt weitergeben. Wie werden in Zukunft die Zivilstandsnachrichten veröffentlicht? Wird dies weiterhin nach Gemeinden und in Absprache mit diesen geschehen? Ich nehme an, dass alles in einer Verordnung geregelt wird. Könnte sich der Regierungsrat vorstellen, uns in den nächsten zwei Wochen Eckdaten dieser Verordnung bekanntzugeben? Wäre das Departement bereit, sich dafür einzusetzen, dass alle Gemeinden ein Anrecht auf einen "Infostar"-Anschluss zum Bezug von Daten haben, wenn diese Daten auch von der Einwohnerkontrolle benötigt werden? Sonst würden bei der Rückübermittlung der Daten vom zentralisierten Zivilstandsamt zu den Gemeinden sehr grosse Umtriebe entstehen. Der Bundesrat hat bewilligt, dass alle Gemeinden, die dies wünschen, bis Ende 2005 an "Infostar" angeschlossen werden können. Das bedeutet, dass es keine technischen Gründe gibt, nicht alle Gemeinden zu vernetzen. Kommissionspräsident Kummer, SVP: Zur Meldung der Todesfälle: Ich habe bereits im Kommissionsbericht erwähnt, dass die Todesfälle nach wie vor bei der Gemeinde (Einwohnerkontrolle) gemeldet werden können, die sie dann an das Zivilstandsamt weiterleitet. Die Beerdigung findet ja auch in der Gemeinde statt. Regierungsrat Dr. Graf: Zur Veröffentlichung der Zivilstandsnachrichten: Wir können zum jetzigen Zeitpunkt nicht sagen, wie wir diesen Punkt handhaben werden. Es ist darauf hinzuweisen, dass ohnehin nicht alle Geschäfte veröffentlicht werden und man auch aus persönlichen Gründen solche zurückhalten kann. Wir werden aber sicher einen Weg und auch eine bürgerfreundliche Lösung finden. Zu den Eckdaten der Verordnung: Es kommt natürlich darauf an, was für ein Gesetz jetzt beschlossen wird. Im Übrigen wissen Sie, dass eine Verordnung nicht Sache eines Departementes ist, sondern vom Regierungsrat verabschiedet werden muss. Zum Bezug von Daten durch die Gemeinden: Unter dem Vorbehalt der Machbarkeit und des Sinnes machen wir hier keine Einschränkungen. Diskussion - nicht weiter benützt. Ziffer 5: § 83 b Kommissionspräsident Kummer, SVP: Die Frist von 30 Tagen, die wir festgelegt haben, erscheint kurz, ist aber darin begründet, dass die Arbeit auf dem Amt ohne Unterbruch weitergeführt werden muss. Zuerst hat der Bundesrat unser Gesetz zu genehmigen. Anschliessend wird es durch den Regierungsrat in Kraft gesetzt, der zuvor alles in organisatorischer Hinsicht über die Bühne bringen muss. Die Kommission kam daher nach längerer Diskussion zum Schluss, dass die Formulierung "innert 30 Tagen nach Inkrafttreten dieses Gesetzes" richtig ist.

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Baltisser, SVP: Ich frage mich trotzdem, ob die Frist von 30 Tagen gut überlegt ist. Ich setze einmal voraus, dass das Zivilstandsamt des Bezirkes Kreuzlingen nach Münsterlingen kommt. Wenn wir dort eine 80 %-Stelle besetzen, hätten wir nur schon für die Neuregelung der Beamtung keine genügende Frist, um die arbeitsrechtlichen Bestimmungen einzuhalten, wenn wir jemandem kündigen müssten. Münsterlingen würde sich ausgezeichnet eignen, ist gut erschlossen und auch räumlich auf eine solche Lösung vorbereitet. Es wäre dann auch nicht notwendig, eine Zweigstelle zu errichten, wie es von Kollege Hausammann gefordert worden ist. Kommissionspräsident Kummer, SVP: Der Termin der Bundesvorgabe zur Umsetzung der Vorschriften ist Ende 2005. Wenn wir das Gesetz jetzt zügig verabschieden, sollte die Umsetzung eigentlich gut machbar sein. Regierungsrat Dr. Graf: Wir haben diese Frage in der Kommission einlässlich besprochen und uns dieselben Gedanken wie Kantonsrat Baltisser gemacht. Wir sind bei der Frist von 30 Tagen geblieben, weil wir mit der Inkraftsetzung natürlich schon bestimmen, wie der Takt läuft. Die Inkraftsetzung ist ganz entscheidend. Wir setzen das Gesetz dann in Kraft, wenn wir die Eckdaten bekanntgegeben haben, so dass man mit 30 Tagen sehr gut wird auskommen können. Nachtrag zu den Eckdaten der Verordnung: Falls Kantonsrat Dr. Stark auf die Standortfrage gezielt hat, ist dazu zu sagen, dass dies weitergehende Abklärungen erfordern würde, die im Detail erfolgen müssten und nicht einfach departementsweise kommuniziert werden könnten. Dafür bitte ich um Verständnis. Diskussion - nicht weiter benützt. II. Diskussion - nicht benützt. Präsident: Wir haben das Gesetz betreffend die Änderung des Einführungsgesetzes zum Schweizerischen Zivilgesetzbuch vom 3. Juli 1991 in 1. Lesung durchberaten. Möchte jemand auf einen Paragraphen zurückkommen? Das ist nicht der Fall.

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Motion Dr. Regula Streckeisen und Dr. Peter Wildberger gegen die Speisung privater Abstimmungskomitees mit öffentlichen Geldern

Wortlaut und Begründung (schriftliche, nicht vorgelesene Ausführungen) Antrag:

Der Regierungsrat wird eingeladen, eine gesetzliche Regelung vorzulegen, welche die Speisung privater Abstimmungskomitees mit öffentlichen Geldern verbietet.

Das Informationsrecht und die Informationspflicht des Regierungsrates gegenüber dem Volk vor Abstimmungen sind eine wichtige Angelegenheit und sollen mit dieser Motion grundsätzlich nicht beschnitten, aber in eine saubere Handhabung überführt werden. Dabei muss der Thurgau nichts neu erfinden, sondern kann sich auf die Regelung des Bundes stützen. Im November 2001 erschien der von einer Arbeitsgruppe erarbeitete Bericht mit dem Titel "Das Engagement von Bundesrat und Bundesverwaltung im Vorfeld von eidgenössischen Abstimmungen". Am 11. April 2003 reichte die staatspolitische Kommission des Nationalrates die Motion 03.3179 ein mit dem Titel "Volksabstimmungen. Information durch die Bundesbehörden". In der Beantwortung dieser Motion gab der Bundesrat seinen Entschluss bekannt, "die Inhalte dieses Berichtes auch für seine Tätigkeit als grundsätzliche Leitplanken und als Beitrag zu mehr Transparenz in einer staatspolitisch wichtigen Frage zu erachten". Besagter Bericht enthält unter anderem einen Bundesgerichtsentscheid mit folgendem Wortlaut: "Für Behörden gilt: Eine verdeckte Einflussnahme ist in besonderem Mass verpönt, weil sie für die Stimmbürger nicht erkennbar und ohne demokratische Kontrolle erfolgt. Das Gemeinwesen muss als Urheber klar erkennbar sein. Unzulässig sind in diesem Zusammenhang namentlich die Speisung privater Abstimmungskomitees mit öffentlichen Mitteln ..." Auch für den Thurgau gilt: Transparenz erhöht die Glaubwürdigkeit und damit das Vertrauen des Volkes in den Staat. Da sich der Regierungsrat in der Beantwortung der Interpellation Wildberger nicht dahingehend geäussert hat, auf die Speisung privater Abstimmungskomitees in Zukunft zu verzichten, ist die vorliegende Motion notwendig. Die gesetzliche Regelung ist so zu gestalten, dass auch kantonale Betriebe und Unternehmungen, wo der Staat Thurgau Haupteigentümer ist, einbezogen sind.

Beantwortung (schriftliche Beantwortung siehe Anhang zum Protokoll)

Diskussion Dr. Streckeisen, EVP: Ich bedanke mich beim Regierungsrat für die Beantwortung unserer Motion. Zunächst freue ich mich natürlich sehr, dass der Regierungsrat dem Grundsatz beipflichtet, dass die Speisung privater Komitees mit öffentlichen Geldern verpönt ist. Dieser Grundsatz wurde auf Bundesebene von einer Arbeitsgruppe zusammen mit weiteren Richtlinien zum Engage-

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ment von Bundesrat und Bundesverwaltung im Vorfeld von eidgenössischen Abstimmungen erarbeitet. Es lohnt sich, diese Richtlinien nachzulesen. Der Bundesrat befolgt sie und unser Regierungsrat offenbar im Grundsatz auch. Leider folgt aber unverzüglich die kalte Dusche nach. Wie so oft steckt der Teufel im Detail oder genauer gesagt in der Ausnahme vom Grundsatz. Wir sprechen in der Folge also ausnahmslos von diesen Ausnahmen. Juristen finden bekanntlich für fast jede Ausnahme eine passende Formulierung, und sie haben sie auch in der zur Diskussion stehenden Sache gefunden. Der Regierungsrat stürzt sich noch so gerne darauf. Ich aber frage, ob das wirklich politisch richtig ist. Vor lauter Fixierung auf die Ausnahme ging offensichtlich die Bodenhaftung verloren, denn die Motion betrifft ja zur Hauptsache das Stimmvolk. Es geht um den Ärger des Volkes, das aufbraust, sobald bekannt wird, dass Steuergelder ohne offizielle Deklaration in das gegnerische Komitee geflossen sind. Vom Stimmvolk aber finde ich in der Antwort des Regierungsrates kein einziges Wort. Da haben die Journalisten mehr Bodenhaftung bewiesen. In ihren Kommentaren nach der Abstimmung über die Thurgauer Kantonalbank konnte man lesen, dass die Gegner grossen Aufwind erhalten hätten, nachdem bekannt geworden sei, dass öffentliche Gelder in das Pro-Komitee geflossen seien. Dieser Geldfluss hat sich somit mit grosser Wahrscheinlichkeit kontraproduktiv ausgewirkt. Trotzdem klammert sich der Regierungsrat krampfhaft an die Ausnahmeregelung. Offensichtlich stellt er Bequemlichkeit über politische Fairness und über Rücksichtnahme auf die Sensibilitäten des Stimmvolkes. Dem Regierungsrat stünden genug Möglichkeiten offen, um im Abstimmungskampf präsent zu sein, insbesondere über die Abstimmungsbotschaft und die Medienpräsenz, die dem Regierungsrat meistens grosszügig gewährt wird. Der Bundesrat jedenfalls hat sich auf diesen Weg verpflichtet. Unser Regierungsrat dagegen bevorzugt den bequemeren Weg und stellt nun den Grossen Rat vor die Frage, ob er sich diesem Weg ebenfalls anschliessen will. Da bitte ich doch eindringlich, eine gegenüber dem Stimmvolk faire und transparente Lösung zu bevorzugen, zumal Geld allein glücklicherweise nicht über Sieg und Niederlage entscheidet, wie es damals die TKB-Abstimmung zeigte und in diesem Jahr auch die "Avanti"-Abstimmung bewies. Ich bitte Sie sehr, unsere Motion erheblich zu erklären. Dr. Wildberger, GP: Auch ich danke dem Regierungsrat für die prompte Beantwortung der vorliegenden Motion. Die Demokratie wird in § 17 unserer Verfassung sehr schön konkretisiert mit: "Alle Staatsgewalt geht vom Volk aus." Das heisst, das Volk an gewichtigen Entscheiden teilnehmen zu lassen und es vor Abstimmungen breit zu informieren. Der Regierungsrat hat mit der Abstimmungsbotschaft eine ausgezeichnete Gelegenheit, seine Sicht darzustellen. Bei der Abstimmung über die Thurgauer Kantonalbank tat er dies auf achtzehn Seiten, währenddem die Argumente von uns Gegnern auf knapp einer Seite Platz finden mussten. Mit der Abstimmungsbotschaft, mit Medienorientierungen und mit Auftritten an verschiedenen Veranstaltungen kann der Regierungsrat sein Informationsbedürfnis gut ausleben. Krass und stossend ist es deshalb, wenn er zusätzlich in die Staatskasse greift und einem gut betuchten Pro-Komitee einseitig Fr. 20'000.-- oder Fr. 30'000.-- überweist und es zusätzlich mit Leistungen seines Informationsdienstes bedient. In der Antwort des Regierungsrates auf meine Interpellation zu diesem Thema

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schrieb der Regierungsrat noch in Punkt 4: "Finanzielle Leistungen des Staates bedürfen generell einer gesetzlichen Grundlage. Das Bundesgericht hat daher wiederholt vorausgesetzt, dass sich Kredite im Abstimmungskampf auf einen Parlamentsbeschluss ... stützen müssen." Mit einem bemerkenswerten Rückwärtssalto hat sich der Regierungsrat in der Motionsantwort dieses Abschnittes entledigt, weil er ihm offensichtlich nicht mehr passte. Denn dieser Abschnitt ruft ja genau nach dieser Motion. Auch wenn Abstimmungskampagnen von regierungstragenden Parteien bestritten werden, heisst das noch lange nicht, dass sie gut, nicht polemisch und damit unterstützungswürdig sind. Mit den Lügner-Inseraten und den kürzlich präsentierten Ratten-Plakaten näherte sich zum Beispiel die staatstragende SVP Schweiz bedrohlich der Propagandakiste von Dr. Goebbels. Im Übrigen verstehe ich unter einem Parlamentsbeschluss einen konkreten Beschluss des breit zusammengesetzten Grossen Rates in einer Sache und nicht irgendeinen Sammelposten, der im Voranschlag figuriert. Gleicher Meinung ist offensichtlich auch die Arbeitsgruppe des Informationsdienstes des Bundes, die in ihrem 74-seitigen Bericht aus dem Jahr 2001 unter anderem schreibt: "Es braucht hingegen eine Rechtsgrundlage im materiellen Sinn, das heisst einen Kredit beziehungsweise Budgetbeschluss des Parlamentes, in dem die Verwendung der Gelder genügend konkretisiert wird. Die formellen Zuständigkeitsvorschriften für die Ausgabenkompetenzen sind einzuhalten." Schlussfolgerungen: 1. Sowohl die Abstimmung über die Thurgauer Kantonalbank wie auch zum Beispiel alle drei Volksentscheide der letzten Bundesabstimmung haben gezeigt, dass weder Parlamente noch Regierungs- oder Bundesräte für sich in Anspruch nehmen können, zu wissen, was für das Volk richtig ist. Eine einseitige Unterstützung mit Steuergeldern ist für mich undemokratisch. Ich würde es deshalb begrüssen, wenn sich der Regierungsrat dazu durchringen könnte, einseitige Unterstützungen eines Abstimmungskomitees in Zukunft nicht mehr zu gewähren. Mit einer solchen Erklärung des Regierungsrates würde die Motion sofort hinfällig. 2. Wenn der Regierungsrat auch in Zukunft private Abstimmungskomitees unterstützen will, ist eine gesetzliche Regelung notwendig. Vorstellen könnte ich mir, dass sowohl Pro- wie Gegenkomitee im Nachhinein einen Beitrag aus der Steuerkasse im Verhältnis des Abstimmungsresultates erhalten. Das wäre einigermassen gerecht und würde die groteske Situation verhindern, dass Oppositionelle zusehen müssen, wie ihre Steuergelder gegen sie selbst verwendet werden, sie aber ihre eigene Abstimmungskampagne selber zu finanzieren haben. Lassen Sie den Regierungsrat nicht nochmals ins Fettnäpfchen treten und stimmen Sie der vorliegenden Motion zu. Richard Peter, CVP: Es ist unbestritten, dass bei Wahlen keine Einflussnahme der Behörde in irgendeiner Form zulässig ist. Es ist unbestritten, dass die Exekutive bei einer Sachabstimmung den Auftrag hat, in einer Botschaft die Vorlage zu erläutern und zur Annahme zu empfehlen. Dabei ist sie zur Objektivität verpflichtet. In der Regel werden die Gegner der Vorlage zu einer Stellungnahme eingeladen. Die Verwendung von öffentlichen Geldern zur Unterstützung von privaten Abstimmungskomitees ist sicher nicht unproblematisch. Es gibt wenig triftige Gründe des Regierungsrates, Steuergelder für einen Abstimmungskampf einzusetzen, auch dann, wenn das Komitee ganz oder teilweise aus Behördenmitgliedern besteht. In der regierungsrätlichen Ant-

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wort wird argumentiert, dass der Einsatz solcher Mittel erlaubt sei, sofern die Steuermittel zweckkonform verwendet werden und die Objektivität und Zurückhaltung gewährt ist. In diesem Sinn hat der Regierungsrat dem Aktionskomitee zur Umwandlung der Thurgauer Kantonalbank in eine Aktiengesellschaft einen Betrag von Fr. 20'000.-- ausgerichtet. Wer schon in einem kantonalen Abstimmungskomitee mitgewirkt hat, weiss, wie schwierig es ist, die finanziellen Mittel für einen Abstimmungskampf bei Unternehmungen, Gewerbebetrieben, Banken, Versicherungen und Privatpersonen zusammenzubetteln. Ich darf für mich beanspruchen, dass ich weiss, wovon ich spreche, durfte ich doch schon dreimal solchen Abstimmungskomitees als Präsident vorstehen: Zweimal für schulische Vorlagen und einmal für eine Strassenverkehrsvorlage. Wer weiss, vielleicht wäre die Vorlage der Kantonsschule Kreuzlingen im ersten Anlauf positiv über die Bühne gegangen, wenn einige Franken mehr zur Verfügung gestanden hätten. So gesehen wäre das Ganze kostengünstiger geworden, wenn es im ersten Anlauf geklappt hätte. Eine kantonale Abstimmungskampagne kostet je nach Intensität Fr. 60'000.-- bis Fr. 100'000.--. Die Arbeit solcher Komitees ist ein wesentlicher Beitrag zur Meinungsbildung und zur Belebung unserer Demokratie. Sie verdient unsere volle Anerkennung und Achtung. Die CVP-Fraktion vertritt die Ansicht, dass vermehrt zwischen Information und Werbung zu unterscheiden sei. Der Regierungsrat soll und muss die Möglichkeit haben, sich in einen Abstimmungskampf einzuschalten, vor allem dann, wenn mit falschen Argumenten gekämpft wird oder Un- oder Halbwahrheiten verbreitet werden. Etwas vereinfacht könnte man sagen, dass der Regierungsrat informieren, aber nicht Werbung betreiben soll. Die CVP-Fraktion will dem Regierungsrat auch künftig die Möglichkeit geben, in bestimmten Situationen Beiträge an private Abstimmungskomitees zu leisten. Die Kriterien müssen hingegen konkreter formuliert werden und die Beiträge klar ausgewiesen sein, wie es der Regierungsrat in seiner Antwort aufzeichnet. Feste Beiträge des Kantons für Öffentlichkeitsarbeit an die Parteien lehnt die CVP-Fraktion ab. Die einstimmige CVP-Fraktion ist für Nichterheblicherklärung der Motion. Schär, SVP: Die Fraktion der SVP lehnt die Motion einstimmig bei einer Enthaltung ab. Es ist klar, dass sich der Regierungsrat bei Wahlen grundsätzlich nicht einmischen darf. Davon macht er auch keinen Gebrauch. Bei Sachabstimmungen hingegen ist er gemäss § 17 des Gesetzes über das Stimm- und Wahlrecht sogar verpflichtet, die Gründe für Vorlagen, die dem Volk vom Regierungsrat und der Mehrheit des Parlamentes zur Annahme empfohlen werden, darzulegen und in einer Botschaft entsprechend zu erläutern. Bei Botschaften zu Initiativen und Referenden sind ebenfalls die wesentlichen abweichenden Auffassungen aufzuführen. Wie der Regierungsrat darlegt, ist es gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung unzulässig, private Komitees mit öffentlichen Geldern zu versorgen. Das ist voll und ganz im Sinne der SVP. Von diesem Grundsatz kann aber abgewichen werden, wenn das private Komitee vor allem von Vertreterinnen und Vertretern der Behörde gebildet wird. Auf den Kanton Thurgau bezogen sind das in der Regel Mitglieder einer grossrätlichen Kommission, insbesondere bei Referenden und Initiativen. Ich erinnere in diesem Zusammenhang an die Abstimmung über die Reduktion der Kreisämter im Grundbuch- und Notariatswesen. "Zum Wohle, aber praktisch ohne Kohle" hat sich das Pro-

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Komitee, bestehend fast ausschliesslich aus Mitgliedern der vorberatenden Kommission, für die Vorlage stark gemacht. Private Sponsoren waren für diese Vorlage naturgemäss keine zu finden, so dass wir schon sehr froh über die logistische und finanzielle Unterstützung des Regierungsrates im Betrag von Fr. 5'000.-- waren. Ohne diesen Betrag hätten die Komiteemitglieder und die Fraktionskassen noch mehr ausschütten müssen, unter anderem auch der Motionär und dessen Fraktion. Es ist aber wichtig und richtig, dass sich der Regierungsrat finanziell nur sehr zurückhaltend engagiert. Ihm bleibt eigentlich auch nichts anderes übrig; dafür sorgen schon die relativ bescheidenen Mittel, die ihm zur Verfügung stehen. Im Budget 2004 sind es zum Beispiel Fr. 30'000.--. Die SVP-Fraktion kommt wie der Regierungsrat zum Schluss, dass es im vorliegenden Fall keines neuen Gesetzes bedarf. Glatz, EVP: Die EVP/EDU-Fraktion geht mit dem Regierungsrat einig, dass Gesetze nur erlassen werden sollten, wenn sie wirklich nötig sind. Der Regierungsrat hat bei der Volksabstimmung zur Umwandlung der Thurgauer Kantonalbank in eine Aktiengesellschaft das Pro-Komitee nebst anderen Handreichungen pauschal mit Fr. 20'000.-- unterstützt. Das Mass vollends zum Überlaufen gebracht hat aber die Führungscrew der Thurgauer Kantonalbank, die das ProKomitee mit weiteren Fr. 50'000.-- direkt unterstützt und eigene Aktivitäten in mindestens derselben

Kostengrösse

unternommen

hat.

Nach

unserer

Betrachtung

sind

hier

Verhältnismässigkeit und Vernunft wirklich unter die Räder geraten. Es muss offensichtlich ein Riegel geschoben werden. Um weitere grosse Entgleisungen zu vermeiden, steht uns der Gesetzesweg offen. Möglich wären auch ausreichende verbindliche Erklärungen. Die Aussagen in der Motionsbeantwortung mögen uns da allerdings nicht zu genügen. Wie hätte sich wohl der Regierungsrat verhalten, wenn die Auseinandersetzung um das Schätzungswesen einer Volksabstimmung unterstellt worden wäre und dabei die Gebäudeversicherung das ihre Meinung vertretende Komitee mit Fr. 50'000.-- unterstützt hätte? Da der Regierungsrat nebst der recht freien Abfassung von Abstimmungsbotschaften die praktizierten Unterstützungsfreiheiten weiterhin anwenden will und die Gesetze über die öffentlich-rechtlichen Anstalten diesbezüglich keine ausdrücklichen Beschränkungen aufweisen, sehen wir uns gezwungen, gesetzliche Massnahmen zu fordern. Wir empfehlen deshalb, die Motion erheblich zu erklären. Dr. Haubensak, FDP: Die Antwort des Regierungsrates ist für die FDP-Fraktion überzeugend ausgefallen. Es ist bereits mehrfach erwähnt worden, dass nach der strengen Bundesgerichtspraxis die Werbung mit öffentlichen Geldern über ein privates Aktionskomitee in der Regel sowieso unzulässig ist. Nur wenn das Komitee überwiegend von Vertretern der Behörden gebildet wird, darf von diesem Grundsatz abgewichen werden. Soll man nun dieses "Löchlein" mit einer Ladung Paragraphen zubetonieren? Es ist zu beachten, dass in der heutigen medienorientierten Zeit das Informationsrecht der führenden Politiker und damit der Regierung immer wichtiger wird. Dem Regierungsrat kann nicht verboten werden, eine Vorlage, die ihm wichtig erscheint und die auch klar vom Parlament getragen wird, nicht nur verbal, sondern auch in bescheidenem Ausmass mit finanziellen Mitteln zu unterstützen. Wir wollen den Regierungsrat doch nicht zum poli-

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tischen Eunuchen degradieren, der bei wichtigen Vorlagen mit Ausnahme von verbalen Verlautbarungen nichts tun darf. Er soll nicht nur sein Herzblut vergiessen dürfen, sondern auch einige budgetierte Franken in ein Behördenkomitee investieren können. Er kann doch unsere Vorlagen, die vielfach auch seine Kinder sind, wenn wir sie nicht verändert haben, nicht einfach mit vornehmer Zurückhaltung im Stich lassen. Auch bei der Vorlage der Thurgauer Kantonalbank, die letztlich die Grundlage dieser Motion ist, haben die regierungsrätliche Meinung und diejenige der Mehrheit des Grossen Rates übereingestimmt. Der Regierungsrat hat nichts Verbotenes getan, er hat Gelder im Rahmen der vom Bundesgericht akzeptierten Möglichkeiten eingesetzt, die budgetiert waren. Die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger sind auch nicht unter Druck gesetzt worden. Sie waren mündig und haben entschieden. Die Motionäre ziehen auch noch den Bund heran, der in ihren Augen ein leuchtendes Beispiel ist. Sie vergessen dabei, dass beim Bund in ganz anderen Dimensionen Steuergelder für Abstimmungen eingesetzt werden. Es wurde beispielsweise allein im Vorfeld der EWR-Abstimmung für die behördliche Kommunikation im Abstimmungskampf durch das eidgenössische Parlament ein spezieller Nachtragskredit von fast 6 Millionen Franken bewilligt. Geht man davon aus, dass im Thurgau die Grössenverhältnisse etwa 3 % des Bundes ausmachen, müssten im Thurgau in dieser Rubrik zumindest Fr. 180'000.budgetiert werden. Es sind Fr. 30'000.--, also ein Bruchteil dessen. Wir haben es relativ einfach und können im Rahmen des Budgets Einfluss nehmen, indem wir den Budgetposten streichen, wenn Missbrauch betrieben wird. Es ist masslos übertrieben, wenn man glaubt, dass man mit Fr. 30'000.-- ein anderes Abstimmungsresultat erzielen könnte. Vergleiche mit Dr. Goebbels sind unangepasst und jenseits jeder Verhältnismässigkeit. Zusammenfassend kann dem Regierungsrat in diesem Zusammenhang attestiert werden, dass er bei Abstimmungsvorlagen bisher stets informiert hat und nie in Versuchung geraten ist, anstelle von Informationen billige Propaganda zu bieten. Eine gesetzliche Regelung für etwas, was bisher problemlos funktioniert hat, ist unnötig. Die FDP-Fraktion empfiehlt Ihnen einstimmig, die Motion nicht erheblich zu erklären. Strasser, SP: Ich danke dem Regierungsrat für die klare Beantwortung der Motion. Die Interventionen, auf die hier angespielt wird, dienten der politischen Meinungsbildung. Die Höhe der Beiträge wird über das Budget geregelt, und da besteht die Möglichkeit, darauf Einfluss zu nehmen. Im Übrigen nehmen sich die im Thurgau gesprochenen Beiträge sehr bescheiden aus. In Bezug auf die Abstimmung über die Thurgauer Kantonalbank muss noch einmal betont werden, dass auch entsprechende parlamentarische Beschlüsse vorgelegen haben. Ich bin einverstanden mit Kantonsrat Richard Peter, wenn er sagt, dass man zwischen Information und Werbung unterscheiden müsse. Das wird von regierungsrätlicher Seite auch gemacht. Eine grundsätzliche Änderung in diesem Bereich könnte ich höchstens darin sehen, dass man über eine Erhöhung der Parteienfinanzierung nachdenkt. Dann müssten auch solche Komitees über die Parteien finanziert werden, die für ihre Positionen einzustehen hätten. Die SP-Fraktion empfiehlt die Motion grossmehrheitlich zur Ablehnung.

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Vonlanthen, SVP: Die Bevölkerung hat ein Anrecht auf breite Information. Der Regierungsrat will informieren, das ist anerkennenswert. Nur geht es meines Erachtens hier nicht um Information, sondern um verdeckte Staatspropaganda. Das ist rechtlich und politisch höchst problematisch. Kein Mensch weiss, vor welchen Abstimmungen wie viel investiert wird. Wenn der Bürger in Zukunft immer wieder annehmen muss, dass bei wichtigen Abstimmungsvorlagen versteckte Staatspropaganda im Spiel sein könnte, wächst das Misstrauen in die politischen Organe. Das kann nur kontraproduktiv sein. Mit Fr. 30'000.--, die jährlich für diese Zwecke budgetiert werden, ist im Prinzip ohnehin nichts zu holen. Mit solchen Summen gewinnt man heute nicht einmal einen halben Nationalrat geschweige denn eine umstrittene Abstimmung wie jene über die Kantonsschule. Der Regierungsrat soll und kann seine Chancen anderweitig nutzen. Er könnte zum Beispiel erstens für attraktivere Abstimmungsbotschaften sorgen. Gute Ansätze haben wir jetzt bei den Unterlagen für die Kantonsratswahlen vorgefunden. Zweitens könnte er die kantonalen Informations- und Kommunikationsprofis gezielter einsetzen. Davon gibt es im Informationsdienst und in den einzelnen Departementen mindestens acht. Diese veranstalten zwar Medienanlässe am Laufmeter, im letzten Jahr waren es rund 50, aber das reicht offenbar noch nicht. Seit 2002 hat der Informationsdienst einen klar formulierten Leistungsauftrag in Sachen Information für den Regierungsrat. Notfalls muss man diesen Auftrag halt vor Abstimmungen erweitern. Der Regierungsrat könnte drittens kreative Aktionen planen. Herr Bundesrat Couchepin geht mit den Journalisten wandern, was erst noch gesund ist, Herr Bundesrat Schmid geht mit den Journalistinnen in die Luft, Frau Bundesrätin Calmy-Rey lässt mindestens ihren ganzen Charme spielen, und unsere Regierungsräte spielen mit Steuergeldern. Viertens könnte der Regierungsrat zum Beispiel auch selber einmal einen innenpolitischen Leserbrief mit 40 Zeilen schreiben, wenn ExNationalrat Ernst Mühlemann einen aussenpolitischen Bestseller mit 400 Seiten schreibt. Das ist kostenlos und wird erst noch sehr stark beachtet. Ich habe die Motion unterschrieben, doch gehe ich für sie sicher nicht durchs Feuer, denn ich will keine gesetzliche Regelung. Ich wünsche mir aber vom Regierungsrat, dass er die Fr. 30'000.-- aus dem nächsten Budget streicht und dafür sein kreatives Potential nutzt, damit der Bürger klar und korrekt informiert und nicht mit Steuergeldern manipuliert wird. Gubser, SP: Abstimmungskomitees manipulieren nicht, sie informieren und überzeugen mit den besseren Argumenten. Wir brauchen regierungstreue und nicht-regierungstreue Abstimmungskomitees. Beide leisten ihren Beitrag und sollten meiner Ansicht nach eine Unterstützung erhalten. Darum bin auch ich gegen Erheblicherklärung dieser Motion. Regierungsrat Dr. Schläpfer: Ich danke Ihnen für die überwiegend freundliche Aufnahme der Motionsbeantwortung und auch für die vielen Ratschläge und Anregungen. Wir werden sie prüfen und nehmen sie auch entsprechend ernst. Der Regierungsrat beantragt in seiner Beantwortung, die Motion nicht erheblich zu erklären. Ich möchte an dieser Stelle fünf Gründe gegen eine Erheblicherklärung anführen. 1. Kantonsrat Dr. Haubensak hat darauf hingewiesen, dass es eine ganz präzise Bundesgerichtspraxis gibt. Wie selten in einem Bereich hat das Bundesgericht sehr

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viele Entscheide gefällt, die den Handlungsspielraum klar festlegen. Bei Wahlen ist keine Einmischung erlaubt. Bei Abstimmungen soll die Einmischung über die Botschaft erfolgen, wobei abweichende Meinungen aufgenommen werden. Die Referendumskomitees haben die Chance, sich in der Abstimmungsbotschaft zu äussern. Die Botschaft hat Informationsfunktion. Zur Mitwirkung in privaten Komitees: Im Grundsatz ist die indirekte Werbung mit öffentlichen Geldern über ein privates Aktionskomitee unzulässig, weil die Behörde bei privaten Komitees keine hinreichende Kontrolle über die zweckkonforme Verwendung der öffentlichen Geldmittel und über die Wahrung der gebotenen Objektivität und Zurückhaltung hat. Von diesem ablehnenden Grundsatz kann nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung aber abgewichen werden, wenn das private Komitee überwiegend oder doch zu einem grossen Teil von Vertretern und Vertreterinnen der Behörden gebildet wird. Dann können die Behörden nämlich gerade durch diese Personen eine ausreichende Kontrolle der Aktivitäten des Komitees ausüben, so dass die finanzielle Unterstützung als solche nicht zu kritisieren ist. 2. Der Rechtsschutz des Bürgers und der Bürgerin ist durch die klare Bundesgerichtspraxis ausreichend gegeben. Man kann mit Beschwerden kostenlos bis vor Bundesgericht gehen, wenn man mit einem Abstimmungsverfahren nicht einverstanden ist. Jeder Einzelne kann das tun. Weil der Rechtsschutz so gut ist, ist ein Gesetz überflüssig. 3. Die finanziellen Mittel für einen allfälligen Einsatz bei Abstimmungskomitees sind eng begrenzt. Es sind Fr. 30'000.-- im Budget 2004 enthalten, der Grosse Rat kann diesen Betrag jedes Jahr neu festlegen. Ein Missbrauch ist schon vom Betrag her ausgeschlossen, was von Ihrem Rat auch betont worden ist. Der Grosse Rat kann jedes Jahr auf die Höhe Einfluss nehmen. 4. Der Regierungsrat möchte seine Führungsfunktion einerseits im Rahmen des Spielraumes, den das Bundesgericht ihm gibt, und andererseits im Rahmen dieser Fr. 30'000.-- wahrnehmen. Ich kann deshalb die Zusicherung, die Kantonsrat Dr. Wildberger verlangt hat, ausdrücklich nicht abgeben. Wir wollen auch keine grossen Stäbe bilden, wie das der Bund mit 20 bis 30 Informationsbeauftragten pro Departement macht. Wir haben nur einen Informationsbeauftragten im Regierungsrat und eine Informationsstelle, die gut funktioniert. Uns stehen bescheidene Mittel für die Information zur Verfügung. Zu Kantonsrätin Dr. Streckeisen: Wir wollen uns nicht hinter dem Recht verstecken. Das Rechtliche gibt uns aber den Rahmen, an den wir uns halten müssen und in dem wir uns bewegen können. 5. Man soll neue Gesetze nur machen, wenn sie absolut nötig sind. Ohne Not wollen wir keine weiteren gesetzlichen Reglementierungen. Angesichts der Bundesgerichtspraxis und des engen finanziellen Spielraumes, den Ihr Rat uns gegeben hat, ist ein Gesetz absolut überflüssig. Man kann diese Motion deshalb mit guten Gründen ablehnen. Diskussion - nicht weiter benützt.

Beschlussfassung Die Motion Streckeisen/Wildberger wird mit 91:13 Stimmen nicht erheblich erklärt.

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Interpellation Peter Gubser betreffend Unterstützung von Buch-Projekten durch den Kanton Thurgau

Wortlaut und Begründung (schriftliche, nicht vorgelesene Ausführungen) In den letzten Jahren hat der Kanton Thurgau verschiedene Buchprojekte ganz unterschiedlich unterstützt. Dem Regierungsrat stellen wir darum folgende Fragen: 1.

Welche Buch-Projekte wurden in den letzten zehn Jahren mit welchen Geldbeträgen vom Kanton Thurgau direkt über die Staatskasse oder indirekt über den Lotteriefonds oder die Kulturstiftung unterstützt? (Bitte unter Angabe von Autoren und Verlagen.)

2.

Welches Konzept verfolgt der Kanton Thurgau bei der Unterstützung von Buch-Projekten?

3.

Wie grenzen sich Kulturstiftung einerseits und Kanton/Kulturkommission/Lotteriefonds andererseits gegeneinander ab, das heisst welche Art von Projekten wird von welcher Stelle unterstützt?

4.

Teilt der Regierungsrat meine Meinung, dass die Unterstützung von Kultur-Projekten im Prinzip nicht von der politischen Ausrichtung des Autors abhängig sein sollte?

5.

Wie kann der Regierungsrat gewährleisten, dass inskünftig auch Projekte unterstützt werden, die mit unserem Kanton und ihren Repräsentanten kritisch umgehen?

Im Zusammenhang mit dem bis heute nicht unterstützten Buch-Projekt "O Thurgau" von Markus Schär stellen sich einige Fragen zur Kulturförderung in unserem Kanton. Dabei gilt es, sich Gedanken zu machen, welche Gründe für oder gegen eine Unterstützung eines Projektes sprechen. Beim Fehlen von Grundsätzen sind der Willkür Tür und Tor geöffnet. Beantwortung (schriftliche Beantwortung siehe Anhang zum Protokoll) Präsident: Der Interpellant hat das Wort zu einer kurzen Erklärung. Gubser, SP: Ich danke dem Regierungsrat für die Beantwortung meiner Interpellation und dem Büro des Grossen Rates für die Traktandierung. Ich gehe davon aus, dass noch andere Ratsmitglieder etwas zu einem Aspekt der Kulturpolitik unseres Kantons sagen möchten, und beantrage darum Diskussion. Abstimmung: Diskussion wird mehrheitlich beschlossen.

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Diskussion Gubser, SP: Die Antwort des Regierungsrates auf meine Interpellation zeigt umfassend, welche Buchprojekte in den vergangenen Jahren unterstützt worden sind. Ich bin sehr dankbar für diese Liste, die sehr aufschlussreich ist. Da kann man zum Beispiel herausfinden, dass das dickste Buch wohl auch am meisten unterstützungswürdig ist. Ich meine das mit Fr. 200'000.-- unterstützte Buch "Napoleon im Spiegel der Karikatur", das ein solcher Renner geworden ist, dass in den letzten Monaten auch sämtliche Schulhäuser und Bibliotheken mit diesem wichtigen thurgauischen Werk bedient worden sind. Weiter kann man staunen, wenn es in der Antwort des Regierungsrates heisst: "Ausschlaggebend ist die Qualität eines Projektes, seine Bedeutung für den Kanton sowie dessen Kostenrahmen" und der Kanton auch das Zeitprojekt mit dem Titel "Die kalifornische Sängerin" unterstützt, bei dem es sich um eine littauische Übersetzung handelt. Ich schätze da den Bezug zum Thurgau als relativ gering ein. Man kann immer über die Qualität eines Werkes streiten und auch geteilter Meinung sein über die Bedeutung eines Werkes für den Kanton. Wichtig scheint mir einfach, dass die Öffentlichkeit die Möglichkeit bekommt, darüber zu diskutieren und sich allenfalls auch darüber zu äussern. Die Unterstützungspraxis des Kantons verlangt meines Erachtens nach gewissen Richtlinien, und zwar konkreteren als bloss die Aussage, dass Qualität und Bedeutung für den Kanton ausschlaggebend seien. Ich hoffe, dass der neue Kulturbeauftragte auch zu dieser Überzeugung gelangt und sich das Geld nachher nicht mehr so einseitig auf Bücher konzentriert, die meiner Ansicht nach für unseren Kanton keine grosse Bedeutung haben. Für die Zukunft wünsche ich mir eigentlich auch, dass etwas mehr an unser Jahrhundert und an die jüngeren Leute gedacht wird. Das Buch "Thurgauer Ahnengalerie", das ich als Kantonsrat erhalten habe, wird wohl jahrelang bis zu meiner Pensionierung irgendwo in einer Ecke meiner Wohnung liegen. Viel mehr interessiert mich ein Buch über Hans Keller, den jungen Studenten aus Frauenfeld, oder über Evelyn Müller, die junge Bauerstochter vom Seerücken. Das gäbe neue Impulse, neue Überlegungen. Bosshard, CVP: Die Antwort des Regierungsrates beinhaltet eine ausführliche Liste der berücksichtigten Buchprojekte. Die Frage nach dem Konzept bei der Unterstützung von Projekten beantwortet der Regierungsrat mit drei Bemessungskriterien für die Festlegung der Höhe der Beiträge. Einerseits können die angegebenen Verlags- und Druckkosten, ganz allgemein die Kosten der zu erwartenden Einnahmen und Ausgaben, sachlich recht genau beurteilt werden. Wie steht es aber mit dem Bemessungskriterium "Qualität des Inhaltes"? In der Verordnung über die Verwendung der Mittel aus dem Lotteriefonds wird unter § 2 unter anderem ein Projektbeschrieb verlangt, der namentlich eine Umschreibung des Inhaltes und Angaben zur Umsetzung enthält. Aus diesen Angaben auf die Qualität des Inhaltes zu schliessen, lässt doch mindestens eine subjektive Beurteilung zu. Die grosse Vielfalt der unterstützten Buchprojekte zeigt aber, dass der eingeschlagene Weg richtig ist. Es wird eine Grosszügigkeit gelebt, die einer verschiedenartigen, breiten Gesinnungsebene gerecht wird. Die Fachexperten des Kulturamtes sind zuständig für die Qualitätsbeurteilung. Sie können Beiträge bis Fr. 5'000.-- selber sprechen. Unterstützungen bis

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Fr. 10'000.-- müssen nach dem Antrag der Fachexperten bereits die Hürde des Departementes nehmen und höhere Beträge bewilligt erst der Regierungsrat. Für einen Willkürentscheid besteht hier tatsächlich kein Spielraum. Die CVP-Fraktion ist der Meinung, dass eine lange Diskussion nicht verhältnismässig ist. Abschliessend sei noch eine Bemerkung zum Thema "Schutz der persönlichen Sphäre" erlaubt: Es erstaunt etwas, mit welcher Selbstverständlichkeit der Regierungsrat der Aufforderung von Ratskollege Peter Gubser nachkommt und detailliert Auskunft erteilt, welche Autoren wie viel Geld für ihre Werke erhalten. Kommt demnächst vielleicht die Aufforderung eines Interpellanten zur Offenlegung der Stipendienbezüger? Dr. Hansjörg Lang, FDP: Die FDP-Fraktion begrüsst die klare Stellungnahme des Regierungsrates und auch die Darlegung der Mechanismen bei der Förderung und materiellen Unterstützung von Autoren. Zu Unzufriedenheit führt wohl vorwiegend, dass Autoren die Tendenz haben, ihr Werk zu überschätzen, besonders dann, wenn sie lange daran gearbeitet haben, was kein Qualitätskriterium ist. Ich habe vom Buch, das Kantonsrat Gubser anspricht, nur wenige Seiten gelesen. Auf diesen habe ich aber die Fakten gekannt, und ich habe festgestellt, dass der Autor Tatsachen, die an sich stimmen, so in den Zusammenhang stellt und fantasievoll interpretiert, dass sie gelinde gesagt die Wahrheit verzerren. Dass die Fachexperten solche Qualitätsmängel entdeckt und diesem Buch die Unterstützung verweigert haben, zeigt, dass sie ihre Aufgabe sehr sorgfältig und gründlich erfüllen und sich bemühen, wirklich nur Qualität zu unterstützen. Das Vertrauen in ihr Urteilsvermögen ist in unserer Fraktion vorhanden, und wir bedauern lediglich, dass der Regierungsrat nicht mit der gleichen Sorgfalt vorgegangen ist und sich Geld aus dem Lotteriefonds hat abknüpfen lassen. Es ist jedem unbenommen, ein Buch zu schreiben. Geld aus der Kulturstiftung oder direkt aus dem Lotteriefonds sollte aber nur fliessen, wenn die Qualität stimmt und nicht, weil das Buch den Namen des Kantons im Titel trägt. Walter Keller, SVP: Die Antworten des Regierungsrates auf die Fragen des Interpellanten sind umfassend und zeigen die Unterstützungspraxis auf. Bemerkenswert ist, dass im Kanton Thurgau in den letzten zehn Jahren 3,3 Millionen Franken aus dem Lotteriefonds an Buchprojekte ausgerichtet worden sind. Diese Summe widerspiegelt, dass die Sparte Literatur angemessen unterstützt und gefördert wird. Der Interpellant erkundigt sich in Frage 2 nach dem Konzept, nach welchem Buchprojekte unterstützt werden. Projekte werden nicht nach einem Konzept, sondern nach festgelegten Qualitätskriterien beurteilt. In einem Konzept könnte man - ich zitiere den Interpellanten - im Prinzip politische Ausrichtungen des Gesuchstellers einbeziehen. Wie aber dargelegt, werden Gesuche bei allen Sparten nach Qualitätskriterien beurteilt. Oder können Sie sich politisch gefärbte klassische Musik vorstellen? Oder politisch gefärbten Tanz? Einen politischen Tanz führen wir höchstens im Grossratssaal auf. Die "Kulturtäter", wie sie sich selbst liebevoll nennen, geniessen bei ihrem Schaffen uneingeschränkte Freiheiten, was auch so sein soll. Beurteilungsinstanzen von Projekten hingegen haben diese Narrenfreiheit nicht, sondern müssen sich an die Qualitätskriterien halten. Diese Beurteilung führt dazu, dass etliche Gesuche nicht nach den Vorstellungen der Antragsteller entschieden werden. Dass die politische Gesin-

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nung eines Gesuchstellers keinen Ablehnungsgrund darstellt, zeigt ganz deutlich die Liste der unterstützten Projekte. Es sind alle Schattierungen von Autoren vertreten. Ich meine sogar, dass die von Kantonsrat Gubser als benachteiligt angesehenen auf der Liste recht gut vertreten seien. Egli, GP: Ich möchte vorab meiner Freude darüber Ausdruck geben, dass in den letzten Jahren 282 Buchprojekte unterstützt worden sind und der Kanton dafür über 3 Millionen Franken ausgegeben hat. Die Liste der Publikationen zeigt eine überraschende Vielfalt. Sie zeigt, dass Thurgauerinnen und Thurgauer forschen, philosophieren, denken und man im Thurgau sogar dichtet. Ich habe bewusst "man" gesagt. Sie werden sehen, dass man sich dieses Wort mit zwei "nn" denken muss, denn von den 282 Buchpublikationen stammen nur gerade 29 von Frauen. Ich unterstelle dem Kulturamt nicht Frauenfeindlichkeit, sondern möchte Thurgauerinnen ermutigen, ebenfalls zu forschen, zu denken und zu philosophieren und ihre Gedanken zu Papier zu bringen. Ich bin sicher, dass ihre Bemühungen belohnt werden. Es ist mir ebenfalls aufgefallen, dass die historischen Werke einen sehr grossen Anteil ausmachen. 119 Bücher behandeln historische Themen, und sie werden auch mit den grössten Beiträgen unterstützt, im Durchschnitt mit Fr. 16'000.-- pro Werk. Demgegenüber gibt es nur 38 Sachpublikationen. Sie sind etwas billiger für den Kanton und werden mit Fr. 14'000.-- unterstützt. Die literarischen Buchprojekte kosten den Kanton am wenigsten. Es sind insgesamt 49, und es darf uns nicht wundern, dass darunter die meisten Frauen zu finden sind. In der regierungsrätlichen Verordnung über die Verwendung der Mittel aus dem Lotteriefonds steht, dass Leistungen bezogen werden können für Vorhaben, die für den Kanton, die Bodenseeregion oder die gesamte Schweiz von Bedeutung sind, vor allem solche, die eine Beziehung zum Kanton haben. Nicht allein die Inhalte schaffen aber einen Bezug zum Kanton, sondern es sind auch die Menschen. Ich meine darum, dass die regierungsrätliche Verordnung dahingehend ergänzt werden müsste, dass Thurgauerinnen und Thurgauer, die denken, forschen, dichten und philosophieren, ausdrücklich erwähnt und unterstützt werden. Thurgauerinnen und Thurgauer sollen in ihrer Thematik nicht zu sehr eingeengt werden. Sie sollen über alles schreiben dürfen. Hauptsache ist, dass die Qualität stimmt. Ich bin der Meinung, dass wir Thurgauerinnen und Thurgauer brauchen, die den Thurgau denken, aber auch solche, die über den Thurgau hinaus denken. Stricker, GP: Ich gehöre offenbar zu jenen Autoren, deren Intimssphäre mit der Publikation der Sponsorenbeiträge durch den Regierungsrat verletzt worden ist. Es macht mir nichts aus, denn dieses Geld ging nicht in meinen Hosensack, sondern an den Verlag, der die Bücher publiziert hat. Ich habe auch festgestellt, dass das ganze Sponsorengeschäft eine sehr unangenehme Sache ist, weil in der Regel eben der Autor verpflichtet wird, Sponsorengesuche an den Regierungsrat und an weitere Institutionen zu richten. Ich kann aber sagen, dass das Ganze korrekt abläuft, indem diese Institutionen untereinander Fühlung aufnehmen, währenddem noch vor fünfzehn Jahren die eine Institution nicht wusste, was die andere gab. Davon konnte man in einem ungeahnten Mass profitieren, was heute nicht mehr der Fall ist. Die Gelder werden korrekt verteilt. Kantonsrat Dr. Hansjörg Lang hat ausgeführt, dass er einige Seite jenes Buches gelesen

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habe, das nicht gesponsert worden ist. Ich habe das ganze Buch gelesen. Es ist vergnüglich und süffig geschrieben, und verletzt wird in diesem Buch wirklich niemand. Hingegen wurde das letzte Jahr ein Werk gesponsert, das unseren Kanton nicht gerade in ein gutes Licht rückt. Ich meine die Thurgauer Wanderkarte. Wir haben landschaftliche Veränderungen im Thurgau hinter uns, die sehr gravierend sind (Girsbergtunnel, Zollhof, Anpassungen im Zusammenhang mit der A 7 und den Zuleitungsstrassen). Davon ist auf besagter Wanderkarte kein Strich zu sehen. Ich finde es schade, dass man ein Werk sponsert, das unseren Kanton in einem Zustand zeigt, wie er vor zehn Jahren war, und alles, was in der Zwischenzeit passiert ist, einfach ignoriert. Regierungsrat Koch: Aus unserer Antwort geht hervor, dass die Grundlagen einerseits in der Verfassung und andererseits im Gesetz absolut klar sind. Der Interpellant fordert konkretere Kriterien. Da rennt er bei uns offene Türen ein. Wir werden in Kürze unser Kulturleitbild veröffentlichen und damit die Qualitätsmerkmale allgemeiner Natur, aber auch ganz speziell für die einzelnen Bereiche (bildende Kunst, Film, Geschichte, historische Sammlungen usw.) und selbstverständlich auch für die Literatur öffentlich machen. Das zeitgenössische Schaffen wird durch die Kulturstiftung immer wieder gefördert. Das ist ein Auftrag der Kulturstiftung. Die kulturellen Beiträge müssen auch in Zukunft öffentlich sein. Wer einen Beitrag von uns möchte, soll auch dazu stehen. Auch beim von Kantonsrat Dr. Hansjörg Lang angesprochenen Buchprojekt haben wir selbstverständlich die Sorgfaltspflicht angewendet. Wir sind befriedigt über Ihre Diskussion. Sie haben ebenfalls festgestellt, dass alles absolut korrekt abläuft. Bei der Zusprache kultureller Beiträge gibt es im Kanton Thurgau keinen Filz. Diskussion - nicht weiter benützt. Präsident: Das Geschäft ist damit erledigt.

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Gesetz über die familienergänzende Kinderbetreuung

Eintreten Präsident: Den Kommissionsbericht zu diesem Geschäft haben Sie vorgängig erhalten. Für die Tribünenbesucher liegen Kopien des schriftlichen Kommissionsberichtes auf. (Schriftliche, nicht vorgelesene Ausführungen) Zusammensetzung der Kommission: Ruth Rechsteiner, Sirnach (Präsidentin); Max Brunner, Weinfelden; Ursula Dünner, Arbon; Armin Eugster, Bürglen; Markus Hausammann, Langrickenbach; Christian Lohr, Kreuzlingen; Ruth Mettler, Wilen; Richard Nägeli, Frauenfeld; Madlen Neubauer, Erlen; Elsbeth Odermatt, Sonterswil; Liselotte Peter, Kefikon; Ernst Schlaginhaufen, Bischofszell; Isabella Stäheli, Eschlikon; Christa Thorner, Frauenfeld; Stephan Tobler, Roggwil; Dr. Regula Streckeisen, Egnach (Beobachterin). Vertreter des Departementes: Regierungsrat Bernhard Koch, Chef DEK; Heinrich Lang, Generalsekretär DEK; Markus Dörig, Leiter Rechtsdienst DEK, Protokoll. Die vorberatende Kommission behandelte die Gesetzesvorlage in fünf Sitzungen und dankt den Vertretern des Departementes für die Begleitung der Verhandlungen. Die vorberatende Kommission - ist einstimmig auf die regierungsrätliche Vorlage eingetreten; - hat die Kommissionsfassung nach 2. Lesung mit 8 Ja-Stimmen ohne Gegenstimme und mit 5 Enthaltungen genehmigt. Zurzeit gibt die demografische Entwicklung in der Schweiz viel zu reden. Seit der grossen Grippeepidemie im Kriegsjahr 1918 war die Geburtenrate noch nie so tief. Gerade noch 1,2 Kinder werden pro Schweizerin geboren. Auf der anderen Seite nimmt die Zahl der alten Menschen rasant zu. Man mag von diesem gesellschaftlichen Strukturwandel halten was man will - er findet auf jeden Fall statt. Es ist Aufgabe von Politikern und Politikerinnen, darauf zu reagieren. Vor knapp fünf Jahren wurde die Motion zur Schaffung von familienergänzenden Kinderbetreuungsplätzen eingereicht, und vor mehr als drei Jahren erteilte der Grosse Rat dem Regierungsrat den Auftrag, einen entsprechenden Gesetzesentwurf auszuarbeiten. In dieser Zeit hat sich gesamtschweizerisch - aber auch in unserem Kanton - diesbezüglich viel bewegt. Vor allem die vom Bundesparlament beschlossene Anstossfinanzierung war Anreiz, neue Krippenplätze zu schaffen. Im Kanton Thurgau werden familienergänzende Betreuungsplätze vor allem auf privater Basis gefördert und eingerichtet. In einzelnen Gemeinden arbeiten die Politische und die Schulgemeinde zusammen oder es werden private Initiativen unterstützt und gefördert. Ausser im Kanton Luzern gibt es in allen Kantonen Gesetze oder Vorstösse in den Bereichen familienergänzende Massnahmen oder Blockzeiten (Bericht und Gesetzesentwurf vom 29. Oktober 2002 des DEK). Diese sehen in der Regel vor, die Schaffung und den Betrieb in irgendeiner Form zu finanzieren. In zehn Kantonen laufen Gesetzesprojekte, mit denen eine Neurege71/24

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lung angestrebt wird oder die bestehende Regelung ausgebaut werden soll. Dem Regierungsrat stand für die Erstellung der Botschaft und des Gesetzesentwurfes über die familienergänzende Kinderbetreuung ein umfassender Bericht einer Arbeitsgruppe, zusammengesetzt aus Fachleuten des Departementes für Erziehung und Kultur, des Departementes für Finanzen und Soziales, des Departementes für Justiz und Sicherheit sowie des Departementes für Inneres und Volkswirtschaft, zur Verfügung. Der Regierungsrat nahm die Empfehlungen dieser Arbeitsgruppe in seiner Botschaft weitgehend auf und hat, entsprechend dem Motionsauftrag, einen Gesetzesentwurf mit verpflichtendem Charakter und der Mitfinanzierung des Kantons ausgearbeitet. Der tiefgreifende Strukturwandel im Bereich von Familie, Arbeit und Ausbildung verlange nach neuen Gesetzesgrundlagen. Er nennt in seiner Botschaft vor allem drei Bereiche dieses Strukturwandels: - Immer mehr junge Familien mit Kindern bekunden Mühe, ihren Unterhalt aus eigener Kraft zu erwirtschaften. Viele Alleinerziehende machen oftmals die gleiche Erfahrung. Der Versuch, die finanziellen Probleme durch vermehrte Arbeit zu überwinden, scheitert oftmals an den fehlenden Möglichkeiten zur Kinderbetreuung während den Arbeitszeiten. - Die persönliche Bedeutung von Arbeit und Ausbildung hat generell zugenommen. Die Bereitschaft zur Aufgabe der erlangten beruflichen Stellung hat gleichzeitig abgenommen. Familiengründungen werden daher oftmals hinausgezögert. Die schwierige Vereinbarkeit von Arbeit und Familie lässt immer mehr Leute den Wunsch nach Kindern zurückstellen. - Die Verbindung von Familie und Arbeit ist schwieriger geworden. Die früher oftmals vorhandene Möglichkeit der Kinderbetreuung im Verwandten- und Bekanntenkreis spielt heute nur noch in vermindertem Mass. Wirtschaftsverbände haben die Bedeutung von familienergänzenden Kinderbetreuungsplätzen ebenfalls erkannt und setzen sich dafür ein. Politik und Wirtschaft sind sich zudem einig, dass ein gut ausgebautes familienergänzendes Betreuungsangebot einen Standortvorteil für den Kanton darstellt und dessen Wettbewerbsfähigkeit erhöht. Bei der engagiert geführten Eintretensdebatte war das Eintreten von allen Kommissionsmitgliedern von Anfang an unbestritten. Alle waren sich einig, dass eine Gesetzesgrundlage geschaffen werden sollte. Allerdings ging der regierungsrätliche Entwurf der klaren Kommissionsmehrheit zu weit. Der verpflichtende Charakter und die finanzielle Beteiligung des Kantons wurden von der klaren Mehrheit der Kommission abgelehnt. Ein genereller Anspruch auf ein Angebot dürfe nicht bestehen. Zudem müsse sich die Unterstützung durch die öffentliche Hand auf Härtefälle beschränken. Das Angebot müsse bedürfnisorientiert ausgerichtet sein und auf bestehenden Strukturen aufbauen. Ein neues Gesetz müsse Strukturen schaffen, die für Alleinerziehende, für Familien, in denen beide Elternteile berufstätig seien, und für sozial Schwächere eine Entlastung bringe. Frauen dürften nicht länger als Konjunkturpuffer herhalten. Auch die Bedeutung der sozialen Verankerung der Kinder wurde hervorgehoben. Eine gute Betreuung erhöhe die Startchancen der Kinder, was auch die Ausführungen und Kenndaten von Regierungsrat Bernhard Koch untermauerten. Seit der Pisa-Studie sei klar, dass gute Betreuungsangebote ein Schlüssel für gute Bildung seien. Ob allenfalls die konsequente 71/25

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Einführung von Blockzeiten die Lösung des Problems bringe, wurde ebenfalls engagiert diskutiert. Der Regierungsrat betonte jedoch, dass Blockzeiten keine Alternativen zum Gesetz über die familienergänzende Kinderbetreuung sein, sondern lediglich als Ergänzung in Betracht gezogen werden könnten. Die hohen Kosten bei der flächendeckenden Einführung von Blockzeiten Schätzzahlen gehen von bis zu 14 Millionen Franken aus - liessen die Diskussion darüber aber bald versiegen. Die Kommission war einstimmig für Eintreten, doch die Meinungen über die Ausgestaltung des Gesetzes gingen weit auseinander: Die Kommissionsminderheit wünschte gemäss Motionsauftrag ein flächendeckendes, verbindliches Angebot, unter Mitwirkung von Kanton und Gemeinden. Die klare Kommissionsmehrheit trat für ein flexibles Fördergesetz ohne finanzielle Beteiligung des Kantons ein. Die Kommission empfiehlt einstimmig Eintreten auf die Vorlage. Präsident: Die Präsidentin der vorberatenden Kommission hat das Wort für ihre Anmerkungen zur schriftlichen Fassung des Eintretensreferates. Kommissionspräsidentin Rechsteiner, SP: Auch ich habe mich über die gute Nachricht unseres "Finanzdirektors" gefreut. Zum fünften Mal in Folge schliesst die Thurgauer Staatsrechnung mit einem Ertragsüberschuss ab; für 2003 beträgt dieser 11,3 Millionen Franken, und das, nachdem unser Rat bekanntlich den Staatssteuerfuss um 5 % gesenkt hat. Im Sparen sind wir offensichtlich Meister. Politisches Handeln bedeutet aber mehr, als darüber zu wachen, dass die Kasse stimmt. Das ist zwar auch wichtig, doch gilt es in erster Linie, das zur Verfügung stehende Geld so einzusetzen, dass es zum Wohl von allen dient. So wenigstens verstehe ich meine Aufgabe als Kantonsrätin. Schon mehrfach wurde gerade aus Wirtschaftskreisen darauf hingewiesen, dass jeder Franken, der in gute Rahmenbedingungen wie beispielsweise in die familienergänzende Kinderbetreuung investiert wird, um ein Mehrfaches zurückkommt. Ich freue mich nicht nur über die gute Finanzlage unseres Kantons, sondern auch darüber, dass nach fast fünfjähriger Arbeit meine Motion über ein Gesetz zur familienergänzenden Kinderbetreuung in diesem Rat diskutiert wird. In einem zähen Ringen an fünf Sitzungen kam die Ihnen vorliegende Kommissionsfassung zustande. Die klare Kommissionsmehrheit konnte sich von allem Anfang an nicht mit dem regierungsrätlichen Entwurf anfreunden. Dieser sieht ein verbindliches Gesetz zur Schaffung von flächendeckenden Betreuungsangeboten mit finanzieller Beteiligung des Kantons vor. Damit wäre der Motionsauftrag erfüllt worden. Wie bereits im Kommissionsbericht vermerkt, wurde der Kommission von FDP- und SVP-Mitgliedern ein Gegenentwurf präsentiert, der im Wesentlichen ein Fördergesetz ohne verbindlichen Charakter enthielt. Auf die Bitte der klaren Kommissionsmehrheit war Regierungsrat Koch bereit, sein Departement damit zu beauftragen, einen auch in juristischer Hinsicht hieb- und stichfesten Entwurf auf der Grundlage der Förderung zu erarbeiten. Dieses Vorgehen war auch langjährigen Kantonsrätinnen und -räten nicht bekannt. Der Entwurf des Departementes für Erziehung und Kultur bildete dann die Grundlage für die Kommissionsberatungen. Die Kommission war sich von allem Anfang an einig, dass ein Gesetz

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geschaffen werden müsse, allerdings gingen die Meinungen über die Verbindlichkeit und die Finanzierung weit auseinander. Die vorliegende Kommissionsfassung beinhaltet ein Fördergesetz ohne finanzielle Beteiligung des Kantons. Diese Fassung wurde nach 2. Lesung mit 8 JaStimmen ohne Gegenstimme und mit 5 Enthaltungen verabschiedet. Ich freue mich nun auf die Debatte im Rat und hoffe, dass unseren Kindern und den Familien mindestens die gleich grosse Aufmerksamkeit geschenkt wird wie den Zivilstandsämtern. Die familienergänzende Kinderbetreuung ist nicht nur für die Kinder, die Eltern oder die Wirtschaft ein brennendes Problem, sondern für die ganze Gesellschaft. Die Erwerbsquote von Thurgauerinnen ist mit 74 % überdurchschnittlich hoch. Aber: Jede dritte, gut ausgebildete Frau verzichtet heute schon auf Kinder, weil sie Beruf und Familie wegen der schlechten Rahmenbedingungen nicht miteinander vereinbaren kann. Ein zu denken gebender Geburtenrückgang ist die Folge. Kinder zu haben, bedeutet Glück und Freude, aber sie sind auch teuer. Noch teurer kommt es die Gesellschaft zu stehen, wenn immer weniger Kinder auf die Welt gebracht werden. Freuen wir uns über den guten Abschluss der Staatsrechnung 2003, doch denken wir während der Debatte auch daran, dass Geld allein nicht glücklich, sondern im Gegenteil unglücklich macht. Liselotte Peter, SVP: Die Diskussion über die familienergänzende Kinderbetreuung dauert nun schon einige Jahre, auch bei uns im Thurgau. Mit der Verabschiedung des vorliegenden Gesetzesentwurfes kann, so hoffe ich, auf Kantonsebene endlich ein Schlussstrich gezogen werden unter ein Thema, das sehr emotional geführte Diskussionen gebracht und sich zum Dauerbrenner in den Wahlwerbungen der verschiedensten Parteien entwickelt hat. Die SVP hat sich seit jeher gegen ein flächendeckendes, staatlich verordnetes Angebot gewehrt, weil wir die Betreuung der Kinder in einer intakten Familie nach wie vor als die beste ansehen und vor allem diese zu fördern wäre. Die Wärme und das Vertrauen im familiären Umfeld sind durch keine noch so professionelle und wohlmeinende familienergänzende Kinderbetreuung zu ersetzen. Wir sind auch deshalb gegen ein einheitliches Betreuungsangebot, weil wir die Familienbetreuung und privat organisierte Lösungen so wenig als möglich mit staatlich subventionierten Angeboten torpedieren wollen. Wir sind gegen einheitliche Vorgaben, weil der Einfluss einer kantonalen Lösung mit Sicherheit zu einer unnötigen Verteuerung führen würde und weil wir keine zusätzlichen Bedürfnisse schaffen wollen. Bei den Beratungen zum vorliegenden Gesetz haben sich die Kommissionsmitglieder der SVP-Fraktion, die notabene alle auf Gemeindeebene tätig sind, auf den Standpunkt gestellt, dass es wohl nicht mehr ganz ohne familienergänzende Kinderbetreuung geht. Die vielen bestehenden Angebote sprechen da eine klare Sprache. Klar war aber auch, dass der Grundsatz "wer zahlt, befiehlt" wenigstens in diesem Bereich durchgesetzt werden muss. Wir können nicht immer von Aufgabenentflechtung zwischen Kanton und Gemeinden sprechen und uns bei der nächstbesten Gelegenheit aus der Verantwortung stehlen. Die regierungsrätliche Vorlage hat diesem Grundsatz nicht entsprochen. Ohne Zweifel gehört der Aufgabenbereich der familienergänzenden Kinderbetreuung auf die Stufe der Gemeinde. Mit dem nun vorliegenden Fördergesetz wird zudem ein weiteres Anliegen unserer Partei in die Tat umgesetzt, dass nämlich der Staat nur subsidiär Einfluss nehmen soll, indem er dort Angebote fördert,

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wo auch ein Bedarf besteht. Die Gemeinden können entscheiden, welches Angebot sie in welchem Umfang fördern möchten, wenn Bedarf besteht, und wo sie mit den Nachbargemeinden zusammenarbeiten wollen. Eine gesunde Konkurrenz der Gemeinden um Standortvorteile in diesem Bereich kann zu einem vielfältigen Angebot an Betreuungsmöglichkeiten führen, was ich als durchaus sinnvoll ansehe. Die Erziehungsberechtigten werden zudem nicht aus der Verantwortung entlassen, sondern müssen sich ebenfalls engagieren. Die Kommission, auch die Kommissionsmehrheit, hat ihre Arbeit sehr ernst genommen und eine Vorlage kreiert, die als gut thurgauischer Kompromiss von vielen getragen werden kann. Am Ende bringt dies mehr als flächendeckende Zwängerei. Die SVP-Fraktion erklärt sich mit dem von der Kommission erarbeiteten Vorschlag einverstanden. Sie wird sich aber bei allfälligen grösseren inhaltlichen Veränderungen vorbehalten, auf ihren jetzigen Entschluss zurückzukommen. Wir sind für Eintreten auf die Vorlage. Neubauer, CVP: Die aktuelle Legislatur ist bald zu Ende. In diesen vier Jahren hat unser Rat diverse Male Grundsatzdebatten geführt und zu einzelnen Details der Familienpolitik diskutiert. Die CVP hat verschiedenste Male die Bedeutung der Familien in ihrer Vielfältigkeit und im Kontext mit den Veränderungen in der Gesellschaft dargestellt und in die Entscheide mit einbezogen. Wir haben auch konkret Anträge im Bereich der Familienförderung unterstützt, Vorstösse eingereicht und durchgesetzt. Mit dem Gesetz über familienergänzende Kinderbetreuung geht es jetzt quasi um die Wurst. Der Regierungsrat hat seine Hausaufgaben hervorragend gemacht und verdient unsere Anerkennung. In der Kommission wurde das Wasser heiss gekocht, und die grosse Wurst wurde gleich wieder aus dem Wasser geholt. Mit dem vorliegenden Fördergesetz müssen wir uns mit einer kleineren Wurst begnügen. Die zentrale Frage ist, ob an dieser Wurst etwas dran ist oder ob sie bald platzen wird. Die Mehrheit der CVP-Fraktion sieht, dass das dran ist, was heute im Kanton Thurgau eine Chance hat, in bescheidenem Ausmass, mit dem Grundsatz der Subsidiarität. Wichtig ist für uns, dass bei Bedarf gefördert werden muss. Eine Gemeinde kann sich mit diesem Gesetz nicht mehr aus der Verantwortung ziehen. Das Fördergesetz gibt auch Anreiz zu einem gewissen Wettbewerb unter den Gemeinden. Eine Tagesschule ist zum Beispiel ein Standortvorteil. Ein Minimalgesetz zwingt alle, an der Familienförderung dran zu bleiben, ein Maximalgesetz hat in unserem Kanton offensichtlich keine Chance. Unsere Familien und die Kinder brauchen jetzt eine Förderung, die auf Vorarbeiten, die bereits angelaufen sind, aufbaut. Es dient den Familien nicht, die öffentliche Förderung mit dem Verwerfen der Maximalvariante ad acta zu legen. Mit dem Fördergesetz sollen aber die Diskussion und das Ringen um gute Lösungen auf keinen Fall beendet werden, wie dies Kantonsrätin Liselotte Peter angedeutet hat. Die CVP wird die Entwicklung immer aufmerksam und kritisch weiterverfolgen. Sie ist für Eintreten. Einzelne Fraktionsmitglieder behalten sich vor, in der Detailberatung Anträge zu mehr Verbindlichkeit zu stellen oder solche zu unterstützen. Dr. Streckeisen, EVP: Den Anfang des Votums von Kantonsrätin Liselotte Peter hätte ich wörtlich unterschreiben können. Auch die EVP/EDU-Fraktion möchte die intakten Familien stärken.

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Nur, wie gelingt uns das? Wir lenken deshalb den Blick vermehrt auf diejenigen Kinder, die unterbetreut sind. Leider sind es viele. Es ist unbedingt nötig, auf sie zu blicken und ihnen zuliebe Massnahmen der familienergänzenden Betreuung zu schaffen. Sie sind sehr wichtig zur Prävention von kindlichen Entwicklungsstörungen und helfen deshalb mit, spätere Kosten zu sparen. Die jetzt vorliegende Gesetzesfassung kommt uns allerdings wie ein Huhn daher, das laut gackernd auf sich aufmerksam macht. Eilt dann aber die Bäuerin freudig zum Hühnerstall, um das Ei zu holen, findet sie ein leeres Nest vor. Ich räume ein, dass das Nest des vorliegenden Fördergesetzes zwar nicht leer ist - es muss gefördert werden -, aber es liegt nur ein Miniei darin. Es genügt nicht, das Fördern vorzuschreiben, wenn mit keinem Wort etwas über das Ausmass der Förderung gesagt wird. Ein solches Gesetz entspricht in keiner Weise dem Gegacker, das von bürgerlicher Seite oft angestimmt wird, wenn es um die Notwendigkeit von familienergänzender Kinderbetreuung geht. Für die EVP ist es deshalb gleich wie für die CVP von grosser Wichtigkeit, dass in der Detailberatung wieder einige Verbindlichkeiten in das Gesetz aufgenommen werden, welche die Kommissionsmehrheit herausgekippt hat. Wir empfinden grosse Wertschätzung für die Arbeit, welche Frauen ehrenamtlich oder gegen ein kleines Entgelt leisten, um Mittagstische, Randzeitenbetreuung, Kinderkrippen und Horte anzubieten. Es ist unwürdig, wenn diese Frauen auch noch gezwungen sind, herumzurennen, um Sponsorengelder aufzutreiben. Deshalb werden wir uns in der Detailberatung wieder melden. Die EVP/EDU-Fraktion ist einstimmig für Eintreten. Richard Nägeli, FDP: Für unsere Fraktion ist das Bedürfnis nach familienergänzenden Betreuungsangeboten völlig unbestritten. Wir erkennen die gesellschaftlichen Veränderungen mit folgenden Auswirkungen: Aufgrund der steigenden Scheidungsrate hat die Anzahl Alleinerziehender, die erwerbstätig sein müssen, stark zugenommen. Ausserdem zwingen existentielle Gründe in vielen Fällen beide Elternteile zur ausserfamiliären Arbeit. Immer mehr gut ausgebildete Frauen wollen Familie und Beruf unter einen Hut bringen. Damit sie nicht an Wissen und Chancen verlieren, müssen sie im Arbeitsprozess bleiben. In der Schweiz sind heute 40 % der Schulkinder in der schulfreien Zeit unbeaufsichtigt. Wir nehmen diese Entwicklung sehr ernst und sind auch bereit, etwas zu tun. Deshalb sind wir erstaunt, dass uns vorgeworfen wird, wir hätten das Gesetz abgewürgt. Vielmehr haben wir uns konstruktiv für ein Gesetz eingesetzt, das in allen Gemeinden umsetzbar und nachhaltig finanzierbar ist. Auch wir haben aus den Erfahrungen der Musikschulen gelernt. Was nützt eine Anfangseuphorie, wenn eine einmal eingeführte Lösung langfristig nicht tragbar ist? Mit Befremden haben wir ebenfalls zur Kenntnis genommen, dass das vorliegende Gesetz reine Makulatur sein soll, weil statt einer allgemeinen Betreuungsverpflichtung eine Förderung vorgesehen ist. Diese Verunglimpfung kann nur als billige Wahlpropaganda der SP verstanden werden, denn andere Kantone arbeiten bereits jetzt erfolgreich mit sehr ähnlichen Gesetzen. Wir weisen noch auf ein pikantes Paradoxon hin: In der Kommission schlug bei der 1. Lesung der erste Sprecher, ein SP-Mitglied, als Zweckartikel genau die nun zur Makulatur verurteilte Förderung vor. Das ist im Protokoll der Kommissionssitzung vom 8. September 2003 auf Seite 2 nachzulesen. Dem Zweckartikel mit dem vorliegenden Wortlaut wurde in

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der Kommission übrigens mit 10:1 Stimmen zugestimmt. Gemäss Fördergesetz bleibt die Verantwortung für die Betreuung der Kinder trotz Förderung durch die öffentliche Hand bei den Erziehungsberechtigten. Letztere können die Verantwortung für die Betreuung nicht verpflichtend an die öffentliche Hand abtreten. Die Förderung greift nicht in die Rechte und Pflichten dieser Personen ein, die Erziehungsberechtigten werden bei Bedarf aber unterstützt. Die Errichtung und Finanzierung von familienergänzenden Betreuungsangeboten erfolgt subsidiär durch die öffentliche Hand. Im Interesse einer klaren Aufgabenteilung und einer Entflechtung der Finanzströme zwischen Kanton und Gemeinden legt das vorliegende Gesetz die Verantwortung für die Förderung der familienergänzenden Kinderbetreuung in eine Hand. Die Betreuung wird dort koordiniert, gestaltet und auch finanziert, wo das Bedürfnis effektiv besteht, nämlich in den Gemeinden. Ein Einbezug von Schulgemeinden und Dritten ist vorgesehen oder mindestens möglich. Die Verantwortung wird klar auf eine Körperschaft, auf die Politische Gemeinde, übertragen. Eine Reihe von ausgewählten Kriterien stellt sicher, dass die finanziell unterstützten Angebote bedarfsgerecht öffentlich zugänglich, wirtschaftlich und von guter Qualität sind. Die Leistungen der Erziehungsberechtigten richten sich dabei abgestuft nach deren wirtschaftlicher Lage. Das vorliegende Gesetz enthält einerseits klare Vorgaben und lässt andererseits den Gemeinden einen grossen Handlungsspielraum offen. Somit können die Gemeinden ihre Unterstützung gezielt auf die konkreten Bedürfnisse ausrichten. Bei der Umsetzung in den Gemeinden legen wir Wert auf die Beachtung folgender Grundsätze: Bei der Errichtung und dem Betrieb von Betreuungsangeboten soll die private Initiative gefördert, unterstützt und nicht abgewürgt werden. Wo bereits vorhanden, soll auf bestehenden Strukturen aufgebaut werden. Im finanziellen Bereich soll auf ein Giesskannenprinzip verzichtet werden. Die Gelder der öffentlichen Hand sollen für effektiv benutzte Angebote von wirtschaftlich schwächeren Erziehungsberechtigten eingesetzt werden. Grundbeiträge sollen nur in Ausnahmefällen und zeitlich begrenzt entrichtet werden. Damit werden Überangebote vermieden, und die Strukturen werden laufend an sich wandelnde Bedürfnisse angepasst. Die Bemessung und Gestaltung der finanziellen Beiträge soll auf optimale Betriebsstrukturen ausgerichtet sein. Eine übermässige Professionalisierung darf nicht stattfinden. Vielmehr sollen auch zukünftig geeignete Personen ohne besondere Ausbildung Betreuungsaufgaben übernehmen können. Das vorliegende Gesetz ist eine tragbare, auf die thurgauischen Verhältnisse zugeschnittene Lösung. Es ist ein Fördergesetz, das in den Grundsätzen den Lösungen in anderen Kantonen entspricht. Unsere Fraktion hat Eintreten ohne Gegenstimme beschlossen. Stäheli, GP: Vor drei Jahren hat dieser Rat in einer Sternstunde die Motion Rechsteiner für familienergänzende Kinderbetreuung als erheblich erklärt. Daraufhin hat der Regierungsrat ein Gesetz ausgearbeitet, das diese Betreuung im ganzen Kanton sicherstellt. Der Regierungsrat hat hervorragende Arbeit geleistet. Er hat ein gutes Grundlagenmaterial mit viel Zahlenmateriel präsentiert, das aufzeigt, wie nötig die Einführung der familienergänzenden Kinderbetreuung ist und was uns die Zukunft bringen wird. Er hat einen schlanken Gesetzesentwurf erarbeitet, der den Motionsauftrag auch erfüllt. Mit dem Gesetz des Regierungsrates würde der Kanton Thurgau

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vorausschauend und zukunftsgerichtet handeln, wie die Politik eigentlich handeln müsste. Die Norm ist jedoch, dass die gesellschaftliche, wirtschaftliche und wissenschaftliche Entwicklung voranschreitet, die Politik aber stehen bleibt und meistens hintennach hinkt. Mit einem Gesetz, wie der Regierungsrat es vorschlägt, wo es um die flächendeckende Sicherstellung der familienergänzenden Massnahmen geht, würde unser Rat agieren und müsste später nicht reagieren. Ich wünschte mir, dass unser Rat heute wieder eine Sternstunde erleben und ein Gesetz schaffen könnte, das mit der finanziellen Unterstützung des Kantons einen verpflichtenden Grundsatz für familienergänzende Massnahmen legt. Die Gründe sind hinlänglich bekannt: Wir wissen, dass die Veränderungen in der Familien- und Arbeitswelt weitergehen, unabhängig davon, was unser Rat heute beschliesst. Die privaten und organisierten Angebote sind sicher sehr gut und wichtig und müssen weiter unterstützt werden. Sie werden aber durch ein griffiges Gesetz nicht torpediert. Im Grundsatz sehen eigentlich alle ein, dass etwas gemacht werden muss, nur am Wie scheiden sich die Geister massiv. Wir werden uns in der Detailberatung wieder zum Wort melden. Wir wollen uns für ein griffiges Gesetz einsetzen, das auch Wirkung zeigt und kein Papiertiger ist. Wir sind überzeugt, dass Förderung allein nicht genügt. Die Grüne Fraktion ist einstimmig für Eintreten. Schlaginhaufen, SP: "45 % der schulpflichtigen Kinder sind nicht betreut." Dieses Zitat stammt vom Schweizerischen Arbeitgeberverband, und sowohl dieser Verband als auch die schweizerische Industrie- und Handelskammer empfehlen für eine Steigerung der wirtschaftlichen Attraktivität die dringliche Bereitstellung von familienergänzenden Kinderbetreuungsmassnahmen. Wir haben es gehört: Es gibt kaum eine Partei, die sich im zu Ende gehenden Wahlkampf nicht zur Notwendigkeit von familienergänzender Kinderbetreuung geäussert hätte. Es gibt viele Gründe, welche die Kinderbetreuung rechtfertigen. Drei, die uns besonders wichtig erscheinen, möchte ich nochmals in Erinnerung rufen: 1. Familienergänzende Kinderbetreuung nützt vor allem den Kindern. Aus meinem eigenen Beruf und aus vielen anderen Kreisen weiss ich, dass heute viele Kinder in Klein- und Kleinstfamilien aufwachsen; die Tendenz ist steigend. Dadurch haben sie wenig Möglichkeiten, soziales Verhalten zu lernen, Rücksicht zu nehmen, Solidarität zu üben, Beziehungen zu pflegen. In Krippen, Tagesschulen und Mittagstischen können sie diese Erfahrungen machen. 2. Familienergänzende Kinderbetreuung nützt auch dem Staat und der Wirtschaft. Mehr Frauen als früher erlernen heute einen Beruf, absolvieren eine Ausbildung, und wenn sie zugunsten der Kinder darauf verzichten, berufstätig zu sein, wird das vom Staat in die Ausbildung investierte Geld sozusagen zum Fenster hinausgeworfen. Zudem kann die Wirtschaft nicht auf das Wissen und die Erfahrung der Frauen verzichten. Ihr Beitrag zum wirtschaftlichen Wachstum ist unverzichtbar. Ferner können familienergänzende Kinderbetreuungsangebote für den Kanton Thurgau nur ein Standortvorteil sein. 3. Familienergänzende Kinderbetreuung hilft, Sozialkosten zu sparen. Alleinerziehende können arbeiten und beanspruchen so weniger oder keine Fürsorgemittel. Die Eigenverantwortung und die Würde bleiben erhalten. Im Übrigen verweise ich auf die umfassende und gründliche Botschaft des Regierungsrates. Die SP-Fraktion findet es höchste Zeit, dass auch im Kanton Thurgau nicht nur von Familienpolitik geredet wird,

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sondern dass sie gemacht wird. Darum sind wir für Eintreten auf die Vorlage. Da die vorliegende Fassung aber in grundsätzlichen Punkten die ihr zugrunde liegende Motion nicht erfüllt, werden wir Rückweisung an die Kommission beantragen. Zunächst aber danken wir dem Regierungsrat für die gründliche Vorbereitung der Botschaft. Eine Arbeitsgruppe, in der immerhin vier Departemente involviert waren, hat eine hervorragende Grundlage für ein zeitgemässes Gesetz erarbeitet. Auch die Informationen und Präsentationen durch das Departement für Erziehung und Kultur waren überzeugend und umfassend. Die Kommissionsmehrheit wirft uns Staatserziehung vor, sie bezichtigt uns, eine Angebotsindustrie zu fördern, und sie unterstellt uns eine Anspruchsmentalität. Diese Vorwürfe möchte ich in aller Form zurückweisen. Unsere Forderung nach familienergänzender Kinderbetreuung basiert auf Fakten. Von Anfang an war in der Kommission wenig Kompromissbereitschaft da. Viele Vorbereitungen waren nutzlos, man ging zu wenig aufeinander zu. Man wollte gleich von Anfang an die Kommissionsarbeit mit einem Gegenpapier dominieren, und die Kommissionspräsidentin hat zu Recht dieses Papier und nicht den Kommissionsbericht als inhaltlich und juristisch unausgereift bezeichnet. Es war so unausgereift, dass man dem Departement für Erziehung und Kultur den Auftrag erteilen musste, einen neuen Gesetzesvorschlag auszuarbeiten. Selbstverständlich gelten in einer Kommission wie im Grossen Rat die Mehrheitsverhältnisse. Diese Mehrheit kann aber nicht von uns erwarten, dass wir ein Gesetz unterstützen, dem die wichtigsten beiden Zähne gezogen wurden, nämlich der verpflichtende Charakter sowie die finanzielle Beteiligung des Kantons. Wir sind erstaunt, dass ausgerechnet die Bürgerlichen, die immer nach möglichst wenigen Gesetzen rufen, hier ein Gesetz mit wenig praktischer Wirkung schaffen wollen. Mit dem regierungsrätlichen Vorschlag wäre die Motion umgesetzt worden. Das aber will offensichtlich die Kommissionsmehrheit nicht. Dann soll sie gefälligst das Wort "Familienpolitik" aus ihrem Repertoire streichen. Im Gegensatz zur Kommissionsmehrheit befürchten wir keine Schwächung der Gemeindeautonomie, wenn der Kanton auch eingebunden ist. Und schon gar nicht fürchten wir uns im Gegensatz zu anderen vor dem Vogt aus Frauenfeld. Zusammenfassung: Unsere Fraktion ist für ein Gesetz für familienergänzende Kinderbetreuung, und wir sind ebenfalls für Eintreten. Wir sind aber für ein Gesetz, das unser Motionsanliegen erfüllt, weshalb wir Rückweisung an die Kommission beantragen werden. Falls die Rückweisung abgelehnt wird, werden wir in der Detailberatung entsprechende Anträge stellen. Lohr, CVP: Alle sprechen an der heutigen Sitzung von der Bedeutung der familienergänzenden Familienbetreuung. Doch wie wichtig ihnen die Förderung wirklich ist, dazu wollen nicht alle Farbe bekennen. Für mich ist klar, dass es sich um einen gesamtgesellschaftlichen Auftrag handelt, bei dem sich der Kanton und die Gemeinden der Verantwortung zu stellen haben. Die Angebote sollten bedarfsgerecht und auch qualitätsorientiert sein. Das sind für mich die umfassenden Rahmenbedingungen. Selbstverständlich spielt der Kostenfaktor auch eine Rolle. Er darf aber nicht das allein entscheidende Moment bilden. Die Stadt Kreuzlingen wendet jährlich weit über Fr. 500'000.-- für Betreuungsstätten auf, was mehr als 1,2 Steuerprozenten entspricht. Der Gemeinde- und der Stadtrat Kreuzlingen sprechen diese Beiträge im Bewusstsein, damit notwendige Sozialförderung zu betreiben. Dass man da und dort in diese hohe finanzielle Belastung

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Standortmarketing hineininterpretieren möchte, damit habe ich persönlich schon etwas Mühe. Als Stadt mit Zentrumsfunktion übernehmen wir in einem starken Mass eine sozialpolitische Aufgabe, namentlich auch in den Bemühungen, Arbeitslosigkeit und Abhängigkeit von der Sozialhilfe zu bekämpfen. Wir nähern uns dabei allerdings klar der Grenze des für unsere Stadt Tragbaren. Was wir deshalb von allen Gemeinden erwarten, ist eine vernünftige, verpflichtende Einbindung in das Fördergesetz. Die familienergänzende Kinderbetreuung soll zum Wohl der Kinder und der Erziehenden örtlich wie finanziell für die Verantwortlichen verkraftbar umgesetzt werden. Ich meine, dass man hier durchaus auch den breiten Solidaritätsgedanken ansprechen darf. Selbstverständlich sind aber auch gute Lösungen in Verbünden anzustreben, und das bereits bestehende Netz an bewährten Angeboten ist zu stärken. Abschliessend liegt mir daran, aus meiner in Kreuzlingen gemachten Erfahrung darauf hinzuweisen, dass die familienergänzende Kinderbetreuung nicht als im zeitlichen Wunschtrend liegende Familienentlastung verstanden werden darf. Vielmehr geht es darum, in der heutigen gesellschaftlichen Realität dem steigenden Bedarf an unerlässlicher Unterstützung zum Durchbruch zu verhelfen, einer Unterstützung, von der das Sozialnetz und auch die Wirtschaft profitieren. Fahrni, GP: Vor nicht allzu vielen Jahren hat man den Kindergarten eingeführt, zuerst für ein Jahr, später für zwei Jahre. Bei der Einführung ist heftig über deren Notwendigkeit diskutiert worden. Auch damals haben konservative Kreise ihre Zweifel zum Ausdruck gebracht, ob so etwas tatsächlich notwendig und gut für die Kinder sei. Ein Kindergarten sei teuer und die Kinder seien sowieso besser bei der Mutter aufgehoben. Ähnlich tönt es heute bei den Gegnern der ausserfamiliären Kinderbetreuung. Man ist anscheinend nicht bereit, von der Erfahrung im Tessin oder in fortschrittlichen Ländern weltweit zu lernen. Ein so schwaches Gesetz, das uns hier von der vorberatenden Kommission vorgelegt wird, kann ich auf keinen Fall unterstützen. Es erfüllt auch nicht den Auftrag der Motionärin. Ich befürchte, dass dannzumal, wenn schlussendlich im Jahr 2025 der Thurgau als allerletzter Kanton eine vernünftige ausserfamiliäre Kinderbetreuung eingeführt haben wird, die Kantonsräte und Wirtschaftsvertreter nur den Kopf schütteln werden über die Zweifel und das Misstrauen der Bürgerlichen im heutigen Rat. Ich werde für Eintreten votieren und nachher der Rückweisung an die Kommission zustimmen. Willi, SP: Erinnern Sie sich an Pippi Langstrumpf? Pippi Langstrumpf lebt völlig allein in ihrer "Villa Kunterbunt" und braucht keine Betreuung. Sie hat ja auch übernatürliche Kräfte. Dies haben unsere normalen Kinder nicht. Glücklich ist zweifellos jedes Kind, das in der Geborgenheit einer intakten Familie leben kann. Leider ist das nur noch bei etwa der Hälfte aller Kinder der Fall. Damit unsere Gesellschaft in Zukunft gut weiterfunktioniert, brauchen wir aber zu 100 % mit menschlicher Wärme betreute Kinder. Das beugt vielen Gewalt- und Drogenproblemen vor. Pippi Langstrumpf lebt in einem Land, wo "Männer und Frauen gemeinsam 450 Tage Erziehungsurlaub nach der Geburt eines Kindes bekommen." 390 Tage werden mit 80 % des Bruttoeinkommens entlöhnt, die restlichen 60 Urlaubstage werden durch einen festgelegten Tagessatz abgegolten. Zusätzlich zu diesem Urlaub, die sich Mütter und Väter teilen, erhält jeder Vater bei der

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Geburt seines Kindes zehn Tage bezahlten Elternurlaub. In Frankreich, Deutschland und Italien sind die Familien ebenfalls besser dran. Externe Tagesbetreuungsplätze wie Krippen, Tagesschulen oder Kindergärten sind institutionalisiert. Wundern Sie sich, dass die Geburtenrate stark zurückgeht? Das ist doch die Antwort von Frauen, die sich fragen, weshalb sie weiterhin die Doppelbelastung Familie/Beruf tragen sollen, wenn sie so wenig öffentliche Unterstützung finden. Wir brauchen deshalb ein Gesetz für die echte Förderung von familienexterner Kinderbetreuung. Wir brauchen ein Gesetz, das Verbindlichkeiten schafft und das Anliegen nicht den wechselnden politischen Strömungen in den Gemeinden aussetzt, wie das mit der Kommissionsvorlage leider der Fall wäre. Vonlanthen, SVP: Wir sprechen von gesellschaftlichen Veränderungen, vom Strukturwandel. Es wäre immerhin denkbar, dass sich der Strukturwandel wieder einmal wandelt. Das sieht zumindest der bekannte deutsche Trendforscher Matthias Horx voraus. Vor einem Monat gab er im "Publik-Forum" ein viel beachtetes Interview. Er sagte: "Wir müssen auch lernen, Grenzen zu akzeptieren. Vielleicht lassen sich Beruf und Familie gar nicht wirklich miteinander vereinbaren. Möglicherweise zahlen diejenigen, die es mit Power versuchen, einen sehr hohen gesundheitlichen Preis. Die nächste Generation könnte sagen, wir kriegen wieder mit 20 Jahren unsere Kinder. Dann studieren wir sehr lange nebenher, unterstützt vom Elternhaus vielleicht, und dann beginnen wir mit Anfang 30 an der Karriere zu arbeiten. Das wäre doch ein schlaues Modell, dann wäre der Druck weg, alles gleichzeitig erledigen zu müssen." Ist es denkbar, dass unsere Vereinbarungsideologie eine gesundheitliche Falle ist, da sie zu einer kränkeren Gesellschaft führt? Es lohnt sich auch immer wieder, auf schweizerische Blätter zu schauen, zum Beispiel auf unser Schulblatt. In der neuesten Ausgabe ist die Rede von der Auswertung der Studie über die Thurgauer Volksschullehrkräfte. Der wichtigste Faktor, den sich die Lehrerschaft wünschte, um sich zu entlasten und zufrieden zu stellen, lautet wie folgt: "Motivierte, leistungsbereite und sozial kompetente Schülerinnen und Schüler, die in einer intakten Familie gut erzogen werden." Die intakte Familie sollten wir mit allen Mitteln fördern. In diesem Zusammenhang fragte die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" kürzlich: "Ist es denn wirklich Zufall, dass die beiden Bundesländer, die bei der Pisa-Studie am besten abgeschnitten haben, über die wenigsten Krippenplätze verfügen? Warum haben ausgerechnet Hamburg, Berlin und Bremen mit den schlechtesten PisaLeistungen die meisten Ganztagesplätze für Kinder im Vorschulalter?" Die Kommissionspräsidentin fragte am Anfang, was von der familienergänzenden Praxis zurückkommt. Wir müssten uns zuerst wieder einmal fragen, was eigentlich von unserer Erziehung zurückkommt. In diesem Zusammenhang erinnere ich an Erfahrungen aus anderen Ländern. Darauf hat Kantonsrätin Fahrni hingewiesen. Im "Tagesanzeiger" vom 20. Januar war über eine amerikanische Studie zu lesen: "Über Jahrzehnte wurde das Schicksal von gut 1'000 Kindern verfolgt. Das Ergebnis dieser Studie: Je mehr Zeit Kleinkinder in einer Kinderkrippe verbringen, desto aggressiver und ungehorsamer sind sie später im Kindergarten und in der Primarschule." Der Leiter der Studie, ein englischer Psychologe, sagt wörtlich, er fürchtet Folgen für das Lernklima und die Atmosphäre in der Schule, wenn immer mehr Mütter und Väter sich nur noch selten selbst um ihre Kinder küm-

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mern. Was wir also bräuchten, wären doch Lösungen und Modelle, die erziehende Eltern mehr unterstützen, auch finanziell, damit diese für die Kinder wieder mehr verfügbar sind. Und wir bräuchten zum Beispiel auch von Arbeitgeberseite her vermehrt Modelle mit Jobsharing, die vor allem auch den Vätern eine grössere Präsenz in der Familie ermöglichten. Natürlich kann es Fälle geben, in denen die externe Betreuung unumgänglich wird. Im Prinzip aber, und da dürfen wir uns nichts vormachen, geht es hier um die Förderung der Erleichterung des Berufslebens der Eltern und nicht um die Förderung des Wohles der Kinder. Was wir anstreben, mag eine zeitgemässe Lösung sein, ich habe aber sehr grosse Zweifel, ob es wirklich eine zukunftsgerichtete Lösung ist. Moor, SP: Wir haben in diesem Saal schon intensiv über zunehmende Gewaltbereitschaft unter Jugendlichen und auch über Suchtprobleme immer jüngerer Schüler diskutiert. Es wurden Massnahmen gefordert, die diesen Problemen entgegenwirken sollen, und dann soll plötzlich die öffentliche Hand tätig werden. Es ist mir deshalb unverständlich, warum ein verbindliches Gesetz zum Teil von denselben Ratsmitgliedern jetzt abgelehnt wird. Das vom Regierungsrat vorgelegte Gesetz beinhaltet keine staatlich verordnete Betreuung und weckt auch keine neuen Bedürfnisse. Es gibt lediglich die Garantie der Unterstützung. In erster Linie werden die Betreuungsangebote wirklich für die Kinder und ihre Entwicklungschancen und nicht für berufswillige Frauen eingerichtet. Im Zusammensein in der Gruppe werden Sozialkompetenzen erlernt und gefördert, und das ist - da sind wir uns wahrscheinlich alle einig - zur jetzigen Zeit dringend notwendig. Auch ich würde es begrüssen, wenn die Kinder die Sozialkompetenzen in ihren Familien erlernen könnten, doch haben wir gehört, dass diese Möglichkeit lediglich noch bei etwa der Hälfte der Kinder besteht. Die externe Kinderbetreuung muss daher ein selbstverständliches Angebot sein. Es obliegt nicht nur der privaten Selbstverantwortung, die Kinder zu erziehen und zu fördern. Das ist ein gesamtgesellschaftliches und nicht zuletzt auch ein volkswirtschaftliches Anliegen. Die Tagesbetreuung ist aber auch ein erweitertes Bildungsangebot, und alle Kinder sollten die Möglichkeit haben, es zu nutzen, wenn es notwendig ist. Hausammann, SVP: Die Kommissionsmitglieder von SVP und FDP haben ihr Papier nie als Gegenvorschlag betrachtet, der juristischen Ansprüchen genügen müsste. Es war ein Diskussionspapier, um die Stossrichtung in Richtung Fördergesetz zusammenhängend aufzuzeigen. Alles andere ist eine Unterstellung. Hervorragend an der Arbeit von Regierungsrat und Departement war nicht die ursprüngliche Gesetzesvorlage - dies war vielmehr eine reine Umsetzung des Motionsauftrages -, sondern die spontane Bereitschaft zur konstruktiven Mitarbeit bei der Ausarbeitung eines praxistauglichen Fördergesetzes. Davon hätte sich die Kommissionsminderheit eine Scheibe abschneiden können. Sie hat es leider während der ganzen Kommissionsarbeit nie verstanden, das Wünschbare vom politisch Machbaren zu unterscheiden. Ich frage mich, was ein Rückweisungsantrag an die Kommission soll. Bekennen Sie Farbe und beantragen Sie Nichteintreten, wenn Ihnen dieses Gesetz nicht passt. Dann können Sie mit einer neuen Motion versuchen, etwas Ihnen Genehmes aufzugleisen.

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Stephan Tobler, SVP: Von verschiedenen Votanten ist der Entwurf des Regierungsrates hoch gelobt worden. Ich bin schon beim Lesen des ersten Paragraphen etwas stutzig geworden. Meines Erachtens kommen die acht Paragraphen etwas konzeptlos daher. Jedenfalls habe ich nicht einmal einen Zweckartikel gefunden, der offenbar nach Ansicht des Regierungsrates nicht nötig war. Weshalb misstrauen viele von Ihnen den Gemeinden so hartnäckig? Ich bin bereit, die Idee der familienergänzenden Massnahmen zu unterstützen, ich bin aber nicht bereit, in diesem Zusammenhang Geld und Ressourcen zu verschleudern. 1. Die bereits bestehenden 1'400 Plätze belegen, dass wir den Kanton in dieser Sache gar nicht brauchen, um das zusätzlich erforderliche Angebot von rund 400 Plätzen zu schaffen. Es handelt sich ganz klar um eine Aufgabe der Gemeinden, weshalb sie auch auf dieser Ebene umgesetzt und gestaltet werden soll. Höhlen wir den Föderalismus nicht unnötig aus. Die Gemeinden tragen die Verantwortung, und wenn die Bevölkerung in den einzelnen Gemeinden etwas will, setzt sie es auch durch. Ich spreche aus Erfahrung. Die Exekutiven in den Gemeinden sind sehr eng mit ihrer Bevölkerung verbunden und stehen ihr entweder an der Gemeindeversammlung oder im Parlament gegenüber. 2. Es macht keinen Sinn, dass der Kanton für alle Gemeinden, ob sie nun 500 oder 22'000 Einwohner haben, den gleichen Standard vorschreibt und durchsetzt. Ich verweise an dieser Stelle auf die Musikschulen. Gemäss Entwurf des Regierungsrates müsste sich der Kanton mit bis zu 25 % an den Kosten beteiligen. Ein solcher Beitrag würde dem nächsten Sparpaket mit der Begründung zum Opfer fallen, dass es keine kantonale Aufgabe sei. Beim vorliegenden Gesetz handelt es sich ganz sicher nicht um eine Sparvorlage, wie das zum Beispiel von linker Seite behauptet wird, sondern es geht darum, eine Aufgabe am richtigen Ort anzusiedeln. 3. Wenn die Nachfrage in den Gemeinden aufgenommen, diskutiert und auch umgesetzt wird, haben wir die Gewähr für eine angemessene Lösung. Wir sparen nicht, weil wir nichts machen, sondern weil wir auf Gemeindeebene nach einer den Bedürfnissen angepassten Lösung suchen. Ich wehre mich entschieden gegen die Rückweisung an die Kommission, in welcher die verschiedenen Varianten bereits diskutiert worden sind. Ich bin überzeugt, dass wir auch in einer weiteren Runde zu keinen anderen Ergebnissen gelangen würden. Neue Lösungen wären höchstens mit einer neuen Kommission möglich. Ich ersuche Sie, auf das vorliegende Gesetz einzutreten. Egli, GP: In einigen Voten ist jetzt die Geborgenheit in der Familie der angeblichen Ungeborgenheit in Krippen oder anderen ausserhäuslichen Betreuungsinstitutionen gegenübergestellt worden. Die Geborgenheit in der Familie ist gewiss etwas Schönes und Gutes, was gefördert werden muss, doch wehre ich mich dagegen, wenn jetzt behauptet wird, dass alle Männer und Frauen, Mütter und Väter, die ihre Kinder zeitweise einer ausserhäuslichen Betreuung anvertrauen, diese Geborgenheit nicht bieten. Man kann sehr wohl beides vereinen. Es gibt ein afrikanisches Sprichwort, das heisst: "Es braucht einen Mann, um ein Kind zu zeugen; es braucht eine Frau, um ein Kind zu gebären. Aber es braucht ein ganzes Dorf, um ein Kind zu erziehen." Die Situation, wie wir sie häufig in Kleinfamilien haben, ist nicht natürlich und relativ neu. Dass eine Mutter von morgens früh bis abends spät ganz allein für ihre Kinder zuständig sein muss, ist neu.

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Ich bin in einer kinderreichen ländlichen Familie aufgewachsen. Meine Mutter hätte nicht die Zeit gehabt, uns immer hinterherzurennen. Es gab verschiedene Betreuungspersonen. Die Grossfamilie ist heute nicht mehr so einfach zu realisieren. Es müssen andere Institutionen an ihre Stelle treten, die ausserhäusliche Betreuung eben mit ihren vielfältigen Formen. Dort ist es Kindern möglich, in Gruppen zu leben und überhaupt einen Spielkameraden zu haben. Meiner Meinung nach hat man das vorliegende Gesetz vielleicht nicht abgewürgt, ihm aber so viel Blut entnommen, dass es jetzt krank und blass ist. Ich bin für Eintreten, werde aber die Rückweisung unterstützen. Zuberbühler, SP: Das vorliegende Gesetz ist als brüllender Löwe gesprungen und bislang als schlaffer Bettvorleger gelandet. Einer griffigen regierungsrätlichen Botschaft sind die Zähne gezogen, und es ist ihr mit der Kommissionsfassung ein untaugliches Gebiss verpasst worden. Verpasst wurde dabei auch die Chance, durch eine Beteiligung des Kantons finanzielle Beiträge des Bundes auszulösen. Das Impulsprogramm des Bundes, wenn auch nur auf drei Jahre befristet, hätte als Anstossfinanzierung für neue Aufgaben einen Drittel der Betriebskosten abdecken können. Nicht nur verschiedene Kantone, sondern auch der Bund haben erkannt, dass die ernsthafte Förderung der Familien Geld kostet. Familienergänzende Massnahmen werden vom Bund als wichtig erachtet, und es werden finanzielle Mittel dafür freigesetzt. Unser Kanton täte gut daran, das Geld für wichtige Anliegen der familienergänzenden Kinderbetreuung beim Bund abzuholen, wenn es schon dafür bereitgestellt wird. Fazit: Geben wir dem Gesetz die Zähne wieder, die ihm durch die vorberatende Kommission gezogen worden sind. Strasser, SP: Kantonsrat Stephan Tobler hat von der Verschleuderung von Ressourcen gesprochen. Ausserfamiliäre Kinderbetreuung hat nichts mit Ressourcenverschleuderung, sondern mit Ressourcengewinnung zu tun. Man hat in diversen Studien festgestellt, dass im Bereich der ausserfamiliären Kinderbetreuung der "Return of Invest" ungefähr einen Rahmen von 1:3 bis 1:7 (gemäss amerikanischen Studien mit schwierigen Kindern aus sozial schlechten Verhältnissen) ausmacht. Moderne liberale Kräfte haben 1870 begriffen, dass sie in Zürich Kinderhorte einführen müssen, um den Eltern das Arbeiten zu ermöglichen und die individuelle Erziehung der Kinder zu festigen. Sie haben gemerkt, dass sie das machen müssen, um die Kinder für die Zukunft zu fördern, und ihnen die Kosten aus dem Lot laufen, wenn sie das nicht tun. 1870 ist doch schon eine ganze Weile her. Deshalb wäre heute durchaus ein mutiger Schritt möglich, der aufzeigen könnte, dass die ausserfamiliäre Kinderbetreuung auch finanziell etwas bringt und der Staat sparen kann. Dann wäre es tatsächlich nicht nur ein Gemeinde-, sondern auch ein Staatsauftrag. Ruth Mettler, FDP: Die FDP will die familienergänzende Kinderbetreuung nicht verhindern, sie will sie fördern. Deshalb unterstützt sie das Fördergesetz. Die regierungsrätliche Vorlage musste die bürgerlichen Kreise automatisch auf den Plan rufen. Uns ist daran gelegen, eine mehrheitsfähige Lösung zu schaffen. Die Kommission schuf eine tragbare, auf die thurgauischen Verhält-

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nisse zugeschnittene Lösung, die den Grundsätzen entspricht, die Förderung der Angebote und auch die finanzielle Förderung dort anzusiedeln, wo sie gebraucht wird, nämlich in der Gemeinde. Gelder der öffentlichen Hand sollen für wirtschaftlich schwächere Familien genutzt werden. Gelder sollen nicht nach dem Giesskannenprinzip ausgegeben werden, auch wenn die Jahresrechnung des Kantons Thurgau positiv abschliesst. Dem Sparprogramm des Bundes ist schon Manches zum Opfer gefallen. Und wer zahlt danach? Mit dieser Frage hätten wir uns dann zu beschäftigen. Eine Rückweisung an die Kommission kommt für mich nicht in Frage, denn sie weckt Erinnerungen an die Zivilstandsämter. Regierungsrat Koch: Erlauben Sie mir zuerst einen Blick zurück: In seiner Antwort auf die Motion Rechsteiner war der Regierungsrat bekanntlich der Auffassung, dass die rechtlichen Grundlagen für familienergänzende Massnahmen (Tagesschulen, Kinderhorte, Mittagstische usw.) bereits vorhanden seien. Ebenso vertrat er damals die Meinung, dass grundsätzlich die Gemeinden für das Angebot im Bereich der familienergänzenden Massnahmen zuständig seien. Dieser Auffassung ist er heute noch. Aus diesen Gründen war der Regierungsrat gegen die Erheblicherklärung der Motion Rechsteiner. Sie haben anders entschieden und dem Regierungsrat einen klaren Auftrag erteilt. Das in der Botschaft vom 4. Juni 2003 an Sie gerichtete Gesetz ist das Ergebnis der erheblich erklärten Motion sowie auch jenes intensiver Arbeiten im Departement und im Regierungsrat. Die Kommission hat dann drei die Richtung weisende Entscheide gefällt: 1. kein Verpflichtungsgesetz, sondern ein Fördergesetz; 2. klare Aufgabenzuweisung an die Gemeinden; 3. Ausdehnung auf die ganze Volksschule. Aufgrund dieser Entscheide war das Departement selbstverständlich bereit, konstruktiv mitzuarbeiten. Wie präsentiert sich die Situation im Kanton Thurgau heute? Erziehung und Unterhalt von Kindern sind bei uns nach langer Tradition grundsätzlich Sache der Eltern. Die familienunterstützenden Massnahmen im Kanton Thurgau basieren auch weitgehend auf der privaten Initiative. Angebote sind im Kanton Thurgau immer mehr vorhanden, und grössere Gemeinden sind intensiv an der Arbeit und haben immer wieder neue geschaffen. Der Regierungsrat ist der Auffassung, dass das Fördergesetz in die richtige Richtung geht und einiges im Kanton Thurgau bewegen wird. Die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen haben sich tatsächlich verändert. Dieser umfassende Wandel hat unter anderem dazu geführt, dass die Nachfrage nach solchen Betreuungsplätzen in den vergangenen Jahren gestiegen ist und das Angebot allenfalls nicht im Gleichschritt mithalten kann. Mehr Betreuungsplätze leisten einen entscheidenden Beitrag zu einer besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Man mag diese Entwicklung bedauern, sie ist eine Tatsache, die Politik kann die Augen nicht verschliessen und ist selbstverständlich deshalb auch aufgerufen, Massnahmen zu treffen, insbesondere auch im Interesse unserer Kinder und damit der werdenden Generation. Zum Geburtenrückgang: 1970 hatten wir in der Schweiz 65 % Paare mit Kindern, heute sind es noch 40 %. 1950 hatte eine Frau im Durchschnitt 2,4 Kinder, 1980 1,5 und heute noch 1,4. Laut einer Umfrage, weshalb auf Kinder verzichtet wird, sagen in der Schweiz 36 %, dass sich Beruf und Familie nicht vereinbaren liessen. In Italien sind es 8 %, in Österreich 12 % und in Deutschland 14 %. In diesen Ländern haben wir mehr Angebote im Bereich der familienergänzenden

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Massnahmen. Im Kanton Thurgau verzeichnen wir im Jahr 2003 noch 2'162 Geburten, der Spitzenwert von 1964 beträgt 3'828. Auch aufgrund dieser Entwicklung ist der Regierungsrat der Auffassung, dass der Ausbau der familienergänzenden Betreuung angezeigt ist. Die vorliegende Lösung erscheint uns ein geeigneter Ansatz: Es muss dann gefördert werden, wenn ein Bedarf vorhanden ist. Die Gemeinden müssen selber fördern, sie können das nicht mehr zusammen mit dem Kanton tun. Das vorhandene Angebot wird auch von den Gemeinden in Anspruch genommen. Ebenfalls sinnvoll ist die Zusammenarbeit zwischen den Gemeinden, aber auch mit privaten Institutionen. Ich bitte Sie, auf das verpflichtende Fördergesetz einzutreten. Diskussion - nicht weiter benützt. Eintreten ist unbestritten und somit beschlossen.

Präsident: In der Eintretensdebatte ist von der SP-Fraktion ein Rückweisungsantrag angekündigt worden, weshalb ich vorschlage, darüber jetzt noch zu diskutieren und zu entscheiden. Abstimmung: Die Mehrheit der Anwesenden ist mit diesem Vorgehen einverstanden.

1. Lesung Schlaginhaufen, SP: Wir wollen nicht kein Gesetz, sondern ein besseres Gesetz, weshalb wir für Eintreten gestimmt haben. Die zwei wesentlichsten Punkte, welche die familienergänzende Kinderbetreuung in sämtlichen Thurgauer Gemeinden sicherstellen, fehlen in der Vorlage. Es darf nicht sein, dass es einerseits Gemeinden gibt, welche die Einrichtung von Betreuungsangeboten in vorbildlicher Weise weiterführen oder zu starten beabsichtigen, und andererseits solche, welche die Hände in den Schoss legen und nichts tun. Es darf aber auch nicht sein, dass solche Einrichtungen zum Scheitern verurteilt sind, weil einer Gemeinde das nötige Geld fehlt. Mit einer finanziellen Beteiligung des Kantons müsste es nicht so weit kommen. Die beiden Grundpfeiler, ein griffiges Gesetz über die familienergänzende Kinderbetreuung und eine finanzielle Beteiligung des Kantons, die in der regierungsrätlichen Vorlage enthalten waren, sind für uns unabdingbare Voraussetzung, um eine Kinderbetreuung im ganzen Kanton sicherzustellen. Ich stelle daher namens unserer Fraktion den Antrag, die Vorlage an eine neu zu bestellende Kommission mit dem Auftrag zurückzuweisen, ein Gesetz vorzubereiten, das erstens die Gemeinden verpflichtet, die Errichtung von familienergänzenden Betreuungsangeboten verbindlich sicherzustellen, und zweitens den Kanton zu finanzieller Beteiligung verpflichtet.

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Diskussion zur Rückweisung: Stäheli, GP: Die Grüne Fraktion unterstützt die Rückweisung an eine neue Kommission. Wir wollen kein reines Fördergesetz, das nämlich nichts an der Politik ändert. Ein reines Fördergesetz ist ein Stück Papier, das in der Schublade verschwindet. Viele Gemeinden unternehmen jetzt schon viel aus eigener Initiative. Das muss man anerkennen und schätzen. Die Initiative hängt jedoch sehr von den einzelnen Mitgliedern im Gemeinderat ab. In Eschlikon zum Beispiel haben wir eine sehr initiative Gemeinderätin, die viel in Bewegung gebracht hat. Eschlikon bräuchte kein neues Gesetz. Wie aber steht es im Nachbardorf? Dort läuft alles anders. Dort ist vielleicht niemand im Gemeinderat, der Überzeugungsarbeit für die Förderung der Familien leistet. Aller Anfang ist schwer. Ein solches Gesetz wäre wirklich etwas Neues. Weil Unbekannte darin enthalten sind, haben viele Angst davor. Das habe ich auch in der Kommissionsarbeit gespürt. Vor allem die Gemeindevertreter wollen nicht in die Pflicht genommen und schon gar nicht vom Kanton kontrolliert werden. Es ist uns bewusst, dass der Thurgau ein ländlicher Kanton ist, in dem die traditionellen Strukturen noch mehr spielen. Trotzdem setzen wir uns für ein verpflichtendes Gesetz ein. Wenn wir mehr Familien mit Kindern wollen, müssen wir unsere Politik ändern. Es ist einfach eine Tatsache, dass viele Frauen den Beruf nicht mehr an den Nagel hängen wollen, um Kinder zu kriegen. Sie wollen beides miteinander verbinden. Wir sollten einmal so weit kommen, dass es keine Ausnahme mehr ist, ein Kind in die Krippe zu geben. Es sollte selbstverständlich sein, dass die Kinder nach der Schule betreut werden und nicht mehr allein auf sich gestellt sind. Das kommt der ganzen Familie zugute. Gut betreute Kinder sind glücklichere Kinder, bringen bessere Leistungen, sind sozialer integriert, machen weniger Probleme. Sie brauchen weniger Förderunterricht, weniger psychologische Betreuung, weniger Psychomotorik, werden weniger krank. Die vielen Einzelkinder, die wir heute haben, lernen in der Krippe schon früh soziales Verhalten. Das ist für alle ein Gewinn. Bei meiner Arbeit erlebe ich oft unbetreute Kinder, und sie tun mir Leid. Es wäre für die Schule und die Lehrerschaft eine grosse Entlastung, wenn es eine Betreuung nach der Schule geben würde. Max Brunner, Romanshorn, CVP: Bei der Eintretensdebatte haben sich die meisten der Votanten für die Kommissionsfassung ausgesprochen. Die CVP-Fraktion wendet sich deshalb gegen die Rückweisung. Beim vorliegenden Gesetz werden die Gemeinden in die Pflicht genommen. Wir stehen zu den familienergänzenden Betreuungsmassnahmen. Ich möchte am Beispiel von Romanshorn aufzeigen, dass ein verpflichtendes Gesetz mehr Nachteile mit sich bringen könnte: Heute wird das "Chinderhuus" in Romanshorn von der Industrie und vom Gewerbe mit total Fr. 70'000.-- an jährlich wiederkehrenden Beiträgen unterstützt. Die Gemeinde Romanshorn steuert weitere Fr. 50'000.-- dazu. Das ergibt zwei Drittel des gesamten Aufwandes. Ein Drittel der Aufwendungen wird durch Elternbeiträge und Spendengelder bestritten. So kommt das "Chinderhuus" über die Runden. Wenn nun alles vom Staat verordnet wird und in Zukunft eine Gemeindeaufgabe sein soll, frage ich mich, was die Industrie und das Gewerbe noch dazu veranlassen könnte, weiterhin diese Institution zu unterstützen. Sie werden sich sagen, dass dies die Aufgabe der Gemeinde sei, und sich zurückziehen.

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Hugentobler, SP: Ich habe gehört, dass das Fördergesetz bürgerverträglich sein soll. Ich finde, dass es bürgerverträglich sein muss, und das ist es dann, wenn die gesellschaftliche Solidarität spielt, damit die viel gepriesene Eigenverantwortung vom Einzelnen auch wahrgenommen werden kann. Ich verstehe die Haltung der FDP nicht und frage mich, wo das wirtschaftliche Denken geblieben ist. Die regierungsrätliche Vorlage würde nur Gewinner produzieren, denn es ist erwiesen, dass bei einem Einsatz von Fr. 1.-- in die familienergänzende Kinderbetreuung Fr. 3.-bis Fr. 4.-- an Rückfluss zu erwarten sind. Gleichzeitig haben wir weniger Arbeitsausfälle und zufriedenere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Die Investition im Bereich der familienergänzenden Kinderbetreuung kann Fürsorgefälle verhindern und ein Mehrfaches an Fürsorgegeldern sparen. Von Nutzen wäre sie auch für die Schule: Betreute Schülerinnen und Schüler sind aufnahmefähiger. Sie lernen mehr und erfüllen dann auch die Voraussetzungen, welche die Wirtschaft an die heutigen Lehrlinge stellt. Wenn wir die Familienpolitik weiterhin so behandeln, wie wir das jetzt tun, haben wir bald keine Kinder mehr zu erziehen. Ich habe keine Angst vor der Staatserziehung, ich habe Angst vor der Staatserblindung oder vor der rosaroten Brille. Damit möchte ich mich noch an die SVP wenden: Ich gehe davon aus, dass Sie alle das Buch "Heidi" von Johanna Spyri gelesen haben. Dort ist nachzulesen, dass es schon vor hundert Jahren Familien mit ungewöhnlichen Strukturen gegeben hat. Heute gibt es das immer mehr, doch haben leider nicht alle einen "Alpöhi". Man muss immer wieder betonen, dass die Situationen nicht selbst gewählt sind. Es sind nicht "wohlstandsverwahrloste" Mütter, die das Gefühl haben, sich noch irgendwo verwirklichen und einer Arbeit nachgehen zu müssen, sondern häufig solche, die wirklich arbeiten müssen, damit sie mit einem zweiten Einkommen die Familie knapp über die Runden bringen können. Wenn heute 45 % der Kinder nicht oder schlecht betreut sind, dann ist das ein Armutszeugnis für unseren Kanton. Wenn die Gemeinden nicht verpflichtet werden und der Kanton nicht mitträgt, werden viele Gemeinden kein Angebot machen. Es wird von allen Seiten betont, dass die familienergänzende Kinderbetreuung ein klarer und unbestrittener Standortvorteil ist. Da frage ich mich, warum dieser Vorteil nur den bisher schon vermögenden Gemeinden zugute kommen soll. Würde der Kanton mittragen, könnten es sich auch andere Gemeinden leisten. Zuletzt möchte ich mich noch an die CVP-Fraktion wenden: In der heutigen "Thurgauer Zeitung" äussert sich die CVP-Präsidentin unter dem Titel "Entlastung für die Familien" und sagt, dass sie sich wirklich nicht an einen Flop in den letzten vier Jahren erinnern könne. Stimmen Sie heute der Rückweisung an eine neue Kommission zu, damit sich Ihre Präsidentin nicht plötzlich doch noch an einen Flop erinnern muss. Sie ist auch besonders stolz auf ihren Wahlslogan "weiterdenken". Wenn Sie heute weiterdenken und die Vorarbeit des Regierungsrates und der Departemente würdigen, müssen Sie für die regierungsrätliche Fassung sein. Thorner, SP: Ich bin für Rückweisung der vorliegenden Gesetzesfassung, weil sie so schwach auf der Brust ist, dass sie beim ersten Druckversuch die Luft verlieren würde. Wir haben in der wechselvollen Geschichte der vorliegenden Fassung erlebt, dass die Thematik viel Potential für ideologische Positionsbezüge in sich birgt. Dieses Handicap begleitet sie seit Beginn. Ich hätte mir oft gewünscht, dass die Motion von der rechten Seite eingebracht worden wäre. Dann hätte

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es weniger Widerstand gegeben. Der Regierungsrat hat den Motionsauftrag ernsthaft und kompetent erfüllt. Die umfassende Botschaft hat auch in anderen Kantonen für Aufsehen gesorgt: Familienpolitisch würden wir damit den Schritt ins dritte Jahrtausend machen. Nun liegt ein Gesetz vor, dem meiner Meinung nach das Fundament gänzlich entzogen worden ist. Das unverbindliche Fördern lässt eigentlich Tür und Tor für Interpretationen offen. Sagen Sie mir einen Punkt ausser allenfalls der Bedarfsermittlung, den die Gemeinden nicht schon heute umsetzen könnten. Ich traue den Gemeinden sehr viel zu, ich weiss aber auch, dass manchmal sanfter Druck förderlich ist. Der zweite Teil ist die kantonale Mitfinanzierung. Kindergarten, Energieförderung, Eheberatung oder Suchtprävention sind alles gemeinsame Aufgaben von Kanton und Gemeinden. Wir haben nicht plötzlich den Tag x, an dem die Aufgabenteilung realisiert werden muss, zumal es um ein Gebiet geht, von dem der Kanton ja auch profitiert. Viele von Ihnen wissen offenbar nicht, dass die kantonale Einmischung bereits jetzt bundesrechtlich verordnet ist. Keine Einrichtung, in der mehr als vier Kinder tagsüber regelmässig zur Betreuung aufgenommen werden, darf aufgehen, ohne vom Kanton grünes Licht erhalten zu haben. Der Kanton hat eine Aufsichtspflicht, weshalb die Vorstellung "wer zahlt, befiehlt" gar nicht realisierbar ist. Der Kanton hat diesen Kriterienkatalog seit Jahren in Gebrauch. Zum Standortvorteil: Wir haben nun die Chance, unserem Kanton mit einem innovativen Gesetz, das sich nicht nur auf die Förderung beschränkt, gute Arbeitsplätze, aber auch gute Familien zuzuführen. Ich bitte Sie, diese Chance zu packen. Eugster, CVP: Unbestritten ist, dass die familienexterne Betreuung heute eine Notwendigkeit ist. Beim Weg dazu scheiden sich die Geister. Wenn nun die rotgrüne Fraktion behauptet, dass der vorliegende Entwurf ein Papiertiger sei, dann irrt sie sich. Ich bitte Sie, die Kommissionsfassung zur Hand zu nehmen und § 4 zu lesen. Dort heisst es: "Die Politischen Gemeinden fördern bei Bedarf das Entstehen und den Betrieb angemessener Angebote." Das ist eine Muss- und keine Kann-Formulierung. Deshalb hat Regierungsrat Koch den Nagel auf den Kopf getroffen, als er sagte, dass es ein verpflichtendes Fördergesetz sei. Ich bitte Sie, den Rückweisungsantrag abzulehnen. Willi, SP: Wie sollen die Gemeinden dieser Verpflichtung nachkommen, wenn ihnen das Geld dazu fehlt? Die Vorlage des Regierungsrates enthält die finanzielle Unterstützung des Kantons, die in der Kommissionsfassung fehlt. Grauer, SP: In § 3 der Kommissionsfassung ist die Verpflichtung enthalten, den Bedarf zu erheben. In § 4 Absatz 1 steht, dass die Politischen Gemeinden bei Bedarf fördern. Das heisst, dass gefördert werden muss, wenn sich bei der Bedarfsermittlung gemäss § 3 ein Bedarf herausstellen sollte. Dahingehend hat sich auch Kantonsrat Eugster geäussert. In § 4 Absatz 2 wird aufgezählt, was die Förderung umfasst. Darunter gehören auch die finanziellen Beiträge. Gehe ich also richtig in der Annahme, dass die Gemeinden bezahlen müssen, wenn ein Bedarf festgestellt wird?

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Präsident: Kantonsrat Eugster kann hier keine abschliessende und allgemein verbindliche Aussage machen. Um Klarheit darüber zu erhalten, müssten wir den betreffenden Paragraphen im Detail beraten. Jetzt diskutieren wir aber über die Rückweisung, und da gilt es, sich zu entscheiden, ob wir die vorliegende Gesetzesfassung oder eine andere Fassung, die eine neu zu bildende Kommission zu erarbeiten hätte, im Detail beraten wollen. Grauer, SP: Ich erwarte keine Antwort von Kantonsrat Eugster, sondern selbstverständlich vom Regierungsrat, und zwar jetzt anlässlich der Diskussion über die Rückweisung. Seine Antwort ist entscheidend, denn es geht um die Frage, ob das vorliegende Fördergesetz ein Papiertiger ist oder nicht. Ich will wenigstens wissen, was ich zurückweisen soll, und frage daher den Regierungsrat, ob es auch seine Meinung ist, dass die Gemeinden bezahlen müssen, wenn ein Bedarf festgestellt wird. So steht es im Gesetzesentwurf. Regierungsrat Koch: Die §§ 4 und 5 stehen in einem engen Zusammenhang. Persönlich bin ich der Auffassung, dass die Gemeinde dann zahlen muss, wenn die Benutzerin oder der Benutzer nicht in der Lage ist, die Beiträge nach Massgabe der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit gemäss § 5 Absatz 2 Ziffer 3 zu leisten. Deshalb meine ich, dass es für die Gemeinde eine Verpflichtung ist, wenn der Benutzer oder die Benutzerin die Leistung nicht erbringen kann. Diskussion zur Rückweisung - nicht weiter benützt. Abstimmung: Der Rückweisungsantrag Schlaginhaufen wird mit 87:33 Stimmen abgelehnt.

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Präsident: Die nächste Ratssitzung findet am 14. April wieder im Rathaus Frauenfeld statt und wird halbtägig durchgeführt. Im Anschluss an die kommende Ratssitzung lädt uns der Stadtrat Frauenfeld zum Apéritif und zum Mittagessen in das Stadtcasino ein. Wir freuen uns auf diesen Legislaturschlusspunkt, der zudem auf den Tag genau mit dem 201. Geburtstag unseres Grossen Rates zusammenfallen wird. Es sind noch folgende Neueingänge mitzuteilen: - Motion von Werner Dickenmann mit 73 Mitunterzeichnenden betreffend befristete Elektrizitätsmarkt-Öffnung im Kanton Thurgau. - Einfache Anfrage von Niklaus Lussi zur Richtplanänderung betreffend Landwirtschaftsland des Landwirtschaftlichen Bildungs- und Beratungszentrums Arenenberg (LBBZ). - Einfache Anfrage von Jakob Thurnheer betreffend Bauvorhaben auf dem Gutsbetrieb der Anstalt Kalchrain. Wir möchten unser Winterhalbjahr in Weinfelden nicht abschliessen, ohne der Gemeinde Weinfelden recht herzlich für das Gastrecht des Grossen Rates in ihrem Rathaus zu danken. Unseren besonderen Dank richten wir an das Ehepaar Yolanda und Urs Stuber, die von Sitzung zu Sitzung immer wieder dafür sorgen, dass der logistische Sitzungsrahmen von A bis Z stimmt. Danken möchten wir schliesslich auch der Kantonspolizei für ihre Sicherheitsvorkehren rund um unseren Ratsbetrieb.

Ende der Sitzung: 12.55 Uhr.

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