Der emotionale Hunger Die Rolle der inneren Diktatoren, Kritiker und Verführer und die nachhaltige Heilung

Professional Business Coach Arbeit von Tansu Reichler 05.05.2017

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Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung

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2. Was ist emotionaler Hunger?

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2.1. Anzeichen

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2.2. Der Essdruck

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3. Geburt der inneren Emotionalfiguren?

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3.1. Der innere Kritiker

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3.2. Der innere Diktator

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3.3. Der innere Verführer

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4. Das perfekte Zusammenspiel der Drei

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5. Die NLP-Interventionen für den Coach

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5.1. Das Erkennen des emotionalen Hungers

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5.2. Den Essdruck wahrnehmen und visualisieren

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5.3. Arbeit mit dem inneren Diktator

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5.4. Arbeit mit dem inneren Kritiker

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5.5. Arbeit mit dem inneren Verführer

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5.6. Hilfsmittel für den Coach

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6. Zusammenfassung und Schluss

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7. Literaturverzeichnis

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1. Einleitung

Ich habe schon immer Menschen bewundert, die von Natur aus schlank sind und essen können, wann sie wollen, wie viel sie wollen und was sie wollen. Natürlich schlanke Menschen, die sich nicht reglementieren und nicht nach einem vorgegebenen Plan essen, sondern sich von ihrem natürlichen Hungergefühl leiten lassen. Das klingt für mich und für die meisten Menschen wie eine schöne Utopie.

Und auf der anderen Seite gibt es Menschen, die sich ständig mit dem Thema Ernährung beschäftigen, sich gängeln, Kalorien oder Punkte zählen, unzählige Diäten durchführen. Menschen, die abnehmen und kurze Zeit wieder zunehmen. Menschen, die dadurch frustriert sind. Menschen, die sich überessen und nicht mit dem Essen aufhören können. Und sogar Menschen, die Essstörungen entwickeln.

Wenn Menschen essen, obwohl sie gar nicht körperlich hungrig sind und sich mit dem Essen beruhigen, trösten, belohnen möchten oder ihre Lageweile, ihre Trauer, ihre Freude und sonstige Emotionen kompensieren möchten, ist emotionaler Hunger gemeint. Und der emotionale Hunger kann nicht mit Nahrungsmitteln befriedigt werden.

Die vorliegende Arbeit befasst sich mit dem Thema emotionaler Hunger und welche Rolle der inneren Teile von uns wie die Diktatoren, die inneren Kritiker und Verführer spielen. Und mit der Frage, wie ein NLP Coach einen Klienten bei dem Thema emotionaler Hunger nachhaltig unterstützen kann.

Der Fokus wird dabei auf die Coaches oder Trainer gelegt, die hier mit NLP bei dem Thema emotionaler Hunger intervenieren können und den Teufelskreis der Ess-Frust erfolgreich und nachhaltig durchbrechen können.

Denn hinter jedem Essdruck und hinter jedem emotionalen Hunger steckten Kompensationsprozesse der Seele bzw. der inneren Anteile von uns.

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2. Was ist der emotionale Hunger?

Wir alle haben schon mal eine Szene in Filmen erlebt, wonach eine Frau, die sich gerade frisch von ihrem Freund getrennt hat, weinend in der Badewanne liegt und Eis als Trost futtert.

Ich ertappe mich immer wieder mal, wenn ich frustriert von der Arbeit nach Hause komme und mich auf das Essen vor dem Fernseher freue. Ich esse während der Fernseher läuft. Lasse mich beim Essen berieseln und wundere mich, dass mein Teller plötzlich leer ist. Obwohl ich alles aufgegessen habe, fühle ich mich nicht gesättigt.

Besonders fiel mir mein emotionaler Hunger auf, als ich neulich eine Reise für 4 Tage nach Berlin unternahm. Im Vorfeld der Reise baute sich in mir eine Angst auf, ich könne dort verhungern. Daher traf ich viele Vorbereitungen. Kaufte viele Lebensmittel ein und deponierte sie in meinen Koffer. Für die Fahrt nahm ich mehrere gekochte Mahlzeiten mit. Obwohl ich voller Lebensmittel vollgepackt war und mich mitten im pulsierenden Berlin wiederfand mit den vielfältigen kulinarischen Möglichkeiten zu essen, hatte ich permanent eine Angst in mir, ich würde verhungern.

Die wesentlichen Aspekte des emotionalen Hungers sind: -

wir essen, obwohl wir körperlich nicht hungrig sind oder

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wir essen, obwohl wir schon längst satt sind oder

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wir essen, weil wir ständig Angst haben, nicht satt zu werden

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wir essen viel zu schnell, zu hastig, zu unkonzentriert

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2.1 Die Anzeichen von emotionalem Hunger

In diesem Kapitel möchte ich die vielfältigen Anzeichen von emotionalem Hunger näher erläutern.

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Der plötzliche Anfall von Hunger Emotionaler Hunger ist ganz plötzlich da. Ganz plötzlich entsteht ein Gedanke: „Ich will jetzt sofort essen“. Wahrgenommen wird der emotionaler Hunger eher im oberen Torso Bereich.

Der körperliche Hunger entwickelt sich dagegen eher langsam und Schritt für Schritt. Zu spüren ist er körperlich in der Magen- und Bauchregion. Zuerst ist ein Ziehen in der Magenregion wahrzunehmen. Genau dieses Ziehen will darauf aufmerksam machen, dass ich seit Stunden nichts gegessen habe.

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Heißhunger auf ganz bestimmte Speisen Emotionaler Hunger äußert sich in der Lust auf ganz bestimmt Speisen, meist süße oder fettige Speisen. Diese starken Gelüste sind ein deutliches Anzeichen von emotionalem Hunger.

Bei einem echten Hunger überlegt man in der Regel nach der Wahrnehmung des eigenen Hungers, worauf man Lust hast und spielt in Gedanken Kategorien von Speisen ab.

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Nicht aufhören zu können Emotionales Essen lässt sich nicht stoppen, auch wenn der Magen schon längst voll ist und beschreibt das Überessen und die Überdehnung des Magens. Selbst wenn der Magen wirklich voll ist, wird trotzdem weitergegessen. Wie wir später noch sehen werden, spielen hier noch weitere Gründe eine zentrale Rolle, warum Menschen nicht aufhören können zu essen, obwohl sie rein körperlich schon satt sind. Seite 6

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Kürzere Dauer des Essprozesses Der emotionaler Esser schlingt sein essen hastig runter, obwohl keine wirkliche Eile geboten ist. Wenn er in Gesellschaft isst, wird er immer wieder feststellen, dass er als einer der ersten mit dem Essen fertig geworden ist. Der Vorgang des Essens nimmt im Durchschnitt ca. 8 bis 10 Minuten in Anspruch. Im Alltag kann sich diese Zeit sogar auf ca. 5 Minuten verkürzen. Ein „normal“ Essender wird sein Essen nicht hineinschlingen, sondern in der Regel langsamer essen. Die durchschnittliche Dauer bei ihm beträgt ca. 20 bis 30 Minuten.

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Wenig kauen, hastiges Schlingen Im Zusammenhang mit dem hastigen Schlingen passt auch, dass der emotionaler Esser zu wenig kaut. Das Essen wird in größeren Stücken runtergeschluckt. Bevor eine Gabelladung runtergeschluckt werden kann, wird die nächste Gabelladung aufgeladen.

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Negative Gefühle während des Essens Während des Essens entstehen unterschiedliche Gefühle von „es ist sowieso sinnlos“ bis hin zu „ich will mich emotional zu dröhnen, um nichts spüren zu müssen“. Diese Gefühle sind eher unterschwellig und stellen einen sehr wichtigen Treiber dar. Es ist wie ein Grundrauschen, der später zu einem schlechten Gewissen, zur Resignation und zur emotionalen Abstumpfung führen kann.

Bei jedem Bissen werden die Gefühle von einer Bandbreite erlebt, die von Selbstverachtung bis hin zur Resignation und Sinnlosigkeit führen. Diese negativen Gefühle führen den emotionalen Esser dazu, dass er das Essen als solches nicht genießen kann. Ein „normal“ Essender verbindet das Essen mit angenehmen Gefühlen, die mit dem Thema Essen zu tun haben. Es sind Gefühle, die mit dem Geschmackserleben und Seite 7

mit dem Gefühl des Sattwerdens zu tun haben. Negative Gefühle verbindet er nicht mit dem Essen. Die Gedanken kreisen sich um die verschiedenen Zutaten, die Zubereitungsarten und die geschmacklichen Komponenten. Er kann sein Essen mit allen Sinnen genießen.

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Negative Gefühle nach dem Essen a) Gewissensbisse Auch in der Phase, wenn das Essen abgeschlossen ist, wird der emotionaler Esser mit negativen Gefühlen begleitet. Es sind Gedanken, die das schlechte Gewissen „füttern“, nicht diszipliniert zu sein und versagt zu haben. Diese negativen Gedanken nähren das schlechte Fühlen. Gedanke: „Ich habe jetzt mich überfressen und war so undiszipliniert“ Gefühl: „Fühle mich jetzt wie ein Versager“

b) Selbstabwertung oder Essen als Bestrafung Das Gefühl „Fühle mich jetzt wie ein Versager“ verstärkt das schlechte Gewissen. Selbstabwertung ist die Folge davon. Die betroffene Person fühlt sich klein, wertlos und ist voller Selbsthass. Was als Trost anfing, endet später als Selbstabwertung und als Selbstbestrafung.

Diese Gefühle sind die Quelle wiederum für ein weiteres emotionales Essen. So befindet sich der Betroffene in einem Teufelskreis

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Innere Leere nach dem Essen Nach dem Essen fühlt sich ein emotional Essender leer und immer noch unbefriedigt. Obwohl er ziemlich voll ist und der Magen ihm bereits weh tut, kann er seine Sättigung nicht spüren. Diese innere Leere ist so „nagend“, dass sie mit keinem Essen gefüllt werden kann.

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Kompensation von negativen Gefühlen

Das emotionale Essen soll Gefühlen und Empfindungen wie Müdigkeit, Überforderung, Unterforderung, nicht geliebt sein, nicht gut genug zu sein, nicht wertvoll zu sein (mangelndes Selbstwertgefühl) entgegenwirken. Auch hier erfolgt die Kompensation auf der unbewussten Ebene.

Quelle: Maria Sanchez. “Der innere Weg“ Bildquelle: http://www.2createabody.com/binge-eating-disorder.html Grafische Darstellung: Tansu Reichler

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2.2. Der Essdruck, der emotionalen Hunger sichtbar macht

Der emotionale Hunger drückt sich in Form eines Essdrucks aus. Wir spüren in uns einen Druck, etwas sofort essen zu müssen. Oder einen Druck, mehr als es uns guttut, essen zu müssen. Der Essdruck kann vor dem tatsächlichen Essen auftreten in Form eines Gedankens und eines Gefühls „etwas sofort essen zu müssen.

Wichtig zu wissen ist es, dass der Essdruck in den drei Phasen des Essens auftreten kann: vor, während und nach dem Essen.

Vor dem Essen:

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Wir spüren seelischen Druck und haben ein unwiderstehliches Verlangen nach fettigen, süßen oder kräftig schmeckenden Speisen.

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Wir sitzen gierig vor der Packung Chips oder Schokolade und kämpfen mit uns, es nicht aufzumachen. Der Kampf ist der eigentliche Essdruck. Er ist innerlich stark zu spüren, weil sie unsere Gedanken und Gefühle um diese Packung Schokolade drehen.

Während des Essens:

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Wir schlingen das Essen in einer sehr hohen Geschwindigkeit. Der Essdruck veranlasst uns schneller als nötig zu essen.

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Paradoxe Gedanken, die in uns kreisen: es schmeckt so gut, dass wir gerne länger davon hätten. Daher schlingen wir das Essen, weil es so gut schmeckt.

Nach dem Essen:

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Trotz der Tatsache, dass der Magen voll ist, entsteht keine Sättigung. Immer noch nagend ist das Gefühl, nicht wirklich satt zu sein.

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„Soll das jetzt alles gewesen sein?“ als zermürbendes Gefühl Seite 10

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Keine wirkliche seelische und wohlige Sättigung

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„nagendes Gefühl“ ich bin nicht befriedigt.

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Rastlos nach Ersatzspeisen wie Eis, Schokolade, Erdnüsse, Fleisch usw. Ausschau halten. „Was könnte mich denn wirklich noch befriedigen?“

Der Essdruck ist wie ein Seismograf unseres Innenlebens und unserer emotionalen Bedürfnisse. Er entsteht, wenn das verlassene innere Kind oder verletzte kindliche Anteile sich melden und Beachtung fordern. Dies kann bei emotionalem Stress, bei Trauer, bei Einsamkeitsgefühlen, bei Selbstabwertung, beim Sehnsucht nach Trost, nach Liebe, nach Geselligkeit usw. entstehen.

Der Essdruck ist ein Zeichen dafür, dass es innere Spannungen gibt, die von der Person nicht bewusst wahrgenommen wurde. Und genau auf diese inneren Spannungen will der Essdruck uns aufmerksam machen.

Ihn ausschalten ist nicht möglich, denn er wirkt unbewusst aus dem Inneren heraus. Ihn umgehen ist nicht möglich, da er beharrlich ist und nach Befriedigung verlangt.

Wenn wir dem Essdruck nachgeben und uns verführen lassen durch fettes oder süßes Essen und ohne Hunger essen, erfahren wir keine seelische Befriedigung. Ganz im Gegenteil sogar. Nach dem Nachgeben des Essdrucks befinden wir uns relativ schnell in der Selbstabwertung und beim schlechten Gewissen und somit wieder in der neuen Spirale des Essdrucks.

Der einzige Weg, der sinnvoll ist, ist der konstruktive Umgang mit dem Essdruck. Ihn als einen Verbündeten anzusehen, der den Weg zum wahren Problemkern im Inneren zeigen kann.

Woran merkt man, dass es kein emotionaler Hunger oder Essdruck ist? An der Tatsache, dass man einem Impuls folgt, aber nicht zwangsläufig ihn zu Ende bringen muss. Seite 11

Beispiel: Die Klientin kommt gestresst und müde von der Arbeit nach Hause. Zieht ihren Mantel aus, wäscht sich die Hände und geht zum Kühlschrank, weil sie das immer gerne als nächstes Ritual macht. Sie bemerkt, dass sie aber keinen wirklichen Hunger hat und dass ihr Hunger noch nicht so groß ist, dass es sich für sie lohnen würde, jetzt etwas aus dem Kühlschrank zu essen. Sie macht den Kühlschrank wieder zu und widmet sich anderen Dingen zu.

Genau dieser Aspekt, dass sie kurz innehält, in sich spürt und feststellt, dass sie keinen wirklichen körperlichen Hunger hat, ist ein bewusster Akt. Es mag zwar eine Gewohnheit sein, nach dem nach Hause kommen, sich die Hände zu waschen und dann zum Kühlschrank zu gehen. Allerdings muss das nicht zwangsläufig zu einem emotionalen Hunger führen.

Wenn die Klientin allerdings diese Gewohnheit hat, jeden Tag nach der Arbeit zuerst sich die Hände zu waschen und dann zum Kühlschrank zu gehen und ohne diese Reflektion etwas aus dem Kühlschrank herauszunehmen und gedankenverloren zu essen, ist es emotionales Essen.

Als NLP Coach ist hier eine relativ einfache Intervention mit dem Klienten möglich, um mit dem Essdruck konstruktiv zu arbeiten. Dies wird im letzten Kapitel dieser Arbeit näher erläutert.

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3. Die Geburt der inneren Emotionsfiguren wie Kritiker, Diktatoren, Verführer

Unter Emotionsfiguren versteht man die inneren Teile in uns, die bildlich gesprochen wie eigene Anteile oder Persönlichkeiten in uns leben, irgendwann etabliert worden sind und uns aus dem „Untergrund“ lenken. Auch wenn sie unangenehm, nervig oder abwertend sein können, haben sie eine wichtige Funktion in unserem Leben.

Innere Kritiker sind ein typisches Beispiel für innere Anteile oder Emotionsfiguren, die in uns im Laufe unseres Lebens entstanden sind. Sie wollen uns genau wie die Diktatoren antreiben, allerdings besteht ein sehr großer Unterschied zu ihnen. Kritiker werten uns immer ab. Ihre Aussagen sind immer mit einer Abwertung unserer Person verbunden.

Entstehung der inneren Emotionsfiguren Kinder sind stets bestrebt, die Liebe ihrer Eltern zu bekommen. Zu diesem Zweck „tun sie sehr viel“ und übernehmen dabei auch die Werte und die Glaubenssätze ihrer Eltern.

Insbesondere bei Gewalterfahrung im Elternhaus oder bei dysfunktionalem Umfeld während der Kindheit geben sich die Kinder selber die Schuld. Es passiert in ihnen etwas Paradoxes. Statt zu denken „Mama ist überfordert und behandelt mich deswegen so schlecht oder schlägt mich“ denkt das Kind „wäre ich nur lieb genug, würde sie mich nicht schlagen“. Genau zu diesem Zeitpunkt werden in dem Kind sogenannte geheime innere Programme installiert wie zum Beispiel „ich bin nicht gut genug“ oder „ich bin nicht liebenswert“ oder „ich bin nichts wert“. Die kindliche Logik denkt dabei in sich logisch: wäre ich liebenswert, würde Mama mich nicht schlagen. Diese unbewussten Programme können als starke negative Treiber arbeiten: „Wenn das Kind-Ich nicht die Grundbedürfnisse nach Liebe und Schutz und Anerkennung von den

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Eltern bekommt, weil die Eltern verstrickt sind / überfordert sind und es ihm nicht geben können, wird das in dem Kind als negativer Treiber fungieren. „Ich bin zu kurz gekommen“ ist der wichtigste negative Treiber“

Als Kind fehlen ihm wichtige Ressourcen, um mit der Eltern-Situation umzugehen. Aus diesem Grunde übernimmt die Psyche des Kindes das Überlebensprogramm und installiert diese – für uns scheinbar paradoxe – geheimen Programme.

Genau bei einem solchen Überlebensprogramm verlässt das Kind seinen Wesenskern und erschafft ein inneres konditioniertes Kind. „Um Zuneigung und Liebe zu erfahren, wird es sich anpassen – und vielleicht sogar von seiner „Natur“ entfernen müssen. […] Wenn wir uns nämlich von unserem Wesenskern entfernen, entsteht in uns ein Persönlichkeitsanteil, den man als verlassenes inneres Kind bezeichnen könnte.

Sanchez, Maria. Der Innere Weg: Vom Essen und Leben (Kindle-Positionen 522-523). Envela Verlag.

Es ist für uns sehr schwer zu ertragen, wenn wir die Verletzungen unseres inneren verlassenen Kindes spüren würden. Daher behilft sich unsere Psyche dadurch, dass er eine „Mauer“ vor diesem verletzten inneren Kind aufbaut. Mit dem Ziel, die Verletzungen unseres inneren Kindes nicht mehr spüren zu müssen. Aus dieser Anpassung entsteht eine neue innere Figur, nämlich die des „konditionierten Kindes“. Und diese Mauer ist das konditionierte Kind, das aus inneren Diktatoren, Kritikern und Verführern besteht. „Um die Ohnmacht des verlassenen inneren Kindes nicht mehr zu spüren, hatte er ein konditioniertes Kind in sich entwickelt, das darauf bedacht war, emotional unabhängig zu sein.“ Quelle Sanchez, Maria. Der Innere Weg: Vom Essen und Leben (KindlePositionen844-846). Envela Verlag.

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Zusammenfassung:

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Das Kind kommt mit einem reinen Wesenskern auf die Welt

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Aufgrund der Umstände im Elternhaus (Gewalt etc.) übernimmt es die Werte und Glaubenssätze der Eltern, um geliebt zu werden.

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Das Kind installiert unbewusste Programme in sich „Ich bin nicht liebenswert“

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Entstehung des inneren verlassenen Kindes, das die seelischen Schmerzen und Emotionen spürt

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Unsere Psyche konstruiert eine Mauer, um die seelischen Schmerzen des inneren Kindes nicht spüren zu müssen. Das ist die Basis für die Entwicklung des „konditionierten Kindes“. Das ist die Basis für die Entwicklung der drei Emotionalfiguren-Trio „Diktator, Kritiker, Verführer“

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3.1. Die Emotionsfigur des inneren Kritikers

Der Kritiker ist die innere Stimme in uns, die uns kritisiert, abwertet und uns mit einem Gefühl „nicht gut zu sein“ zurücklässt. Es sind negative Gedanken, wonach wir uns schlechter fühlen.

Typische Sätze für den inneren Kritiker sind:

- Du taugst zu nichts - Das schaffst du sowieso nie - Du bist nichts wert - Du bist zu blöd dafür - Mit dir muss ich mich immer ärgern - Du bist zu hässlich und zu fett

Der innere Kritiker bedient sich aus im Portfolio dem NLP Metamodell der Sprache durch Generalisierungen, Verzerrungen und Tilgungen, um uns in allem, was wir tun, immer wieder abzuwerten. Dabei bedient sich der innere Kritiker verschiedener Maßnahmen.

a) Der Kritiker, der nur schwarz-Weiß liebt

Stellt im Metamodell der Sprache im NLP eine Verzerrung da, und zwar eine verzerrte Ursache-Wirkung. „Hier wird eine Reiz-Reaktionskopplung unterstellt. Jemand führt eine Aktion aus, die eine Reaktion auslöst“ (Quelle: Alexander Training. Practitioner Handbuch, Seite 66)

Dieser innere Kritiker liebt das Denken in Extremen. Alles oder Nichts. Es gibt nur schwarz oder weiß. Millionär oder unter der Brücke verhungern, wertvoll oder wertlos,

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schön oder hässlich. Hier gibt es nicht die Mitte. Gemäß diesem Kritiker habe ich eine schöne Figur oder bin zu fett“ (Quelle: Dr. Rolf Merkle. https://www.psychotipps.com/negatives-denken.html

Beispiel: Du hast nur eine Chance zum Abnehmen. Wenn du es dieses Mal nicht schaffst, dann kannst du dich gleich vergraben“

Damit will dieser Kritiker uns suggerieren, dass es um Alles oder Nichts geht. Dass es nur ein Richtig und ein Falsch gibt. Also nur schwarz oder weiß.

Auswirkungen des Schwarz-weiß Kritikers: Angst. Er will uns mit seinen Aussagen Angst machen und uns entwerten.

Auswirkungen auf uns: Weil wir diesen Druck spüren und ihn hören, haben wir tatsächlich Angst, etwas falsch zu machen, zu versagen. Diese Angst bewirkt das Gegenteil von Selbstwertgefühl-nähren. Es nagt an uns. Wir zweifeln an uns und stellen uns in Frage. Unser Selbstwertgefühl nimmt rapide ab.

b) Der Kritiker, der übertriebene Verallgemeinerungen liebt und zelebriert Hier liebt es der innere Kritiker pauschale Urteile abzugeben. Beispiel: „nie kannst du durchhalten bei deiner Diät“ „Immer verlierst du“ „Du bist immer klein“

c) Der Kritiker, der eine eingeengte oder selektive Wahrnehmung hat Hierbei handelt es sich um den generalisierten Bezugsindex (Referenzindex). „Von einem Element einer Menge wird auf die ganze Menge generalisiert. Es wird der Universalquantifikator weggelassen, aber die Menge genannt…“ (Quelle: Alexander Training, Practitioner Handbuch) Seite 18

Dieser Kritiker wird uns einreden, wir hätten nie eine Chance auf einen Partner, nur, weil wir eine Absage von einem Mann oder von einer Frau erhalten haben. Das gleiche gilt bei einer Absage für einen Job. Wenn wir von unserem Chef für eine Sache getadelt werden, sagt der Kritiker in uns, dass alle Menschen so negativ denken, obwohl es tatsächlich nur eine Person ist.

Dieser Kritiker geht noch viel weiter als die anderen Kritiker: er bezeichnet uns als „dumm“ oder „unfähig“, wenn uns ein Unglück widerfährt. Er ist ungnädiger als es je ein Richter sein könnte. Genauso liebt er es pauschale Urteile über unser ganzes Leben abzugeben, wie zum Beispiel „dein ganzes Leben ist nur ein Chaos“ oder „Dein Leben ist ja echt beschissen.“

Sein Wirkmechanismus: Er nimmt ein Ereignis, um daraus eine allgemeingültige Regel aufzustellen, die für den Rest unseres Lebens gelten soll. Dazu gehören auch die oben erwähnten pauschalen Urteile über unser Leben.

d) Der Kritiker, der das Positive leugnet

Hierbei handelt es sich um eine Verzerrung im Meta-Model der Sprache, und zwar die des Gedankenlesens. Dieser Kritiker in uns leugnet unsere Erfolge, das Positive und dichtet uns etwas Negatives an. Er versteht es vorbildlich das Positive, das wir erreicht haben, als etwas hinzustellen, das keinen Wert hat.

Beispiel 1: Ich bekomme ein schönes Kompliment von einem Mann. Der innere Kritiker sagt „Der Mann hat einfach keinen Geschmack“

Beispiel 2: Ich habe eine gute Präsentation gehalten und wurde dafür gelobt. Der innere Kritiker sagt „Du bist nichts Besonders. Deine anderen Kollegen sind viel besser als Du“.

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e) Der Kritiker, der aus einer Mücke Elefanten macht oder die Kunst der Übertreibung

Dieser Kritiker hält eine Lupe auf unsere Fehler hin und verwandelt selbst kleine Fehler in große Vollkatastrophen.

Dabei bedient er sich dem Verlorenen Performativ (Lost Performativ) „Der Sprecher der Aussage fehlt. Der Performativ gibt Hinweise, wer etwas sagt und für wen es gilt. Es wird so getan, als ob es sich um eine allgemeingültige Tatsache handelt.“ (Quelle: Alexander Training, Practitioner Handbuch)

Beispiel: Ich habe einen kleinen Fleck auf meiner Bluse. Für andere kaum wahrnehmbar. Unser innerer Kritiker macht aus diesem kleinen Fehler eine Vollkatastrophe. „Was werden jetzt die anderen denken? Du siehst nicht mehr toll aus“. Er geht sogar einen Schritt weiter und folgert aus dem kleinen harmlosen Fleck, dass wir grundsätzlich ein dreckiger, schlampiger und ungepflegter Mensch sind. Und das kann jeder auch sehen.

Quelle: eigene Darstellung Seite 20

f) Der Kritiker, der mit zweierlei Maß misst

Dieser Kritiker ist großzügig, wenn es um die Fehler der anderen Menschen handelt. Da kann er verzeihen und nachsichtig sein. Bei unseren eigenen Fehlern misst er mit zweierlei Maß und ist uns gegenüber sehr hart, streng und unnachgiebig. Bei uns ist der Fehler ja auch viel schlimmer als bei den anderen.

Beispiel: Leide ich unter Haarausfall, sagt der Kritiker mir gegenüber, dass ich hässlich sein werde mit einer Glatze. Und somit nicht mehr attraktiv für eine mögliche Partnersuche. Bei einem anderen Menschen sieht er, dass eine Glatze sehr attraktiv sein kann und sieht die Glatze nicht als Manko.

Ein anderes Beispiel betrifft das Gewicht. Wenn ich eine Frau sehe, die Übergewicht hat, finde ich sie sehr schön und attraktiv vom Äußeren, wenn sie sich gut kleidet. Mein innerer Kritiker misst auch hier mit zweierlei Maß und findet dieselbe Anzahl Kilos bei mir unattraktiv und nicht sehenswert.

Selbst wenn man den inneren Kritiker darauf hin anspricht, wird er entgegnen, dass die andere Frau viel größer ist als ich oder dass die Glatze bei dem anderen Mann viel attraktiver aussieht, weil er sportlicher gebaut ist. D.h. der eigene Kritiker wird immer wieder Antwortmöglichkeiten finden, um seinen Standpunkt mit den zweierlei Maß aufrecht zu erhalten.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der innere Kritiker sehr stark ist. Er arbeitet mit Verzerrungen, Verallgemeinerungen und Tilgungen, die seine Aussagen für uns als „wahr“ erscheinen lassen. Dadurch lassen wir auch zu, dass er uns abwertet. Statt kritisch den inneren Kritiker zu hinterfragen, glauben wir seinen Aussagen, die doch so wahr klingen und die uns abwerten, weil wir es möglicherweise schon aus unserer Historie heraus gewohnt sind, abgewertet zu werden. Diese Selbstabwertungen sind so Seite 21

subtil, dass wir es nicht einmal merken, wenn sie aus unserem Unterbewusstsein hochkommen. Wir spüren uns schlecht, klein, mies, depressiv. Das wiederum baut wieder einen inneren Druck auf und aus diesem Druck entsteht unser Essensdruck und unser Drang, emotional zu essen.

3.2. Die Emotionsfigur des inneren Diktators

Der Diktator ist die treibende Kraft in uns, die uns unerbittlich nach vorne antreibt. Die Hauptaufgabe des Diktators ist es, dem inneren Kritiker zu dienen. Der Diktator hat Botschaften, die sehr oft mit „Du musst“, „Du brauchst…“ oder Du sollst“ beginnen. Typische Aussagen des Diktators sind:

Du musst abnehmen / Du musst schlank sein Du darfst nicht gähnen Du darfst nicht faul sein Leiste / arbeite / du musst ein High-Performer sein usw. Zuerst erscheint der Diktator mit einer Forderung „Du musst schlank sein“. Wenn wir allerdings der Forderung des Diktators nicht folgen und nicht seinem Weltbild entsprechen, erscheint der innere Kritiker und wertet uns ab.

Diktator:

Nur schlanke Menschen sind wertvoll (Hoher Wert)

Kritiker:

Du fettes hässliches Schwein. (Abwertung)

Das Zusammenspiel zwischen dem Diktator und dem Kritiker erzeugt allerdings in uns einen Druck. Der Diktator treibt uns unerbittlich an. Vergleicht uns mit anderen Menschen und will uns zu High-Performer umformen. „Manche Menschen fühlen sich vom Alltag überfordert, weil es ein konditionierte Kind in ihnen gibt, das sie ständig zu Leistungen antreibt und ihnen einzureden

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versucht, dass andere Menschen (die Freundin, die Arbeitskollegin, die Nachbarin) diese oder jene Aufgabe doch auch ganz leicht schaffen würden.“ Quelle: Sanchez, Maria. Der Innere Weg: Vom Essen und Leben. (KindlePositionen923-925). Envela Verlag.

Und genau diesem Diktator und dem inneren Druck versucht das konditionierte Kind zu entgegnen. Der Diktator vertritt die Normen und Werte des konditionierten Kindes. Beispielsweise könnte ein Mensch den Wert „Schlanksein“ als sehr hohen Wert in sich tragen. Der Glaubenssatz würde lauten „nur schlanke Menschen sind erfolgreich“. Oder „Du musst schlank sein, dann bekommst du auch einen Partner“.

Weitere Werte, die der Diktator vertritt, könnten sein: - Du musst leisten, um wertvoll zu sein. - Leistung ist das allerhöchste Gut - Du musst der Beste sein - Gut ist nicht gut genug oder nur eine Eins zählt im Leben

Das innere Kind versucht genau diesen Werten zu folgen und diese Forderung des Diktators zu erfüllen. Es entsteht ein innerer Druck. Und wenn dann der innere Kritiker mit seiner Abwertung „Du bist viel zu dick“ folgt, entsteht eine negative Emotion in uns. Ich bin nicht gut genug. Ich genüge nicht. Ich bin es nicht wert. „Das verlassene innere Kind empfindet dann Stress. Wir halten durch, und genau dafür möchten wir uns am Abend belohnen. Quelle Sanchez, Maria. Der Innere Weg: Vom Essen und Leben (German Edition) (Kindle-Positionen925-927). Envela Verlag.“

Wir empfinden Stress und der emotionale Druck im Inneren von uns nimmt zu. Und genau das ist die Geburtsstunde des emotionalen Essens und des Verführers.

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3.3. Die Emotionsfigur: Der Verführer

Der innere Verführer ist eine weitere innere Emotionsfigur des konditionierten Kindes, und stellt eine wichtige innere Bewältigungsstrategie dar.

Die Aufgabe des Verführers ist den inneren Druck zu dämpfen, den der Diktator und der innere Kritiker erzeugen. Grundsätzlich hat jeder Mensch in sich einen Verführer, der je nach Vorlieben in unterschiedlichen Bereichen auftritt. Bei einem Alkoholiker zeigt sich der Verführer in Form von Alkohol trinken. Bei einem Arbeitssüchtigen zeigt sich der Verführer in Form von Adrenalinkicks als Kompensation. Bei einem Menschen mit emotionalem Essdruck geschieht das „Dampfablassen“ in Form von Essen. Dadurch soll der innere Stress reduziert werden und der Druck abgelassen.

Gerade, weil es so schmerzhaft ist, sich dem Ursprung des inneren Drucks zu stellen, ist es für uns einfacher, uns von dem Verführer einfach verführen zu lassen. Er sorgt dafür, dass wir nicht mit uns in Kontakt geraten (da sie zu schmerzhaft sind) und dass wir stattdessen und mit Essen „wegbeamen“. Besonders dramatisch ist das Wegbeamen das Essen vor dem Fernseher, da der Fernseher uns visuell und auditiv stark ablenkt.

Wir erkennen den Verführer durch folgende Gedanken und/oder Gefühle:

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Erst einmal durchatmen und was essen. Der Tag war sehr anstrengend

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Den Kuchen habe ich mir verdient (Essen als Belohnung)

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Ist mir egal, ob die Hose nicht mehr passt. (Trotzhaltung)

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Das alles hat sowieso keinen Sinn mehr (Resignation)

„Sie haben diese emotionale Spannung in sich noch nicht wahrgenommen, sondern bisher immer sofort zum Essen gegriffen und gemeint, sie hätten einfach nur Lust darauf.“ Quelle: Sanchez, Maria. Der Innere Weg: Vom Essen und Leben (German Edition) (Kindle-Positionen795-796). Envela Verlag. Seite 24

4. Das perfekte Zusammenspiel unserer inneren Teile

Die inneren Teile sind in uns aus einer Zeit entstanden, als wir noch hilflos, überfordert und noch klein waren. Als Kinder besaßen wir nicht die erforderlichen Ressourcen, um mit unseren Eltern umzugehen und bei schwierigen Situationen zu kontern. Unter Ressourcen verstehen wir in der Regel die geistige Erfahrung, die Fähigkeit der Abstraktion der Probleme und die Fähigkeit adäquate Antwort für die Eltern zu geben.

Lieber gaben wir uns die Schuld und versuchten, diese schmerzhaften Emotionen aus dieser hilflosen und ohnmächtigen Zeit zu verdrängen. Aus dem verlassenen inneren Kind entstand das konditionierte starke Kind, das uns mit seinen inneren Anteilen in Form des Diktators, des Kritikers und Verführers auftritt.

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„Mit jeder Diät fördern wir den Diktator in uns. „Die Angst des verlassenen inneren Kindes – „Wenn ich dick bin, werde ich nicht geliebt!“ – bleibt unbewusst immer präsent. Wir bestätigen damit dem verlassenen inneren Kind: „Du bist nicht willkommen! Nimm erst ab, dann bist du liebenswert.“ Solange wir diese Angst am liebsten in uns wegsperren möchten, anstatt sie kennenzulernen, muss sie immer wiederkommen. Wir kämpfen ein Leben lang gegen uns selbst.“

Quelle: Sanchez, Maria. Der Innere Weg: Vom Essen und Leben (German Edition) (KindlePositionen1047-1051). Envela Verlag.

Bei jedem Jo-Jo-Effekt wirkt der Verführer mit. Immer wenn wir Gewissensbisse in uns haben und wir innerlich kämpfen, ob wir das Eis doch essen sollten, solange wirken diese Mechanismen. Wir sind im ständigen Kampfmodus gegen uns selbst.

Bei jedem Versagen einer Diät wirkt der Kritiker in uns, der uns klarmacht, was für ein dämlicher Versager wir sind. Gedanken, die uns schwächen.

Unser Leben findet nie jetzt, sondern erst dann, wenn wir schön schlank geworden sind, statt. Innerlich sind wir immer in diesem Kampfmodus, um dieses Ziel zu erreichen. Druck erzeugt Gegendruck und der emotionale Hunger begleitet uns.

Wichtig dabei ist, dass keines dieser inneren Teile weder böse noch schlecht ist. Sie sind da, weil sie eine sehr wichtige Schutzfunktion haben und hatten. Sie zu verurteilen wird erfolglos bleiben. Sie abzulehnen wird zu nichts führen. Sie zu bekämpfen ist nicht möglich. Würde man einen Diktator töten, käme ein anderer an seiner Stelle.

Aus diesem Grunde ist das innere Zusammenspiel zwischen den Diktatoren, Kritikern und Verführern als ein wichtiges System zu sehen. Das System sollte als eine Einheit verstanden werden. Eine Einheit, die uns helfen kann, den emotionalen Hunger wahrhaftig und nachhaltig zu heilen.

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5. Die Interventionen eines NLP Coaches

Der NLP Coach kann sehr gut bei der Herausforderung „Emotionaler Hunger“ intervenieren. Die gute Nachricht ist, dass der emotionale Hunger nachhaltig heilbar ist. Die schlechte Nachricht dabei ist, dass es ohne den inneren Weg nicht möglich ist. Es ist ein Prozess und erfordert einen liebevollen und wohlwollenden Umgang des Klienten mit sich selbst.

5.1. Das Erkennen des emotionalen Hungers Kommt ein Klient oder eine Klientin zum NLP Coach mit dem Anliegen „ich möchte abnehmen“ oder „ich möchte schlanker werden“, dann sind folgende Fragen im Vorfeld abzuklären.

a) Liegt eine medizinische Indikation vor? Wenn ja, sollte der Klient oder die Klientin einen Mediziner konsultieren. (krankhafte Veränderung oder Fehlfunktion der Schilddrüse). b) Wie dick „sehen“ und fühlen Sie sich? c) Seit wann leiden Sie unter Übergewicht? d) Haben Sie Diäten unternommen? Wenn ja, welche? Und wie oft? e) Haben Sie sonstige Maßnahmen unternommen wie Hypnose oder Akupunktur? f) Wurden bei Ihnen operative Maßnahmen wie zum Beispiel Magenbandverkleinerung durchgeführt? g) Liegt in der Familie Übergewicht vor? h) Weshalb möchten Sie abnehmen? i) Wie viel Kilo wollen Sie abnehmen? Bis wann? j) Was vermuten Sie, sind die Ursachen für Ihr Übergewicht? k) Haben Sie schlechtes Gewissen vor/während/nach dem Essen? l) Wenn ja, wie drückt sich das aus? Das ist eine sehr wichtige Frage, um den Kern des emotionalen Hungers zu erkennen.

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5.2. Den Essdruck wahrnehmen und visualisieren

Eine sehr wirksame Intervention mit dem Essdruck, wie er wahrgenommen und gefühlt werden kann, ist die Arbeit mit dem NLP Format Six-Step Reframing. Es geht darum, den Essdruck als ein Teil des Klienten zu visualisieren, einzuladen, zu würdigen und nach der höchsten Absicht zu fragen. „Dann begrüßt der Anwender diesen Teil und würdigt seine Bereitschaft zur Kommunikation. Der Klient kann den Teil auch nach seinem Namen fragen. Der Klient wirkt von jetzt an wie ein Medium, das die Mitteilungen des Teils an den Anwender weiterleitet.“ (Quelle: Alexander Training, Handbuch NLP Practitioner, Seite 214 ff)

Coach:

Vorbereitung und Einstimmung auf das Six-Step-Reframing: Sie sehen hier einen Stuhl, setzen Sie sich und atmen erst einmal tief durch. Nehmen Sie ohne jegliche Absicht alles wahr, was in Ihnen gerade ist. Gedanken, die kommen, lassen Sie wie Wolken weiterziehen.

Coach:

Kontakt zu dem zuständigen Teil herstellen: Visualisieren Sie ihren Essdruck. Fühlen Sie Ihren Essdruck? Wenn ja, wo genau fühlen Sie ihn an Ihrem Körper? Welche Form hat er? Wie groß ist er in cm? Welche Farbe? Hat er einen bestimmten Geruch? Gibt einen gewissen Druck, den er ausübt? Wenn ja, von innen nach außen? Oder umgekehrt?

Dem Klienten wird jetzt Zeit gelassen, den eigenen Essdruck zu visualisieren. Hier empfiehlt es sich mit Submodalitäten zu arbeiten und in dem Repräsentationssystem des Klienten zu bleiben. Wenn der Klient ein kinästhetisch-visueller Typ ist, verstärkt der Coach diese Übung mit Wörtern wie zum Beispiel „empfinden“, „Druck“ „Farbe“ usw.

Coach:

Nachdem Sie Ihren Essdruck in sich wahrgenommen haben / gespürt / gesehen bzw. gehört haben, geht es darum den ersten Kontakt mit diesem Teil, der ein Teil von Ihnen ist, einzuladen.

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Bitte begrüßen Sie diesen Teil, d.h. Ihren Essdruck und danken Ihrem Essdruck, dass er sich bereit erklärt hat, zu kommen. Fragen Sie diesen Teil nach seinem Namen.

Coach:

Hochchunken Jetzt fragen Sie diesen Teil, wofür es gut ist? Bitte fragen Sie ihn: Was ist deine positive Absicht, lieber Essdruck?

Der Prozess wird durch den Coach solange wiederholt, bis er bei der höchsten Absicht des Teils ankommt. Und wenn die Antwort plausibel erscheint, ist die höchste Absicht gefunden worden.

Beispiel: Als Antwort kann an dieser Stelle Gefühle genannt wie zum Beispiel -

„sie soll die Trauer nicht spüren“

-

„sie soll nicht so einsam sein“

-

„sie soll belohnt werden“

-

„sie soll bestraft werden“

-

„sie soll Aufregung und Spannung in ihrem Leben haben“

-

„sie soll sich nicht wirklich spüren“

-

„sie soll die Demütigung nicht spüren“

-

„sie soll Trost erfahren“

Die höchste Absicht kann also sein: Trost, Erlebnis, Spannung, Nicht spüren und Bestrafung. An dieser Stelle ist es sehr wichtig zu verstehen, dass Bestrafung durchaus ein Grund für den emotionalen Hunger sein kann. Denn nach dem Essdruck folgt die Selbstabwertung und enorme Kritik des inneren Kritikers. Essen ist somit ein autoaggressiver Akt, der in der Selbstabwertung endet. Möglicherweise stecken dahinter noch nicht verarbeitete Prozesse in der Kindheit dahinter. Der innere Kritiker kann hier hemmungslos eingreifen und behaupten „Wenn du liebenswert gewesen wärst, hätte dein Vater dich nicht misshandelt“.

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Sobald „Bestrafung“ als Motiv auftaucht, ist es wichtig für den Coach hier schon durch Metamodellieren tiefer einzusteigen und Bestrafung durch Fragen zu widerlegen.

Bei allen anderen Motiven wie Trost, Erlebnis, Spannung kann der Coach mit dem Format des Six-Step-Reframings fortfahren.

Coach:

Wir laden jetzt einen kreativen Teil ein und vereinbaren neue Möglichkeiten mit ihm. Wie kann Spannung oder Erlebnis noch erzeugt werden? Welche neuen Möglichkeiten gibt es, um die „Spannung“ auf eine andere Art und Weise zu befriedigen?

Coach:

Gehen Sie jetzt bitte wieder zu Ihrem Teil (dem Essdruck) und bitten diesen Teil, sich drei neue Verhaltensmöglichkeiten auszusuchen, die er in Zukunft anwenden wird. Frage jetzt den Teil „Bist du bereit, die Verantwortung dafür zu übernehmen, dass Du die neuen Alternativen in dem passenden Kontext zu verwenden?

Coach:

Öko-Check: Prüfen Sie bitte jetzt, ob es von Ihrem Essdruck irgendwelche Einwände gibt, die neue Alternative zu verwenden?

Wenn ja: Six-Step Format mit diesem Teil wiederholen oder zum TeileVerhandeln wechseln. Wenn nein: Format beenden

Coach:

Future Pace Wie wird sich Ihr emotionaler Hunger in einer zukünftigen Situation verhalten haben?“ Seite 30

5.3. Arbeit mit dem inneren Diktator

Die Übung mit dem Six-Step-Reframing dient in erster Linie, um den Essdruck und emotionalen Hunger zu erspüren und ihn wahrzunehmen. Es ist eine erste Annährung. Es dient dazu, dass der Klient erkennt, dass der emotionale Hunger ein Teil von ihm ist und erkennt möglicherweise schon die erste Absicht.

Jetzt gilt es hinter die Bühne zu sehen und die Ursachen für den emotionalen Hunger zu bearbeiten. Denn mit dem Ende des Six-Step-Reframings ist das Phänomen des emotionalen Hungers noch nicht verarbeitet. Es fehlt die Beschäftigung mit den inneren Teilen wie mit dem Diktator, dem inneren Kritiker und dem Verführer. Insbesondere, da diese Teile unsere Glaubenssätze symbolisieren, ist eine Weiterverarbeitung mittels NLP sehr gut möglich.

Nach der ersten Sitzung (Anamnese + Six-Step-Reframing zur Wahrnehmung des emotionalen Hungers) sollte idealerweise der Klient als Hausaufgabe folgende Übung erhalten.

Coach:

Bis zur nächsten Sitzung in der nächsten Woche schreiben Sie jedes Mal beim Essen auf, was Sie denken, fühlen und was Sie innerlich wahrnehmen. Welche Gedanken kommen Ihnen, bevor Sie den Essimpuls spüren. Wo genau spüren Sie ihn? Welche Gedanken kommen Ihnen von Ihrem inneren Diktator? Und was sagt Ihnen Ihr innerer Kritiker? Was empfinden Sie direkt während des Essens?

2. Sitzung mit dem Klienten: Arbeiten mit den Glaubenssätzen, die die inneren Emotionsfiguren (Diktator, Kritiker, Verführer) haben.

Seite 31

Idealerweise hat der Klient in der Zwischenzeit Gedanken und Gefühle erfasst, die er während des Essens oder nach einem Essanfall hatte. Damit kann der NLP Coach sehr gut arbeiten, indem er metamodelliert.

Dazu macht er einen Kunstgriff und erschafft die innere Figur eines Anwalts. Und dieser Anwalt wird anstelle des Coaches eingreifen und durch geschicktes Metamodellieren die Glaubenssätze des Diktators ent-hebeln.

Arbeit mit dem Diktator. Beispielsatz des Klienten „Hans muss viel leisten“

Coach:

Stellen Sie sich vor, es gibt die Figur eines Anwalts, der in Ihnen ist. Der Sie beschützt und verteidigt. Laden wir ihn hier ein und lassen ihn dann übernehmen. Einverstanden? Der Klient visualisiert einen Anwalt, der jetzt in den Raum kommt. Ich als Coach werde den Part des Anwalts vorerst übernehmen. In späteren Übungen kann der Anwalt auch ohne mich als Coach in Ihnen weiterarbeiten.

Anwalt:

Verstehe ich richtig, dass Hans viel leisten muss und sich nicht ausruhen darf?

Klient:

Ja

Anwalt:

Und was würde passieren, wenn Hans nicht viel leistet?

Klient:

Er wäre sehr faul

Anwalt:

Was bedeutet „VIEL“? Wie viel ist viel? Seite 32

Klient:

Soviel, dass er gut genug ist

Anwalt:

Für wen muss Hans denn gut genug sein? Wer verlangt das?

Klient:

Na die ganze Gesellschaft

Anwalt:

Wer genau ist mit der ganzen Gesellschaft gemeint?

Klient:

Die Arbeitskollegen auf jeden Fall

Anwalt:

Welcher Arbeitskollege hat das schon mal ausgesprochen, dass Hans viel arbeiten muss?

Klient:

Nicht wörtlich, aber unterschwellig

Anwalt:

Woran machst Du das fest, dass es unterschwellig ist?

Klient:

Weil die anderen Kollegen erfolgreicher sind

Anwalt:

Woher weißt du das so genau?

Klient:

Sie sind viel glücklicher als Hans

…. Anwalt:

Was wird Hans denn verhindert, wenn er viel leisten muss?

Klient:

Dass er nicht innerlich fühlen muss.

Anwalt:

Was würde er dann innerlich fühlen?

Klient:

Den inneren Schmerz auf seiner Seele

Anwalt:

Und was ist so schlimm daran, den Schmerz auf seiner Seele zu spüren?

Klient:

Es tut einfach weh (Klient driftet hier zunehmend in den Modus inneres verlassenes Kind)

Seite 33

Anwalt:

Und wenn du Hans erlaubt, diesen Schmerz mal richtig zu spüren, damit es geheilt werden kann?

Klient:

Er hat Angst (Perspektivwechsel des Klienten)

Anwalt:

Und wenn du ihm versicherst, dass dieser Schmerz nur von kurzer Dauer ist, wenn er es erlebt. Dass es nicht ewig dauert, wenn er es zulässt?

Klient:

Ja ist in Ordnung.

An dieser Stelle kann der Coach mit dem Klienten diesen inneren Schmerz visualisieren und ihn vollständig durchleben lassen. Damit kann der Klient in sich einen bisher unterbrochenen Prozess zu Ende bringen und ihn komplett heilen lassen. Genau diese Unterbrechung hat ja dazu geführt, dass in ihm diese Emotionsfiguren entstanden sind, die ihn vor diesem Seelenschmerz schützen wollten.

5.4 Arbeit mit dem inneren Kritiker

Wie wir gesehen haben, bedient sich der innere Kritiker einiger Mechanismen, um die Person abzuwerten. Auch hier gilt es mit der Figur des Anwalts gegen die einzelnen Behauptungen des Kritikers zu metamodellieren.

-

Umgang mit dem Kritiker, der nur schwarz-Weiß liebt

Er liebt Verzerrungen. Das Denken in Extremen. Alles oder Nichts. Es gibt nur schwarz oder weiß. Dadurch wertet er uns in unserem Selbstwertgefühl ab.

Beispiel:

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Klient:

Wenn du es dieses Mal nicht schaffst abzunehmen, dann kannst du dich gleich vergraben“

Anwalt:

Ist es wahr, dass eine Katastrophe passiert, wenn Hans nicht abnimmt?

Klient:

Ja das ist wahr. Er ist ein Versager, wenn er es nicht schafft

Anwalt:

Woher weißt du das, dass es in einer Katastrophe endet?

Klient:

Das ist doch offensichtlich

Anwalt:

Für wen ist es offensichtlich? Und wer sagt denn, dass Hans abnehmen muss? Und woher weißt du, dass er es dieses Mal nicht schaffen wird?

-

Der Kritiker, der übertriebene Verallgemeinerungen liebt und zelebriert Hier liebt es der innere Kritiker pauschale Urteile abzugeben.

Beispiel: „nie kannst du durchhalten bei deiner Diät“

Anwalt:

Wie kommst du darauf, dass Hans eine Diät machen muss?

Klient:

Weil er zu fett ist?

Anwalt:

Für wen zu fett?

Klient:

Im Vergleich zu allen Menschen ist Hans einfach viel zu fett

Anwalt:

Was passiert, wenn er zu fett ist?

Klient:

Er wird nie eine Frau finden

Anwalt:

Heißt es, dass nur schlanke Menschen eine Frau finden?

Klient:

Nein, natürlich nicht

Anwalt:

Und wie kommst du darauf, dass Hans nie durchhalten wird?

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Klient:

Weil er noch nie etwas durchgehalten hat

Anwalt:

Wirklich nie? Bist du dir sicher? Was ist mit seinem Studium? Da hat er doch durchgehalten?

-

Der Kritiker, der eine eingeengte oder selektive Wahrnehmung hat

Wie wir vorhin gesehen haben, handelt es sich um den Generalisierter Bezugsindex (Referenzindex).

Beispiel:

Klient:

Ich habe jetzt diesen Korb von Petra erhalten. Frauen wollen mich nicht.

Anwalt:

Meinst du jetzt Petra oder alle Frauen damit?

Klient:

Alle Frauen. Ich bin einfach zu doof dafür

Anwalt:

Wie kannst du von einer Frau auf alle Frauen schließen?

Klient:

Na weil ich einfach zu doof und zu hässlich bin

Anwalt:

Wer sagt das?

Klient:

Ist doch klar oder? Petra wollte mich nicht. Kann nur daran gelegen sein.

Anwalt:

Bist du dir sicher, dass es keine anderen Gründe gab?

Klient:

Es könnte schon sein, dass sie einfach keine Lust auf Beziehung hat…. (hier kommt eine Einsicht, dass es nicht nur an ihm gelegen sein kann)

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-

Der Kritiker, der das Positive leugnet

Hierbei handelt es sich um eine Verzerrung im Meta-Model der Sprache, und zwar die des Gedankenlesens. Dieser Kritiker in uns leugnet unsere Erfolge, das Positive und dichtet uns etwas Negatives an, damit das Positive keinen Wert mehr hat für uns.

Beispiel

Klient:

Ich bekomme ein schönes Kompliment von einem Mann. Aber etwas in mir sagt, „Der Mann hat einfach keinen Geschmack“.

Anwalt:

Woher weißt du das, dass der Mann keinen Geschmack hat?

Klient:

Er kann ja wohl keinen Geschmack haben, wenn er mich meint

Anwalt:

Kannst du Gedankenlesen?

Klient:

Nein, das nicht

Anwalt:

Hat er das gesagt, dass er selber keinen Geschmack hat?

Klient:

Nein, hat er nicht

Anwalt:

Also, woher weißt du dann, dass er keinen Geschmack hat

-

Der Kritiker, der aus einer Mücke Elefanten macht

Dieser Kritiker verwandelt unsere (auch noch so kleinen) Fehler in wirklich schlimme Vollkatastrophen. Dabei bedient er sich dem Verlorenen Performativ (Lost Performativ)

Beispiel:

Klient:

Ich habe einen kleinen Fleck auf meiner Bluse. Und meine innere Stimme sagt mir, dass ich wirklich eine super schlampige Frau bin.

Anwalt:

Was ist so schlimm an einem Fleck?

Klient:

Was sollen dann andere über mich denken? Dass ich schlampig bin

Anwalt:

Weshalb ist es wichtig, was andere über dich denken?

Klient:

Weil es wichtig ist für mich Seite 37

Anwalt:

Weshalb ist es wichtig für dich?

Klient:

Weil ich Angst habe vor Ablehnung

Anwalt:

Was ist so schlimm daran, abgelehnt zu werden?

Klient:

Weil ich dann sehr traurig darüber

Anwalt:

Was sagt deine Trauer zu Dir? Wo spürst du sie? Wie nimmst du sie wahr? Weshalb wolltest du sie bisher nicht spüren?

An dieser Stelle kann der Coach mit dem Klienten weiterarbeiten und das Gefühl der Trauer visualisieren.

-

Der Kritiker, der mit zweierlei Maß misst

Unsere eigenen Fehler sind wesentlich schlimmer als die Fehler der anderen Menschen. Bei unseren eigenen Fehlern misst er mit zweierlei Maß und ist uns gegenüber sehr hart, streng und unnachgiebig.

Beispiel:

Klient:

Ich bin zu dick und daher nicht attraktiv

Anwalt:

Sind alle dicken Menschen unattraktiv?

Klient:

Nein nicht alle

Anwalt:

Kennst du andere Frauen, die dick sind und attraktiv?

Klient:

Ja, kenne ich. Meine Kollegin Anna ist füllig und wunderschön dabei

Anwalt:

Dann ist es wahr, dass auch dicke Menschen attraktiv sind

Klient:

Ja natürlich. Aber nicht bei mir

Anwalt:

Was unterscheidet dich von deiner Kollegin Anna?

Klient:

Anna ist halt attraktiv

Anwalt:

Was macht Anna so attraktiv

Klient:

Sie stylt sich so hübsch und achtet auf ihr Äußeres

Anwalt:

Das heißt, dass Styling dann jemanden attraktiv macht

Klient:

Ja das ist richtig

Seite 38

Anwalt:

Und wenn du dich auch wie Anna stylst und auf dein Äußeres achten würdest, wärst du folglich auch attraktiv.

Klient:

Ja das wäre ich

Anwalt:

Und was hält dich davon ab?

Klient:

Nichts….

5.5 Die Arbeit mit dem inneren Verführer

Der innere Verführer taucht als innere Figur dann auf, wenn der Druck zwischen Diktator und Kritiker zu groß geworden ist. Wenn der Diktator uns ständig auffordert, zu tun und zu leisten und der Kritiker uns immer klarmacht, dass es nicht genug ist. Dann ist der Druck so groß, dass der innere Verführer auftaucht.

Er will, dass wir uns vergessen, wegbeamen, trösten und den Stress sowie Ärger vergessen. „Jetzt hast du dir eine Torte verdient. Dein Chef war so gemein zu dir“ „Jetzt hast du dir eine Torte verdient. Du hast eine tolle Präsentation gehalten“

Genau wie mit dem Kritiker oder Diktator kann hier der Kunstgriff mit dem Anwalt sehr gut helfen, um Alternativen zu finden und auch um auf emotionaler Ebene hinter dem Verführer zu sehen.

Beispiel:

Klient:

Ich kam nach Hause und habe den ganzen Tag lang nur Ärger gehabt mit meinem Chef. Dann habe ich mir erst einmal eine Torte gegönnt.

Anwalt:

Was hat Dein Ärger über deinen Chef mit der Torte gemeinsam?

Klient:

Habe eine Entspannung vom Ärger gebraucht

Anwalt:

Und eine Torte kann dir diese Entspannung geben? Wie macht die Torte das genau?

Klient:

In dem Moment, wo ich die Torte esse, vergesse ich mich und den Ärger Seite 39

Anwalt:

Wofür ist es denn gut, dass du deinen Ärger vergisst?

Klient:

Damit ich ruhig werde

Anwalt:

Was passiert, wenn du nicht ruhig wirst?

Klient:

Dann würde ich meinen Ärger spüren

Hier kann der Coach mit dem Gefühl „Ärger“ weiterarbeiten und weiß durch das Metamodellieren, dass hinter dem Verführer die Emotion „Ärger“ steckte.

5.6. Hilfsmittel für den Coach Abschließend möchte ich für den NLP Coach einige Hilfsmittel zur Verfügung stellen, die er in der Zusammenarbeit mit einem Klienten zum Thema emotionaler Hunger nutzen kann. Diese Hilfsmittel habe ich in der Zusammenarbeit mit Klienten verwendet.

a) Hungerskala als Karte.

Für mich war es sehr hilfreich, meinen tatsächlichen Hunger zu erspüren. Maria Sanchez oder andere Autoren arbeiten an dieser Stelle mit einer 10er Skala. Jedoch habe ich persönlich die Erfahrung gemacht, dass mich die Skala verwirrt und ich in der Anwendung Schwierigkeiten hatte. Sie war zu fein abgestuft. Daher habe ich für meine Zwecke eine Farbskala entwickelt, die die Zustände von „Bärenhunger“ bis hin zu „Ich rolle mich raus“ abdeckt. Und außerdem habe ich mir noch mit einem Farbsystem beholfen, so dass ich mich immer wieder während des Essens gefragt habe, bin ich schon im grünen Bereich oder ist es schon orange.

Alleine schon die Konzentration auf eine Farbe und das Hinterfragen während des Essens, half mir mich stärker auf meinen körperlichen Hunger zu konzentrieren. Diese Art der visuellen Orientierung lässt sich insbesondere bei visuell-kinästhetischen Repräsentationssystemen sehr gut anwenden.

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Hungerskala: Eigene Visualisierung

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b) Übungskarten der inneren Wahrnehmung beim Essen

Für die Wahrnehmungsübung beim Essen können die folgenden Karten hilfreich sein. Sie werden an den Klienten gegeben mit der Bitte, dass er bei jedem Essen seine Gedanken und Gefühle hier aufschreibt. Dies dient die Grundlage für die weiteren Sitzungen.

Quelle: Eigene Visualisierung Seite 42

Eigenes Beispiel

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c) Die Emotionskarten

Oft hat der Klient ein schlechtes Gefühl in sich und kann das nicht so genau benennen. Daher sollen ihm diese Karten als Hilfestellung dienen, was er gerade empfindet. Ausgehend von den 7 Basisemotionen (nach Paul Ekman) sind das: Angst (Furcht), Glück (Freude), Wut, Traurigkeit, Neugier (Überraschung), Ekel und Verachtung.

Ich habe für das Coaching positive und negative Emotionskarten entwickelt, die dem Klienten helfen sollen, seine Emotionen besser zu identifizieren. Ausgangspunkt waren die 7 Basis-Emotionen nach Ekman, die ich um weitere Dimensionen erweitert habe.

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Beispiel 1: Ich fühle mich „gelähmt“ ist die Emotion in mir.

Durch die Karte sehe ich die benachbarten Felder und kann erkennen, ob ich aus einer Kraftlosigkeit, Trauer mich gelähmt fühle oder ob ich mich aus der Überforderung. In diesem Beispiel wäre es bei mir die berufliche Überforderung und die Lähmung.

Beispiel 2: Ich fühle mich „hilflos“ in mir. Ist es eher aus der Verbitterung? Aus der Isolation?... Damit können die Basisemotionen noch weiter spezifiziert werden.

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Das gleiche gilt auch für die positiven Emotionen.

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d) Die Wahrnehmungsübung für den Klienten (während des Essens)

Wenn der Klient beim Essen seine Emotionen wahrgenommen und notiert hat, sollte er sie zum Coach wieder mitbringen. Das ist die Basis für die akustische Visualisierungsübung.

Zum Beispiel: Bei mir kamen bei der Wahrnehmungsübung folgende Aspekte heraus: 

Langeweile „Mir ist so langweilig“



Ich bekomme nicht genug vom Leben. Brauche Spannung



Ich werde mich satt. Es ist nicht genug da für mich. Werde verhungern…



Einsamkeit „Fühle mich so einsam“ / War’s das schon? Enttäuschung



Innere Leere. Benötige Trost

Der Coach nimmt einen zentralen Aspekt auf und verarbeitet diesen Aspekt in der folgenden Meditationsübung. Diese Übung kann der Klient in Gedanken für sich alleine zuhause auch durchgehen, während er isst. Oder der Text kann auch aufgenommen werden und akustisch während des Essens abgespielt werden. Mit den anderen Emotionen (Langeweile, Einsamkeit, innere Leere) kann der Coach hier mit Teilearbeit in einer Sitzung sehr gut arbeiten. Seite 47

Ausführlichere akustische Wahrnehmungsübung: Wurde von mir persönlich vertont und kann über diesen Link runtergeladen werden. https://transfer.serviceplan.com/index.php/s/5gasLxyEzW0D25p Passwort: Hunger Schließe deine Augen und hole tief Luft. Nehme wahr, wie sich die Atemluft in dir ausbreitet Nehme wahr, worauf du sitzt Erde dich fest, indem du dir vorstellst, wie die goldenen Wurzeln der Erde in deine Füße reinwachsen und dir Halt und Stabilität geben. Nehme wahr, in welcher Stimmung du gerade bist. Bist du traurig, melancholisch, voller Erwartung, fröhlich, ungeduldig, unkonzentriert… Einfach nur wahrnehmen, wie es im Moment in dir aussieht. Spüre dich. Jedes Gefühl ist in Ordnung und willkommen. Nehme wahr, wie hungrig du bist. Wo genau spürst du deinen Hunger? Welche Farbe hat dein Hunger? Wie hungrig bist du? Bärenhunger? Ziemlich hungrig, könntest aber noch eine Stunde warten? Oder neutral ohne Hunger? Hole noch einmal tief Luft und lass die Freude in dir aufsteigen. Die Freude über das bevorstehende Mahl. Du wirst dieses Mahl mit jeder Sinnenwahrnehmung in dir aufnehmen und genießen. Diese Nahrung, die auf deinem Teller liegt, soll zum Wohle deines gesamten Körpers sein. Diese Nahrung wird dich angenehm sättigen Diese Nahrung heißt dich herzlich willkommen. Nimm wahr, wie deine Nahrung riecht. Wie sie aussieht. Welche Emotionen spürst du in dir? Vorfreude? Lust? Appetit? Hunger? Jetzt nimm den ersten Bissen zu dir. Kaue langsam und achtsam. Es ist genug da. Und du wirst satt werden. Du darfst so viel essen, wie es dein Körper braucht. Es ist genug Essen da und du wirst gut satt werden. Du wirst wunderbar gesättigt. Schlucke runter und nimm wahr, wie die Nahrung an deinem Hals runterläuft. Wie die Nahrung im Magen ankommt. Wie hungrig bist du jetzt? Welche Farbe hat dein Hunger auf der Hungerskala? Jetzt nimm den nächsten Bissen. Kaue langsam und achtsam. Du wirst sehr gut satt werden. Es ist genug da und du darfst so viel essen, wie du willst. So viel wie du brauchst. Schlucke runter und nimm wahr, wie die Nahrung sich in Richtung Magen bewegt.

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Spüre tief in dir ein, welche Emotionen gerade in dir sind. Schreibe auf, was dich gerade bewegt. Wenn du ein angenehmes Gefühl von Ruhe empfindest, dann atme tief durch und lasse den Atem in dir sich ausbreiten. Wenn du ein eher negatives Gefühl wahrnimmst, ist es auch in Ordnung. Jedes Gefühl darf sein. Schreibe diesen Gedanken auf. Erst wenn du wieder eine Ruhe in dir empfindest, nimm den nächsten Bissen auf. Kaue langsam und achtsam bevor du runterschluckst. Es ist genug da und du wirst sehr gut satt werden. Und wenn du denken solltest „war’s das schon?“, dann stell dir vor, dass Du nach dem Essen etwas sehr Spannendes machen wirst. Daher kannst du dir jetzt sehr viel Zeit beim Essen lassen. Koste daher jede Sekunde deines Essens aus. Nehme wahr, wie satt du bist. Bist du noch hungrig? Wenn ja, dann nimm den nächsten Bissen. Es ist genug da.

Seite 49

6. Zusammenfassung und Schluss Der emotionale Hunger ist ein sehr komplexes Thema. Er geht sehr tief und hilft uns, die wahren Hintergründe für unseren emotionalen Hunger aufzudecken. Gibt uns ein Instrument zur Hand, damit wir uns wieder wahrnehmen, die Gefühle wieder im adäquaten Rahmen erleben und damit alte Wunden heil werden können.

Diäten fruchten nicht, weil sie unseren inneren Diktator nähren. Wir halten durch und schaffen vielleicht ein paar Kilos loszuwerden. Innerlich bleiben wir aber von uns weit entfernt. Schaffen wir es wieder zuzunehmen, da jede Diät irgendwann wieder endet, kommt der innere Kritiker wieder zu uns und wertet uns ab. Eine Abwertung unseres Selbstwertgefühls führt wieder dazu, dass wir sehr frustriert sind. Da genau taucht der innere Verführer auf, der uns sagt, dass alles sinnlos ist und wir daher jetzt wieder schlemmen sollten. Und die Essattacken beginnen.

Betrachten wir allerdings unseren Essdrang und emotionalen Hunger als ein Kompass, so werden wir einen Prozess der inneren Heilung erfahren, indem wir an die Quelle unserer Gefühle und der Verletzungen gehen. Wenn wir uns trauen, in uns zu sehen und die versteckten und nicht gelebten Gefühle bewusst wahrzunehmen, erfahren wir die Heilung unseres inneren verletzten Kindes.

Wenn wir uns erlauben mit dem Essdruck zu arbeiten und uns immer bewusstmachen, dass es nie ums Essen geht, sondern um ein Gefühl, das gefühlt werden will, dann sind wir der Lösung ein Stück näher. Ratschläge wie zum Beispiel „Drehen Sie eine Runde um den Block, wenn Sie Heißhunger verspüren“ greifen viel zu kurz und berühren das Problem und die Ursache in keinster Weise. Im Gegenteil: hier wird suggeriert, dass ich etwas bin, das überwunden werden muss. Und schon wieder bin ich in der Spirale meines Kritikers.

Der emotionale Hunger ist ein Prozess. Ihn willkommen zu heißen, bedeutet auch uns mit unseren Gefühlen willkommen zu heißen. Seite 50

Da es ein Prozess ist, wird es wichtig sein, dass der Klient nach den Sitzungen noch an den Wahrnehmungsübungen weiterarbeitet und seine Aufmerksamkeit beim Essen schärft. Maria Sanchez nennt dies „die innere Präsenz beim Essen“.

Als NLP Coach kann hier mit relativ simplen Formaten wie Metamodellieren und dem Six-Step-Reframing sehr gut interveniert werden. Die wichtigste Herangehensweise ist es, den Klienten in der Wahrnehmung seines emotionalen Hungers zu helfen und mit ihm gemeinsam die Quelle seines Hungers freizulegen.

Denn wenn unsere Seele hungert, kann unser Körper noch so sehr im Diät sein, werden wir nicht nachhaltig abnehmen und schlank sein. Die Seele in diesem Prozess mitzunehmen bedeutet, dass wir uns um unseren emotionalen Hunger auf der emotionalen Ebene stillen können. Wenn wir Ärger verspüren, werden wir in der Lage sein, unseren Ärger auch im passenden Rahmen auszuleben. Wenn wir Enttäuschung spüren, werden wir in der Lage sein, unsere Enttäuschung zu artikulieren. Wenn wir es schaffen, nicht mehr in dem Aushaltemodus zu sein, sondern zu unserer eigenen Verletzlichkeit und Gefühlen stehen zu können.

Deswegen werden wir auch das Essen nicht mehr als Ersatz benötigen für nicht ausgelegte oder unterdrückte unbewusste Gefühle. Und irgendwann am Ende dieses Prozesses werden wir das Essen als Essen genießen können. Mit allen Sinnen. Ohne Gewissensbisse und ohne Stimmen in unserem Kopf, die uns vorschreiben, dass wir wieder zu viel essen.

Seite 51

7. Literaturverzeichnis

Sanchez, Maria. Der Innere Weg: Vom Essen und Leben (German Edition). Envela Verlag. Kindle-Version.

Sanchez, Maria. Sehnsucht und Hunger: Heilung von emotionalem Essen (German Edition). Envela Verlag. Kindle-Version.

Sanchez, Maria. Warum wir ohne Hunger essen: Die wahren Gründe für Essdrang und Übergewicht (German Edition). Königsfurt-Urania Verlag GmbH. Kindle-Version.

Beate Huppertz-Hermann „Ich fühle mein hungriges Herz“

Alexander Training: Handbuch NLP–Professional Practitioner–Ausbildung

Alexander Training: Handbuch NLP NLP–Professional Practitioner–Ausbildung

Dr. Rolf Merkle. https://www.psychotipps.com/negatives-denken.html

Johnston, Anita. Die Frau, die im Mondlicht aß: Ess-Störungen überwinden durch die Weisheit uralter Märchen und Mythen (German Edition). Knaur MensSana eBook. Kindle-Version.

Seite 52

Stahl, Stefanie. Das Kind in dir muss Heimat finden: Der Schlüssel zur Lösung (fast) aller Probleme (German Edition). Kailash. Kindle-Version.

Baco, Marc. Familienstellen und Übergewicht: Warum Disziplin allein selten weiterhilft (German Edition). 37 voices Verlag. Kindle-Version.

Schäfer, Thomas. Was die Seele krank macht und was sie heilt: Die psychotherapeutische Arbeit Bert Hellingers (German Edition). Knaur MensSana eBook. Kindle-Version.

Paul Ekman, Gefühle lesen: Wie Sie Emotionen erkennen und richtig interpretieren

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