Der Ellenbogen manuelle Diagnostik und Therapie

Leitthema Manuelle Medizin 2006 · 44:276–280 DOI 10.1007/s00337-006-0450-4 Online publiziert: 15. August 2006 © Springer Medizin Verlag 2006 G. Harke...
Author: Lukas Beyer
8 downloads 2 Views 357KB Size
Leitthema Manuelle Medizin 2006 · 44:276–280 DOI 10.1007/s00337-006-0450-4 Online publiziert: 15. August 2006 © Springer Medizin Verlag 2006

G. Harke Ärzteseminar Berlin (ÄMM) e.V., Berlin

Der Ellenbogen – manuelle Diagnostik und Therapie

Das Ellenbogengelenk ist ein aus drei Einzelgelenken –Articulatio humeroulnaris, Articulatio humeroradialis, Articulatio radioulnaris proximalis – zusammengesetztes Gelenk. Als eines der Gelenke der oberen Extremität bestimmt es weitgehend die Position der Hand zum Körper. Neben der Flexions-/Extensionsbewegung ist es durch die radioulnaren Gelenke proximal und distal an der Umwendebewegung (Pro-/Supination) des Unterarmes beteiligt. Wegen des engen funktionellen Zusammenhangs werden diese gemeinsam mit dem Ellenbogengelenk dargestellt. Ausführliche Beschreibungen der anatomischen und biomechanischen Aspekte sind in den Artikeln dieses Themenheftes zu finden.

Anamnese Bei der Anamnese gibt der Patient spontan Funktionseinschränkungen mit und ohne Schmerz an. Ein adäquates Trauma, Fehl- oder Überbelastung, z. B. durch wiederholte Bewegungen in Beruf, Freizeit oder Sport, sowie angeborene Störungen oder Grunderkrankungen sind zu erfragen, um die Leitsymptome exakt differenzieren zu können. Eine Fehlbelastung der Hand- und Fingerextensoren führt beispielsweise zu Schmerzen beim Anheben einer Tasse, Öffnen der Tür und Händedruck, die oft mit einer Ausstrahlung in den Unterarm verbunden sind. Umschriebene Druckschmerzen an den Ursprungszonen der

276 |

Manuelle Medizin 4 · 2006

radialen bzw. ulnaren Muskelgruppe, Schmerz bei Bewegungen im Handgelenk gegen Widerstand oder bei Faustschluss (Muskelanspannung), Irritationen im Versorgungsgebiet der peripheren Nerven (Kompressionssyndrome, z. B. N. ulnaris) oder radikulären Zuordnung (HWS) u. a. geben wichtige differenzialdiagnostische Anregungen.

Inspektion und orientierende Untersuchung des Gelenks Der Inspektion ist das Ellenbogengelenk aufgrund der überwiegend subkutanen Lage gut zugänglich, sodass Veränderungen der Stellung, Schwellung/Erguss, atrophische Hautveränderungen oder Narben gut erkannt werden. Deutliche Bewegungseinschränkungen (besonders Extensionsdefizite) sind bereits beim Gang, im Stand und während des Entkleidens zu beobachten. Die orientierende Untersuchung des Ellenbogengelenks schließt die Mituntersuchung der angrenzenden Gelenke, Schulter und Handgelenk, sowie die Halswirbelsäule (radikulär C5–7, sensomotorische Defizite und Muskeleigenreflexe) obligat mit ein. Der Epikondylenschmerz als eigene Krankheitsbezeichnung nach ICD 10 ist ein Beispiel für die Wechselwirkung mehrerer Faktoren bei Schmerz im Bewegungssystem.

Extension/Flexion Die Extension/Flexion (Normwerte 0-10/0/150°) wird vom humeroulnaren Scharniergelenk knöchern geschient. Gegen seitliche Bewegungen ist es durch straffe Bänder in jeder Stellung vollständig stabilisiert. Das Radiusköpfchen gleitet in unterschiedlicher Drehstellung gemeinsam mit der Ulna in Beugung oder Streckung ohne eigene Bedeutung für die Scharnierbewegung. Nach aktiver vom Patienten (im Stand oder angelehntem Sitz) durchgeführter Beugung und Streckung wird die passive Bewegung zur Bewertung des Endwiderstandes durch den Untersucher geführt. Die Flexion erfolgt unmittelbar an die aktiv erreichte Stellung des Beugewinkels durch den Untersucher nacheinander als Federung in die Beugung.(. Abb. 1) Bei Störungen des Gelenkspiels ist die Beugung als erstes und am stärksten eingeschränkt (Kapselmuster). Ein hartes Endgefühl oder sich rasch entwickelnder Widerstand kann jedoch auch ein Hinweis auf eine muskuläre Spannungserhöhung sein.

Anmerkung der Herausgeber: Die Darstellung der manualmedizinischen Technik in diesem Artikel erfolgte federführend durch das Ärzteseminar Berlin. Vertreter der Schulleitung der beiden anderen Ärzteseminare der DGMM hatten vor Veröffentlichung Kenntnis von den Inhalten und Gelegenheit zu Ergänzungen, Änderungen und Stellungnahmen.

Zusammenfassung · Abstract Für die Extension fixiert der vor dem Patienten stehende Untersucher dessen Hände zwischen seinem Rumpf und Oberarmen und prüft bei gestreckten Ellenbogen und lockerer Schulterstellung den Widerstand am Bewegungsende seitenvergleichend nacheinander (. Abb. 2). Ein harter Widerstand ohne Möglichkeit des weiteren Nachfederns ist ein Hinweis auf eine reversible hypomobile Funktionsstörung („Blockierung“) und führt zur gezielten Untersuchung. Die Bewegung im Humeroradialgelenk wird durch Palpation am Radiusköpfchen bei der Extension und Flexion mituntersucht.

Pro- und Supination Die Pro- und Supination (Normwerte mit weiter Streuung) sind Kreiselbewegungen, die sich in einem hochkomplexen Bewegungsablauf um sich ändernde Achsen etwa entlang des Unterarms vollziehen. Sie werden in den distalen und proximalen Radioulnargelenken realisiert. Die Ulna führt dabei eine halbkreisförmige Bewegung mit geringer lateraler Abduktion aus [5]. Die Wendebewegungen werden am sitzenden Patienten untersucht. Mit einer Hand fixiert der Untersucher den Ellenbogen am Körper des Patienten, mit der anderen führt er die Pronation bzw. Supination an den Endwiderstand heran. Der Bewegungsausschlag und der Widerstand am Ende (Endgefühl) werden bewertet.

Inspektion und orientierende Untersuchung der Muskulatur Die präzise Untersuchung der gelenkumgebenden Muskulatur auf lokale Schmerzhaftigkeit der Ursprünge und Ansätze auf Verspannung und Triggerpunkte als Hinweis auf eine muskuläre Inkoordination ist unverzichtbar. Die Gelenkkapsel wird von Bändern und Muskeln verstärkt. Beugeseitig sind es der M. brachialis und die Bizepssehne, radial der M. brachioradialis und die Unterarmextensoren, ulnar die Unterarmflexoren und der M. pronator teres. Weiterhin setzen der M. supinator am Radius und der M. triceps brachii am Olekranon an.

Gezielte Untersuchung und Behandlung des Gelenks Jedes Gelenk hat sein charakteristisches Bewegungsmuster. Wenn sich in der Untersuchung durch das Vorhandensein eines Kapselmusters Hinweise auf eine gelenkeigene Störung finden lassen, interessiert uns das Gelenkspiel. Dieses Gelenkspielgleiten ist bestimmt durch die Form der Gelenkfläche, kann aktiv nicht isoliert ausgeführt werden und lässt sich passiv nachahmen. Es erfolgt bei korrekter Ausführung ohne Winkelbewegung und wird somit durch die Muskulatur nicht wesentlich beeinflusst. In der Regel werden hierbei das translatorische Gleiten und das Verhalten bei Traktion untersucht. Diese Untersuchung des Gelenkspiels eignet sich für die Feindiagnostik jeder Gelenkbewegung, in dem durch die Gleitbewegung der ungestörte Prozess des wiederholten Aufnehmens und Lösens des Kontakts unterschiedlicher Gelenkbereiche geprüft wird. Die Blockierung – reversibel artikuläre Bewegungsstörung – wird durch schmerzlose passive Bewegungsuntersuchung des Gelenkspiels ermittelt und muss von der muskulären Bewegungsstörung und der schmerzbedingten Bewegungssperre abgegrenzt werden. Eine Auswahl geeigneter Techniken wird im Folgenden beschrieben. Nach Wertung der anamnestischen Fakten und der Befunde aus der orientierenden Untersuchung ergibt sich die Vorgehensweise für die weitere manuelle Diagnostik und ggf. das ergänzende bildgebende oder neurophysiologische Verfahren in der angegebenen Reihenfolge: F weitere klinische Klärung bei Diagnose/Verdachtsdiagnose neurologischer Störungen, insbesondere Radikulärsyndrome (Minussymptome), Entzündungen oder Verletzungen sowie F gezielte Untersuchung und Behandlung: Gelenkstörung, Muskelstörung, muskuläre Inkoordination.

Manuelle Medizin 2006 · 44:276–280 DOI 10.1007/s00337-006-0450-4 © Springer Medizin Verlag 2006 G. Harke

Der Ellenbogen – manuelle Diagnostik und Therapie Zusammenfassung Der vorliegende Artikel enthält die Darstellung der diagnostischen und therapeutischen Methoden (Techniken) der manuellen Medizin/Chirotherapie für die Region des Ellenbogens. Die Zusammenstellung der Techniken erfolgt aus der Sicht der drei Ärzteseminare der Deutschen Gesellschaft für Manuelle Medizin. Es werden allgemeine, orientierende und gezielte Untersuchungen sowie Behandlungen am Gelenk und an der Muskulatur beschrieben. Überregionale Zusammenhänge werden berücksichtigt. Schlüsselwörter Ellenbogenregion · Manuelle Diagnostik · Manuelle Therapie · Mobilisation · Manipulation

The elbow – manual diagnostics and therapy Abstract This article presents an overview of the diagnostic and therapeutic methods used by manual medicine (MM)/chirotherapy for the elbow region. These methods are described in seminars for physicians or physiotherapists from the point of view of the three schools of MM of the German Society of Manual Medicine. The authors distinct between Common, orientation and specific diagnostics and the therapeutic approach to joints and muscles are distinguished. The relations to other regions are also taken into consideration. Keywords Elbow region · Manual diagnostics · Manual therapy · Mobilization · Manipulation

Die folgenden Untersuchungs- und Behandlungstechniken sind im Wesentlichen die Techniken, die sowohl in der ÄMM als auch in der FAC und der MWE Manuelle Medizin 4 · 2006

| 277

Leitthema

Abb. 1 9 Orientierende Untersuchung der passiven Flexion am Ellenbogengelenk

gelehrt werden und ausführlich von Jochen Sachse [3] beschrieben wurden. Am Ellenbogen haben sich folgende Techniken zur gezielten Untersuchung bewährt, auch weil sie zum Teil unmittelbar in eine Behandlungstechnik überführt werden können: F Humeroulnare Traktion bei rechtwinklig gebeugtem Ellenbogen, F seitliches Neigungsfedern am Ellenbogen, F Längszug am Radius (Humeroradialgelenk) und F a.-p.-Bewegung am Radiusköpfchen und am distalen Radioulnargelenk. Spezifische Behandlungstechniken sind F die alternierende isometrische Flexion und Extension sowie F die postisometrische Relaxationsmobilisation der Pronations- und Supinationseinschränkung. Manipulative Techniken sind F die Extensionshemmung (ulnarseitig, radialseitig), F die Flexionshemmung und F die Manipulation des proximalen Radioulnargelenks.

Techniken Abb. 2 9 Orientierende Untersuchung der Extension am Ellenbogengelenk mit Prüfung der Endfederung

Abb. 3 9 Humeroulnare Traktion bei rechtwinklig gebeugtem Ellenbogen

278 |

Manuelle Medizin 4 · 2006

Seitliches Neigungsfedern am Ellenbogen. Das Gelenkspiel beim Seitneigungsfedern ist die typische Scharniergelenkprüfung und zugleich die wichtigste Untersuchungstechnik. Der Untersucher steht vor dem sitzenden Patienten und fixiert das Handgelenk des zu untersuchenden Armes seitlich zwischen seinem Arm und Thoraxwand und umfasst das Ellenbogengelenk beidhändig. Der Ellenbogen wird leicht gebeugt und aus einer Drehung um die eigene Körperachse nach radial und nach ulnar gefedert. Die wiederholte Ausführung bei erschwertem oder fehlendem Federn in die gestörte Richtung entspricht der Behandlung. Humeroulnare Traktion bei rechtwinklig gebeugtem Ellenbogen. Der Untersucher sitzt seitlich neben dem am Bankrand liegenden Patienten und umfasst mit der dem Patienten zugewandten Hand den rechtwinklig gebeugten Unter-

arm in der Ellenbeuge. Die andere Hand schmiegt sich zwischen die am Unterarm angelegte ulnare Handkante und gegen den Bizepsmuskel des Oberarms an. Die Hand des Patienten ist in supinierter Stellung an der Untersucherschulter angelehnt. Durch Spreizen der am Oberarm anliegenden Hand und Zug der am Unterarm anliegenden Hand erfolgt die Traktion. Die wiederholte Ausführung dient der Behandlung (. Abb. 3). Durch die Variation der Ausgangsstellung des Ellenbogengelenks zwischen ca. 45° und 90° besteht die Möglichkeit, gezielter die Traktion auf die ventralen gelenkumgebenden Gewebe wirken zu lassen oder eine muskuläre Entspannung durch gleichzeitige postisometrische Relaxation einzusetzen [1]. Längszug am Radius (Humeroradialgelenk). Am liegenden Patienten greift der Untersucher die Hand des Patienten mit seiner gleichseitigen Hand. Bei rechtwinklig gebeugtem und auf der Unterlage abgestütztem Ellenbogen wird durch die Traktion gegen Halt am Oberarm gelenknah durch die zweite Hand ein Zug auf die radioulnaren Gelenke, aber auch auf die Handgelenke übertragen. Auch diese Technik kann in eine Behandlung überführt werden. A.-p.-Bewegung am Radiusköpfchen. Der Untersucher steht vor dem sitzenden Patienten, fixiert das Handgelenk des zu untersuchenden Arms seitlich zwischen seinem Arm und Thoraxwand und umfasst das rechtwinklig gebeugte Ellenbogengelenk von medial. Die von lateral angelegte Hand umfasst das Radiusköpfchen weich mit Daumen und Zeigefinger und führt die Verschiebung anterior-posterior (dorsal/medial) aus. Schmerzpunkte erschweren hier manchmal die Kontaktnahme und sollten zuvor behandelt werden, wenn der Schmerz aus muskulären Strukturen entsteht. Diese Technik eignet sich ebenso für die Behandlung. A.-p.-Bewegung distales Radioulnargelenk. Der Patient legt seinen Unterarm und die Hand zur Untersuchung der palmaren Gelenkspielrichtung proniert und zur Untersuchung der dorsalen Gelenkspielrichtung supiniert auf eine Unterla-

Abb. 4 7 Manipulation am Ellenbogengelenk

ge. Der Untersucher umgreift jeweils die Ulna zur Fixation, mit der anderen Hand den Radius und führt dann den Radius nach palmar bzw. ulnar tischwärts nach unten. Die Behandlung erfolgt durch Wiederholen der Bewegung in die gestörte Richtung.

Anschließend wird der Patient aufgefordert, für ca. 10 s in die Gegenrichtung zu spannen. Nach der Entspannung sinkt der Arm weiter in die Pronation (bzw. Supination). Dieser Prozess wird mehrfach wiederholt, bis kein Weggewinn mehr erreichbar ist, und kann als Selbstübung für zu Hause angeleitet werden.

Spezifische Behandlungstechniken Manipulation Als spezifische Behandlungstechniken werden folgende Techniken eingesetzt, wobei die Voraussetzung dafür ein Befund durch eine der zuvor beschriebenen Untersuchungen ist. Alternierende isometrische Flexion und Extension. Diese Technik ist bestens geeignet für Störungen des Seitneigungsfederns. Der Untersucher steht vor dem sitzenden Patienten und fixiert das Handgelenk des zu untersuchenden Armes seitlich zwischen seinem Arm und Thoraxwand und umfasst das Ellenbogengelenk beidhändig. Der Ellenbogen wird leicht gebeugt. Der Patient wird aufgefordert, im Wechsel eine leichte Beugung und eine leichte Streckung auszuführen, wobei der Behandler die Aufforderung im Schritttempo gibt und gleichzeitig Bewegungen im Gelenk verhindert. Postisometrische Relaxationsmobilisation der Pronations- und Supinationseinschränkung. Die Behandlung erfolgt am sitzenden Patienten. Mit einer Hand fixiert der Untersucher den Ellenbogen am Körper des Patienten, mit der anderen führt er die Pronation (bzw. die Supination) an den Endwiderstand heran.

Die Manipulation als spezifische Technik setzt ebenso die gezielte Untersuchung voraus und erfordert eine sorgfältige Abwägung der Vorteile gegen eventuelle Risiken. Bei den überwiegend muskulär mitverantworteten Funktionsstörungen ist ein Vorteil gegenüber den Mobilisationsverfahren nicht erkennbar, bei mehr artikulären Störungen sind sowohl Mobilisation als auch Manipulation erfolgversprechend. Immer sind die Regeln für die Manipulation (Behandlung mit Impuls) einzuhalten [1, 4]. Extensionshemmung, gestörtes Seitneigungsfedern (ulnarseitig, radialseitig). Zuvor sollte die alternierende isometrische Flexion und Extension durchgeführt werden. Für die ulnarseitige Manipulation steht der Behandler an der Radialseite des zu behandelnden Gelenks (ohne Außenrotation in der Schulter) neben dem sitzenden oder stehenden Patienten. Der Unterarm wird supiniert und leicht gebeugt, das Handgelenk radial geführt, seitlich am Rumpf des Behandlers zur Fixation angelegt. Die andere Hand umfasst von radial mit dem Zeigefingergrundgelenk, Kontakt dorsal zur Ulna, das EllenManuelle Medizin 4 · 2006

| 279

Leitthema bogengelenk (. Abb. 4).Der Impuls erfolgt aus einer Drehung um die eigene Körperachse mit Übertragung der Richtung nach ulnar anterior. Bei der radialseitigen Behandlung erfolgen der Stand des Behandlers von medial her und eine Anlage der Kontakthand ulnar für die Impulsgebung nach radial. Proximales Radioulnargelenk. Die Behandlung wird am stehenden Patienten durchgeführt. Der zu behandelnde Arm muss frei hängen. Der Behandler greift mit dem Daumen der patientenseitigen Hand von dorsal hinter das Radiusköpfchen. Die andere Hand umgreift den Unterarm. Der Manipulationsimpuls erfolgt unter Längszug mit ventraler Schubkomponente am Radiusköpfchen.

Gezielte Untersuchung und Behandlung der Muskulatur Bei der Muskulatur werden sowohl die gelenkumgebenden Muskeln als auch entfernte Muskeln, die Schmerzen in der Ellenbogenregion auslösen können, untersucht. Hinweise auf die gelenkumgebenden Muskeln bestehen bereits durch die Anamnese und die Art der Bewegungseinschränkung in der orientierenden Untersuchung. Dazu gehören der M. brachialis, der M. biceps brachii, M. brachioradialis, die Unterarmextensoren/-flexoren, M. pronator teres, M. supinator und der M. triceps brachii. Muskeln, die Schmerz in der Ellenbogenregion auslösen, sind dagegen auch in der Rumpf- und Schulterregion zu finden und müssen gezielt gesucht werden: radialer Schmerz (M. supraspinatus), ulnarer Epikondylenschmerz (Mm. pectorales) und Olekranonschmerz (M. serratus posterior superior). Untersucht werden [4] F lokale Schmerzhaftigkeit der Ansätze und Triggerpunkte durch Palpation, F Verspannung, reversibel strukturelle Verkürzung durch Untersuchung auf passive Verlängerbarkeit und F muskuläre Inkoordination in Funktionsverkettung und dynamischem Stereotyp.

280 |

Manuelle Medizin 4 · 2006

Techniken Je nach Befund reicht die Behandlung von unmittelbarer Relaxation der muskulären Ansätze und Triggerpunkte, die vordergründig die Untersuchung durch Vortäuschen einer Gelenkfunktionsstörung beeinflussen oder die Behandlung durch Schmerz bei der Behandlungseinstellung beeinträchtigen, bis hin zur Verordnung von manueller Therapie zur Delegation an Physiotherapeuten. Die postisometrische Relaxation wird spezifisch auf die Verspannung der kontraktilen Elemente von Triggerpunkten oder Einzelmuskeln angewandt. Bei muskulären Inkoordinationen, die über den lokalen und segmentalen Bezug hinausgehen, abweichenden Bewegungsmustern (dynamisch-motorischer Stereotyp) oder konstitutioneller Hypermobilität umfassen die Behandlungselemente auch Dehnung reversibel strukturell verkürzter Muskulatur, Aktivierung funktionell gehemmter Muskulatur und sensomotorische Faszilitation [2]. Im Rahmen von Verkettungen und Verkettungssyndromen sind teilweise auch myofasziale und viszerofasziale Techniken des Thorax besonders der oberen Thoraxapertur in die Behandlungsstrategie einzubeziehen. Auf Begleitbehandlungen wird in den Artikeln dieses Themenheft eingegangen.

Kontrolle des Behandlungserfolgs Nach der Behandlung durch Mobilisation oder Manipulation erfolgt die Nachkontrolle. Diese kann als gezielte Untersuchung des Gelenkspiels erfolgen, aber auch globaler bzw. am Ende einer umfangreichen Behandlung einschließlich Muskulatur und weiterem Weichteilgewebe durch die orientierende Untersuchung abgeschlossen werden.

Korrespondierender Autor G. Harke Ärzteseminar Berlin (ÄMM) e.V. Frankfurter Allee 263, 10317 Berlin [email protected] Danksagung. Mein persönlicher Dank geht an Dr. med. M. Graf von der FAC und Dr. H. Moll von der MWE für die gegebene inhaltliche Unterstützung und Ergänzung.

Literatur 1. Bischoff HP (2002) Chirodiagnostische und chirotherapeutische Technik. Ein kurz gefasstes Lehrbuch der Manualmedizin. Spitta, Balingen 2. Janda W (2000) Manuelle Muskelfunktionsdiagnostik. Urban & Fischer, München 3. Sachse J (2001) Extremitäten –manuelle Untersuchung und Mobilitätsbehandlung für Ärzte und Physiotherapeuten. Urban & Fischer, München 4. Schildt-Rudloff K, Sachse J et al. (2005) Interne Skripten der ÄMM (DGMM) 5. Weinberg AM et al. (2001) Die Pro- und Supination des Unterarmes. Unfallchirurg 104: 404–409