Der Einfluss der Mafia auf die politische Kultur in Italien

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Author: Bernd Kolbe
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Daniel Schmuck Kettelerstr. 19 57250 Netphen Tel.: 01776531626 [email protected]

Der Einfluss der Mafia auf die politische Kultur in Italien Kurs: PIGS really? Südeuropas Exit-Strategien aus der Finanz- und Wirtschaftskrise Dozentin: Jana Edelmann, M.A.

Studiengang: Sozialwissenschaften und Europa Studien

Daniel Schmuck, Matr. 907200

Der Einfluss der Mafia auf die politische Kultur in Italien

1. Einleitung………………………………………………………………………………….3 1.1. Der Begriff Politische Kultur………………………………………………………….4 1.2. Überblick – Die Politische Kultur in Italien ……………………………….………......6 1.3. Aufbau der Mafia……………………………………………………………………...8 2. Staat im Staat?...................................................................................................................10 2.1. Mafia und die Wirtschaft……………………………………………………………..10 2.2. Der Weg zur Macht - Mafia und Politik …………………………………………......12 3. Così fan tutti – Korruption in Italien…………………………………………………....14 4. Ausblick…………………………………………………………………………………..15 4.1. Antimafia-Politik…………………………………………………………….……....15 4.2. Wahlrechtsreform – Hoffnung für die Zukunft?….....………………………………16 5. Quellenverzeichnis…………………………………………………………………....…19

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1. Einleitung Erst kürzlich, am 4. Mai 2015, hat die italienische Abgeordnetenkammer in Rom das Wahlgesetz „Italicum“ und damit ein neues Wahlrecht, was stabilere Koalitionen und mehr politische Stabilität bringen soll, verabschiedet.1 Für Ministerpräsident Matteo Renzi junge Regierung ist dies ein großer Erfolg. Schließlich war die politische Kultur in Italien die letzten Jahrzehnte, im Zeitraum der 1. und 2. Republik (1946 bis 1994 und 1994 bis heute), einerseits durch den „Trasformismo“, andererseits durch unbeständige Koalitionen gekennzeichnet. Das bisher bestehende Wahlrecht wurde dabei als einer der Hauptgründe für diese Entwicklung gesehen Doch inwiefern kann sich die politische Kultur in Italien durch ein neues Wahlrecht ändern, wenn in großen Teilen des Landes die Mafia durch ihr System des Korporatismus und Klientelismus einen großen Einfluss auf die Politik und Gesellschaft selbst hat? Dieser Frage möchte die folgende Abhandlung nachgehen.

Als Einführung und zum Verständnis des Themas gehen wir dabei zuerst auf den hier benutzten Begriff der politischen Kultur ein. Anschließend beschäftigen wir uns mit den verschiedenen Formen der italienischen Mafia, ihrer Geschichte und ihrer Struktur. Ebenso wird die Frage behandelt, weshalb die Mafia nicht einfach mit herkömmlichen Formen organisierter Kriminalität gleichgesetzt werden kann. In Kapitel 2 werden wir dann konkret auf die Verknüpfungen zwischen der Mafia und der Wirtschaft bzw. Politik eingehen, seien diese nun freiwillig oder erzwungen worden. Kapitel 3 wird unter anderem auf eine unter weiten Teilen der italienischen Bevölkerung verbreitete Mentalität eingehen, welche auch mit den Worten “Così fan tutti“ (Das machen doch alle) beschrieben werden könnte und teilweise die vorherrschenden klientelären Verhältnisse erst möglich macht. Als weitere Unterpunkte, die entscheidenden Einfluss auf die Denkhaltung der Italiener haben, wird ebenfalls auf den Nord-Süd-Konflikt und den bereits erwähnten Trasformiso eingegangen. Letztendlich möchte das letzte Kapitel 4 einen Ausblick auf die Zukunft bieten und sich der Frage stellen inwiefern Anti-Korruptions-Politiken sowie das neue Wahlrecht in Zukunft zu einer Verbesserung der politischen Kultur beitragen könnten und welche Faktoren für eine effektive Bekämpfung der Mafia nötig sind.

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Braun, Michael: „Italien gönnt sich eine Wahlreform“, unter: http://taz.de/Italien-goennt-sich-eineWahlreform/!159257/ (abgerufen am 15.05.2015)

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1.1 Der Begriff „Politische Kultur“ Der Begriff der politischen Kultur wird in der allgemeinen Öffentlichkeit sehr unterschiedlich und oftmals ungenau benutzt. Dort hat der Begriff oft eine normative Komponente und wird als Urteil über die Qualität der politischen Auseinandersetzung, man könnte es auch „politischer Stil nennen“, gesehen. In der politischen Forschung wird der Begriff hingegen wertfrei benutzt. Die beiden amerikanischen Politikwissenschaftler Gabriel Almond und Sidney Verba haben mit ihrer vergleichenden Studie von 1963 „The Civic Culture: Political Attitudes and Democracy in Five Nations“2 den Begriff der political culture bzw. der politischen Kultur als erste in die Forschung eingeführt. Grundlage dieser Untersuchung waren die politischen Erfahrungen der vergangenen Jahre: Einerseits konnte ein zivilisierte Volk, wie die Deutschen zurück in eine barbarische Politik fallen, anderseits wurden in dieser Zeit viele ehemalige Kolonien wieder selbständig. Darunter waren einige, welche langfristigen Erfolg hatten, wie z.B. Indien, wieder andere Länder hatten jedoch Probleme sich langfristig als Demokratien zu etablieren. Dieser Frage nach der unterschiedlichen Entwicklung, bei sonstigen gleichen Gegebenheiten, versuchten die beiden Forscher in ihrer Untersuchung anhand der Länder USA, Großbritannien, Westdeutschland, Italien und Mexiko nachzugehen. Sie kamen zu dem Schluss, dass die Differenz zwischen der vorhandenen, vorherrschenden politischen Kultur in der Bevölkerung und dem bestehenden politischen System nicht zu groß sein darf. Als Beispiel könnte hier die Weimarer Republik dienen, bei welcher die Mehrheit der Bevölkerung mental noch im alten System des Kaiserreichs verwurzelt war und der parlamentarischen Demokratie keine Unterstützung oder Anerkennung entgegenbrachte. Dies äußerte sich schließlich unter anderem darin, dass sich eine große Mehrheit nach einem „starkem Mann“ sehnte. In ihrer Studie definieren Almond & Verba die politische Kultur als „the particular distribution of patterns of orientation toward political objects among the members of the nation“3 oder genauer gesagt: “attitudes toward the political system and its various parts, and attitudes toward the self in the system.”4 Als eine Art politischer Kultur, welche für stabile Demokratien sorgt führen die Autoren das Konzept der “civic culture” an. Beispiele für diese Bürgerkultur sehen Almond & Verba in den 2

Almond, Gabriel A.; Verba, Sidney (1963): The civic culture. Political attitudes and democracy in five nations. Princeton, NJ: Princeton Univ. Press. 3 Vgl. oben, S. 14. 4 Vgl. oben, S. 13.

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Demokratien von USA und Großbritannien. Die civic culture zeichnet sich durch eine generelle Akzeptanz der Autorität des Staates und in ein Glauben in die bürgerlichen Pflichten aus. Ebenso wird die civic culture von den Autoren als der Idealtypus politischer Kultur gesehen. Letztendlich handelt es sich um eine Mischform der drei anderen Arten politischer Kultur, welche laut Almond & Verba ebenso existieren, aber, alleine für sich zu, einem Ungleichgewicht führen können und keine Garanten für eine dauerhafte und stabile Demokratie sind, wie es die Bürgerkultur ist. Die drei anderen politischen Kulturen teilen sich auf die parochiale Kultur, die Untertanenkultur und die partizipierende Kultur auf. Almond & Verba definieren dies folgendermaßen: “A participant is assumed to be aware of and informed about the political system in both its governmental and political aspects. A subject tends to be cognitively oriented primarily to the output side of government: the executive, bureaucracy, and judiciary. The parochial tends to be unaware, or only dimly aware, of the political system in all its aspects"5 Bei der parochialen Kultur („parochial culture“), wie sie laut der Autoren zum Zeitpunkt der Untersuchung z.B. in Mexiko vorzufinden war, hat die Bevölkerung nur die unmittelbare Umgebung in ihrem Blickfeld. Dementsprechend kann sich auch keine positive Einstellung zum Gesamtsystem entwickeln, es herrschen keine Kenntnisse über den Aufbau und die Struktur des politischen Systems vor. Sie können auch keine klare Differenzierung der spezifischen politischen Rollen vornehmen und zeigen kein Interesse für das politische System oder einer Partizipation in dieses. Die Untertanenkultur („subject culture“), welche Almond & Verba in Westdeutschland vorfanden, zeichnet sich im Wesentlichen dadurch aus, dass zwar Kenntnisse über den politischen Aufbau des Systems vorhanden sind, die Bevölkerung im Wesentlichen aber an einem Output des politischen Systems interessiert ist und sich selbst kaum einbringt, d.h. die Wahlbeteiligung ist z.B. gering und der eigenen Stimme wird keine Bedeutung zugemessen. Die affektuelle Unterstützung von demokratischen Elementen ist also schwach. Die partizipierende Kultur hingegen, ist dadurch geprägt, dass sich ihre Teilnehmer sehr aktiv partizipativ verhalten und ein Verständnis des politischen Systems haben. Der Unterschied zu der Mischform der „civic culture“ liegt darin, dass Teilnehmer dieser sich neben seiner aktiven Rolle auch nebenbei noch regelmäßig passiv verhält, da das politische System sonst leicht überlastet werden könnte.

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Vgl. oben, S. 79.

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1.2 Überblick - Die politische Kultur in Italien In Italien fanden Almond & Verba Elemente der parochialen Kultur, als auch der Untertanenkultur vor. Sie beschreiben die Zustände der politischen Kultur in Italien Anfang der 60er-Jahre folgendermaßen: „The piece of Italian culture that has emerged from our data is one of relatively unrelieved political alienation and of social isolation and distrust“.6 Dieses Misstrauen gab und gibt es in Italien gegenüber dem politischen System und der Obrigkeit zwar durchaus. Jedoch muss man auch anmerken, dass die italienische, politische Landschaft zur Zeit der Ersten Republik gespalten war. Auf der einen Seite gab es katholisch, traditionelle Kultur, ursprünglich verkörpert durch die „Democrazia Cristiana (DC)“, während auf der anderen Seite das kommunistische Lager, ursprünglich politisch vertreten durch die „Parito Communista Italiano (PCI)“, der Kommunistischen Partei, war. Innerhalb dieser Gruppen war durchaus Kooperation vorhanden. Zur Zeit der Ersten Republik hatten beide durchaus auf ihre Weise zur Integration der Bevölkerung in eine demokratisch regierte Gesellschaft beigetragen und erreichten zu diesem Zeitpunkt gemeinsam mehr als 70 % der Wählerstimmen.78 Im Prozess der politischen Sozialisation spielen mehrere Faktoren einen Einfluss, welcher politischen Kultur man sich letztendlich zuordnet. Im Falle Italien spielten die Strukturen, die durch den Katholizismus vorgegeben wurden und letztendlich durch die DC verkörpert wurden eine entscheidende Rolle. Die Territorialität spielte dabei ebenfalls eine wichtige Rolle, schließlich waren die beiden politischen Lager vornehmlich lokal organisiert. Im Falle des katholischen Lagers ging dieses Ende des 19. Jahrhunderts aus den Umkreis der territorialen Herrschaft der Kirche hervor, welche besonders im Norden Italiens eine starke Opposition herstellen konnten. „Die Kirche konnte ihre Hegemonie in dem Maße ausbauen, wie sie imstande war, die anderen Konflikte zur absorbieren und sie dem Religiösen unterzuordnen. Sie trat nämlich nicht nur als Glaubens- und Wertesystem auf, sondern auch als Organisation der lokalen Gesellschaft, der sie sowohl Dienstleistungen und Aggregationsmöglichkeiten als

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Vgl. oben, S. 403. Merkel, Wolfgang (2006): Systemtransformation. Eine Einführung in die Theorie und Empirie der Transformationsforschung. 2. Aufl. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften (Lehrbuch). 8 Sowaidnig, Ina (1997): Die Unterstützung der Demokratie in Deutschland und Italien, Frankfurt a. M. 7

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auch Vertretung dem Staat gegenüber anbot.“9 Die betreffenden Regionen, der Katholiken wurden auch weiße Regionen genannt.10 Demgegenüber standen die roten Regionen, welche von der politischen und kulturellen Dominanz der der kommunistischen Partei dominiert wurden.11 Die Geschichte der roten Regionen ist hingegen zurückzuführen auf „die jahrzehntelange Geschichte sozialer Emanzipationsbewegungen

in

diesen

Regionen



seien

sie

agrarrevolutionärer,

anarchosyndikalistischer oder antifaschistischer Natur.“12 Ebenfalls einen Ursprung hatten diese sozialen bzw. politischen Bewegungen oft im „Risorgimento“ (Wiedererstehung), also der Zeit zwischen 1815 bis 1870, in der die Einigung Italiens angestrebt wurde. Die „Resistenza“ (Widerstand) im zweiten Weltkrieg, bei der sich die roten Bewegungen überdurchschnittlich stark beteiligten, verstärkte die Unterschiede zwischen den roten und weißen Regionen noch zusätzlich. Der Kalte Krieg mit den konkurrierenden Blöcken – Ost und West, Kapitalismus und Kommunismus – tat sein Übriges um die Differenzen zwischen den Christdemokraten und der kommunistischen Partei noch mehr hinauszuarbeiten. Die Wahlbeteiligung und der Organisationsgrad der Parteien und Gewerkschaften, also der partizipative Aspekt der politischen Kultur waren im jeweiligen Milieu der beiden Subkulturen hoch. Ebenso spielte für beide Lager der Familiensinn eine bedeutende Rolle und sorgte im Verbund mit der Gemeinschaft für feste Strukturen. In Anfangsphase der Ersten Republik waren die kleinen und mittleren Familienbetriebe mitverantwortlich für den starken wirtschaftlichen Aufschwung den Italien erfahren hatte, dem „Mircaolo economico.“ Im Zuge der ökonomischen Entwicklung (Ölkrisen, Globalisierung, Automatisierung) führte dies ab ca. 1970 zu einem allmählichen Verfall der bestehenden Strukturen. Ebenso verminderte sich durch die zunehmende Säkularisierung der Einfluss beider Lager, da die gemeinschaftliche und familiäre Komponente zunehmend nicht mehr gegeben war. Heutzutage besitzen also der Katholizismus, als auch der Kommunismus, für den Zusammenhalt in der italienischen Gesellschaft keine große Integrationskraft mehr und andere Konflikte, wie der wirtschaftliche Nord-Süd-Konflikt, welcher aber immer noch die alte Rivalität wiederspiegelt, sind an seine Stelle getreten. Die alten Parteien DC und IPC wurden durch die „Lega Nord“ oder die „Forza

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Riccamboni, Gianni (1995): Venetien – die Krise der katholischen Subkultur, in: Ferraris, Luigi Vittorio; Trautmann, Günter; Ullrich, Hartmut (1995): Italien auf dem Weg zur "zweiten Republik"? Die politische Entwicklung Italiens seit 1992. Frankfurt am Main, New York: P. Lang 10 Venetien, Trentino, Ostlombardei, Ligurien, Toskana und Teile von Piemont 11 Emilia-Romagna, Toskana, Umbrien, die Marken. 12 Strübel, Michael (1982): Neue Wege der italienischen Kommunisten. Zur Außen- und Sicherheitspolitik der KPI (1973-1981), Baden-Baden

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Liberta“/“Il Popolo della Liberta“ Berlusconis ersetzt. Währenddessen ist die ehemalige kommunistische Partei in verschiedene sozialistische und kommunistische Parteien aufgegangen, von denen die christlich-soziale, sozialdemokratische „Partito Democratico (PD)“ wohl als der größte und stärkste Nachfolger zählen darf. Schließlich stellen sie mit Matteo Renzi als Ministerpräsidenten momentan die Regierung.

1.3 Aufbau der Mafia Es gibt nicht die eine Mafia. Die Mafia als Form organisierter Kriminalität in Italien ist ein jahrhundertealtes Phänomen und war bereits vor der Gründung des italienischen Staates 1861 ein Problem für die bestehenden lokalen Autoritäten. Auch die Begriffsherkunft ist nicht eindeutig geklärt. Es wird angenommen, dass die Ursprünge der Mafia Anfang des 19. Jahrhunderts bei Banditen und Räubern in Westsizilien liegen. Jedoch haben sich mittlerweile auch verschiedenen Zweigen der Mafia entwickelt, die je nach Herkunft, unterschieden werden. So bezeichnet man die sizilianische Mafia als „Cosa Nostra“ (Unsere Sache), die kalabrische Mafia als „’Ndrangheta“ während die Mafiaclans in der Gegend um Neapel herum als „Camorra“ bezeichnet werden. Cosa Nostra (5500 Mitglieder) und ’Ndrangheta (7000 Mitglieder) sind dabei momentan die größten und beständigsten der Mafiaorganisationen in Italien und im Falle der ’Ndrangheta auch die größte kriminelle Organisation in Europa. Gleichzeitig sind die drei genannten auch die bekanntesten Zweige der italienischen Mafia. Doch in den letzten 30 Jahren haben sich noch die „Sacra Corona Unita“ in Apulien und die „Stidda“, im südlichen Sizilien, entwickelt. Dabei versuchten diese beiden Mafiazweige Nischen zu besetzen, welche von den anderen drei großen noch nicht belegt waren. Im Falle der „Stidda“ führt diese Anfang der 90er Jahre zu einem Krieg mit der Cosa Nostra. Wichtig zum Verständnis der Mafia13 ist, dass diese Anfang des 19. Jahrhunderts in einer Zeit des schwachen Staats entstand, dementsprechend war dieser nicht in der Lage Recht und Ordnung, d.h. auch Schutz, für seine Untertanen, zu liefern. Dementsprechend finanzierte sie sich von Anfang an mit Viehdiebstahl, Schmuggel, Schutzgelderpressungen und Mord. Ebenfalls besaßen die Anführer der Mafia, welche oftmals lokale Größen waren, gute

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Wenn wir nun im Folgenden den Begriff Mafia verwenden, so bezieht sich dies auf alle Arten der MafiaOrganisation. Falls dem nicht so ist, wird dies erwähnt.

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Beziehungen zur katholischen Kirche. Durch den Faschismus unter Mussolini geriet die Mafia in ganz Italien fast in die Bedeutungslosigkeit. Die Mafia wurde von Mussolini als Konkurrenz wahrgenommen. Allerdings musste nach dem 2. Weltkrieg die gesamte administrative Infrastruktur wieder aufgebaut werden, dabei gelang es den verschiedenen Mafiaclans ihre Leute in den strategisch wichtigen Ämtern zu positionieren und so wieder zu erstarken.14 Grundsätzlich lässt sich feststellen, dass jeder der nun vorgestellten Mafia-Organisationen, streng patriarchalisch und hierarchisch aufgebaut ist. Frauen haben keine Aussicht auf Mitgliedschaft. Neben diesen Eigenschaften ist ein weiterer grundsätzlicher Unterschiede zu herkömmlichen Formen der organisierten Kriminalität, die Familie. Diese Familien dürfen im Falle der „Cosa Nostra“ nicht als biologische Familie verstanden werden - obwohl dies manchmal auch der Fall sein kann - sondern als eine hierarchisch organisierte Gruppe von Menschen, die durch einen strikten Ehrencodex aneinander gebunden sind. Im Zweifelsfalle geht diese Bindung bis in den Tod, z.B. wenn die Pflicht zur Verschwiegenheit, die Omerta gebrochen werden sollte. Im Falle der `Ndrangheta beruht die Mitgliedschaft hingegen wesentlich mehr auf Blutsverwandschaft. Dies ist auch erkennbar am Wahlspruch der `Ndrangheta, welcher lautet „onore e sangue“ (Ehre und Blut). Dementsprechend ist der Zusammenhalt hier noch stärker und die Anzahl an aussagewilligen Zeugen für die Justiz noch geringer.15 Die Camorra aus Neapel misst der biologischen Verwandschaft keine so große Bedeutung bei wie die anderen beiden großen Maf-Organisationen, allerdings handelt es sich bei ihr auch um eine horizontale, statt einer vertikalen Organisationsstruktur. Sie besteht aus autonom agierenden Clans. Das heißt es gibt keinen „Capo dei Capi“, wie bei der „Cosa Nostra“ oder der „`Ndrangheta“16 Die Hierarchiestruktur im Einzelnen kann sich geringfügig ändern, je nachdem ob es sich um die Cosa Nostra oder einer der anderen Mafiazweige handelt. Nichtsdestotrotz bleibt das Grundschema in der Regel gleich: An unterster Stufe stehen die normalen Mitglieder („Soldati“), an höherer Stelle agiert dann der unmittelbare Vertreter der jeweiligen Familie („Capofamiglia“), welcher sich vor dem Chef der Chefs, dem „Capo dei Capi“ verantworten

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Caracciolo, David: „La ignominiosa alleanza. Il contributo mafioso alla vittoria Alleata in Sicilia“, in: http://www.instoria.it/home/vittoria_alleata_sicilia.htm (abgerufen am 15.05.2015) 15 Ulrich, Andreas: 60 Jahre BKA: Im Spannungsfeld zwischen Freiheit und Sicherheit Die ´Ndrangheta in Deutschland 16 Hoppe, Gregor und Reichardt, Lars: „Der Tod gehört zum Beruf“, in: http://szmagazin.sueddeutsche.de/texte/anzeigen/3314/Der-Tod-gehoert-zum-Beruf (abgerufen am 15.05.2015)

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muss. Diesem unterstehen dann alle Familien eines Familiezweigs. Im Falle der Cosa Nostra wird z.B. vermutet, dass es sich dabei momentan um den 53-Jährigen Matteo Messina Denaro handelt.17

2. Staat im Staat? Im folgenden Abschnitt gehen wir näher auf die Verknüpfungen der italienischen Mafia in die Wirtschaft und Politik ein. Dies beinhaltet legale wie illegale Aktivitäten zum wirtschaftlichen Profit als auch die Beeinflussung von Entscheidungsträgern von Politik und Staat mit verschiedenen Mitteln. Dennoch darf nicht vergessen werden, dass „…weder der Handel mit illegalen Waren noch die Gewinnmaximierung jemals das vorrangige Ziel der süditalienischen Mafiavereinigungen waren, vielmehr handelt es sich um multifunktionale Organisationen, die verschiedenen Absichten verfolgen und die vielfältigsten Aufgaben erfüllen.“18

2.1 Die Mafia und die Wirtschaft Wie zu Beginn bereits erwähnt, finanziert sich die Mafia bereits seit ihren Anfängen aus einer Vielzahl verschiedener Quellen. Während sie sich in der Anfangsphase noch vergleichsweise simplen Methoden wie Viehdiebstahl oder Schutzgelderpressung bediente, so hat auch die Globalisierung Einfluss auf die Geschäftsmethoden der Mafia gehabt, welche mittlerweile zum Zwecke der Geldwäsche als weltweiter Investor auftritt.19 2013 hat die `Ndrangheta allein 53 Milliarden

Euro

Umsatz

gemacht.

Dies

entspricht

2,5

%

des

italienischen

Bruttosozialprodukts.20 Damit ist sie die erfolgreichste Mafia-Organisation Italiens und Europas.

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Day, Michael: „Italian police seize Mafia boss's assets worth millions of euros: Is this the end of the line for Matteo Messina Denaro?“, in: http://www.independent.co.uk/news/world/europe/italian-police-seize-mafiabosss-assets-worth-millions-of-euros-is-this-the-end-of-the-line-for-matteo-messina-denaro-9926827.html (abgerufen am 15.05.2015) 18 Rörig, Karoline (Hg.) (2012): Länderbericht Italien. Bonn: Bundeszentrale für Politische Bildung (Schriftenreihe / Bundeszentrale für Politische Bildung, 1240). 19 Pfohl, Manuela: „Ehrenwerte Gesellschaft an der Ostsee“, in: http://www.stern.de/panorama/mafia-indeutschland-ehrenwerte-gesellschaft-an-der-ostsee-654133.html (abgerufen am 15.05.2015) 20 Langer, Annette: „Studie zur ´Ndrangheta“, in: http://www.spiegel.de/panorama/justiz/ndrangheta-mafia-inkalabrien-macht-laut-studie-53-milliarden-euro-a-961095.html (abgerufen am 15.05.2015)

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Die drei großen `Ndrangheta, Camorra und Cosa Nostra machen mittlerweile den Hauptumsatz ihres Geschäfts mit internationalem Drogenhandel. Andere große Posten machen Glückspiel und Schutzgelderpressungen aus. Im Falle der `Ndrangheta sind dies 1,3 Milliarden bzw 2,9 Milliarden Euro. Jedoch hat die Mafia gelernt die Strukturen des Systems zu nutzen. Und zum Zwecke der Geldwäsche, aber auch als zusätzlicher Nebenerwerb werden immer öfter öffentliche Aufträge angenommen, die aus dem Bereich Baugewerbe oder Müllentsorgung kommen. Die Mafia drückt dann die Preise durch Dumpinglöhne mit Arbeitern aus Asien oder dadurch, dass der Müll illegal entsorgt wird. Heimische Unternehmen können dann kaum mithalten. Insbesondere die kalabrische Mafia ist im Raum Neapel im Bereich der illegalen Müllentsorgung tätig. Dadurch, dass die Unternehmen auch kaum oder gar keine Steuern zahlen, entsteht dem Staat ein doppelter Schaden.21 Sie besteuern wie ein eigener Staat im Staate alle wirtschaftlichen Unternehmungen, die in Ihrem Gebiet liegen. Potentielle Investoren werden abgeschreckt, heimische Unternehmen werde durch die Extrazahlungen geschädigt. Die Folge davon ist, dass der Süden immer noch wirtschaftlich wesentlich schwächer entwickelt ist. Infolgedessen wird er mit Subventionen gefördert, welche aber aufgrund der von der Mafia vereinnahmten Strukturen, direkt wieder dieser zufließen. Ein Teufelskreis. Raimondo Catanzaro spricht der Mafia auch die Fähigkeit zu „strukturelle Lücken“ zu schließen bzw. „die Erschaffung struktureller Lücken“, welche dann von der Mafia, in „Ermangelung eines wirkungsvollen Handelns der Politik und der Institutionen“, zum Schließen angeboten werden. 22 23

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Saviano, Roberto (2008): Gomorrha. Reise in das Reich der Camorra. Wien: Buchgemeinschaft Donauland. Catanzaro, Raimondo (1992): Men of respect. A social history of the Sicilian Mafia. New York, Toronto, New York: Free Press; Maxwell Macmillan Canada; Maxwell Macmillan International. 23 Frech, Siegfried; Kühn, Boris (Hg.) (2011, [2011?): Italien. Gesellschaft, Wirtschaft, Politik und Kultur. 1., neue Ausg. Schwalbach am Taunus: Wochenschau-Verlag (Sachbuch). 22

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2.2 Der Weg zur Macht - Die Mafia und die Politik „Eines Tages fragte ich Borsellino: „Welche Beziehung gibt es zwischen Politik und Mafia?“ Er antwortete mir: „Das sind zwei Mächte, die sich auf die Kontrolle desselben Territoriums stützen – entweder bekriegen sie sich oder sie einigen sich.“24 Betrachten wir also die Mafia-Organisationen also nicht nur unter dem Gesichtspunkt der angestrebten finanziellen Gewinnmaximierung, sondern - wie bereits in der Einleitung zu diesem Kapitel erwähnt - als eine nach umfassender Macht strebenden, multifunktionalen Organisation. Dies wird umso mehr deutlich, wenn man sich in Erinnerung ruft, dass die Mafia in ihrer Entstehungsphase versuchte ein Macht-Vakuum des Staates auszufüllen. Die Mafia stellt einen Gebietsanspruch auf die von ihr beeinflussten Gebiete. So wie die Organisationen absolute Kontrolle über das Leben ihre Mitglieder, vom „Soldati“ bis hin zum „Capo dei capi“, ausübt, so strebt die Mafia danach eine ähnliche Machtfülle über die Regionen, welche in ihrem Einflussbereich liegen auszuüben. Dies drückt sich auch dadurch aus, dass die Mafia Aufgaben übernimmt, die eigentlich der Justiz oder Exekutive zufallen sollten. So übernehmen die Clans in ihren Gebieten die Aufgabe in Konflikten zu vermitteln, Eigentumsrechte und Strafen durchzusetzen, usw. Sie übt also eine Art Binnengerichtsbarkeit aus. Andererseits hilft sie mit einer Art Sozialsystem bedürftigen Mitgliedern und ihren Familien und baut in ihren Regionen sogar Krankenhäuser, da sich der Staat aus diesem Bereich zurückgezogen hat. 2526 Ursache dieses sich „Hinwenden zur Mafia“, ist das im Süden Italiens weit verbreitete Misstrauen in den oftmals als unfähig und bürokratischen wahrgenommen Staat und des im Süden, insbesondere in ländlichen Regionen, stärker ausgeprägten Familiensinns. Auch der Krieg der Cosa Nostra, welcher sich insbesondere Anfang der 90er Jahre, nach dem Zusammenbruch der bisherigen politischen Ordnung, gegen unzählige Staatsanwälte, Richter und Polizisten abspielte, zeigt, dass man sich als Konkurrent zum Staat im Machtanspruch sieht und dessen Rechtsprechung nicht akzeptieren will. Allerdings fährt die Mafia, wie wir im vorigen Kapitel gesehen haben, eine doppelte Strategie. Zu einem nicht unerheblichen Teil finanziert diese ja ihre Aktivitäten mit Ausschreibungen aus öffentlicher Hand und macht den Staat hierbei, gewollt oder ungewollt, zum Komplizen.

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Giorgio Bocca, Il silenzio sulla Mafia, in: La Republica vom 22.05.2002, S.1. Ulrich, Andreas: 60 Jahre BKA: Im Spannungsfeld zwischen Freiheit und Sicherheit Die ´Ndrangheta in Deutsch-land 26 Rusconi, Gian Enrico (Hg.) (2010): Berlusconi an der Macht. Die Politik der italienischen Mitte-RechtsRegierungen in vergleichender Perspektive. München: Oldenbourg (Zeitgeschichte im Gespräch, 10). 25

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Trotz dieser Akte der Gewalt und dieser bestehenden Konkurrenzsituation, verstanden es die Mafia-Organisationen immer wieder Politiker auf der regionalen, als auch auf dem nationalem Level für sich zu vereinnahmen. In den Anfangsjahren beliefen sich diese Verbindungen noch lediglich auf die Kommunal- und Regionalpolitik. Doch seit dem 2. Weltkrieg unterhielt z.B. die Costa Nostra Verbindungen zur „Democrazia Cristiana“, welche im Laufe der Jahrzehnte immer enger wurden. So wurde z.B. ein Mitglied der Mafia, Vito Ciancimino aus Corleone, erst Baudezernent (1959 bis 1964) und dann Bürgermeister von Palermo (1970). Die bauliche Neugestaltung der Stadt wurde somit zu einem riesigen Profit für die Cosa Nostra. Erst 1985 wurde Ciancimino aus der Partei ausgeschlossen und trotzdem blieb er auch eine wichtige Kontaktperson für die Cosa Nostra zur Politik.27 Erreicht wurden und werden diese Unterstützung von Parteien und Politikern über Manipulationen der Wählerstimmen und Spenden. Aus den Erfahrungen des Faschismus heraus unterstützte die „Cosa Nostra“ in der Anfangsphase lediglich gemäßigte Parteien. Dies erklärt auch die Tatsache, dass die kommunistische Partei in der Ersten Republik, die geringste Anzahl an Korruptionsfällen vorweisen konnte. Auch Giulio Andreotti, u.a. siebenmaliger Ministerpräsident, hatte sich im Laufe seiner Karriere auf die Unterstützung der Cosa Nostra verlassen können. Schließlich brauchte er die Unterstützung von Parteimitgliedern aus Sizilien um seine Position innerhalb der DC erreichen und auch halten zu können. 2004 wurde er wegen der Teilnahme an einer mafiösen Vereinigung für schuldig befunden, jedoch waren die Straftaten vor 1980 begangen worden und waren damit verjährt.28 Nach Ansicht großer Teile der italienischen Öffentlichkeit traf Andreotti überdies sowieso keine Schuld.29

3. „Così fan tutti“ – Korruption in Italien Den Ausspruch „Così fan tutti“ kann man nur schwerlich übersetzen. Eigentlich ist es der Titel einer Oper von Mozart „So machen es alle (Frauen)“. Hier steht der Satz hier in der männlichen

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Rusconi, Gian Enrico (Hg.) (2010): Berlusconi an der Macht. Die Politik der italienischen Mitte-RechtsRegierungen in vergleichender Perspektive. München: Oldenbourg (Zeitgeschichte im Gespräch, 10). 28 Rörig, Karoline (Hg.) (2012): Länderbericht Italien. Bonn: Bundeszentrale für Politische Bildung (Schriftenreihe / Bundeszentrale für Politische Bildung, 1240). 29 Clough, Patricia: „Magistrates say Andreotti linked to Mafia“, in: http://www.independent.co.uk/news/world/europe/magistrates-say-andreotti-linked-to-mafia-italys-scandalstrikes-at-the-heart-of-politics-as-the-countrys-grand-old-man-is-investigated-writes-patricia-clough-in-rome1500644.html (abgerufen am: 15.05.2015)

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Form „So machen es alle“ und verdeutlicht ungefähr die Mentalität vieler Italiener was das Thema Korruption und Klientelismus angeht. Bereits öfters wurde nun bereits auf das Problem des Klientelismus und der Korruption in Italien, insbesondere Süditalien angesprochen. Politische Parteien gehören laut dem letztem „Global Corruption Barometer 2013“ von Transparency International zu den korruptesten Organisationen in Italien, kurz gefolgt von öffentlichen Amtsträgern und den Parlamenten selbst.30 Wie bereits in Kapitel 1 erwähnt, hat Italien seine Ursprünge in der parochialen Kultur und der Untertanenkultur, welche in der Ersten Republik phasenweise von sehr starken partizipativen Zeiten geprägt wurde. Doch nach dem Zusammenbruch des Parteiensystems durch den Korruptionsskandal „Tangentopoli“ und der dadurch ansteigenden Politikverdrossenheit in den 90er Jahren, ist der partizipative Anteil der politischen Kultur stark zurückgegangen, viele Italiener wünschten sich einen „starken Mann“ an die Spitze, Berlusconi konnte die Gunst der Stunde im Entscheidenden Moment nutzen.31 Seit dieser Zeit gewannen alte italienische Werte, wie Individualismus und Familismus, welche schon die katholische Kirche vertreten hat, wieder an Einfluss. Dennoch gibt es einen wichtigen Unterschied: Während die alten politischen Gemeinschaften, Katholizismus und Kommunismus, an einer Solidarität und Gemeinschaft spendenden Einstellung orientiert waren, folgt der neue Klientelismus und Lokalismus privaten Zielen. Berlusconi ermunterte seine Landsleute während seiner Amtszeit immer wieder dem „gierigen Staat“ keine Steuern zu zahlen und beschimpfte die Berufspolitiker und Bürokraten. Die Tatsache, dass Berlusconi höchstwahrscheinlich selbst in die Organisation der Mafia verstrickt war und auch Steuern hinterzogen hatte, ließ ihn vor vielen Italienern als „Schlaukopf“, als „Furbo“ erscheinen.32 Diese „kleinen Gesetzesüberschreitungen“ werden von einer großen Anzahl nicht als Straftaten gesehen, da dafür überhaupt gar kein Unrechtsbewusstsein vorherrscht. Auch der Umstand, dass das Verfahren und der Urteilsspruch gegen den ehemaligen Ministerpräsidenten Giulio Andreotti wegen Beteiligung in einer mafiösen Organisation von vielen Medien und der Bevölkerung mit Unverständnis aufgenommen wurden unterstreicht diese Mentalität nochmals deutlich. Überdies gibt es noch

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Transparency International: „Global Corruption Barometer 2013“, in: http://www.transparency.org/gcb2013 (abgerufen am 15.05.2015) 31 Rörig, Karoline (Hg.) (2012): Länderbericht Italien. Bonn: Bundeszentrale für Politische Bildung (Schriftenreihe / Bundeszentrale für Politische Bildung, 1240). 32 Squires, Nick: „Silvio Berlusconi's girls, gaffes and graft appeal to Italian voters“, in: http://www.telegraph.co.uk/comment/personal-view/5552751/Silvio-Berlusconis-girls-gaffes-and-graftappeal-to-Italian-voters.html (abgerufen am 15.05.2015)

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einen weiteren strukturellen Umstand der die Korruption in der Politik weiterbestehen lässt: „… dass sich die Korruption in der politischen Klasse so halten kann, ist die Tatsache, dass die politische Elite meist aus der Mittelschicht stammt. Diese gemeinsame Herkunft schafft eine gewisse Solidarität auch über Parteigrenzen hinweg.“33

4. Ausblick Wie wird sich die politische Kultur in Italien nun in der Zukunft voraussichtlich entwickeln? Dies hängt zu einem großen Teil davon ab, wie sich der Umfang der Kriminalität der Mafia entwickeln wird. Behindern diese doch mit der Finanzierung von Klientelismus und Korruption eine konstruktive Politik und führt weiterhin zu einer Politikverdrossenheit der Menschen.

4.1. Antimafia-Politik Mit der Einrichtung einer eigenen Behörde, speziell zur Mafiabekämpfung, der „Direzione Investigativa Antimafia (DIA)“ wurde 1991 bereits 1991 ein wichtiger Schritt zur Bündelung des Kräfte unternommen. Der nächste Schritt wäre es nun, die Zusammenarbeit auf der europäischen Eben der Polizeiarbeit zu intensivieren. Ebenso müsste das Strafgesetzbuch in anderen Mitgliedsländern der EU insofern geändert werden, dass bereits eine Mitgliedschaft in einer mafiösen Vereinigung unter Strafe gestellt werden kann. In Italien ist dies schon lange der Fall und die italienischen Polizeibehörden fordern, dass dies auch andere Ländern der EU durchsetzen. Insbesondere Deutschland steht hier in der Pflicht, da die BRD eines der Hauptinvestitionsländer der italienischen Mafia-Organisationen in Europa ist, aber die deutschen Ermittler bisher keine rechtliche Grundlage haben um agieren zu können.34 Nichtdestotrotz konnte durch die massive Anti-Mafia-Politik der italienischen Regierung seit 1992, bereits viele Anführer der Cosa Nostra festgenommen werden. Ebenso wurden zwischen 1992 und 2008 zwischen 3 Milliarden Euro und 500 Millionen Euro der `Ndrangheta liquidiert. Auch wenn die Spannbreite groß ist, so muss der Verlust für die `Ndrangheta riesig gewesen 33

Bellers, Jürgen (Hg.) (1989): Politische Korruption. Vergleichende Untersuchungen. Münster: Lit-Verl (Studien zur Politikwissenschaft : Abt. A, 3). 34

Höppner, Stephanie: „Mafia-Paradies in Deutschland?“, in: http://www.dw.de/mafia-paradies-indeutschland/a-17554573 (abgerufen am 15.05.2015)

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sein. Die Reaktion der Mafia bestand daraus, sich in möglichst legale, nicht aufsehenerregende Geschäfte, zurückzuziehen. Auch wenn die Mafia also durch diese Politik der letzten 20 Jahre geschwächt wurde, so sind sie natürlich noch immer aktiv. Der Süden, mit seiner extrem hohen Arbeitslosenquote und dem geringen Bruttoinlandsprodukt ist einer der wirtschaftlich schwächsten Regionen Europas. Für viele Jugendlichen und jungen Erwachsenen scheint die Mafia der einzige Ausweg zu sein sich ein kleines Auskommen zu verdienen. Zusätzlich verhindert die Involviertheit der Mafia ein freies Wirtschaftswachstum. Demensprechend muss auch die ökonomische Lage des Südens, für eine dauerhafte Verbesserung der Situation, verbessert werden. Dies kann z.B. gut durch Förderung lokaler Projekte und Initiativen auf der Mikrobene erreicht werden, bei denen die Finanzmittel direkt die Bedürftigen erreichen und nicht erst Umwege passieren müssen.35 Populistische ewegungen, wie die „Lega Nord“, sind dabei nicht hilfreich. Sie verstärken noch den Graben zwischen dem Norden und dem „Mezzogiorno“. Lassen sie doch ein Bewusstsein bei den Bewohnern des Südens entstehen, dass sie letztendlich „doch nicht dazu gehören.“ Eventuell fördert dies sogar eine Hinwendung zur Mafia und Lokalismus hin.

4.2 Wahlrechtsreform - Hoffnung für die Zukunft ? Kann auch die nun kürzlich beschlossene Wahlrechtsreform zu einer Veränderung der Situation beitragen? Das Wahlrecht der 1. Republik und die beiden sich entgegenstehenden Parteienblöcke begünstigten die Praktik des „Trasformiso“, also der Konsensfindung quer durch die politischen Lager zum Zwecke der Kontrollierbarkeit von radikalen Strömungen, wie der damaligen Kommunistischen Partei. Gleichzeitig verhinderte es echte Macht- oder Politikwechsel und einen Diskurs. Es führte zu einer Homogenisierung und Lähmung der politischen Aktivität und förderte Korruption und Klientelismus. Mit der kontinuierlichen Praxis des „Trasformismo“ stieg in den 70er Jahren auch die Politikverdrossenheit. Durch die Polarisierung zwischen den Parteien Anfang der 90er, wurde die Gesellschaft mehr denn je in zwei Gruppen gespalten. Die Konsensfunktion des „Trasformismo“ gab es aufgrund von Wahlrechtsreformen nicht mehr, die Regierungskoalitionen wurden unbeständiger, das Regieren schwieriger, da die Opposition größer wurde. Wie die Erfahrungen der vergangenen

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„patti territorial“, Förderung lokaler Initiativen

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Jahre zeigten, existierte die Korruption und der Klientelismus unter den Parteien und Abgeordneten weiterhin. Mit der nun am 4. Mai von Ministerpräsident Renzi, unter Mithilfe von Berlusconis „Forza Italia“, beschlossenen Wahlrechtsreform, wird es stabilere Mehrheiten geben. Es sieht vor, dass im Abgeordnetenhaus die Partei, die mindestens 40 Prozent der Stimmen bekommt, automatisch eine 55-Prozent-Mehrheit erhält. Ebenso soll die zweite Kammer, also der Senat, stark geschwächt werden. Dementsprechend könnte eine neue Regierung, mit ihrer absoluten Mehrheit in der ersten Kammer, selbständig einen Staatspräsidenten und die Richter des Verfassungsgerichts wählen. Dies würde das Land handlungsfähiger machen, etwas das die letzten 20 Jahre oft gefehlt hat. Trotzdem treten in Italien nicht einfach Sozialdemokraten gegen Christdemokraten an. Berlusconis Erfolge haben in der Vergangenheit gezeigt, welches Potential Italien momentan für Populisten bietet. Wäre dieses Gesetz in die Regierungszeit Berlusconis gefallen, hätte er während seiner Zeit als Ministerpräsident und mit dieser Machtfülle, Italien nach seinen Wünschen umbauen können. Das neue Wahlrecht kann für eine Regierung, die sich z.B. dem Problem der Mafia ernsthaft annehmen möchte und sich nicht von korrupten Annäherungsversuchen beeinflussen lässt, unglaublich hilfreich sein und eine effektive Bekämpfung der Mafia gewährleisten. Auch wenn Matteo Renzi mit seinen Reden über die „Zerschlagung der alten, korrupten Politikerkaste“ leichte Erinnerungen an Berlusconi wach werden lässt, was die populistische Note dieser Sätze angeht, so weckt dies doch Hoffnungen an eine Verbesserung der Lage in Italien. Denn Berlusconi war bzw. ist quasi selber ein Angehöriger dieser Gruppe und würde sich nur über Berufspolitiker auslassen, sich jedoch eher selbst preisen, wenn er als „Furbo“ irgendwie einen persönlichen Gewinn herausschlagen könnte. Im umgekehrten Falle beinhaltet das Wahlrecht jedoch auch viel Potential, eine dekonstruktive Politik zu führen, welche wieder in die alten Muster des Klientelismus zurückfällt. Um die Mafia also langfristig erfolgversprechend in Italien zu bekämpfen und damit längerfristig auch eine Verbesserung der politischen Kultur erlangen benötigt es mehrere Faktoren: 1. Internationale Zusammenarbeit im Kampf gegen die Mafia, 2. Eine verantwortungsvolle Regierung auf nationaler, als auch lokaler Ebene, 17

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3. Eine Verbesserung der wirtschaftlichen Lage im Süden, u.a. erreicht durch Mikroprojekte und bessere Bildung der Bevölkerung, 4. Ein Staat, welcher wieder aktiv vor Ort Präsenz zeigt und damit die Dependenz auf die Strukturen der Mafia verringert und sein Vertrauen zurückgewinnt. Einige dieser Punkte, wie die internationale Zusammenarbeit oder die Verbesserung der wirtschaftlichen Lage, verfolgt Italien bereits. Anderen Faktoren wie z.B. die Vorhersage, wie sich die Regierung zusammensetzen wird sind auf Dauer schwer vorherzusagen. Doch mit der Regierung Matteos Renzis scheint Italien auf einem guten Weg zu sein. Je länger ein Land auch einer konstruktiven Regierungsarbeit ausgesetzt ist, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie wieder eine populistische Regierung wählen sollte.

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