Denn wir wissen nicht wer wir sind

Denn wir wissen nicht wer wir sind Eine literaturwissenschaftliche und exegetische Untersuchung missionaler Identität und Mündigkeit bei Paulus. Leo...
Author: Erich Krause
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Denn wir wissen nicht wer wir sind

Eine literaturwissenschaftliche und exegetische Untersuchung missionaler Identität und Mündigkeit bei Paulus.

Leonardo Iantorno

Autor:

Leonardo Iantorno

Art:

Abschlussarbeit

Version:

-

Datum Erstellung:

August 2009

Seiten:

87 (inkl. Deckblatt)

Copyright:

IGW International

Adresse IGW IGW International Josefstrasse 206 CH - 8005 Zürich Tel. 0041 (0) 44 272 48 08 Fax. 0041 (0) 44 271 63 60 [email protected] www.igw.edu

Rechtliches Das Institut für Gemeindebau und Weltmission (IGW) ist urheberrechtliche Eigentümerin dieses Dokumentes. Der Inhalt dieses Dokumentes ist ausschliesslich für den privaten Gebrauch und die Verwendung im kirchlichen profitlosen Kontext bestimmt. Falls dieses Dokument für einen anderen (z.B. gewerblichen) Zweck benützt werden soll, benötigen Sie die vorherige, ausdrückliche und schriftliche Zustimmung von IGW und dem Autor.

Vorwort für Abschlussarbeiten

Vorwort Theologische Arbeit ist Dienst an der Gemeinde, sie ist Hirtendienst. Die enge Verknüpfung von theologischer Ausbildung und Gemeinde zeigt sich unter anderem in den Abschlussarbeiten der IGW-Absolventen. Jedes Jahr werden rund 40 solche Arbeiten geschrieben. Die intensive Beschäftigung mit einem Thema ist eine gewinnbringende Erfahrung, bei der die Studierenden durch überraschende Entdeckungen und neue Erkenntnisse ihren Horizont erweitern. Auch die Gemeinde soll und darf von diesem Ertrag profitieren. Die Schulleitung von IGW begrüsst darum die Veröffentlichung der vorliegenden Arbeit. IGW International ist mit weit über 300 Studierenden die grösste evangelikale Ausbildungsinstitution im deutschsprachigen Raum. Sie bietet verschiedene Studiengänge für ehrenamtlichen, teil- oder vollzeitlichen Dienst an. In der Schweiz und in Deutschland existieren Studienzentren in Zürich, Bern, Olten, Essen, Karlsruhe, Chemnitz und in Braunschweig. In Österreich unterstützt IGW den Aufbau der Akademie für Theologie und Gemeindebau AThG. Das IGWAngebot umfasst eine grosse Vielfalt an Ausbildungen und Weiterbildungen: vom Fernstudium (für ehrenamtliche und vollzeitliche Mitarbeiter und zur Vertiefung einzelner Themen) über das Bachelor-Programm (als Vorbereitung auf eine vollzeitliche Tätigkeit als Pastor) bis zum Master als Weiterbildung und für Quereinsteiger mit akademischer Vorbildung. Im Anschluss an das Masterprogramm steht den IGW-Absolventinnen und Absolventen die Möglichkeit zum Weiterstudium MTh und DTh (GBFE/UNISA) offen. Weitere Informationen finden Sie auf www.igw.edu. Seit Herbst 2008 macht IGW alle Abschlussarbeiten online zugänglich, welche die Beurteilung „gut“ oder „sehr gut“ erhalten haben. Die Arbeiten stehen kostenlos auf der Website zur Verfügung (http://www.igw.edu/downloads). Für die Schulleitung Dr. Fritz Peyer-Müller, Rektor IGW International; [email protected]

Leonardo Iantorno

Eine literaturwissenschaftliche und exegetische Untersuchung missionaler Identität und Mündigkeit bei Paulus

Denn wir wissen nicht, wer wir sind

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Denn wir wissen nicht, wer wir sind

Eine literaturwissenschaftliche und exegetische Untersuchung missionaler Identität und Mündigkeit bei Paulus von Leonardo Iantorno Master of Arts im Fachbereich praktische Theologie

IGW International, Zürich Fachmentor: lic. theol. Mathias Burri Studienleiter: Mathias Burri Design: Leonardo Iantorno Mario Schmidli

CH-8197 Rafz, August 2009

IGW Masterarbeit | Denn wir wissen nicht, wer wir sind

INHALTSVERZEICHNIS 1. Einleitung.................................................................................... 1 1.1 Einführung in das Thema ...................................................................................... 1 1.2 Forschungsfrage ...................................................................................................... 1 1.3 Forschungsmethodik ............................................................................................. 2 1.4 Zielpublikum ............................................................................................................. 2 1.5 Begriffsklärung.......................................................................................................... 3

2. Literaturanalyse zum Thema „Missionale Identität“ ............. 5 2.1 Begründung der Auswahl..................................................................................... 5 2.2 Missionaler Paradigmenwechsel........................................................................ 5 2.2.1 David Bosch: „An die Zukunft glauben“ ....................................5 2.2.2 David Bosch: „Transforming Mission“ ........................................7 2.2.3 Darrell Guder: „Missional Church“ ............................................11 2.2.4 Schlussfolgerungen: „Missionaler Paradigmenwechsel“ ....13 2.3 Missionale Identität – die Basis für einen missionalen Gemeindeaufbau ...................................................................................................14 2.3.1 Alan Hirsch: „The Forgotten Ways“...........................................15 2.3.2 Michael Frost: „Exiles” .................................................................20 2.3.3 Michael Frost & Alan Hirsch: „The Shaping of Things to Come” .............................................................................................26 2.3.4 Schlussfolgerungen: „Missionale Identität“............................33 2.4 Praktische Ansätze in der Postmoderne........................................................34 2.4.1 Tobias Faix & Thomas Weissenborn: „Zeitgeist“....................34 2.4.2 Shane Claiborne: „Ich muss verrückt sein, so zu leben“.......35 2.4.3 Rob Bell: „Jesus unplugged“ ......................................................36 2.4.4 Schussfolgerungen: „Praktische Ansätze“ ..............................38 Leonardo Iantorno

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2.5 Schlussfolgerungen aus der Literaturanalyse .............................................39

3. Exegese ausgewählter paulinischer Texte zum Thema „Mündigkeit“ ............................................................................41 3.1 Begründung der Auswahl...................................................................................41 3.2 Galater 4,1-11: Befreit zur Mündigkeit durch Christus .............................41 3.2.1 Einleitungsfragen und Kontextbestimmung..........................41 3.2.2 Aus der Unmündigkeit befreit durch Christus (Galater 4,1-5) ...............................................................................................42 3.2.3 Vom Sklaven zum Erben Gottes (Galater 4,6-7) .....................45 3.2.4 Mündigkeit neu entdecken (Galater 4,8-11)...........................46 3.2.5 Schlussfolgerungen aus Galater 4,1-11 ...................................49 3.3 Texte aus dem 1. Korintherbrief .......................................................................49 3.3.1 Einleitungsfragen und Kontextbestimmung..........................49 3.3.2 Unsere Fleischlichkeit macht uns zu Unmündigen in Christus (1. Korinther 3,1-4) .......................................................50 3.3.3 Mündigkeit als Grundlage für einen wachsenden Glauben (1. Korinther 13,11-13) ................................................53 3.3.4 Schlussfolgerungen aus 1. Korinther 3,1-4 und 13,11-13 ....55 3.4 Epheser 4,11-16: Christus beruft zur vollen Mündigkeit und Reife ............................................................................................................................55 3.4.1 Einleitungsfragen und Kontextbestimmung..........................55 3.4.2 Die volle Mündigkeit durch den fünffachen Dienst (Epheser 4,11-13) .........................................................................57 3.4.3 Geistliches Wachstum kommt aus einem mündigen Leben (Epheser 4,14-16) .............................................................61 3.4.4 Schlussfolgerungen aus Epheser 4,11-16 ...............................65 3.5 Schlussfolgerungen aus der exegetischen Arbeit ....................................65     Leonardo Iantorno

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4. Praktisch-Theologische Bewertung der Resultate und Thesen .......................................................................................68 4.1 Allgemeine Erkenntnisse aus der Literaturanalyse und der exegetischen Arbeit..............................................................................................68 4.2 Missionale Identität: Eine Definition ...............................................................69 4.3 Mündigkeit als Grundlage der missionalen Identität ...............................70 4.4 Schlussfolgerungen und Thesen......................................................................70 4.5 Schlussbemerkungen...........................................................................................72

5. Bibliographie ............................................................................74 5.1 Bibeln .........................................................................................................................74 5.2 Bücher ........................................................................................................................74 5.3 Kommentare............................................................................................................75 5.3.1 Kommentare zum Galaterbrief ..................................................75 5.3.2 Kommentare zum Epheserbrief ................................................75 5.3.3 Kommentare zum 1. Korintherbrief..........................................76 5.4 Lexika..........................................................................................................................77 5.5 Einleitungen zum NT & Umwelt und Zeitgeschichte des NT ................77 5.6 Internetbeiträge & Artikel ...................................................................................77    

 

 

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1. EINLEITUNG 1.1 Einführung in das Thema Das Thema dieser Arbeit hat mich in erster Linie persönlich in meinem  Dienst  als  Jugendarbeiter  in  einer  Gemeinde  betroffen  gemacht.  Im  Rahmen eines IGW Kurses las ich das Buch von Alan Hirsch „The Forgot‐ ten  Ways“  und  diese  Lektüre  hat  mich  und  mein  Bild  von  Kirche  und  Nachfolge  in  Frage  gestellt.  Wie  können  Jüngerschaft  und  Nachfolge  zu  ihrem Ursprung zurückkehren und wie kann die Kirche ihre missionale  Identität  wiederfinden?  Diese  Fragen  haben  mich  dazu  motiviert,  mich  gerade  mit  dieser  missionalen  Identität  auseinanderzusetzen  und  nach  ihrem Ursprung zu forschen.  In dieser Arbeit soll die missionale Identität, wie sie in der aktuellen Li‐ teratur  beschrieben  wird,  analysiert  und  definiert  werden.  Durch  die  Exegese  ausgewählter  Texte  aus  den  Briefen  des  Apostels  Paulus  soll  dabei  die  Bedeutung  der  Mündigkeit  für  die  missionale  Identität  in  ei‐ nem postmodernen Kontext erforscht werden.  Diese Arbeit soll einen Beitrag zur aktuellen Diskussion über die missi‐ onale Bewegung leisten. Ausserdem sollen die in dieser Arbeit erarbei‐ teten Thesen eine Grundlage und Denkanstösse für die Praxis der missi‐ onalen Kirche liefern. 

1.2 Forschungsfrage Ich möchte mit meiner Arbeit die Rolle bzw. den Stellenwert der persön‐ lichen Mündigkeit des Einzelnen für den missionalen Gemeindebau und  die  missionale  Identität  der  Kirche  erarbeiten.  Inwieweit  hat  die  Mün‐ digkeit des Einzelnen Einfluss auf die missionale Identität? Die zentrale  Forschungsfrage dieser Arbeit ist: „Welche Bedeutung hat die Mündig­ keit für die missionale Identität des Einzelnen und welche Folgen hat  diese für die Missionspraxis?“ Angesichts dieser Forschungsfrage müs‐ sen folgende Fragen mit berücksichtigt werden:  1. Welche Bedeutung wird der missionalen Identität in der aktuellen Lite­ ratur zugemessen? 

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2.  Inwiefern  ist  der  Mündigkeitsbegriff  bei  Paulus  die  Grundlage  für  die  missionale Identität? 

1.3 Forschungsmethodik Methodisch  werde ich  mich bei dieser Arbeit zuerst auf eine  Literatur‐ analyse  der  aktuellen  Literatur  zum  Thema  „Missionale  Identität“  und  „missional Church“ konzentrieren. Aus der Literaturanalyse ausgewähl‐ ter  Bücher  zur  missionalen  Praxis  und  Identität,  sowie  Bücher  über  praktische  Ansätze  eines  missionalen  Lebensstils  soll  die  Thematik  er‐ arbeitet und Erkenntnisse für die Definition und Gestalt der missionalen  Identität gewonnen werden.  Ein zweiter Teil der Arbeit ist die exegetische Erarbeitung ausgewählter  Paulustexte  aus  dem  Galaterbrief  (Gal  4,1‐11),  dem  Epheserbrief  (Eph  4,11‐16)  und  dem  ersten  Korintherbrief  (1Kor  3,1‐4  und  1Kor  13,11‐ 13). Für die Exegese habe ich die ausgewählten Texte auf die Bedeutung  der Mündigkeit bei Paulus hin untersucht. Anhand der Forschungsfrage  soll die Bedeutung der Mündigkeit für die missionale Identität erforscht  werden. In einem dritten Teil werde ich die Ergebnisse aus der Litera‐ turanalyse und der Exegese bewerten und in mehreren Thesen ausfor‐ mulieren. 

1.4 Zielpublikum Das Zielpublikum dieser Arbeit sind in erster Linie Leiter in verantwort‐ licher  Position  in  Kirche  und  christlichen  Organisationen.  Die  Frage  nach der missionalen Identität ist für die gesamte Kirche von entschei‐ dender Bedeutung und aus diesem Grund ist diese Arbeit nicht nur für  Theologen,  sondern  auch  für  Interessierte  geschrieben.  Besonders  für  Leiter,  Mentoren  und  Coaches  können  die  Ergebnisse  zur  missionalen  Identität  neue  Möglichkeiten  und  Chancen  für  ihren  Dienst  darstellen.  Diese Arbeit soll auf der einen Seite Ergebnisse für die Praxis in der Kir‐ che  bieten  und  auf  der  anderen  Seite  einen  Diskussionsbeitrag  inner‐ halb der missionalen Theologie bieten.     

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1.5 Beg riffskläru ng missional: Der Begriff missional kommt vom lateinischen „mittere“, das  mit „entsenden“ übersetzt wird und die Sendung als Bewegung betont:  „Im  christlichen  Sinne  meint  es,  die  Bewegung  von  Gott  zu  den  Men‐ schen, wie sie uns vor allem in der Inkarnation Christi begegnet.“ (Faix  2007:80).  Mission  ist  nicht  länger  nur  eine  Aktivität,  sondern  vielmehr  ein Lebensstil der Kirche (:80) und beschreibt damit vielmehr die Iden‐ tität der Kirche und ihrer Glieder: „missional ist ein Adjektiv, das dekla‐ riert,  unter  welcher  Zielrichtung  alle  Aktivitäten  der  Gemeinde  gesche‐ hen sollen.“ (:81). Die Vertreter der missional Church beschreiben „Mis‐ sion als Mission als Sendung in die Welt, wo Evangelisation und soziale  Aktion unauflöslich miteinander verbunden sind, sie sich unterscheiden  und  doch  untrennbar  miteinander  verknüpft  sind.“  (:82).  missional  be‐ schreibt gleichzeitig das Gesandt‐sein zu den Menschen hin und wie die‐ se Sendung einen neuen Lebensstil fördert. missional beschreibt als ein  neues Verständnis von Kirche: „Man geht nicht zur Kirche, sondern man  ist  Kirche,  unterwegs  auf  einer  gemeinsamen  Mission/Sendung.“  (:83).  missionales Leben fordert die Inkarnation des Evangeliums in die jewei‐ lige Kultur und eine Kirche als Bewegung und nicht mehr als Institution  (:84). Mission als Zentrum allen Handelns, ob als Einzelner oder als ge‐ samte Kirche.  Kirche  (griechisch:  ekklesia):  Der  Begriff  ekklesia  beschreibt  ur‐ sprünglich die Volksversammlung aller stimmberechtigten Bürger einer  Stadt (RGG 2004:17106).  Der  Begriff    entstammt  dem  Bereich  des  Politischen  und  bezeichnet  die  aus  den  stimmberechtigten  freien  Männern  bestehen‐ de  Volksversammlung  (Act  19,  39)  oder,  all‐ gemeiner,  die  öffentliche  Versammlung  (Act  19, 32.40). (EKL 2003:6157) 

Allerdings  spricht  man  nur  während  der  gemeinsamen  Sitzung  von  ek­ klesia  und  an  diesem  Ort  wird  der  Unterschied  zum  christlichen  Gebrauch von „ekklesia“ deutlich. Die Christen, die sich als ekklesia ver‐ sammelten, waren selbst Kirche, auch ausserhalb der gemeinsamen Zu‐ sammenkünfte.  Diese  Kirche  beschreibt  vielmehr  die  Gesamtheit  aller  Gläubigen und findet in der Ortsgemeinde bzw. Ortskirche ihre konkrete  Ausprägung (EKL 2003:3685). Soziologisch betrachtet, ist Kirche heute  Leonardo Iantorno

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ein Segment der Gesellschaft, die als Ziel die Vermittlung und die Verge‐ genwärtigung der Heilsbotschaft des Evangeliums hat (EKL 2003:6234‐ 6235). Die Kirche hat per se also den Auftrag und das Ziel als Zeuge für  Gottes Handeln und Wesen in ihrer Kultur zu leben. Die Kirche ist daher  in ihren Kontext und ihre Kultur von Gott ausgesandt. Mit der Bezeich‐ nung ekklesia erhob die Urgemeinde bewusst den Anspruch, das wahre  Gottesvolk (RGG 2004:17108) und durch ihn gesandt zu sein. Kirche ist  also  der  „Leib  Christi“  innerhalb  ihres  Kontextes  und  beschreibt  damit  eine  Lebensform,  für  die  sich  jeder  Christ  entschieden  hat  und  in  Ge‐ meinschaft auslebt.  Postmoderne: Die Postmoderne beschreibt die Epoche, die auf die Mo‐ derne  folgt.  Auf  verschiedenen  Ebenen  (Architektur,  Literatur,  Soziolo‐ gie, Philosophie, Theologie etc.) sind grundlegende Fragen und Ansätze  zur  Veränderung  am  modernen  Gedankengut  aufgetaucht  und  wurden  konkretisiert.  Die  Bez.  »p.«  wurde  1934  zunächst  im  hispa‐ noamerikan.  Sprachbereich,  u.zw.  in  der  Lite‐ raturkritik,  durch  Frederico  de  Oniz  (1885‐ 1966) benutzt, um eine Reaktion auf »die Ex‐ zesse  des  Modernismus«  (Moderne)  zu  be‐ zeichnen. (EKL 2003:10463) 

Den Vertretern der Moderne, die sich selbst als wahre Erben der Aufklä‐ rung sehen, stellen sich postmoderne Vertreter entgegen, die nicht mehr  Kontinuität  und  Kohärenz,  sondern  vielmehr  Diskontinuität  und  Frag‐ ment  als  Parameter  für  das  Denken  und  Handeln  betonen  (EKL  2003:10466).  Die  Postmoderne  ist  also  nicht  nur  als  weitere  Ausprä‐ gung der Moderne zu verstehen, sondern beschreibt ein gänzlich neues  Paradigma,  auch  wenn  diese  Frage  kontrovers  diskutiert  wird.  Nicht  mehr  der  Einheitsgedanke  steht  im  Mittelpunkt,  sondern  vielmehr  die  Suche nach Individualität in einer pluralistischen Gesellschaft. 

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2. LITERATURANALYSE ZUM THEMA „MISSIONALE IDENTITÄT“ 2.1 Begründung der Auswahl Der erste Forschungsteil dieser Arbeit untersucht das Thema „missiona‐ le  Identität“  anhand  verschiedener  Literatur  und  gibt  einen  Überblick  wie  die  missionale  Identität  innerhalb  der  aktuellen  Literatur  verstan‐ den  wird.  Im  ersten  Teil  lege  ich  anhand  missiologischer  Literatur  von  David  Bosch  und  Darrell  Guder  die  Grundlagen  für  einen  missionalen  Paradigmenwechsel.  Es  geht  in  erster  Linie  darum,  den  Paradigmen‐ wechsel auf ekklesiologischer sowie missiologischer Ebene zu erkennen  und zu verstehen.   In einem zweiten Teil soll dann die missionale Identität als Basis für die  missionale Kirche beschrieben bzw. analysiert werden. Alan Hirsch und  Michael Frost gehen in ihren Werken auf die konkreten Veränderungen  eines  missionalen  Lebensstils  ein.  Ausserdem  zeigen  sie  theologische  und praktische Ergebnisse für missionales Leben auf. Die Frage nach der  Bedeutung der missionalen Identität in einer post‐christlichen Zeit steht  im Zentrum dieses Forschungsteils.   Schliesslich führe ich in einem dritten Teil verschiedene Praxisbeispiele  der Gegenwart auf, die einen Einblick in die Möglichkeiten eines missio‐ nalen Lebensstils aufzeigen. Aus dieser Literaturanalyse heraus werden  erste  Thesen  und  Schlussfolgerungen  für  die  Forschungsfrage  gezogen.  Ziel dieser Literaturanalyse ist es, ein Grundverständnis über die missi‐ onale Identität in der Postmoderne zu vermitteln. Die konsultierte Lite‐ ratur wurde gezielt auf dieses Ziel hin untersucht und analysiert. 

2.2 Missionaler Paradigmenwechsel 2.2.1 David Bosch: „An die Zukunft glauben“ In seinem Aufsatz „An die Zukunft glauben“ gibt David Bosch einen Ein‐ blick  in  die  geschichtliche  Entwicklung  der  Kircheund  betont  die  Not‐ wendigkeit eines Paradigmenwechsel in einer postmodernen Kultur. In  Anlehnung  an Hans Küng bezeichnet Bosch die Postmoderne als „post‐ Leonardo Iantorno

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eurozentrische,  postkoloniale,  postimperiale,  postsozialistische,  postin‐ dustrielle, postpatriarchalische, postideologische und postkonfessionel‐ le  Welt“  (1995:11).  Diese  gesellschaftlichen  Entwicklungen  verlangen  von der Kirche eine Antwort, die wiederum eine grundlegende Verände‐ rung der Kirche voraussetzt.  2.2.1.1 Die Aufklärung und der Glaube in der Postmoderne  Die  Hauptüberzeugungen  der  Aufklärung,  wie  Bosch  sie  aufzeigt,  beto‐ nen die zentrale Rolle des Menschen und der menschlichen Vernunft für  alle  auf  die  Aufklärung  folgenden  Epochen.  Er  erkennt  in  der  Moderne  die „logische Vollendung einer Denkweise, deren Wurzeln weit bis in die  griechische Antike zurückreichen, von wo sie in das christliche Denken  eingedrungen ist“ (:14). Die Aufklärung und ihre Auswirkungen bis heu‐ te dürfen dabei nicht allein negativ beurteilt werden, gerade weil die Vä‐ ter der Aufklärung Christen waren und in ihrem Tun einen Dienst sahen.  In  ihrer  Reaktion  auf  das  Gedankengut  der  Aufklärung  formulierte  die  katholische  Kirche,  so  Richard  Niebuhr,  das  Modell  des  „Christus  über  der  Kultur“  (:20).  Im  Protestantismus  wurde  hingegen  die  „Unverein‐ barkeit von Kirche und Welt“ (:21f) betont. Die Gesellschaft hat sich für  Ideologien  neu  geöffnet,  die  zu  neuen  Religionen  heranwuchsen.  Das  Grundproblem  der  Postmoderne  erkennt  Bosch  im  Wunsch  des  Men‐ schen nach totaler Autonomie, die im Gegensatz zum Streben nach Sinn  steht: „Einerseits wird die Autonomie der Vernunft abgelehnt; anderer‐ seits wird dies allein mit Mitteln der Vernunft getan.“ (:26).  2.2.1.2 Missionstheologie im postmodernen Westen  Nach diesem kurzen Eindruck über die Entwicklung der postmodernen  Kultur beschreibt Bosch seinen Weg  zu einer Missionstheologie für die  Postmoderne. In diesem Zusammenhang zeigt er auf, wie im Osten und  in  der  Dritten  Welt  die  Missiologie  gleichsam  zur  Theologie  geworden  ist  (:27).  Demgegenüber  lebte  die  Kirche  in  Symbiose  mit  der  Gesell‐ schaft.  Anhand  dieser  Entwicklung  verdeutlicht  Bosch,  wie  Theologie  auch  im  Westen  aus  der  Mission  heraus  erwachsen  muss:  „Denn  die  Theologie, wenn sie recht verstanden wird, hat keine andere Daseinsbe‐ rechtigung ausser der, dass sie die missio Dei kritisch begleitet.“ (:31). In  den  Theologien  der  Dritten  Welt  sieht  Bosch  den  Schlüssel,  um  eine  neue missionarische Theologie für den Westen zu entwickeln (:33). Eine  Leonardo Iantorno

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Veränderung  in  der  Haltung  gegenüber  der  Religion  lässt  sich  aber  schon  heute  beobachten:  „Heutzutage  wird  die  Religion  wieder  positiv  bewertet.  Die sogenannte religionslose Welt scheint zutiefst religiös zu  sein.“  (:37).  Gleichzeitig  erweist  sich  der  Glaube  an  den  Gott  der  Bibel  und seinen Sohn Jesus Christus als schwierig, da er nicht in Ordnung der  Postmoderne  passt  (:39).  Für  die  Kirche  muss  es  daher  darum  gehen,  eine  Begegnung  mit  dem  Christus  für  die  Menschen  heute  möglich  zu  machen.  Das  ist  auch  die  Aufgabe  des  Missionars  in  der  postmodernen  Gesellschaft, will er wirklich Missionar sein. In der postmodernen Kultur  hat  die  Kirche  die  Aufgabe,  den  Menschen  ein  neues  Verständnis  für  Weltanschauungen  und  Ideologien  zu  geben.  Es  geht  nicht  darum,  den  Glauben  zu  widerlegen  oder  zu  begründen,  sondern  darum  die  Men‐ schen  in  die  Nachfolge  zu  rufen,  die  sowohl  persönlich,  als  auch  in  der  Gemeinschaft erlebbar ist: „Der Glaube bleibt somit meine Vision, unsere  Vision. Doch wenn er mich zu verbindlicher Hingabe ruft, warum sollte  er das nicht auch im Blick auf andere tun?“ (1995:43). 

2.2.2 David Bosch: „Transforming Mission“ Wie  hat  sich  Mission  in  den  vergangenen  2000  Jahren  entwickelt  und  welche  weiteren  Veränderungen  stehen  uns  heute  für  die  Mission  be‐ vor? Diese Fragen stellt David Bosch in seinem Werk Transforming Mis­ sion:  „Here,  mission  is  not  the  enterprise  that  transforms  reality,  but  something that is itself being transformed.“ (1991:xv). Die Mission Got‐ tes  hat  sich  über  die  Jahrhunderte  verändert  und  auch  in  der  postmo‐ dernen  Kultur  braucht  es  eine  Veränderung  des  geltenden  Missionspa‐ radigmas.  2.2.2.1 Mission im Neuen Testament  Der  Autor  beginnt  seine  Ausführungen  mit  dem  Blick  auf  Mission  im  Neuen Testament. „Dynamic change is to be expected since God is a dy‐ namic being. […] As the God of history God is, secondly, also the God of  promise.“  (:17).  Gerade  weil  Mission  Gottes  Auftrag  für  die  Menschen  ist,  so  liegt  der  Grund  für  die  Mission  der  Kirche  im  Vorbild  von  Jesus  Christus: „In the ministry of Jesus, God is inauguration his eschatological  reign  and  he  is  doing  it  among  the  poor,  the  lowly,  and  the  despised.“  (:27).  Durch  Jesus  hat  etwas  völlig  Neues  begonnen  und  Bosch  betont  dabei,  wie  diese  neue  Zukunft  in  unsere  Gegenwart  hereinbricht  (:32).  Leonardo Iantorno

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Mit  Jesus  als  Vorbild  muss  Mission  in  einem  ganzheitlichen  Licht  gese‐ hen  werden.  Es  geht  darum,  die  Gesellschaft  zu  verändern  durch  die  Kraft  des  Evangeliums.  Obwohl  Jesus  selbst  unter  dem  mosaischen  Ge‐ setz lebte und es achtete, stellte er es nicht über die Menschen, für die er  kam (:36). Der Ruf in die Nachfolge war in erster Linie ein Ruf in Gottes  Reich  und  damit  in  seine  Gnade  (:37).  Bosch  beschreibt  dabei,  wie  das  Reich  Gottes  kein  Programm  ist,  sondern  eine  neue  Realität:  „The  first  Christians  respond  to  this  reality,  which  has  overpowered  the  in  the  Easter  experience,  by  mission.  They  feel  themselves  challenged  to  de‐ clare  the  praises  of  God  who  has  called  them  out  of  darkness  into  his  wonderful  light.“  (:40).  In  ihrer  Art  Mission  zu  leben,  waren  die  ersten  Christen sich der eigenen Identität bewusst und versuchten diese Hoff‐ nung auf das Kommen Gottes hin zu leben (:49). Jesus hatte weder das  Ziel eine neue Religion zu gründen, noch war es das Ziel der Kirche, eine  Institution zu werden. Die Kirche entwickelte sich jedoch zu einer stati‐ schen Institution, die ihre Dynamik verlor und der es je länger je mehr  nicht gelang die Juden zu erreichen (:50‐51).  Im  Leben  von Paulus lassen sich drei zentrale Merkmale  erkennen, die  für  seine  Mission  entscheidend  sind  (:133‐170):  (1)  „A  Sense  of  Con‐ cern“,  (2)  „A  Sense  of  Responsability“  und  (3)  „A  Sense  of  Gratitude“.  Dabei betont Bosch die Bedeutung der Kirche für ihre Umwelt und wie  Kirche und Umwelt in einer Art Solidarität miteinander leben (:153). Die  Kirche als „ekklesia“ ist dabei die Versammlung freier Bürger, die Jesus  Christus  nachfolgen:  „In  Paul’s  understanding,  the  church  is  ‘the  world  in obedience to God’, the ‘redeemed … creation’. Its primary mission in  the world is to be this new creation.“ (:168).  2.2.2.2 Mission im Wandel  Die wichtigste Veränderung für das postmoderne Missionsparadigma ist  nach Bosch das Erkennen, wie Gott ein sich offenbarender Gott ist, der  in die Realität der Menschen eingreifen will:  God  communicates  his  revelation  to  people  through  human  beings  and  through  events,  not by means of abstract propositions. This is  another  way  of  saying  that  the  biblical  faith,  both  Old  and  New  Testament,  is  ‘incarna‐ tional’, the reality of God entering into human  affairs. (:181) 

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Hier  beschreibt  Bosch  kein  „neues“  Paradigma,  sondern  vielmehr  das  Grundverständnis  für  Mission,  wie  es  in  der  biblischen  Heilsgeschichte  vorgestellt  wird.  Die  Kirche  in  der  Postmoderne  muss  sich  wieder  neu  der eigenen Wurzeln in Jesus Christus bewusst werden: „Like the Israel‐ ites of old […] we too need to be reminded of our roots, not only in order  that we might find direction.“ (:189). Für die Kirche ist diese Zeit des Pa‐ radigmenwechsels  eine  Zeit  der  Unsicherheiten:  „A  time  of  paradigm  shift is a time of deep uncertainty.“ (:349) und dennoch sollte die Kirche  relevante Antworten auf die Fragen der Menschen haben.  All  around  just  people  are  looking  for  new  meaning in life. This is the moment where the  Christian  church  and  the  Christian  mission  may  once  again,  humbly  yet  resolutely,  pre‐ sent  the  vision  of  the  reign  of  God—not  as  a  pie in the sky, but as an eschatological reality  which casts its rays, however opaque, into the  dismal  present,  illuminates  it,  and  confers  meaning on it. (:361‐362) 

Die  Menschheit  sucht  auch  in  der  Postmoderne  nach  dem  Sinn  des  Le‐ bens.  Genau  hier  sollten  die  Kirche  und  die  christliche  Mission  einen  neuen,  postmodernen  Weg  finden,  die  Botschaft  vom  Reich  Gottes  zu  verkünden. Die Kirche befindet sich also auf der Suche nach einer neuen  Identität  für  die  christliche  Mission  und  muss  sowohl  ihre  Geschichte,  als  auch  die  aktuellen  gesellschaftlichen  und  weltpolitischen  Entwick‐ lungen ernst nehmen. Die postmoderne Gesellschaft verändert sich im‐ mer weiter und um relevant zu sein, braucht es auch innerhalb der Kir‐ che  Erneuerung.  Wie  reagiert  die  Kirche  auf  diese  nachhaltigen  Verän‐ derungen? Um eine bedeutende Rolle für die Gesellschaft und damit für  die  Menschen  zurückzugewinnen,  braucht  es  neue,  kreative  Wege,  Kir‐ che zu bauen (:363).  2.2.2.3 Ein neues, ökumenisches Paradigma  Mission  und  Kirche  dürfen  sich  in  einem  postmodernen  Missionspara‐ digma  weder  gegeneinander  ausgespielt,  noch  einander  untergeordnet  werden. Vielmehr muss die Kirche ihre Identität als die „Gesandte“, statt  die „Sendende“ annehmen und folglich danach leben (:370). Die Kirche  ist  missionarisch  aktiv,  weil  sie  Mission  lebt.  Als  Gemeinschaft  Gottes  lebt sie den Unterschied in der Gesellschaft und bietet nicht einfach eine  Alternativgesellschaft  an.  Die  Kirche  ist  herausgerufen  zu  den  Men‐ Leonardo Iantorno

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schen,  die  auch  heute  in  einer  Art  Dispora‐Situation  leben  (:372f).  Es  gibt  keine  Unterscheidung  mehr  zwischen  Kirche  und  Welt.  Die  Kirche  lebt selbst in der Welt und wird daher nicht mehr strikt getrennt (:383).  Gott begegnet den Menschen in der Natur, in der Welt und deshalb sollte  die  Kirche  nicht  länger  als  von  der  Welt  abgetrennt  gesehen  werden.  Gott offenbart sich in der Welt den Menschen (auch denen, die ihn nicht  kennen). Deshalb muss sich die Kirche wandeln von einer selbstbezoge‐ nen, zu einer wachen Kirche, die alles für die Rettung der Menschen in  ihrem  Lebensfeld  tut  (:384).  Der  Ansatzpunkt  einer  relevanten  und  ökumenischen Missiologie ist die missio Dei, denn die Kirche findet ihren  Ursprung in der Mission. Erst war der Missionsgedanke und aus diesem  Gedanken  heraus  entstand  die  Kirche  (:390).  Die  missio  Dei  beschreibt  Gottes Wesen und wie Mission Gottes Natur beschreibt: „Mission is the  church sent into the world, to love, to serve, to preach, to teach, to heal,  to liberate.” (:412). Die Kirche darf also nicht nur Verantwortung für die  religiösen und moralischen Fragen, sondern auch für politische und ge‐ sellschaftliche Fragen übernehmen und Alternativen anbieten können.  Um  die  eben  von  Bosch  beschriebene  Rolle  wahrnehmen  zu  können,  braucht es jedoch das Bewusstsein bzw. die Bereitschaft, dem Evangeli‐ um  eine  sichtbare  Gestalt  innerhalb  der  postmodernen  Gesellschaft  zu  geben.  Mission  als  Kontextualisierung  zeigt,  wie  Gott  sich  der  Welt  zu‐ wendet  und  beinhaltet  verschiedene  lokale  Theologien.  Es  braucht  ein  Gleichgewicht  zwischen  Relativismus  und  erzwungener  Kontextualisie‐ rung. Dabei muss die Kirche die Zeichen der Zeit zu erkennen und ernst  zu nehmen. Kontextualisierung ist jedoch nicht der alles entscheidende  Faktor und es geht nicht nur um den Bezug von Praxis und Theorie zu‐ einander, denn diese Spannung zwischen Theorie und Praxis kann und  darf nicht aufgelöst werden (:425‐432). Die Kirche befindet sich auch in  unseren  westlichen,  postmodernen  Kulturen  in  einer  Diaspora‐ ähnlichen Situation (:465). Dabei ist sie nicht in erster Linie Institution,  sondern vielmehr in ihren Mitgliedern lebendig und braucht dafür eine  neue, organische Ekklesiologie (:474). Die Frage welchen Platz die Mis‐ siologie  innerhalb  der  Theologie  einnimmt,  beantwortet  Bosch  damit,  dass  jede  theologische  Disziplin  sich  ihrer  missiologischen  Verantwor‐ tung bewusst werden muss (:489‐498). Das Ziel der Kirche liegt in der  Transformation  ihrer  Umwelt  durch  Mission:  „Transforming  mission 

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means  both  that  mission  is  to  be  understood  as  an  activity  that  trans‐ forms  reality  and  that  there  is  a  constant  need  for  mission  itself  to  be  transformed.“ (:511). Durch Mission, die ihren Ursprung in Gottes Mis‐ sion, der missio Dei hat, wird die Kirche gereinigt und kann Erneuerung  erfahren (:519). 

2.2.3 Darrell Guder: „Missional Church“ 2.2.3.1 Die Kirche in ihrem neuen Kontext  Die Kirche ist Gottes auserwählte und herausgerufene Volk für die Men‐ schen und die Kultur, in der sie lebt. Mit dieser Grunderkenntnis beginnt  Darrell  Guder  seine  Ausführungen  und  beschreibt  sie  als  missional:  „With the term missional we emphasize the essential nature and vocati‐ on of the church as God’s called and sent people.“ (1998:11). Eine solche  missionale  Ekklesiologie  muss  deshalb  biblisch,  historisch,  kontextuell,  eschatologisch und praktisch sein (:11). In einer Zeit, in der es nur noch  relative  Wahrheiten  zu  geben  scheint,  liegt  es  an  der  Kirche,  dass  sie  Gottes  Wahrheit  den  Menschen  zugänglich  macht  (:40).  Die  Kirche  ist  nicht  mehr  allein  für  spirituelle  Fragen  zuständig,  sondern  muss  ihre  Verantwortung  für  das  alltägliche  Leben,  ihre  Kultur  und  die  nationale  Identität übernehmen (:44f). Besonders in einer  Zeit, in der  viele  Men‐ schen  durch  die  individualistischen  Strukturen  in  Einsamkeit  gezwun‐ gen  werden,  muss  die  Kirche  eine  Alternative  bieten  können.  Aus  eth‐ nisch geprägten Einzelgemeinden wurden zuerst zielgerichtete Gemein‐ den,  bis  sich  sowohl  die  Denominationen  als  auch  die  einzelnen  Ge‐ meinden  immer  mehr  zu  Institutionen  und  später  zu  Organisationen  entwickelt haben. Schliesslich haben sich mehr und mehr „Lifestyle Ge‐ meinden“ herausgebildet, die ein bestimmtes Bevölkerungssegment an‐ sprechen wollen (:62‐66). Guder zeigt auf, wie übergemeindliche Struk‐ turen  der  missionalen  Kirche  helfen:  „Paralocal  structures  find  prece‐ dents for their existence in the local and mobile expression of ministry  in  the  New  Testament.“  (:75).  Solche  Strukturen  dienen  dabei  dem  Wachstum  der  Kirche  und  eine  missionale  Ekklesiologie  muss  sich  so‐ wohl  mit  den  kirchlichen,  als  auch  den  ausserkirchlichen  Strukturen  auseinandersetzen. 

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2.2.3.2 Der Auftrag der Kirche  Während sich die Gesellschaft im Umbruch befindet, steckt die Kirche in  ihrer  eigenen  Krise:  „But  the  churches  face  a  crisis  of  their  own.  […]  there is a need for reinventing or rediscovering the church in this new  kind of world.“ (:77). Die Menschen sehen in der Kirche einen Ort, eine  Institution und nicht mehr eine Identität: „Popular grammar captures it  well: ‘go to church’ much the same way you might go to a store. You ‘at‐ tend’ a church, the way you attend a school or theater. You ‘belong to a  church’  as  you  would  a  service  club  with  its  programs  and  activities.“  (:80). Allzu oft werden die Verben „bauen“ und „erweitern“ für den Ge‐ meindebau gebraucht, obwohl sie im Neuen Testament nie Verwendung  finden:  „The  New  Testament  employes  the  words  receive  and  enter.“  (:94).  Die  Kirche  ist  in  ihre  Kultur  gesandt  und  deshalb  missional.  Sie  erhält das Reich Gottes als Geschenk von Gott und sollte den Menschen  helfen  das  Reich  Gottes  selbst  zu  finden.  Dabei  muss  die  Kirche  bereit  sein,  aus  ihrem  gewohnten  Rahmen  heraustreten  (:109).  Guder  be‐ schreibt eine der Hauptaufgaben der Kirche, das Evangelium für die Kul‐ tur, in der sie lebt, zu übersetzen.  One  of  the  tasks  of  the  church  is  to  translate  the gospel so that the surrounding culture can  understand  it,  yet  help  those  believers  who  have  been  in  that  culture  move  toward living  according  to  the  behaviors  and  communal  identity  of  God’s  missional  people—in  the  language  of  the  New  Testament,  God’s  ethnos  (see 1 Pet. 2:9). 

Will die Kirche die Botschaft vom Reich Gottes in die Kultur tragen, dann  muss  sie  ihren  geschützten  Rahmen  verlassen  und  als  „missionale  Kir‐ che“ öffentlich aktiv werden: „The missional church will be in the world  with good news.“ (:137).  2.2.3.3 Gemeinschaft und Leiterschaft in der missionalen Kirche  Der  Ursprung  und  die  Mission  der  Kirche  kommt,  laut  Guder,  aus  der  Berufung  durch  den  Heiligen  Geist:  „The  church  owes  its  origin,  its  destiny,  its  structure,  its  ongoing  life,  its  ministry—in  short,  its  missi‐ on—to  the  divine  Spirit  of  life,  truth,  and  holiness.“  (:145).  Aus  dieser  Berufung  heraus  hat  die  Kirche  die  Rolle  der  Hoffnung  für  die  Gesell‐ schaft. Sie lebt der Gesellschaft eine neue Identität und eine neue Vision  vor,  die  in  Jesus  Christus  Realität  geworden  ist  (:153).  Dabei  muss  die  Leonardo Iantorno

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Kirche in Bewegung bleiben:„The church is given not a static, once‐and‐ for‐all  legal  code  but  a  dynamic  procedure  of  reconciling  dialogue.“  (:168). Eine geistgeführte Leiterschaft innerhalb der Kirche spielt dabei  die  entscheidende  Rolle  für  die  missionale  Entwicklung  der  Kirche  (:187). Guder beschreibt, wie die Leiterschaft der Kirche als Institution  innerhalb der Gesellschaft ihre Dynamik verloren hat und deshalb eine  neue Sprache entwickeln muss, um ihre Bestimmung und ihren Auftrag  wahrnehmen  kann:  „To  summarize,  missional  leadership  will  require  skills  in  evoking  a  language  about  the  church  that  reshapes  its  un‐ derstanding of its purpose and practices.“ (:214).  „To put it another way, the structures of the church are to incarnate its  message in its setting.“ (:227). Die Kirche ist dann Leib Christi, wenn sie  ihre Botschaft für die Menschen in der Gesellschaft lebt und wie Guder  es  nennt,  inkarnieren  kann.  Zwei  zentrale  Themen  für  die  missionale  Kirche  sind  dabei  die  Botschaft  vom  Reich  Gottes  und  eine  missionale  Eschatologie.  Die  Kirche  als  Organisation  ist  jedoch  immer  komplexer  strukturiert  und  legt  ihren  Schwerpunkt,  ähnlich  einem  Unternehmen,  auf  Erfolg,  Statistiken  und  Öffentlichkeitsarbeit.  In  dieser  Situation,  in  der sich die Kirche befindet, braucht es eine Erneuerung der missiona‐ len  Identität  und  Berufung  der  Kirche  (:253).  Diese  Erneuerung  haben  insbesondere  die  Grosskirchen  im  nordamerikanischen  Kontext  nicht  angetreten und damit eine eigene Subkultur entwickelt:  National  churches,  state  churches,  people’s  churches  (Volkskirchen),  and  connectional  churches  in  Western  Christendom  have  fre‐ quently  been  insensitive  to,  if  not  repressive  of,  the  cultural  diversity  within  political  boundaries. (:263) 

Die Kirche muss zu ihrer eigentlichen Identität zurückfinden, die sie je‐ doch allein an ihrem Ursprung, Jesus Christus, wiederfinden kann. Somit  braucht es eine konstante Erneuerung der Kirche, damit sie ihrer Aufga‐ be, Zeuge für Jesus Christus in der Gesellschaft zu sein, gerecht werden  kann (:267). 

2.2.4 Schlussfolgerungen: „Missionaler Paradigmenwechsel“ Da sich die Gesellschaft in der Postmoderne entscheidend verändert hat,  ist  ein  Paradigmenwechsel  innerhalb  der  Kirche  notwendig  geworden  Leonardo Iantorno

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(Bosch 1995:11). Es geht in erster Linie nicht um neue Strukturen, For‐ men  und  Methoden,  sondern  um  die  Identität  der  Kirche,  die  erneuert  bzw. neu entdeckt werden muss. Die Kirche ist in den vergangenen 1700  Jahren  immer  mehr  zu  einer  durchstrukturierten  Institution  geworden  und  hat  dabei  jedoch  die  Dynamik  einer  lebendigen  Bewegung  einge‐ büsst  (1995:50‐51).  Hier  liegt  der  entscheidende  Punkt:  Die  Kirche  ist  für die Menschen lediglich eine Institution, die nichts mehr mit der Iden‐ tität  der  Menschen  zu  tun  hat.  Menschen  in  die  persönliche  Nachfolge  Jesu zu rufen, ist die zentrale Aufgabe der Kirche und um diese Aufgabe  in der postmodernen Gesellschaft erfüllen zu können, ist eine Verände‐ rung des Missionsparadigmas nötig. Diese Veränderung wird erst durch  die Kraft des Evangeliums möglich. Um die Gesellschaft mit dem Evange‐ lium zu verändern, liegt es an der Kirche, das Evangelium in die Kultur  der Postmoderne zu übersetzen und zu kontextualisieren. Die Grundla‐ ge  für  einen  solchen  Paradigmenwechsel  ist  die  Suche  der  Kirche  nach  ihrer Identität, nach ihren Wurzeln, die sie in Jesus Christus hat (Guder  1998:267). Diese Suche nach der Identität muss innerhalb des postmo‐ dernen Kontextes geschehen, da die Kirche innerhalb der postmodernen  Kultur existiert. Die Kirche ist die Gesandte Gottes in die Welt und trägt  damit  eine  Verantwortung  für  die  Menschen  und  deren  Fragen  und  Probleme (Bosch 1991:370). Die missio Dei ist dabei die Motivation und  das  Fundament  für  die  Kirche  innerhalb  der  sie  umgebenden  Kultur.  Diese  missio  Dei  beschreibt  das  Wesen  Gottes,  die  Menschen  mit  dem  Evangelium zu erreichen und die Kirche findet ihre Identität deshalb in  ihrer  Sendung  in  die  Welt  zu  den  Menschen  (Bosch  1991:412;  Guder  1998:44f).  Wie  kann  die  Kirche  diese  missionale  Identität  neu  entde‐ cken,  wenn  nicht  durch  ihre  Glieder,  die  diese  selbst  persönlich  entde‐ cken. 

2.3 Missionale Identität – die Basis für einen missionalen Gemeindeaufbau In der aktuellen Literatur zu den Themen „missional Church“, „Emerging  Church“ oder generell zum Thema „Gemeindebau“ taucht immer wieder  der  Begriff  „missional“  auf  und  sorgt  bei  vielen  für  Achselzucken  und  Unverständnis.  Es  geht  dabei  nicht  um  ein  neues  Gemeindebaumodell,  dem es nachzueifern gilt, sondern vielmehr um die Basis für einen ganz‐

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heitlichen Paradigmenwechsel für die Kirche innerhalb der postmoder‐ nen  Lebenskultur.  Besonders  Alan  Hirsch  und  Michael  Frost  haben  in  ihren Werken den Begriff der „missional DNA“ geprägt und als Grundla‐ ge für diesen Paradigmenwechsel definiert. In diesem Abschnitt meiner  Arbeit soll nun der Fokus auf ebendiese missionale Identität gelegt wer‐ den.  Dabei  werden  in  erster  Linie  die  Bücher  von  Alan  Hirsch  und  Mi‐ chael Frost aufgegriffen, diskutiert und Ergebnisse zusammengetragen. 

2.3.1 Alan Hirsch: „The Forgotten Ways“ Schon zu Beginn seiner Arbeit zeigt Hirsch auf, dass er in den modernen  Prinzipien des christlichen Lebens keine Zukunft für eine postmoderne  Kultur  sieht.  Während  sich  innerhalb  der  Gesellschaft  deutliche  Verän‐ derungen  abzeichnen  und  die  kulturellen  Entwicklungen  von  der  Mo‐ derne  zur  Postmoderne  immer  deutlicher  werden,  bleibt  die  Kirche  in  ihrer Lethargie und versucht weiterhin auf diese Strömungen mit neuen  Angeboten und zeitgemässen Methoden zu reagieren. Gerade hier muss  jedoch die Frage nach der Nachhaltigkeit solcher Angebote und Metho‐ den  gestellt  werden,  denn  eine  Kirche,  die  weitestgehend  auf  sozio‐ kulturelle Entwicklungen und Strömungen reagiert, kann den Platz, den  ihr Begründer Jesus Christus ihr zugemessen hat, nicht einnehmen und  wird daher scheitern.  The  tools  and  techniques  that  fitted  previous  eras  of  Western  history  simply  don’t  seem  to  work any longer. What we need now is a new  set of tools. A new ‘paradigm’—anew vision of  reality: a fundamental change in our thoughts,  perceptions, and values, especially as they re‐ late  to  our  view  of  the  church  and  mission.  (Hirsch 2006:17) 

Um ihren Auftrag in einer postmodernen Gesellschaft wieder wahrneh‐ men  zu  können,  muss  sich  die  Kirche  also  einem  ganzheitlichen  Para‐ digmenwechsel  stellen.  Dieser  Paradigmenwechsel  kann  jedoch  nicht  bei  den  kirchlichen  Strukturen  und  Methoden  ansetzen,  sondern  be‐ ginnt  beim  Einzelnen.  Hirsch  beschreibt  eine  solche  Veränderung  als  „solution that goes to the very roots of what it means to be Jesus’s peo‐ ple”  (:17).  Diese  Lösung  kann  nur  persönlicher  Natur  sein,  denn  wenn  die Kirche ihren Auftrag heute nicht mehr mit Methoden und Strukturen  erfüllen kann, braucht es neue Denkweisen, die vor der Frage nach der  Methodik  entscheidenden  Einfluss  nehmen  können.  Alan  Hirsch  be‐ Leonardo Iantorno

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schreibt  diesen  persönlichen  Paradigmenwechsel  als  den  Wechsel  zu  einer „missional DNA“ oder auf deutsch zur „missionalen Identität“. Die‐ se Identität erwächst aus der Kraft und Stärke, die wir in so vielen ver‐ schiedenen  Bewegungen  im  Laufe  der  Kirchengeschichte  erkennen  können:  „Apostolic  Genius  is  the  phrase  I  developed  to  try  to  conceive  and articulate that unique energy and force that imbues phenomenal Je‐ sus movements in history.“ (:274). Das hier erwähnte „Apostolische Ge‐ nius“  beschreibt  in  erster  Linie  die  Kraft,  die  wir  beispielsweise  in  der  ersten Christengemeinde in der Apostelgeschichte erkennen können. Im  Zentrum  steht  dabei  Christus  selbst.  Er  ist  der  Herr,  Begründer  und  Haupt seiner Gemeinde. In der folgenden Grafik werden die verschiede‐ nen Elemente des „Apostolischen Genius“ veranschaulicht.  Disciple  Making 

missional‐  incarnatio‐ nal Impulse 

JESUS IS  LORD 

Communi‐ tas not          Community 

Apostolic 

Organic 

Enviroment 

System 

  Abbildung 1: „Apostolic Genius“ 

Diese fünf Kernelemente fördern und entwickeln die „missionale Identi‐ tät“  im  Einzelnen  und  machen  dadurch  Jüngerschaft  erst  möglich.  Ein  Paradigmenwechsel im persönlichen Glauben ermöglicht erst wirkliche  Veränderung für den Gemeindebau sowie die Gemeindeentwicklung.  What we need now is a new set of tools. A new  “paradigm” – a new vision of reality: a funda‐ mental  change  in  our  thoughts,  perceptions,  and  values,  especially  as  they  relate  to  our  view of the church and mission. (2006:17) 

Es geht eben nicht um neue Methoden oder Strukturen, die der Kirche in  der Postmoderne ihre Aktualität und Relevanz zurückbringen, sondern  um eine grundlegende Veränderung im Denken des einzelnen Christen.  Veränderung innerhalb der Kirche kann nur durch Veränderung des ei‐ genen  Denkens  anhand  des  Vorbildes  von  Jesus  Christus  erreicht  wer‐ den. Gerade deshalb muss für das Apostolische Genius Jesus Christus im  Leonardo Iantorno

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Zentrum stehen. In ihm  findet die  Kirche ihr Haupt und jeder Christ in  der Nachfolge seinen Herrn. Weil es die Kirche nicht geschafft hat, ihre  Rolle in der Gesellschaft zu finden, ist es an der Zeit, dass die Kirche ih‐ ren Ursprung neu entdeckt, um damit eine neue Sicht für ihren Auftrag  in der Welt erhält. Dafür ist das Wiederentdecken des „Apostolic Genius“  von zentraler Bedeutung.  2.3.1.1 Missionale Identität als Grundlage der „Ekklesia“  In erster Linie geht es darum, das Veränderungspotenzial zu entdecken  und festzustellen, wo Veränderung unbedingt nötig ist.. Die Kirche muss  wieder zurück an den Puls der Gesellschaft und  das wird nur dann ge‐ schehen,  wenn  der  Einzelne  wieder  zurückkehrt  zu  den  Menschen  in  seinem  Kontext:  „We  realized  that  we  needed  to  become  missionaries  and that the church needed to adopt a missionary stance in relation to  its context.“ (:32). Es scheint so, als dass die Christen innerhalb der Kir‐ che  ihr  missionales  Herz,  ihre  Begeisterung  und  damit  ihre  missionale  Identität  verloren  haben.  Eine  Kirche,  die  wieder  zu  ihrer  ursprüngli‐ chen  Berufung  (nach  Matthäus  28,19‐20)  zurückfinden  möchte,  muss  sich  daher  neu  hinterfragen,  wie  Hirsch  das  beispielsweise  tut:  „Is  the  church really meant to be a ‘feeding trough’ for otherwise capable midd‐ le‐class  people  who  are  getting  their  careers  on  track?”.  Darf  es  sein,  dass  die  Kirche  allein  für  die  Gläubigen  und  ihr  Wohlbefinden  da  ist.  Ganz  im  Gegenteil,  die  Kirche  muss  wieder  zu  den  „elemental  prin‐ ciples“,  den  grundlegenden  Prinzipien  zurückfinden.  Diese  Prinzipien  findet  die  Kirche  nach  Hirsch  vor  allem  in  Galater  3,3‐11  und  Kolosser  2,8.20‐23, wo Paulus die Gemeinden zur Mündigkeit aufruft, statt in der  Unmündigkeit zu bleiben (:55).  Als  Grundproblem  für  die  Christenheit  heute  identifiziert  Hirsch  das  Mailänder Edikt von 313 n. Chr. und seine Folgen für die Kirche in den  darauffolgenden  Jahrhunderten.  Durch  die  Verstaatlichung  der  Kirche  verlor  die  „Jesus‐Bewegung“  ihre  Dynamik,  ihren  Antrieb.  Sie  wurde  je  länger je mehr durch Institutionalismus sowie das wachsende Konsum‐ denken  und  –Verhalten  ihrer  Mitglieder  aufgezehrt.  Heute  stehen  die  Kirche  und  damit  auch  ihre  Mitglieder  an  der  Schwelle,  um  diesen  Zerbruch  zwischen  Kirche  und  Kultur  wieder  aufzufüllen.  An  diesem  Punkt setzt Hirsch an und spricht von der „mDNA“, von der „missionalen  Identität“  als  dem  göttlichen,  genetischen  Code,  der  in  jedem  Christen  Leonardo Iantorno

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lebt  und  sich  in  jeder  Zelle  wiederfinden  lässt  (2006:76‐77).  Dieser  Christus‐Code  ist  durch  die  institutionellen  Barrieren  in  Vergessenheit  geraten,  lebt  aber    immer  noch  im  Verborgenen  weiter.  Die  missionale  Identität existiert in jedem Christen und wird von Generation zu Gene‐ ration weitergetragen, auch wenn sie unterdrückt wird. Es gilt also, die‐ se missionale Identität wieder aufbrechen zu lassen sowie mit Hilfe des  „Apostolic  Genius“  wieder  zum  ursprünglichen  Herzstück  von  Gottes  „ekklesia“ zurückzufinden.  2.3.1.2 Aus Christologie kommt Missiologie und schliesslich Ekkle­ siologie  Betrachtet  man  christliche  Bewegungen,  wie  beispielsweise  die  erste  Gemeinde  in  der  Apostelgeschichte  oder  die  aktuelle  Kirche  in  China,  dann zeichnen sich diese Bewegungen einerseits durch ihre Christologie  und andererseits durch die Fähigkeit zur Kontextualisierung aus. Beide  Bereiche  sollen  und  dürfen  nicht  voneinander  getrennt  werden,  da  es  Gott immer um eine ganzheitliche Beziehung zum Menschen geht.  Therefore,  everything—one’s  work,  one’s  do‐ mestic  life,  one’s  health,  one’s  worship—has  significance  to  God.  He  is  concerned  with  every aspect to the believer’s life, not just the  so‐called spiritual dimensions. (:91) 

Während in der modernen Kirche oft allein das Seelenheil der Menschen  im Mittelpunkt stand, beschäftigt sich Gott mit dem ganzen Menschsein.  Jüngerschaft  nach  Paulus  findet  dort  statt,  wo  Menschen  dem  Gott  fol‐ gen  von  dem,  durch  den  und  zu  dem  alle  Dinge  geschaffen  sind 1   (:88).  Im Zentrum steht also der Glaube an Jesus Christus und damit die neu‐ testamentliche  Christologie.  Die  Christenheit  als  eine  messianische  Be‐ wegung  muss  auf  eine  Christologie  gegründet  sein,  die  ihren  Ursprung  in den Evangelien hat. Es geht also darum, das zentrale Bekenntnis und  die einfachsten Botschaften des Neuen Testaments zu leben.  Am  Anfang  von  Veränderung  steht  immer  Jüngerschaft  und  radikale  Nachfolge,  wie  sie  in  den  Evangelien  und  am  Leben  Jesu  deutlich  wird.  Als  Gegenstück  dazu  identifiziert  Hirsch  das  Konsumverhalten  unserer  postmodernen  Gesellschaft:  „Consumerism  has  al  the  distinguishing                                                                1 Römer 11,35 

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traits  of  outright  paganism—we  need  to  see  it  for  what  it  really  is.“  (2006:106).  Aus  dieser  Perspektive  betrachtet,  liegt  der  Schwerpunkt  der Veränderung bei jedem Christen persönlich.  When we look at the phenomenal movements  in  history,  we  find  that  these  people  move‐ ments  found  a  way  to  translate  the  grand  themes  of  the  gospel  (kingdom  of  God,  re‐ demption,  atonement,  forgiveness,  love,  etc.)  into  concrete  life  through  the  embodiment  of  Jesus in ways that were profoundly relational  and attractive. (:114) 

Konkrete  Jüngerschaft  beschreibt  also  einen  Lebenszyklus,  den  jeder  Christ entwickelt und in seinem Kontext auslebt. Die zentralen Themen  des Evangeliums in persönlichen Beziehungen vorzuleben, ist demnach  der beste Weg, missional zu leben oder anders gesagt Kirche zu sein. Al‐ les  dreht  sich  darum,  Menschen  zu  befähigen,  selbst  missional  zu  den‐ ken und zu leben. Dazu braucht es ein hohes Mass an Identifikation mit  den  Mitmenschen:  „The  missional‐incarnational  approach  requires  identification with a local people group, cultural sensitivity, and coura‐ geous innovation to authentically fulfill its mission.“ (:140). Ein solcher  Ansatz  kommt  aus  der  oben  schon  angesprochenen  Bindung  an  die  Christologie.  Denn  erst  die  Christologie  legt  die  Missiologie  fest,  diese  wiederum  die  Ekklesiologie.  Die  Kirche  hat  in  der  Konsumgesellschaft  ihren Platz eingenommen aber wenn sie sich neu an Jesus Christus ori‐ entiert, muss sie ihre Prioritäten neu setzen. Es braucht heute vor allem  Übersetzer  des  Evangeliums  in  die  Lebensrealität  der  Menschen.  Das  Vorbild für eine missionale Kirche muss daher Jesus selbst sein. Sein Le‐ ben,  sein  Vorbild  und  sein  Handeln  während  seiner  Zeit  auf  der  Welt  müssen einen neuen Stellenwert erhalten, um die Gesellschaft nachhal‐ tig mit dem Evangelium erreichen zu können.  2.3.1.3 Liminalität als Schlüssel zu echter Jüngerschaft  Die Kirche ist damit in die Verantwortung gerufen, mehr zu sein, als nur  Gemeinschaft  von  Christen.  Das  allein  reicht  nicht  mehr  aus,  denn  es  geht  bei  Kirche  um  mehr  als  Gemeinschaft  der  Gläubigen.  Hirsch  be‐ schreibt  diese  neue  Art  der  Gemeinschaft  als  „Communitas“.  Diese  „Communitas“  ist  die  unmittelbare  Gemeinschaft  zwischen  Menschen,  die  ein  gemeinsames  Ziel  mit  ihrer  ganzen  Leidenschaft  und  ganzer  Kraft  verfolgen.  Dabei  sind  sozialer  Status  und  Ansehen  nicht  von  Be‐ Leonardo Iantorno

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deutung, weil die Mitglieder dieser Gruppe aufgrund ihrer „missionalen  Identität“  dazugehören.  Eine  solche  Gruppe  entsteht  aus  dem  gemein‐ samen Ziel heraus und trägt das Merkmal der Liminalität in sich:   Liminality  therefore  applies  to  that  situation  where  people  find  themselves  in  an  in‐ between, marginal state in relation to the sur‐ rounding  society,  a  place  that  could  involve  significant  danger  and  disorientation,  but  not  necessarily so. (2006:220) 

Liminalität  beschreibt  also,  wie  die  Teilnehmer  dieser  Gemeinschaft  zwar  keine  Bindung  zur  Gesellschaft  zu  haben  scheinen,  diesen  Status  aber dafür gebrauchen, um neue Ideen und Visionen zu entwickeln. Sie  dient  damit  der  Zurüstung  des  Einzelnen  und  stärkt  das  Bewusstsein  der Gruppe, bevor diese in Aktion tritt. Für die Kirche muss es das erste  Ziel  sein,  wieder  solche  Zeiten  der  Liminalität  zu  erleben,  um  für  ihre  Mitglieder und damit für sich selbst neu zu orientieren. 

2.3.2 Michael Frost: „Exiles” 2.3.2.1 Ein Leben im Exil führen  Michael Frost führt in seinem Buch „Exiles“ den  Ansatz Hirschs weiter.  Er  bezeichnet  den  Christen  innerhalb  der  Postmoderne  als  Exilanten.  Dabei betont er, wie die  Kultur sowie die Entwicklung der Gesellschaft  im Gegensatz zum christlichen Leben steht und den Christen  damit ins  Exil führt. Dieses Exil jedoch beschreibt er als Chance zur Veränderung  und Rückbesinnung auf das Wesentliche. Sein Urteil über das Christen‐ tum, wie es bis anhin existiert, ist vernichtend, da er ihm keinerlei Ein‐ fluss  mehr  auf  die  Gesellschaft  einräumt.  Obwohl  das  Christentum  kei‐ nen  Einfluss  mehr  auf  die  Gesellschaft  zu  haben  scheint,  bleibt  es  scheinbar doch der Massstab für die Kirche (Frost 2006:3‐5). Das Chris‐ tentum  und  seine  Leiter  leben  in  einer  für  sie  fremd  gewordenen  Zeit  bzw.  Kultur,  die  schon  lange  Zeit  nicht  mehr  durch  die  Kirche  erreicht  und verändert wird. Allerdings erkennt Frost die Hoffnung einer neuen  Christenheit,  die  dieses  Paradigma  des  Christentums  überwinden kann  (:7).  Jeder  Einzelne  ist  dabei  gefragt,  sich  aufzumachen  und  nach  per‐ sönlicher Veränderung zu streben, um der Kirche eine neue Identität zu  geben. Frost stützt sich auf Walter Brueggemann, der das Exil des Volkes  Israel  mit  unserer  heutigen  Situation  als  Christen  in  unserem  Kontext  vergleicht (:8f). In der Zeit des Exils besann sich das Volk auf ihre Wur‐ Leonardo Iantorno

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zeln,  ihren  eigentlichen  Ursprung  und  die  in  Vergessenheit  geratenen  Geschichten.  Diese  Geschichten  sind  die  Hoffnung  und  der  Grundstein  für das Leben der Exilanten. Sie beeinflussen die Identität des Einzelnen  als Teil des Ganzen. „Which are the Christian community’s most danger‐ ous memories? Surely they  are the  stories of the Incarnate  One.“ (:11).  Damit wird deutlich, wie wichtig es für die Christen auch in der Postmo‐ derne  ist,  wieder  zurückzukehren  zu  den  ursprünglichen  Geschichten  und  Erinnerungen,  die  ihre  Identität  bestimmen:  das  Evangelium  von  Jesus Christus. Es ist deshalb notwendig, dass sich der Einzelne wieder  den existenziellen Fragen des Glaubens stellt und bereit ist, Kritik zuzu‐ lassen sowie Kritik am Christentum zu üben, denn die Kirche hat ein an‐ deres  Mandat,  als  sie  auslebt:  „…the  mandate  of  the  contemporary  church: to be a model farm, an example to others of the hope of the po‐ wer of the gospel.“ (:16). Dazu braucht es eine neue Generation mutiger  Nachfolger, die das ursprünglichen Geist des Evangeliums wiederentde‐ cken  und  aus  ihrer  Beziehung  zu  Jesus  heraus  ein  missionales  Leben  führen.  2.3.2.2 Mit Jesus im Exil  Eine Nachfolge, die aus dem Exilgedanken erwächst und Jesus Christus  im  Mittelpunkt  hat,  muss  bei  den  vorherrschenden  Vorstellungen  und  Bildern  von  ebendiesem  Jesus  beginnen.  Wer  ist  Jesus  und  welche  Be‐ deutung hat er für unsere Nachfolge? Diese Suche ist berechtigt, da die  Vorstellungen  von  Jesus  oft  stark  durch  kulturelle  Prägung  bestimmt  werden. Um einen Lebensstil nach dem Vorbild Jesu zu leben, braucht es  eine  neue  Herangehensweise  an  das  Evangelium:  „We  need  to  recover  the wonder  of reading Jesus through  the eyes of  his earliest  witnesses,  the  Gospel  writers.“  (2006:29).  Es  muss  eine  neue,  ganzheitliche  Sicht  auf Jesus geben, der sowohl Gott, als auch Mensch war. Zwar ist ein sol‐ cher Lebensstil nicht populär und angenehm, doch braucht es ein radi‐ kales Umdenken in den einfachen Lebensfragen:  This surely is the locus of missional activity— grace, love, hospitality, generosity. With Jesus  at  the  center  of  our  imaginations,  such  ele‐ ments are not optional for modern‐day exiles,  but unavoidable. (:49) 

Ein  solches  Umdenken  kommt  allein  aus  der  persönlichen  Verbunden‐ heit  sowie  der  Bereitschaft  zum  Gehorsam  gegenüber  dem  Jesus  des  Leonardo Iantorno

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Neuen Testaments. Ein Christ kann gerade an den Orten, an denen er in  Beziehung  zu  anderen  Menschen  tritt,  seine  missionale  Identität  in  Christus ausleben:  Exiles,  having  read  the  dangerous  stories  of  Jesus, have decided that the best way to do the  Lord’s work is to follow him out into the third  places in their community. (:63) 

Diese  „third  places“,  wie  Frost  sie  nennt,  sind  der  einfachste  und  lo‐ gischste Ort, an dem Mission unbefangen ohne Masken geschieht. Spiri‐ tualität als Beziehung zu Jesus soll für jeden Menschen erreichbar sein,  denn aus ihr heraus, aus der Beziehung zu Jesus, erwächst die missiona‐ le Identität. Dabei geht es um eine Nachfolge, die auch ohne ein dichtes  Gemeindeprogramm möglich und nötig ist: „…the proclamation of Jesus  will naturally flow from the living of an incarnational lifestyle.“ (:74)  2.3.2.3 Als Gemeinschaft im Exil  Was es also braucht, ist eine Generation authentischer Realisten, die den  Menschen  keine  unrealistischen  geistlichen  Versprechungen  machen,  sondern  durch  ihre  missionale  Identität,  ihr  Leben  zur  Gesellschafts‐ transformation,  zur  Veränderung  der  Gesellschaft  durch  das  Evangeli‐ um,  beitragen  (:90).  Authentizität  und  Integrität  sind  entscheidende  Faktoren  für  die  missionale  Identität,  aus  der  Veränderung  möglich  wird.  Verbindliche  Gemeinschaft  innerhalb  der  postmodernen  Gesell‐ schaft  muss  auf  neuen  Werten  gegründet  sein.  Geistliches  Wachstum,  Vielfalt, ehrliche Beziehungen, Transparenz sowie das Streben nach ehr‐ lichen  Antworten  auf  Fragen  des  Lebens  stehen  dabei  im  Zentrum  (2006:100‐101). Es geht darum, als Gemeinschaft Verantwortung für die  Gesellschaft  zu  übernehmen  und  für  die  Gerechtigkeit,  die  Jesus  in  sei‐ nem Leben vorgelebt hat, auszuleben (:104).  Wie  schon  Alan  Hirsch,  so  stellt  auch  Frost  den  neuen  Gedanken  der  „Communitas“  für  die  christliche  Gemeinschaft  in  den  Vordergrund:  „Many  churches  want  the  exquisite  experience  of  rich,  deep  relation‐ ships, but they aren’t prepared to embrace the challenge of coming out  of  mainstream  society.“  (:111).  Eine  Gemeinschaft  dieser  Art  erwächst  aus der Bereitschaft, sich neu auf Christus und seinen Auftrag auszurich‐ ten: „This sense of liminality, fueled by the challenge of completing cer‐ tain set tasks, fosters communitas.“ (:112). Frost nennt diesen Status der 

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Neuorientierung „liminality“. Liminalität beschreibt vielmehr das Leben  ausserhalb der gesellschaftlichen Bindungen und ohne sozialen Status 2 .  Gerade  innerhalb  der  Kirche  sollten  Christen  mehr  „liminality“  durch  gemeinsame Einsätze und Herausforderungen fördern. Christen, die ih‐ re missionale Identität neu entdecken wollen, müssen sich der Heraus‐ forderung der „Communitas“ stellen.  Communitas  isn’t  a  warm,  relaxing  space  where  you  can  come  and  go  as  you  please.  Communitas  requires  commitment,  integrity,  hard work, and courage. In short, communitas  is about love. (:115) 

Es  geht  nicht  nur  um  gute  und  harmonische,  sondern  um  die  verän‐ dernde  Gemeinschaft,  die  sowohl  Hingabe,  als  auch  Mut  und  Bereit‐ schaft zu Mitarbeit einfordert. Der Antrieb für die Suche nach dieser Art  von  Gemeinschaft  kommt  aus  dem  Herzen,  aus  dem  Innern  des  Men‐ schen:  „It’s  the  eternity  in  our  hearts  that  draws  us  into  the  search  for  God,  the  very  same  God  who  is  searching  after  us  always.“  (:142).  Die  missionale  Identität  treibt  den  Menschen  in  seiner  Nachfolge  an  und  führt ihn zu einem neuen Verständnis von Gemeinschaft.  …a Post‐Christendom church might reimagine  itself  as  „a  monastic  missionary  order,  com‐ munities  of  encouragement,  support  and  training  from  which  we  emerge  to  live  as  Christians  in  the  workspace  and  to  which  we  return for reflection and renewal“. (:150) 

Christen teilen ihr Leben in der Welt mit Menschen, ob am Arbeitsplatz,  in der Familie oder in der Freizeit und gerade deshalb muss die Kirche  ihre Identität im Evangelium wiederfinden. Der Einzelne lebt die missi‐ onale  Identität  in  seinem  Alltag  aus  und  ist  bestimmt  von  ihr.  Daraus  erwächst „Communitas“, die neue Möglichkeiten zur Gesellschaftstrans‐ formation aufzeigt. Dieser Paradigmenwechsel beginnt jedoch nicht erst  in  der  Gemeinschaft,  sondern  schon  vorher  beim  Einzelnen:  „In  fact,  I  believe  that  our  proper  understanding  of  Christ  (Christology)  leads  us  into  an  appropriate  commitment  to  mission  (missiology),  which  forces                                                                2 LEO Wörterbuch Deutsch‐Englisch: 

http://dict.leo.org/ende?lp=ende&lang=de&searchLoc=0&cmpType=relaxed&s ectHdr=on&spellToler=on&chinese=both&pinyin=diacritic&search=liminality& relink=on  Leonardo Iantorno

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us  to  develop  the  means  of  a  common  life  together  (ecclesiology).“  (2006:155).  Eine  solche  Gemeinschaft  lebt  in  Grosszügigkeit,  Transpa‐ renz  und  Authentizität  und  bietet  damit  eine  Alternative  zur  postmo‐ dernen  Lebensweise.  Frost  beschreibt,  wie  Christen  gerade  durch  ihre  Offenheit  und  Gastfreundschaft  of  den  Unterschied  machen  können.  Er  nimmt dabei auf die Berufung des Matthäus Bezug und stellt „Matthew’s  Party“ als Vorbild für die missionale Kirche vor (:171).  2.3.2.4 Die Verantwortung wahrnehmen  Ein Leben aus der missionalen Identität heraus muss zu einer veränder‐ ten  Sicht  der  persönlichen  Lebensrealität  führen.  Während  in  den  Kir‐ chen  das  Leben  immer  deutlicher  zwischen  „geistlich“  und  „säkular“  aufgeteilt wird (:186), erkennen Christen auf der Suche nach ihrer mis‐ sionalen  Identität,  wie  gerade  ihre  alltäglichen  Erfahrungen  und  Ver‐ pflichtungen Teil ihrer Gottesbeziehung sind.  Seeing  our  job  as  our  mission  isn’t  just about  using  our  place  of  business  as  an  arena  for  personal  witnessing;  it  involves  recognizing  that we can, in part, fulfill our calling to serve  God  through  the  very  work  that  we  do.  We  earn  money  at  our  jobs,  of  course,  but  our  primary motivation as exiles is to do our work  as an expression of our relationship with God.  (:181) 

Eine ganzheitliche Sicht auf die persönliche Lebensrealität ist gefordert.  Scheinbar  ungeistliche  und  daher  unbedeutende  Dinge  sind  deshalb  so  wichtig für  unsere Gottesbeziehung, weil sie uns  Auskunft über unsere  Identität in Gott geben. In vier Kategorien zeigt Frost auf, wie bedeutend  unser Alltagsleben für unsere missionale Identität ist.  1. Creating and Building (:189­191)  Gott hat seinen Schöpfergeist in die Menschen hineingelegt und  den  Menschen  dazu  befähigt  und  begabt,  kreativ  und  schöpfe‐ risch zu sein. Als Kind Gottes soll der Mensch beim beobachten,  was der Vater tut und es dann selbst tun. Er trägt Verantwortung  dafür, zu lernen und zu erschaffen.  2. Naming and Renaming (:191­195)  Schon in der Schöpfung gibt Gott den Menschen den Auftrag, den  Geschöpfen Namen zu geben. Es liegt in der Natur des Menschen,  Dinge  zu  benennen  und  neue  Namen  zu  erfinden.  Hier  lebt  der  Mensch seine Kreativität aus und kann neues schaffen, indem er  alten Dingen neue Namen gibt.  Leonardo Iantorno

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3. Truth­Telling (2003:195­197)  Der  Mensch  trägt  dafür  Verantwortung  die  Wahrheit  zu  leben.  Das  kann  zur  Folge  haben,  dass  er  nur  noch  Fair‐Trade‐Kaffee  trinkt oder den Naturschutz vorantreibt. Die Wahrheit zu leben,  fordert Engagement und Interesse von jedem Einzelnen.  4. Healing (:197­199)  Ärzte, Sozialarbeiter, Pflegepersonal, Seelsorger oder Physiothe‐ rapeuten dienen den Menschen, indem sie versuchen Menschen  zu  heilen.  Jesus  selbst  hat  viele  Menschen  geheilt  und  uns  dazu  beauftragt,  selbst  aktiv  zu  werden.  Es  wird  deutlich,  dass  das  Heilen und Pflegen von Kranken ein Teil von Mission ist.  Frost  betont,  wie  wichtig  es  ist,  Verantwortung  für  das  Geschehen  auf  der  Welt  zu  übernehmen:  „Being  in  this  world  is  but  not  of  this  world  means  an  ongoing  commitment  to  walking  a  less  traveled  road—the  road  of  justice,  compassion,  generosity.“  (:227).  Jeder  Einzelne  ist  ge‐ fragt, seinen Teil beizutragen, um gegen Ungerechtigkeit und Zerstörung  anzugehen. Auch dieser Aspekt gehört zur missionalen Identität, die ein  erweitertes  Bewusstsein  gegenüber  der  eigenen  Umwelt  im  Lichte  des  Evangeliums einfordert.  Exiles  in  the  West  must  become global  Chris‐ tians,  citizens  of  the  whole  planet,  aware  of  the  oppression  suffered  by  the  defenseless  in  various corners of the globe. (:263) 

Bei einem Leben aus der missionalen Identität geht es auch darum, den  eigenen Blick auf das  globale Geschehen zu  erweitern und nicht  nur in  den eigenen vier Denkwänden zu bleiben. Die Suche nach der missiona‐ len  Identität  fordert  nicht  nur  zum  Umdenken,  sondern  auch  zu  einem  neuen Handeln heraus.  2.3.2.5 Alternative Anbetung  Exilanten  entwickeln  neue  Formen  der  Anbetung  und  des  Lobpreises,  indem sie die vier Säulen des Lobpreises ganzheitlich ausleben. 

„ICH“ Subjection

Adoration

Affection

Appreciation

 

Abbildung 2: Vier Säulen der Anbetung 

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Anbetung  findet  dort  statt,  wo  sowohl  Annerkennung,  Zuneigung,  Ver‐ ehrung, als auch Unterwerfung  miteinbezogen werden. Erst durch eine  ganzheitliche  Anbetung  wird  Gott  verkündigt.  Der  Versuch  inkarnato‐ risch  und  damit  missional  innerhalb  der  Kultur  zu  leben,  führt  in  eine  neue  Ebene  der  kontextuellen  Anbetung  (:295),  die  nicht  mehr  nur  ro‐ mantisch, sondern praktisch und herausfordernd ist (:308). 

2.3.3 Michael Frost & Alan Hirsch: „The Shaping of Things to Come” In ihrem Gemeinschaftswerk beschreiben Michael Frost und Alan Hirsch  eindrücklich  auf  welchen  Ebenen  sich  die  Kirche  verändern  muss,  um  wieder zu ihrer missionalen Identität zurückzufinden. Der zentrale Fak‐ tor dafür ist jedoch der Einzelne innerhalb der Kirche, denn nachhaltige  Veränderung  kann  erst  dort  entstehen,  wo  zuerst  das  Sein,  die  eigene  Identität,  vor  dem  Handeln  verändert  wird  (Frost  &  Hirsch  2003:ix).  Erst aus einer lebendigen Christologie können sich Missiologie und Ek‐ klesiologie entscheidend verändern. An vielen Orten gibt es neue, radi‐ kale Aufbrüche im Gemeindebau, von denen die Kirche lernen kann und  soll.  Wo  die  Kirche  postmoderne  Elemente  und  Events  aufgrund  ihrer  Prägung und Kritik ablehnt, kann sie nicht mehr von ihnen lernen bzw.  herausfinden, warum die Menschen lieber dorthin gehen, als in die Kir‐ che.  2.3.3.1 Die  missionale  Kirche  ist  inkarnatorisch,  messianisch  und  apostolisch  Die  Kirchengeschichte  bezeugt  bis  heute,  wie  das  Christentum,  wie  es  seit dem Mailänder Edikt bekannt ist, als Modell für das Wachstum des  Reiches  Gottes  nicht  „funktioniert“  hat,  sondern  den  Auftrag  Jesu  nicht  mehr  übernehmen  kann  (:14).  Um  den  Auftrag  Jesu  dynamisch  in  die  postmoderne Gesellschaft zu tragen, muss die Kirche wieder zu ihrer an‐ fängliche Berufung zurückfinden, eine missionarische Bewegung zu sein  (:16). Die entscheidenden Werte einer missionalen Kirche sind Lebens‐ gemeinschaften, offene Leiterschaftsstrukturen und das Engagement al‐ ler Christen (:22). Dabei können durch gemeinsame Projekte, die Chris‐ ten mit Nicht‐Christen durchführen, gemeinsame Werte entwickelt und  entdeckt werden, die zu einer echten Beziehung führen, in denen Missi‐ on  gelebt  werden  kann  (:25).  Eine  solche  Kirche  kann  jedoch  nicht  Leonardo Iantorno

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durch  Methodik  bzw.  durch  neue  Gemeindebauformen  errichtet  wer‐ den,  sondern  erwächst  aus  der  Identität  ihrer  Mitglieder.  Hier  wird  deutlich, dass die missionale Identität des Einzelnen den Grundstein für  missionalen Gemeindebau bildet.  2.3.3.2 Inkarnatorische  Ekklesiologie:  Durch  seine  Kirche  wird  Je­ sus in der Gesellschaft Fleisch  Ein  inkarnatorischer  Gemeindebau  definiert  sich  aus  der  Identität  der  einzelnen Glieder, die in der Nachfolge leben.  And so the life of God incarnate in Jesus could  not be locked secretly within his heart; rather  it became a spreading complex of personal be­ ing  centered  in  Jesus  and  annexing  his  com‐ panions. (:36) 

missionaler  Gemeindebau kommt demnach  nicht aus Gemeindebaume‐ thoden und –Strategien, sondern vielmehr aus dem „Sein“ des Einzelnen.  Ein  inkarnatorischer  Lebensstil  kommt  aus  einem  Leben  mit  dem  Ziel,  Jesu Botschaft und seinen Auftrag in allen Lebensbereichen auszuleben.  The  idea  of  incarnational  presence  corre‐ sponds to the idea of locality that was outlined  above  in  our  reflections  on  the  Incarnation.  Jesus  moved  into  the  neighbourhood;  he  ex‐ perienced  its  life,  its  rhythms,  and  its  people  from  the  inside  and  not  as  an  outsider.  (2003:39) 

Es geht um das Leben, um die Nachfolge des Einzelnen, denn durch sie  wird  die  Gemeinde  Christi  aufgebaut.  Für  die  postmoderne  Kirche  be‐ deutet dies, nach ihrer Identität als Teil dieser Postmoderne zu suchen.  Um ausgeschlossene Menschengruppen erreichen zu können, braucht es  die  Bereitschaft,  sich  mit  deren  Kultur,  Sprache,  Kleidung  sowie  deren  Gebräuche  auseinanderzusetzen,  um  sie  wirklich  verstehen  und  eben‐ diese mit dem Evangelium erreichen zu können (:43). Jesus sandte seine  Jünger  hinaus  zu  den  Menschen,  in  die  Häuser  der  Menschen  zu  ihren  Bräuchen,  in  ihre  Kultur  hinein,  um  ihnen  das  Evangelium  zu  bringen.  Inkarnatorische  Evangelisation  beruht  vor  allem  auf  den  Beziehungen,  in denen wir täglich zu den Menschen leben. Dies bezeichnen Frost und  Hirsch  „one‐on‐one  relationship“  (:44).  Jüngerschaft  geschieht  in  klei‐ nen  Gruppen,  die  teilweise  nach  Interessen,  Hobbies  etc.  gebildet  wer‐ den.  Zwar  besteht,  wie  David  Bosch  betont,  dabei  die  Gefahr  der  Spal‐ tung  in  Subkulturenkirchen  (:53),  jedoch  zeigen  diese  Gruppen  oft  ein  Leonardo Iantorno

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hohes  Mass  an  Wachstumspotenzial.  Salz  und  Licht  zu  sein,  kann  nicht  heissen,  die  Menschen  aus  der  Gesellschaft  heraus  in  eine  fromme  Ge‐ meinschaft  zu  rufen.  Vielmehr  soll  die  Gemeinschaft  zu  den  Menschen  kommen, um die Gesellschaft zu verändern.  Sowohl die Kirche, als auch ihre Missionare müssen lernen, sich den kul‐ turellen Begebenheiten anzupassen und diese kennenzulernen, um die‐ selbe  Kultur  auf  ihre  Weise  mit  dem  Evangelium  zu  konfrontieren.  Es  geht  nicht  um  „Erfolg“,  sondern  um  eine  stetige  Gesellschaftstransfor‐ mation aus  gesunden und wachsenden Beziehungen in die Gesellschaft  heraus.  Durch  die  drei  Kernelemente  Abendmahl,  Gemeinschaft  und  Auftrag  (Communion,  Community,  Commission),  wie  Frost  und  Hirsch  sie aufzeigen (:77f),  zeigen sie  eindrücklich die drei Hauptbeziehungen  der Nachfolge auf. Im Abendmahl wird die Beziehung zu Gott gepflegt, in  der  Gemeinschaft  entstehen  Beziehungen  und  durch  den  Auftrag  sind  die Kirche in ihr Umfeld und damit jeder Einzelne in sein Leben berufen.  Um  die  Menschen  heute  zu  erreichen,  ist  jeder  Christ  herausgefordert  Kontextualisierung  gefordert,  denn  die  Menschen  wollen  heut  nicht  mehr  von  Spezialisten,  sondern  von  Gleichgestellten  lernen,  die  ihren  Kontext wirklich kennen (:97).  In  our  attempts  to  make  the  gospel  clear,  we  have often squeezed all the life out of it. Jesus’  parables  were  intriguing,  open  to  interpreta‐ tion,  playful,  interesting.  They  provoked  peo‐ ple to search further for the truth. (:100) 

Allzu oft fehlt es an der nötigen Kontextualisierung, denn wo das Evan‐ gelium  für  den  Kontext,  in  dem  es  wirken  soll,  ausgelegt  wird,  kann  es  seine verändernde Kraft entfalten. Die radikalen Geschichten des Evan‐ geliums  stellen  dabei  selbst  Jesus  in  den  Mittelpunkt.  Wirkungsvolle  Mission  in  der  postmodernen  Kultur,  versucht  das  Evangelium  durch  Kontextualisierung den Menschen nahe zu bringen.  2.3.3.3 Messianische Spiritualität bestimmt die missionale Identität  „Even incarnation and contextualization won’t suffice unless we can find  the spiritual framework and resources for real and lasting engagement.“  (2003:111).  Beide  Autoren  machen  deutlich,  wie  eine  lebendige  Inkar‐ nation Jesu in der Gesellschaft aus der persönlichen Bindung und Bezie‐ hung zu Jesus selbst erwächst. Jesus ist dabei das Lebensvorbild, um ei‐ ne  messianische  Spiritualität  zu  erlernen,  die  zur  Mission  befähigt.  Im  Leonardo Iantorno

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evangelikalen Kontext hat jedoch die paulinische Theologie einen ähnli‐ chen  Stellenwert  erhalten,  wie  Jesus  ihn  allein  besitzen  sollte  (:113).  Deshalb sollte die Kirche wieder zurück zu Jesu Vorbild für die Mission.  In seinem Leben, Lehren und Handeln liegt der Schlüssel zu einer mes‐ sianischen  Spiritualität,  die  inkarnatorische  Nachfolge  erst  möglich  macht.  Die  Personen  der  Bibel  sind  dabei  der  einzige  Referenzpunkt.  Wenn man die Leben der Glaubenshelden betrachtet, dann haben auch  diese  Menschen  gesündigt,  sind  gefallen  und  wieder  aufgestanden  und  erscheinen dadurch nicht so sehr anders, als die Menschen heute (:122).  Our actions are a representation of our name,  our  integrity  or  identity.  When  we  abandon  the high calling to live like Christ, we abandon  our  Christian  identity.  We  are  not  saved  by  our actions, but we are known by them. (:140) 

Das Handeln eines Menschen spiegelt nicht nur seine Werte  und Über‐ zeugungen  wieder,  sondern  in  erster  Linie  seine  Identität.  Wo  Jesus  selbst  als  Vorbild  an  der  Identität  eines  Menschen  arbeiten  kann,  wird  sich der Mensch immer mehr nach dem Vorbild Jesu verändern: „Core to  a  messianic  spirituality  is  the  understanding  that  God  changes  us  by  changing our identity, our sense of self‐definition.“ (:147). Die Identität  ist der verborgene Schatz, den der Mensch in sich trägt und der für ein  missionales  Leben  befreit  werden  muss,  denn  er  lebt,  was  er  ist  und  deshalb lebt der Christ das Evangelium, das er verkündigen will (:154).     

The church’s interaction with the world (work, mission, evangelism done by experts)

God’s interaction with his people (worship, prayer, etc.)

   

 

  God

  Church

World orld

       

safe & reassuring

 

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dangerous Abbildung 3 (2003:157) 

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Das dualistische Bild der Kirche mit der Welt auf der einen, Gott auf der  anderen  Seite  und  der  Kirche  als  Mittlerin  in  der  Mitte  (Abbildung  3)  kann  dem  Prinzip  der  missionalen  Identität  nicht  länger  standhalten  und  muss  ersetzt  werden  durch  ein  ganzheitliches  Bild  (Abbildung  4),  bei dem alle drei Bereiche ineinandergreifen.  In  diesem  inneren  Feld  treffen  die  drei  Bereiche  aufeinander  und  erst  dort wird nachhaltige Veränderung möglich, denn Gott ist es, der sowohl  an der Welt, als auch an seiner Kirche gleichermassen arbeitet.     

   

 Incarnational Engagement  missional Discipleship  Messianic Spirituality  Church on the Frontiers

God

Non-missional Spirituality Worship done „In Abstract“ Irrelevant Church Expression Theology done “In Abstract”

Church

 Prevenient and Common Grace  Religious + New Age

World

   

 Technique-Oriented Faith  Religiosity  Moralism and Legalism

Abbildung 4 (2003:158) 

Jesus selbst ist es, der das Leben des Einzelnen interpretiert und dabei  neue Möglichkeiten offenlegt:  His  life  must  interpret  ours,  especially  at  the  level  of  class  and  culture.  And  if  we  embody  the message of Jesus, and we wish for people  to see him through us, then these things must  be tested—for the sake of the message and the  mission. (2003:155) 

Aus  diesem  Wunsch  nach  Gegenwart  und  Handeln  Jesu  im  Menschen  kann  messianische  Spiritualität  entstehen.  Sie  dient  dabei  nicht  sich  selbst,  sondern  dem  Ziel,  die  missionale  Identität  zu  entdecken  und  zu  entwickeln. 

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2.3.3.4 Missionale Identität lebt Apostolische Leiterschaft  Die Qualität der Leiterschaft übernimmt in diesem Prozess der Kontex‐ tualisierung  und  der  Wiedergewinnung  der  missionalen  Identität  die  entscheidende Rolle. Für Frost und Hirsch steht dabei der APEPT 3  bzw.  der  Fünffältige  Dienst  im  Zentrum  für  apostolische  Leiterschaft.  In  der  Kirche der Postmoderne sind die fünf Dienste des Apostels, des Prophe‐ ten, des Evangelisten sowie des Hirten und des Lehrers von massgebli‐ cher  Bedeutung,  denn  sie  halten  die  Kirche  auf  Kurs  (:165).  Allerdings  liegt  die  Verantwortung  für  das  Umsetzen  der  fünf  Dienste  wiederum  bei der gesamten Kirche. Denn obwohl es berufene Apostel gibt, ist die  ganze Gemeinde dazu berufen, apostolisch zu leben. Obwohl ein Evange‐ list Verantwortung für Evangelisation in der Gemeinde übernimmt, soll‐ te die gesamte Gemeinde einen evangelistischen Lebensstil pflegen und  so  sollte  es  bei  den  anderen  Diensten  gleichermassen  aussehen  (2003:170).  if we had some way to analyze the gift‐typing  of the entire church, all would in some way fit  somewhere  into  APEPT,  into  the  fivefold  na‐ ture of the church’s ministry. (:171) 

Würde  man  innerhalb  der  Kirche  nach  den  verschiedenen  Gaben  su‐ chen, so würde man jedem Mitglied der Kirche einen Platz innerhalb der  fünf  APEPT  Gaben  zuweisen  können.  Leiterschaft  dient  in  diesem  Rah‐ men vor allem dazu, den Menschen auf der Suche nach ihrem Platz, ih‐ ren Begabungen und damit nach ihrer Identität zu helfen (:172). So ver‐ standen bedeutet Apostolische Leiterschaft in erster Linie dienende Lei‐ terschaft, also ein Dienst an den Menschen „für die Erbauung des Leibes  Christi“  (Eph  4,12).  Es  ist  dabei  auffallend,  dass die  verschiedenen  Lei‐ tertypen  in  unterschiedlichen  Phasen  des  Lebenszyklus  einer  Kirche  mehr  oder  weniger  starken  Einfluss  haben.  Deshalb  liegt  der  Schlüssel  zur Erneuerung der Kirche darin, die richtigen Leitertypen zur rechten  Zeit wirken zu lassen: „The renewal of the church and its mission has a  direct relation to our ability to strategically develop and nurture a full‐ fledged ministry and leadership matrix.“ (:180). 

                                                              3 APEPT = Apostle, Prophet, Evangelist, Pastor, Teacher 

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Um in der postmodernen Kirche Wachstum fördern zu können, müssen  neue  Räume  für  kreative  Möglichkeiten  geschaffen  werden  und  daraus  stammende  Ideen  als  Alternativen  für  den  bisherigen  Gemeindeaufbau  ernst genommen werden. Im Zentrum muss dabei das Ziel stehen, eine  missionale  Kraft  zu  werden:  „It’s  about  the  church’s  very  identity  as  a  missional agency. It’s about progress.“ (:185). Eine solche Kirche erhält  ihre  Identität  nicht  aus  Programmen  und  Strukturen,  sondern  aus  der  missionalen  Identität  ihrer  Mitglieder.  Den  Paradigmenwechsel  inner‐ halb  der  Kirche  beeinflussen  apostolische  Leiter,  indem  sie  die  „heilige  Unzufriedenheit“  unter  den  Mitgliedern  fördern,  revolutionäre  Fragen  bereitwillig  oder  gar  begeistert  annehmen  und  bereit  sind,  selbst  am  meisten  von diesen Veränderungsprozessen lernen zu wollen. Um Ver‐ änderung dann auch durchzuführen, ist der Mut zu vermeintlichen Risi‐ ken  nötig  und  schliesslich  kann  nur  dort  Veränderung  ermöglicht  wer‐ den, wo ein Klima geschaffen wird, indem Veränderung willkommen ist  (:192‐198).  Veränderung  kann  also  gesteuert  und  organisiert  werden,  ohne sie der Dynamik zu berauben. Hinter einer solchen Haltung muss  jedoch eine am Evangelium orientierte Christologie stehen, die die Basis  für das Handeln der Gemeinde bildet.       

Christology

Missiology

Ecclesiology

The person and work of Jesus

The purpose of God and his people

The form and funcdetermines  tion of the church

 

Abbildung 5 

Die Kirche ist in erster Linie durch ihren Auftrag, ihre Mission mit Jesus  verbunden und nicht durch bestimmte Gottesdienstformen und Traditi‐ onen  (2003:209).  Wo  die  Grundlage  des  Handelns  auf  der  Christologie  des Neuen Testaments beruht, die nicht erst bei Jesu Auferstehung, son‐ dern schon bei seiner Geburt ansetzt, wird die treibende Kraft einer sol‐ chen Kirche aus der missionalen Identität ihrer Mitglieder kommen. Ei‐ ne  solche  Jesus‐Bewegung  muss  durch  ihre  Leiterschaft  nicht  kontrol‐ liert,  sondern  gesteuert  und  befähigt  werden.  Schliesslich  kann  sich  durch eine solche Art der missionalen Bewegung das Evangelium einem  Virus gleich in der Gesellschaft festsetzen (:214‐216) und wird diese im  Kern  verändern  und  somit  zur  Gesellschaftstransformation  durch  das  Evangelium beitragen.  Leonardo Iantorno

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2.3.4 Schlussfolgerungen: „Missionale Identität“ 2.3.4.1 Missionale Identität des Einzelnen als Grundlage  Der notwendige Paradigmenwechsel der Kirche in der Postmoderne be‐ ginnt nicht bei den Strukturen und Methoden der Kirche, sondern beim  Einzelnen  und  seiner  Jüngerschaft.  Das  „Apostolic  Genius“,  wie  Alan  Hirsch es beschreibt, betont die zentrale Rolle, die Jesus für das Leben in  der Nachfolge des Einzelnen spielt (2006:274). Die missionale Identität  beschreibt  nicht  die  Veränderung  von  Methoden  und  Strukturen,  son‐ dern den genetischen Code, den Gott in die Menschen gelegt hat (Hirsch  2006:76‐77).  Entscheidende  Faktoren  der  missionalen  Identität  sind  Authentizität  und  Integrität,  die  sich  im  alltäglichen  Leben  manifestie‐ ren. Die neue Identität der Kirche kommt aus der Erneuerung der missi‐ onalen  Identität  des  Einzelnen.  Sie  beginnt  bei  der  neutestamentlichen  Christologie,  dem  Vorbild  Jesu  (Frost  2006:29).  Die  Auswirkungen  die‐ ser missionalen Identität ist ein inkarnatorischer  Lebensstil, der inner‐ halb der Kultur deutlich wird. Aus dem missionalen Sein des Einzelnen  wird ein inkarnatorisches Handeln entstehen. Nachfolge aus der missio‐ nalen Identität heraus findet also auf allen Lebensebenen statt. Mündige  Christen,  die  ihre  missionale  Identität  ausleben,  überwinden  den  Dua‐ lismus,  der  Säkulares  von  Geistlichem  trennt  (Frost  2006:186;  Frost  &  Hirsch 2003:157‐158). Erst durch eine neue entdeckte Mündigkeit kann  diese missionale Identität erreicht werden.  2.3.4.2 Missionale Praxis als Kirche  Durch die Institutionalisierung der Kirche ging der dynamische Charak‐ ter  der  „Jesus‐Bewegung“  verloren.  Der  Platz  der  Kirche  ist  jedoch  in‐ nerhalb der Kultur, in der sie existiert und unter den Menschen, zu de‐ nen sie gerufen ist (Frost & Hirsch 2003:43). Sie ist also nicht in erster  Linie für die Betreuung der Gläubigen da, sondern für alle Menschen in  ihrem Kontext (Hirsch 2006:55). Aus der missionalen Identität entsteht  eine  neue  Form  der  Gemeinschaft:  die  Communitas  (Frost  2006:111‐ 112;  Hirsch  2006:235).  Die  Kirche  muss  diese  Communitas‐ Gemeinschaften  fördern,  in  denen  Menschen  sich  einem  gemeinsamen  missionarischen Ziel mit ganzer Leidenschaft hingeben und dabei bereit  sind, sich neu auf Jesus auszurichten. Deshalb muss sich eine missionale  Kirche  auch  gründlich  mit  ihrem  Kontext  auseinandersetzen  sowie  die  Leonardo Iantorno

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„Third  Places“,  wie  z.B.  Vereine,  Freundeskreise,  Interessengemein‐ schaften  etc.  neu  als  Orte  missionalen  Lebens  entdecken  (Frost  2006:63). Es geht nicht mehr länger darum, Menschen in die Kirche ein‐ zuladen, sondern Kirche in den persönlichen Beziehungen zu leben.  2.3.4.3 Missionale Theologie  Um  diese  Herausforderungen  bewältigen  zu  können,  hat  die  Kirche  im  Fünffältigen  Dienst alle  wichtigen  Fähigkeiten und notwendigen Dienst  erhalten. Allerdings liegt die Verantwortung dieser Dienste nicht bei ei‐ nigen wenigen, sondern bei der gesamten Kirche und bei jedem Einzel‐ nen (Frost & Hirsch 2003:170). Dem Leben in der missionalen Identität  muss  eine  neutestamentliche  Christologie  zugrunde  liegen  (:209).  Erst  aus  einem  erneuerten  Verständnis  von  Jesus  kann  ein  neues  Missions‐ verständnis (Missiologie) entstehen. Diese beiden Bereiche, die in erster  Linie  den  Einzelnen  verändern  werden,  haben  dann  entscheidenden  Einfluss auf die Ekklesiologie. In allem Sein und Handeln steht demnach  Jesus  im  Zentrum  und  ist  gleichsam  auch  das  Vorbild  für  das  Handeln  der Kirche. Leiterschaft  aus der missionalen Identität heraus  dient den  Menschen in erster Linie dazu, selbst ihre missionale Identität zu entde‐ cken und einen inkarnatorischen, missionalen Lebensstil zu entwickeln  (:172). 

2.4 Praktische Ansätze in der Postmoderne 2.4.1 Tobias Faix & Thomas Weissenborn: „Zeitgeist“ Jeder Einzelne ist dazu berufen, Kirche zu sein und nicht nur als Teil ei‐ ner  Institution  zu  leben.  In  diesem  Sinne  betont  Tobias  Faix,  wie  sich  Kirche  und  Theologie  um  neue  Relevanz  bemühen  müssen  (2007:36‐ 37). Die Kirche muss für einen Weg finden, in ihrem sozialen und kultu‐ rellen Umfeld das Evangelium zu leben. Die missionale Identität des Ein‐ zelnen  als  Teil  der  Kirche  Jesu  Christi  steht  im  Mittelpunkt  (:48).  An‐ hand  des  neutestamentlichen  Zeugnisses  (Jesus  Christus,  Apostel  Pau‐ lus,  erste  Kirche)  wird  deutlich,  wie  die  Kirche  das  Evangelium  in  ihre  Kultur übersetzen musste und diese Aufgabe heute wieder wahrnehmen  muss.  Ein  missionaler  Lebensstil,  der  die  Privathäuser  zurückerobert  und das Evangelium in die Kultur übersetzt, beschreibt dabei ein Bewe‐ gung  zu  den  Menschen  hin  oder  in  anderen  Worten,  die  Inkarnation  Leonardo Iantorno

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Christi  in  der  eigenen  Kultur  (:80).  Die  Kirche  ist  dazu  berufen,  in  die  Gesellschaft  zu  hinauszugehen  und  damit  aktiv  zu  werden.  Aus  den  Komm‐Strukturen  müssen  neu  Geh‐Strukturen  werden,  die  der  Kirche  einen  neuen,  relevanten  Platz  innerhalb  der  Gesellschaft  einräumen.  Neue Räume der Entfaltung und der Gemeindeentwicklung müssen ge‐ schaffen werden (:136). Die „Emerging‐Church‐Bewegung“ bietet solche  Räume und wird durch die Missio Dei, das missionale Wesen Gottes, an‐ getrieben.  Kirche  ist  demnach  erst  Kirche,  wenn  sie  innerhalb  ihrer  Umwelt  Gestalt  annimmt  und  ihre  Botschaft  vom  Evangelium  lebt  (:145).  Gerade  weil  Gott  die  Welt  liebt  (Joh  3,16)  darf  die  Kirche  sich  nicht  aus  ihr  herausziehen,  sondern  muss  ihre  Verantwortung  wahr‐ nehmen, die Wahrheit des Evangeliums kulturrelevant und klar zu ver‐ kündigen.  Im letzten Teil ihres Buches führen Faix und Weissenborn verschiedene  praktische  Ansätze  auf,  wie  Kirche  in  der  Postmoderne  an  verschiede‐ nen  Orten  Realität  wird  und  es  gelingt  das  Evangelium  zu  übersetzen.  Missionarische  Jugendarbeit  an  sozialen  Brennpunkten,  Hausaufgaben‐ hilfen, Schulprojekte, Randgruppenarbeit (unter islamischen Kindern in  Berlin  oder  unter  Prostituieren)  sind  einige  Projekte.  Allen  Projekten  liegt eine intensive Spiritualität und Gottesbeziehung zugrunde, die sich  meist in einer besonderen Berufung bzw. Idee zeigt. Wie kann die Kirche  in  der  Postmoderne  Gestalt  gewinnen?  Auf  diese  Frage  geben  die  ver‐ schiedenen Autoren von „Zeitgeist“ Antwort.  Wenn jeder Christ authentisch sein Leben lebt  und mit seinen natürlichen Gaben und Vorlie‐ ben den Menschen aus seinem Umfeld begeg‐ net,  werden  viele  unterschiedliche  Menschen  auf  genau  ihre  Weise  von  Gottes  Liebe  erfah‐ ren und mit ihm Kontakt aufnehmen. (:48) 

2.4.2 Shane Claiborne: „Ich muss verrückt sein, so zu leben“ Auf den ersten Blick scheint Shane Claiborne einer von vielen enttäusch‐ ten Christen zu sein, die in der Kirche bei ihrer Suche nach Identität ge‐ scheitert  sind:  „Meine  kirchenübersättigte  Seele  brauchte  dringend  Ur‐ laub. Folglich war ich bald ziemlich desillusioniert von der Kirche. Aller‐ dings war ich weiterhin fasziniert von Jesus.“ (2007:44). Diese Faszina‐ tion  treibt  ihn  auf  die  Strassen  von  Philadelphia,  Kalkutta  und  Bagdad,  Leonardo Iantorno

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wo er bei den Ärmsten der Welt diesem Christus begegnet, den er in der  Kirche nicht finden konnte.  Auf  seiner  Suche  nach  seiner  Identität  in  Christus,  seiner  missionalen  Identität, fordert er von der Kirche eine Veränderung von Grund auf und  beschreibt  eine  lebendige  Kirche  für  und  mit  den  Menschen  folgender‐ massen:  „Kirche  war  nicht  mehr  eine  Sachen  die  man  sonntags  eine  Stunde  lang  betrieb  und  Kirche  war  ebenso  wenig  ein  haus  mit  Turm.  Sie  wurde  lebendig.  Die  Kirche  wurde  zu  etwas  wie  wir  –  ein  Organis‐ mus,  keine  Organisation.“  (:60).  Die  Kirche  kann  in  der  Postmoderne  nicht mehr länger nur eine Institution sein, die gelernt hat zu existieren  und dabei ihre Dynamik eingebüsst hat. Sie ist ein Organismus, lebendi‐ ge  Gemeinschaft  von  Mensch  und  Gott.  Um  diese  Gemeinschaft  neu  zu  entdecken braucht es jedoch die Bereitschaft jedes Einzelnen. Claiborne  fordert die Kirche auf, ihre Verantwortung für die Welt wahrzunehmen  und als mündige Braut Christi die Gesellschaft zu transformieren (:63).  „[Doch] Jesus hat uns zur Kleinheit berufen und vergleicht unsere Revo‐ lution mit dem kleinen Senfsamen, mit Sauerteig, der alles durchsäuert,  diese dunkle Welt langsam mit Liebe ansteckt.“ (:123). Eine Kirche, die  bereit ist, nach dieser Identität zu suchen, wird wieder an Relevanz so‐ wohl in der Suche der Menschen nach Spiritualität, der Politik  und der  Gesellschaft  zurückgewinnen:  „Statt  zu  tun,  was  uns  sinnvoll  erscheint  und Gott um Segen dafür zu bitten, täten wir besser daran, uns mit den  Leuten zu umgeben, denen Gott seinen Segen verheisst.“ (:209).  In Jesus erkennt Claiborne einen neuen Lebensstil, „der die Inkarnation  der Herrschaft Gottes war, eine Gemeinschaft, in der die Menschen ver‐ söhnt sind und Schulden erlassen sind, so wie wir unseren Schuldnern  ihre Schuld erlassen.“ (:149). Um diesen Lebensstil aus Gnade und Liebe  heraus,  geht  es  Claiborne,  wenn  er  von  einem  organischen  und  bezie‐ hungsorientierten  Lebensstil  spricht,  der  aus  seiner  Identität  als  Nach‐ folger Christi erwächst (:334). Damit stellt er kein neues Jüngerschafts‐ modell vor, sondern entdeckt vielmehr alte Tugenden der ersten Kirche  für die Postmoderne neu. 

2.4.3 Rob Bell: „Jesus unplugged“ „Wir  müssen  die  Art  reformieren,  wie  der  christliche  Glaube  definiert,  gelebt und erklärt wird.“ (2006:10). Es geht Rob Bell in erster Linie um  Leonardo Iantorno

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einen  Paradigmenwechsel,  der  bei  jedem  persönlich  beginnt  und  erst  dadurch  Auswirkungen  auf  die  Gesellschaft  haben  wird.  Der  Glaube  an  Jesus Christus beschreibt dabei keine Flucht aus der Wirklichkeit, denn  in  Christus  wird  die  Wirklichkeit,  in  der  wir  leben,  erst  deutlich  (:17).  Der  Versuch,  Gott  in  unsere  Vorstellungen  über  den  christlichen  Glau‐ ben  zu  pressen,  muss  scheitern,  denn  Gott  ist  grösser  als  jede  Religion  oder Weltanschauung (:23).  Es  ist  die  Pflicht  einer  jeden  Generation,  die  Bibel  in  ihren  Kontext  zu  übersetzen und zu interpretieren. Bell betont, dass erst eine Auslegung  der Bibel, ein neues Handeln möglich macht:   Wenn es uns also ernst ist mit Gott, dann müs‐ sen  wir  die  Bibel  auslegen.  Man  kann  nicht  „einfach  tun,  was  de  Bibel  sagt“.  Man  muss  erst  einmal  festlegen,  was  das  für  uns  Men‐ schen hier und heute bedeutet. (:41) 

Die Autorität der Bibel steht dabei nie zur Diskussion für Bell. Ihre Auto‐ rität hat die Bibel von Gott selbst und nicht erst durch die Interpretation  durch  Menschen.  Gott  redet  durch  die  Bibel,  seine  Wahrheit  zu  allen  Menschen, die nach der Wahrheit suchen. Die Wahrheit ist überall und  nicht in den Auslegungen der Bibel zu finden. Es geht also vielmehr dar‐ um,  diese  Wahrheit,  die  für  jeden  zugänglich  ist,  zu  suchen  und  den  Menschen  zugänglich  zu  machen  (:74),  denn  die  Bibel  holt  den  Men‐ schen dort ab, wo er steht (:60). Diese Begegnung bringt Erneuerung der  persönlichen Identität mit sich und fördert in erster Linie das Bewusst‐ sein, jeden Tag und jede Tat als Geheiligte zu tun (:81). Diese missionale  Identität,  die  es  nach  Rob  Bell  zu  entdecken  gilt,  kommt  aus  dem  Be‐ wusstsein  heraus,  alles  als  Geheiligte  Gottes  zu  tun:  „Wenn  Sie  sich  an  Jesus  orientieren  und  das,  was  Sie  tun,  in  seinem  Namen  tun,  dann  ist  die  Arbeit  nicht  mehr  weltlich;  sie  ist  geheiligt.“  (:81).  Erneuerung  kommt  also  aus  der  Identität  des  Einzelnen  in  Christus.  Diese  Erneue‐ rung  strebt  nach  dem  Shalom,  dem  ganzheitliche  Frieden  zwischen  Menschen und Gott. „Es geht nicht darum, was Sie nicht tun. Der Kern‐ punkt  ist,  dass  wir  zu  den  Menschen  werden,  die  Gott  sich  vorgestellt  hatte, als er uns erschuf.“ (:103). Die entscheidende Frage, die Bell stellt,  ist  die  Frage  nach  der  eigenen  Identität.  Im  Erkennen  und  Entdecken  der  neuen  missionalen  Identität  erkennt  Bell  bereits  bei  den  ersten  Christen einen Wesenswandel: „Die ersten Christen waren davon über‐

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zeugt: Wenn ein Mensch Christ wird, dann bringt das einen grundlegen‐ den  Wandel  unserer  ureigensten  Identität  mit  sich.  Einen  Wandel  in  dem was wir tief in unserem Wesen sind.“ (:131). Bell zeigt auf, wie so‐ wohl in den Evangelien, als auch bei Paulus deutlich wird, wie der Glau‐ be und die Nachfolge in erster Linie eine neue Identität schaffen wollen.  Aus der Wahrheit Gottes, die der Mensch in der Bibel wiederfindet, er‐ wächst  die  Möglichkeit  die  ursprüngliche  Identität  zu  entdecken,  die  Gott in den Menschen gelegt hat. Deshalb ist es die erste und wichtigste  Aufgabe  der  Kirche,  die  Menschen  mit  dem  Evangelium  und  damit  mit  Gottes Wahrheit zu konfrontieren (:159). Die Menschen sollen durch die  Kirche die Möglichkeit erhalten, ihre wahre Identität in Christus zu ent‐ decken.  Der  Weg,  den  die  Kirche  dabei  bestreitet,  führt  für  Bell  allein  über aktive Nächstenliebe:  Die Kirche hat den Job, der Welt den Weg da‐ hin zu zeigen, dass sie das Gut‐Sein der Schöp‐ fung anerkennt und, wichtiger noch, geniesst.  Am Ende aller Zeiten verschwinden wir  nicht  nach  Sonstwohin,  denn  diese  Welt  ist  unsere  Heimat. Und sie ist gut. (:164) 

Die Kirche ist somit nur dann wirklich Kirche, wenn ihr Leben und Han‐ deln  den  Menschen  in  der  Liebe  begegnet,  die  sie  im  Leben  Jesu  sieht.  Damit steht die Kirche in der Verantwortung, den Menschen die Wahr‐ heit der Bibel vorzuleben und sie damit die missionale Identität vorzu‐ leben. 

2.4.4 Schussfolgerungen: „Praktische Ansätze“ Diese praktischen Ansätze zeigen auf, wie die missionale Kirche gerade  an  sozialen  Brennpunkten  neue  Relevanz  gewinnt,  wo  die  missionale  Identität  inkarnatorisch  ausgelebt  wird.  Aus  der  Faszination  für  Jesus  kann eine neue Motivation für die Suche und die Umsetzung der missio‐ nalen Identität erwachsen. Die Kirche wandelt sich damit von einer star‐ ren Institution zu einem lebendigen Organismus und durch diesen mis‐ sionalen  Lebensstil  übernimmt  die  Kirche  in  Gestalt  ihrer  Glieder  Ver‐ antwortung,  das  Evangelium  im  Kontext  der  postmodernen  Kultur  für  die Menschen zu übersetzen (Faix 2007:48). Die Komm‐Strukturen, die  sich  die  Kirche  in  ihrer  Geschichte  angeeignet  hat,  müssen  neu  durch  Geh‐Strukturen ersetzt werden, damit die missio Dei in der postmoder‐ nen Gesellschaft Gestalt annehmen kann (:136). Nachfolge ist also keine  Leonardo Iantorno

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Realitätsflucht,  sondern  hat  transformative  Auswirkungen  auf  das  per‐ sönliche  Umfeld  der  Christen  haben  (Bell  2006:17).  Die  Kirche  bietet  den  Menschen  damit  einen  Ort,  an  dem  die  Menschen  ihre  Identität  in  Christus entdecken können (:164). Die Veränderung durch die missiona‐ le  Identität  im  Einzelnen  verändert  also  das  Gesicht  der  Kirche  inner‐ halb  der  Gesellschaft.  Die  Mündigkeit  der  missionalen  Identität  treibt  den  Einzelnen  und  damit  auch  die  gesamte  Kirche  in  eine  praktische  missio Dei innerhalb der sie umgebenden Kultur an. 

2.5 Schlussfolgerungen aus der Literaturanalyse Aus der Literaturanalyse lassen sich einige zentrale Schlussfolgerungen  und Thesen für die Definition und Bedeutung der missionalen Identität  und der Mündigkeit schliessen, die im Folgenden aufgelistet werden sol‐ len, bevor der zweite, exegetische Teil der Arbeit folgen wird:  These 1: Der Paradigmenwechsel innerhalb der Kirche beginnt nicht  bei  Methoden  und  Strukturen,  sondern  beim  jedem  Einzelnen  und  seiner Nachfolge. Die Kirche findet ihre Identität in der missionalen  Identität ihrer Glieder und deshalb beginnt alle Veränderung in der  persönlichen Nachfolge.  Alle  Autoren  betonen  die  Notwenigkeit  grundlegender  Veränderungen  innerhalb  der  Kirche  in  der  postmodernen  Kultur,  um  ihrem  Kontext  wieder gerecht zu werden. Dieser Paradigmenwechsel ist in erster Linie  eine  persönliche  Veränderung  und  betrifft  sowohl  Nachfolge  und  Jün‐ gerschaft,  als  auch  die  Identität,  Mündigkeit  und  persönliche  Entwick‐ lung des einzelnen Christen.  These 2: Die missio Dei ist die Grundlage und das Wesen der Kirche.  Die  Kirche  ist  in  die  Welt  gesandt,  um  in  ihr,  in  ihrer  Kultur  und  in  ihrem  Kontext  das  Evangelium  ganzheitlich  zu  leben.  In  dieser  mis­ sio Dei, der Mission Gottes, offenbart sich die missionale Identität der  Kirche im Einzelnen.  Der Antrieb für diese Veränderung ist der Auftrag Gottes für sein Volk,  seine  Kirche, die missio Dei. Die missionale Identität erwächst  aus dem  erneuerten Bewusstsein des Menschen in seinen gesellschaftlichen und  kulturellen Kontext gesandt worden zu sein und dort inkarnatorisch zu  leben.  Gottes  Mission  offenbart  sich  also  im  Leben  des  Einzelnen  und  Leonardo Iantorno

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kann wird durch das Entdecken und Wachsen in der missionalen Identi‐ tät neue Formen annehmen.  These  3:  Die  neutestamentliche  Christologie  ist  das  Fundament  der  missionalen  Identität  und  lässt  den  genetischen,  missionalen  Code  erkennen.  Erst  aus  der  lebendigen  Jüngerschaft  (Apostolic  Genius)  heraus  erwächst  die  missio  Dei,  die  eine  neue  Ekklesiologie  formt  und einen inkarnatorischen Lebensstil prägt.  Der theologische Ursprung der missionalen Identität ist in der Christo‐ logie  zu  finden,  denn  erst  durch  die persönliche  Beziehung  zu  Christus  kann auch Veränderung durch Christus geschehen. Die missionale Iden‐ tität  ist  dabei  der  göttliche  Code,  der  entdeckt  werden  muss.  Eine  Jün‐ gerschaft, bei der Christus im Zentrum steht, wird sich auf die Ekklesio‐ logie  auswirken  und  aus  dem  persönlichen  Paradigmenwechsel  wird  Veränderung innerhalb der Kirche möglich.  These 4:  Die Communitas als existenzielle  Gemeinschaft prägt nicht  nur den Einzelnen, sondern die gesellschaftliche Verantwortung der  Kirche in ihrem postmodernen Kontext. Die „Third Places“ sind dabei  der Schauplatz, an dem die missionale Identität Form annimmt.  Praktisch findet die missionale Identität in der Communitas einen neuen  Rahmen, in dem nicht nur der Einzelne Jüngerschaft erlebt, denn aus der  Communitas,  einer  Gemeinschaft,  die  ein  Ziel  verfolgt,  entstehen  neue  Möglichkeiten  Verantwortung  für  die  Gesellschaft  zu  übernehmen  und  das  Evangelium  für  verschiedene  Subkulturen  zu  übersetzen.  Vereine  oder Sportklubs beispielsweise werden zu Schauplätzen für einen mün‐ digen, inkarnatorischen Lebensstil. 

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3. EXEGESE AUSGEWÄHLTER PAULINISCHER TEXTE ZUM THEMA „MÜNDIGKEIT“ 3.1 Begründung der Auswahl Aus  den  verschiedenen  neutestamentlichen  Paulustexten  soll  nun  eine  Auswahl von vier  Texten aus dem Galater‐, Epheser und dem 1. Korin‐ therbrief ausgelegt werden. Grundlage der Exegese ist die Frage, ob und  welche  Bedeutung  die  Mündigkeit  bei  Paulus  für  die  Identität  des  Ein‐ zelnen  hat  und  wie  diese  missionale  Identität  einen  inkarnatorischen  Lebensstil fördert? Die Texte aus Galater 4,1‐11, Epheser 4,11‐16, 1. Ko‐ rinther 3,1‐4 und 13,11‐13 sollen beispielhaft für die theologische Posi‐ tion des Apostels stehen. Sowohl in seinem Brief an die Gemeinde Gala‐ tiens und Ephesus in Asien, als auch im 1. Brief an die Gemeinde in Ko‐ rinth spricht Paulus von der Kirche bzw. dem einzelne Christen als dem  mündigen  Erben,  der  durch  Christus  zur  Freiheit  und  für  eine  neue  Identität in Christus berufen ist. 

3.2 Galater 4,1-11: Befreit zur Mündigkeit durch Christus 3.2.1 Einleitungsfragen und Kontextbestimmung Die  Einleitungsfragen  sollen  bei  dieser  Auslegung  nicht  ausführlich  be‐ trachtet werden. Ich gehe davon aus, dass der Apostel Paulus den Gala‐ terbrief  an  verschiedene  Gemeinden  in  der  Provinz  Galatien  geschickt  hat. Ich gehe mit Gerhard Hörster einig, der als Abfassungsort entweder  Ephesus oder Mazedonien aufzeigt und die Abfassungszeit um das Jahr  53‐54  n.  Chr.  eingrenzt  (Hörster,  1993:222).  Ein  besonderer  Schwer‐ punkt des Galaterbriefs ist die Frage nach der Zugehörigkeit der Heiden  zum  Volk  Gottes  (:213).  Paulus  geht  auf  diese  Frage  ein  und  spricht  gleichzeitig  die  Werkgerechtigkeit  an  und  verurteilt  dieses  Gedanken‐ gut.  Paulus  betont  in  diesem  leidenschaftlich  geschrieben  Brief,  wie  wichtig  die  Stellvertretung  Christi  für  alle  Menschen  ist  und  wie  allein  aus dieser Tat Christi am Kreuz das Heil für die Nationen kommt (:219).  Für  Paulus  ist  es  von  entscheidender  Bedeutung,  dass  die  Galater  ihre 

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gewonnene Freiheit in Christus nicht wieder durch eine Werkgerechtig‐ keit eintauschen sollten (:220). 

3.2.2 Aus der Unmündigkeit befreit durch Christus (Galater 4,1-5) 3.2.2.1 Verse 1­2  Ich sage aber: Solange der Erbe unmündig ist,  unterscheidet  er  sich  in  nichts  von  einem  Sklaven,  obwohl  er  Herr  über  alles  ist;  2 sondern  er  ist  unter  Vormündern  und  Ver‐ waltern  bis  zu  der  vom  Vater  festgesetzten  Frist. (Gal 4,1‐2; Elberfelder) 

Paulus  gebraucht  ein  Bild  aus  dem  Rechtswesen,  um  die  Situation  der  Galater zu beschreiben und verdeutlicht damit gleichzeitig ihre Rolle als  Erben  Christi.  Die  Galater  sind  Erben  und  Anwärter  auf  das  Heilserbe  (Mussner 1974:266). Der unmündige Erbe ist zwar rechtlich der Besit‐ zer seines Erbes, jedoch kann er seinen Besitz, sein Eigentum aufgrund  seiner Unmündigkeit noch nicht verwalten (Betz 1988:355). Durch den  Vergleich  des  unmündigen  Eigentümers  mit  dem  Sklaven  verschärft  Paulus dieses Bild und zeigt damit deutlich auf, dass der Minderjährige,  gleich  wie  ein  Sklave,  nicht  selbst  über  sein  Leben  entscheiden  kann  (:356).  Bis  der  minderjährige  Erbe  seinen  Besitz  erhält,  steht  er  unter  der Obhut von Vormündern und Verwaltern. An einem gesetzlich festge‐ legten Zeitpunkt ist die Vormundschaft beendet und der Erbe kann sein  Erbe antreten. Paulus passt das Bild hier der Situation an, da ein Waise  meist durch das Erreichen der Volljährigkeit sein Erbe antreten konnte  (1988:357). Paulus könnte durch das Bild auch auf eine „Umstellung der  bisherigen Geschichtsbetrachtung“ (Mussner, 1974: 267) hinweisen und  die  Galater  zu  einer  „zeitlich‐eschatologischen“  Sichtweise  auffordern.  Damit würde der Fokus noch stärker auf das Erreichen der Mündigkeit  gelegt. Dunn unterstützt diese Auslegung, indem er betont, dass der Va‐ ter selbst, den Zeitpunkt festgesetzt hat, an welchem das Kind das Erbe  erhalten soll: „The child’s inferior status lasts only until the time set by  the father.“ (Dunn 1993:211). Verschiedene Kommentatoren wie Vouga,  Bring und Oepke betonen, wie Paulus hier das hellenistische Erbschafts‐ recht als Analogie gebraucht, um die Sohn‐ und Erbschaft zu verdeutli‐ chen. Aus dem unmündigen Erben wird zu einem bestimmten Zeitpunkt  der mündige Besitzer und Verwalter seines Erbes (Lührmann 1978:68). 

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3.2.2.2 Verse 3­5  3 So  waren  auch  wir,  als  wir  Unmündige  wa‐ ren,  unter  die  Elemente  der  Welt  versklavt;  4 als  aber  die  Fülle  der  Zeit  kam,  sandte  Gott  seinen Sohn, geboren von einer Frau, geboren  unter dem Gesetz, 5 damit er die loskaufte, die  unter dem Gesetz waren, damit wir die Sohn‐ schaft empfingen. (Gal 4,3‐5; Elberfelder) 

Genauso, wie der unmündige Erbe, sind auch die Galater unter die Herr‐ schaft anderer versklavt gewesen. Sie waren Sklaven der Welt und stan‐ den  unter  einer  Vormundschaft,  die  es  ihnen  nicht  ermöglichte,  ihre  Mündigkeit  zu  erlangen  und  das  Erbe  anzutreten.  Die  „Weltelemente“,  wie Mussner sie nennt, beschränken die Menschen in ihrer Mündigkeit:  „Und wie der unmündige Erbe in nichts vom Sklaven sich unterschiedet,  so befanden wir uns auch in einer Sklavenschaft.“ (1974:268). Dabei ist  es  jedoch  wichtig  zu  erkennen,  dass  wir  anders  als  im  Bild  des  Erben,  erst  in  Jesus  Christus  und  den  Glauben  an  ihn  zu  „Söhnen“  geworden  sind  (:268).  Diese  neue  Identität  gründet  in  der  Erlösung  vom  Gesetz  und  der  Sohnschaft  durch  Christus  (Vouga  1998:102).  Für  Betz  ist  die  Verwendung  der  1.  Person  Plural  der  Hinweis  dafür,  dass  Paulus  hier  nicht nur die Galater, sondern alle Christen anspricht. Sowohl Juden, als  auch  Heidenchristen  waren  Unmündige  und  den  Elementen  der  Erde  unterstellt  (Betz  1988:  358).  Welches  sind  jedoch  die  „Elemente  der  Welt“?  Betz  zeigt  auf,  wie  sich  im  Laufe  Untersuchungen  die  Meinung  durchgesetzt  hat,  dass  hier  dämonische  Mächte  gemeint  sind,  die  über  die  Welt  herrschen  und  begründet  dies  mit  dem  griechisch‐römischen  Weltbild jener Zeit (1988:358). Mehrere Ausleger vertreten die Ansicht,  dass sowohl die Elemente Wasser, Erde, Luft und Feuer, als auch die re‐ ligiösen  Formen  oder  gar  das  Schicksal  gemeint  sein  könnten  (Dunn  1993:212‐213). Im Gegensatz dazu beschreibt Meissner die Elementar‐ mächte als erziehende Geister, die den Menschen so lange zurückhalten,  bis er würdig sei, die Sohnschaft zu  empfangen (2007:179). Es handelt  sich in jedem Fall um eine Sklaverei, aus der sich der Mensch nicht allein  befreien  kann.  Luther  hingegen  beschreibt,  wie  wir  bereits  unter  dem  Gesetz  die  Verheissungen  auf  Christus  hin  besassen  (Beer  1998:233).  Doch  erst  das  Leben,  Sterben  und  die  Auferstehung  Christi  haben  uns  dazu  befreit,  das  Erbe  der  Verheissungen  ohne  einen  Verwalter  anzu‐ nehmen: 

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So  dienen  wir  dem  Gesetz,  „solange  wir  Kin‐ der  sind“.  Solange  Christus  nicht  kommt  und  solange  das  Geschenk  des  Heiligen  Geistes  nicht  da  ist,  sind  wir  gefangene  Sklaven  und  stehen unter Herren. (:235) 

Es wird jedoch auch deutlich, dass dieser Zustand der Unmündigkeit für  uns  zu  Ende  ist  und  wir  durch  Christus  und  sein  Handeln  befreit  sind.  Genau,  wie  wir  auch,  wurde  Christus  unter  das  Gesetz  geboren.  Gott  schickt  seinen  Sohn,  um  die  Menschen  in  die  Mündigkeit  zu  rufen.  Die  Zeit  war  erfüllt  und  damit  auch  das  Ende  der  Versklavung  unter  dem  Gesetz:  „Von  ‚Fülle  (Erfüllung)  der  Zeit(en)’  sprach  das  Frühjudentum  sehr  häufig,  meist  in  verbalen  Wendungen.“  (1974:268).  Paulus  greift  also  auf  älteres,  den  Juden  in  Galatien  bekanntes  Gedankengut  zurück,  um  aufzuzeigen,  wie  entscheidend  das  Wirken  Christi  für  die  Mensch‐ heit  ist.  In  der  Wendung  „die  Erfüllung  der  Zeit“  erkennt  Betz  einen  Ausdruck  der  eschatologischen  Sprache  der  Juden  und  Christen,  derer  Paulus  sich  öfter  bediente  (1988:360‐361).  Christus  ist  der  vom  Vater  gesandte Sohn, der schon vor seiner Geburt war und durch den Heiligen  Geist  nach  seiner  Auferstehung  in  den  Menschen  weiterlebt.  Christus  wurde wie jeder andere Mensch auch unter das Gesetz geboren und hat  darunter gelebt.  Mit  dem  Kommen  Christi  sind  die  Menschen  freigekauft.  Christus  war  das  Lösegeld  für  viele,  wie  es  auch  im  Markus‐Evangelium  (Markus  10,45)  beschrieben  ist.  Alle,  die  unter  dem  Gesetz  standen  und  in  der  Versklavung  leben  mussten,  sind  durch  Christus  befreit.  Paulus  spricht  hier  sowohl  von  den  Juden,  als  auch  von  den  Heiden,  die  zum  Glauben  finden: „dass das göttliche Heilsziel ein allumfassendes, Juden und Hei‐ den einschliessendes ist; denn in den Plural  sind ja auch die  heidenchristlichen Adressaten miteingeschlossen.“ (Mussner 1974:270‐ 271).  Auch  Betz  erkennt  die  Universalität  der  Erlösung  durch  Christus  für alle, Juden und Heiden. In seiner Analyse der beiden ‐Sätze zeigt  er  auf,  wie  der  Ausdruck  „Annahme“  ein  Begriff  aus  der  Justiz  ist  (1988:364‐365). Gott adoptiert die Menschen in Christus und nimmt sie  damit  rechtmässig  als  seine  Kinder  auf:  „Almost  certainly  Paul  had  in  mind the legal act of adoptio, by which a Roman citizen entered another  family  and  came  under  the  patria  potestas  of  its  head.”  (Dunn  1993:217). Der Mensch wird allein aus dem Geschenk des Glaubens und  nicht aus den Werken des Gesetzes (Lührmann 1978:69). Es ist das Ziel  Leonardo Iantorno

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des Wirkens Jesu, die Menschen in die Mündigkeit als wahre Erben Got‐ tes einzusetzen und ihnen den Weg dorthin frei zu machen. 

3.2.3 Vom S klaven zum Erben Gottes (Galater 4 ,6-7) 6 Weil  ihr  aber  Söhne  seid,  sandte  Gott  den  Geist  seines  Sohnes  in  unsere  Herzen,  der  da  ruft:  Abba,  Vater!  7 Also  bist  du  nicht  mehr  Sklave,  sondern  Sohn;  wenn  aber  Sohn,  so  auch Erbe durch Gott. (Gal 4,6‐7; Elberfelder) 

Wenn  Christus  die  Inkarnation  Gottes  auf  Erden  ist,  so  ist  der  Heilige  Geist die ewige  Verbindung zu Gott.  Dieser Geist  befreit den  Menschen  von  der  Existenz  unter  dem  Gesetz  hin  zum  Leben  aus  der  Sohnschaft  (Vouga 1998:102). Durch den Kausalsatz wird jedoch auch deutlich, wie  wir  aufgrund  unserer  Sohnschaft,  die  wir  bereits  hatten  und  doch  Un‐ mündige waren, sandte Gott Christus, damit wir empfangen würden. Bei  Luther  wird  deutlich,  wie  diese  Erbschaft  nicht  aus  Verdienst,  sondern  allein  aus  der  Gnade  Gottes  in  Christus  für  uns  möglich  wird  (Beer  1998:242).  Der  Empfang  der  Sohnschaft  hängt  unmittelbar  mit  dem  Empfang  des  Heiligen  Geistes  zusammen.  Dabei  geht  es  nicht  um  ein  zeitliches  Aufeinanderfolgen  der  Ereignisse,  sondern  um  ein  Zusam‐ menspiel  zwischen  Sohnschaft  und  Geistempfang  (Mussner,  1974:274‐ 275).  Der  Heilige  Geist  verändert  das  Verhältnis  zwischen  Gott  und  Mensch  dadurch  entscheidend,  als  er  den  juristischen  Rahmen  durch‐ bricht  und  durch  sein  Wirken  im  Menschen  das  „Abba,  Vater“  hervor‐ bringt und möglich macht. Auch für Dunn ist es unwahrscheinlich, dass  der  Empfang  des  Geistes  eine  einfache  Konsequenz  aus  der  adoptio  durch Christus ist (1993:219). Vielmehr bestätigt der Empfang des Geis‐ tes  die  intime  Vater‐Kind‐Beziehung  zwischen  Gott  und  Mensch.  Das  Problem der „Reihenfolge“ von Sohnschaft und Geistempfang beschreibt  auch  Betz  in  seinen  Ausführungen,  betont  die  dogmatisch‐ philosophische  Prämissen  dieser  Fragestellung  (Betz,  1988:  366).  Der  Heilige  Geist  wohnt  im  Herzen  des  Menschen  und  damit  bestätigt  sich  für Betz auch die Tradition, dass das Herz der Sitz des Willens sei (:367).  Die  Veränderung,  die  im  Menschen  durch  den  Empfang  des  Heiligen  Geistes  geschieht,  ist  für  Luther  keine  äusserlich  sichtbar,  sondern  sie  wird durch das persönliche Zeugnis und das Bekenntnis zu Christus bes‐ tätigt (1998: 243). Der Heilige Geist, den wir durch Christus empfangen  haben, zeigt sich also in erster Linie in unseren Herzen und wird durch  Leonardo Iantorno

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unser neu motiviertes Handeln deutlich. Das „Abba, Vater“ weist auf die  Universalität  der  Sohnschaft  hin,  da  es  sowohl  die  Juden  als  auch  die  Heiden anspricht (1988:368).  Das  griechische  Partizip  für  κρᾶζον,  beschreibt  einen  tiefen  Schrei  aus  dem Herzen und für Dunn wird dadurch der besondere Charakter dieser  Geisterfahrung  am  Menschen  deutlich  (1993:221).  Dieser  emotionale  und intensive Ruf ist also ein Zeugnis für die Sohnschaft des Menschen  und  der  Zugehörigkeit  zu  Gott  in  Christus.  Das  aramäische  Wort  abba  beschreibt  eine  intime  und  persönliche  Beziehung  zwischen  Mensch  und Gott, die erst durch den im Herzen wohnenden Heiligen Geist Reali‐ tät wird (1974:276). Durch das Annehmen von Christus und den Emp‐ fang  des  Heiligen  Geistes  wird  der  Mensch  Teil  der  göttlichen  Familie  und erhält dadurch eine persönliche Beziehung zu Gott (:276). Die dem  Menschen  angeborenen  Zweifel  an  der  Nähe  Gottes  werden  für  Luther  in  diesem  Ruf  deutlich  und  er  nimmt  dabei  Bezug  auf  Römer  8,26,  wo  der  Heilige  Geist  als  Mittler  beschrieben  wird.  Unsere  Gebete  kommen  durch den Heiligen Geist vor Gottes Thron (1998: 246). Es ist Gottes Tat,  die uns zur Freiheit und zu Erben seiner Herrlichkeit macht: „Die beiden  letzen  Worte  ‚durch  Gott’  sind  ein  Zeugnis  für  die  Hartnäckigkeit,  mit  der  Paulus  seit  dem  Beginn  des  Briefes  darauf  besteht,  dass  der  ganze  Erlösungsprozess das Werk Gottes ist.“ (1988:370). 

3.2.4 Mündigkeit neu entdecken (Galater 4,8-11) 3.2.4.1 Verse 8­9  8 Damals  jedoch,  als  ihr  Gott  nicht  kanntet,  dientet  ihr  denen,  die  von  Natur  nicht  Götter  sind;  9 jetzt aber  habt  ihr  Gott  erkannt ‐  viel‐ mehr  seid  ihr  von  Gott  erkannt  worden.  Wie  wendet  ihr  euch  wieder  zu  den  schwachen  und  armseligen  Elementen  zurück,  denen  ihr  wieder  von  neuem  dienen  wollt?  (Gal  4,8‐9;  Elberfelder) 

Paulus erinnert die Galater an ihre Vergangenheit unter der Herrschaft  heidnischer Götter, Die Galater fallen in alte Muster zurück und sind zu  den falschen Göttern zurückgekehrt, denen sie schon zuvor dienten, be‐ vor  sie  die  Freiheit  aus  dem  Evangelium  empfingen  (Lührmann  1978:71). Die Weltelemente könnten  als Teil einer ganzheitlichen jüdi‐ schen Sicht des Gesetzes verstanden werden und damit die Versklavung  der  Galater  unter  das  Gesetz  als  falschen  Gott  beschreiben  (1978:72).  Leonardo Iantorno

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Dem  gegenüber  stehen  die  Ausführungen  Mussners,  der  die  Weltele‐ mente  als  dämonische  Mächte  bezeichnet  (1974:291).  Auch  Betz  schliesst  sich  der  Meinung  an,  dass  die  Elemente  dämonische  Mächte  seien (1988:374). Für Meissner wiederum sind die Elemente als Mond‐  und  Sabbattage  bzw.  als  die  Einhaltung  bestimmter  Festtage  und  Un‐ glückstage zu verstehen (2007:198). Entscheidend ist dabei jedoch, dass  diese  Götzen  „weder  Leben  noch  Identität  geben  können“  (Vouga  1998:105).  Obwohl  die  Galater  von  Gott  erkannt  wurden,  unterstellten  sie  sich  freiwillig  Götzen  und  gerade  darin  liegt  die  Dramatik  (Oepke  1957:138). In der neuerlichen Abkehr von Gott erkennt Dunn auch die  Abkehr vom ersten Bund, den Gott durch Abraham mit seinem Volk ge‐ schlossen  hat  (1993:225).  Die  Galater  hatten  bislang  keine  Gotteser‐ kenntnis  und  folgten  deshalb  fremden  Mächten,  die  sie  als  Gottheiten  verehrten und ihnen dienten. Die „Knowledge of God“, wie Dunn sie be‐ schreibt  (Dunn  1993:223),  war  ein  ausschliesslich  jüdisches  Privileg  und  gerade  die  Heiden  unter  den  Galatern  gelangten  erst  durch  den  Glauben an Christus zu echter Gotteserkenntnis. Es scheint so, als wäre  die  erste  Gotteserkenntnis  der  Galater  nicht  ganzheitlich,  sondern  vor  allem  kosmischer  Natur  gewesen  (1974:291).  Eine  „wahre  Gotteser‐ kenntnis schafft Distanz zwischen Gott und der Welt und ihren ‚Elemen‐ ten’,  schafft  Freiheit  gegenüber  dem  Kosmos.“  (:292).  Es  ist  diese  Frei‐ heit gegenüber den kosmischen Mächten und Einflüssen, zu der Paulus  die  Galater  durch  den  Glauben  an  den  einen  Gott  ermutigen  will.  Der  Apostel ermahnt die Galater, ihre gewonnene Gotteserkenntnis und den  Empfang des Heiligen Geistes nicht aufzugeben, sondern darin zu wach‐ sen  (:227).  Es  geht  dem  Apostel  also  um  ein  grundlegendes  Glaubens‐ verständnis, welches er den Galatern weitergeben will. Während Paulus  von einer „aufgeklärten Religion“ spricht, die von kultischen und rituel‐ len Vorschriften frei ist (1988:377), betonen seine Gegner weiterhin die  Kultreligion. Alte Vorschriften und Gesetze sollen nicht durch neue kul‐ tische  Gesetzgebungen  und  Vorschriften  ersetzt  werden.  Es  geht  dem  Apostel darum, die Freiheit in Christus und die neue Identität aus dieser  Beziehung zu Christus vorzuleben und den Galatern ins Herz zu legen.  3.2.4.2 Verse 10­11  10 Ihr  beobachtet  Tage  und  Monate  und  be‐ stimmte  Zeiten  und  Jahre.  11 Ich  fürchte  um 

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euch, ob ich nicht etwa vergeblich an euch ge‐ arbeitet habe. (Gal 4,10‐11; Elberfelder) 

Ihr Rückfall in alte Glaubensmuster treibt die Galater in eine neue Skla‐ verei unter bestimmte Feste, Tage und Zeiten. Auffällig ist, wie die Aus‐ legungen  zu  Vers  10  auseinander  gehen.  Luther  erkennt  in  der  Einhal‐ tung  dieser  Feste  und  Tage  einen  Rückfall  in  religiöse  Kulthandlungen,  die den Gottesdienst an bestimmte Festtage binden (Beer 1998:262). Es  ist  die  Rückkehr  zu  alten  Gepflogenheiten,  die  nicht  auf  der  Rechtferti‐ gung allein durch Glauben aufbauen, sondern sich auf kultische Rituale  setzen. Diese Rückkehr beschreibt Paulus als erneute „religiöse Sklave‐ rei“  (Mussner  1974:303).  Dabei  fällt  auf,  wie  Paulus  diese  scheinbar  neue  Gesinnung  nach  dem  Gesetz  Israels  „in  Wirklichkeit  ein  Rückfall  ins Heidentum und die Sklaverei sein soll.“ (:303). Anders legt Betz Vers  10  aus:  „Daher  kann  die  Beschreibung  keine  Zusammenfassung  dessen  sein, was die Galater zur Zeit treiben, sondern womit sie beschäftigt wä‐ ren, wenn sie Tora und Beschneidung annähmen.“ (1988:378). Obwohl  verschiedene Auslegungen vorliegen, sind sich die Ausleger darin einig,  dass Paulus hier das „typische Verhalten von religiös übergewissenhaf‐ ten Leuten“ (:378) beschreibt. Ein solches Streben nach Erlösung durch  das  Einhalten  bestimmter  Tage  und  Feste  führt  von  Gott  weg  und  in  neue  Gesetzlichkeit  und  Sklaverei.  Seine  Besorgnis  über  die  Galater  bringt  er  deutlich  zum  Ausdruck  und  spricht  damit  einen  zentralen  Punkt für die Gemeinde Christi an. In aller Härte beschreibt Luther, wie  dieses  Verhalten  der  Galater  sie  nicht  zur  Erlösung,  sondern  zur  Ex‐ kommunikation  aus  dem  Leib  Christi  führt  (1998:263).  Hier  zeigt  sich  die besondere Leidenschaft von Paulus für die Galater, denn sonst wür‐ de  er  keine  solch  emotionale  Ausdrucksweise  verwenden.  Während  Mussner  hier  von  Resignation  des  Apostels  über  seinem  missionari‐ schen  Dienst  spricht  (1974:304),  sieht  Betz  hier  Anzeichen  von Selbst‐ ironie,  da  Paulus  sich  nicht  um  sich,  sondern  um  die  Galater  sorgt  (1988:380). Die Galater würden den Einsatz des Apostels dann zunichte  machen, wenn sie sich erneut dem Aberglauben hingeben und damit ihr  Heil  verspielen  würden.  Die  Sorge  des  Apostels  ist  jedoch  gleichzeitig  eine Motivation für die Galater, sich neu an Christus zu orientieren und  damit auf die Erlösung und die Sohnschaft in Christus zu hoffen und da‐ nach zu leben (Dunn 1993:230). Im nachfolgenden Appell, ermutigt Pau‐ lus  die  Galater  sich  an  seinem  Beispiel  zu  orientieren  und  der  neu  ge‐ Leonardo Iantorno

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wonnenen  Freiheit  und  Sohnschaft  treu  zu  bleiben,  um  nicht  in  eine  neue Gesetzlichkeit zurück zu fallen. 

3.2.5 Schlussfolgerungen aus Galater 4,1-11 Durch Leben, Tod und Auferstehung Jesu Christi sind alle Menschen zur  Sohnschaft  berufen  und  haben  Anteil  am  Heilserbe  Gottes  (Mussner  1974:266).  Christus  ist  es,  der  von  der  Versklavung  durch  Gesetz  und  die  „Weltelemente“  befreit  und  zur  Mündigkeit  befähigt,  um  das  Erbe  antreten zu können. In dieser Mündigkeit liegt der Schlüssel für das ent‐ decken und erleben einer neuen Identität als Kinder Gottes. Die Galater  haben, gleich wie auch wir heute, eine neue Identität in der Sohnschaft  durch Jesus Christus erhalten und sind deshalb nicht mehr Sklaven der  Welt (Vouga 1998:102). Als mündige Christen können sie das Erbe Got‐ tes antreten.   Es ist das Ziel des Wirkens Jesu, die Menschen in die Mündigkeit als Er‐ ben  Gottes  einzusetzen.  Nicht  das  Einhalten  der  Gesetze,  sondern  die  persönliche Beziehung zu Jesus Christus macht die Menschen zu mündi‐ gen Erben des Reiches Gottes. Durch den Glauben an das Erlösungswerk  Jesu  sind  die  Menschen  aus  der  Unmündigkeit  der  Sklaverei  zur  Mün‐ digkeit als selbstständige Erben berufen. Der Heilige Geist verändert die  Beziehung  zwischen  Gott  und  den  Menschen  von  einer  juristischen  zu  einer familiären Beziehung durch sein Wirken.   Paulus ermahnt die Galater und damit auch uns heute, diese Mündigkeit  nicht in eine neue Form der gesetzlichen Sklaverei einzutauschen. Neue  Gesetzlichkeiten,  Rituale  und  Festtage  dürfen  nicht  den  Platz  der  Frei‐ heit und Mündigkeit in Christus einnehmen. 

3.3 Texte aus dem 1. Korintherbrief 3.3.1 Einleitungsfragen und Kontextbestimmung Über  die  Verfasserschaft  des  Apostels  Paulus  besteht  kein  Zweifel  (Hörster 1993:220). In verschiedenen Kommentaren wird davon ausge‐ gangen, dass Paulus der Verfasser des 1. Korintherbriefes ist. Geht man  von  der  literarischen  Einheit  des  Briefes  aus,  so  wurde  der  Brief  von  Paulus  in  Ephesus  verfasst  (Lindemann  2000:17).  Über  Antiochia  und  Galatien gelangte der Apostel nach Ephesus, wo er wahrscheinlich mehr  Leonardo Iantorno

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als  zwei  Jahre  zugebracht  hat  und  auch  im  Gefängnis  war  (:17).  Ver‐ gleicht man verschiedene Kommentare auf die Datierung des ersten Ko‐ rintherbriefes hin, so kann man von einer Abfassungszeit zwischen den  Jahren  52  und  56  n.  Chr.  ausgehen  (siehe  Wolff  1996:13;  Lindemann  2000:17; Hörster 1993:199). Adressiert ist der Brief an die Gemeinde in  Korinth,  die  in  erster  Linie  aus  Heidenchristen  bestand  (Hörster  1993:198). Weitere Themen, die Paulus im ersten Korintherbrief in den  Vordergrund stellt, sind die Einheit der ἐκκλησίᾳ, der Gemeinde in Ko‐ rinth  (Lindemann  2000:  15),  Rechtsstreitigkeiten  und  moralethische  Fragen  (Hörster  1993:196f).  Der  Brief  geht  vor  allem  auf  Probleme  in‐ nerhalb  der  Gemeinde  ein  und  gibt  Einblick  in  die  theologische  Argu‐ mentation des Apostels Paulus (Wolff 1996:8f).   

3.3.2 Unsere Fleischlichkeit macht uns zu Unmündigen in Christus (1. Korinther 3,1-4) 3.3.2.1 Vers 1  Κἀγώ, ἀδελφοί, οὐκ ἠδυνήθην λαλῆσαι ὑμῖν ὡς  πνευματικοῖς ἀλλʼ ὡς σαρκίνοις, ὡς νηπίοις ἐν  Χριστῷ.  Und  ich,  Brüder,  konnte  nicht  zu  euch  reden  als  zu  Geistlichen,  sondern  als  zu  Fleischli‐ chen, als zu Unmündigen in Christus. 

Paulus  wirft  den  Korinthern  kein  religiöses  Versagen  vor,  sondern  er  spricht  in  erster  Linie  von  der  Beziehung  zwischen  ihm  und  der  Ge‐ meinde (Lindemann 2000:77; Schrage 1991:281). Die Korinther waren  noch keine „Pneumatiker“, sondern vielmehr von ihren alten Begierden  und  fleischlichen  Wünschen  bestimmt  und  damit  zwar  keine  Feinde  Gottes aber unmündig als Kinder Gottes (2000:77). Die Korinther „sind“  zwar in Christus, haben jedoch ihre Unmündigkeit behalten (:78). Auch  Schnabel betont die Unmündigkeit und Gebundenheit der Korinther, die  es  zu  überwinden  gilt,  um  Erwachsene  in  Christus  zu  werden  (2006:186). Merklein betont die Verbindung zwischen 2,6‐16 und 3,1‐4,  da Paulus hier das Gegenteil des „vollkommen“ aufführt und die Korin‐ ther als „unmündig“ bezeichnet (1992:247). Erst jetzt sind die Korinther  bereit für die Lehre des Apostels, um die Streitigkeiten beheben zu kön‐ nen (:249). Obwohl sie also zum Geist gehören, lassen sie sich nicht vom  Geist  führen  und  werden  deshalb  für  unmündig  in  ihrem  Leben  als  Leonardo Iantorno

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Christen erklärt (Schrage 1991:281).  Vielmehr kann man davon ausge‐ hen, dass es den Korinthern als Getaufte trotz ihres Strebens nach Weis‐ heit,  gerade  an  der  nötigen  Mündigkeit  im  Glauben  fehlt  (Kremer  1997:67).  3.3.2.2 Vers 2  άλα  ὑμᾶς  ἐπότισα,  οὐ  βρῶμα·οὔπω  γὰρ  ἐδύνασθε. ἀλλʼ οὐδὲ ἔτι νῦν δύνασθε,  Ich habe euch Milch zu trinken gegeben, nicht  feste  Speise;  denn  ihr  konntet    noch  nicht . Ihr könnt es aber auch jetzt  noch nicht, 

Zuerst  brachte  Paulus  den  Korinthern  die  elementare  Botschaft  des  Evangeliums von Jesus Christus, da sie für die verborgene Weisheit Got‐ tes noch nicht bereit gewesen wären (Wolff 1996:63‐64). Dies betonen  auch Schrage (1991:282f) und Fitzmyer (2008:187), die die Weisheit als  feste Nahrung bezeichnen. Obwohl der Heilige Geist sich in der Gemein‐ de kraftvoll manifestiert, sind die Gemeindeglieder noch nicht bereit für  „feste Nahrung“ (:64). Als Unmündige ist es den Korinthern nicht mög‐ lich,  die  ganze  Weisheitsrede  zu  verstehen.  Für  Kremer  wird  deutlich,  dass  Paulus  einem  Teil  der  Gemeinde  die  geistliche  Mündigkeit  ab‐ spricht,  nicht  aber  allen  Gemeindegliedern  gilt  (1997:67).  Dieses  Bild  der  Milch  als  leichte  Nahrung  war  in  der  griechisch‐römischen  Unter‐ weisung ein übliches Bild (Schnabel 2006:186). Auch Lindemann betont,  wie das Bild aus der antiken Lehrvermittlung bekannt ist (2000:78). Das  Verb  „trinken“  verdeutlicht  dabei,  wie  es  sich  bei  Milch  um  keine  feste  Speise,  sondern  um  leicht  verdauliche  geistliche  Nahrung  handelt  (:187). Sie benötigen in erster Linie eine neue Perspektive für die Wirk‐ lichkeit  des  Geistes  Gottes  (:187).  Einen  ähnlichen  Standpunkt  vertritt  hier  auch  Schrage  und  betont  die  fehlende  Entwicklung  der  Korinthi‐ schen Gemeinde (1991:282f).  3.3.2.3 Vers 3  ἔτι γὰρ σαρκικοί ἐστε. ὅπου γὰρ ἐν ὑμῖν ζῆλος  καὶ  ἔρις,  οὐχὶ  σαρκικοί  ἐστε  καὶ  κατὰ  ἄνθρωπον περιπατεῖτε;  denn ihr seid noch fleischlich. Denn wo Eifer‐ sucht  und  Streit  unter  euch  ist,  seid  ihr  da  nicht  fleischlich  und  wandelt  nach  Men‐ schenweise. 

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Das Wort ζῆλος beschreibt die negative Rivalität zwischen zwei Parteien  oder Personen und wird ähnlich wie Streit im Sinne von Spaltungen und  Konkurrenz  zwischen  Anhängern  verschiedener  Lehrmeinungen  (Schnabel  2006:188).  Solche  Streitigkeiten  sind  nicht  in  Gottes  Absicht  und  die  Korinther  sollten  gerade  darin  ihre  Unmündigkeit  erkennen  (:189).  Auch  Schrage  betont,  wie  σαρκικοί  hier  die  Lebensweise  nach  menschlichen Massstäben, die in Korinth die Christen unmündig macht:  „Das Sarkiker‐Sein besteht darin, die Sarx zur beherrschenden Norm des  περιπατεῖν  werden  zu  lassen“  (1991:283).  Sowohl  Lindemann  (2000:78)  als  auch  Wolff  (1996:65)  betonen  wie  schon  Schrage  und  Schnabel die fleischlichen Massstäbe, nach denen die Christen in Korinth  ihr  Leben  gestalten.  Alle  konsultierten  Kommentatoren  betonen  die  fleischliche  Haltung  der  Korinther  und  wie  diese  Haltung  sie  in  ihrer  Unmündigkeit  gefangen  hält.  Nur  wenn  die  Christen  den  neuen  Mass‐ stab Christi umsetzen, können sie zur Mündigkeit finden, die Paulus be‐ schreibt.  Die  rhetorische  Frage,  die  Paulus  hier  gebraucht,  soll  den  Be‐ zug  zu  den  falschen  und  unmündigen  Massstäben  der  Korinther  ver‐ deutlichen (Kremer 1997:68).  3.3.2.4 Vers 4  ὅταν γὰρ λέγῃ τις· ἐγὼ μέν εἰμι Παύλου, ἕτερος  δέ· ἐγὼ Ἀπολλῶ, οὐκ ἄνθρωποί ἐστε;  Denn wenn einer sagt: Ich bin des Paulus, der  andere  aber:  Ich  des  Apollos  –  seid  ihr  nicht  menschlich? 

In der Bindung an Menschen und der Geringschätzung gegenüber ande‐ ren  zeigt  sich  die  Unmündigkeit  der  Korinther  (Wolff  1996:65)  und  gleichzeitig  wird  auch  der  Weg  deutlich,  den  sie  noch  zu  gehen  haben,  um  ihre  Mündigkeit  zu  erlangen.  Den  Bezug  zu  Vers  1,12  zeigen  die  meisten Kommentatoren auf und betonen damit das unmündige Verhal‐ ten  der  Korinther,  die  sich  an  Personen  binden  (Kremer  1997:68).  Es  scheint, als hätten die Korinther ihre Berufung in Christus eingetauscht  gegen die Bindung an einen Leiter bzw. Prediger und die beiden Namen  dienen hier vor allem als Beispiele und sind nicht ausschliesslich zu ver‐ stehen (Fitzmyer 2008:188). Die zweite rhetorische Frage des Apostels  bestätigt  somit  Vers  3  und  knüpft  gleichsam  an  die  Problematik  der  Unmündigkeit  an  (Schnabel  2006:189).  Der  wahre  Pneumatiker  ist  für  Paulus  daher  Gott  gehorsam  und  lebt  als  ganzer  Mensch,  während  Un‐ Leonardo Iantorno

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mündige sich an Menschen binden und nicht an die Freiheit in Christus  (Schrage 1991:284). 

3.3.3 Mündigkeit als Grundlage für einen wachsenden Glauben (1. Korinther 13,11-13) 3.3.3.1 Vers 11  ὅτε  ἤμην  νήπιος,  ἐλάλουν  ὡς  νήπιος,  ἐφρόνουν  ὡς  νήπιος,  ἐλογιζόμην  ὡς  νήπιος·ὅτε  γέγονα  ἀνήρ,  κατήργηκα  τὰ  τοῦ  νηπίου.  Als ich ein Kind war, redete ich wie ein  Kind,  dachte wie ein Kind, urteilte wie ein Kind; als  ich ein Mann wurde, tat ich weg, was kindlich  war. 

Paulus betont mit dem beliebten Bild des Kindes hier die Unmündigkeit,  Hilflosigkeit und die Unerfahrenheit der Korinther, die zwar die Geistes‐ gaben  empfangen  haben,  dabei  jedoch  noch  nicht  zur  Reife  herange‐ wachsen  sind,  die  in  der  Neuen  Welt  Gottes  liegt  (Schnabel  2006:778).  Schrage  betont  dabei,  wie  diese  beiden  Phasen  des  Kindes‐  und  Man‐ nesalters  nicht  ineinander  übergehen,  sondern  einander  ablösen  und  damit  spiegeln  sie  den  Kontrast  zwischen  Stückwerk  und  dem  Voll‐ kommenen  wider  (1999:308‐309).  Wer  vom  Kind  zum  Erwachsenen  wird, lässt alles Kindhafte hinter sich und damit auch die Geistesgaben  aus 1 Kor 12, die ihre Bedeutung für den mündigen Erwachsenen verlie‐ ren (Kremer 1997:289). Auch Wolff betont den Wesensunterschied zwi‐ schen  dem  Kindes‐  und  dem  Mannesalter  und  wie  wichtig  das  Ver‐ schwinden der Kindhaftigkeit ist und auch er sieht in den Charismen ei‐ nen  Vorgeschmack  auf  die  Gaben  des  „vollkommenen  Mannes“  (1996:323).  Lindemann  erkennt  im  νήπιος  den  in  jeder  Hinsicht  Un‐ mündigen  und  verdeutlicht,  wie  andere  Kommentatoren  auch,  die  Dis‐ kontinuität zwischen Kind und Erwachsenem (2000:290).  3.3.3.2 Vers 12  βλέπομεν γὰρ ἄρτι διʼ ἐσόπτρου ἐν αἰνίγματι,  τότε  δὲ  πρόσωπον  πρὸς  πρόσωπον·ἄρτι  γινώσκω  ἐκ  μέρους,  τότε  δὲ  ἐπιγνώσομαι  καθὼς καὶ ἐπεγνώσθην.  Denn  wir  sehen  jetzt  mittels  eines  Spiegels,  undeutlich, dann aber von Angesicht zu Ange‐ sicht. Jetzt erkenne ich stückweise, dann aber  werde  ich  erkennen,  wie  auch  ich  erkannt  worden bin.  Leonardo Iantorno

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Das βλέπομεν beschreibt nach Lindemann das Rätsel (αἰνίγματι) des in‐ direkten Erkennens Gottes, das erst durch das „von Angesicht zu Ange‐ sicht“  Sehen  aufgelöst  wird  (2000:292).  Wie  auch  Schrage  (1991:310)  betont  Lindemann,  dass  das  Sehen  nicht  mit  Prophetie  zu  vergleichen  ist, sondern das Erkennen beschreibt (:291). Auch Wolff beschreibt die  Unvollkommenheit der Gottesgemeinschaft durch die Geistesgaben, die  im  Gegensatz  zur  „unmittelbaren  und  fortwährenden  Gemeinschaft“  zwischen Gott und den Glauben steht (1996:324). Die Zuwendung Got‐ tes gegenüber den Glaubenden durch Christus macht eine unmittelbare  Gottesgemeinschaft 4   erst  möglich  (:324).  Diese  unmittelbare  Gottesge‐ meinschaft und das Schauen Gottes wird nach Schnabel erst in der Neu‐ en Welt Gottes möglich sein, in der das Bruchstückhafte durch das Voll‐ kommene  ersetzt  wird  (2006:780).  Allerdings  wird  im  ἐπεγνώσθην  deutlich, dass Gott es ist, der die Menschen zuerst erkannt hat und ihnen  damit die Möglichkeit zu erkennen gibt (:781). Das Zukünftige wird auch  bei  Gregor  von  Nyssa  als  das  kommende  Zeitalter  Gottes  beschrieben  (Kovacs  2005:225).  Allerdings  hat  Gott  die  sich  den  Menschen  schon  heute  zugewendet  und  sie  aus  Gnade  erwähl,  um  dem  Sohn  gleichge‐ stellt zu sein (Schrage 1999:315).  3.3.3.3 Vers 13  Νυνὶ  δὲ  μένει  πίστις,  ἐλπίς,  ἀγάπη,  τὰ  τρία  ταῦτα μείζων δὲ τούτων ἡ ἀγάπη.  Nun aber bleibt Glaube, Hoffnung, Liebe, diese  drei; die größte aber von diesen ist die Liebe. 

Erst aus der Liebe werden Glauben und Hoffnung geprägt und gleichzei‐ tig  werden  nicht  Prophetie,  Sprachenrede  und  Erkenntnis,  sondern  Glaube, Hoffnung und Liebe im Leben des Christen als Äusserungen des  Heiligen Geistes deutlich (Wolff 1996:325). Glaube, Hoffnung und Liebe  bedeuten  den  Anbruch  des  Reiches  Gottes  unter  den  Menschen.  Die  Christen bekennen im Glauben ihre Hoffnung und leben daraus die Lie‐ be,  die  sie  von  Gott  empfangen  (Schnabel  2006:782).  In  besonderem  Masse  beschreibt  die  Liebe  hier  die  Wirklichkeit  der  Gemeinschaft  mit  Christus,  da  sie  die  Gegenwart  des  Heils  beschreibt  (:782‐783).  Ohne  Glaube,  Hoffnung  und  Liebe  kann  kein  Christ  leben  und  für  Kremer  ist                                                                4 Siehe auch Galater 4,9 

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diese Trias zwingend und deshalb als Appell zu verstehen, denn „als die  ‚grössere’  dient  sie  mehr  noch  als  etwa  die  Prophetie  dem  Aufbau  der  Kirche“ (1997:291). Paulus schätzt die Liebe als höchste Gabe, da sie das  Zusammenleben  innerhalb  der  Kirche  und  in  der  Welt  ermöglicht  (:292).  So  wird  die  Liebe  in  Glauben  und  Hoffnung  Realität  und  damit  sind  Glaube  und  Hoffnung  in  der  Gegenwart  die  wichtigen  Pfeiler  der  Liebe, die im Eschaton erfüllt werden (Merklein 2005:163). Die Liebe ist  also der  Massstab für das Handeln, Glauben und  Hoffen der  Menschen,  wie Paulus es bereits in  Vers 7 beschreibt und damit ist die Praxis der  Liebe  schon  ein  Vorgriff  des  Eschatons  in  der  Gegenwart  er  Menschen  (Lindemann 2000:293). 

3.3.4 Schlussfolgerungen aus 1. Korinther 3,1-4 und 13,11-13 Die  Unmündigkeit  der  Korinther  zeigt  sich  in  ihrem  Streben  nach  Be‐ friedigung  fleischlicher  Begierden  und  Wünsche  (Lindemann  2000:77).  Sie  binden  sich  statt  an  Christus  und  den  Heiligen  Geist  an  Leiter  und  starke  Persönlichkeiten,  die  sie  vom  Weg  abbringen.  Paulus  zeigt  auf,  wie wichtig es vielmehr ist, das Kindhafte ganz abzulegen, um zur vollen  Reife zu gelangen und eine mündige Nachfolge zu leben. Diese Reife ist  notwendig, um die „ganze Weisheitsrede“ (Kremer 1997:67)  verstehen  zu  können.  Wer  sich  gegen  diese  Reife  entscheidet  und  am  kindhaften,  unmündigen Verhalten festhält, lebt nicht durch den Heiligen Geist, den  Christus den Menschen als Beistand geschickt hat. Wer sich jedoch nach  der Mündigkeit ausstreckt, lebt eine praktische Liebe aus seinem Glau‐ ben und Hoffen heraus. Die Liebe ist der entscheidende Massstab für das  Leben mündiger Christen (Lindemann 2000:293). Mündigkeit zeigt sich  durch  das  Reden  und  Handeln  im  alltäglichen  Leben  in  der  Nachfolge.  Ein solches Leben als „Pneumatiker“ bindet sich an die Freiheit in Chris‐ tus und nicht an andere Menschen (Schrage 1991:284). 

3.4 Epheser 4,11-16: Christus beruft zur vollen Mündigkeit und Reife 3.4.1 Einleitungsfragen und Kontextbestimmung Die  Frage  der  Verfasserschaft  wird  kontrovers  diskutiert  und  soll  aus  Platzgründen  hier  nur  kurz  dargestellt  werden.  Gerhard  Hörster  be‐ Leonardo Iantorno

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gründet mithilfe der Kirchenvätertexte, dem Briefaufbau und den theo‐ logischen  Grundlagen  des  Textes,  dass  man  von  einer  Verfasserschaft  des Apostels ausgehen kann (1993:229‐236). Im Gegensatz dazu gehen  Best, Schnackenburg und auch Pokorny von einem unbekannten Verfas‐ ser aus, der, so Schnackenburg ein Schüler Paulus’ gewesen sein könnte  (1982:25).  Alle  drei  Kommentatoren  erkennen  im  Epheserbrief  ein  nichtpaulinisches,  pseudoepigraphisches  Werk  eines  Paulusschülers.  Daraus schliesst Best, dass die Verfasser des Epheserbriefes und des Ko‐ losserbriefes,  der  in  engem  Zusammenhang  zum  Epheserbrief  steht,  zwei  verschiedene  und  uns  unbekannte  Personen  sein  müssen  (1998:36).  Ich  halte  es  jedoch  für  unwahrscheinlich,  dass  ein  Schüler  Paulus’  sich  unter  falschem  Namen  präsentieren  sollte  und  gehe  somit  davon aus, dass der Autor des Epheserbriefes gemäss dem Briefkopf der  Apostel  Paulus  selbst  ist.  Man  geht  einhellig  davon  aus,  dass  der  Brief  aus der Gefangenschaft geschrieben wurde, da sich der Verfasser selbst  „Gefangener in Christus (Eph 3,1) und „Gesandter in Ketten“ (Eph 6,20)  nennt.  Gehard  Hörster  nennt  Rom  und  Caesarea  als  mögliche  Abfas‐ sungsorte,  da  Paulus  dort  in  Gefangeschaft  war  (1993:239).  Während  Ernest  Best  die  Gefangenschaft  in  Rom  für  wahrscheinlicher  hält  (1998:46),  zieht  Petr  Pokorny  jene  in  Caesarea  vor  (1992:42).  Ich  schliesse mich dieser Ansicht an, dass der Brief zwischen 80‐90 n. Chr.  in Caesarea verfasst wurde.  Paulus nennt die Leser seines Briefes Erben Christi und bittet im ersten  Kapitel  zuerst  für  den  Geist  der  Wahrheit  für  die  Gemeinde.  Christus  steht  als  Erfüllung  über  allem  und  bedeutet  die  Einheit  der  Gläubigen  untereinander.  Paulus  wünscht  sich  für  alle  die  Weisheit  Gottes  durch  den Dienst und stellt sich dabei selbst als Diener unter die Gnade Christi.  Die Christen sollen wahre Nachahmer und Kinder Gottes sein. Dies soll  in Liebe zu einander geschehen. Weiter beschreibt Paulus in diesem Zu‐ sammenhang  das  Leben  in  der  Ehe  zwischen  Mann  und  Frau  und  die  Beziehung der Kinder zu den Eltern. Er nimmt zur Beziehung zwischen  Sklaven  und  ihren  Herren  Bezug  und  zeigt  den  rechten  Umgang  unter‐ einander auf. Im abschliessenden Kapitel ermutigt Paulus die Leser, die  Zurüstung  Gottes,  seine  Waffenrüstung  anzuziehen  und  sich  damit  für  dieses Leben als Gemeinde auszurüsten. 

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3.4.2 Die volle Mündigkeit durch den fünffachen Dienst (Epheser 4,11-13) 3.4.2.1 Vers 11  Καὶ  αὐτὸς  ἔδωκεν  τοὺς  μὲν  ἀποστόλους,  τοὺς  δὲ  προφήτας,  τοὺς  δὲ  εὐαγγελιστάς,  τοὺς  δὲ  ποιμένας καὶ διδασκάλους,  Und er hat die einen als Apostel gegeben und  andere als Propheten, andere als Evangelisten,  andere als Hirten und Lehrer, 

Wie wir in der Kontextbestimmung bereits gelesen haben, steht der ge‐ samte Epheserbrief unter dem grossen Thema der Einheit und der Liebe  untereinander in der Gemeinde. Im vierten Kapitel werden nun die ver‐ schiedenen Aufgaben und Gaben, die Christus seiner Gemeinde schenkt,  betrachtet.  Der  sog.  Fünffältige  Dienst,  den  Paulus  beschreibt,  verteilt  die  Aufgaben  innerhalb  der  Gemeinde  auf.  All  diese  Ämter  waren  bzw.  sind in Christus vereinigt und er teilt sie an seine Gemeinde aus, verteilt  sie auf mehreren Schultern. In der Auflistung der Ämter kann ich keine  ausdrückliche  Reihenfolge  bzw.  Rangliste  erkennen.  Vielmehr  erschei‐ nen  sie  gerade  durch  die  einfache  Aufzählung  im  griechischen  durch  τοὺς μὲν… τοὺς δὲ  als gleichberechtigte, gleichwichtige Dienste. Paulus  teilt die Ämter folgendermassen auf: Es braucht (1) Apostel, die wie die  Apostel  Jesu,  das  Evangelium  weiter  tragen,  Gemeinden  gründen  und  diesen  Anleitung  für  ihr  Gemeindeleben  geben  können.  Es  braucht  (2)  Propheten, die in das Leben der Gemeinde und der Menschen hineinre‐ den und ihnen damit helfen ihren Weg mit Christus zu gehen. Es braucht  (3) Evangelisten, die mutig und mit Liebe das Evangelium verkünden, so  dass Menschen (Heiden gleich wie Juden) glauben. Weiter braucht es (4)  Hirten,  die  sich  um  die  Gemeinschaft  und  gleichzeitig  um  jeden  einzel‐ nen mit Einsatz kümmern. Betrachten wir das Bild des Hirten im bibli‐ schen Kontext wird deutlich, welch persönliche Beziehung  ein Hirte zu  seinen Schafen hat, wie er sich um sie kümmert. In diesem Zusammen‐ hang steht auch das Gleichnis Jesu zum verlorenen Schaf. Christus inves‐ tiert alles für ein einzelnes Schaf und so sehen wir im Hirtendienst einen  aufopferungsvollen  Dienst  in  der  Gemeindeleitung.  Es  braucht  ausser‐ dem (5) Lehrer, die für eine gesunde und häresiefreie Verkündigung der  biblischen Lehre sorgen. Dabei auch in der Gemeindezucht eine zentrale  Rolle spielen. 

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Rudolf Schnackenburg führt gegen die Gleichstellung der einzelnen Äm‐ ter an, dass sie zwar gleichwertig sind, es jedoch bewusste Verschiebun‐ gen gibt (1982:184). So sieht er die beiden Ämter des Apostels und des  Propheten  als  schon  bekannte  und  unanfechtbare  Autoritäten  der  Kir‐ che  an.  Diesen  beiden  werden  drei  weitere  Dienste  angeschlossen,  die  ihre Aufgabe zusammen mit Aposteln und Propheten in der Leitung be‐ sitzen (1982:184). Er beschreibt einen Zusammenhang mit 1 Kor 12,28,  wo der Apostel‐ und Prophetendienst bestätigt sind und durch Eph 4,11  ergänzt und die Schwerpunkte auf den Hirten‐ und Lehrdienst verlagert  werden (1982:184‐185). Auch Hans Hübner betrachtet die Reihenfolge  der Dienste als relevant für das Verständnis und hebt das Amt des Apos‐ tels hervor, dem die anderen Dienste zur Ergänzung dienen (1997:206‐ 207). Für Calvin sind die verschiedenen Dienste auf die Verschiedenheit  der Gemeindeglieder zurückzuführen. Diese Gaben wurden von Christus  an  die  Gemeinde  weitergegeben,  um  die  Vollständigkeit  des  Leibes  zu  ermöglichen. Christus ist es, der den Einzelnen beschenkt und für seinen  Dienst  befähigt.  Calvin  sieht  in  einer  gleichwertigen  Aufteilung  der  Ga‐ ben  eine  Art  der  Vorbeugung  vor  Eifersucht  und  Missgunst  innerhalb  der  Gemeinde.  Zwar  erkennt  auch  er  Ähnlichkeiten  zwischen  dem  Hir‐ ten‐ und Lehrdienst, doch bleibt für ihn die klare Trennung der beiden  Ämter bestehen (1963:163).  3.4.2.2 Vers 12  πρὸς  τὸν  καταρτισμὸν  τῶν  ἁγίων  εἰς  ἔργον  διακονίας,  εἰς  οἰκοδομὴν  τοῦ  σώματος  τοῦ  Χριστοῦ,  zur Ausrüstung der Heiligen für das Werk des  Dienstes, für die Erbauung des Leibes Christi,  

Die  einleitende  Präposition  πρὸς  führt  von  der  Vorstellung  der  Ämter  zur Begründung und Rechtfertigung derselben. Die Gaben sollen der Zu‐ rüstung  und  Vervollkommnung,  was  das  καταρτισμον  auch  bedeuten  kann,  dienen.  Die  Gläubigen  sollen  durch  sie  für  ihr  (Gemeinde‐)Leben  vorbereitet  und  eingesetzt  werden.  Dabei  meint  das  in  den  meisten  Übersetzungen  gebrauchte  Wort  „Ausrüstung“  das  Vorbereiten,  Bereit‐ stellen und Stärken der Gläubigen durch die Gaben auf das Ziel hin. Die  beiden Präpositionen εἰς ordnen das Werk des Dienens und das Erbauen  des  Leibes  Christi  dieser  Ausrüstung  unter,  was  darauf  hinweist,  dass  nur aus dieser Ausrüstung heraus, der Dienst und das Erbauen des Lei‐ Leonardo Iantorno

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bes  Christi  folgen  kann.  Somit  sind  der  Dienst  und  das  Erbauen,  was  meiner Meinung nach auch mit Wachstum verbunden ist, die zentralen  Aufgaben  der  Gläubigen.  Durch  den  Dienst  am  Einzelnen,  das  Handeln  am  Menschen  selbst,  wächst  die  Gemeinde  bzw.  der  Gläubige  im  Glau‐ ben und im Vertrauen auf Christus. Es kann Paulus dabei nicht nur um  zahlenmässiges Wachstum, sondern um das Entwickeln geistlicher Reife  gehen. Die Gemeinde ist der Leib Christi und es braucht für ein Wachs‐ tum die Einheit der in Vers 11 genannten Gaben. In diesem Zusammen‐ hang  ist  vor  allem  auch  das  Bild  des  Leibes  zu  beachten,  welches  die  Funktionen des Körpers als Einheit beschreibt und somit die Einheit in  der  Gemeinde,  die  Paulus  proklamiert,  verdeutlicht.  Die  Ausführungen  Schnackenburgs  stellen  drei  grundlegende  Ziele  der  Gaben  in  den  Mit‐ telpunkt,  die  sich  seiner  Meinung  nach  vor  allem  auf  den  Hirten‐  und  Lehrdienst  beziehen.  Diesen  Zusammenhang  schiesst  er  aus  der  Satz‐ stellung des Verses. Auch er sieht im καταρτισμον ein allgemeines Auf‐ richten  und  Stärken  des  Einzelnen  durch  die  Gaben  (1982:185).  Die  5  Gaben bzw. Dienste erfüllen somit eine hauptsächlich dienende Aufgabe,  da es beim Bau der Gemeinde um mehr geht, als nur um den Dienst als  solchen.  Das  Bild  des  Baus  macht  hierbei  das  angestrebte  Wachstum  deutlich, welches wiederum allein von Christus ausgeht und damit keine  menschliche Leistung ist. Die Dienste sind also nur die Ausrüstung und  nicht  der  Grund  für  ein  Gemeindewachstum  (1982:186).  Pokorny  ver‐ steht den Aufbau des Leibes Christi als Sache aller Christen (1992:175),  denn  die  Kirche  und  damit  ihre  Glieder  sind  von  Christus  dazu  ausge‐ sandt (:177). Ein solches Leben muss sich auf alltägliche Leben auswir‐ ken (:178) und hat deshalb auch entscheidenden Einfluss auf die Identi‐ tät des Einzelnen als Teil des Leibes. Die Einheit in Christus ist folglich  die Quelle des Lebens für den Gläubigen (Edwards 1999:166).  3.4.2.3 Vers 13  μέχρι  καταντήσωμεν  οἱ  πάντες  εἰς  τὴν  ἑνότητα τῆς πίστεως καὶ τῆς ἐπιγνώσεως τοῦ  υἱοῦ  τοῦ  θεοῦ,  εἰς  ἄνδρα  τέλειον,  εἰς  μέτρον  ἡλικίας τοῦ πληρώματος τοῦ Χριστοῦ,  bis wir alle hingelangen zur Einheit des Glau‐ bens  und  der  Erkenntnis  des  Sohnes  Gottes,  zur  vollen  Mannesreife,  zum  Vollmaß  des  Wuchses der Fülle Christi. 

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Wieder  ist  es  eine  Präposition,  die  auf  eine  entscheidende  Zielsetzung  hinweist.  Durch  das  μεχρι  wird  ein  zeitliches  Ende,  ein  Erreichen,  ein  Ziel des Dienens und des Erbauens aus der Ausrüstung heraus deutlich,  welches  die  Einheit  des  Glaubens,  die  Erkenntnis  Christi,  die  Reife  als  Mensch  und  Gemeinde  und  das  Wachstum  im  Glauben  hin  zur  Fülle  Christi  führt.  Diese  Ziele  sind  nicht  nur  „dienstlich“  zu  verstehen,  son‐ dern  beziehen  sich  auf  das  persönliche  Leben  jedes  Gemeindegliedes.  Einheit, Erkenntnis, Reife und Wachstum sind die Folgen aus einem Le‐ ben  im  Dienst  und  in  der  Ausrüstung  durch  Christus.  Wie  wir  schon  festgestellt haben, erkennt auch Schnackenburg die Einheit der Gemein‐ de  als  inneres  Anliegen  des  Verfassers.  Um  zur  Reife  im  Glauben  zu  kommen, braucht es den Dienst, vor allem den Dienst der Verkündigung  (1982:187). 

Dieser 

Wachstumsprozess 

ist 

durch 

das 

Verb 

καταντησωμεν  und  seiner  Bedeutung  des  Hingelangens,  Erreichens  näher  beschrieben  und  verdeutlicht,  wie  die  Kirche  unterwegs  zur  Vollendung  ist  (:187).  Mit  dem  Ausdruck  der  „Mannesreife“  beschreibt  Paulus  nicht  die  Reifeentwicklung  der  jungen  Männer,  sondern  der  geistliche  und  menschliche  Werdegang  der  Kirche  bzw.  der  Gemeinde  gemeint,  die  zu  einem  mündigen  und  erwachsenen  Mann  heranreifen  soll (1982:188). Die Kirche soll dabei „dynamisch‐intensiv von der Fülle  Christi,  seinen  Heilskräften  und  seiner  göttlichen  Weisheit,  durchdrun‐ gen  werden“  (:188).  Auch  Hans  Hübner  erkennt  in  der  Mannesreife  nicht  das  quantitative  Wachstum,  sondern  ein  qualitatives  Wachstum  zur Reife hin. Dieses Wachstum kann der Kirche nur gelingen, wenn sie  auf Christus hinstrebt (1997:209). Dabei wächst die Einheit aus der Er‐ kenntnis des Sohnes Gottes. Hier geht es allerdings nicht um Sach‐ bzw.  Fachwissen, sondern um eine Tiefe innere Erkenntnis in Christus erlöst  zu  sein  (1997:208).  Daraus  schliesst  Hübner,  dass  die  Kirche  dann  wächst,  wenn  sie  auf  Christus  hin  wächst.  Damit  stehen  Eschatologie  und Ekklesiologie in einem engen Zusammenhang. Die Einheit des Glau‐ bens ist für Calvin ein aufeinander Zugehen, ein sich Begegnen aus dem  sich  der  Glaube  und  die  Erkenntnis  eines  jeden  entwickelt  (1963:167).  Das griechische τέλειον beschreibt ein perfektes und komplettes Wesen,  welches  sich  erst  in  der  Verbindung  zwischen  dem  Wissen  über  Jesus  und der Reife konstatiert (Muddiman 2001:203) und damit die Identität  des Einzelnen hervorhebt, der als Teil der Kirche zur vollen Mannesreife  hinwächst  (:202).  Petr  Pokorny  betont  die  enge  Verbindung  zwischen  Leonardo Iantorno

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Leib  und  Haupt  und  damit  auch  das  Wachsen  hin  zur  Mündigkeit  als  vollkommener Mann (1992:180). 

3.4.3 Geistliches Wachstum kommt aus einem mündigen Leben (Epheser 4,14-16) 3.4.3.1 Vers 14  ἵνα  μηκέτι  ὦμεν  νήπιοι,  κλυδωνιζόμενοι  καὶ  περιφερόμενοι  παντὶ  ἀνέμῳ  τῆς  διδασκαλίας  ἐν  τῇ  κυβείᾳ  τῶν  ἀνθρώπων,  ἐν  πανουργίᾳ  πρὸς τὴν μεθοδείαν τῆς πλάνης,  Denn  wir  sollen  nicht  mehr  Unmündige  sein,  hin‐  und  hergeworfen  und  umhergetrieben  von jedem Wind der Lehre durch die Betrüge‐ rei der Menschen, durch ihre Verschlagenheit  zu listig ersonnenem Irrtum.  

Die  Bezeichnung  „Unmündige“  in  diesem  Zusammenhang  weist  auf  kindhaftes,  unreifes  Verhalten  hin.  Dieses  Bild  betont  die  mangelnde  Verantwortung  für  sich  selbst,  die  die  Gemeinde  bisher  übernehmen  konnte. Die Verben in diesem Vers malen ein Bild der Zerrissenheit und  des Verlorenheit, in der die Gemeinde sich ohne Christus befindet. Diese  Zerrissenheit  kann  nur  durch  Christus  verändert  werden,  denn  er  schenkt Klarheit und nimmt sich des Lebens eines jeden an. Das Bild des  Windes  beschreibt  die  Angst  und  die  Gefahr  eines  Rückfalls  in  alte,  schlechte Gewohnheiten, in jene Unstetigkeit durch falsche Lehren. Da‐ mit  wird  deutlich,  wie  Betrügereien  und  die  Verschlagenheit  der  Men‐ schen Christus gegenüberstehen. Deshalb werden die Leser von Paulus  ermahnt, sich davon zu trennen, um nicht vom Weg weggeführt zu wer‐ den. In dieser Abneigung von Paulus gegen jede Form der Irrlehre sehen  wir auch die Wichtigkeit der Verkündigung des Evangeliums, die Paulus  schon zuvor betont. Und wenn Calvin schreibt, dass das Wort Gottes die  Kirche nährt, liegt hier auf der Hand, dass durch falsche Lehre die Kirche  von  innen  heraus  zerstört  wird.  In  diesem  Zusammenhang  betont  Er‐ nest Best, wie die Ämter dazu gegeben wurden, um gegen diese „bösen  Mächte“  anzugehen,  doch  sind  es  nicht  die  Ämter  allein,  sondern  alle  Gläubigen, die zu diesem Kampf berufen sind (1998:403). Best weist auf  das Bild des unmündigen Kindes hin und erkennt darin die fehlende Rei‐ fe  der  Gemeinde  (1998:404)  und  damit  des  Einzelnen.  Zudem  zeigt  er  auf, dass sich die damaligen Irrlehren wahrscheinlich vor allem ethische  Fragen betrafen (1998: 405). Paulus scheint diese Gefahr sehr ernst zu  Leonardo Iantorno

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nehmen,  was  auch  darauf  hinweisen  könnte,  dass  die  Gemeinde  nicht  sehr sicher in der christlichen Lehre steht (1997:209‐210). Erst die Ga‐ be Christi befähigt den Gläubigen reif und mündig zu werden und stellt  daher  einen  Gegensatz  zum  Leben  in  der  Unmündigkeit  und  im  „Wind  der  Lehre“  dar  (Muddiman  2001:204‐205).  Ein  Leben  in  der  Gnade  Christi verändert den Menschen zu einem mündigen Menschen, der Irr‐ lehre  erkennt  und  sich  dagegen  stellt  (:205).  Sowohl  Schnackenburg  (1982:189),  als  auch  Pokorny  (1992:181)  betonen,  wie  die  Unmündig‐ keit  des  Einzelnen  im  Gegensatz  zur  vollkommenen  Mannesreife  und  zur Einheit steht. Dass diese Unmündigkeit überwunden werden muss,  wird durch den Finalsatz betont, der Vers 14 einleitet (:181).  3.4.3.2 Vers 15  ἀληθεύοντες δὲ ἐν ἀγάπῃ αὐξήσωμεν εἰς αὐτὸν  τὰ πάντα, ὅς ἐστιν ἡ κεφαλή, Χριστός,  Laßt  uns  aber  die  Wahrheit  reden  in  Liebe  und  in  allem  hinwachsen  zu  ihm,  der  das  Haupt ist, Christus.  

Aus der bestehenden Gefahr, die aus Irrlehren an die Gemeinde heran‐ tritt,  ermutigt  Paulus  die  Gemeinde  die  Lüge  untereinander  abzulegen.  Die  Wahrheit  untereinander  soll  das  Merkmal  für  den  Umgang  sein.  Grundlage für einen solchen Umgang in der Wahrheit ist die Liebe. Pau‐ lus  spricht  von  der  Liebe  als  der  zentralen  Kraft  und  Grundlage  im  Le‐ ben der Gemeinde auch an anderer Stelle, wie beispielsweise im „Hohe‐ lied der Liebe“ in 1 Kor 13, wo Paulus die Eigenschaften der Liebe auf‐ zeigt und sie als zentrales Element im Leben in der Nachfolge verdeut‐ licht. Die Liebe nach dem Vorbild Christi zu leben, ist also die entschei‐ dende  Aufgabe  der  Gemeinde,  um  Christus  ähnlicher  zu  werden.  Diese  Liebe  soll  universell,  in  allem,  was  wir  tun,  was  wir  reden,  unser  Han‐ deln  bestimmen.  Das  griechische  τα  παντα  verstärkt  diese  universelle  Bedeutung dieser Liebesaufgabe. Es geht nicht nur um ein augenschein‐ liches Handeln in der Liebe, sondern um eine neue Identität, eine verän‐ derte  Herzenshaltung  der  einzelnen  Gemeindeglieder.  Das  Ziel  dieses  Lebens in der Wahrheit, die in der Liebe gründet, ist das „Hinwachsen“  auf Christus hin. Also hat diese Lebenshaltung ein Ziel, eine Destination,  nämlich eine engere und tiefere Beziehung zum Ursprung der Liebe, wie 

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Paulus Christus bezeichnet 5 , hin. Christus geht der Kirche voran, ist ihr  Vorreiter  und  damit  auch  das  Haupt  eines  jeden  einzelnen  in  der  Ge‐ meinde. Durch das Bild des Hauptes werden alle Gemeindeglieder zu ei‐ nem ganzen, der Gemeinde zusammengefasst, somit macht Christus ein  Gemeindeleben  erst  möglich.  Eine  andere  Bedeutungsebene  der  Wahr‐ heit in diesem Kontext zeigt Schnackenburg auf, wenn er in der hier an‐ gesprochenen  Wahrheit  die  Wahrheit  des  Evangeliums  erkennt  (1982:190).  Diese  Wahrheit  aus  dem  Evangelium  Christi  gibt  der  Ge‐ meinde den Halt in Christus, dem Haupt der Gemeinde. Durch die Liebe  als  Fundament  wird  jede  Arglist,  jede  Bosheit  aus  dem  Verhalten  und  dem Handeln des Einzelnen verbannt (1982:190). Die Liebe muss sich,  so Schnackenburg weiter, im Handeln bzw. im Leben der Gemeinde wi‐ derspiegeln  und  so  wird  also  der  Prozess  des  sich  auch  Christus  Aus‐ richtens eingeleitet und die Gemeinde wächst damit in Glaube, Erkennt‐ nis,  Einheit  und  Liebe  auf  Christus  hin  (1982:191).  Auch  Hans  Hübner  sieht hinter der Wahrheit die Liebe, die das Evangelium berichtet. In den  Versen  12‐15  erkennt  er  einen  Entwicklungsprozess  auf  das  Ziel,  das  Hinwachsen  auf  Christus,  wieder  (1997:210‐211).  Wie  schon  Schna‐ ckenburg zeigt auch Hübner auf, dass sich der Glaube bzw. die Liebe im  Leben der Gemeinde zeigen muss (1997:211). Und aus diesem Glauben  heraus  zeigt  sich  der  Unterschied  im  „Sein“  des  Einzelnen  (1997:212).  Für  Petr  Pokorny  zeigt  sich  das  Offenbar‐Werden  Gottes  in  ehrlichen  und  wahrhaftigen  Beziehungen  der  Menschen  untereinander  (1992:182). Wachstum kommt daher aus der Sendung der Kirche und in  Verankerung in Christus des Einzelnen (:182). Christus ist dabei gleich‐ zeitig das Ziel und die Quelle der Kirche und damit des Lebens des Ein‐ zelnen (Muddiman 2001:208). So bleibt das Zusammenleben von Wahr‐ heit und Liebe das zentrale Element des Verses, der entscheidende theo‐ logische, wie lebensnahe  Veränderungen im Gemeindeleben beschreibt  und  darin  einen  Prozess  des  Gemeinde‐  bzw.  persönlichen  Wachstums  aufzeigt.  3.4.3.3 Vers 16  ἐξ  οὗ  πᾶν  τὸ  σῶμα  συναρμολογούμενον  καὶ  συμβιβαζόμενον  διὰ  πάσης  ἁφῆς  τῆς 

                                                              5 Siehe Philipper 2,1‐11 

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ἐπιχορηγίας  κατʼ  ἐνέργειαν  ἐν  μέτρῳ  ἑνὸς  ἑκάστου  μέρους  τὴν  αὔξησιν  τοῦ  σώματος  ποιεῖται εἰς οἰκοδομὴν ἑαυτοῦ ἐν ἀγάπῃ.  Aus ihm wird der ganze Leib zusammengefügt  und verbunden durch jedes der Unterstützung  dienende Gelenk, entsprechend der Wirksam‐ keit nach dem Maß jedes einzelnen Teils; und  so  wirkt  er  das  Wachstum  des  Leibes  zu  sei‐ ner Selbstauferbauung in Liebe. 

Christus allein ist das verbindende Element der Gemeinde, der die ein‐ zelnen  Teile  zu  einer  Einheit,  einer  Gemeinschaft  zusammenschweisst.  Es geht dabei nicht um einen Zusammenschluss gleicher Elemente, son‐ dern  um  eine  Gemeinschaft  verschiedener  begabter  Menschen,  die  auf  ihre  Art  und  mit  ihren  Gaben  in  den  Dienst  in  der  Gemeinde  treten.  Wachstum durch Christus entsteht also dort, wo sich jeder mit den ihm  geschenkten Fähigkeiten bereitwillig einbringen kann. Wo jeder seine „5  Brote und 2 Fische“ investiert, schenkt Christus Einheit und Wachstum.  Dieses  Wachstum  geht  allerdings  weiter  als  nur  in  Bezug  auf  das  Ge‐ meindewachstum. Es meint das persönliche Wachstum eines jeden Ein‐ zelnen  auf  Christus  hin.  Wo  jeder  in  seiner  Beziehung  zu  Christus  wächst,  verändert  sich  also  auch  das  Gemeindewesen.  Dieses  persönli‐ che Wachstum findet in der Liebe statt und die Liebe wächst so im Le‐ ben des Einzelnen weiter. Und im umgekehrten Sinne dient das „Wachs‐ tum  des  Leibes“  zur  „Selbstauferbauung  in  Liebe“  jedes  einzelnen  Ge‐ meindegliedes. Wieder finden wir das Bild des Leibes und die dominie‐ rende Stellung Christi als das Haupt der Gemeinde. Die Leitung der Ge‐ meinde kommt also aus Christus heraus (1982:191). Christus ist derje‐ nige, der seinen Leib durch die Gelenke in Bewegung bringt und ihn auf‐ stellt (:192). Diese dadurch entscheidende Rolle Christi für die Gemein‐ deentwicklung soll hier nochmals verdeutlicht werden:   Von Christus her vollbringt er sein Wachstum  zum  Aufbau  seiner  selbst  „in  Liebe“.  Der  Auf‐ bau  kann  nur  in  dem  Masse  gelingen,  als  alle  Teile, Leitende und übrige Gläubige, einträch‐ tig, in Liebe zusammenwirken. (:193) 

Also  ist  die  Liebe  wieder  das  Zentrum  des  Gemeindelebens  aber  auch  des Gemeindewachstums. So ist verbindet Paulus in diesem Vers einmal  mehr die Liebe mit der Person und der Tat Christi, die die Gemeinde und  damit  jeden  Gläubigen  „aufbaut“  und  sich  entwickeln  lässt.  Nur  wenn  der Leib als ganzes wächst, so Calvin, kann man von „gutem“ Wachstum 

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sprechen, das wiederum füreinander wirksam ist, also für jeden Einzel‐ nen gilt (1963:171). Durch das innere Wachstum auf Christus hin wird  die Kirche zum Instrument der Herrschaft Christi in der Welt und wird  sowohl  nach  innen  als  auch  nach  aussen  wachsen  (Pokorny  1992:183‐ 184). 

3.4.4 Schlussfolgerungen aus Epheser 4,11-16 Die fünf Dienste sind Christi Geschenk für seine Kirche und dienen der  Zurüstung und Vervollkommnung zuerst des Einzelnen in seiner Nach‐ folge und damit auch der Kirche als Ganzes. Der Einzelne Christ gelangt  durch  diese  Dienste  zu  persönlichem  Wachstum  und  entwickelt  durch  sie  geistliche  Reife  (Muddiman  2001:204f).  Dieses  Wachstum  des  Ein‐ zelnen bedeutet auch Wachstum der gesamten Kirche. Nachfolge bedeu‐ tet  daher  ein  Leben  in  praktischer  Jüngerschaft  durch  die  fünf  Dienste.  Paulus  beschreibt  die  „volle  Mannesreife“  als  Ziel  des  geistlichen  und  persönlichen  Werdegangs  der  einzelnen  Glieder  und  damit  der  Kirche  als Leib Christi (Schnackenburg 1982:188).   Im  Gegensatz  dazu  zeigt  sich  Unmündigkeit  in  unreifem,  kindhaftem  Verhalten,  welches  sich  durch  falsche  Lehren  und  Anfechtungen  vom  Ziel ablenken lässt (Best 1998:403). Paulus betont daher, wie eine ver‐ änderte Herzenshaltung durch Jesu Wirken beim Einzelnen die Mündig‐ keit fördert und entwickelt. Aus dieser Verbindung mit Christus entsteht  mündige Nachfolge. Der Aufbau des Leibes Christi ist Sache aller Chris‐ ten und deshalb beginnt Wachstum beim Einzelnen und seiner Identität  (Pokorny 1992:175). Die fünf Dienste dürfen nicht nur als Ämter einzel‐ ner  Begabter  gesehen  werden,  sondern  beschreiben  vielmehr  die  Ver‐ antwortung aller Glieder, diese Dienst zu fördern und aktiv als Teil der  Jüngerschaft zu leben. 

3.5 Schlussfolgerungen aus der exegetischen Arbeit Nach der Exegese der ausgewählten Texte aus den Briefen des Apostels  Paulus soll nun die Bedeutung der Mündigkeit für die missionale Identi‐ tät in mehreren Thesen beschrieben werden:  These 1: In der Gnade, die in Jesus Christus der Welt begegnet, wer­ den  die  Gläubigen  zur  Mündigkeit  berufen  und  erhalten  eine  neue  Leonardo Iantorno

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Identität als Kinder Gottes. Die Menschen sind aus der Sklaverei des  Gesetzes  befreit  und  zu  einem  mündigen  Leben  aus  dem  Heiligen  Geist befreit.  Die  Befreiung  aus  der  Sklaverei  der  Sünde  sowie  des  Gesetzes  ermög‐ licht eine neue Lebensrealität. Paulus zeigt gleichzeitig auf, wie wichtig  es  ist,  dieses  neue  Leben,  diese  neue  Identität  nicht  als  neue  Sklaverei,  sondern in Mündigkeit zu leben. Der Heilige Geist ist der Vermittler bzw.  die Bindung zwischen dem mündigen Christen und Gott selbst.  These  2:  Diese  Mündigkeit,  wie  Paulus  sie  beschreibt,    kann  jedoch  durch neue Sklaverei verloren werden. Es ist eine Entscheidung, die­ se Mündigkeit anzunehmen und die neue Identität in Christus zu le­ ben.  Diese  Entscheidung  fordert  die  Aufgabe  allen  Kindhaftens  hin  zur vollen Reife einer mündigen Nachfolge.  Der  Mensch  kann  sich  für  oder  gegen  ein  Leben  in  der  Mündigkeit  als  Nachfolger Jesu entscheiden. Auch nachdem die Entscheidung das erste  Mal gefallen ist, kann man sich dennoch in die Unmündigkeit zurückbe‐ geben. Die neue Identität in Christus entwickelt sich aus einem mündi‐ gen  Lebensstil,  der  sich  nach  Reife  ausstreckt.  Paulus  betont  also,  wie  Mündigkeit und die neue Identität in der Nachfolge untrennbar mitein‐ ander verbunden sind.  These 3: Reife und Mündigkeit sind für Paulus die Voraussetzung, um  die  Rede  von  Gottes  Weisheit  verstehen  und  anwenden  zu  können.  Glaube und Hoffnung werden in einem mündigen Leben in der geleb­ ten Liebe des Einzelnen deutlich sichtbar.  Die  Umsetzung  dieser  neu  erworbenen  Reife  zeigt  sich  in  der  prakti‐ schen  Liebe,  die  aus  dem  Glauben  und  der  Hoffnung  kommt.  Die  neue  Identität hat Auswirkungen auf das alltägliche Leben eines jeden Chris‐ ten und macht ihn durch die erworbene Reife zum Zeugen für Christus.  These  4:  Der  fünffältige  Dienst  dient  der  Zurüstung  sowie  der  Ent­ wicklung  der  Kirche.  Der  einzelne  Christ  erlebt  Zurüstung  für  sein  alltägliches Leben. Das Wachstum der Glieder führt zu einem Wachs­ tum der gesamten Kirche.   Es  geht  demnach  weniger  um  Ämter,  als  um  Dienste,  welche  von  allen  Gliedern  gelebt  werden  sollen,  um  Jüngerschaft  zu  fördern.  Aus  dieser  persönlichen  Jüngerschaft  und  Verantwortung  für  die  Umsetzung  der  Leonardo Iantorno

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fünf Dienste in der Kirche wächst der Leib Christi nach innen und aus‐ sen. 

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4. PRAKTISCH-THEOLOGISCHE BEWERTUNG DER RESULTATE UND THESEN 4.1 Allgemeine Erkenntnisse aus der Literaturanalyse und der exegetischen Arbeit Anhand der Literaturanalyse wird deutlich, wie die missionale Identität  in erster Linie im Leben des Einzelnen und seiner persönlichen Nachfol‐ ge  Jesu  beginnt.  Der  postmoderne  Paradigmenwechsel,  den  die  Kirche  anstreben  muss,  um  neue  Relevanz  für  die  Menschen  zu  erhalten,  hat  seinen Ursprung nicht auf struktureller oder methodischer Ebene. Viel‐ mehr ist die Jüngerschaft der einzelnen Kirchenglieder entscheidend für  eine  ganzheitliche  Veränderung  innerhalb  der  Kirche.  Die  missionale  Identität  beschreibt  dabei  das  neue  Bewusstsein  sowie  die  Gewissheit  des Christen, in Jesus Christus gegründet zu sein. In seinem  Vorbild ist  der Einzelne dazu berufen, innerhalb seines kulturellen Kontextes Zeuge  des  Evangeliums  zu  sein.  Die  missionale  Identität  beruft  und  befähigt  den  Einzelnen,  Verantwortung  für  seinen  Kontext  und  die  Menschen  darin  zu  übernehmen.  Es  geht  hier  nicht  um  neue  Missionsmethoden,  sondern  eine  innere  Bereitschaft  zur  Auseinandersetzung  mit  der  (postmodernen) Kultur. Gottes Mission ist die Mission der Christen und  damit auch der Kirche. Diese missio Dei beschreibt die Sendung der Kir‐ che in ihren Kontext hinein. Die Kirche ist dazu aufgefordert, das Evan‐ gelium für die Menschen in der Postmoderne zu übersetzen und es vor‐ zuleben 6 . Dies geschieht nicht durch Strukturen oder postmoderne Ge‐ meindebaumethoden,  sondern  vielmehr  durch  das  Leben  und  Zeugnis  der  Christen  in  ihrem  persönlichen  Umfeld.  Ein  solcher  Lebensstil  in‐ karniert die Botschaft des Evangeliums in das alltägliche Leben. Grund‐ lage eines missionalen, inkarnatorischen Lebensstils ist das Vorbild Jesu  Christi.  Aus  einer  neutestamentlichen  Christologie  entwickelt  sich  erst  ein  neues  Verständnis  für  Mission  und  Jüngerschaft.  Aus  dieser  verän‐

                                                              6 Vgl. insbesondere 2.4.3 

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derten  Sicht  wird  sich  eine  postmoderne  Ekklesiologie  entwickeln,  die  innerhalb ihrer Kultur Kirche baut 7 .  Die Ergebnisse der Exegese zeigen auf, wie Paulus in seinen Briefen die  Christen  zu  einem  mündigen  Leben  in  der  Nachfolge  Christi  gerufen  hat 8 . Aus der Befreiung aus der Sklaverei des Gesetzes hin zur Freiheit  in  Christus  erhält  der  Gläubige  eine  neue,  göttliche  Identität  als  Erbe  Gottes 9 . Die Menschen sind aus der Sklaverei zur Mündigkeit hin beru‐ fen. Um diese neue Identität in Christus annehmen zu können, verlangt  Paulus sowohl von den Galatern, als auch von den Korinthern ein Leben  in  Mündigkeit  und  geistlicher  Reife 10 .  Glaube  und  Hoffnung  werden  in  der  Liebe  zu  den  Menschen  deutlich  (siehe  1  Kor  13,13).  Der  Einzelne  lebt aus Glaube und Hoffnung heraus und ist durch sie zu einem mündi‐ gen Leben in der Liebe zu den Menschen gerufen. Der fünffältige Dienst  aus  Epheser  4,11‐16  darf  deshalb  nicht  ausschliesslich  als  Ämterbe‐ zeichnung für die Leitung der Kirche verstanden werden, sondern dient  der Kirche vielmehr dazu, dass die einzelnen Glieder für ihre Nachfolge  ausgerüstet  werden.  Der  Einzelne  wird  in  die  Verantwortung  für  die  Umsetzung der fünf Dienste genommen, die der Kirche Halt geben  und  das Wachstum ermöglichen 11 . 

4.2 Missionale Identität: Eine Definition Was  genau  ist  nun  die  missionale  Identität?  In  erster  Linie  beschreibt  die missionale Identität ein Leben unter der Herrschaft und in der Gna‐ de Jesu. Durch die Entscheidung für  den Glauben an das Opfer Jesu er‐ hält  der  Christ  eine  neue  Identität,  die  ihn  zu  einem  inkarnatorischen  Lebensstil ruft. missionale Identität bezeichnet also das neue Leben als  Erbe  Gottes  und  die  Sendung  durch  die  missio  Dei  in  den  kulturellen  Kontext.  Die  Mündigkeit,  wie  Paulus  sie  betont,  ist  ein  entscheidender  Faktor, um  diese Identität annehmen zu können. Aus der Literaturana‐                                                               7 Vgl. insbesondere 2.3.3.4 (siehe Abbildung 5) und 2.3.4.3  8 Vgl. insbesondere 3.5  9 Vgl. insbesondere 3.2.3  10 Vgl. insbesondere 3.2 und 3.3  11 Vgl. insbesondere 3.4 

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lyse  lässt  sich  eine  Verbindung  zwischen  der  Identität  bei  Paulus  und  der  missionalen  Identität,  wie  Hirsch  und  Frost  sie  beispielsweise  be‐ schreiben, erkennen. Nur ein mündiger Erbe kann auch Verantwortung  für Gottes Auftrag für die Kirche übernehmen und sich einen missiona‐ len, inkarnatorischen Lebensstil aneignen. 

4.3 Mündigkeit als Grundlage der missionalen Identität Mündigkeit  definiert  Paulus  in  der  Umkehr  vom  kindhaften  Verhalten,  hin zur „vollen Mannesreife“ und damit zur neuen Identität, die Gott den  Menschen in Jesus Christus ermöglicht. Mündigkeit beschreibt in erster  Linie  den  Prozess  des  Erwachsenwerdens  besonders  auch  in  der  Ent‐ wicklung  des  persönlichen  Glaubens.  Durch  diese  Mündigkeit,  die  Pau‐ lus beschreibt, kann der Einzelne erst die neue Identität in Christus an‐ nehmen.  Mündige  Nachfolge  verlangt  die  Bereitschaft,  die  Verantwor‐ tung nicht nur für sich selbst, sondern für den kulturellen Kontext und  die Menschen im persönlichen Umfeld. In den analysierten Paulustexten  wird  deutlich,  wie  das  Erreichen  der  Mündigkeit  als  Erben  Gottes  zur  missionalen Identität führt. Diese Reife und Mündigkeit sind in den Au‐ gen  des  Apostels  die  Grundvoraussetzungen,  um  die  eigene  Identität  auszuleben,  die  in  der  untersuchten  Literatur  als  missionale  Identität  beschrieben wird. 

4.4 Schlussfolgerungen und Thesen Abschliessend  sollen  nun  allgemeine  Erkenntnisse  sowie  Schlussfolge‐ rungen  und  Thesen  zum  Thema  „Missionale  Identität“  und  die  Bedeu‐ tung  der  Mündigkeit  bei  Paulus  für  die  missionale  Identität  formuliert  werden:  These  1:  Die  missionale  Identität  legt  den  Grundstein  für  den  Para­ digmenwechsel  innerhalb  der  Kirche.  Die  persönliche  Jüngerschaft  und Nachfolge des einzelnen Christen verändern die Kirche als Gan­ zes. Aus der persönlichen Veränderung heraus kann der Einzelne die  missio Dei neu entdecken und in seinem kulturellen Umfeld ausleben.  Dadurch  wandelt  sich  auch  die  Kirche  als  Leib  Christi  und  gewinnt  an  Relevanz  im  Leben  der  Menschen.  Paulus  betont  die  Bedeutung  der Mündigkeit für die neue Identität in Jesus Christus.  Leonardo Iantorno

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Der  notwendige  Paradigmenwechsel  der  Kirche  in  der  Postmoderne  hängt nicht von neuen Methoden oder Strukturen für den Gemeindeauf‐ bau ab, sondern vielmehr von der Identität ihrer Glieder. Damit wird die  Rolle  des  einzelnen  Christen  für  sein  Lebensumfeld  besonders  wichtig.  Die Kirche kann sich erst dann verändern, wenn sie im Bereich der Jün‐ gerschaft bereit ist, mehr Verantwortung an ihre Glieder zu übergeben.  Erst  aus  einem  mündigen  Lebensstil  wird  die  neue  Identität  aus  der  Gnade Jesu Christi angenommen und ein Leben aus dem Heiligen Geist  möglich 12 .  These  2:  Die  missionale  Identität  findet  ihr  Praxisfeld  in  den  ver­ schiedenen  Ebenen  im  persönlichen  Alltag.  Auf  allen  Ebenen  des  menschlichen Lebens wird sich die missionale Identität durchsetzen.  Sie  bewirkt  ein  Leben  aus  der  Gnade,  das  Zeugnis  für  die  Menschen  ablegt. Diese Identität ist also der entscheidende Faktor für den Pa­ radigmenwechsel  der  Kirche  in  der  Postmoderne.  Aus  der  neu  er­ worbenen  Reife  und  Mündigkeit  kann  der  Einzelne  die  missio  Die  ausleben,  indem  er  das  Evangelium  durch  einen  inkarnatorischen  Lebensstil in den kulturellen Kontext übersetzt.  Nicht  mehr  die  Programme  der  Kirche,  sondern  vielmehr  die  Bezie‐ hungsnetzwerke ihrer Glieder werden für die Kirche in der Postmoder‐ ne  entscheidende  Aktionsfelder  sein.  Die  Kirche  ist  dort,  wo  ihre  Mit‐ glieder  Zeugnis  für  das  Evangelium  sind.  Ein  solcher  Lebensstil  kann  erst  dann  gelebt  werden,  wenn  die  Menschen  ihre  missionale  Identität  kennen.  These 3: Paulus betont die Bedeutung der Mündigkeit für eine leben­ dige Nachfolge. Jeder Christ trägt die missionale Identität in sich. Sie  kann jedoch erst durch das Wahrnehmen der Mündigkeit angenom­ men werden. Die Mündigkeit, wie sie Paulus unterstreicht, ist damit  für  das  Entdecken  der  missionalen  Identität  von  zentraler  Bedeu­ tung.  Erst  aus  einem  mündigen  Leben  in  der  Nachfolge  kann  das  ganze Ausmass der missionalen Identität ausgelebt werden.   Die missionale Identität ist keine neue Entdeckung, sie liegt vielmehr in  jedem Menschen verborgen und bereits der Apostel Paulus betont, wie                                                                12 Vgl. insbesondere 3.5 (These 1) 

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wichtig es ist, diese auch anzunehmen und danach zu leben. Die Bedeu‐ tung  der  Mündigkeit  für  die  eigene  Identität  muss  hier  hervorgehoben  werden. Erst eine mündige Nachfolge führt für Paulus zu einem mündi‐ gen Zeugnis für das Evangelium.  Die  Forschungsfrage,  welche  Bedeutung  die  Mündigkeit  des  Einzelnen  für die missionale Identität der Kirche hat, kann anhand der Ergebnisse  folgendermassen  beantwortet  werden:  Die  missionale  Identität  des  Einzelnen  hängt  entscheidend  von  der  Bereitschaft  jedes  Gemein­ degliedes ab, ein Leben in der Mündigkeit zu leben. Diese Mündig­ keit  ist  für  das  Entdecken  der  missionalen  Identität  grundlegend.  Der Weg zur Mündigkeit führt zu einer ganzheitlichen und proakti­ ven  Jüngerschaft  innerhalb  des  kulturellen  Kontextes  der  Kirche.  Damit verändert sich nicht der Einzelne, sondern vielmehr die Kir­ che als Leib Christi. 

4.5 Schlussbemerkungen In  der  vorliegenden  MA  Abschlussarbeit  konnte  die  Forschungsfrage  nach  der  Bedeutung  der  Mündigkeit  des  Einzelnen  für  die  missionale  Identität der Kirche in der postmodernen Kultur anhand der Ergebnisse  aus  Literaturanalyse  und  Exegese  beantwortet  werden.  Eine  ausführli‐ che Auseinandersetzung mit dem Gesamtwerk des Apostels Paulus war  im Rahmen dieser Arbeit nicht möglich. Dennoch zeigt sich, wie wichtig  es Paulus war, die Gemeinden zur Mündigkeit zu rufen, um ihre missio‐ nale Identität zu entdecken.  Die  Ergebnisse  dieser  Forschungsarbeit  könnten  in  einer  empirischen  Studie über die Auswirkungen eines mündigen und missionalen Lebens‐ stils  vertieft  bzw.  weitergeführt  werden.  Des  Weiteren  wäre  eine  aus‐ führliche  Studie  sowohl  in  den  paulinischen  Briefen,  als  auch  in  den  Evangelien zur Frage nach der Bedeutung der Mündigkeit im neutesta‐ mentlichen  Kontext  wünschenswert.  Im  Gespräch  mit  mehreren  Ge‐ meindeleitern in der Schweiz habe ich viele interessante Ansätze aufge‐ nommen,  wie  die  Menschen  in  den  Kirchen  zur  Mündigkeit  und  damit  zur  missionalen  Identität  gefördert  werden  könnten.  Es  wäre  daher  notwendig zu untersuchen, inwieweit bereits bestehende Ansätze in der  Schweiz erfolgreich sind und welche Möglichkeiten noch ungenutzt sind.  Die praktischen Ansätze in 2.4 sollen der Kirche als Inspiration dienen.  Leonardo Iantorno

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Allerdings ist jeder Einzelne dazu berufen, eigene praktische Ansätze für  eine  lebendige  missionale  Identität  in  seinem  jeweiligen  Kontext  zu  entwickeln, da es hier kein universales Konzept gibt. Ich schliesse meine  Arbeit  mit  einem  Zitat  von  Franz  von  Assisi  ab,  das  die  Bedeutung  der  eigenen  Identität  in  Christus  und  der  Mündigkeit  für  die  Mission  ver‐ deutlicht: „Predige das Evangelium zu jeder Zeit, und wenn nötig, benutze  Worte“.   

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5. BIBLIOGRAPHIE 5.1 Bibeln Elberfelder  Bibel  rev.  Fassung  1985/1991.  9.  Aufl.  1997.  Wuppertal:  R.  Brockhaus Verlag  Nestle‐Aland 1979. Novum Testamentum Graece. 26. bearbeitete Auflage.  Stuttgart: Deutsche Bibelgesellschaft 

5.2 Bücher Bell, Rob 2006. Jesus unplugged. Authentisch gelebtes Christsein der heu­ tigen Generation im 21. Jahrhundert. Giessen: Brunnen Verlag  Bosch, David J. 1991. Transforming Mission. Paradigm Shifts in Theology  of Mission. 23. Auflage 2007. Maryknoll, NY: Orbis Books  Bosch, David J. 1995. An die Zukunft glauben. Auf dem Wege zu einer Mis­ sionstheologie für die westliche Kultur. Weltmission heute Nr. 24. 2.  Aufl. 1997. Hamburg: Evangelisches Missionswerk in Deutschland  Claiborne, Shane 2007. Ich muss verrückt sein, so zu leben. Kompromiss­ lose Experimente in Sachen Nächstenliebe. Giessen: Brunnen Verlag  Esselborn‐Krumbiegel,  Helga  2002.  Von  der  Idee  zum  Text.  Eine  Anlei­ tung zum wissenschaftlichen Schreiben. 2. durchgesehene Ausgabe  2004. Paderborn: Verlag Ferdinand Schöningh GmbH  Faix, Tobias & Weissenborn, Thomas (Hrsg.) 2007. Zeitgeist. Kultur und  Evangelium in der Postmoderne. Marburg an der Lahn: Verlag der  Francke‐Buchhandlung GmbH  Frost, Michael & Hirsch Alan 2003. The Shaping of Things to Come. Inno­ vation and Mission for the 21st­Century Church. Peabody, MS: Hen‐ drickson Publishers  Frost, Michael 2006. Exiles: Living missionally in a Post­modern Culture.  Peabody, MS: Hendrickson Publishers  Guder, Darrell L. (Hg.) 1998. missional Church: A Vision for the Sending of  the Church in North America: The People of God Sent on a Mission  (Gospel & Our Culture). William B Eerdman Co  Hirsch,  Alan  2006.  The  Forgotten  Ways.  Reacrivating  the  missional  Church. 5. Auflage 2007. Grand Rapids: Brazos Press  Leonardo Iantorno

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5.3 Kommentare 5.3.1 Kommentare zum Galaterbrief Beer,  Theobald  &  von  Stockhausen,  Alma  (Hrsg.)  1998.  Erklärungen  Martin  Luthers  zum  Brief  des  hl.  Paulus  an  die  Galater.  1.  Aufl.  1998. Nördlingen: Druckerei & Verlag Steinmeier  Betz,  Hans  Dieter  1988.  Der  Galaterbrief.  Ein  Kommentar  zum  Brief  des  Apostels  Paulus  an  die  Gemeinden  in  Galatien.  München:  Chr.  Kai‐ ser Verlag  Bring, Ragnar 1968. Der Brief des Paulus an die Galater. Berlin: Lutheri‐ sches Verlagshaus  Dunn, James D.G. 1993. The Epistle to the Galatians. Band 6. Black’s New  Testament Commentaries. 15 Bände. London: A & C Black Publish‐ ers Limited  Edwards,  Mark  J.  (Hrsg.)  1999.  Ancient  Christian  commentary  on  Scrip­ ture.  Galatians,  Ephesians,  Philippians.  Downers  Grove,  Illinois:  InterVarsity Press   Lührmann, Dieter 2001. Zürcher Bibelkommentare. Der Brief an die Gala­ ter. Ed. 3. Zürich: Theologischer Verlag  Meissner, Martin 2007. Novum Testamentum Patristicum. Galater. Bd. 9.  Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht  Mussner,  Franz  1974.  Der  Galaterbrief.  Band  9.  Herders  theologischer  Kommentar zum Neuen Testament. 13 Bände. Freiburg i. B.: Verlag  Herder KG  Oepke, Albrecht 1984. Der Brief des Paulus an die Galater. Theologischer  Handkommentar  zum  Neuen  Testament.  5.Auflage.  Berlin:  Evan‐ gelische Verlagsanstalt  Vouga,  François  1998.  Handbuch  zum  Neuen  Testament.  An  die  Galater.  Bd. 10. Tübingen: Mohr Siebeck 

5.3.2 Komment are zum Epheserbrief Best,  Ernest  1998.  The  international  critical  commentary  on  the  Holy  Scriptures of the Old and New Testament.  A critical and exegetical  commentary on Ephesians. Edinburgh: Clark  Calvin, Johannes 1963. Auslegung der Heiligen Schrift. Die kleinen pauli­ nischen Briefe. Bd. 17. Neukirchen‐Vluyn: Neukirchener Verlag 

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Edwards, Mark J. (Hrsg.) 1999. Ancient Christian commentary on Scrip‐ ture. Galatians, Ephesians, Philippians. Downers Grove, Illinois: In‐ terVarsity Press  Hübner, Hans 1997. An Philemon. An die Kolosser. An die Epheser. Hand­ buch zum Neuen Testament. Bd. 12. Tübingen: J.C.B. Mohr Siebeck  Muddiman,  John  2001.  Black’s  New  Testament  commentaries.  A  com‐ mentary on the Epistle on the Ephesians. London: Continuum  Pokorny,  Petr 1992.  Theologischer Handkommentar zum Neuen  Testa‐ ment.  Der  Brief  des  Paulus  an  die  Epheser.  Leipzig:  Evangelische  Verlagsanstalt  Schnackenburg,  Rudolf  1982.  Der  Brief  an  die  Epheser.  Evangelisch­ katholischer  Kommentar  zum  Neuen  Testament.  Bd.  10.  Zürich,  Einsiedeln, Köln: Benzinger Verlag   Schnackenburg,  Rudolf  1982.  Der  Brief  an  die  Epheser.  Evangelisch­ katholischer Kommentar zum Neuen Testament. Bd. 10. 2. Auflage  2003. Zürich, Düsseldorf: Benzinger Verlag 

5.3.3 Kommentare zum 1. Korintherbrief Fitzmyer,  Joseph  A.  2008.  The  Anchor  Bible.  First  Corinthians : a  new  translation  with  introduction  and  commentary.  New  Haven:  Yale  University Press  Kovacs, Judith L. 2005. The church’s Bible. 1. Corinthians: interpreted by  early Christian commentators. Grand Rapids, Michigan: William B.  Eerdmans Pub. Co.  Kremer,  Jacob  1997.  Regensburger  Neues  Testament.  Der  Erste  Brief  an  die Korinther. Regensburg: Pustet  Lindemann,  Andreas  2000.  Handbuch  zum  Neuen  Testament.  Der  erste  Korintherbrief. Bd. 9.1. Tübingen: J.C.B. Mohr Siebeck  Merklein,  Helmut  1992.  Ökumenischer  Taschenbuchkommentar  zum  Neuen Testament. Der erste Brief an die Korinther. Bd. 7/1. Güters‐ loh: Gütersloher Verlagshaus  Merklein,  Helmut  2005.  Ökumenischer  Taschenbuchkommentar  zum  Neuen Testament. Der erste Brief an die Korinther. Bd. 7/3. Güters‐ loh: Gütersloher Verlagshaus  Schnabel,  Eckhard  J.  2006.  Historisch­theologische  Auslegung.  Der  erste  Brief des Paulus an die Korinther. Wuppertal: R. Brockhaus 

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Schrage, Wolfgang 1991. Evangelisch­katholischer Kommentar zum Neu­ en  Testament.  Der  erste  Brief  an  die  Korinther.  Bd.  7/1.  Zürich:  Benziger  Schrage, Wolfgang 1999. Evangelisch­katholischer Kommentar zum Neu­ en  Testament.  Der  erste  Brief  an  die  Korinther.  Bd.  7/3.  Zürich:  Benziger  Wolff, Christian 2000. Theologischer Handkommentar zum Neuen Testa­ ment.  Der  erste  Brief  des  Paulus  an  die  Korinther.  Bd.  7.  2.  verb.  Auflage. Leipzig: Evangelische Verlagsanstalt 

5.4 Lexika Burkhardt,  H./Grünzweig,  F./Laubach,  F./Maier,  G.1987.  Das  grosse  Bi­ bellexikon.  Bd.  2.  1.  Taschenbuchauflage  1996.  Wuppertal:  R.  Brockhaus Verlag, Giessen: Brunnen Verlag  Fahlbusch, E. & Lochman, Jan M. & Mbiti, John & Pelikan Jaroslav & Vi‐ scher, Lukas (Hrsg.) 2003. R. Evangelisches Kirchenlexikon (EKL).  CD‐ROM. Berlin: Directmedia Publishing GmbH  Galling,  Kurt  (Hrsg.)  2004.  Die  Religion  in  Geschichte  und  Gegenwart.  Handwörterbuch  für  Theologie  und  Religionswissenschaft.  2.  elektronische Ausgabe der 3. Auflage. Berlin: Directmedia 

5.5 Einleitungen zum NT & Umwelt und Zeitgeschich te des NT Hörster, Gerhard 1993. Bibelkunde und Einleitung zum Neuen Testament.  1. Taschenbuchaufl. 1998. Wuppertal: R. Brockhaus Verlag 

5.6 Internetbe iträge & Artikel Albietz,  Karl  2008.  missionale  Gemeinde  in  einem  resignativen  Umfeld.  Festansprache der IGW Absolvierungsfeier 2008  Bischoff, Mike 2005. missional Church. IGW Periodical. Bd. 2. Ausgabe 1.  Zürich: IGW International  Faix,  Tobias  Dr.  2007.  Glaube,  der  durch  die  Liebe  tätig  wird.  Gesell­ schaftstransformation als Herausforderung für die Zukunft. 

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© 2009

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ideaSchweiz l 13/2009

Theologiestudium mitten im Leben – missional und innovativ

Für den nächsten Schritt ausgebildet Wovon träumen Sie? Zieht es Sie zu einem Beruf wie Jugendarbeiter, Pastor, Zeltmacher, Evangelist, sozialdiakonischer Mitarbeiter, Streetworker, Pionier, Gemeindegründer, Missionar... und bis ans Ende der Welt? Oder haben Sie begabte jüngere Mitarbeiter in Ihren Reihen, die Sie gerne praxisbegleitend und «in house» zu vollzeitlichen Mitarbeitern ausbilden lassen möchten? Unsere beiden neuen Studiengänge «Bachelor of Arts» und «Bachelor of Theology» sind dafür massgeschneidert und wären genau das Richtige hierfür! Warum?

Zielgruppe Das Bachelor-Programm (BA) ist auf Personen ausgerichtet, die diese Ausbildung für einen vollzeitlichen Dienst in Gemeinde oder Mission absolvieren wollen und bereits in einer verbindlichen Mitarbeit in einer Gemeinde oder einem Missionswerk stehen: angehende Jugendarbeiter, Gemeindeleiter, Pastoren, sozialdiakonische Mitarbeiter, Missionare u.  ä.

Zielsetzung Die Studierenden erwerben in diesen 4- bis 6-jährigen theologischen Ausbildungen berufsMichael qualifizierende Girgis Kompetenzen in den grundlegenden theologischen Fächern sowie wertvolle praktische Erfahrungen. (Eine Ausnahme bildet der 1-jährige Studiengang igw. network, der als Ausbildung für eine ehrenamtliche Tätigkeit angelegt ist.)

Tätigkeiten unserer Absolventen 75 % unserer bisher insgesamt 173 Absolventen (Bachelor-Programm seit 1996) arbeiten heute in einem solchen vollzeitlichen leitenden Dienst, und zwar v.  a. in folgenden Berufen: • Gemeindeleiter • Pastor • Jugendpastor • Mitarbeiter in Missionswerk • sozialdiakonischer Mitarbeiter • Jugendarbeiter

Die 7 Pluspunkte von IGW 1. fundierte theologische Ausbildung 2. innovatives Ausbildungskonzept – studienbegleitende Praxis 3. einzigartige Kombination von Theorie, Praxis und Persönlichkeitsentwicklung 4. ganzheitliche Ausbildung 5. mitten im Leben 6. modular und massgeschneidert 7. anerkannte Abschlüsse Auf www.igw.edu kann die ausformulierte Version dieser 7 Punkte heruntergeladen oder per E-Mail an [email protected] bestellt werden.

IGW ist eduQua-zertifiziert! Mit dem eduQua-Zertifikat erhält IGW das wichtigste und bedeutendste schweizerische Qualitätszertifikat für Aus- und Weiterbildungsinstitutionen. Das eduQua-Zertifikat bescheinigt IGW ein zeitgemässes, hochstehendes sowie praxisrelevantes Angebot. Die Zertifizierung erfolgt durch die Schweizerische Vereinigung für Qualität und ManagementSysteme (SQS).

Studiengänge und Angebote

Ausgezeichnete Qualität Unsere über 150 Studierenden im Bachelor-Programm, die uns zur grössten theologischen Ausbildungsstätte im deutschsprachigen Europa machen, irren sich nicht. Unsere Ausbildung hält, was sie verspricht. Das kürzlich erhaltene eduQuaZertifikat bescheinigt IGW ein zeitgemässes, hochstehendes und praxisrelevantes Angebot (siehe Kasten). Überzeugen Sie sich vor Ort an einem Schnuppertag. Wir freuen uns auf Sie und/oder Ihren Leiternachwuchs! Michael Girgis, Co-Rektor IGW

Weiterbildung (MA) Gerade in Zeiten der Veränderung ist lebenslange Weiterbildung wichtig: praxisrelevantes, theologisches Forschen, spannende Kurse, aktuelle Literatur und Einbezug der eigenen Praxis bilden die Grundlage unserer berufsbegleitenden Weiterbildung.

Fernstudium fundierte biblische Ausbildung für ehrenamtliche Mitarbeitende mit massgeschneidertem, individuellem Studienprogramm aus Präsenz- und Fernkursen.

Kursbesuch als Gasthörer IGW bietet eine grosse Vielfalt von Kursen und Seminaren an, die auch Hörerinnen und Hörer besuchen können. Eine ideale Gelegenheit, um IGW-Luft zu schnuppern oder zu interessanten Konditionen von kompetenten Referenten zu profitieren. Die Kursliste ist online einsehbar, unter «Kurse».

Downloads (NEU!)

Die Studienangebote im Bereich Ausbildung (Bachelor) Studiengang Bachelor of Arts (BA)

Studiengang Master of Theology (BTh-MTh)

Dauer: 4 Jahre Voraussetzung: abgeschlossene Berufslehre Credits: 180 C. (ECTS) Abschluss: Bachelor of Arts (BA) Nach Abschluss kann im MAStudiengang weiter studiert werden.

Dauer: 6 Jahre Voraussetzung: Matura/Abitur oder Berufsmatur plus «Passerelle» Credits: 300 C. (ECTS) Abschluss: Bachelor of Theology (BTh) und anschliessend Master of Theology (MTh)

Studiengang igw.network Dauer: 1 Jahr Voraussetzung: abgeschlossene Berufslehre Credits: 30 C. (ECTS) Abschluss: igw.network-Zertifikat Nach Abschluss kann in das zweite Jahr des BA-Studienganges eingestiegen werden.

Abschlussarbeiten, Handouts, Magazine und Artikel stehen in unserem Downloadbereich kostenlos zur Verfügung.

1991 gegründet, über 340 immatrikulierte Studierende. www.igw.edu (CH) oder www.de.igw.edu (DE).

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ideaSchweiz l 09/2008

Umsetzung der grossen Studienreform

Neue Lernfelder bei IGW Mit grundlegenden Neuerungen richtet IGW sich noch stärker auf sein Hauptziel aus, Menschen umfassend für ihren Dienst auszubilden. IGW hat die grosse europäische Bildungsreform zum Anlass genommen, sein Ausbildungskonzept grundsätzlich zu überarbeiten und sich, so Co-Rektor Michael Girgis, «noch einmal neu zu erfinden.» Zum Start des Studienjahres im September 07 wurden daher teilweise tiefgreifende Neuerungen lanciert. So orientiert sich das Bachelor-Programm (BA), das Männer und Frauen in 4 Jahren für ihren Dienst in Gemeinden oder christlichen Werken ausbildet, neu an drei «Lernfeldern»: Theorie, Praxis und Praxisbegleitung. Theorie deckt ab, was man gemeinhin unter schulischer Aus-

bildung versteht: Hier wird auf allen Gebieten der Theologie das für den Dienst notwendige Fachwissen vermittelt. Die Michael Praxis, bei IGW Girgis immer schon ein wichtiges Ausbildungselement, wird noch stärker in den Studiengang eingebunden, so dass im praktischen Dienst erworbene Kompetenzen dem Studium nun angerechnet werden können. Im Bereich Praxisbegleitung schliesslich werden in neu entwickelten Kursmodulen die grossen Ausbildungsthemen Persönlichkeitsentwicklung und Jüngerschaft über die gesamten 4 Jahre des Studiums vertieft. Ausführliche Informationen zur grossen Studienreform finden Sie auf www.igw.edu ➝ Ausbildung ➝ Studienreform 2010. Cla Gleiser, Studienleiter IGW

Neue Fachrichtung bei IGW

Studiengang Missionale Theologie Der Ruf nach qualifizierten und missionarischen Fachkräften in Werken, Gemeindeverbänden und Missionsgesellschaften wird immer lauter. Spürbar ist vor allem der Mangel an klassischen Evangelisten. Für den Dienst an Bevölkerungsgruppen aus orientalischen bzw. überseeischen Ländern werden auch Inlandmissionare gesucht. Gerade die Ausbildung zum Missionsdienst unter Moslems wird zunehmend an Wichtigkeit gewinnen. IGW stellt sich diesen neuen Herausforderungen und rüstet Menschen zum Dienst aus – nicht nur für die bisherigen klassischen Missionsländern, sondern gerade auch für das europäische Umfeld. Aus diesem Grund erweitert IGW sein Angebot an Fachrichtungen auf BA-Niveau: Neben Theologie (Schwerpunkt systematische Illustration: www.gleiser.ch

und biblische Fächer), praktischer Theologie, Missiologie und Sozialdiakonie steht IGWStudenten ab September 2008 ein Studiengang in missionaler Theologie offen. Die neue Fachrichtung hat folgende Schwerpunkte:

1. Evangelisation im nachchristlichen Europa Seit einigen Jahren fehlen zunehmend Evangelisten für Gemeinden und spezielle übergemeindliche Anlässe. Wir sind überzeugt, dass dieser Dienst für die Zukunft wieder verstärkt gefragt sein wird. IGW wird sich vermehrt für die Gewinnung und Ausbildung von Menschen einsetzen, die in diesem Dienst ihre Zukunft sehen.

2. Gemeindegründung und Gemeindebau Europa ist zum klassischen Missionskontinent geworden. Damit gewinnt die Thematik «Mission»

Relevanz für Gemeindebau und Evangelisation in unserer Gesellschaft. Die Ausbildung bei IGW vermittelt zuHelmut künftigen PionieKuhn ren und Gemeindegründern in diesen Bereichen Fachkompetenz und Perspektive.

3. Transkulturelle Mission Mission findet vor unserer eigenen Haustüre statt. Religionen und Weltanschauungen aus verschiedenen Kulturen prägen unsere Gesellschaft. Gerade der Dienst unter Moslems wird an Wichtigkeit zunehmen. IGW wird Studierende befähigen, das Evangelium in einer multikulturellen Gesellschaft weiterzugeben. Dabei sucht das Institut bewusst die Zusammenarbeit mit evangelistisch und missionarisch tätigen Partnern. Helmut Kuhn, Direktor EE

Studiengang Bachelor of Arts (BA) Ziel: vollzeitlicher Dienst in Gemeinde oder Mission Voraussetzung: abgeschlossene Berufslehre Dauer: 4 Jahre (180 Credits)

Studiengang Master of Theology (BTh-MTh) Ziel: vollzeitlicher Dienst in Gemeinde oder Mission Voraussetzung: Matura/Abitur Dauer: 5 Jahre (300 Credits)

Studiengang igw.network Ziel: ehrenamtliche Mitarbeit in der Gemeinde Voraussetzung: abgeschlossene Berufslehre Dauer: 1 Jahr (30 Credits) mit Anschlussmöglichkeit an BA oder BTh-MTh www.igw.edu