Denn wir wissen nicht wer wir sind
Eine literaturwissenschaftliche und exegetische Untersuchung missionaler Identität und Mündigkeit bei Paulus.
Leonardo Iantorno
Autor:
Leonardo Iantorno
Art:
Abschlussarbeit
Version:
-
Datum Erstellung:
August 2009
Seiten:
87 (inkl. Deckblatt)
Copyright:
IGW International
Adresse IGW IGW International Josefstrasse 206 CH - 8005 Zürich Tel. 0041 (0) 44 272 48 08 Fax. 0041 (0) 44 271 63 60
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Vorwort für Abschlussarbeiten
Vorwort Theologische Arbeit ist Dienst an der Gemeinde, sie ist Hirtendienst. Die enge Verknüpfung von theologischer Ausbildung und Gemeinde zeigt sich unter anderem in den Abschlussarbeiten der IGW-Absolventen. Jedes Jahr werden rund 40 solche Arbeiten geschrieben. Die intensive Beschäftigung mit einem Thema ist eine gewinnbringende Erfahrung, bei der die Studierenden durch überraschende Entdeckungen und neue Erkenntnisse ihren Horizont erweitern. Auch die Gemeinde soll und darf von diesem Ertrag profitieren. Die Schulleitung von IGW begrüsst darum die Veröffentlichung der vorliegenden Arbeit. IGW International ist mit weit über 300 Studierenden die grösste evangelikale Ausbildungsinstitution im deutschsprachigen Raum. Sie bietet verschiedene Studiengänge für ehrenamtlichen, teil- oder vollzeitlichen Dienst an. In der Schweiz und in Deutschland existieren Studienzentren in Zürich, Bern, Olten, Essen, Karlsruhe, Chemnitz und in Braunschweig. In Österreich unterstützt IGW den Aufbau der Akademie für Theologie und Gemeindebau AThG. Das IGWAngebot umfasst eine grosse Vielfalt an Ausbildungen und Weiterbildungen: vom Fernstudium (für ehrenamtliche und vollzeitliche Mitarbeiter und zur Vertiefung einzelner Themen) über das Bachelor-Programm (als Vorbereitung auf eine vollzeitliche Tätigkeit als Pastor) bis zum Master als Weiterbildung und für Quereinsteiger mit akademischer Vorbildung. Im Anschluss an das Masterprogramm steht den IGW-Absolventinnen und Absolventen die Möglichkeit zum Weiterstudium MTh und DTh (GBFE/UNISA) offen. Weitere Informationen finden Sie auf www.igw.edu. Seit Herbst 2008 macht IGW alle Abschlussarbeiten online zugänglich, welche die Beurteilung „gut“ oder „sehr gut“ erhalten haben. Die Arbeiten stehen kostenlos auf der Website zur Verfügung (http://www.igw.edu/downloads). Für die Schulleitung Dr. Fritz Peyer-Müller, Rektor IGW International;
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Leonardo Iantorno
Eine literaturwissenschaftliche und exegetische Untersuchung missionaler Identität und Mündigkeit bei Paulus
Denn wir wissen nicht, wer wir sind
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Denn wir wissen nicht, wer wir sind
Eine literaturwissenschaftliche und exegetische Untersuchung missionaler Identität und Mündigkeit bei Paulus von Leonardo Iantorno Master of Arts im Fachbereich praktische Theologie
IGW International, Zürich Fachmentor: lic. theol. Mathias Burri Studienleiter: Mathias Burri Design: Leonardo Iantorno Mario Schmidli
CH-8197 Rafz, August 2009
IGW Masterarbeit | Denn wir wissen nicht, wer wir sind
INHALTSVERZEICHNIS 1. Einleitung.................................................................................... 1 1.1 Einführung in das Thema ...................................................................................... 1 1.2 Forschungsfrage ...................................................................................................... 1 1.3 Forschungsmethodik ............................................................................................. 2 1.4 Zielpublikum ............................................................................................................. 2 1.5 Begriffsklärung.......................................................................................................... 3
2. Literaturanalyse zum Thema „Missionale Identität“ ............. 5 2.1 Begründung der Auswahl..................................................................................... 5 2.2 Missionaler Paradigmenwechsel........................................................................ 5 2.2.1 David Bosch: „An die Zukunft glauben“ ....................................5 2.2.2 David Bosch: „Transforming Mission“ ........................................7 2.2.3 Darrell Guder: „Missional Church“ ............................................11 2.2.4 Schlussfolgerungen: „Missionaler Paradigmenwechsel“ ....13 2.3 Missionale Identität – die Basis für einen missionalen Gemeindeaufbau ...................................................................................................14 2.3.1 Alan Hirsch: „The Forgotten Ways“...........................................15 2.3.2 Michael Frost: „Exiles” .................................................................20 2.3.3 Michael Frost & Alan Hirsch: „The Shaping of Things to Come” .............................................................................................26 2.3.4 Schlussfolgerungen: „Missionale Identität“............................33 2.4 Praktische Ansätze in der Postmoderne........................................................34 2.4.1 Tobias Faix & Thomas Weissenborn: „Zeitgeist“....................34 2.4.2 Shane Claiborne: „Ich muss verrückt sein, so zu leben“.......35 2.4.3 Rob Bell: „Jesus unplugged“ ......................................................36 2.4.4 Schussfolgerungen: „Praktische Ansätze“ ..............................38 Leonardo Iantorno
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2.5 Schlussfolgerungen aus der Literaturanalyse .............................................39
3. Exegese ausgewählter paulinischer Texte zum Thema „Mündigkeit“ ............................................................................41 3.1 Begründung der Auswahl...................................................................................41 3.2 Galater 4,1-11: Befreit zur Mündigkeit durch Christus .............................41 3.2.1 Einleitungsfragen und Kontextbestimmung..........................41 3.2.2 Aus der Unmündigkeit befreit durch Christus (Galater 4,1-5) ...............................................................................................42 3.2.3 Vom Sklaven zum Erben Gottes (Galater 4,6-7) .....................45 3.2.4 Mündigkeit neu entdecken (Galater 4,8-11)...........................46 3.2.5 Schlussfolgerungen aus Galater 4,1-11 ...................................49 3.3 Texte aus dem 1. Korintherbrief .......................................................................49 3.3.1 Einleitungsfragen und Kontextbestimmung..........................49 3.3.2 Unsere Fleischlichkeit macht uns zu Unmündigen in Christus (1. Korinther 3,1-4) .......................................................50 3.3.3 Mündigkeit als Grundlage für einen wachsenden Glauben (1. Korinther 13,11-13) ................................................53 3.3.4 Schlussfolgerungen aus 1. Korinther 3,1-4 und 13,11-13 ....55 3.4 Epheser 4,11-16: Christus beruft zur vollen Mündigkeit und Reife ............................................................................................................................55 3.4.1 Einleitungsfragen und Kontextbestimmung..........................55 3.4.2 Die volle Mündigkeit durch den fünffachen Dienst (Epheser 4,11-13) .........................................................................57 3.4.3 Geistliches Wachstum kommt aus einem mündigen Leben (Epheser 4,14-16) .............................................................61 3.4.4 Schlussfolgerungen aus Epheser 4,11-16 ...............................65 3.5 Schlussfolgerungen aus der exegetischen Arbeit ....................................65 Leonardo Iantorno
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4. Praktisch-Theologische Bewertung der Resultate und Thesen .......................................................................................68 4.1 Allgemeine Erkenntnisse aus der Literaturanalyse und der exegetischen Arbeit..............................................................................................68 4.2 Missionale Identität: Eine Definition ...............................................................69 4.3 Mündigkeit als Grundlage der missionalen Identität ...............................70 4.4 Schlussfolgerungen und Thesen......................................................................70 4.5 Schlussbemerkungen...........................................................................................72
5. Bibliographie ............................................................................74 5.1 Bibeln .........................................................................................................................74 5.2 Bücher ........................................................................................................................74 5.3 Kommentare............................................................................................................75 5.3.1 Kommentare zum Galaterbrief ..................................................75 5.3.2 Kommentare zum Epheserbrief ................................................75 5.3.3 Kommentare zum 1. Korintherbrief..........................................76 5.4 Lexika..........................................................................................................................77 5.5 Einleitungen zum NT & Umwelt und Zeitgeschichte des NT ................77 5.6 Internetbeiträge & Artikel ...................................................................................77
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1. EINLEITUNG 1.1 Einführung in das Thema Das Thema dieser Arbeit hat mich in erster Linie persönlich in meinem Dienst als Jugendarbeiter in einer Gemeinde betroffen gemacht. Im Rahmen eines IGW Kurses las ich das Buch von Alan Hirsch „The Forgot‐ ten Ways“ und diese Lektüre hat mich und mein Bild von Kirche und Nachfolge in Frage gestellt. Wie können Jüngerschaft und Nachfolge zu ihrem Ursprung zurückkehren und wie kann die Kirche ihre missionale Identität wiederfinden? Diese Fragen haben mich dazu motiviert, mich gerade mit dieser missionalen Identität auseinanderzusetzen und nach ihrem Ursprung zu forschen. In dieser Arbeit soll die missionale Identität, wie sie in der aktuellen Li‐ teratur beschrieben wird, analysiert und definiert werden. Durch die Exegese ausgewählter Texte aus den Briefen des Apostels Paulus soll dabei die Bedeutung der Mündigkeit für die missionale Identität in ei‐ nem postmodernen Kontext erforscht werden. Diese Arbeit soll einen Beitrag zur aktuellen Diskussion über die missi‐ onale Bewegung leisten. Ausserdem sollen die in dieser Arbeit erarbei‐ teten Thesen eine Grundlage und Denkanstösse für die Praxis der missi‐ onalen Kirche liefern.
1.2 Forschungsfrage Ich möchte mit meiner Arbeit die Rolle bzw. den Stellenwert der persön‐ lichen Mündigkeit des Einzelnen für den missionalen Gemeindebau und die missionale Identität der Kirche erarbeiten. Inwieweit hat die Mün‐ digkeit des Einzelnen Einfluss auf die missionale Identität? Die zentrale Forschungsfrage dieser Arbeit ist: „Welche Bedeutung hat die Mündig keit für die missionale Identität des Einzelnen und welche Folgen hat diese für die Missionspraxis?“ Angesichts dieser Forschungsfrage müs‐ sen folgende Fragen mit berücksichtigt werden: 1. Welche Bedeutung wird der missionalen Identität in der aktuellen Lite ratur zugemessen?
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2. Inwiefern ist der Mündigkeitsbegriff bei Paulus die Grundlage für die missionale Identität?
1.3 Forschungsmethodik Methodisch werde ich mich bei dieser Arbeit zuerst auf eine Literatur‐ analyse der aktuellen Literatur zum Thema „Missionale Identität“ und „missional Church“ konzentrieren. Aus der Literaturanalyse ausgewähl‐ ter Bücher zur missionalen Praxis und Identität, sowie Bücher über praktische Ansätze eines missionalen Lebensstils soll die Thematik er‐ arbeitet und Erkenntnisse für die Definition und Gestalt der missionalen Identität gewonnen werden. Ein zweiter Teil der Arbeit ist die exegetische Erarbeitung ausgewählter Paulustexte aus dem Galaterbrief (Gal 4,1‐11), dem Epheserbrief (Eph 4,11‐16) und dem ersten Korintherbrief (1Kor 3,1‐4 und 1Kor 13,11‐ 13). Für die Exegese habe ich die ausgewählten Texte auf die Bedeutung der Mündigkeit bei Paulus hin untersucht. Anhand der Forschungsfrage soll die Bedeutung der Mündigkeit für die missionale Identität erforscht werden. In einem dritten Teil werde ich die Ergebnisse aus der Litera‐ turanalyse und der Exegese bewerten und in mehreren Thesen ausfor‐ mulieren.
1.4 Zielpublikum Das Zielpublikum dieser Arbeit sind in erster Linie Leiter in verantwort‐ licher Position in Kirche und christlichen Organisationen. Die Frage nach der missionalen Identität ist für die gesamte Kirche von entschei‐ dender Bedeutung und aus diesem Grund ist diese Arbeit nicht nur für Theologen, sondern auch für Interessierte geschrieben. Besonders für Leiter, Mentoren und Coaches können die Ergebnisse zur missionalen Identität neue Möglichkeiten und Chancen für ihren Dienst darstellen. Diese Arbeit soll auf der einen Seite Ergebnisse für die Praxis in der Kir‐ che bieten und auf der anderen Seite einen Diskussionsbeitrag inner‐ halb der missionalen Theologie bieten.
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1.5 Beg riffskläru ng missional: Der Begriff missional kommt vom lateinischen „mittere“, das mit „entsenden“ übersetzt wird und die Sendung als Bewegung betont: „Im christlichen Sinne meint es, die Bewegung von Gott zu den Men‐ schen, wie sie uns vor allem in der Inkarnation Christi begegnet.“ (Faix 2007:80). Mission ist nicht länger nur eine Aktivität, sondern vielmehr ein Lebensstil der Kirche (:80) und beschreibt damit vielmehr die Iden‐ tität der Kirche und ihrer Glieder: „missional ist ein Adjektiv, das dekla‐ riert, unter welcher Zielrichtung alle Aktivitäten der Gemeinde gesche‐ hen sollen.“ (:81). Die Vertreter der missional Church beschreiben „Mis‐ sion als Mission als Sendung in die Welt, wo Evangelisation und soziale Aktion unauflöslich miteinander verbunden sind, sie sich unterscheiden und doch untrennbar miteinander verknüpft sind.“ (:82). missional be‐ schreibt gleichzeitig das Gesandt‐sein zu den Menschen hin und wie die‐ se Sendung einen neuen Lebensstil fördert. missional beschreibt als ein neues Verständnis von Kirche: „Man geht nicht zur Kirche, sondern man ist Kirche, unterwegs auf einer gemeinsamen Mission/Sendung.“ (:83). missionales Leben fordert die Inkarnation des Evangeliums in die jewei‐ lige Kultur und eine Kirche als Bewegung und nicht mehr als Institution (:84). Mission als Zentrum allen Handelns, ob als Einzelner oder als ge‐ samte Kirche. Kirche (griechisch: ekklesia): Der Begriff ekklesia beschreibt ur‐ sprünglich die Volksversammlung aller stimmberechtigten Bürger einer Stadt (RGG 2004:17106). Der Begriff entstammt dem Bereich des Politischen und bezeichnet die aus den stimmberechtigten freien Männern bestehen‐ de Volksversammlung (Act 19, 39) oder, all‐ gemeiner, die öffentliche Versammlung (Act 19, 32.40). (EKL 2003:6157)
Allerdings spricht man nur während der gemeinsamen Sitzung von ek klesia und an diesem Ort wird der Unterschied zum christlichen Gebrauch von „ekklesia“ deutlich. Die Christen, die sich als ekklesia ver‐ sammelten, waren selbst Kirche, auch ausserhalb der gemeinsamen Zu‐ sammenkünfte. Diese Kirche beschreibt vielmehr die Gesamtheit aller Gläubigen und findet in der Ortsgemeinde bzw. Ortskirche ihre konkrete Ausprägung (EKL 2003:3685). Soziologisch betrachtet, ist Kirche heute Leonardo Iantorno
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ein Segment der Gesellschaft, die als Ziel die Vermittlung und die Verge‐ genwärtigung der Heilsbotschaft des Evangeliums hat (EKL 2003:6234‐ 6235). Die Kirche hat per se also den Auftrag und das Ziel als Zeuge für Gottes Handeln und Wesen in ihrer Kultur zu leben. Die Kirche ist daher in ihren Kontext und ihre Kultur von Gott ausgesandt. Mit der Bezeich‐ nung ekklesia erhob die Urgemeinde bewusst den Anspruch, das wahre Gottesvolk (RGG 2004:17108) und durch ihn gesandt zu sein. Kirche ist also der „Leib Christi“ innerhalb ihres Kontextes und beschreibt damit eine Lebensform, für die sich jeder Christ entschieden hat und in Ge‐ meinschaft auslebt. Postmoderne: Die Postmoderne beschreibt die Epoche, die auf die Mo‐ derne folgt. Auf verschiedenen Ebenen (Architektur, Literatur, Soziolo‐ gie, Philosophie, Theologie etc.) sind grundlegende Fragen und Ansätze zur Veränderung am modernen Gedankengut aufgetaucht und wurden konkretisiert. Die Bez. »p.« wurde 1934 zunächst im hispa‐ noamerikan. Sprachbereich, u.zw. in der Lite‐ raturkritik, durch Frederico de Oniz (1885‐ 1966) benutzt, um eine Reaktion auf »die Ex‐ zesse des Modernismus« (Moderne) zu be‐ zeichnen. (EKL 2003:10463)
Den Vertretern der Moderne, die sich selbst als wahre Erben der Aufklä‐ rung sehen, stellen sich postmoderne Vertreter entgegen, die nicht mehr Kontinuität und Kohärenz, sondern vielmehr Diskontinuität und Frag‐ ment als Parameter für das Denken und Handeln betonen (EKL 2003:10466). Die Postmoderne ist also nicht nur als weitere Ausprä‐ gung der Moderne zu verstehen, sondern beschreibt ein gänzlich neues Paradigma, auch wenn diese Frage kontrovers diskutiert wird. Nicht mehr der Einheitsgedanke steht im Mittelpunkt, sondern vielmehr die Suche nach Individualität in einer pluralistischen Gesellschaft.
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2. LITERATURANALYSE ZUM THEMA „MISSIONALE IDENTITÄT“ 2.1 Begründung der Auswahl Der erste Forschungsteil dieser Arbeit untersucht das Thema „missiona‐ le Identität“ anhand verschiedener Literatur und gibt einen Überblick wie die missionale Identität innerhalb der aktuellen Literatur verstan‐ den wird. Im ersten Teil lege ich anhand missiologischer Literatur von David Bosch und Darrell Guder die Grundlagen für einen missionalen Paradigmenwechsel. Es geht in erster Linie darum, den Paradigmen‐ wechsel auf ekklesiologischer sowie missiologischer Ebene zu erkennen und zu verstehen. In einem zweiten Teil soll dann die missionale Identität als Basis für die missionale Kirche beschrieben bzw. analysiert werden. Alan Hirsch und Michael Frost gehen in ihren Werken auf die konkreten Veränderungen eines missionalen Lebensstils ein. Ausserdem zeigen sie theologische und praktische Ergebnisse für missionales Leben auf. Die Frage nach der Bedeutung der missionalen Identität in einer post‐christlichen Zeit steht im Zentrum dieses Forschungsteils. Schliesslich führe ich in einem dritten Teil verschiedene Praxisbeispiele der Gegenwart auf, die einen Einblick in die Möglichkeiten eines missio‐ nalen Lebensstils aufzeigen. Aus dieser Literaturanalyse heraus werden erste Thesen und Schlussfolgerungen für die Forschungsfrage gezogen. Ziel dieser Literaturanalyse ist es, ein Grundverständnis über die missi‐ onale Identität in der Postmoderne zu vermitteln. Die konsultierte Lite‐ ratur wurde gezielt auf dieses Ziel hin untersucht und analysiert.
2.2 Missionaler Paradigmenwechsel 2.2.1 David Bosch: „An die Zukunft glauben“ In seinem Aufsatz „An die Zukunft glauben“ gibt David Bosch einen Ein‐ blick in die geschichtliche Entwicklung der Kircheund betont die Not‐ wendigkeit eines Paradigmenwechsel in einer postmodernen Kultur. In Anlehnung an Hans Küng bezeichnet Bosch die Postmoderne als „post‐ Leonardo Iantorno
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eurozentrische, postkoloniale, postimperiale, postsozialistische, postin‐ dustrielle, postpatriarchalische, postideologische und postkonfessionel‐ le Welt“ (1995:11). Diese gesellschaftlichen Entwicklungen verlangen von der Kirche eine Antwort, die wiederum eine grundlegende Verände‐ rung der Kirche voraussetzt. 2.2.1.1 Die Aufklärung und der Glaube in der Postmoderne Die Hauptüberzeugungen der Aufklärung, wie Bosch sie aufzeigt, beto‐ nen die zentrale Rolle des Menschen und der menschlichen Vernunft für alle auf die Aufklärung folgenden Epochen. Er erkennt in der Moderne die „logische Vollendung einer Denkweise, deren Wurzeln weit bis in die griechische Antike zurückreichen, von wo sie in das christliche Denken eingedrungen ist“ (:14). Die Aufklärung und ihre Auswirkungen bis heu‐ te dürfen dabei nicht allein negativ beurteilt werden, gerade weil die Vä‐ ter der Aufklärung Christen waren und in ihrem Tun einen Dienst sahen. In ihrer Reaktion auf das Gedankengut der Aufklärung formulierte die katholische Kirche, so Richard Niebuhr, das Modell des „Christus über der Kultur“ (:20). Im Protestantismus wurde hingegen die „Unverein‐ barkeit von Kirche und Welt“ (:21f) betont. Die Gesellschaft hat sich für Ideologien neu geöffnet, die zu neuen Religionen heranwuchsen. Das Grundproblem der Postmoderne erkennt Bosch im Wunsch des Men‐ schen nach totaler Autonomie, die im Gegensatz zum Streben nach Sinn steht: „Einerseits wird die Autonomie der Vernunft abgelehnt; anderer‐ seits wird dies allein mit Mitteln der Vernunft getan.“ (:26). 2.2.1.2 Missionstheologie im postmodernen Westen Nach diesem kurzen Eindruck über die Entwicklung der postmodernen Kultur beschreibt Bosch seinen Weg zu einer Missionstheologie für die Postmoderne. In diesem Zusammenhang zeigt er auf, wie im Osten und in der Dritten Welt die Missiologie gleichsam zur Theologie geworden ist (:27). Demgegenüber lebte die Kirche in Symbiose mit der Gesell‐ schaft. Anhand dieser Entwicklung verdeutlicht Bosch, wie Theologie auch im Westen aus der Mission heraus erwachsen muss: „Denn die Theologie, wenn sie recht verstanden wird, hat keine andere Daseinsbe‐ rechtigung ausser der, dass sie die missio Dei kritisch begleitet.“ (:31). In den Theologien der Dritten Welt sieht Bosch den Schlüssel, um eine neue missionarische Theologie für den Westen zu entwickeln (:33). Eine Leonardo Iantorno
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Veränderung in der Haltung gegenüber der Religion lässt sich aber schon heute beobachten: „Heutzutage wird die Religion wieder positiv bewertet. Die sogenannte religionslose Welt scheint zutiefst religiös zu sein.“ (:37). Gleichzeitig erweist sich der Glaube an den Gott der Bibel und seinen Sohn Jesus Christus als schwierig, da er nicht in Ordnung der Postmoderne passt (:39). Für die Kirche muss es daher darum gehen, eine Begegnung mit dem Christus für die Menschen heute möglich zu machen. Das ist auch die Aufgabe des Missionars in der postmodernen Gesellschaft, will er wirklich Missionar sein. In der postmodernen Kultur hat die Kirche die Aufgabe, den Menschen ein neues Verständnis für Weltanschauungen und Ideologien zu geben. Es geht nicht darum, den Glauben zu widerlegen oder zu begründen, sondern darum die Men‐ schen in die Nachfolge zu rufen, die sowohl persönlich, als auch in der Gemeinschaft erlebbar ist: „Der Glaube bleibt somit meine Vision, unsere Vision. Doch wenn er mich zu verbindlicher Hingabe ruft, warum sollte er das nicht auch im Blick auf andere tun?“ (1995:43).
2.2.2 David Bosch: „Transforming Mission“ Wie hat sich Mission in den vergangenen 2000 Jahren entwickelt und welche weiteren Veränderungen stehen uns heute für die Mission be‐ vor? Diese Fragen stellt David Bosch in seinem Werk Transforming Mis sion: „Here, mission is not the enterprise that transforms reality, but something that is itself being transformed.“ (1991:xv). Die Mission Got‐ tes hat sich über die Jahrhunderte verändert und auch in der postmo‐ dernen Kultur braucht es eine Veränderung des geltenden Missionspa‐ radigmas. 2.2.2.1 Mission im Neuen Testament Der Autor beginnt seine Ausführungen mit dem Blick auf Mission im Neuen Testament. „Dynamic change is to be expected since God is a dy‐ namic being. […] As the God of history God is, secondly, also the God of promise.“ (:17). Gerade weil Mission Gottes Auftrag für die Menschen ist, so liegt der Grund für die Mission der Kirche im Vorbild von Jesus Christus: „In the ministry of Jesus, God is inauguration his eschatological reign and he is doing it among the poor, the lowly, and the despised.“ (:27). Durch Jesus hat etwas völlig Neues begonnen und Bosch betont dabei, wie diese neue Zukunft in unsere Gegenwart hereinbricht (:32). Leonardo Iantorno
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Mit Jesus als Vorbild muss Mission in einem ganzheitlichen Licht gese‐ hen werden. Es geht darum, die Gesellschaft zu verändern durch die Kraft des Evangeliums. Obwohl Jesus selbst unter dem mosaischen Ge‐ setz lebte und es achtete, stellte er es nicht über die Menschen, für die er kam (:36). Der Ruf in die Nachfolge war in erster Linie ein Ruf in Gottes Reich und damit in seine Gnade (:37). Bosch beschreibt dabei, wie das Reich Gottes kein Programm ist, sondern eine neue Realität: „The first Christians respond to this reality, which has overpowered the in the Easter experience, by mission. They feel themselves challenged to de‐ clare the praises of God who has called them out of darkness into his wonderful light.“ (:40). In ihrer Art Mission zu leben, waren die ersten Christen sich der eigenen Identität bewusst und versuchten diese Hoff‐ nung auf das Kommen Gottes hin zu leben (:49). Jesus hatte weder das Ziel eine neue Religion zu gründen, noch war es das Ziel der Kirche, eine Institution zu werden. Die Kirche entwickelte sich jedoch zu einer stati‐ schen Institution, die ihre Dynamik verlor und der es je länger je mehr nicht gelang die Juden zu erreichen (:50‐51). Im Leben von Paulus lassen sich drei zentrale Merkmale erkennen, die für seine Mission entscheidend sind (:133‐170): (1) „A Sense of Con‐ cern“, (2) „A Sense of Responsability“ und (3) „A Sense of Gratitude“. Dabei betont Bosch die Bedeutung der Kirche für ihre Umwelt und wie Kirche und Umwelt in einer Art Solidarität miteinander leben (:153). Die Kirche als „ekklesia“ ist dabei die Versammlung freier Bürger, die Jesus Christus nachfolgen: „In Paul’s understanding, the church is ‘the world in obedience to God’, the ‘redeemed … creation’. Its primary mission in the world is to be this new creation.“ (:168). 2.2.2.2 Mission im Wandel Die wichtigste Veränderung für das postmoderne Missionsparadigma ist nach Bosch das Erkennen, wie Gott ein sich offenbarender Gott ist, der in die Realität der Menschen eingreifen will: God communicates his revelation to people through human beings and through events, not by means of abstract propositions. This is another way of saying that the biblical faith, both Old and New Testament, is ‘incarna‐ tional’, the reality of God entering into human affairs. (:181)
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Hier beschreibt Bosch kein „neues“ Paradigma, sondern vielmehr das Grundverständnis für Mission, wie es in der biblischen Heilsgeschichte vorgestellt wird. Die Kirche in der Postmoderne muss sich wieder neu der eigenen Wurzeln in Jesus Christus bewusst werden: „Like the Israel‐ ites of old […] we too need to be reminded of our roots, not only in order that we might find direction.“ (:189). Für die Kirche ist diese Zeit des Pa‐ radigmenwechsels eine Zeit der Unsicherheiten: „A time of paradigm shift is a time of deep uncertainty.“ (:349) und dennoch sollte die Kirche relevante Antworten auf die Fragen der Menschen haben. All around just people are looking for new meaning in life. This is the moment where the Christian church and the Christian mission may once again, humbly yet resolutely, pre‐ sent the vision of the reign of God—not as a pie in the sky, but as an eschatological reality which casts its rays, however opaque, into the dismal present, illuminates it, and confers meaning on it. (:361‐362)
Die Menschheit sucht auch in der Postmoderne nach dem Sinn des Le‐ bens. Genau hier sollten die Kirche und die christliche Mission einen neuen, postmodernen Weg finden, die Botschaft vom Reich Gottes zu verkünden. Die Kirche befindet sich also auf der Suche nach einer neuen Identität für die christliche Mission und muss sowohl ihre Geschichte, als auch die aktuellen gesellschaftlichen und weltpolitischen Entwick‐ lungen ernst nehmen. Die postmoderne Gesellschaft verändert sich im‐ mer weiter und um relevant zu sein, braucht es auch innerhalb der Kir‐ che Erneuerung. Wie reagiert die Kirche auf diese nachhaltigen Verän‐ derungen? Um eine bedeutende Rolle für die Gesellschaft und damit für die Menschen zurückzugewinnen, braucht es neue, kreative Wege, Kir‐ che zu bauen (:363). 2.2.2.3 Ein neues, ökumenisches Paradigma Mission und Kirche dürfen sich in einem postmodernen Missionspara‐ digma weder gegeneinander ausgespielt, noch einander untergeordnet werden. Vielmehr muss die Kirche ihre Identität als die „Gesandte“, statt die „Sendende“ annehmen und folglich danach leben (:370). Die Kirche ist missionarisch aktiv, weil sie Mission lebt. Als Gemeinschaft Gottes lebt sie den Unterschied in der Gesellschaft und bietet nicht einfach eine Alternativgesellschaft an. Die Kirche ist herausgerufen zu den Men‐ Leonardo Iantorno
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schen, die auch heute in einer Art Dispora‐Situation leben (:372f). Es gibt keine Unterscheidung mehr zwischen Kirche und Welt. Die Kirche lebt selbst in der Welt und wird daher nicht mehr strikt getrennt (:383). Gott begegnet den Menschen in der Natur, in der Welt und deshalb sollte die Kirche nicht länger als von der Welt abgetrennt gesehen werden. Gott offenbart sich in der Welt den Menschen (auch denen, die ihn nicht kennen). Deshalb muss sich die Kirche wandeln von einer selbstbezoge‐ nen, zu einer wachen Kirche, die alles für die Rettung der Menschen in ihrem Lebensfeld tut (:384). Der Ansatzpunkt einer relevanten und ökumenischen Missiologie ist die missio Dei, denn die Kirche findet ihren Ursprung in der Mission. Erst war der Missionsgedanke und aus diesem Gedanken heraus entstand die Kirche (:390). Die missio Dei beschreibt Gottes Wesen und wie Mission Gottes Natur beschreibt: „Mission is the church sent into the world, to love, to serve, to preach, to teach, to heal, to liberate.” (:412). Die Kirche darf also nicht nur Verantwortung für die religiösen und moralischen Fragen, sondern auch für politische und ge‐ sellschaftliche Fragen übernehmen und Alternativen anbieten können. Um die eben von Bosch beschriebene Rolle wahrnehmen zu können, braucht es jedoch das Bewusstsein bzw. die Bereitschaft, dem Evangeli‐ um eine sichtbare Gestalt innerhalb der postmodernen Gesellschaft zu geben. Mission als Kontextualisierung zeigt, wie Gott sich der Welt zu‐ wendet und beinhaltet verschiedene lokale Theologien. Es braucht ein Gleichgewicht zwischen Relativismus und erzwungener Kontextualisie‐ rung. Dabei muss die Kirche die Zeichen der Zeit zu erkennen und ernst zu nehmen. Kontextualisierung ist jedoch nicht der alles entscheidende Faktor und es geht nicht nur um den Bezug von Praxis und Theorie zu‐ einander, denn diese Spannung zwischen Theorie und Praxis kann und darf nicht aufgelöst werden (:425‐432). Die Kirche befindet sich auch in unseren westlichen, postmodernen Kulturen in einer Diaspora‐ ähnlichen Situation (:465). Dabei ist sie nicht in erster Linie Institution, sondern vielmehr in ihren Mitgliedern lebendig und braucht dafür eine neue, organische Ekklesiologie (:474). Die Frage welchen Platz die Mis‐ siologie innerhalb der Theologie einnimmt, beantwortet Bosch damit, dass jede theologische Disziplin sich ihrer missiologischen Verantwor‐ tung bewusst werden muss (:489‐498). Das Ziel der Kirche liegt in der Transformation ihrer Umwelt durch Mission: „Transforming mission
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means both that mission is to be understood as an activity that trans‐ forms reality and that there is a constant need for mission itself to be transformed.“ (:511). Durch Mission, die ihren Ursprung in Gottes Mis‐ sion, der missio Dei hat, wird die Kirche gereinigt und kann Erneuerung erfahren (:519).
2.2.3 Darrell Guder: „Missional Church“ 2.2.3.1 Die Kirche in ihrem neuen Kontext Die Kirche ist Gottes auserwählte und herausgerufene Volk für die Men‐ schen und die Kultur, in der sie lebt. Mit dieser Grunderkenntnis beginnt Darrell Guder seine Ausführungen und beschreibt sie als missional: „With the term missional we emphasize the essential nature and vocati‐ on of the church as God’s called and sent people.“ (1998:11). Eine solche missionale Ekklesiologie muss deshalb biblisch, historisch, kontextuell, eschatologisch und praktisch sein (:11). In einer Zeit, in der es nur noch relative Wahrheiten zu geben scheint, liegt es an der Kirche, dass sie Gottes Wahrheit den Menschen zugänglich macht (:40). Die Kirche ist nicht mehr allein für spirituelle Fragen zuständig, sondern muss ihre Verantwortung für das alltägliche Leben, ihre Kultur und die nationale Identität übernehmen (:44f). Besonders in einer Zeit, in der viele Men‐ schen durch die individualistischen Strukturen in Einsamkeit gezwun‐ gen werden, muss die Kirche eine Alternative bieten können. Aus eth‐ nisch geprägten Einzelgemeinden wurden zuerst zielgerichtete Gemein‐ den, bis sich sowohl die Denominationen als auch die einzelnen Ge‐ meinden immer mehr zu Institutionen und später zu Organisationen entwickelt haben. Schliesslich haben sich mehr und mehr „Lifestyle Ge‐ meinden“ herausgebildet, die ein bestimmtes Bevölkerungssegment an‐ sprechen wollen (:62‐66). Guder zeigt auf, wie übergemeindliche Struk‐ turen der missionalen Kirche helfen: „Paralocal structures find prece‐ dents for their existence in the local and mobile expression of ministry in the New Testament.“ (:75). Solche Strukturen dienen dabei dem Wachstum der Kirche und eine missionale Ekklesiologie muss sich so‐ wohl mit den kirchlichen, als auch den ausserkirchlichen Strukturen auseinandersetzen.
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2.2.3.2 Der Auftrag der Kirche Während sich die Gesellschaft im Umbruch befindet, steckt die Kirche in ihrer eigenen Krise: „But the churches face a crisis of their own. […] there is a need for reinventing or rediscovering the church in this new kind of world.“ (:77). Die Menschen sehen in der Kirche einen Ort, eine Institution und nicht mehr eine Identität: „Popular grammar captures it well: ‘go to church’ much the same way you might go to a store. You ‘at‐ tend’ a church, the way you attend a school or theater. You ‘belong to a church’ as you would a service club with its programs and activities.“ (:80). Allzu oft werden die Verben „bauen“ und „erweitern“ für den Ge‐ meindebau gebraucht, obwohl sie im Neuen Testament nie Verwendung finden: „The New Testament employes the words receive and enter.“ (:94). Die Kirche ist in ihre Kultur gesandt und deshalb missional. Sie erhält das Reich Gottes als Geschenk von Gott und sollte den Menschen helfen das Reich Gottes selbst zu finden. Dabei muss die Kirche bereit sein, aus ihrem gewohnten Rahmen heraustreten (:109). Guder be‐ schreibt eine der Hauptaufgaben der Kirche, das Evangelium für die Kul‐ tur, in der sie lebt, zu übersetzen. One of the tasks of the church is to translate the gospel so that the surrounding culture can understand it, yet help those believers who have been in that culture move toward living according to the behaviors and communal identity of God’s missional people—in the language of the New Testament, God’s ethnos (see 1 Pet. 2:9).
Will die Kirche die Botschaft vom Reich Gottes in die Kultur tragen, dann muss sie ihren geschützten Rahmen verlassen und als „missionale Kir‐ che“ öffentlich aktiv werden: „The missional church will be in the world with good news.“ (:137). 2.2.3.3 Gemeinschaft und Leiterschaft in der missionalen Kirche Der Ursprung und die Mission der Kirche kommt, laut Guder, aus der Berufung durch den Heiligen Geist: „The church owes its origin, its destiny, its structure, its ongoing life, its ministry—in short, its missi‐ on—to the divine Spirit of life, truth, and holiness.“ (:145). Aus dieser Berufung heraus hat die Kirche die Rolle der Hoffnung für die Gesell‐ schaft. Sie lebt der Gesellschaft eine neue Identität und eine neue Vision vor, die in Jesus Christus Realität geworden ist (:153). Dabei muss die Leonardo Iantorno
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Kirche in Bewegung bleiben:„The church is given not a static, once‐and‐ for‐all legal code but a dynamic procedure of reconciling dialogue.“ (:168). Eine geistgeführte Leiterschaft innerhalb der Kirche spielt dabei die entscheidende Rolle für die missionale Entwicklung der Kirche (:187). Guder beschreibt, wie die Leiterschaft der Kirche als Institution innerhalb der Gesellschaft ihre Dynamik verloren hat und deshalb eine neue Sprache entwickeln muss, um ihre Bestimmung und ihren Auftrag wahrnehmen kann: „To summarize, missional leadership will require skills in evoking a language about the church that reshapes its un‐ derstanding of its purpose and practices.“ (:214). „To put it another way, the structures of the church are to incarnate its message in its setting.“ (:227). Die Kirche ist dann Leib Christi, wenn sie ihre Botschaft für die Menschen in der Gesellschaft lebt und wie Guder es nennt, inkarnieren kann. Zwei zentrale Themen für die missionale Kirche sind dabei die Botschaft vom Reich Gottes und eine missionale Eschatologie. Die Kirche als Organisation ist jedoch immer komplexer strukturiert und legt ihren Schwerpunkt, ähnlich einem Unternehmen, auf Erfolg, Statistiken und Öffentlichkeitsarbeit. In dieser Situation, in der sich die Kirche befindet, braucht es eine Erneuerung der missiona‐ len Identität und Berufung der Kirche (:253). Diese Erneuerung haben insbesondere die Grosskirchen im nordamerikanischen Kontext nicht angetreten und damit eine eigene Subkultur entwickelt: National churches, state churches, people’s churches (Volkskirchen), and connectional churches in Western Christendom have fre‐ quently been insensitive to, if not repressive of, the cultural diversity within political boundaries. (:263)
Die Kirche muss zu ihrer eigentlichen Identität zurückfinden, die sie je‐ doch allein an ihrem Ursprung, Jesus Christus, wiederfinden kann. Somit braucht es eine konstante Erneuerung der Kirche, damit sie ihrer Aufga‐ be, Zeuge für Jesus Christus in der Gesellschaft zu sein, gerecht werden kann (:267).
2.2.4 Schlussfolgerungen: „Missionaler Paradigmenwechsel“ Da sich die Gesellschaft in der Postmoderne entscheidend verändert hat, ist ein Paradigmenwechsel innerhalb der Kirche notwendig geworden Leonardo Iantorno
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(Bosch 1995:11). Es geht in erster Linie nicht um neue Strukturen, For‐ men und Methoden, sondern um die Identität der Kirche, die erneuert bzw. neu entdeckt werden muss. Die Kirche ist in den vergangenen 1700 Jahren immer mehr zu einer durchstrukturierten Institution geworden und hat dabei jedoch die Dynamik einer lebendigen Bewegung einge‐ büsst (1995:50‐51). Hier liegt der entscheidende Punkt: Die Kirche ist für die Menschen lediglich eine Institution, die nichts mehr mit der Iden‐ tität der Menschen zu tun hat. Menschen in die persönliche Nachfolge Jesu zu rufen, ist die zentrale Aufgabe der Kirche und um diese Aufgabe in der postmodernen Gesellschaft erfüllen zu können, ist eine Verände‐ rung des Missionsparadigmas nötig. Diese Veränderung wird erst durch die Kraft des Evangeliums möglich. Um die Gesellschaft mit dem Evange‐ lium zu verändern, liegt es an der Kirche, das Evangelium in die Kultur der Postmoderne zu übersetzen und zu kontextualisieren. Die Grundla‐ ge für einen solchen Paradigmenwechsel ist die Suche der Kirche nach ihrer Identität, nach ihren Wurzeln, die sie in Jesus Christus hat (Guder 1998:267). Diese Suche nach der Identität muss innerhalb des postmo‐ dernen Kontextes geschehen, da die Kirche innerhalb der postmodernen Kultur existiert. Die Kirche ist die Gesandte Gottes in die Welt und trägt damit eine Verantwortung für die Menschen und deren Fragen und Probleme (Bosch 1991:370). Die missio Dei ist dabei die Motivation und das Fundament für die Kirche innerhalb der sie umgebenden Kultur. Diese missio Dei beschreibt das Wesen Gottes, die Menschen mit dem Evangelium zu erreichen und die Kirche findet ihre Identität deshalb in ihrer Sendung in die Welt zu den Menschen (Bosch 1991:412; Guder 1998:44f). Wie kann die Kirche diese missionale Identität neu entde‐ cken, wenn nicht durch ihre Glieder, die diese selbst persönlich entde‐ cken.
2.3 Missionale Identität – die Basis für einen missionalen Gemeindeaufbau In der aktuellen Literatur zu den Themen „missional Church“, „Emerging Church“ oder generell zum Thema „Gemeindebau“ taucht immer wieder der Begriff „missional“ auf und sorgt bei vielen für Achselzucken und Unverständnis. Es geht dabei nicht um ein neues Gemeindebaumodell, dem es nachzueifern gilt, sondern vielmehr um die Basis für einen ganz‐
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heitlichen Paradigmenwechsel für die Kirche innerhalb der postmoder‐ nen Lebenskultur. Besonders Alan Hirsch und Michael Frost haben in ihren Werken den Begriff der „missional DNA“ geprägt und als Grundla‐ ge für diesen Paradigmenwechsel definiert. In diesem Abschnitt meiner Arbeit soll nun der Fokus auf ebendiese missionale Identität gelegt wer‐ den. Dabei werden in erster Linie die Bücher von Alan Hirsch und Mi‐ chael Frost aufgegriffen, diskutiert und Ergebnisse zusammengetragen.
2.3.1 Alan Hirsch: „The Forgotten Ways“ Schon zu Beginn seiner Arbeit zeigt Hirsch auf, dass er in den modernen Prinzipien des christlichen Lebens keine Zukunft für eine postmoderne Kultur sieht. Während sich innerhalb der Gesellschaft deutliche Verän‐ derungen abzeichnen und die kulturellen Entwicklungen von der Mo‐ derne zur Postmoderne immer deutlicher werden, bleibt die Kirche in ihrer Lethargie und versucht weiterhin auf diese Strömungen mit neuen Angeboten und zeitgemässen Methoden zu reagieren. Gerade hier muss jedoch die Frage nach der Nachhaltigkeit solcher Angebote und Metho‐ den gestellt werden, denn eine Kirche, die weitestgehend auf sozio‐ kulturelle Entwicklungen und Strömungen reagiert, kann den Platz, den ihr Begründer Jesus Christus ihr zugemessen hat, nicht einnehmen und wird daher scheitern. The tools and techniques that fitted previous eras of Western history simply don’t seem to work any longer. What we need now is a new set of tools. A new ‘paradigm’—anew vision of reality: a fundamental change in our thoughts, perceptions, and values, especially as they re‐ late to our view of the church and mission. (Hirsch 2006:17)
Um ihren Auftrag in einer postmodernen Gesellschaft wieder wahrneh‐ men zu können, muss sich die Kirche also einem ganzheitlichen Para‐ digmenwechsel stellen. Dieser Paradigmenwechsel kann jedoch nicht bei den kirchlichen Strukturen und Methoden ansetzen, sondern be‐ ginnt beim Einzelnen. Hirsch beschreibt eine solche Veränderung als „solution that goes to the very roots of what it means to be Jesus’s peo‐ ple” (:17). Diese Lösung kann nur persönlicher Natur sein, denn wenn die Kirche ihren Auftrag heute nicht mehr mit Methoden und Strukturen erfüllen kann, braucht es neue Denkweisen, die vor der Frage nach der Methodik entscheidenden Einfluss nehmen können. Alan Hirsch be‐ Leonardo Iantorno
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schreibt diesen persönlichen Paradigmenwechsel als den Wechsel zu einer „missional DNA“ oder auf deutsch zur „missionalen Identität“. Die‐ se Identität erwächst aus der Kraft und Stärke, die wir in so vielen ver‐ schiedenen Bewegungen im Laufe der Kirchengeschichte erkennen können: „Apostolic Genius is the phrase I developed to try to conceive and articulate that unique energy and force that imbues phenomenal Je‐ sus movements in history.“ (:274). Das hier erwähnte „Apostolische Ge‐ nius“ beschreibt in erster Linie die Kraft, die wir beispielsweise in der ersten Christengemeinde in der Apostelgeschichte erkennen können. Im Zentrum steht dabei Christus selbst. Er ist der Herr, Begründer und Haupt seiner Gemeinde. In der folgenden Grafik werden die verschiede‐ nen Elemente des „Apostolischen Genius“ veranschaulicht. Disciple Making
missional‐ incarnatio‐ nal Impulse
JESUS IS LORD
Communi‐ tas not Community
Apostolic
Organic
Enviroment
System
Abbildung 1: „Apostolic Genius“
Diese fünf Kernelemente fördern und entwickeln die „missionale Identi‐ tät“ im Einzelnen und machen dadurch Jüngerschaft erst möglich. Ein Paradigmenwechsel im persönlichen Glauben ermöglicht erst wirkliche Veränderung für den Gemeindebau sowie die Gemeindeentwicklung. What we need now is a new set of tools. A new “paradigm” – a new vision of reality: a funda‐ mental change in our thoughts, perceptions, and values, especially as they relate to our view of the church and mission. (2006:17)
Es geht eben nicht um neue Methoden oder Strukturen, die der Kirche in der Postmoderne ihre Aktualität und Relevanz zurückbringen, sondern um eine grundlegende Veränderung im Denken des einzelnen Christen. Veränderung innerhalb der Kirche kann nur durch Veränderung des ei‐ genen Denkens anhand des Vorbildes von Jesus Christus erreicht wer‐ den. Gerade deshalb muss für das Apostolische Genius Jesus Christus im Leonardo Iantorno
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Zentrum stehen. In ihm findet die Kirche ihr Haupt und jeder Christ in der Nachfolge seinen Herrn. Weil es die Kirche nicht geschafft hat, ihre Rolle in der Gesellschaft zu finden, ist es an der Zeit, dass die Kirche ih‐ ren Ursprung neu entdeckt, um damit eine neue Sicht für ihren Auftrag in der Welt erhält. Dafür ist das Wiederentdecken des „Apostolic Genius“ von zentraler Bedeutung. 2.3.1.1 Missionale Identität als Grundlage der „Ekklesia“ In erster Linie geht es darum, das Veränderungspotenzial zu entdecken und festzustellen, wo Veränderung unbedingt nötig ist.. Die Kirche muss wieder zurück an den Puls der Gesellschaft und das wird nur dann ge‐ schehen, wenn der Einzelne wieder zurückkehrt zu den Menschen in seinem Kontext: „We realized that we needed to become missionaries and that the church needed to adopt a missionary stance in relation to its context.“ (:32). Es scheint so, als dass die Christen innerhalb der Kir‐ che ihr missionales Herz, ihre Begeisterung und damit ihre missionale Identität verloren haben. Eine Kirche, die wieder zu ihrer ursprüngli‐ chen Berufung (nach Matthäus 28,19‐20) zurückfinden möchte, muss sich daher neu hinterfragen, wie Hirsch das beispielsweise tut: „Is the church really meant to be a ‘feeding trough’ for otherwise capable midd‐ le‐class people who are getting their careers on track?”. Darf es sein, dass die Kirche allein für die Gläubigen und ihr Wohlbefinden da ist. Ganz im Gegenteil, die Kirche muss wieder zu den „elemental prin‐ ciples“, den grundlegenden Prinzipien zurückfinden. Diese Prinzipien findet die Kirche nach Hirsch vor allem in Galater 3,3‐11 und Kolosser 2,8.20‐23, wo Paulus die Gemeinden zur Mündigkeit aufruft, statt in der Unmündigkeit zu bleiben (:55). Als Grundproblem für die Christenheit heute identifiziert Hirsch das Mailänder Edikt von 313 n. Chr. und seine Folgen für die Kirche in den darauffolgenden Jahrhunderten. Durch die Verstaatlichung der Kirche verlor die „Jesus‐Bewegung“ ihre Dynamik, ihren Antrieb. Sie wurde je länger je mehr durch Institutionalismus sowie das wachsende Konsum‐ denken und –Verhalten ihrer Mitglieder aufgezehrt. Heute stehen die Kirche und damit auch ihre Mitglieder an der Schwelle, um diesen Zerbruch zwischen Kirche und Kultur wieder aufzufüllen. An diesem Punkt setzt Hirsch an und spricht von der „mDNA“, von der „missionalen Identität“ als dem göttlichen, genetischen Code, der in jedem Christen Leonardo Iantorno
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lebt und sich in jeder Zelle wiederfinden lässt (2006:76‐77). Dieser Christus‐Code ist durch die institutionellen Barrieren in Vergessenheit geraten, lebt aber immer noch im Verborgenen weiter. Die missionale Identität existiert in jedem Christen und wird von Generation zu Gene‐ ration weitergetragen, auch wenn sie unterdrückt wird. Es gilt also, die‐ se missionale Identität wieder aufbrechen zu lassen sowie mit Hilfe des „Apostolic Genius“ wieder zum ursprünglichen Herzstück von Gottes „ekklesia“ zurückzufinden. 2.3.1.2 Aus Christologie kommt Missiologie und schliesslich Ekkle siologie Betrachtet man christliche Bewegungen, wie beispielsweise die erste Gemeinde in der Apostelgeschichte oder die aktuelle Kirche in China, dann zeichnen sich diese Bewegungen einerseits durch ihre Christologie und andererseits durch die Fähigkeit zur Kontextualisierung aus. Beide Bereiche sollen und dürfen nicht voneinander getrennt werden, da es Gott immer um eine ganzheitliche Beziehung zum Menschen geht. Therefore, everything—one’s work, one’s do‐ mestic life, one’s health, one’s worship—has significance to God. He is concerned with every aspect to the believer’s life, not just the so‐called spiritual dimensions. (:91)
Während in der modernen Kirche oft allein das Seelenheil der Menschen im Mittelpunkt stand, beschäftigt sich Gott mit dem ganzen Menschsein. Jüngerschaft nach Paulus findet dort statt, wo Menschen dem Gott fol‐ gen von dem, durch den und zu dem alle Dinge geschaffen sind 1 (:88). Im Zentrum steht also der Glaube an Jesus Christus und damit die neu‐ testamentliche Christologie. Die Christenheit als eine messianische Be‐ wegung muss auf eine Christologie gegründet sein, die ihren Ursprung in den Evangelien hat. Es geht also darum, das zentrale Bekenntnis und die einfachsten Botschaften des Neuen Testaments zu leben. Am Anfang von Veränderung steht immer Jüngerschaft und radikale Nachfolge, wie sie in den Evangelien und am Leben Jesu deutlich wird. Als Gegenstück dazu identifiziert Hirsch das Konsumverhalten unserer postmodernen Gesellschaft: „Consumerism has al the distinguishing 1 Römer 11,35
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traits of outright paganism—we need to see it for what it really is.“ (2006:106). Aus dieser Perspektive betrachtet, liegt der Schwerpunkt der Veränderung bei jedem Christen persönlich. When we look at the phenomenal movements in history, we find that these people move‐ ments found a way to translate the grand themes of the gospel (kingdom of God, re‐ demption, atonement, forgiveness, love, etc.) into concrete life through the embodiment of Jesus in ways that were profoundly relational and attractive. (:114)
Konkrete Jüngerschaft beschreibt also einen Lebenszyklus, den jeder Christ entwickelt und in seinem Kontext auslebt. Die zentralen Themen des Evangeliums in persönlichen Beziehungen vorzuleben, ist demnach der beste Weg, missional zu leben oder anders gesagt Kirche zu sein. Al‐ les dreht sich darum, Menschen zu befähigen, selbst missional zu den‐ ken und zu leben. Dazu braucht es ein hohes Mass an Identifikation mit den Mitmenschen: „The missional‐incarnational approach requires identification with a local people group, cultural sensitivity, and coura‐ geous innovation to authentically fulfill its mission.“ (:140). Ein solcher Ansatz kommt aus der oben schon angesprochenen Bindung an die Christologie. Denn erst die Christologie legt die Missiologie fest, diese wiederum die Ekklesiologie. Die Kirche hat in der Konsumgesellschaft ihren Platz eingenommen aber wenn sie sich neu an Jesus Christus ori‐ entiert, muss sie ihre Prioritäten neu setzen. Es braucht heute vor allem Übersetzer des Evangeliums in die Lebensrealität der Menschen. Das Vorbild für eine missionale Kirche muss daher Jesus selbst sein. Sein Le‐ ben, sein Vorbild und sein Handeln während seiner Zeit auf der Welt müssen einen neuen Stellenwert erhalten, um die Gesellschaft nachhal‐ tig mit dem Evangelium erreichen zu können. 2.3.1.3 Liminalität als Schlüssel zu echter Jüngerschaft Die Kirche ist damit in die Verantwortung gerufen, mehr zu sein, als nur Gemeinschaft von Christen. Das allein reicht nicht mehr aus, denn es geht bei Kirche um mehr als Gemeinschaft der Gläubigen. Hirsch be‐ schreibt diese neue Art der Gemeinschaft als „Communitas“. Diese „Communitas“ ist die unmittelbare Gemeinschaft zwischen Menschen, die ein gemeinsames Ziel mit ihrer ganzen Leidenschaft und ganzer Kraft verfolgen. Dabei sind sozialer Status und Ansehen nicht von Be‐ Leonardo Iantorno
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deutung, weil die Mitglieder dieser Gruppe aufgrund ihrer „missionalen Identität“ dazugehören. Eine solche Gruppe entsteht aus dem gemein‐ samen Ziel heraus und trägt das Merkmal der Liminalität in sich: Liminality therefore applies to that situation where people find themselves in an in‐ between, marginal state in relation to the sur‐ rounding society, a place that could involve significant danger and disorientation, but not necessarily so. (2006:220)
Liminalität beschreibt also, wie die Teilnehmer dieser Gemeinschaft zwar keine Bindung zur Gesellschaft zu haben scheinen, diesen Status aber dafür gebrauchen, um neue Ideen und Visionen zu entwickeln. Sie dient damit der Zurüstung des Einzelnen und stärkt das Bewusstsein der Gruppe, bevor diese in Aktion tritt. Für die Kirche muss es das erste Ziel sein, wieder solche Zeiten der Liminalität zu erleben, um für ihre Mitglieder und damit für sich selbst neu zu orientieren.
2.3.2 Michael Frost: „Exiles” 2.3.2.1 Ein Leben im Exil führen Michael Frost führt in seinem Buch „Exiles“ den Ansatz Hirschs weiter. Er bezeichnet den Christen innerhalb der Postmoderne als Exilanten. Dabei betont er, wie die Kultur sowie die Entwicklung der Gesellschaft im Gegensatz zum christlichen Leben steht und den Christen damit ins Exil führt. Dieses Exil jedoch beschreibt er als Chance zur Veränderung und Rückbesinnung auf das Wesentliche. Sein Urteil über das Christen‐ tum, wie es bis anhin existiert, ist vernichtend, da er ihm keinerlei Ein‐ fluss mehr auf die Gesellschaft einräumt. Obwohl das Christentum kei‐ nen Einfluss mehr auf die Gesellschaft zu haben scheint, bleibt es scheinbar doch der Massstab für die Kirche (Frost 2006:3‐5). Das Chris‐ tentum und seine Leiter leben in einer für sie fremd gewordenen Zeit bzw. Kultur, die schon lange Zeit nicht mehr durch die Kirche erreicht und verändert wird. Allerdings erkennt Frost die Hoffnung einer neuen Christenheit, die dieses Paradigma des Christentums überwinden kann (:7). Jeder Einzelne ist dabei gefragt, sich aufzumachen und nach per‐ sönlicher Veränderung zu streben, um der Kirche eine neue Identität zu geben. Frost stützt sich auf Walter Brueggemann, der das Exil des Volkes Israel mit unserer heutigen Situation als Christen in unserem Kontext vergleicht (:8f). In der Zeit des Exils besann sich das Volk auf ihre Wur‐ Leonardo Iantorno
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zeln, ihren eigentlichen Ursprung und die in Vergessenheit geratenen Geschichten. Diese Geschichten sind die Hoffnung und der Grundstein für das Leben der Exilanten. Sie beeinflussen die Identität des Einzelnen als Teil des Ganzen. „Which are the Christian community’s most danger‐ ous memories? Surely they are the stories of the Incarnate One.“ (:11). Damit wird deutlich, wie wichtig es für die Christen auch in der Postmo‐ derne ist, wieder zurückzukehren zu den ursprünglichen Geschichten und Erinnerungen, die ihre Identität bestimmen: das Evangelium von Jesus Christus. Es ist deshalb notwendig, dass sich der Einzelne wieder den existenziellen Fragen des Glaubens stellt und bereit ist, Kritik zuzu‐ lassen sowie Kritik am Christentum zu üben, denn die Kirche hat ein an‐ deres Mandat, als sie auslebt: „…the mandate of the contemporary church: to be a model farm, an example to others of the hope of the po‐ wer of the gospel.“ (:16). Dazu braucht es eine neue Generation mutiger Nachfolger, die das ursprünglichen Geist des Evangeliums wiederentde‐ cken und aus ihrer Beziehung zu Jesus heraus ein missionales Leben führen. 2.3.2.2 Mit Jesus im Exil Eine Nachfolge, die aus dem Exilgedanken erwächst und Jesus Christus im Mittelpunkt hat, muss bei den vorherrschenden Vorstellungen und Bildern von ebendiesem Jesus beginnen. Wer ist Jesus und welche Be‐ deutung hat er für unsere Nachfolge? Diese Suche ist berechtigt, da die Vorstellungen von Jesus oft stark durch kulturelle Prägung bestimmt werden. Um einen Lebensstil nach dem Vorbild Jesu zu leben, braucht es eine neue Herangehensweise an das Evangelium: „We need to recover the wonder of reading Jesus through the eyes of his earliest witnesses, the Gospel writers.“ (2006:29). Es muss eine neue, ganzheitliche Sicht auf Jesus geben, der sowohl Gott, als auch Mensch war. Zwar ist ein sol‐ cher Lebensstil nicht populär und angenehm, doch braucht es ein radi‐ kales Umdenken in den einfachen Lebensfragen: This surely is the locus of missional activity— grace, love, hospitality, generosity. With Jesus at the center of our imaginations, such ele‐ ments are not optional for modern‐day exiles, but unavoidable. (:49)
Ein solches Umdenken kommt allein aus der persönlichen Verbunden‐ heit sowie der Bereitschaft zum Gehorsam gegenüber dem Jesus des Leonardo Iantorno
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Neuen Testaments. Ein Christ kann gerade an den Orten, an denen er in Beziehung zu anderen Menschen tritt, seine missionale Identität in Christus ausleben: Exiles, having read the dangerous stories of Jesus, have decided that the best way to do the Lord’s work is to follow him out into the third places in their community. (:63)
Diese „third places“, wie Frost sie nennt, sind der einfachste und lo‐ gischste Ort, an dem Mission unbefangen ohne Masken geschieht. Spiri‐ tualität als Beziehung zu Jesus soll für jeden Menschen erreichbar sein, denn aus ihr heraus, aus der Beziehung zu Jesus, erwächst die missiona‐ le Identität. Dabei geht es um eine Nachfolge, die auch ohne ein dichtes Gemeindeprogramm möglich und nötig ist: „…the proclamation of Jesus will naturally flow from the living of an incarnational lifestyle.“ (:74) 2.3.2.3 Als Gemeinschaft im Exil Was es also braucht, ist eine Generation authentischer Realisten, die den Menschen keine unrealistischen geistlichen Versprechungen machen, sondern durch ihre missionale Identität, ihr Leben zur Gesellschafts‐ transformation, zur Veränderung der Gesellschaft durch das Evangeli‐ um, beitragen (:90). Authentizität und Integrität sind entscheidende Faktoren für die missionale Identität, aus der Veränderung möglich wird. Verbindliche Gemeinschaft innerhalb der postmodernen Gesell‐ schaft muss auf neuen Werten gegründet sein. Geistliches Wachstum, Vielfalt, ehrliche Beziehungen, Transparenz sowie das Streben nach ehr‐ lichen Antworten auf Fragen des Lebens stehen dabei im Zentrum (2006:100‐101). Es geht darum, als Gemeinschaft Verantwortung für die Gesellschaft zu übernehmen und für die Gerechtigkeit, die Jesus in sei‐ nem Leben vorgelebt hat, auszuleben (:104). Wie schon Alan Hirsch, so stellt auch Frost den neuen Gedanken der „Communitas“ für die christliche Gemeinschaft in den Vordergrund: „Many churches want the exquisite experience of rich, deep relation‐ ships, but they aren’t prepared to embrace the challenge of coming out of mainstream society.“ (:111). Eine Gemeinschaft dieser Art erwächst aus der Bereitschaft, sich neu auf Christus und seinen Auftrag auszurich‐ ten: „This sense of liminality, fueled by the challenge of completing cer‐ tain set tasks, fosters communitas.“ (:112). Frost nennt diesen Status der
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Neuorientierung „liminality“. Liminalität beschreibt vielmehr das Leben ausserhalb der gesellschaftlichen Bindungen und ohne sozialen Status 2 . Gerade innerhalb der Kirche sollten Christen mehr „liminality“ durch gemeinsame Einsätze und Herausforderungen fördern. Christen, die ih‐ re missionale Identität neu entdecken wollen, müssen sich der Heraus‐ forderung der „Communitas“ stellen. Communitas isn’t a warm, relaxing space where you can come and go as you please. Communitas requires commitment, integrity, hard work, and courage. In short, communitas is about love. (:115)
Es geht nicht nur um gute und harmonische, sondern um die verän‐ dernde Gemeinschaft, die sowohl Hingabe, als auch Mut und Bereit‐ schaft zu Mitarbeit einfordert. Der Antrieb für die Suche nach dieser Art von Gemeinschaft kommt aus dem Herzen, aus dem Innern des Men‐ schen: „It’s the eternity in our hearts that draws us into the search for God, the very same God who is searching after us always.“ (:142). Die missionale Identität treibt den Menschen in seiner Nachfolge an und führt ihn zu einem neuen Verständnis von Gemeinschaft. …a Post‐Christendom church might reimagine itself as „a monastic missionary order, com‐ munities of encouragement, support and training from which we emerge to live as Christians in the workspace and to which we return for reflection and renewal“. (:150)
Christen teilen ihr Leben in der Welt mit Menschen, ob am Arbeitsplatz, in der Familie oder in der Freizeit und gerade deshalb muss die Kirche ihre Identität im Evangelium wiederfinden. Der Einzelne lebt die missi‐ onale Identität in seinem Alltag aus und ist bestimmt von ihr. Daraus erwächst „Communitas“, die neue Möglichkeiten zur Gesellschaftstrans‐ formation aufzeigt. Dieser Paradigmenwechsel beginnt jedoch nicht erst in der Gemeinschaft, sondern schon vorher beim Einzelnen: „In fact, I believe that our proper understanding of Christ (Christology) leads us into an appropriate commitment to mission (missiology), which forces 2 LEO Wörterbuch Deutsch‐Englisch:
http://dict.leo.org/ende?lp=ende&lang=de&searchLoc=0&cmpType=relaxed&s ectHdr=on&spellToler=on&chinese=both&pinyin=diacritic&search=liminality& relink=on Leonardo Iantorno
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us to develop the means of a common life together (ecclesiology).“ (2006:155). Eine solche Gemeinschaft lebt in Grosszügigkeit, Transpa‐ renz und Authentizität und bietet damit eine Alternative zur postmo‐ dernen Lebensweise. Frost beschreibt, wie Christen gerade durch ihre Offenheit und Gastfreundschaft of den Unterschied machen können. Er nimmt dabei auf die Berufung des Matthäus Bezug und stellt „Matthew’s Party“ als Vorbild für die missionale Kirche vor (:171). 2.3.2.4 Die Verantwortung wahrnehmen Ein Leben aus der missionalen Identität heraus muss zu einer veränder‐ ten Sicht der persönlichen Lebensrealität führen. Während in den Kir‐ chen das Leben immer deutlicher zwischen „geistlich“ und „säkular“ aufgeteilt wird (:186), erkennen Christen auf der Suche nach ihrer mis‐ sionalen Identität, wie gerade ihre alltäglichen Erfahrungen und Ver‐ pflichtungen Teil ihrer Gottesbeziehung sind. Seeing our job as our mission isn’t just about using our place of business as an arena for personal witnessing; it involves recognizing that we can, in part, fulfill our calling to serve God through the very work that we do. We earn money at our jobs, of course, but our primary motivation as exiles is to do our work as an expression of our relationship with God. (:181)
Eine ganzheitliche Sicht auf die persönliche Lebensrealität ist gefordert. Scheinbar ungeistliche und daher unbedeutende Dinge sind deshalb so wichtig für unsere Gottesbeziehung, weil sie uns Auskunft über unsere Identität in Gott geben. In vier Kategorien zeigt Frost auf, wie bedeutend unser Alltagsleben für unsere missionale Identität ist. 1. Creating and Building (:189191) Gott hat seinen Schöpfergeist in die Menschen hineingelegt und den Menschen dazu befähigt und begabt, kreativ und schöpfe‐ risch zu sein. Als Kind Gottes soll der Mensch beim beobachten, was der Vater tut und es dann selbst tun. Er trägt Verantwortung dafür, zu lernen und zu erschaffen. 2. Naming and Renaming (:191195) Schon in der Schöpfung gibt Gott den Menschen den Auftrag, den Geschöpfen Namen zu geben. Es liegt in der Natur des Menschen, Dinge zu benennen und neue Namen zu erfinden. Hier lebt der Mensch seine Kreativität aus und kann neues schaffen, indem er alten Dingen neue Namen gibt. Leonardo Iantorno
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3. TruthTelling (2003:195197) Der Mensch trägt dafür Verantwortung die Wahrheit zu leben. Das kann zur Folge haben, dass er nur noch Fair‐Trade‐Kaffee trinkt oder den Naturschutz vorantreibt. Die Wahrheit zu leben, fordert Engagement und Interesse von jedem Einzelnen. 4. Healing (:197199) Ärzte, Sozialarbeiter, Pflegepersonal, Seelsorger oder Physiothe‐ rapeuten dienen den Menschen, indem sie versuchen Menschen zu heilen. Jesus selbst hat viele Menschen geheilt und uns dazu beauftragt, selbst aktiv zu werden. Es wird deutlich, dass das Heilen und Pflegen von Kranken ein Teil von Mission ist. Frost betont, wie wichtig es ist, Verantwortung für das Geschehen auf der Welt zu übernehmen: „Being in this world is but not of this world means an ongoing commitment to walking a less traveled road—the road of justice, compassion, generosity.“ (:227). Jeder Einzelne ist ge‐ fragt, seinen Teil beizutragen, um gegen Ungerechtigkeit und Zerstörung anzugehen. Auch dieser Aspekt gehört zur missionalen Identität, die ein erweitertes Bewusstsein gegenüber der eigenen Umwelt im Lichte des Evangeliums einfordert. Exiles in the West must become global Chris‐ tians, citizens of the whole planet, aware of the oppression suffered by the defenseless in various corners of the globe. (:263)
Bei einem Leben aus der missionalen Identität geht es auch darum, den eigenen Blick auf das globale Geschehen zu erweitern und nicht nur in den eigenen vier Denkwänden zu bleiben. Die Suche nach der missiona‐ len Identität fordert nicht nur zum Umdenken, sondern auch zu einem neuen Handeln heraus. 2.3.2.5 Alternative Anbetung Exilanten entwickeln neue Formen der Anbetung und des Lobpreises, indem sie die vier Säulen des Lobpreises ganzheitlich ausleben.
„ICH“ Subjection
Adoration
Affection
Appreciation
Abbildung 2: Vier Säulen der Anbetung
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Anbetung findet dort statt, wo sowohl Annerkennung, Zuneigung, Ver‐ ehrung, als auch Unterwerfung miteinbezogen werden. Erst durch eine ganzheitliche Anbetung wird Gott verkündigt. Der Versuch inkarnato‐ risch und damit missional innerhalb der Kultur zu leben, führt in eine neue Ebene der kontextuellen Anbetung (:295), die nicht mehr nur ro‐ mantisch, sondern praktisch und herausfordernd ist (:308).
2.3.3 Michael Frost & Alan Hirsch: „The Shaping of Things to Come” In ihrem Gemeinschaftswerk beschreiben Michael Frost und Alan Hirsch eindrücklich auf welchen Ebenen sich die Kirche verändern muss, um wieder zu ihrer missionalen Identität zurückzufinden. Der zentrale Fak‐ tor dafür ist jedoch der Einzelne innerhalb der Kirche, denn nachhaltige Veränderung kann erst dort entstehen, wo zuerst das Sein, die eigene Identität, vor dem Handeln verändert wird (Frost & Hirsch 2003:ix). Erst aus einer lebendigen Christologie können sich Missiologie und Ek‐ klesiologie entscheidend verändern. An vielen Orten gibt es neue, radi‐ kale Aufbrüche im Gemeindebau, von denen die Kirche lernen kann und soll. Wo die Kirche postmoderne Elemente und Events aufgrund ihrer Prägung und Kritik ablehnt, kann sie nicht mehr von ihnen lernen bzw. herausfinden, warum die Menschen lieber dorthin gehen, als in die Kir‐ che. 2.3.3.1 Die missionale Kirche ist inkarnatorisch, messianisch und apostolisch Die Kirchengeschichte bezeugt bis heute, wie das Christentum, wie es seit dem Mailänder Edikt bekannt ist, als Modell für das Wachstum des Reiches Gottes nicht „funktioniert“ hat, sondern den Auftrag Jesu nicht mehr übernehmen kann (:14). Um den Auftrag Jesu dynamisch in die postmoderne Gesellschaft zu tragen, muss die Kirche wieder zu ihrer an‐ fängliche Berufung zurückfinden, eine missionarische Bewegung zu sein (:16). Die entscheidenden Werte einer missionalen Kirche sind Lebens‐ gemeinschaften, offene Leiterschaftsstrukturen und das Engagement al‐ ler Christen (:22). Dabei können durch gemeinsame Projekte, die Chris‐ ten mit Nicht‐Christen durchführen, gemeinsame Werte entwickelt und entdeckt werden, die zu einer echten Beziehung führen, in denen Missi‐ on gelebt werden kann (:25). Eine solche Kirche kann jedoch nicht Leonardo Iantorno
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durch Methodik bzw. durch neue Gemeindebauformen errichtet wer‐ den, sondern erwächst aus der Identität ihrer Mitglieder. Hier wird deutlich, dass die missionale Identität des Einzelnen den Grundstein für missionalen Gemeindebau bildet. 2.3.3.2 Inkarnatorische Ekklesiologie: Durch seine Kirche wird Je sus in der Gesellschaft Fleisch Ein inkarnatorischer Gemeindebau definiert sich aus der Identität der einzelnen Glieder, die in der Nachfolge leben. And so the life of God incarnate in Jesus could not be locked secretly within his heart; rather it became a spreading complex of personal be ing centered in Jesus and annexing his com‐ panions. (:36)
missionaler Gemeindebau kommt demnach nicht aus Gemeindebaume‐ thoden und –Strategien, sondern vielmehr aus dem „Sein“ des Einzelnen. Ein inkarnatorischer Lebensstil kommt aus einem Leben mit dem Ziel, Jesu Botschaft und seinen Auftrag in allen Lebensbereichen auszuleben. The idea of incarnational presence corre‐ sponds to the idea of locality that was outlined above in our reflections on the Incarnation. Jesus moved into the neighbourhood; he ex‐ perienced its life, its rhythms, and its people from the inside and not as an outsider. (2003:39)
Es geht um das Leben, um die Nachfolge des Einzelnen, denn durch sie wird die Gemeinde Christi aufgebaut. Für die postmoderne Kirche be‐ deutet dies, nach ihrer Identität als Teil dieser Postmoderne zu suchen. Um ausgeschlossene Menschengruppen erreichen zu können, braucht es die Bereitschaft, sich mit deren Kultur, Sprache, Kleidung sowie deren Gebräuche auseinanderzusetzen, um sie wirklich verstehen und eben‐ diese mit dem Evangelium erreichen zu können (:43). Jesus sandte seine Jünger hinaus zu den Menschen, in die Häuser der Menschen zu ihren Bräuchen, in ihre Kultur hinein, um ihnen das Evangelium zu bringen. Inkarnatorische Evangelisation beruht vor allem auf den Beziehungen, in denen wir täglich zu den Menschen leben. Dies bezeichnen Frost und Hirsch „one‐on‐one relationship“ (:44). Jüngerschaft geschieht in klei‐ nen Gruppen, die teilweise nach Interessen, Hobbies etc. gebildet wer‐ den. Zwar besteht, wie David Bosch betont, dabei die Gefahr der Spal‐ tung in Subkulturenkirchen (:53), jedoch zeigen diese Gruppen oft ein Leonardo Iantorno
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hohes Mass an Wachstumspotenzial. Salz und Licht zu sein, kann nicht heissen, die Menschen aus der Gesellschaft heraus in eine fromme Ge‐ meinschaft zu rufen. Vielmehr soll die Gemeinschaft zu den Menschen kommen, um die Gesellschaft zu verändern. Sowohl die Kirche, als auch ihre Missionare müssen lernen, sich den kul‐ turellen Begebenheiten anzupassen und diese kennenzulernen, um die‐ selbe Kultur auf ihre Weise mit dem Evangelium zu konfrontieren. Es geht nicht um „Erfolg“, sondern um eine stetige Gesellschaftstransfor‐ mation aus gesunden und wachsenden Beziehungen in die Gesellschaft heraus. Durch die drei Kernelemente Abendmahl, Gemeinschaft und Auftrag (Communion, Community, Commission), wie Frost und Hirsch sie aufzeigen (:77f), zeigen sie eindrücklich die drei Hauptbeziehungen der Nachfolge auf. Im Abendmahl wird die Beziehung zu Gott gepflegt, in der Gemeinschaft entstehen Beziehungen und durch den Auftrag sind die Kirche in ihr Umfeld und damit jeder Einzelne in sein Leben berufen. Um die Menschen heute zu erreichen, ist jeder Christ herausgefordert Kontextualisierung gefordert, denn die Menschen wollen heut nicht mehr von Spezialisten, sondern von Gleichgestellten lernen, die ihren Kontext wirklich kennen (:97). In our attempts to make the gospel clear, we have often squeezed all the life out of it. Jesus’ parables were intriguing, open to interpreta‐ tion, playful, interesting. They provoked peo‐ ple to search further for the truth. (:100)
Allzu oft fehlt es an der nötigen Kontextualisierung, denn wo das Evan‐ gelium für den Kontext, in dem es wirken soll, ausgelegt wird, kann es seine verändernde Kraft entfalten. Die radikalen Geschichten des Evan‐ geliums stellen dabei selbst Jesus in den Mittelpunkt. Wirkungsvolle Mission in der postmodernen Kultur, versucht das Evangelium durch Kontextualisierung den Menschen nahe zu bringen. 2.3.3.3 Messianische Spiritualität bestimmt die missionale Identität „Even incarnation and contextualization won’t suffice unless we can find the spiritual framework and resources for real and lasting engagement.“ (2003:111). Beide Autoren machen deutlich, wie eine lebendige Inkar‐ nation Jesu in der Gesellschaft aus der persönlichen Bindung und Bezie‐ hung zu Jesus selbst erwächst. Jesus ist dabei das Lebensvorbild, um ei‐ ne messianische Spiritualität zu erlernen, die zur Mission befähigt. Im Leonardo Iantorno
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evangelikalen Kontext hat jedoch die paulinische Theologie einen ähnli‐ chen Stellenwert erhalten, wie Jesus ihn allein besitzen sollte (:113). Deshalb sollte die Kirche wieder zurück zu Jesu Vorbild für die Mission. In seinem Leben, Lehren und Handeln liegt der Schlüssel zu einer mes‐ sianischen Spiritualität, die inkarnatorische Nachfolge erst möglich macht. Die Personen der Bibel sind dabei der einzige Referenzpunkt. Wenn man die Leben der Glaubenshelden betrachtet, dann haben auch diese Menschen gesündigt, sind gefallen und wieder aufgestanden und erscheinen dadurch nicht so sehr anders, als die Menschen heute (:122). Our actions are a representation of our name, our integrity or identity. When we abandon the high calling to live like Christ, we abandon our Christian identity. We are not saved by our actions, but we are known by them. (:140)
Das Handeln eines Menschen spiegelt nicht nur seine Werte und Über‐ zeugungen wieder, sondern in erster Linie seine Identität. Wo Jesus selbst als Vorbild an der Identität eines Menschen arbeiten kann, wird sich der Mensch immer mehr nach dem Vorbild Jesu verändern: „Core to a messianic spirituality is the understanding that God changes us by changing our identity, our sense of self‐definition.“ (:147). Die Identität ist der verborgene Schatz, den der Mensch in sich trägt und der für ein missionales Leben befreit werden muss, denn er lebt, was er ist und deshalb lebt der Christ das Evangelium, das er verkündigen will (:154).
The church’s interaction with the world (work, mission, evangelism done by experts)
God’s interaction with his people (worship, prayer, etc.)
God
Church
World orld
safe & reassuring
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dangerous Abbildung 3 (2003:157)
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Das dualistische Bild der Kirche mit der Welt auf der einen, Gott auf der anderen Seite und der Kirche als Mittlerin in der Mitte (Abbildung 3) kann dem Prinzip der missionalen Identität nicht länger standhalten und muss ersetzt werden durch ein ganzheitliches Bild (Abbildung 4), bei dem alle drei Bereiche ineinandergreifen. In diesem inneren Feld treffen die drei Bereiche aufeinander und erst dort wird nachhaltige Veränderung möglich, denn Gott ist es, der sowohl an der Welt, als auch an seiner Kirche gleichermassen arbeitet.
Incarnational Engagement missional Discipleship Messianic Spirituality Church on the Frontiers
God
Non-missional Spirituality Worship done „In Abstract“ Irrelevant Church Expression Theology done “In Abstract”
Church
Prevenient and Common Grace Religious + New Age
World
Technique-Oriented Faith Religiosity Moralism and Legalism
Abbildung 4 (2003:158)
Jesus selbst ist es, der das Leben des Einzelnen interpretiert und dabei neue Möglichkeiten offenlegt: His life must interpret ours, especially at the level of class and culture. And if we embody the message of Jesus, and we wish for people to see him through us, then these things must be tested—for the sake of the message and the mission. (2003:155)
Aus diesem Wunsch nach Gegenwart und Handeln Jesu im Menschen kann messianische Spiritualität entstehen. Sie dient dabei nicht sich selbst, sondern dem Ziel, die missionale Identität zu entdecken und zu entwickeln.
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2.3.3.4 Missionale Identität lebt Apostolische Leiterschaft Die Qualität der Leiterschaft übernimmt in diesem Prozess der Kontex‐ tualisierung und der Wiedergewinnung der missionalen Identität die entscheidende Rolle. Für Frost und Hirsch steht dabei der APEPT 3 bzw. der Fünffältige Dienst im Zentrum für apostolische Leiterschaft. In der Kirche der Postmoderne sind die fünf Dienste des Apostels, des Prophe‐ ten, des Evangelisten sowie des Hirten und des Lehrers von massgebli‐ cher Bedeutung, denn sie halten die Kirche auf Kurs (:165). Allerdings liegt die Verantwortung für das Umsetzen der fünf Dienste wiederum bei der gesamten Kirche. Denn obwohl es berufene Apostel gibt, ist die ganze Gemeinde dazu berufen, apostolisch zu leben. Obwohl ein Evange‐ list Verantwortung für Evangelisation in der Gemeinde übernimmt, soll‐ te die gesamte Gemeinde einen evangelistischen Lebensstil pflegen und so sollte es bei den anderen Diensten gleichermassen aussehen (2003:170). if we had some way to analyze the gift‐typing of the entire church, all would in some way fit somewhere into APEPT, into the fivefold na‐ ture of the church’s ministry. (:171)
Würde man innerhalb der Kirche nach den verschiedenen Gaben su‐ chen, so würde man jedem Mitglied der Kirche einen Platz innerhalb der fünf APEPT Gaben zuweisen können. Leiterschaft dient in diesem Rah‐ men vor allem dazu, den Menschen auf der Suche nach ihrem Platz, ih‐ ren Begabungen und damit nach ihrer Identität zu helfen (:172). So ver‐ standen bedeutet Apostolische Leiterschaft in erster Linie dienende Lei‐ terschaft, also ein Dienst an den Menschen „für die Erbauung des Leibes Christi“ (Eph 4,12). Es ist dabei auffallend, dass die verschiedenen Lei‐ tertypen in unterschiedlichen Phasen des Lebenszyklus einer Kirche mehr oder weniger starken Einfluss haben. Deshalb liegt der Schlüssel zur Erneuerung der Kirche darin, die richtigen Leitertypen zur rechten Zeit wirken zu lassen: „The renewal of the church and its mission has a direct relation to our ability to strategically develop and nurture a full‐ fledged ministry and leadership matrix.“ (:180).
3 APEPT = Apostle, Prophet, Evangelist, Pastor, Teacher
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Um in der postmodernen Kirche Wachstum fördern zu können, müssen neue Räume für kreative Möglichkeiten geschaffen werden und daraus stammende Ideen als Alternativen für den bisherigen Gemeindeaufbau ernst genommen werden. Im Zentrum muss dabei das Ziel stehen, eine missionale Kraft zu werden: „It’s about the church’s very identity as a missional agency. It’s about progress.“ (:185). Eine solche Kirche erhält ihre Identität nicht aus Programmen und Strukturen, sondern aus der missionalen Identität ihrer Mitglieder. Den Paradigmenwechsel inner‐ halb der Kirche beeinflussen apostolische Leiter, indem sie die „heilige Unzufriedenheit“ unter den Mitgliedern fördern, revolutionäre Fragen bereitwillig oder gar begeistert annehmen und bereit sind, selbst am meisten von diesen Veränderungsprozessen lernen zu wollen. Um Ver‐ änderung dann auch durchzuführen, ist der Mut zu vermeintlichen Risi‐ ken nötig und schliesslich kann nur dort Veränderung ermöglicht wer‐ den, wo ein Klima geschaffen wird, indem Veränderung willkommen ist (:192‐198). Veränderung kann also gesteuert und organisiert werden, ohne sie der Dynamik zu berauben. Hinter einer solchen Haltung muss jedoch eine am Evangelium orientierte Christologie stehen, die die Basis für das Handeln der Gemeinde bildet.
Christology
Missiology
Ecclesiology
The person and work of Jesus
The purpose of God and his people
The form and funcdetermines tion of the church
Abbildung 5
Die Kirche ist in erster Linie durch ihren Auftrag, ihre Mission mit Jesus verbunden und nicht durch bestimmte Gottesdienstformen und Traditi‐ onen (2003:209). Wo die Grundlage des Handelns auf der Christologie des Neuen Testaments beruht, die nicht erst bei Jesu Auferstehung, son‐ dern schon bei seiner Geburt ansetzt, wird die treibende Kraft einer sol‐ chen Kirche aus der missionalen Identität ihrer Mitglieder kommen. Ei‐ ne solche Jesus‐Bewegung muss durch ihre Leiterschaft nicht kontrol‐ liert, sondern gesteuert und befähigt werden. Schliesslich kann sich durch eine solche Art der missionalen Bewegung das Evangelium einem Virus gleich in der Gesellschaft festsetzen (:214‐216) und wird diese im Kern verändern und somit zur Gesellschaftstransformation durch das Evangelium beitragen. Leonardo Iantorno
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2.3.4 Schlussfolgerungen: „Missionale Identität“ 2.3.4.1 Missionale Identität des Einzelnen als Grundlage Der notwendige Paradigmenwechsel der Kirche in der Postmoderne be‐ ginnt nicht bei den Strukturen und Methoden der Kirche, sondern beim Einzelnen und seiner Jüngerschaft. Das „Apostolic Genius“, wie Alan Hirsch es beschreibt, betont die zentrale Rolle, die Jesus für das Leben in der Nachfolge des Einzelnen spielt (2006:274). Die missionale Identität beschreibt nicht die Veränderung von Methoden und Strukturen, son‐ dern den genetischen Code, den Gott in die Menschen gelegt hat (Hirsch 2006:76‐77). Entscheidende Faktoren der missionalen Identität sind Authentizität und Integrität, die sich im alltäglichen Leben manifestie‐ ren. Die neue Identität der Kirche kommt aus der Erneuerung der missi‐ onalen Identität des Einzelnen. Sie beginnt bei der neutestamentlichen Christologie, dem Vorbild Jesu (Frost 2006:29). Die Auswirkungen die‐ ser missionalen Identität ist ein inkarnatorischer Lebensstil, der inner‐ halb der Kultur deutlich wird. Aus dem missionalen Sein des Einzelnen wird ein inkarnatorisches Handeln entstehen. Nachfolge aus der missio‐ nalen Identität heraus findet also auf allen Lebensebenen statt. Mündige Christen, die ihre missionale Identität ausleben, überwinden den Dua‐ lismus, der Säkulares von Geistlichem trennt (Frost 2006:186; Frost & Hirsch 2003:157‐158). Erst durch eine neue entdeckte Mündigkeit kann diese missionale Identität erreicht werden. 2.3.4.2 Missionale Praxis als Kirche Durch die Institutionalisierung der Kirche ging der dynamische Charak‐ ter der „Jesus‐Bewegung“ verloren. Der Platz der Kirche ist jedoch in‐ nerhalb der Kultur, in der sie existiert und unter den Menschen, zu de‐ nen sie gerufen ist (Frost & Hirsch 2003:43). Sie ist also nicht in erster Linie für die Betreuung der Gläubigen da, sondern für alle Menschen in ihrem Kontext (Hirsch 2006:55). Aus der missionalen Identität entsteht eine neue Form der Gemeinschaft: die Communitas (Frost 2006:111‐ 112; Hirsch 2006:235). Die Kirche muss diese Communitas‐ Gemeinschaften fördern, in denen Menschen sich einem gemeinsamen missionarischen Ziel mit ganzer Leidenschaft hingeben und dabei bereit sind, sich neu auf Jesus auszurichten. Deshalb muss sich eine missionale Kirche auch gründlich mit ihrem Kontext auseinandersetzen sowie die Leonardo Iantorno
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„Third Places“, wie z.B. Vereine, Freundeskreise, Interessengemein‐ schaften etc. neu als Orte missionalen Lebens entdecken (Frost 2006:63). Es geht nicht mehr länger darum, Menschen in die Kirche ein‐ zuladen, sondern Kirche in den persönlichen Beziehungen zu leben. 2.3.4.3 Missionale Theologie Um diese Herausforderungen bewältigen zu können, hat die Kirche im Fünffältigen Dienst alle wichtigen Fähigkeiten und notwendigen Dienst erhalten. Allerdings liegt die Verantwortung dieser Dienste nicht bei ei‐ nigen wenigen, sondern bei der gesamten Kirche und bei jedem Einzel‐ nen (Frost & Hirsch 2003:170). Dem Leben in der missionalen Identität muss eine neutestamentliche Christologie zugrunde liegen (:209). Erst aus einem erneuerten Verständnis von Jesus kann ein neues Missions‐ verständnis (Missiologie) entstehen. Diese beiden Bereiche, die in erster Linie den Einzelnen verändern werden, haben dann entscheidenden Einfluss auf die Ekklesiologie. In allem Sein und Handeln steht demnach Jesus im Zentrum und ist gleichsam auch das Vorbild für das Handeln der Kirche. Leiterschaft aus der missionalen Identität heraus dient den Menschen in erster Linie dazu, selbst ihre missionale Identität zu entde‐ cken und einen inkarnatorischen, missionalen Lebensstil zu entwickeln (:172).
2.4 Praktische Ansätze in der Postmoderne 2.4.1 Tobias Faix & Thomas Weissenborn: „Zeitgeist“ Jeder Einzelne ist dazu berufen, Kirche zu sein und nicht nur als Teil ei‐ ner Institution zu leben. In diesem Sinne betont Tobias Faix, wie sich Kirche und Theologie um neue Relevanz bemühen müssen (2007:36‐ 37). Die Kirche muss für einen Weg finden, in ihrem sozialen und kultu‐ rellen Umfeld das Evangelium zu leben. Die missionale Identität des Ein‐ zelnen als Teil der Kirche Jesu Christi steht im Mittelpunkt (:48). An‐ hand des neutestamentlichen Zeugnisses (Jesus Christus, Apostel Pau‐ lus, erste Kirche) wird deutlich, wie die Kirche das Evangelium in ihre Kultur übersetzen musste und diese Aufgabe heute wieder wahrnehmen muss. Ein missionaler Lebensstil, der die Privathäuser zurückerobert und das Evangelium in die Kultur übersetzt, beschreibt dabei ein Bewe‐ gung zu den Menschen hin oder in anderen Worten, die Inkarnation Leonardo Iantorno
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Christi in der eigenen Kultur (:80). Die Kirche ist dazu berufen, in die Gesellschaft zu hinauszugehen und damit aktiv zu werden. Aus den Komm‐Strukturen müssen neu Geh‐Strukturen werden, die der Kirche einen neuen, relevanten Platz innerhalb der Gesellschaft einräumen. Neue Räume der Entfaltung und der Gemeindeentwicklung müssen ge‐ schaffen werden (:136). Die „Emerging‐Church‐Bewegung“ bietet solche Räume und wird durch die Missio Dei, das missionale Wesen Gottes, an‐ getrieben. Kirche ist demnach erst Kirche, wenn sie innerhalb ihrer Umwelt Gestalt annimmt und ihre Botschaft vom Evangelium lebt (:145). Gerade weil Gott die Welt liebt (Joh 3,16) darf die Kirche sich nicht aus ihr herausziehen, sondern muss ihre Verantwortung wahr‐ nehmen, die Wahrheit des Evangeliums kulturrelevant und klar zu ver‐ kündigen. Im letzten Teil ihres Buches führen Faix und Weissenborn verschiedene praktische Ansätze auf, wie Kirche in der Postmoderne an verschiede‐ nen Orten Realität wird und es gelingt das Evangelium zu übersetzen. Missionarische Jugendarbeit an sozialen Brennpunkten, Hausaufgaben‐ hilfen, Schulprojekte, Randgruppenarbeit (unter islamischen Kindern in Berlin oder unter Prostituieren) sind einige Projekte. Allen Projekten liegt eine intensive Spiritualität und Gottesbeziehung zugrunde, die sich meist in einer besonderen Berufung bzw. Idee zeigt. Wie kann die Kirche in der Postmoderne Gestalt gewinnen? Auf diese Frage geben die ver‐ schiedenen Autoren von „Zeitgeist“ Antwort. Wenn jeder Christ authentisch sein Leben lebt und mit seinen natürlichen Gaben und Vorlie‐ ben den Menschen aus seinem Umfeld begeg‐ net, werden viele unterschiedliche Menschen auf genau ihre Weise von Gottes Liebe erfah‐ ren und mit ihm Kontakt aufnehmen. (:48)
2.4.2 Shane Claiborne: „Ich muss verrückt sein, so zu leben“ Auf den ersten Blick scheint Shane Claiborne einer von vielen enttäusch‐ ten Christen zu sein, die in der Kirche bei ihrer Suche nach Identität ge‐ scheitert sind: „Meine kirchenübersättigte Seele brauchte dringend Ur‐ laub. Folglich war ich bald ziemlich desillusioniert von der Kirche. Aller‐ dings war ich weiterhin fasziniert von Jesus.“ (2007:44). Diese Faszina‐ tion treibt ihn auf die Strassen von Philadelphia, Kalkutta und Bagdad, Leonardo Iantorno
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wo er bei den Ärmsten der Welt diesem Christus begegnet, den er in der Kirche nicht finden konnte. Auf seiner Suche nach seiner Identität in Christus, seiner missionalen Identität, fordert er von der Kirche eine Veränderung von Grund auf und beschreibt eine lebendige Kirche für und mit den Menschen folgender‐ massen: „Kirche war nicht mehr eine Sachen die man sonntags eine Stunde lang betrieb und Kirche war ebenso wenig ein haus mit Turm. Sie wurde lebendig. Die Kirche wurde zu etwas wie wir – ein Organis‐ mus, keine Organisation.“ (:60). Die Kirche kann in der Postmoderne nicht mehr länger nur eine Institution sein, die gelernt hat zu existieren und dabei ihre Dynamik eingebüsst hat. Sie ist ein Organismus, lebendi‐ ge Gemeinschaft von Mensch und Gott. Um diese Gemeinschaft neu zu entdecken braucht es jedoch die Bereitschaft jedes Einzelnen. Claiborne fordert die Kirche auf, ihre Verantwortung für die Welt wahrzunehmen und als mündige Braut Christi die Gesellschaft zu transformieren (:63). „[Doch] Jesus hat uns zur Kleinheit berufen und vergleicht unsere Revo‐ lution mit dem kleinen Senfsamen, mit Sauerteig, der alles durchsäuert, diese dunkle Welt langsam mit Liebe ansteckt.“ (:123). Eine Kirche, die bereit ist, nach dieser Identität zu suchen, wird wieder an Relevanz so‐ wohl in der Suche der Menschen nach Spiritualität, der Politik und der Gesellschaft zurückgewinnen: „Statt zu tun, was uns sinnvoll erscheint und Gott um Segen dafür zu bitten, täten wir besser daran, uns mit den Leuten zu umgeben, denen Gott seinen Segen verheisst.“ (:209). In Jesus erkennt Claiborne einen neuen Lebensstil, „der die Inkarnation der Herrschaft Gottes war, eine Gemeinschaft, in der die Menschen ver‐ söhnt sind und Schulden erlassen sind, so wie wir unseren Schuldnern ihre Schuld erlassen.“ (:149). Um diesen Lebensstil aus Gnade und Liebe heraus, geht es Claiborne, wenn er von einem organischen und bezie‐ hungsorientierten Lebensstil spricht, der aus seiner Identität als Nach‐ folger Christi erwächst (:334). Damit stellt er kein neues Jüngerschafts‐ modell vor, sondern entdeckt vielmehr alte Tugenden der ersten Kirche für die Postmoderne neu.
2.4.3 Rob Bell: „Jesus unplugged“ „Wir müssen die Art reformieren, wie der christliche Glaube definiert, gelebt und erklärt wird.“ (2006:10). Es geht Rob Bell in erster Linie um Leonardo Iantorno
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einen Paradigmenwechsel, der bei jedem persönlich beginnt und erst dadurch Auswirkungen auf die Gesellschaft haben wird. Der Glaube an Jesus Christus beschreibt dabei keine Flucht aus der Wirklichkeit, denn in Christus wird die Wirklichkeit, in der wir leben, erst deutlich (:17). Der Versuch, Gott in unsere Vorstellungen über den christlichen Glau‐ ben zu pressen, muss scheitern, denn Gott ist grösser als jede Religion oder Weltanschauung (:23). Es ist die Pflicht einer jeden Generation, die Bibel in ihren Kontext zu übersetzen und zu interpretieren. Bell betont, dass erst eine Auslegung der Bibel, ein neues Handeln möglich macht: Wenn es uns also ernst ist mit Gott, dann müs‐ sen wir die Bibel auslegen. Man kann nicht „einfach tun, was de Bibel sagt“. Man muss erst einmal festlegen, was das für uns Men‐ schen hier und heute bedeutet. (:41)
Die Autorität der Bibel steht dabei nie zur Diskussion für Bell. Ihre Auto‐ rität hat die Bibel von Gott selbst und nicht erst durch die Interpretation durch Menschen. Gott redet durch die Bibel, seine Wahrheit zu allen Menschen, die nach der Wahrheit suchen. Die Wahrheit ist überall und nicht in den Auslegungen der Bibel zu finden. Es geht also vielmehr dar‐ um, diese Wahrheit, die für jeden zugänglich ist, zu suchen und den Menschen zugänglich zu machen (:74), denn die Bibel holt den Men‐ schen dort ab, wo er steht (:60). Diese Begegnung bringt Erneuerung der persönlichen Identität mit sich und fördert in erster Linie das Bewusst‐ sein, jeden Tag und jede Tat als Geheiligte zu tun (:81). Diese missionale Identität, die es nach Rob Bell zu entdecken gilt, kommt aus dem Be‐ wusstsein heraus, alles als Geheiligte Gottes zu tun: „Wenn Sie sich an Jesus orientieren und das, was Sie tun, in seinem Namen tun, dann ist die Arbeit nicht mehr weltlich; sie ist geheiligt.“ (:81). Erneuerung kommt also aus der Identität des Einzelnen in Christus. Diese Erneue‐ rung strebt nach dem Shalom, dem ganzheitliche Frieden zwischen Menschen und Gott. „Es geht nicht darum, was Sie nicht tun. Der Kern‐ punkt ist, dass wir zu den Menschen werden, die Gott sich vorgestellt hatte, als er uns erschuf.“ (:103). Die entscheidende Frage, die Bell stellt, ist die Frage nach der eigenen Identität. Im Erkennen und Entdecken der neuen missionalen Identität erkennt Bell bereits bei den ersten Christen einen Wesenswandel: „Die ersten Christen waren davon über‐
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zeugt: Wenn ein Mensch Christ wird, dann bringt das einen grundlegen‐ den Wandel unserer ureigensten Identität mit sich. Einen Wandel in dem was wir tief in unserem Wesen sind.“ (:131). Bell zeigt auf, wie so‐ wohl in den Evangelien, als auch bei Paulus deutlich wird, wie der Glau‐ be und die Nachfolge in erster Linie eine neue Identität schaffen wollen. Aus der Wahrheit Gottes, die der Mensch in der Bibel wiederfindet, er‐ wächst die Möglichkeit die ursprüngliche Identität zu entdecken, die Gott in den Menschen gelegt hat. Deshalb ist es die erste und wichtigste Aufgabe der Kirche, die Menschen mit dem Evangelium und damit mit Gottes Wahrheit zu konfrontieren (:159). Die Menschen sollen durch die Kirche die Möglichkeit erhalten, ihre wahre Identität in Christus zu ent‐ decken. Der Weg, den die Kirche dabei bestreitet, führt für Bell allein über aktive Nächstenliebe: Die Kirche hat den Job, der Welt den Weg da‐ hin zu zeigen, dass sie das Gut‐Sein der Schöp‐ fung anerkennt und, wichtiger noch, geniesst. Am Ende aller Zeiten verschwinden wir nicht nach Sonstwohin, denn diese Welt ist unsere Heimat. Und sie ist gut. (:164)
Die Kirche ist somit nur dann wirklich Kirche, wenn ihr Leben und Han‐ deln den Menschen in der Liebe begegnet, die sie im Leben Jesu sieht. Damit steht die Kirche in der Verantwortung, den Menschen die Wahr‐ heit der Bibel vorzuleben und sie damit die missionale Identität vorzu‐ leben.
2.4.4 Schussfolgerungen: „Praktische Ansätze“ Diese praktischen Ansätze zeigen auf, wie die missionale Kirche gerade an sozialen Brennpunkten neue Relevanz gewinnt, wo die missionale Identität inkarnatorisch ausgelebt wird. Aus der Faszination für Jesus kann eine neue Motivation für die Suche und die Umsetzung der missio‐ nalen Identität erwachsen. Die Kirche wandelt sich damit von einer star‐ ren Institution zu einem lebendigen Organismus und durch diesen mis‐ sionalen Lebensstil übernimmt die Kirche in Gestalt ihrer Glieder Ver‐ antwortung, das Evangelium im Kontext der postmodernen Kultur für die Menschen zu übersetzen (Faix 2007:48). Die Komm‐Strukturen, die sich die Kirche in ihrer Geschichte angeeignet hat, müssen neu durch Geh‐Strukturen ersetzt werden, damit die missio Dei in der postmoder‐ nen Gesellschaft Gestalt annehmen kann (:136). Nachfolge ist also keine Leonardo Iantorno
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Realitätsflucht, sondern hat transformative Auswirkungen auf das per‐ sönliche Umfeld der Christen haben (Bell 2006:17). Die Kirche bietet den Menschen damit einen Ort, an dem die Menschen ihre Identität in Christus entdecken können (:164). Die Veränderung durch die missiona‐ le Identität im Einzelnen verändert also das Gesicht der Kirche inner‐ halb der Gesellschaft. Die Mündigkeit der missionalen Identität treibt den Einzelnen und damit auch die gesamte Kirche in eine praktische missio Dei innerhalb der sie umgebenden Kultur an.
2.5 Schlussfolgerungen aus der Literaturanalyse Aus der Literaturanalyse lassen sich einige zentrale Schlussfolgerungen und Thesen für die Definition und Bedeutung der missionalen Identität und der Mündigkeit schliessen, die im Folgenden aufgelistet werden sol‐ len, bevor der zweite, exegetische Teil der Arbeit folgen wird: These 1: Der Paradigmenwechsel innerhalb der Kirche beginnt nicht bei Methoden und Strukturen, sondern beim jedem Einzelnen und seiner Nachfolge. Die Kirche findet ihre Identität in der missionalen Identität ihrer Glieder und deshalb beginnt alle Veränderung in der persönlichen Nachfolge. Alle Autoren betonen die Notwenigkeit grundlegender Veränderungen innerhalb der Kirche in der postmodernen Kultur, um ihrem Kontext wieder gerecht zu werden. Dieser Paradigmenwechsel ist in erster Linie eine persönliche Veränderung und betrifft sowohl Nachfolge und Jün‐ gerschaft, als auch die Identität, Mündigkeit und persönliche Entwick‐ lung des einzelnen Christen. These 2: Die missio Dei ist die Grundlage und das Wesen der Kirche. Die Kirche ist in die Welt gesandt, um in ihr, in ihrer Kultur und in ihrem Kontext das Evangelium ganzheitlich zu leben. In dieser mis sio Dei, der Mission Gottes, offenbart sich die missionale Identität der Kirche im Einzelnen. Der Antrieb für diese Veränderung ist der Auftrag Gottes für sein Volk, seine Kirche, die missio Dei. Die missionale Identität erwächst aus dem erneuerten Bewusstsein des Menschen in seinen gesellschaftlichen und kulturellen Kontext gesandt worden zu sein und dort inkarnatorisch zu leben. Gottes Mission offenbart sich also im Leben des Einzelnen und Leonardo Iantorno
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kann wird durch das Entdecken und Wachsen in der missionalen Identi‐ tät neue Formen annehmen. These 3: Die neutestamentliche Christologie ist das Fundament der missionalen Identität und lässt den genetischen, missionalen Code erkennen. Erst aus der lebendigen Jüngerschaft (Apostolic Genius) heraus erwächst die missio Dei, die eine neue Ekklesiologie formt und einen inkarnatorischen Lebensstil prägt. Der theologische Ursprung der missionalen Identität ist in der Christo‐ logie zu finden, denn erst durch die persönliche Beziehung zu Christus kann auch Veränderung durch Christus geschehen. Die missionale Iden‐ tität ist dabei der göttliche Code, der entdeckt werden muss. Eine Jün‐ gerschaft, bei der Christus im Zentrum steht, wird sich auf die Ekklesio‐ logie auswirken und aus dem persönlichen Paradigmenwechsel wird Veränderung innerhalb der Kirche möglich. These 4: Die Communitas als existenzielle Gemeinschaft prägt nicht nur den Einzelnen, sondern die gesellschaftliche Verantwortung der Kirche in ihrem postmodernen Kontext. Die „Third Places“ sind dabei der Schauplatz, an dem die missionale Identität Form annimmt. Praktisch findet die missionale Identität in der Communitas einen neuen Rahmen, in dem nicht nur der Einzelne Jüngerschaft erlebt, denn aus der Communitas, einer Gemeinschaft, die ein Ziel verfolgt, entstehen neue Möglichkeiten Verantwortung für die Gesellschaft zu übernehmen und das Evangelium für verschiedene Subkulturen zu übersetzen. Vereine oder Sportklubs beispielsweise werden zu Schauplätzen für einen mün‐ digen, inkarnatorischen Lebensstil.
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3. EXEGESE AUSGEWÄHLTER PAULINISCHER TEXTE ZUM THEMA „MÜNDIGKEIT“ 3.1 Begründung der Auswahl Aus den verschiedenen neutestamentlichen Paulustexten soll nun eine Auswahl von vier Texten aus dem Galater‐, Epheser und dem 1. Korin‐ therbrief ausgelegt werden. Grundlage der Exegese ist die Frage, ob und welche Bedeutung die Mündigkeit bei Paulus für die Identität des Ein‐ zelnen hat und wie diese missionale Identität einen inkarnatorischen Lebensstil fördert? Die Texte aus Galater 4,1‐11, Epheser 4,11‐16, 1. Ko‐ rinther 3,1‐4 und 13,11‐13 sollen beispielhaft für die theologische Posi‐ tion des Apostels stehen. Sowohl in seinem Brief an die Gemeinde Gala‐ tiens und Ephesus in Asien, als auch im 1. Brief an die Gemeinde in Ko‐ rinth spricht Paulus von der Kirche bzw. dem einzelne Christen als dem mündigen Erben, der durch Christus zur Freiheit und für eine neue Identität in Christus berufen ist.
3.2 Galater 4,1-11: Befreit zur Mündigkeit durch Christus 3.2.1 Einleitungsfragen und Kontextbestimmung Die Einleitungsfragen sollen bei dieser Auslegung nicht ausführlich be‐ trachtet werden. Ich gehe davon aus, dass der Apostel Paulus den Gala‐ terbrief an verschiedene Gemeinden in der Provinz Galatien geschickt hat. Ich gehe mit Gerhard Hörster einig, der als Abfassungsort entweder Ephesus oder Mazedonien aufzeigt und die Abfassungszeit um das Jahr 53‐54 n. Chr. eingrenzt (Hörster, 1993:222). Ein besonderer Schwer‐ punkt des Galaterbriefs ist die Frage nach der Zugehörigkeit der Heiden zum Volk Gottes (:213). Paulus geht auf diese Frage ein und spricht gleichzeitig die Werkgerechtigkeit an und verurteilt dieses Gedanken‐ gut. Paulus betont in diesem leidenschaftlich geschrieben Brief, wie wichtig die Stellvertretung Christi für alle Menschen ist und wie allein aus dieser Tat Christi am Kreuz das Heil für die Nationen kommt (:219). Für Paulus ist es von entscheidender Bedeutung, dass die Galater ihre
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gewonnene Freiheit in Christus nicht wieder durch eine Werkgerechtig‐ keit eintauschen sollten (:220).
3.2.2 Aus der Unmündigkeit befreit durch Christus (Galater 4,1-5) 3.2.2.1 Verse 12 Ich sage aber: Solange der Erbe unmündig ist, unterscheidet er sich in nichts von einem Sklaven, obwohl er Herr über alles ist; 2 sondern er ist unter Vormündern und Ver‐ waltern bis zu der vom Vater festgesetzten Frist. (Gal 4,1‐2; Elberfelder)
Paulus gebraucht ein Bild aus dem Rechtswesen, um die Situation der Galater zu beschreiben und verdeutlicht damit gleichzeitig ihre Rolle als Erben Christi. Die Galater sind Erben und Anwärter auf das Heilserbe (Mussner 1974:266). Der unmündige Erbe ist zwar rechtlich der Besit‐ zer seines Erbes, jedoch kann er seinen Besitz, sein Eigentum aufgrund seiner Unmündigkeit noch nicht verwalten (Betz 1988:355). Durch den Vergleich des unmündigen Eigentümers mit dem Sklaven verschärft Paulus dieses Bild und zeigt damit deutlich auf, dass der Minderjährige, gleich wie ein Sklave, nicht selbst über sein Leben entscheiden kann (:356). Bis der minderjährige Erbe seinen Besitz erhält, steht er unter der Obhut von Vormündern und Verwaltern. An einem gesetzlich festge‐ legten Zeitpunkt ist die Vormundschaft beendet und der Erbe kann sein Erbe antreten. Paulus passt das Bild hier der Situation an, da ein Waise meist durch das Erreichen der Volljährigkeit sein Erbe antreten konnte (1988:357). Paulus könnte durch das Bild auch auf eine „Umstellung der bisherigen Geschichtsbetrachtung“ (Mussner, 1974: 267) hinweisen und die Galater zu einer „zeitlich‐eschatologischen“ Sichtweise auffordern. Damit würde der Fokus noch stärker auf das Erreichen der Mündigkeit gelegt. Dunn unterstützt diese Auslegung, indem er betont, dass der Va‐ ter selbst, den Zeitpunkt festgesetzt hat, an welchem das Kind das Erbe erhalten soll: „The child’s inferior status lasts only until the time set by the father.“ (Dunn 1993:211). Verschiedene Kommentatoren wie Vouga, Bring und Oepke betonen, wie Paulus hier das hellenistische Erbschafts‐ recht als Analogie gebraucht, um die Sohn‐ und Erbschaft zu verdeutli‐ chen. Aus dem unmündigen Erben wird zu einem bestimmten Zeitpunkt der mündige Besitzer und Verwalter seines Erbes (Lührmann 1978:68).
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3.2.2.2 Verse 35 3 So waren auch wir, als wir Unmündige wa‐ ren, unter die Elemente der Welt versklavt; 4 als aber die Fülle der Zeit kam, sandte Gott seinen Sohn, geboren von einer Frau, geboren unter dem Gesetz, 5 damit er die loskaufte, die unter dem Gesetz waren, damit wir die Sohn‐ schaft empfingen. (Gal 4,3‐5; Elberfelder)
Genauso, wie der unmündige Erbe, sind auch die Galater unter die Herr‐ schaft anderer versklavt gewesen. Sie waren Sklaven der Welt und stan‐ den unter einer Vormundschaft, die es ihnen nicht ermöglichte, ihre Mündigkeit zu erlangen und das Erbe anzutreten. Die „Weltelemente“, wie Mussner sie nennt, beschränken die Menschen in ihrer Mündigkeit: „Und wie der unmündige Erbe in nichts vom Sklaven sich unterschiedet, so befanden wir uns auch in einer Sklavenschaft.“ (1974:268). Dabei ist es jedoch wichtig zu erkennen, dass wir anders als im Bild des Erben, erst in Jesus Christus und den Glauben an ihn zu „Söhnen“ geworden sind (:268). Diese neue Identität gründet in der Erlösung vom Gesetz und der Sohnschaft durch Christus (Vouga 1998:102). Für Betz ist die Verwendung der 1. Person Plural der Hinweis dafür, dass Paulus hier nicht nur die Galater, sondern alle Christen anspricht. Sowohl Juden, als auch Heidenchristen waren Unmündige und den Elementen der Erde unterstellt (Betz 1988: 358). Welches sind jedoch die „Elemente der Welt“? Betz zeigt auf, wie sich im Laufe Untersuchungen die Meinung durchgesetzt hat, dass hier dämonische Mächte gemeint sind, die über die Welt herrschen und begründet dies mit dem griechisch‐römischen Weltbild jener Zeit (1988:358). Mehrere Ausleger vertreten die Ansicht, dass sowohl die Elemente Wasser, Erde, Luft und Feuer, als auch die re‐ ligiösen Formen oder gar das Schicksal gemeint sein könnten (Dunn 1993:212‐213). Im Gegensatz dazu beschreibt Meissner die Elementar‐ mächte als erziehende Geister, die den Menschen so lange zurückhalten, bis er würdig sei, die Sohnschaft zu empfangen (2007:179). Es handelt sich in jedem Fall um eine Sklaverei, aus der sich der Mensch nicht allein befreien kann. Luther hingegen beschreibt, wie wir bereits unter dem Gesetz die Verheissungen auf Christus hin besassen (Beer 1998:233). Doch erst das Leben, Sterben und die Auferstehung Christi haben uns dazu befreit, das Erbe der Verheissungen ohne einen Verwalter anzu‐ nehmen:
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So dienen wir dem Gesetz, „solange wir Kin‐ der sind“. Solange Christus nicht kommt und solange das Geschenk des Heiligen Geistes nicht da ist, sind wir gefangene Sklaven und stehen unter Herren. (:235)
Es wird jedoch auch deutlich, dass dieser Zustand der Unmündigkeit für uns zu Ende ist und wir durch Christus und sein Handeln befreit sind. Genau, wie wir auch, wurde Christus unter das Gesetz geboren. Gott schickt seinen Sohn, um die Menschen in die Mündigkeit zu rufen. Die Zeit war erfüllt und damit auch das Ende der Versklavung unter dem Gesetz: „Von ‚Fülle (Erfüllung) der Zeit(en)’ sprach das Frühjudentum sehr häufig, meist in verbalen Wendungen.“ (1974:268). Paulus greift also auf älteres, den Juden in Galatien bekanntes Gedankengut zurück, um aufzuzeigen, wie entscheidend das Wirken Christi für die Mensch‐ heit ist. In der Wendung „die Erfüllung der Zeit“ erkennt Betz einen Ausdruck der eschatologischen Sprache der Juden und Christen, derer Paulus sich öfter bediente (1988:360‐361). Christus ist der vom Vater gesandte Sohn, der schon vor seiner Geburt war und durch den Heiligen Geist nach seiner Auferstehung in den Menschen weiterlebt. Christus wurde wie jeder andere Mensch auch unter das Gesetz geboren und hat darunter gelebt. Mit dem Kommen Christi sind die Menschen freigekauft. Christus war das Lösegeld für viele, wie es auch im Markus‐Evangelium (Markus 10,45) beschrieben ist. Alle, die unter dem Gesetz standen und in der Versklavung leben mussten, sind durch Christus befreit. Paulus spricht hier sowohl von den Juden, als auch von den Heiden, die zum Glauben finden: „dass das göttliche Heilsziel ein allumfassendes, Juden und Hei‐ den einschliessendes ist; denn in den Plural sind ja auch die heidenchristlichen Adressaten miteingeschlossen.“ (Mussner 1974:270‐ 271). Auch Betz erkennt die Universalität der Erlösung durch Christus für alle, Juden und Heiden. In seiner Analyse der beiden ‐Sätze zeigt er auf, wie der Ausdruck „Annahme“ ein Begriff aus der Justiz ist (1988:364‐365). Gott adoptiert die Menschen in Christus und nimmt sie damit rechtmässig als seine Kinder auf: „Almost certainly Paul had in mind the legal act of adoptio, by which a Roman citizen entered another family and came under the patria potestas of its head.” (Dunn 1993:217). Der Mensch wird allein aus dem Geschenk des Glaubens und nicht aus den Werken des Gesetzes (Lührmann 1978:69). Es ist das Ziel Leonardo Iantorno
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des Wirkens Jesu, die Menschen in die Mündigkeit als wahre Erben Got‐ tes einzusetzen und ihnen den Weg dorthin frei zu machen.
3.2.3 Vom S klaven zum Erben Gottes (Galater 4 ,6-7) 6 Weil ihr aber Söhne seid, sandte Gott den Geist seines Sohnes in unsere Herzen, der da ruft: Abba, Vater! 7 Also bist du nicht mehr Sklave, sondern Sohn; wenn aber Sohn, so auch Erbe durch Gott. (Gal 4,6‐7; Elberfelder)
Wenn Christus die Inkarnation Gottes auf Erden ist, so ist der Heilige Geist die ewige Verbindung zu Gott. Dieser Geist befreit den Menschen von der Existenz unter dem Gesetz hin zum Leben aus der Sohnschaft (Vouga 1998:102). Durch den Kausalsatz wird jedoch auch deutlich, wie wir aufgrund unserer Sohnschaft, die wir bereits hatten und doch Un‐ mündige waren, sandte Gott Christus, damit wir empfangen würden. Bei Luther wird deutlich, wie diese Erbschaft nicht aus Verdienst, sondern allein aus der Gnade Gottes in Christus für uns möglich wird (Beer 1998:242). Der Empfang der Sohnschaft hängt unmittelbar mit dem Empfang des Heiligen Geistes zusammen. Dabei geht es nicht um ein zeitliches Aufeinanderfolgen der Ereignisse, sondern um ein Zusam‐ menspiel zwischen Sohnschaft und Geistempfang (Mussner, 1974:274‐ 275). Der Heilige Geist verändert das Verhältnis zwischen Gott und Mensch dadurch entscheidend, als er den juristischen Rahmen durch‐ bricht und durch sein Wirken im Menschen das „Abba, Vater“ hervor‐ bringt und möglich macht. Auch für Dunn ist es unwahrscheinlich, dass der Empfang des Geistes eine einfache Konsequenz aus der adoptio durch Christus ist (1993:219). Vielmehr bestätigt der Empfang des Geis‐ tes die intime Vater‐Kind‐Beziehung zwischen Gott und Mensch. Das Problem der „Reihenfolge“ von Sohnschaft und Geistempfang beschreibt auch Betz in seinen Ausführungen, betont die dogmatisch‐ philosophische Prämissen dieser Fragestellung (Betz, 1988: 366). Der Heilige Geist wohnt im Herzen des Menschen und damit bestätigt sich für Betz auch die Tradition, dass das Herz der Sitz des Willens sei (:367). Die Veränderung, die im Menschen durch den Empfang des Heiligen Geistes geschieht, ist für Luther keine äusserlich sichtbar, sondern sie wird durch das persönliche Zeugnis und das Bekenntnis zu Christus bes‐ tätigt (1998: 243). Der Heilige Geist, den wir durch Christus empfangen haben, zeigt sich also in erster Linie in unseren Herzen und wird durch Leonardo Iantorno
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unser neu motiviertes Handeln deutlich. Das „Abba, Vater“ weist auf die Universalität der Sohnschaft hin, da es sowohl die Juden als auch die Heiden anspricht (1988:368). Das griechische Partizip für κρᾶζον, beschreibt einen tiefen Schrei aus dem Herzen und für Dunn wird dadurch der besondere Charakter dieser Geisterfahrung am Menschen deutlich (1993:221). Dieser emotionale und intensive Ruf ist also ein Zeugnis für die Sohnschaft des Menschen und der Zugehörigkeit zu Gott in Christus. Das aramäische Wort abba beschreibt eine intime und persönliche Beziehung zwischen Mensch und Gott, die erst durch den im Herzen wohnenden Heiligen Geist Reali‐ tät wird (1974:276). Durch das Annehmen von Christus und den Emp‐ fang des Heiligen Geistes wird der Mensch Teil der göttlichen Familie und erhält dadurch eine persönliche Beziehung zu Gott (:276). Die dem Menschen angeborenen Zweifel an der Nähe Gottes werden für Luther in diesem Ruf deutlich und er nimmt dabei Bezug auf Römer 8,26, wo der Heilige Geist als Mittler beschrieben wird. Unsere Gebete kommen durch den Heiligen Geist vor Gottes Thron (1998: 246). Es ist Gottes Tat, die uns zur Freiheit und zu Erben seiner Herrlichkeit macht: „Die beiden letzen Worte ‚durch Gott’ sind ein Zeugnis für die Hartnäckigkeit, mit der Paulus seit dem Beginn des Briefes darauf besteht, dass der ganze Erlösungsprozess das Werk Gottes ist.“ (1988:370).
3.2.4 Mündigkeit neu entdecken (Galater 4,8-11) 3.2.4.1 Verse 89 8 Damals jedoch, als ihr Gott nicht kanntet, dientet ihr denen, die von Natur nicht Götter sind; 9 jetzt aber habt ihr Gott erkannt ‐ viel‐ mehr seid ihr von Gott erkannt worden. Wie wendet ihr euch wieder zu den schwachen und armseligen Elementen zurück, denen ihr wieder von neuem dienen wollt? (Gal 4,8‐9; Elberfelder)
Paulus erinnert die Galater an ihre Vergangenheit unter der Herrschaft heidnischer Götter, Die Galater fallen in alte Muster zurück und sind zu den falschen Göttern zurückgekehrt, denen sie schon zuvor dienten, be‐ vor sie die Freiheit aus dem Evangelium empfingen (Lührmann 1978:71). Die Weltelemente könnten als Teil einer ganzheitlichen jüdi‐ schen Sicht des Gesetzes verstanden werden und damit die Versklavung der Galater unter das Gesetz als falschen Gott beschreiben (1978:72). Leonardo Iantorno
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Dem gegenüber stehen die Ausführungen Mussners, der die Weltele‐ mente als dämonische Mächte bezeichnet (1974:291). Auch Betz schliesst sich der Meinung an, dass die Elemente dämonische Mächte seien (1988:374). Für Meissner wiederum sind die Elemente als Mond‐ und Sabbattage bzw. als die Einhaltung bestimmter Festtage und Un‐ glückstage zu verstehen (2007:198). Entscheidend ist dabei jedoch, dass diese Götzen „weder Leben noch Identität geben können“ (Vouga 1998:105). Obwohl die Galater von Gott erkannt wurden, unterstellten sie sich freiwillig Götzen und gerade darin liegt die Dramatik (Oepke 1957:138). In der neuerlichen Abkehr von Gott erkennt Dunn auch die Abkehr vom ersten Bund, den Gott durch Abraham mit seinem Volk ge‐ schlossen hat (1993:225). Die Galater hatten bislang keine Gotteser‐ kenntnis und folgten deshalb fremden Mächten, die sie als Gottheiten verehrten und ihnen dienten. Die „Knowledge of God“, wie Dunn sie be‐ schreibt (Dunn 1993:223), war ein ausschliesslich jüdisches Privileg und gerade die Heiden unter den Galatern gelangten erst durch den Glauben an Christus zu echter Gotteserkenntnis. Es scheint so, als wäre die erste Gotteserkenntnis der Galater nicht ganzheitlich, sondern vor allem kosmischer Natur gewesen (1974:291). Eine „wahre Gotteser‐ kenntnis schafft Distanz zwischen Gott und der Welt und ihren ‚Elemen‐ ten’, schafft Freiheit gegenüber dem Kosmos.“ (:292). Es ist diese Frei‐ heit gegenüber den kosmischen Mächten und Einflüssen, zu der Paulus die Galater durch den Glauben an den einen Gott ermutigen will. Der Apostel ermahnt die Galater, ihre gewonnene Gotteserkenntnis und den Empfang des Heiligen Geistes nicht aufzugeben, sondern darin zu wach‐ sen (:227). Es geht dem Apostel also um ein grundlegendes Glaubens‐ verständnis, welches er den Galatern weitergeben will. Während Paulus von einer „aufgeklärten Religion“ spricht, die von kultischen und rituel‐ len Vorschriften frei ist (1988:377), betonen seine Gegner weiterhin die Kultreligion. Alte Vorschriften und Gesetze sollen nicht durch neue kul‐ tische Gesetzgebungen und Vorschriften ersetzt werden. Es geht dem Apostel darum, die Freiheit in Christus und die neue Identität aus dieser Beziehung zu Christus vorzuleben und den Galatern ins Herz zu legen. 3.2.4.2 Verse 1011 10 Ihr beobachtet Tage und Monate und be‐ stimmte Zeiten und Jahre. 11 Ich fürchte um
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euch, ob ich nicht etwa vergeblich an euch ge‐ arbeitet habe. (Gal 4,10‐11; Elberfelder)
Ihr Rückfall in alte Glaubensmuster treibt die Galater in eine neue Skla‐ verei unter bestimmte Feste, Tage und Zeiten. Auffällig ist, wie die Aus‐ legungen zu Vers 10 auseinander gehen. Luther erkennt in der Einhal‐ tung dieser Feste und Tage einen Rückfall in religiöse Kulthandlungen, die den Gottesdienst an bestimmte Festtage binden (Beer 1998:262). Es ist die Rückkehr zu alten Gepflogenheiten, die nicht auf der Rechtferti‐ gung allein durch Glauben aufbauen, sondern sich auf kultische Rituale setzen. Diese Rückkehr beschreibt Paulus als erneute „religiöse Sklave‐ rei“ (Mussner 1974:303). Dabei fällt auf, wie Paulus diese scheinbar neue Gesinnung nach dem Gesetz Israels „in Wirklichkeit ein Rückfall ins Heidentum und die Sklaverei sein soll.“ (:303). Anders legt Betz Vers 10 aus: „Daher kann die Beschreibung keine Zusammenfassung dessen sein, was die Galater zur Zeit treiben, sondern womit sie beschäftigt wä‐ ren, wenn sie Tora und Beschneidung annähmen.“ (1988:378). Obwohl verschiedene Auslegungen vorliegen, sind sich die Ausleger darin einig, dass Paulus hier das „typische Verhalten von religiös übergewissenhaf‐ ten Leuten“ (:378) beschreibt. Ein solches Streben nach Erlösung durch das Einhalten bestimmter Tage und Feste führt von Gott weg und in neue Gesetzlichkeit und Sklaverei. Seine Besorgnis über die Galater bringt er deutlich zum Ausdruck und spricht damit einen zentralen Punkt für die Gemeinde Christi an. In aller Härte beschreibt Luther, wie dieses Verhalten der Galater sie nicht zur Erlösung, sondern zur Ex‐ kommunikation aus dem Leib Christi führt (1998:263). Hier zeigt sich die besondere Leidenschaft von Paulus für die Galater, denn sonst wür‐ de er keine solch emotionale Ausdrucksweise verwenden. Während Mussner hier von Resignation des Apostels über seinem missionari‐ schen Dienst spricht (1974:304), sieht Betz hier Anzeichen von Selbst‐ ironie, da Paulus sich nicht um sich, sondern um die Galater sorgt (1988:380). Die Galater würden den Einsatz des Apostels dann zunichte machen, wenn sie sich erneut dem Aberglauben hingeben und damit ihr Heil verspielen würden. Die Sorge des Apostels ist jedoch gleichzeitig eine Motivation für die Galater, sich neu an Christus zu orientieren und damit auf die Erlösung und die Sohnschaft in Christus zu hoffen und da‐ nach zu leben (Dunn 1993:230). Im nachfolgenden Appell, ermutigt Pau‐ lus die Galater sich an seinem Beispiel zu orientieren und der neu ge‐ Leonardo Iantorno
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wonnenen Freiheit und Sohnschaft treu zu bleiben, um nicht in eine neue Gesetzlichkeit zurück zu fallen.
3.2.5 Schlussfolgerungen aus Galater 4,1-11 Durch Leben, Tod und Auferstehung Jesu Christi sind alle Menschen zur Sohnschaft berufen und haben Anteil am Heilserbe Gottes (Mussner 1974:266). Christus ist es, der von der Versklavung durch Gesetz und die „Weltelemente“ befreit und zur Mündigkeit befähigt, um das Erbe antreten zu können. In dieser Mündigkeit liegt der Schlüssel für das ent‐ decken und erleben einer neuen Identität als Kinder Gottes. Die Galater haben, gleich wie auch wir heute, eine neue Identität in der Sohnschaft durch Jesus Christus erhalten und sind deshalb nicht mehr Sklaven der Welt (Vouga 1998:102). Als mündige Christen können sie das Erbe Got‐ tes antreten. Es ist das Ziel des Wirkens Jesu, die Menschen in die Mündigkeit als Er‐ ben Gottes einzusetzen. Nicht das Einhalten der Gesetze, sondern die persönliche Beziehung zu Jesus Christus macht die Menschen zu mündi‐ gen Erben des Reiches Gottes. Durch den Glauben an das Erlösungswerk Jesu sind die Menschen aus der Unmündigkeit der Sklaverei zur Mün‐ digkeit als selbstständige Erben berufen. Der Heilige Geist verändert die Beziehung zwischen Gott und den Menschen von einer juristischen zu einer familiären Beziehung durch sein Wirken. Paulus ermahnt die Galater und damit auch uns heute, diese Mündigkeit nicht in eine neue Form der gesetzlichen Sklaverei einzutauschen. Neue Gesetzlichkeiten, Rituale und Festtage dürfen nicht den Platz der Frei‐ heit und Mündigkeit in Christus einnehmen.
3.3 Texte aus dem 1. Korintherbrief 3.3.1 Einleitungsfragen und Kontextbestimmung Über die Verfasserschaft des Apostels Paulus besteht kein Zweifel (Hörster 1993:220). In verschiedenen Kommentaren wird davon ausge‐ gangen, dass Paulus der Verfasser des 1. Korintherbriefes ist. Geht man von der literarischen Einheit des Briefes aus, so wurde der Brief von Paulus in Ephesus verfasst (Lindemann 2000:17). Über Antiochia und Galatien gelangte der Apostel nach Ephesus, wo er wahrscheinlich mehr Leonardo Iantorno
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als zwei Jahre zugebracht hat und auch im Gefängnis war (:17). Ver‐ gleicht man verschiedene Kommentare auf die Datierung des ersten Ko‐ rintherbriefes hin, so kann man von einer Abfassungszeit zwischen den Jahren 52 und 56 n. Chr. ausgehen (siehe Wolff 1996:13; Lindemann 2000:17; Hörster 1993:199). Adressiert ist der Brief an die Gemeinde in Korinth, die in erster Linie aus Heidenchristen bestand (Hörster 1993:198). Weitere Themen, die Paulus im ersten Korintherbrief in den Vordergrund stellt, sind die Einheit der ἐκκλησίᾳ, der Gemeinde in Ko‐ rinth (Lindemann 2000: 15), Rechtsstreitigkeiten und moralethische Fragen (Hörster 1993:196f). Der Brief geht vor allem auf Probleme in‐ nerhalb der Gemeinde ein und gibt Einblick in die theologische Argu‐ mentation des Apostels Paulus (Wolff 1996:8f).
3.3.2 Unsere Fleischlichkeit macht uns zu Unmündigen in Christus (1. Korinther 3,1-4) 3.3.2.1 Vers 1 Κἀγώ, ἀδελφοί, οὐκ ἠδυνήθην λαλῆσαι ὑμῖν ὡς πνευματικοῖς ἀλλʼ ὡς σαρκίνοις, ὡς νηπίοις ἐν Χριστῷ. Und ich, Brüder, konnte nicht zu euch reden als zu Geistlichen, sondern als zu Fleischli‐ chen, als zu Unmündigen in Christus.
Paulus wirft den Korinthern kein religiöses Versagen vor, sondern er spricht in erster Linie von der Beziehung zwischen ihm und der Ge‐ meinde (Lindemann 2000:77; Schrage 1991:281). Die Korinther waren noch keine „Pneumatiker“, sondern vielmehr von ihren alten Begierden und fleischlichen Wünschen bestimmt und damit zwar keine Feinde Gottes aber unmündig als Kinder Gottes (2000:77). Die Korinther „sind“ zwar in Christus, haben jedoch ihre Unmündigkeit behalten (:78). Auch Schnabel betont die Unmündigkeit und Gebundenheit der Korinther, die es zu überwinden gilt, um Erwachsene in Christus zu werden (2006:186). Merklein betont die Verbindung zwischen 2,6‐16 und 3,1‐4, da Paulus hier das Gegenteil des „vollkommen“ aufführt und die Korin‐ ther als „unmündig“ bezeichnet (1992:247). Erst jetzt sind die Korinther bereit für die Lehre des Apostels, um die Streitigkeiten beheben zu kön‐ nen (:249). Obwohl sie also zum Geist gehören, lassen sie sich nicht vom Geist führen und werden deshalb für unmündig in ihrem Leben als Leonardo Iantorno
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Christen erklärt (Schrage 1991:281). Vielmehr kann man davon ausge‐ hen, dass es den Korinthern als Getaufte trotz ihres Strebens nach Weis‐ heit, gerade an der nötigen Mündigkeit im Glauben fehlt (Kremer 1997:67). 3.3.2.2 Vers 2 άλα ὑμᾶς ἐπότισα, οὐ βρῶμα·οὔπω γὰρ ἐδύνασθε. ἀλλʼ οὐδὲ ἔτι νῦν δύνασθε, Ich habe euch Milch zu trinken gegeben, nicht feste Speise; denn ihr konntet noch nicht . Ihr könnt es aber auch jetzt noch nicht,
Zuerst brachte Paulus den Korinthern die elementare Botschaft des Evangeliums von Jesus Christus, da sie für die verborgene Weisheit Got‐ tes noch nicht bereit gewesen wären (Wolff 1996:63‐64). Dies betonen auch Schrage (1991:282f) und Fitzmyer (2008:187), die die Weisheit als feste Nahrung bezeichnen. Obwohl der Heilige Geist sich in der Gemein‐ de kraftvoll manifestiert, sind die Gemeindeglieder noch nicht bereit für „feste Nahrung“ (:64). Als Unmündige ist es den Korinthern nicht mög‐ lich, die ganze Weisheitsrede zu verstehen. Für Kremer wird deutlich, dass Paulus einem Teil der Gemeinde die geistliche Mündigkeit ab‐ spricht, nicht aber allen Gemeindegliedern gilt (1997:67). Dieses Bild der Milch als leichte Nahrung war in der griechisch‐römischen Unter‐ weisung ein übliches Bild (Schnabel 2006:186). Auch Lindemann betont, wie das Bild aus der antiken Lehrvermittlung bekannt ist (2000:78). Das Verb „trinken“ verdeutlicht dabei, wie es sich bei Milch um keine feste Speise, sondern um leicht verdauliche geistliche Nahrung handelt (:187). Sie benötigen in erster Linie eine neue Perspektive für die Wirk‐ lichkeit des Geistes Gottes (:187). Einen ähnlichen Standpunkt vertritt hier auch Schrage und betont die fehlende Entwicklung der Korinthi‐ schen Gemeinde (1991:282f). 3.3.2.3 Vers 3 ἔτι γὰρ σαρκικοί ἐστε. ὅπου γὰρ ἐν ὑμῖν ζῆλος καὶ ἔρις, οὐχὶ σαρκικοί ἐστε καὶ κατὰ ἄνθρωπον περιπατεῖτε; denn ihr seid noch fleischlich. Denn wo Eifer‐ sucht und Streit unter euch ist, seid ihr da nicht fleischlich und wandelt nach Men‐ schenweise.
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Das Wort ζῆλος beschreibt die negative Rivalität zwischen zwei Parteien oder Personen und wird ähnlich wie Streit im Sinne von Spaltungen und Konkurrenz zwischen Anhängern verschiedener Lehrmeinungen (Schnabel 2006:188). Solche Streitigkeiten sind nicht in Gottes Absicht und die Korinther sollten gerade darin ihre Unmündigkeit erkennen (:189). Auch Schrage betont, wie σαρκικοί hier die Lebensweise nach menschlichen Massstäben, die in Korinth die Christen unmündig macht: „Das Sarkiker‐Sein besteht darin, die Sarx zur beherrschenden Norm des περιπατεῖν werden zu lassen“ (1991:283). Sowohl Lindemann (2000:78) als auch Wolff (1996:65) betonen wie schon Schrage und Schnabel die fleischlichen Massstäbe, nach denen die Christen in Korinth ihr Leben gestalten. Alle konsultierten Kommentatoren betonen die fleischliche Haltung der Korinther und wie diese Haltung sie in ihrer Unmündigkeit gefangen hält. Nur wenn die Christen den neuen Mass‐ stab Christi umsetzen, können sie zur Mündigkeit finden, die Paulus be‐ schreibt. Die rhetorische Frage, die Paulus hier gebraucht, soll den Be‐ zug zu den falschen und unmündigen Massstäben der Korinther ver‐ deutlichen (Kremer 1997:68). 3.3.2.4 Vers 4 ὅταν γὰρ λέγῃ τις· ἐγὼ μέν εἰμι Παύλου, ἕτερος δέ· ἐγὼ Ἀπολλῶ, οὐκ ἄνθρωποί ἐστε; Denn wenn einer sagt: Ich bin des Paulus, der andere aber: Ich des Apollos – seid ihr nicht menschlich?
In der Bindung an Menschen und der Geringschätzung gegenüber ande‐ ren zeigt sich die Unmündigkeit der Korinther (Wolff 1996:65) und gleichzeitig wird auch der Weg deutlich, den sie noch zu gehen haben, um ihre Mündigkeit zu erlangen. Den Bezug zu Vers 1,12 zeigen die meisten Kommentatoren auf und betonen damit das unmündige Verhal‐ ten der Korinther, die sich an Personen binden (Kremer 1997:68). Es scheint, als hätten die Korinther ihre Berufung in Christus eingetauscht gegen die Bindung an einen Leiter bzw. Prediger und die beiden Namen dienen hier vor allem als Beispiele und sind nicht ausschliesslich zu ver‐ stehen (Fitzmyer 2008:188). Die zweite rhetorische Frage des Apostels bestätigt somit Vers 3 und knüpft gleichsam an die Problematik der Unmündigkeit an (Schnabel 2006:189). Der wahre Pneumatiker ist für Paulus daher Gott gehorsam und lebt als ganzer Mensch, während Un‐ Leonardo Iantorno
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mündige sich an Menschen binden und nicht an die Freiheit in Christus (Schrage 1991:284).
3.3.3 Mündigkeit als Grundlage für einen wachsenden Glauben (1. Korinther 13,11-13) 3.3.3.1 Vers 11 ὅτε ἤμην νήπιος, ἐλάλουν ὡς νήπιος, ἐφρόνουν ὡς νήπιος, ἐλογιζόμην ὡς νήπιος·ὅτε γέγονα ἀνήρ, κατήργηκα τὰ τοῦ νηπίου. Als ich ein Kind war, redete ich wie ein Kind, dachte wie ein Kind, urteilte wie ein Kind; als ich ein Mann wurde, tat ich weg, was kindlich war.
Paulus betont mit dem beliebten Bild des Kindes hier die Unmündigkeit, Hilflosigkeit und die Unerfahrenheit der Korinther, die zwar die Geistes‐ gaben empfangen haben, dabei jedoch noch nicht zur Reife herange‐ wachsen sind, die in der Neuen Welt Gottes liegt (Schnabel 2006:778). Schrage betont dabei, wie diese beiden Phasen des Kindes‐ und Man‐ nesalters nicht ineinander übergehen, sondern einander ablösen und damit spiegeln sie den Kontrast zwischen Stückwerk und dem Voll‐ kommenen wider (1999:308‐309). Wer vom Kind zum Erwachsenen wird, lässt alles Kindhafte hinter sich und damit auch die Geistesgaben aus 1 Kor 12, die ihre Bedeutung für den mündigen Erwachsenen verlie‐ ren (Kremer 1997:289). Auch Wolff betont den Wesensunterschied zwi‐ schen dem Kindes‐ und dem Mannesalter und wie wichtig das Ver‐ schwinden der Kindhaftigkeit ist und auch er sieht in den Charismen ei‐ nen Vorgeschmack auf die Gaben des „vollkommenen Mannes“ (1996:323). Lindemann erkennt im νήπιος den in jeder Hinsicht Un‐ mündigen und verdeutlicht, wie andere Kommentatoren auch, die Dis‐ kontinuität zwischen Kind und Erwachsenem (2000:290). 3.3.3.2 Vers 12 βλέπομεν γὰρ ἄρτι διʼ ἐσόπτρου ἐν αἰνίγματι, τότε δὲ πρόσωπον πρὸς πρόσωπον·ἄρτι γινώσκω ἐκ μέρους, τότε δὲ ἐπιγνώσομαι καθὼς καὶ ἐπεγνώσθην. Denn wir sehen jetzt mittels eines Spiegels, undeutlich, dann aber von Angesicht zu Ange‐ sicht. Jetzt erkenne ich stückweise, dann aber werde ich erkennen, wie auch ich erkannt worden bin. Leonardo Iantorno
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Das βλέπομεν beschreibt nach Lindemann das Rätsel (αἰνίγματι) des in‐ direkten Erkennens Gottes, das erst durch das „von Angesicht zu Ange‐ sicht“ Sehen aufgelöst wird (2000:292). Wie auch Schrage (1991:310) betont Lindemann, dass das Sehen nicht mit Prophetie zu vergleichen ist, sondern das Erkennen beschreibt (:291). Auch Wolff beschreibt die Unvollkommenheit der Gottesgemeinschaft durch die Geistesgaben, die im Gegensatz zur „unmittelbaren und fortwährenden Gemeinschaft“ zwischen Gott und den Glauben steht (1996:324). Die Zuwendung Got‐ tes gegenüber den Glaubenden durch Christus macht eine unmittelbare Gottesgemeinschaft 4 erst möglich (:324). Diese unmittelbare Gottesge‐ meinschaft und das Schauen Gottes wird nach Schnabel erst in der Neu‐ en Welt Gottes möglich sein, in der das Bruchstückhafte durch das Voll‐ kommene ersetzt wird (2006:780). Allerdings wird im ἐπεγνώσθην deutlich, dass Gott es ist, der die Menschen zuerst erkannt hat und ihnen damit die Möglichkeit zu erkennen gibt (:781). Das Zukünftige wird auch bei Gregor von Nyssa als das kommende Zeitalter Gottes beschrieben (Kovacs 2005:225). Allerdings hat Gott die sich den Menschen schon heute zugewendet und sie aus Gnade erwähl, um dem Sohn gleichge‐ stellt zu sein (Schrage 1999:315). 3.3.3.3 Vers 13 Νυνὶ δὲ μένει πίστις, ἐλπίς, ἀγάπη, τὰ τρία ταῦτα μείζων δὲ τούτων ἡ ἀγάπη. Nun aber bleibt Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; die größte aber von diesen ist die Liebe.
Erst aus der Liebe werden Glauben und Hoffnung geprägt und gleichzei‐ tig werden nicht Prophetie, Sprachenrede und Erkenntnis, sondern Glaube, Hoffnung und Liebe im Leben des Christen als Äusserungen des Heiligen Geistes deutlich (Wolff 1996:325). Glaube, Hoffnung und Liebe bedeuten den Anbruch des Reiches Gottes unter den Menschen. Die Christen bekennen im Glauben ihre Hoffnung und leben daraus die Lie‐ be, die sie von Gott empfangen (Schnabel 2006:782). In besonderem Masse beschreibt die Liebe hier die Wirklichkeit der Gemeinschaft mit Christus, da sie die Gegenwart des Heils beschreibt (:782‐783). Ohne Glaube, Hoffnung und Liebe kann kein Christ leben und für Kremer ist 4 Siehe auch Galater 4,9
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diese Trias zwingend und deshalb als Appell zu verstehen, denn „als die ‚grössere’ dient sie mehr noch als etwa die Prophetie dem Aufbau der Kirche“ (1997:291). Paulus schätzt die Liebe als höchste Gabe, da sie das Zusammenleben innerhalb der Kirche und in der Welt ermöglicht (:292). So wird die Liebe in Glauben und Hoffnung Realität und damit sind Glaube und Hoffnung in der Gegenwart die wichtigen Pfeiler der Liebe, die im Eschaton erfüllt werden (Merklein 2005:163). Die Liebe ist also der Massstab für das Handeln, Glauben und Hoffen der Menschen, wie Paulus es bereits in Vers 7 beschreibt und damit ist die Praxis der Liebe schon ein Vorgriff des Eschatons in der Gegenwart er Menschen (Lindemann 2000:293).
3.3.4 Schlussfolgerungen aus 1. Korinther 3,1-4 und 13,11-13 Die Unmündigkeit der Korinther zeigt sich in ihrem Streben nach Be‐ friedigung fleischlicher Begierden und Wünsche (Lindemann 2000:77). Sie binden sich statt an Christus und den Heiligen Geist an Leiter und starke Persönlichkeiten, die sie vom Weg abbringen. Paulus zeigt auf, wie wichtig es vielmehr ist, das Kindhafte ganz abzulegen, um zur vollen Reife zu gelangen und eine mündige Nachfolge zu leben. Diese Reife ist notwendig, um die „ganze Weisheitsrede“ (Kremer 1997:67) verstehen zu können. Wer sich gegen diese Reife entscheidet und am kindhaften, unmündigen Verhalten festhält, lebt nicht durch den Heiligen Geist, den Christus den Menschen als Beistand geschickt hat. Wer sich jedoch nach der Mündigkeit ausstreckt, lebt eine praktische Liebe aus seinem Glau‐ ben und Hoffen heraus. Die Liebe ist der entscheidende Massstab für das Leben mündiger Christen (Lindemann 2000:293). Mündigkeit zeigt sich durch das Reden und Handeln im alltäglichen Leben in der Nachfolge. Ein solches Leben als „Pneumatiker“ bindet sich an die Freiheit in Chris‐ tus und nicht an andere Menschen (Schrage 1991:284).
3.4 Epheser 4,11-16: Christus beruft zur vollen Mündigkeit und Reife 3.4.1 Einleitungsfragen und Kontextbestimmung Die Frage der Verfasserschaft wird kontrovers diskutiert und soll aus Platzgründen hier nur kurz dargestellt werden. Gerhard Hörster be‐ Leonardo Iantorno
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gründet mithilfe der Kirchenvätertexte, dem Briefaufbau und den theo‐ logischen Grundlagen des Textes, dass man von einer Verfasserschaft des Apostels ausgehen kann (1993:229‐236). Im Gegensatz dazu gehen Best, Schnackenburg und auch Pokorny von einem unbekannten Verfas‐ ser aus, der, so Schnackenburg ein Schüler Paulus’ gewesen sein könnte (1982:25). Alle drei Kommentatoren erkennen im Epheserbrief ein nichtpaulinisches, pseudoepigraphisches Werk eines Paulusschülers. Daraus schliesst Best, dass die Verfasser des Epheserbriefes und des Ko‐ losserbriefes, der in engem Zusammenhang zum Epheserbrief steht, zwei verschiedene und uns unbekannte Personen sein müssen (1998:36). Ich halte es jedoch für unwahrscheinlich, dass ein Schüler Paulus’ sich unter falschem Namen präsentieren sollte und gehe somit davon aus, dass der Autor des Epheserbriefes gemäss dem Briefkopf der Apostel Paulus selbst ist. Man geht einhellig davon aus, dass der Brief aus der Gefangenschaft geschrieben wurde, da sich der Verfasser selbst „Gefangener in Christus (Eph 3,1) und „Gesandter in Ketten“ (Eph 6,20) nennt. Gehard Hörster nennt Rom und Caesarea als mögliche Abfas‐ sungsorte, da Paulus dort in Gefangeschaft war (1993:239). Während Ernest Best die Gefangenschaft in Rom für wahrscheinlicher hält (1998:46), zieht Petr Pokorny jene in Caesarea vor (1992:42). Ich schliesse mich dieser Ansicht an, dass der Brief zwischen 80‐90 n. Chr. in Caesarea verfasst wurde. Paulus nennt die Leser seines Briefes Erben Christi und bittet im ersten Kapitel zuerst für den Geist der Wahrheit für die Gemeinde. Christus steht als Erfüllung über allem und bedeutet die Einheit der Gläubigen untereinander. Paulus wünscht sich für alle die Weisheit Gottes durch den Dienst und stellt sich dabei selbst als Diener unter die Gnade Christi. Die Christen sollen wahre Nachahmer und Kinder Gottes sein. Dies soll in Liebe zu einander geschehen. Weiter beschreibt Paulus in diesem Zu‐ sammenhang das Leben in der Ehe zwischen Mann und Frau und die Beziehung der Kinder zu den Eltern. Er nimmt zur Beziehung zwischen Sklaven und ihren Herren Bezug und zeigt den rechten Umgang unter‐ einander auf. Im abschliessenden Kapitel ermutigt Paulus die Leser, die Zurüstung Gottes, seine Waffenrüstung anzuziehen und sich damit für dieses Leben als Gemeinde auszurüsten.
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3.4.2 Die volle Mündigkeit durch den fünffachen Dienst (Epheser 4,11-13) 3.4.2.1 Vers 11 Καὶ αὐτὸς ἔδωκεν τοὺς μὲν ἀποστόλους, τοὺς δὲ προφήτας, τοὺς δὲ εὐαγγελιστάς, τοὺς δὲ ποιμένας καὶ διδασκάλους, Und er hat die einen als Apostel gegeben und andere als Propheten, andere als Evangelisten, andere als Hirten und Lehrer,
Wie wir in der Kontextbestimmung bereits gelesen haben, steht der ge‐ samte Epheserbrief unter dem grossen Thema der Einheit und der Liebe untereinander in der Gemeinde. Im vierten Kapitel werden nun die ver‐ schiedenen Aufgaben und Gaben, die Christus seiner Gemeinde schenkt, betrachtet. Der sog. Fünffältige Dienst, den Paulus beschreibt, verteilt die Aufgaben innerhalb der Gemeinde auf. All diese Ämter waren bzw. sind in Christus vereinigt und er teilt sie an seine Gemeinde aus, verteilt sie auf mehreren Schultern. In der Auflistung der Ämter kann ich keine ausdrückliche Reihenfolge bzw. Rangliste erkennen. Vielmehr erschei‐ nen sie gerade durch die einfache Aufzählung im griechischen durch τοὺς μὲν… τοὺς δὲ als gleichberechtigte, gleichwichtige Dienste. Paulus teilt die Ämter folgendermassen auf: Es braucht (1) Apostel, die wie die Apostel Jesu, das Evangelium weiter tragen, Gemeinden gründen und diesen Anleitung für ihr Gemeindeleben geben können. Es braucht (2) Propheten, die in das Leben der Gemeinde und der Menschen hineinre‐ den und ihnen damit helfen ihren Weg mit Christus zu gehen. Es braucht (3) Evangelisten, die mutig und mit Liebe das Evangelium verkünden, so dass Menschen (Heiden gleich wie Juden) glauben. Weiter braucht es (4) Hirten, die sich um die Gemeinschaft und gleichzeitig um jeden einzel‐ nen mit Einsatz kümmern. Betrachten wir das Bild des Hirten im bibli‐ schen Kontext wird deutlich, welch persönliche Beziehung ein Hirte zu seinen Schafen hat, wie er sich um sie kümmert. In diesem Zusammen‐ hang steht auch das Gleichnis Jesu zum verlorenen Schaf. Christus inves‐ tiert alles für ein einzelnes Schaf und so sehen wir im Hirtendienst einen aufopferungsvollen Dienst in der Gemeindeleitung. Es braucht ausser‐ dem (5) Lehrer, die für eine gesunde und häresiefreie Verkündigung der biblischen Lehre sorgen. Dabei auch in der Gemeindezucht eine zentrale Rolle spielen.
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Rudolf Schnackenburg führt gegen die Gleichstellung der einzelnen Äm‐ ter an, dass sie zwar gleichwertig sind, es jedoch bewusste Verschiebun‐ gen gibt (1982:184). So sieht er die beiden Ämter des Apostels und des Propheten als schon bekannte und unanfechtbare Autoritäten der Kir‐ che an. Diesen beiden werden drei weitere Dienste angeschlossen, die ihre Aufgabe zusammen mit Aposteln und Propheten in der Leitung be‐ sitzen (1982:184). Er beschreibt einen Zusammenhang mit 1 Kor 12,28, wo der Apostel‐ und Prophetendienst bestätigt sind und durch Eph 4,11 ergänzt und die Schwerpunkte auf den Hirten‐ und Lehrdienst verlagert werden (1982:184‐185). Auch Hans Hübner betrachtet die Reihenfolge der Dienste als relevant für das Verständnis und hebt das Amt des Apos‐ tels hervor, dem die anderen Dienste zur Ergänzung dienen (1997:206‐ 207). Für Calvin sind die verschiedenen Dienste auf die Verschiedenheit der Gemeindeglieder zurückzuführen. Diese Gaben wurden von Christus an die Gemeinde weitergegeben, um die Vollständigkeit des Leibes zu ermöglichen. Christus ist es, der den Einzelnen beschenkt und für seinen Dienst befähigt. Calvin sieht in einer gleichwertigen Aufteilung der Ga‐ ben eine Art der Vorbeugung vor Eifersucht und Missgunst innerhalb der Gemeinde. Zwar erkennt auch er Ähnlichkeiten zwischen dem Hir‐ ten‐ und Lehrdienst, doch bleibt für ihn die klare Trennung der beiden Ämter bestehen (1963:163). 3.4.2.2 Vers 12 πρὸς τὸν καταρτισμὸν τῶν ἁγίων εἰς ἔργον διακονίας, εἰς οἰκοδομὴν τοῦ σώματος τοῦ Χριστοῦ, zur Ausrüstung der Heiligen für das Werk des Dienstes, für die Erbauung des Leibes Christi,
Die einleitende Präposition πρὸς führt von der Vorstellung der Ämter zur Begründung und Rechtfertigung derselben. Die Gaben sollen der Zu‐ rüstung und Vervollkommnung, was das καταρτισμον auch bedeuten kann, dienen. Die Gläubigen sollen durch sie für ihr (Gemeinde‐)Leben vorbereitet und eingesetzt werden. Dabei meint das in den meisten Übersetzungen gebrauchte Wort „Ausrüstung“ das Vorbereiten, Bereit‐ stellen und Stärken der Gläubigen durch die Gaben auf das Ziel hin. Die beiden Präpositionen εἰς ordnen das Werk des Dienens und das Erbauen des Leibes Christi dieser Ausrüstung unter, was darauf hinweist, dass nur aus dieser Ausrüstung heraus, der Dienst und das Erbauen des Lei‐ Leonardo Iantorno
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bes Christi folgen kann. Somit sind der Dienst und das Erbauen, was meiner Meinung nach auch mit Wachstum verbunden ist, die zentralen Aufgaben der Gläubigen. Durch den Dienst am Einzelnen, das Handeln am Menschen selbst, wächst die Gemeinde bzw. der Gläubige im Glau‐ ben und im Vertrauen auf Christus. Es kann Paulus dabei nicht nur um zahlenmässiges Wachstum, sondern um das Entwickeln geistlicher Reife gehen. Die Gemeinde ist der Leib Christi und es braucht für ein Wachs‐ tum die Einheit der in Vers 11 genannten Gaben. In diesem Zusammen‐ hang ist vor allem auch das Bild des Leibes zu beachten, welches die Funktionen des Körpers als Einheit beschreibt und somit die Einheit in der Gemeinde, die Paulus proklamiert, verdeutlicht. Die Ausführungen Schnackenburgs stellen drei grundlegende Ziele der Gaben in den Mit‐ telpunkt, die sich seiner Meinung nach vor allem auf den Hirten‐ und Lehrdienst beziehen. Diesen Zusammenhang schiesst er aus der Satz‐ stellung des Verses. Auch er sieht im καταρτισμον ein allgemeines Auf‐ richten und Stärken des Einzelnen durch die Gaben (1982:185). Die 5 Gaben bzw. Dienste erfüllen somit eine hauptsächlich dienende Aufgabe, da es beim Bau der Gemeinde um mehr geht, als nur um den Dienst als solchen. Das Bild des Baus macht hierbei das angestrebte Wachstum deutlich, welches wiederum allein von Christus ausgeht und damit keine menschliche Leistung ist. Die Dienste sind also nur die Ausrüstung und nicht der Grund für ein Gemeindewachstum (1982:186). Pokorny ver‐ steht den Aufbau des Leibes Christi als Sache aller Christen (1992:175), denn die Kirche und damit ihre Glieder sind von Christus dazu ausge‐ sandt (:177). Ein solches Leben muss sich auf alltägliche Leben auswir‐ ken (:178) und hat deshalb auch entscheidenden Einfluss auf die Identi‐ tät des Einzelnen als Teil des Leibes. Die Einheit in Christus ist folglich die Quelle des Lebens für den Gläubigen (Edwards 1999:166). 3.4.2.3 Vers 13 μέχρι καταντήσωμεν οἱ πάντες εἰς τὴν ἑνότητα τῆς πίστεως καὶ τῆς ἐπιγνώσεως τοῦ υἱοῦ τοῦ θεοῦ, εἰς ἄνδρα τέλειον, εἰς μέτρον ἡλικίας τοῦ πληρώματος τοῦ Χριστοῦ, bis wir alle hingelangen zur Einheit des Glau‐ bens und der Erkenntnis des Sohnes Gottes, zur vollen Mannesreife, zum Vollmaß des Wuchses der Fülle Christi.
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Wieder ist es eine Präposition, die auf eine entscheidende Zielsetzung hinweist. Durch das μεχρι wird ein zeitliches Ende, ein Erreichen, ein Ziel des Dienens und des Erbauens aus der Ausrüstung heraus deutlich, welches die Einheit des Glaubens, die Erkenntnis Christi, die Reife als Mensch und Gemeinde und das Wachstum im Glauben hin zur Fülle Christi führt. Diese Ziele sind nicht nur „dienstlich“ zu verstehen, son‐ dern beziehen sich auf das persönliche Leben jedes Gemeindegliedes. Einheit, Erkenntnis, Reife und Wachstum sind die Folgen aus einem Le‐ ben im Dienst und in der Ausrüstung durch Christus. Wie wir schon festgestellt haben, erkennt auch Schnackenburg die Einheit der Gemein‐ de als inneres Anliegen des Verfassers. Um zur Reife im Glauben zu kommen, braucht es den Dienst, vor allem den Dienst der Verkündigung (1982:187).
Dieser
Wachstumsprozess
ist
durch
das
Verb
καταντησωμεν und seiner Bedeutung des Hingelangens, Erreichens näher beschrieben und verdeutlicht, wie die Kirche unterwegs zur Vollendung ist (:187). Mit dem Ausdruck der „Mannesreife“ beschreibt Paulus nicht die Reifeentwicklung der jungen Männer, sondern der geistliche und menschliche Werdegang der Kirche bzw. der Gemeinde gemeint, die zu einem mündigen und erwachsenen Mann heranreifen soll (1982:188). Die Kirche soll dabei „dynamisch‐intensiv von der Fülle Christi, seinen Heilskräften und seiner göttlichen Weisheit, durchdrun‐ gen werden“ (:188). Auch Hans Hübner erkennt in der Mannesreife nicht das quantitative Wachstum, sondern ein qualitatives Wachstum zur Reife hin. Dieses Wachstum kann der Kirche nur gelingen, wenn sie auf Christus hinstrebt (1997:209). Dabei wächst die Einheit aus der Er‐ kenntnis des Sohnes Gottes. Hier geht es allerdings nicht um Sach‐ bzw. Fachwissen, sondern um eine Tiefe innere Erkenntnis in Christus erlöst zu sein (1997:208). Daraus schliesst Hübner, dass die Kirche dann wächst, wenn sie auf Christus hin wächst. Damit stehen Eschatologie und Ekklesiologie in einem engen Zusammenhang. Die Einheit des Glau‐ bens ist für Calvin ein aufeinander Zugehen, ein sich Begegnen aus dem sich der Glaube und die Erkenntnis eines jeden entwickelt (1963:167). Das griechische τέλειον beschreibt ein perfektes und komplettes Wesen, welches sich erst in der Verbindung zwischen dem Wissen über Jesus und der Reife konstatiert (Muddiman 2001:203) und damit die Identität des Einzelnen hervorhebt, der als Teil der Kirche zur vollen Mannesreife hinwächst (:202). Petr Pokorny betont die enge Verbindung zwischen Leonardo Iantorno
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Leib und Haupt und damit auch das Wachsen hin zur Mündigkeit als vollkommener Mann (1992:180).
3.4.3 Geistliches Wachstum kommt aus einem mündigen Leben (Epheser 4,14-16) 3.4.3.1 Vers 14 ἵνα μηκέτι ὦμεν νήπιοι, κλυδωνιζόμενοι καὶ περιφερόμενοι παντὶ ἀνέμῳ τῆς διδασκαλίας ἐν τῇ κυβείᾳ τῶν ἀνθρώπων, ἐν πανουργίᾳ πρὸς τὴν μεθοδείαν τῆς πλάνης, Denn wir sollen nicht mehr Unmündige sein, hin‐ und hergeworfen und umhergetrieben von jedem Wind der Lehre durch die Betrüge‐ rei der Menschen, durch ihre Verschlagenheit zu listig ersonnenem Irrtum.
Die Bezeichnung „Unmündige“ in diesem Zusammenhang weist auf kindhaftes, unreifes Verhalten hin. Dieses Bild betont die mangelnde Verantwortung für sich selbst, die die Gemeinde bisher übernehmen konnte. Die Verben in diesem Vers malen ein Bild der Zerrissenheit und des Verlorenheit, in der die Gemeinde sich ohne Christus befindet. Diese Zerrissenheit kann nur durch Christus verändert werden, denn er schenkt Klarheit und nimmt sich des Lebens eines jeden an. Das Bild des Windes beschreibt die Angst und die Gefahr eines Rückfalls in alte, schlechte Gewohnheiten, in jene Unstetigkeit durch falsche Lehren. Da‐ mit wird deutlich, wie Betrügereien und die Verschlagenheit der Men‐ schen Christus gegenüberstehen. Deshalb werden die Leser von Paulus ermahnt, sich davon zu trennen, um nicht vom Weg weggeführt zu wer‐ den. In dieser Abneigung von Paulus gegen jede Form der Irrlehre sehen wir auch die Wichtigkeit der Verkündigung des Evangeliums, die Paulus schon zuvor betont. Und wenn Calvin schreibt, dass das Wort Gottes die Kirche nährt, liegt hier auf der Hand, dass durch falsche Lehre die Kirche von innen heraus zerstört wird. In diesem Zusammenhang betont Er‐ nest Best, wie die Ämter dazu gegeben wurden, um gegen diese „bösen Mächte“ anzugehen, doch sind es nicht die Ämter allein, sondern alle Gläubigen, die zu diesem Kampf berufen sind (1998:403). Best weist auf das Bild des unmündigen Kindes hin und erkennt darin die fehlende Rei‐ fe der Gemeinde (1998:404) und damit des Einzelnen. Zudem zeigt er auf, dass sich die damaligen Irrlehren wahrscheinlich vor allem ethische Fragen betrafen (1998: 405). Paulus scheint diese Gefahr sehr ernst zu Leonardo Iantorno
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nehmen, was auch darauf hinweisen könnte, dass die Gemeinde nicht sehr sicher in der christlichen Lehre steht (1997:209‐210). Erst die Ga‐ be Christi befähigt den Gläubigen reif und mündig zu werden und stellt daher einen Gegensatz zum Leben in der Unmündigkeit und im „Wind der Lehre“ dar (Muddiman 2001:204‐205). Ein Leben in der Gnade Christi verändert den Menschen zu einem mündigen Menschen, der Irr‐ lehre erkennt und sich dagegen stellt (:205). Sowohl Schnackenburg (1982:189), als auch Pokorny (1992:181) betonen, wie die Unmündig‐ keit des Einzelnen im Gegensatz zur vollkommenen Mannesreife und zur Einheit steht. Dass diese Unmündigkeit überwunden werden muss, wird durch den Finalsatz betont, der Vers 14 einleitet (:181). 3.4.3.2 Vers 15 ἀληθεύοντες δὲ ἐν ἀγάπῃ αὐξήσωμεν εἰς αὐτὸν τὰ πάντα, ὅς ἐστιν ἡ κεφαλή, Χριστός, Laßt uns aber die Wahrheit reden in Liebe und in allem hinwachsen zu ihm, der das Haupt ist, Christus.
Aus der bestehenden Gefahr, die aus Irrlehren an die Gemeinde heran‐ tritt, ermutigt Paulus die Gemeinde die Lüge untereinander abzulegen. Die Wahrheit untereinander soll das Merkmal für den Umgang sein. Grundlage für einen solchen Umgang in der Wahrheit ist die Liebe. Pau‐ lus spricht von der Liebe als der zentralen Kraft und Grundlage im Le‐ ben der Gemeinde auch an anderer Stelle, wie beispielsweise im „Hohe‐ lied der Liebe“ in 1 Kor 13, wo Paulus die Eigenschaften der Liebe auf‐ zeigt und sie als zentrales Element im Leben in der Nachfolge verdeut‐ licht. Die Liebe nach dem Vorbild Christi zu leben, ist also die entschei‐ dende Aufgabe der Gemeinde, um Christus ähnlicher zu werden. Diese Liebe soll universell, in allem, was wir tun, was wir reden, unser Han‐ deln bestimmen. Das griechische τα παντα verstärkt diese universelle Bedeutung dieser Liebesaufgabe. Es geht nicht nur um ein augenschein‐ liches Handeln in der Liebe, sondern um eine neue Identität, eine verän‐ derte Herzenshaltung der einzelnen Gemeindeglieder. Das Ziel dieses Lebens in der Wahrheit, die in der Liebe gründet, ist das „Hinwachsen“ auf Christus hin. Also hat diese Lebenshaltung ein Ziel, eine Destination, nämlich eine engere und tiefere Beziehung zum Ursprung der Liebe, wie
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Paulus Christus bezeichnet 5 , hin. Christus geht der Kirche voran, ist ihr Vorreiter und damit auch das Haupt eines jeden einzelnen in der Ge‐ meinde. Durch das Bild des Hauptes werden alle Gemeindeglieder zu ei‐ nem ganzen, der Gemeinde zusammengefasst, somit macht Christus ein Gemeindeleben erst möglich. Eine andere Bedeutungsebene der Wahr‐ heit in diesem Kontext zeigt Schnackenburg auf, wenn er in der hier an‐ gesprochenen Wahrheit die Wahrheit des Evangeliums erkennt (1982:190). Diese Wahrheit aus dem Evangelium Christi gibt der Ge‐ meinde den Halt in Christus, dem Haupt der Gemeinde. Durch die Liebe als Fundament wird jede Arglist, jede Bosheit aus dem Verhalten und dem Handeln des Einzelnen verbannt (1982:190). Die Liebe muss sich, so Schnackenburg weiter, im Handeln bzw. im Leben der Gemeinde wi‐ derspiegeln und so wird also der Prozess des sich auch Christus Aus‐ richtens eingeleitet und die Gemeinde wächst damit in Glaube, Erkennt‐ nis, Einheit und Liebe auf Christus hin (1982:191). Auch Hans Hübner sieht hinter der Wahrheit die Liebe, die das Evangelium berichtet. In den Versen 12‐15 erkennt er einen Entwicklungsprozess auf das Ziel, das Hinwachsen auf Christus, wieder (1997:210‐211). Wie schon Schna‐ ckenburg zeigt auch Hübner auf, dass sich der Glaube bzw. die Liebe im Leben der Gemeinde zeigen muss (1997:211). Und aus diesem Glauben heraus zeigt sich der Unterschied im „Sein“ des Einzelnen (1997:212). Für Petr Pokorny zeigt sich das Offenbar‐Werden Gottes in ehrlichen und wahrhaftigen Beziehungen der Menschen untereinander (1992:182). Wachstum kommt daher aus der Sendung der Kirche und in Verankerung in Christus des Einzelnen (:182). Christus ist dabei gleich‐ zeitig das Ziel und die Quelle der Kirche und damit des Lebens des Ein‐ zelnen (Muddiman 2001:208). So bleibt das Zusammenleben von Wahr‐ heit und Liebe das zentrale Element des Verses, der entscheidende theo‐ logische, wie lebensnahe Veränderungen im Gemeindeleben beschreibt und darin einen Prozess des Gemeinde‐ bzw. persönlichen Wachstums aufzeigt. 3.4.3.3 Vers 16 ἐξ οὗ πᾶν τὸ σῶμα συναρμολογούμενον καὶ συμβιβαζόμενον διὰ πάσης ἁφῆς τῆς
5 Siehe Philipper 2,1‐11
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ἐπιχορηγίας κατʼ ἐνέργειαν ἐν μέτρῳ ἑνὸς ἑκάστου μέρους τὴν αὔξησιν τοῦ σώματος ποιεῖται εἰς οἰκοδομὴν ἑαυτοῦ ἐν ἀγάπῃ. Aus ihm wird der ganze Leib zusammengefügt und verbunden durch jedes der Unterstützung dienende Gelenk, entsprechend der Wirksam‐ keit nach dem Maß jedes einzelnen Teils; und so wirkt er das Wachstum des Leibes zu sei‐ ner Selbstauferbauung in Liebe.
Christus allein ist das verbindende Element der Gemeinde, der die ein‐ zelnen Teile zu einer Einheit, einer Gemeinschaft zusammenschweisst. Es geht dabei nicht um einen Zusammenschluss gleicher Elemente, son‐ dern um eine Gemeinschaft verschiedener begabter Menschen, die auf ihre Art und mit ihren Gaben in den Dienst in der Gemeinde treten. Wachstum durch Christus entsteht also dort, wo sich jeder mit den ihm geschenkten Fähigkeiten bereitwillig einbringen kann. Wo jeder seine „5 Brote und 2 Fische“ investiert, schenkt Christus Einheit und Wachstum. Dieses Wachstum geht allerdings weiter als nur in Bezug auf das Ge‐ meindewachstum. Es meint das persönliche Wachstum eines jeden Ein‐ zelnen auf Christus hin. Wo jeder in seiner Beziehung zu Christus wächst, verändert sich also auch das Gemeindewesen. Dieses persönli‐ che Wachstum findet in der Liebe statt und die Liebe wächst so im Le‐ ben des Einzelnen weiter. Und im umgekehrten Sinne dient das „Wachs‐ tum des Leibes“ zur „Selbstauferbauung in Liebe“ jedes einzelnen Ge‐ meindegliedes. Wieder finden wir das Bild des Leibes und die dominie‐ rende Stellung Christi als das Haupt der Gemeinde. Die Leitung der Ge‐ meinde kommt also aus Christus heraus (1982:191). Christus ist derje‐ nige, der seinen Leib durch die Gelenke in Bewegung bringt und ihn auf‐ stellt (:192). Diese dadurch entscheidende Rolle Christi für die Gemein‐ deentwicklung soll hier nochmals verdeutlicht werden: Von Christus her vollbringt er sein Wachstum zum Aufbau seiner selbst „in Liebe“. Der Auf‐ bau kann nur in dem Masse gelingen, als alle Teile, Leitende und übrige Gläubige, einträch‐ tig, in Liebe zusammenwirken. (:193)
Also ist die Liebe wieder das Zentrum des Gemeindelebens aber auch des Gemeindewachstums. So ist verbindet Paulus in diesem Vers einmal mehr die Liebe mit der Person und der Tat Christi, die die Gemeinde und damit jeden Gläubigen „aufbaut“ und sich entwickeln lässt. Nur wenn der Leib als ganzes wächst, so Calvin, kann man von „gutem“ Wachstum
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sprechen, das wiederum füreinander wirksam ist, also für jeden Einzel‐ nen gilt (1963:171). Durch das innere Wachstum auf Christus hin wird die Kirche zum Instrument der Herrschaft Christi in der Welt und wird sowohl nach innen als auch nach aussen wachsen (Pokorny 1992:183‐ 184).
3.4.4 Schlussfolgerungen aus Epheser 4,11-16 Die fünf Dienste sind Christi Geschenk für seine Kirche und dienen der Zurüstung und Vervollkommnung zuerst des Einzelnen in seiner Nach‐ folge und damit auch der Kirche als Ganzes. Der Einzelne Christ gelangt durch diese Dienste zu persönlichem Wachstum und entwickelt durch sie geistliche Reife (Muddiman 2001:204f). Dieses Wachstum des Ein‐ zelnen bedeutet auch Wachstum der gesamten Kirche. Nachfolge bedeu‐ tet daher ein Leben in praktischer Jüngerschaft durch die fünf Dienste. Paulus beschreibt die „volle Mannesreife“ als Ziel des geistlichen und persönlichen Werdegangs der einzelnen Glieder und damit der Kirche als Leib Christi (Schnackenburg 1982:188). Im Gegensatz dazu zeigt sich Unmündigkeit in unreifem, kindhaftem Verhalten, welches sich durch falsche Lehren und Anfechtungen vom Ziel ablenken lässt (Best 1998:403). Paulus betont daher, wie eine ver‐ änderte Herzenshaltung durch Jesu Wirken beim Einzelnen die Mündig‐ keit fördert und entwickelt. Aus dieser Verbindung mit Christus entsteht mündige Nachfolge. Der Aufbau des Leibes Christi ist Sache aller Chris‐ ten und deshalb beginnt Wachstum beim Einzelnen und seiner Identität (Pokorny 1992:175). Die fünf Dienste dürfen nicht nur als Ämter einzel‐ ner Begabter gesehen werden, sondern beschreiben vielmehr die Ver‐ antwortung aller Glieder, diese Dienst zu fördern und aktiv als Teil der Jüngerschaft zu leben.
3.5 Schlussfolgerungen aus der exegetischen Arbeit Nach der Exegese der ausgewählten Texte aus den Briefen des Apostels Paulus soll nun die Bedeutung der Mündigkeit für die missionale Identi‐ tät in mehreren Thesen beschrieben werden: These 1: In der Gnade, die in Jesus Christus der Welt begegnet, wer den die Gläubigen zur Mündigkeit berufen und erhalten eine neue Leonardo Iantorno
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Identität als Kinder Gottes. Die Menschen sind aus der Sklaverei des Gesetzes befreit und zu einem mündigen Leben aus dem Heiligen Geist befreit. Die Befreiung aus der Sklaverei der Sünde sowie des Gesetzes ermög‐ licht eine neue Lebensrealität. Paulus zeigt gleichzeitig auf, wie wichtig es ist, dieses neue Leben, diese neue Identität nicht als neue Sklaverei, sondern in Mündigkeit zu leben. Der Heilige Geist ist der Vermittler bzw. die Bindung zwischen dem mündigen Christen und Gott selbst. These 2: Diese Mündigkeit, wie Paulus sie beschreibt, kann jedoch durch neue Sklaverei verloren werden. Es ist eine Entscheidung, die se Mündigkeit anzunehmen und die neue Identität in Christus zu le ben. Diese Entscheidung fordert die Aufgabe allen Kindhaftens hin zur vollen Reife einer mündigen Nachfolge. Der Mensch kann sich für oder gegen ein Leben in der Mündigkeit als Nachfolger Jesu entscheiden. Auch nachdem die Entscheidung das erste Mal gefallen ist, kann man sich dennoch in die Unmündigkeit zurückbe‐ geben. Die neue Identität in Christus entwickelt sich aus einem mündi‐ gen Lebensstil, der sich nach Reife ausstreckt. Paulus betont also, wie Mündigkeit und die neue Identität in der Nachfolge untrennbar mitein‐ ander verbunden sind. These 3: Reife und Mündigkeit sind für Paulus die Voraussetzung, um die Rede von Gottes Weisheit verstehen und anwenden zu können. Glaube und Hoffnung werden in einem mündigen Leben in der geleb ten Liebe des Einzelnen deutlich sichtbar. Die Umsetzung dieser neu erworbenen Reife zeigt sich in der prakti‐ schen Liebe, die aus dem Glauben und der Hoffnung kommt. Die neue Identität hat Auswirkungen auf das alltägliche Leben eines jeden Chris‐ ten und macht ihn durch die erworbene Reife zum Zeugen für Christus. These 4: Der fünffältige Dienst dient der Zurüstung sowie der Ent wicklung der Kirche. Der einzelne Christ erlebt Zurüstung für sein alltägliches Leben. Das Wachstum der Glieder führt zu einem Wachs tum der gesamten Kirche. Es geht demnach weniger um Ämter, als um Dienste, welche von allen Gliedern gelebt werden sollen, um Jüngerschaft zu fördern. Aus dieser persönlichen Jüngerschaft und Verantwortung für die Umsetzung der Leonardo Iantorno
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fünf Dienste in der Kirche wächst der Leib Christi nach innen und aus‐ sen.
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4. PRAKTISCH-THEOLOGISCHE BEWERTUNG DER RESULTATE UND THESEN 4.1 Allgemeine Erkenntnisse aus der Literaturanalyse und der exegetischen Arbeit Anhand der Literaturanalyse wird deutlich, wie die missionale Identität in erster Linie im Leben des Einzelnen und seiner persönlichen Nachfol‐ ge Jesu beginnt. Der postmoderne Paradigmenwechsel, den die Kirche anstreben muss, um neue Relevanz für die Menschen zu erhalten, hat seinen Ursprung nicht auf struktureller oder methodischer Ebene. Viel‐ mehr ist die Jüngerschaft der einzelnen Kirchenglieder entscheidend für eine ganzheitliche Veränderung innerhalb der Kirche. Die missionale Identität beschreibt dabei das neue Bewusstsein sowie die Gewissheit des Christen, in Jesus Christus gegründet zu sein. In seinem Vorbild ist der Einzelne dazu berufen, innerhalb seines kulturellen Kontextes Zeuge des Evangeliums zu sein. Die missionale Identität beruft und befähigt den Einzelnen, Verantwortung für seinen Kontext und die Menschen darin zu übernehmen. Es geht hier nicht um neue Missionsmethoden, sondern eine innere Bereitschaft zur Auseinandersetzung mit der (postmodernen) Kultur. Gottes Mission ist die Mission der Christen und damit auch der Kirche. Diese missio Dei beschreibt die Sendung der Kir‐ che in ihren Kontext hinein. Die Kirche ist dazu aufgefordert, das Evan‐ gelium für die Menschen in der Postmoderne zu übersetzen und es vor‐ zuleben 6 . Dies geschieht nicht durch Strukturen oder postmoderne Ge‐ meindebaumethoden, sondern vielmehr durch das Leben und Zeugnis der Christen in ihrem persönlichen Umfeld. Ein solcher Lebensstil in‐ karniert die Botschaft des Evangeliums in das alltägliche Leben. Grund‐ lage eines missionalen, inkarnatorischen Lebensstils ist das Vorbild Jesu Christi. Aus einer neutestamentlichen Christologie entwickelt sich erst ein neues Verständnis für Mission und Jüngerschaft. Aus dieser verän‐
6 Vgl. insbesondere 2.4.3
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derten Sicht wird sich eine postmoderne Ekklesiologie entwickeln, die innerhalb ihrer Kultur Kirche baut 7 . Die Ergebnisse der Exegese zeigen auf, wie Paulus in seinen Briefen die Christen zu einem mündigen Leben in der Nachfolge Christi gerufen hat 8 . Aus der Befreiung aus der Sklaverei des Gesetzes hin zur Freiheit in Christus erhält der Gläubige eine neue, göttliche Identität als Erbe Gottes 9 . Die Menschen sind aus der Sklaverei zur Mündigkeit hin beru‐ fen. Um diese neue Identität in Christus annehmen zu können, verlangt Paulus sowohl von den Galatern, als auch von den Korinthern ein Leben in Mündigkeit und geistlicher Reife 10 . Glaube und Hoffnung werden in der Liebe zu den Menschen deutlich (siehe 1 Kor 13,13). Der Einzelne lebt aus Glaube und Hoffnung heraus und ist durch sie zu einem mündi‐ gen Leben in der Liebe zu den Menschen gerufen. Der fünffältige Dienst aus Epheser 4,11‐16 darf deshalb nicht ausschliesslich als Ämterbe‐ zeichnung für die Leitung der Kirche verstanden werden, sondern dient der Kirche vielmehr dazu, dass die einzelnen Glieder für ihre Nachfolge ausgerüstet werden. Der Einzelne wird in die Verantwortung für die Umsetzung der fünf Dienste genommen, die der Kirche Halt geben und das Wachstum ermöglichen 11 .
4.2 Missionale Identität: Eine Definition Was genau ist nun die missionale Identität? In erster Linie beschreibt die missionale Identität ein Leben unter der Herrschaft und in der Gna‐ de Jesu. Durch die Entscheidung für den Glauben an das Opfer Jesu er‐ hält der Christ eine neue Identität, die ihn zu einem inkarnatorischen Lebensstil ruft. missionale Identität bezeichnet also das neue Leben als Erbe Gottes und die Sendung durch die missio Dei in den kulturellen Kontext. Die Mündigkeit, wie Paulus sie betont, ist ein entscheidender Faktor, um diese Identität annehmen zu können. Aus der Literaturana‐ 7 Vgl. insbesondere 2.3.3.4 (siehe Abbildung 5) und 2.3.4.3 8 Vgl. insbesondere 3.5 9 Vgl. insbesondere 3.2.3 10 Vgl. insbesondere 3.2 und 3.3 11 Vgl. insbesondere 3.4
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lyse lässt sich eine Verbindung zwischen der Identität bei Paulus und der missionalen Identität, wie Hirsch und Frost sie beispielsweise be‐ schreiben, erkennen. Nur ein mündiger Erbe kann auch Verantwortung für Gottes Auftrag für die Kirche übernehmen und sich einen missiona‐ len, inkarnatorischen Lebensstil aneignen.
4.3 Mündigkeit als Grundlage der missionalen Identität Mündigkeit definiert Paulus in der Umkehr vom kindhaften Verhalten, hin zur „vollen Mannesreife“ und damit zur neuen Identität, die Gott den Menschen in Jesus Christus ermöglicht. Mündigkeit beschreibt in erster Linie den Prozess des Erwachsenwerdens besonders auch in der Ent‐ wicklung des persönlichen Glaubens. Durch diese Mündigkeit, die Pau‐ lus beschreibt, kann der Einzelne erst die neue Identität in Christus an‐ nehmen. Mündige Nachfolge verlangt die Bereitschaft, die Verantwor‐ tung nicht nur für sich selbst, sondern für den kulturellen Kontext und die Menschen im persönlichen Umfeld. In den analysierten Paulustexten wird deutlich, wie das Erreichen der Mündigkeit als Erben Gottes zur missionalen Identität führt. Diese Reife und Mündigkeit sind in den Au‐ gen des Apostels die Grundvoraussetzungen, um die eigene Identität auszuleben, die in der untersuchten Literatur als missionale Identität beschrieben wird.
4.4 Schlussfolgerungen und Thesen Abschliessend sollen nun allgemeine Erkenntnisse sowie Schlussfolge‐ rungen und Thesen zum Thema „Missionale Identität“ und die Bedeu‐ tung der Mündigkeit bei Paulus für die missionale Identität formuliert werden: These 1: Die missionale Identität legt den Grundstein für den Para digmenwechsel innerhalb der Kirche. Die persönliche Jüngerschaft und Nachfolge des einzelnen Christen verändern die Kirche als Gan zes. Aus der persönlichen Veränderung heraus kann der Einzelne die missio Dei neu entdecken und in seinem kulturellen Umfeld ausleben. Dadurch wandelt sich auch die Kirche als Leib Christi und gewinnt an Relevanz im Leben der Menschen. Paulus betont die Bedeutung der Mündigkeit für die neue Identität in Jesus Christus. Leonardo Iantorno
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Der notwendige Paradigmenwechsel der Kirche in der Postmoderne hängt nicht von neuen Methoden oder Strukturen für den Gemeindeauf‐ bau ab, sondern vielmehr von der Identität ihrer Glieder. Damit wird die Rolle des einzelnen Christen für sein Lebensumfeld besonders wichtig. Die Kirche kann sich erst dann verändern, wenn sie im Bereich der Jün‐ gerschaft bereit ist, mehr Verantwortung an ihre Glieder zu übergeben. Erst aus einem mündigen Lebensstil wird die neue Identität aus der Gnade Jesu Christi angenommen und ein Leben aus dem Heiligen Geist möglich 12 . These 2: Die missionale Identität findet ihr Praxisfeld in den ver schiedenen Ebenen im persönlichen Alltag. Auf allen Ebenen des menschlichen Lebens wird sich die missionale Identität durchsetzen. Sie bewirkt ein Leben aus der Gnade, das Zeugnis für die Menschen ablegt. Diese Identität ist also der entscheidende Faktor für den Pa radigmenwechsel der Kirche in der Postmoderne. Aus der neu er worbenen Reife und Mündigkeit kann der Einzelne die missio Die ausleben, indem er das Evangelium durch einen inkarnatorischen Lebensstil in den kulturellen Kontext übersetzt. Nicht mehr die Programme der Kirche, sondern vielmehr die Bezie‐ hungsnetzwerke ihrer Glieder werden für die Kirche in der Postmoder‐ ne entscheidende Aktionsfelder sein. Die Kirche ist dort, wo ihre Mit‐ glieder Zeugnis für das Evangelium sind. Ein solcher Lebensstil kann erst dann gelebt werden, wenn die Menschen ihre missionale Identität kennen. These 3: Paulus betont die Bedeutung der Mündigkeit für eine leben dige Nachfolge. Jeder Christ trägt die missionale Identität in sich. Sie kann jedoch erst durch das Wahrnehmen der Mündigkeit angenom men werden. Die Mündigkeit, wie sie Paulus unterstreicht, ist damit für das Entdecken der missionalen Identität von zentraler Bedeu tung. Erst aus einem mündigen Leben in der Nachfolge kann das ganze Ausmass der missionalen Identität ausgelebt werden. Die missionale Identität ist keine neue Entdeckung, sie liegt vielmehr in jedem Menschen verborgen und bereits der Apostel Paulus betont, wie 12 Vgl. insbesondere 3.5 (These 1)
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wichtig es ist, diese auch anzunehmen und danach zu leben. Die Bedeu‐ tung der Mündigkeit für die eigene Identität muss hier hervorgehoben werden. Erst eine mündige Nachfolge führt für Paulus zu einem mündi‐ gen Zeugnis für das Evangelium. Die Forschungsfrage, welche Bedeutung die Mündigkeit des Einzelnen für die missionale Identität der Kirche hat, kann anhand der Ergebnisse folgendermassen beantwortet werden: Die missionale Identität des Einzelnen hängt entscheidend von der Bereitschaft jedes Gemein degliedes ab, ein Leben in der Mündigkeit zu leben. Diese Mündig keit ist für das Entdecken der missionalen Identität grundlegend. Der Weg zur Mündigkeit führt zu einer ganzheitlichen und proakti ven Jüngerschaft innerhalb des kulturellen Kontextes der Kirche. Damit verändert sich nicht der Einzelne, sondern vielmehr die Kir che als Leib Christi.
4.5 Schlussbemerkungen In der vorliegenden MA Abschlussarbeit konnte die Forschungsfrage nach der Bedeutung der Mündigkeit des Einzelnen für die missionale Identität der Kirche in der postmodernen Kultur anhand der Ergebnisse aus Literaturanalyse und Exegese beantwortet werden. Eine ausführli‐ che Auseinandersetzung mit dem Gesamtwerk des Apostels Paulus war im Rahmen dieser Arbeit nicht möglich. Dennoch zeigt sich, wie wichtig es Paulus war, die Gemeinden zur Mündigkeit zu rufen, um ihre missio‐ nale Identität zu entdecken. Die Ergebnisse dieser Forschungsarbeit könnten in einer empirischen Studie über die Auswirkungen eines mündigen und missionalen Lebens‐ stils vertieft bzw. weitergeführt werden. Des Weiteren wäre eine aus‐ führliche Studie sowohl in den paulinischen Briefen, als auch in den Evangelien zur Frage nach der Bedeutung der Mündigkeit im neutesta‐ mentlichen Kontext wünschenswert. Im Gespräch mit mehreren Ge‐ meindeleitern in der Schweiz habe ich viele interessante Ansätze aufge‐ nommen, wie die Menschen in den Kirchen zur Mündigkeit und damit zur missionalen Identität gefördert werden könnten. Es wäre daher notwendig zu untersuchen, inwieweit bereits bestehende Ansätze in der Schweiz erfolgreich sind und welche Möglichkeiten noch ungenutzt sind. Die praktischen Ansätze in 2.4 sollen der Kirche als Inspiration dienen. Leonardo Iantorno
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Allerdings ist jeder Einzelne dazu berufen, eigene praktische Ansätze für eine lebendige missionale Identität in seinem jeweiligen Kontext zu entwickeln, da es hier kein universales Konzept gibt. Ich schliesse meine Arbeit mit einem Zitat von Franz von Assisi ab, das die Bedeutung der eigenen Identität in Christus und der Mündigkeit für die Mission ver‐ deutlicht: „Predige das Evangelium zu jeder Zeit, und wenn nötig, benutze Worte“.
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5. BIBLIOGRAPHIE 5.1 Bibeln Elberfelder Bibel rev. Fassung 1985/1991. 9. Aufl. 1997. Wuppertal: R. Brockhaus Verlag Nestle‐Aland 1979. Novum Testamentum Graece. 26. bearbeitete Auflage. Stuttgart: Deutsche Bibelgesellschaft
5.2 Bücher Bell, Rob 2006. Jesus unplugged. Authentisch gelebtes Christsein der heu tigen Generation im 21. Jahrhundert. Giessen: Brunnen Verlag Bosch, David J. 1991. Transforming Mission. Paradigm Shifts in Theology of Mission. 23. Auflage 2007. Maryknoll, NY: Orbis Books Bosch, David J. 1995. An die Zukunft glauben. Auf dem Wege zu einer Mis sionstheologie für die westliche Kultur. Weltmission heute Nr. 24. 2. Aufl. 1997. Hamburg: Evangelisches Missionswerk in Deutschland Claiborne, Shane 2007. Ich muss verrückt sein, so zu leben. Kompromiss lose Experimente in Sachen Nächstenliebe. Giessen: Brunnen Verlag Esselborn‐Krumbiegel, Helga 2002. Von der Idee zum Text. Eine Anlei tung zum wissenschaftlichen Schreiben. 2. durchgesehene Ausgabe 2004. Paderborn: Verlag Ferdinand Schöningh GmbH Faix, Tobias & Weissenborn, Thomas (Hrsg.) 2007. Zeitgeist. Kultur und Evangelium in der Postmoderne. Marburg an der Lahn: Verlag der Francke‐Buchhandlung GmbH Frost, Michael & Hirsch Alan 2003. The Shaping of Things to Come. Inno vation and Mission for the 21stCentury Church. Peabody, MS: Hen‐ drickson Publishers Frost, Michael 2006. Exiles: Living missionally in a Postmodern Culture. Peabody, MS: Hendrickson Publishers Guder, Darrell L. (Hg.) 1998. missional Church: A Vision for the Sending of the Church in North America: The People of God Sent on a Mission (Gospel & Our Culture). William B Eerdman Co Hirsch, Alan 2006. The Forgotten Ways. Reacrivating the missional Church. 5. Auflage 2007. Grand Rapids: Brazos Press Leonardo Iantorno
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5.3 Kommentare 5.3.1 Kommentare zum Galaterbrief Beer, Theobald & von Stockhausen, Alma (Hrsg.) 1998. Erklärungen Martin Luthers zum Brief des hl. Paulus an die Galater. 1. Aufl. 1998. Nördlingen: Druckerei & Verlag Steinmeier Betz, Hans Dieter 1988. Der Galaterbrief. Ein Kommentar zum Brief des Apostels Paulus an die Gemeinden in Galatien. München: Chr. Kai‐ ser Verlag Bring, Ragnar 1968. Der Brief des Paulus an die Galater. Berlin: Lutheri‐ sches Verlagshaus Dunn, James D.G. 1993. The Epistle to the Galatians. Band 6. Black’s New Testament Commentaries. 15 Bände. London: A & C Black Publish‐ ers Limited Edwards, Mark J. (Hrsg.) 1999. Ancient Christian commentary on Scrip ture. Galatians, Ephesians, Philippians. Downers Grove, Illinois: InterVarsity Press Lührmann, Dieter 2001. Zürcher Bibelkommentare. Der Brief an die Gala ter. Ed. 3. Zürich: Theologischer Verlag Meissner, Martin 2007. Novum Testamentum Patristicum. Galater. Bd. 9. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht Mussner, Franz 1974. Der Galaterbrief. Band 9. Herders theologischer Kommentar zum Neuen Testament. 13 Bände. Freiburg i. B.: Verlag Herder KG Oepke, Albrecht 1984. Der Brief des Paulus an die Galater. Theologischer Handkommentar zum Neuen Testament. 5.Auflage. Berlin: Evan‐ gelische Verlagsanstalt Vouga, François 1998. Handbuch zum Neuen Testament. An die Galater. Bd. 10. Tübingen: Mohr Siebeck
5.3.2 Komment are zum Epheserbrief Best, Ernest 1998. The international critical commentary on the Holy Scriptures of the Old and New Testament. A critical and exegetical commentary on Ephesians. Edinburgh: Clark Calvin, Johannes 1963. Auslegung der Heiligen Schrift. Die kleinen pauli nischen Briefe. Bd. 17. Neukirchen‐Vluyn: Neukirchener Verlag
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Edwards, Mark J. (Hrsg.) 1999. Ancient Christian commentary on Scrip‐ ture. Galatians, Ephesians, Philippians. Downers Grove, Illinois: In‐ terVarsity Press Hübner, Hans 1997. An Philemon. An die Kolosser. An die Epheser. Hand buch zum Neuen Testament. Bd. 12. Tübingen: J.C.B. Mohr Siebeck Muddiman, John 2001. Black’s New Testament commentaries. A com‐ mentary on the Epistle on the Ephesians. London: Continuum Pokorny, Petr 1992. Theologischer Handkommentar zum Neuen Testa‐ ment. Der Brief des Paulus an die Epheser. Leipzig: Evangelische Verlagsanstalt Schnackenburg, Rudolf 1982. Der Brief an die Epheser. Evangelisch katholischer Kommentar zum Neuen Testament. Bd. 10. Zürich, Einsiedeln, Köln: Benzinger Verlag Schnackenburg, Rudolf 1982. Der Brief an die Epheser. Evangelisch katholischer Kommentar zum Neuen Testament. Bd. 10. 2. Auflage 2003. Zürich, Düsseldorf: Benzinger Verlag
5.3.3 Kommentare zum 1. Korintherbrief Fitzmyer, Joseph A. 2008. The Anchor Bible. First Corinthians : a new translation with introduction and commentary. New Haven: Yale University Press Kovacs, Judith L. 2005. The church’s Bible. 1. Corinthians: interpreted by early Christian commentators. Grand Rapids, Michigan: William B. Eerdmans Pub. Co. Kremer, Jacob 1997. Regensburger Neues Testament. Der Erste Brief an die Korinther. Regensburg: Pustet Lindemann, Andreas 2000. Handbuch zum Neuen Testament. Der erste Korintherbrief. Bd. 9.1. Tübingen: J.C.B. Mohr Siebeck Merklein, Helmut 1992. Ökumenischer Taschenbuchkommentar zum Neuen Testament. Der erste Brief an die Korinther. Bd. 7/1. Güters‐ loh: Gütersloher Verlagshaus Merklein, Helmut 2005. Ökumenischer Taschenbuchkommentar zum Neuen Testament. Der erste Brief an die Korinther. Bd. 7/3. Güters‐ loh: Gütersloher Verlagshaus Schnabel, Eckhard J. 2006. Historischtheologische Auslegung. Der erste Brief des Paulus an die Korinther. Wuppertal: R. Brockhaus
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Schrage, Wolfgang 1991. Evangelischkatholischer Kommentar zum Neu en Testament. Der erste Brief an die Korinther. Bd. 7/1. Zürich: Benziger Schrage, Wolfgang 1999. Evangelischkatholischer Kommentar zum Neu en Testament. Der erste Brief an die Korinther. Bd. 7/3. Zürich: Benziger Wolff, Christian 2000. Theologischer Handkommentar zum Neuen Testa ment. Der erste Brief des Paulus an die Korinther. Bd. 7. 2. verb. Auflage. Leipzig: Evangelische Verlagsanstalt
5.4 Lexika Burkhardt, H./Grünzweig, F./Laubach, F./Maier, G.1987. Das grosse Bi bellexikon. Bd. 2. 1. Taschenbuchauflage 1996. Wuppertal: R. Brockhaus Verlag, Giessen: Brunnen Verlag Fahlbusch, E. & Lochman, Jan M. & Mbiti, John & Pelikan Jaroslav & Vi‐ scher, Lukas (Hrsg.) 2003. R. Evangelisches Kirchenlexikon (EKL). CD‐ROM. Berlin: Directmedia Publishing GmbH Galling, Kurt (Hrsg.) 2004. Die Religion in Geschichte und Gegenwart. Handwörterbuch für Theologie und Religionswissenschaft. 2. elektronische Ausgabe der 3. Auflage. Berlin: Directmedia
5.5 Einleitungen zum NT & Umwelt und Zeitgeschich te des NT Hörster, Gerhard 1993. Bibelkunde und Einleitung zum Neuen Testament. 1. Taschenbuchaufl. 1998. Wuppertal: R. Brockhaus Verlag
5.6 Internetbe iträge & Artikel Albietz, Karl 2008. missionale Gemeinde in einem resignativen Umfeld. Festansprache der IGW Absolvierungsfeier 2008 Bischoff, Mike 2005. missional Church. IGW Periodical. Bd. 2. Ausgabe 1. Zürich: IGW International Faix, Tobias Dr. 2007. Glaube, der durch die Liebe tätig wird. Gesell schaftstransformation als Herausforderung für die Zukunft.
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ideaSchweiz l 13/2009
Theologiestudium mitten im Leben – missional und innovativ
Für den nächsten Schritt ausgebildet Wovon träumen Sie? Zieht es Sie zu einem Beruf wie Jugendarbeiter, Pastor, Zeltmacher, Evangelist, sozialdiakonischer Mitarbeiter, Streetworker, Pionier, Gemeindegründer, Missionar... und bis ans Ende der Welt? Oder haben Sie begabte jüngere Mitarbeiter in Ihren Reihen, die Sie gerne praxisbegleitend und «in house» zu vollzeitlichen Mitarbeitern ausbilden lassen möchten? Unsere beiden neuen Studiengänge «Bachelor of Arts» und «Bachelor of Theology» sind dafür massgeschneidert und wären genau das Richtige hierfür! Warum?
Zielgruppe Das Bachelor-Programm (BA) ist auf Personen ausgerichtet, die diese Ausbildung für einen vollzeitlichen Dienst in Gemeinde oder Mission absolvieren wollen und bereits in einer verbindlichen Mitarbeit in einer Gemeinde oder einem Missionswerk stehen: angehende Jugendarbeiter, Gemeindeleiter, Pastoren, sozialdiakonische Mitarbeiter, Missionare u. ä.
Zielsetzung Die Studierenden erwerben in diesen 4- bis 6-jährigen theologischen Ausbildungen berufsMichael qualifizierende Girgis Kompetenzen in den grundlegenden theologischen Fächern sowie wertvolle praktische Erfahrungen. (Eine Ausnahme bildet der 1-jährige Studiengang igw. network, der als Ausbildung für eine ehrenamtliche Tätigkeit angelegt ist.)
Tätigkeiten unserer Absolventen 75 % unserer bisher insgesamt 173 Absolventen (Bachelor-Programm seit 1996) arbeiten heute in einem solchen vollzeitlichen leitenden Dienst, und zwar v. a. in folgenden Berufen: • Gemeindeleiter • Pastor • Jugendpastor • Mitarbeiter in Missionswerk • sozialdiakonischer Mitarbeiter • Jugendarbeiter
Die 7 Pluspunkte von IGW 1. fundierte theologische Ausbildung 2. innovatives Ausbildungskonzept – studienbegleitende Praxis 3. einzigartige Kombination von Theorie, Praxis und Persönlichkeitsentwicklung 4. ganzheitliche Ausbildung 5. mitten im Leben 6. modular und massgeschneidert 7. anerkannte Abschlüsse Auf www.igw.edu kann die ausformulierte Version dieser 7 Punkte heruntergeladen oder per E-Mail an
[email protected] bestellt werden.
IGW ist eduQua-zertifiziert! Mit dem eduQua-Zertifikat erhält IGW das wichtigste und bedeutendste schweizerische Qualitätszertifikat für Aus- und Weiterbildungsinstitutionen. Das eduQua-Zertifikat bescheinigt IGW ein zeitgemässes, hochstehendes sowie praxisrelevantes Angebot. Die Zertifizierung erfolgt durch die Schweizerische Vereinigung für Qualität und ManagementSysteme (SQS).
Studiengänge und Angebote
Ausgezeichnete Qualität Unsere über 150 Studierenden im Bachelor-Programm, die uns zur grössten theologischen Ausbildungsstätte im deutschsprachigen Europa machen, irren sich nicht. Unsere Ausbildung hält, was sie verspricht. Das kürzlich erhaltene eduQuaZertifikat bescheinigt IGW ein zeitgemässes, hochstehendes und praxisrelevantes Angebot (siehe Kasten). Überzeugen Sie sich vor Ort an einem Schnuppertag. Wir freuen uns auf Sie und/oder Ihren Leiternachwuchs! Michael Girgis, Co-Rektor IGW
Weiterbildung (MA) Gerade in Zeiten der Veränderung ist lebenslange Weiterbildung wichtig: praxisrelevantes, theologisches Forschen, spannende Kurse, aktuelle Literatur und Einbezug der eigenen Praxis bilden die Grundlage unserer berufsbegleitenden Weiterbildung.
Fernstudium fundierte biblische Ausbildung für ehrenamtliche Mitarbeitende mit massgeschneidertem, individuellem Studienprogramm aus Präsenz- und Fernkursen.
Kursbesuch als Gasthörer IGW bietet eine grosse Vielfalt von Kursen und Seminaren an, die auch Hörerinnen und Hörer besuchen können. Eine ideale Gelegenheit, um IGW-Luft zu schnuppern oder zu interessanten Konditionen von kompetenten Referenten zu profitieren. Die Kursliste ist online einsehbar, unter «Kurse».
Downloads (NEU!)
Die Studienangebote im Bereich Ausbildung (Bachelor) Studiengang Bachelor of Arts (BA)
Studiengang Master of Theology (BTh-MTh)
Dauer: 4 Jahre Voraussetzung: abgeschlossene Berufslehre Credits: 180 C. (ECTS) Abschluss: Bachelor of Arts (BA) Nach Abschluss kann im MAStudiengang weiter studiert werden.
Dauer: 6 Jahre Voraussetzung: Matura/Abitur oder Berufsmatur plus «Passerelle» Credits: 300 C. (ECTS) Abschluss: Bachelor of Theology (BTh) und anschliessend Master of Theology (MTh)
Studiengang igw.network Dauer: 1 Jahr Voraussetzung: abgeschlossene Berufslehre Credits: 30 C. (ECTS) Abschluss: igw.network-Zertifikat Nach Abschluss kann in das zweite Jahr des BA-Studienganges eingestiegen werden.
Abschlussarbeiten, Handouts, Magazine und Artikel stehen in unserem Downloadbereich kostenlos zur Verfügung.
1991 gegründet, über 340 immatrikulierte Studierende. www.igw.edu (CH) oder www.de.igw.edu (DE).
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ideaSchweiz l 09/2008
Umsetzung der grossen Studienreform
Neue Lernfelder bei IGW Mit grundlegenden Neuerungen richtet IGW sich noch stärker auf sein Hauptziel aus, Menschen umfassend für ihren Dienst auszubilden. IGW hat die grosse europäische Bildungsreform zum Anlass genommen, sein Ausbildungskonzept grundsätzlich zu überarbeiten und sich, so Co-Rektor Michael Girgis, «noch einmal neu zu erfinden.» Zum Start des Studienjahres im September 07 wurden daher teilweise tiefgreifende Neuerungen lanciert. So orientiert sich das Bachelor-Programm (BA), das Männer und Frauen in 4 Jahren für ihren Dienst in Gemeinden oder christlichen Werken ausbildet, neu an drei «Lernfeldern»: Theorie, Praxis und Praxisbegleitung. Theorie deckt ab, was man gemeinhin unter schulischer Aus-
bildung versteht: Hier wird auf allen Gebieten der Theologie das für den Dienst notwendige Fachwissen vermittelt. Die Michael Praxis, bei IGW Girgis immer schon ein wichtiges Ausbildungselement, wird noch stärker in den Studiengang eingebunden, so dass im praktischen Dienst erworbene Kompetenzen dem Studium nun angerechnet werden können. Im Bereich Praxisbegleitung schliesslich werden in neu entwickelten Kursmodulen die grossen Ausbildungsthemen Persönlichkeitsentwicklung und Jüngerschaft über die gesamten 4 Jahre des Studiums vertieft. Ausführliche Informationen zur grossen Studienreform finden Sie auf www.igw.edu ➝ Ausbildung ➝ Studienreform 2010. Cla Gleiser, Studienleiter IGW
Neue Fachrichtung bei IGW
Studiengang Missionale Theologie Der Ruf nach qualifizierten und missionarischen Fachkräften in Werken, Gemeindeverbänden und Missionsgesellschaften wird immer lauter. Spürbar ist vor allem der Mangel an klassischen Evangelisten. Für den Dienst an Bevölkerungsgruppen aus orientalischen bzw. überseeischen Ländern werden auch Inlandmissionare gesucht. Gerade die Ausbildung zum Missionsdienst unter Moslems wird zunehmend an Wichtigkeit gewinnen. IGW stellt sich diesen neuen Herausforderungen und rüstet Menschen zum Dienst aus – nicht nur für die bisherigen klassischen Missionsländern, sondern gerade auch für das europäische Umfeld. Aus diesem Grund erweitert IGW sein Angebot an Fachrichtungen auf BA-Niveau: Neben Theologie (Schwerpunkt systematische Illustration: www.gleiser.ch
und biblische Fächer), praktischer Theologie, Missiologie und Sozialdiakonie steht IGWStudenten ab September 2008 ein Studiengang in missionaler Theologie offen. Die neue Fachrichtung hat folgende Schwerpunkte:
1. Evangelisation im nachchristlichen Europa Seit einigen Jahren fehlen zunehmend Evangelisten für Gemeinden und spezielle übergemeindliche Anlässe. Wir sind überzeugt, dass dieser Dienst für die Zukunft wieder verstärkt gefragt sein wird. IGW wird sich vermehrt für die Gewinnung und Ausbildung von Menschen einsetzen, die in diesem Dienst ihre Zukunft sehen.
2. Gemeindegründung und Gemeindebau Europa ist zum klassischen Missionskontinent geworden. Damit gewinnt die Thematik «Mission»
Relevanz für Gemeindebau und Evangelisation in unserer Gesellschaft. Die Ausbildung bei IGW vermittelt zuHelmut künftigen PionieKuhn ren und Gemeindegründern in diesen Bereichen Fachkompetenz und Perspektive.
3. Transkulturelle Mission Mission findet vor unserer eigenen Haustüre statt. Religionen und Weltanschauungen aus verschiedenen Kulturen prägen unsere Gesellschaft. Gerade der Dienst unter Moslems wird an Wichtigkeit zunehmen. IGW wird Studierende befähigen, das Evangelium in einer multikulturellen Gesellschaft weiterzugeben. Dabei sucht das Institut bewusst die Zusammenarbeit mit evangelistisch und missionarisch tätigen Partnern. Helmut Kuhn, Direktor EE
Studiengang Bachelor of Arts (BA) Ziel: vollzeitlicher Dienst in Gemeinde oder Mission Voraussetzung: abgeschlossene Berufslehre Dauer: 4 Jahre (180 Credits)
Studiengang Master of Theology (BTh-MTh) Ziel: vollzeitlicher Dienst in Gemeinde oder Mission Voraussetzung: Matura/Abitur Dauer: 5 Jahre (300 Credits)
Studiengang igw.network Ziel: ehrenamtliche Mitarbeit in der Gemeinde Voraussetzung: abgeschlossene Berufslehre Dauer: 1 Jahr (30 Credits) mit Anschlussmöglichkeit an BA oder BTh-MTh www.igw.edu