Demokratie in der Schule: Analyse, Alternativen, Ausblick
Besondere Lernleistung von Erik Rolf Tuchtfeld
Goethe-Gymnasium Kassel Prüferin: Dagmar Louran-Pergantis vorgelegt am 22. März 2013
Demokratie in der Schule: Analyse, Alternativen, Ausblick
Besondere Lernleistung von Erik Rolf Tuchtfeld
Goethe-Gymnasium Kassel
Prüferin: Dagmar Louran-Pergantis vorgelegt am 22. März 2013
Lizenzierung: Dieses Werk steht unter der CC-by-sa-Lizenz. Im Wesentlichen bedeutet dies, dass die Arbeit weitergegeben und vervielfältigt werden kann, so lange dabei auf den Autor verwiesen wird. Sollte auf Grundlage dieser Arbeit eine weitere Arbeit geschaffen werden, muss diese außerdem unter eine vergleichbare Lizenz gestellt werden. Schriftarten: Von dieser Arbeit stehen zwei Fassungen zu Verfügung, beide sind inhaltlich komplett gleich. Die eine ist jedoch in Arial geschrieben, die andere in OpenDyslexic. OpenDyslexic ist eine Schriftart, die Legasthenikern das Lesen der Arbeit deutlich erleichtert. Verwendete Programme: Bei der Erstellung dieser Arbeit wurde ausschließlich freie Software verwendet. Im Wesentlichen waren das folgende Programme: Ubuntu - Betriebssystem Firefox - Internetbrowser LibreOffice Writer - Schreibprogramm Evince - PDF Dokument-Betrachter Impressum/Autor: Erik Tuchtfeld www.erik-tuchtfeld.de Kassel, im März 2013
Inhaltsverzeichnis 1. Vorwort.........................................................................................................2 2. Schulische Demokratie..............................................................................4 2.1
Die Frage nach dem Sinn und Zweck innerschulischer
Demokratie....................................................................................................4 2.2
Verschiedene Formen von Demokratie in der Schule..................6
3. Analyse der gegenwärtige Situation.......................................................8 3.1
Regelsituation an hessischen Schulen............................................8
3.2
Exemplarische Analyse der Situation am Goethe-Gymnasium
Kassel............................................................................................................10 3.3
Regelsituation in anderen Bundesländern....................................14
4. Alternative Konzepte innerschulischer Demokratie..........................16 4.1
Beispiele demokratischer Konzepte an staatlichen Schulen....16
4.1.1
Feedback in der Schule – Fontane-Gymnasium Rangsdorf16
4.1.2
Schule als Staat – Elly-Heuss-Knapp-Gymnasium Heilbronn
...................................................................................................................18 4.2
Konzepte von Gewerkschaften und Interessenvertretungen...19
4.3
Modellschulen mit besonderen Beteiligungsformen...................21
4.3.1
Ein Radikalmodell - Summerhill School..................................21
4.3.2
Ein Kompromiss – Odenwaldschule........................................24
5. Ausblick.......................................................................................................28 5.1
Aktuelle politische Entwicklungen.................................................28
5.2
Mögliche Veränderungen an Regelschulen...................................31
5.2.1
Aufwand/Nutzen-Vergleich möglicher Neuerungen.............31
6. Fazit.............................................................................................................33 Quellen- und Literaturverzeichnis...............................................................37 Anhang..............................................................................................................42 Selbstständigkeitserklärung.........................................................................76
1.
Vorwort
Demokratie, Mitbestimmung, Partizipation sind Schlagwörter, die mich spätestens seit der 10. Klasse, in der ich erstmals zum Schulsprecher gewählt wurde, ständig begleiten. In den vergangen vier Jahren bin ich vielen
verschiedenen
Menschen
begegnet,
die
aus
vollkommen
unterschiedlichen Motivationen, auch mit sehr unterschiedlichen Mitteln, versuchen, sich zu engagieren und Veränderungen zu bewirken. Von Schüler/innen, die einfach nur eine gelungene Abendveranstaltung an der eigenen Schule durchführen wollen, über Parkplatzprobleme vor den Schulen der Stadt Kassel bis zur Diskussion, ob G8 oder G9 das bessere System
sei,
bin
ich
auf
den
unterschiedlichen
Ebenen
von
Schülervertretung ganz unterschiedlichen Sachverhalten begegnet. Unabhängig von der spezifischen Thematik bemängeln Schüler/innen aber in der Regel, dass sie zu wenig Einflussmöglichkeiten hätten, dass sie
sich
nicht
ernst
genommen
fühlen
in
ihren
Wünschen
und
Vorschlägen. Auch ich selbst kenne dieses Gefühl gut und fand es deshalb
spannend,
mich
einmal
wirklich
intensiv
mit
der
Frage
auseinanderzusetzen, welchen Sinn und Zweck demokratische Elemente in der Schule überhaupt haben und welche unterschiedlichen Modelle es bezüglich der Partizipation von Schüler/innen gibt. Im Laufe des letzten Dreivierteljahres ist mir klar geworden, wie eindimensional ich schulische Demokratie bisher verstand. Demokratie bedeutet im Kontext der Schule vielmehr als nur die Frage, welche Entscheidungen von welchem Gremium getroffenen werden. Die Frage ist viel eher, inwieweit Schüler/innen ihre Alltagsumgebung mitgestalten können und die Möglichkeit haben, Bestehendes zu kritisieren sowie Veränderungen anzustoßen. Besonders danken möchte ich an dieser Stelle der Odenwaldschule für die Möglichkeit einer dreitägigen Hospitation. Ich habe mich sehr wohl dort gefühlt und hatte den Eindruck, dass mir mit großer Offenheit 2
begegnet wurde und jede meiner vielen Fragen versucht wurde zu beantworten. Danken möchte ich auch allen meinen Interviewpartnern, die sich viel Zeit für mich genommen haben, sowie den Freunden und Bekannten, von denen ich den einen oder anderen klugen Ratschlag bezüglich der Erstellung meiner Arbeit erhielt.
3
2.
Schulische Demokratie
2.1
Die Frage nach dem Sinn und Zweck innerschulischer Demokratie
Die Frage, warum in der Schule demokratische Elemente eine tragende Rolle spielen sollten, wird in der schulischen Praxis häufig kontrovers diskutiert. Eine oft vertretene Meinung ist, dass die Leitung einer Schule ausschließlich Fachpersonen obliegen sollte, die durch ihre Profession dafür ausgebildet sind, zu erkennen, was am besten für Schüler/innen sei. Dagegen werde ich im Folgenden verschiedene Aspekte, die den Sinn und Zweck demokratischer Elemente in der Schule unterstreichen, erläutern: Eines der Hauptargumente findet sich in der Aussage Gisela Behrmanns wieder: „Demokratie muss gelebt werden, um gelernt werden zu können!“.1 Die Gesellschaft eines freiheitlich-demokratischen Staates ist darauf angewiesen, dass die Bürger/innen das demokratische System zu schätzen wissen und es als Möglichkeit verstehen, Veränderungen anzustoßen. Gerade in Zeiten viel zitierter Politikverdrossenheit muss die Politik es sich als Aufgabe setzen, ein ganz besonderes Interesse an ihrem Handeln zu erzeugen. 2 In §2 Abs. 2 des hessischen Schulgesetzes ist dies wie folgt formuliert: „Die Schulen sollen die Schülerinnen und Schüler befähigen, in Anerkennung der Wertordnung des Grundgesetzes und der Verfassung des Landes Hessen […] staatsbürgerliche Verantwortung zu übernehmen und sowohl durch individuelles Handeln als auch durch die Wahrnehmung gemeinsamer Interessen mit anderen zur demokratischen Gestaltung des Staates und einer gerechten und freien Gesellschaft beizutragen [...]“.
Dem folgend kann eine staatliche Lehranstalt ihrem Bildungs- und Erziehungsauftrag nicht ausreichend nachgekommen sein, wenn im Politikunterricht in einer Doppelstunde der Bundestag, und in einer 1
2
Himmelmann, Gerhard: Demokratie-Lernen – Eine Aufgabe moderner Schulen, in: Demokratie erfahrbar machen – demokratiepädagogische Beratung in der Schule, hrsg. vom Landesinstitut für Schule und Medien Berlin-Brandenburg (LISUM), Berlin-Brandenburg 2007, S. 19f. Vgl. ebd. S. 22 4
weiteren das System des Kumulierens und Panaschierens erklärt wird. Es reicht also nicht aus, nur Demokratietheorien zu vermitteln, vielmehr müssen junge Erwachsene im Laufe ihrer Kindheit und Jugend zu der Erkenntnis
gelangen,
dass
das
demokratische
System
ihnen
Möglichkeiten bietet, Veränderungen anzustoßen. 3 Die Annahme, eine geringe Wahlbeteiligung bei gleichzeitigem Wachstum extremistischer Positionen4
sei
auf
die
unpolitische
Haltung
junger
Menschen
zurückzuführen, ist laut Gerhard Himmelmann schlichtweg falsch. Ein junger
Neonazi
sei
sehr
wohl
politisch,
nur
sei
er
absolut
undemokratisch. Das Erlernen und Erleben von Demokratie ist also ein 5
elementarer Bestandteil der Extremismusprävention. Neben dieser politischen Dimension von schulischer Partizipation gibt es aber auch eine einfache pädagogische Begründung für die Etablierung demokratischer Elemente in der Schule: Schüler/innen, denen hohe Partizipationsmöglichkeiten geboten werden, zeigen im Vergleich zu anderen Schüler/innen ein ausgeprägteres Selbstbewusstsein und eine höhere Bereitschaft sowohl zum schulischen Lernen als auch zur Vorbereitung auf den späteren Beruf.6 Darüber hinaus ist aber auch die einfache, qualitative Begründung für Partizipation nicht zu vernachlässigen: Es ist zu festzustellen, dass nach Meinung aller meiner Interviewpartner die Beteiligung von Schüler/innen an Entscheidungsprozessen
zu einer
Steigerung der
Qualität
von
Entscheidungen führt.7 In diesem Zusammenhang ist Demokratie also deutlich mehr als eine Staatsform. Sie ist vielmehr als ein gesellschaftliches Modell zu sehen, welches
sich
widerspiegeln
in
jedem
kann.
Um
Aspekt dies
zu
des
alltäglichen
verstehen,
um
Miteinanders
Demokratie
als
Fundament des Alltages einer freiheitlich orientierten Gesellschaft 3 4 5 6 7
Vgl. Eikel, Angelika: Demokratische Partizipation in der Schule, hrsg. vom BLK-Programm „Demokratie lernen und leben“. Berlin 2006, S. 4ff. Vgl. Decker, Oliver; Kiess, Johannes; Brähler, Elmar: Die Mitte im Umbruch - Eine Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung, hrsg. für die Friedrich-Ebert-Stiftung von: Melzer, Ralf, Berlin 2012, S. 114f. Vgl. Himmelmann, Demokratie-Lernen, S. 21 f. Vgl. Eikel, Demokratische Partizipation, S. 7 Vgl. Anhang: u.a. Interview mit Herrn Becklas, S. 35 f.; Interview mit Hr. Fohrmann S. 41; Interview mit Fr. Dr. Prof. Höhmann S. 51 5
anzuerkennen, muss Demokratie schon, vielleicht sogar ganz besonders, in jungen Jahren gelebt werden. Ziel ist es nicht, die institutionellen Elemente
einer
übertragen,
Staatsdemokratie
sondern
vielmehr,
eins-zu-eins
demokratische
auf
die
Prinzipien
Schule im
zu
Alltag
anzuwenden.8
2.2
Verschiedene Formen von Demokratie in der Schule
Die erste Ebene der Demokratie in der Schule ist die institutionelle Ebene. Diese Ebene zeigt, welche demokratischen Elementen in allen Schulen vertreten sind. Welche Konferenzen gibt es, wie sind diese besetzt? Zu welchen Sachverhalten müssen welche Gremien angehört werden? Wer hat welche Entscheidungsgewalt? Tatsächlich ist diese Ebene der schulischen Demokratie auch eine sehr wichtige, nicht zuletzt weil sie in Gesetzen und Verordnungen festgeschrieben und deshalb konkret „greifbar“ ist. Sie ist aber nicht die einzige Ebene von Demokratie, die in der Schule von Belang ist. Die zweite, vielleicht noch wichtigere, ist die Ebene des alltäglichen Unterrichts und die Frage, welche Möglichkeiten zur Mitbestimmung den Schüler/innen hier geboten werden. Auf Seiten der institutionellen schulischen Demokratie lassen sich verschiedene
Konferenzen
Gesamtkonferenz
als
finden,
Konferenz
wie
der
zum
Lehrer/innen,
Beispiel
die
bei
die
der
Schülervertretung (SV) und der Elternbeirat nur eine beratende Stimme haben, die Fachkonferenz als kleineres, fachspezifisches Gremium der Lehrer/innen, in der die SV und der Elternbeirat die gleichen Rechte haben wie in der Gesamtkonferenz sowie die Schulkonferenz, in der Eltern, Schüler/innen sowie Lehrer/innen vertreten sind und die das höchste Entscheidungsgremium an hessischen Schulen darstellt. 9 Des Weiteren gibt es diverse anhörungs- und sogar zustimmungspflichtige Entscheidungen, welche demnach nach Antrag der Gesamtkonferenz von den Eltern bzw. der SV vor ihrem Inkrafttreten zunächst bestätigt werden müssen.10 8 Vgl. Himmelmann, Demokratie-Lernen, S. 20 f. 9 Vgl. Kapitel 3.1 Regelsituation an hessischen Schulen 10 Vgl. für die Eltern: Hessisches Schulgesetz: §110 Abs. 2 (gilt nach §122 Abs. 5 auch für 6
Auf der Ebene der einzelnen Klasse zeigen sich die demokratischen Elemente zumeist in der Konfliktlösung, aber auch in alltäglichen Entscheidungs- und Feedbackprozessen. Es stellt sich die Frage nach dem
Maß
Schüler/in
an
Selbstbestimmung,
ermöglicht.
Veränderungswünsche reagiert
wird
und
Wichtig der
ob
ist
welche
die
aber
darüber
Schüler/innen
bei
Konflikten
Lehrperson hinaus,
dem/der wie
auf
bezüglich
des
Unterrichts
innerhalb
der
Lerngruppe
Schüler/innen die Möglichkeit geboten wird, eine gemeinsame Lösung zu finden, oder ob diese durch die Lehrkraft vorgegeben wird. Mögliche Elemente um die Mitbestimmung der Schüler/innen zu fördern sind zum Beispiel strukturelle Feedbackangebote, die in Universitäten schon lange üblich sind und sich langsam aber sicher auch in Regelschulen immer größerer Beliebtheit erfreuen. Die Grundlage für Veränderungen sei zunächst ein angstfreies, offenes Verhältnis zwischen allen Beteiligten.11 Feedback bietet den Schüler/innen, aber auch den Lehrer/innen, die Möglichkeit,
Veränderungen
anzustoßen
oder
auf
Missstände
aufmerksam zu machen, die der jeweilig verantwortlichen Person sonst vielleicht gar nicht aufgefallen wären. Es besteht folglich die Möglichkeit einer direkten Einflussnahme auf die gegenwärtige Situation, die bei korrekter
Umsetzung
und
Auswertung
das
Verhältnis
und
Zusammenleben beider Parteien positiv beeinflussen kann. Feedback ist aber nicht nur als ein Instrument für die Zusammenarbeit zwischen Lehrperson und Schüler/in zu sehen, sondern auch Leitungsfeedback, durch das Kollegium an die Schulleitung, und Elternfeedback, in dem die Eltern die Gesamtsituation der Schule beurteilen, spielen laut Witt im schulischen Kontext eine wichtige Rolle.12 Ein weiteres, oft leider nur in jüngeren Jahrgängen genutztes Beispiel von Demokratie im Klassenraum ist der sogenannte Klassenrat. Hier wird den Schüler/innen im wöchentlichen Rhythmus eine Plattform geboten, Probleme zu besprechen, Verantwortung als Gesprächsleiter/in Schüler/innen) 11 Vgl. Schreiber, Dagmar; Kliewe, Anke; Witt, Katja: Es geht doch um die Kinder: Wenn Eltern und Schule gemeinsame Sache machen..., hrsg. von: Deutsche Kinder- und Jugendstiftung, Berlin 2007, S. 9 f. 12 Vgl. Witt, Katja: Feedbackkultur als Strategie demokratischer Veränderung: Fontane-Gymnasium Rangsdorf, hrsg. von: BLK-Programm „Demokratie lernen & leben“, Berlin 2006, S. 9 f. 7
zu
übernehmen,
administrative
Dinge
schülerinterne
Beschlüsse
Termine
Klassenratssitzungen,
der
Selbstverantwortung,
die
zu
selbst
fassen.13
zu
Diese
fest
kombiniert
Schüler/innen
organisieren
hier
und
eingerichteten
mit
einer
hohen
Schritt
für
Schritt
übernehmen können, führen dazu, dass sich diese ernst genommen fühlen und in ihrem Selbstbewusstsein gestärkt werden. Auch die Gleichberechtigung zwischen Schüler/innen und Lehrkraft in dieser Mitbestimmungsform, die sich zum Beispiel daran zeigt, dass auch die Lehrperson erst nach Meldung reden darf, zeigt den Schüler/innen die Ernsthaftigkeit dieser Methode.14
3.
Analyse der gegenwärtige Situation
3.1
Regelsituation an hessischen Schulen
Festgeschriebene demokratische Strukturen sind in Hessen nach dem Hessischen Schulgesetz bzw. der Konferenzverordnung nur auf der institutionellen Ebene in der Schule zu finden. Hierbei handelt es sich u. a. um Konferenzen, Anhörungsrechte und sogar zustimmungspflichtige Maßnahmen, wie beispielsweise die Verabschiedung einer Schulordnung, eines
Schulprogramms
oder
Grundsätze
für
Hausaufgaben
und
Klassenarbeiten. An
jeder
Beratungsdem/der
hessischen und
Schule
ist
Beschlussorgan.
Schulleiter/in
als
die
Schulkonferenz
Diese
setzt
Vorsitzende/n
sich
und
zur
das
höchste
zusammen einen
aus
Hälfte
Lehrer/innen, zur anderen Hälfte aus Schüler/innen sowie Eltern. Das Verhältnis
der
Stimmverteilung
von
Eltern
und
Schüler/innen
ist
abhängig von der Schulform. In der Grundschule stehen sämtliche Plätze den Eltern zu, bei Schulen, die bis zur Klasse 9 oder 10 beschulen, stehen 3/5 der Plätze den Eltern zu und bei Schulen mit einer Oberstufe werden die Plätze zwischen Schüler/innen sowie Eltern gleich verteilt. Die Mindestgröße einer Schulkonferenz beträgt 11 Personen, sofern 13 Vgl. Giese, Christian: Demokratie-Baustein „Klassenrat“, URL: http://blk-demokratie.de/fileadmin/public/dokumente/Bausteine/bausteine_komplett/Klassenr at.pdf [Stand: 30.01.2013], S. 1 14 Ebd. S. 4 f. 8
mehr als 5 Lehrkräfte an der Schule unterrichten. 15 Primäre Aufgabe der Schulkonferenz ist die „Beratung über alle wichtigen Angelegenheiten“ und die Vermittlung bei Meinungsverschiedenheiten.16 Die
Gesamtkonferenz
beschließt
die
pädagogische
und
fachliche
Ausgestaltung der Schule, sofern die Schulkonferenz nicht explizit zuständig
ist.17
Sie
besteht
aus
den
Lehrkräften
einer
Schule,
SV-Vertreter sowie Eltern haben aber das Recht, mit beratender Stimme teilzunehmen.18 Ferner gibt es Fachkonferenzen, die gemäß den Beschlüssen der Gesamt- und Schulkonferenz über weitere Einzelheiten entscheiden und sich aus den Lehrer/innen des jeweiligen Faches zusammensetzen.19 Trotz dieser festgeschriebenen Strukturen schätzt unter anderem das Institut
für
Qualitätsentwicklung
(IQ),
welches
im
Auftrag
des
Kultusministeriums (HKM) hessische Schulen evaluiert, die „Einbindung der Schülerinnen und Schüler […] und Hinführung an demokratische Prinzipien“ als kritisch ein.20 Anders sei es bei den Eltern, welche nach Möglichkeit aktiv an der Schule partizipieren und in die Gremienarbeit miteinbezogen würden.21 Landesschulsprecher Laurien Wüst stellt in dem Schulrundschreiben der Landesschülervertretung (LSV) Hessen zu Beginn dieses Schuljahres fest, die „Schule [sei] noch weit davon entfernt,
ein Ort
der
gelebten
Demokratie
zu sein“. 22
Auch
die
Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft (GEW) Hessen bemängelt, dass derzeit die „demokratische Verfasstheit von Bildungseinrichtungen […]
einer
[falle]“. 15 16 17 18 19 20 21 22 23
zunehmenden
betriebsförmigen
Organisation
zum
Opfer
23
Vgl. Hessisches Schulgesetz: §131 Abs. 1 und 2 Hessisches Schulgesetz: §128 Vgl. Hessisches Schulgesetz: §138 Abs. 1 Vgl. für die Eltern: Hessisches Schulgesetz: §110 Abs. 6 (gilt nach §122 Abs. 5 auch für Schüler/innen) Vgl. Hessisches Schulgesetz: §134 Nieder, Tanja; Frühauf, Susanne: Bilanzbericht der Schulinspektion hrsg. von: Insitut für Qualitätsentwicklung (IQ), Wiesbaden, Oktober 2012, S. 21 Nieder: Bilanzbericht der Schulinspektion, S. 21 Vgl. Laurien Wüst: Vorwort, in: Schulrundschreiben August 2012, hrsg. von: Landesschülervertretung Hessen, Gießen, August 2012, S. 3 GEW Wiesbaden; „Wir wollen keine Kaiser-Wilhelm-Schule! „Es ist 5 vor 12“, URL: http://www.gew-wiesbaden.de/index.php? 9
Es zeigt sich also von Gewerkschaftsseite, aber auch von Seiten der HKM-eigenen
Evaluation
der
Schulen
Kritik
an
den
derzeitigen,
institutionellen demokratischen Strukturen in der Schule. Ein wenig anders sieht es bezogen auf die Mitbestimmungselemente im Unterricht
aus.
Diese
werden
zwar
nicht
durch
Gesetze
oder
Verordnungen vorgeschrieben, werden aber aktiv, zum Beispiel durch das
Projekt
„Gewaltprävention
und
Demokratielernen“,
durch
das
Hessische Kultusministerium gefördert. Auf der Webseite des Projektes heißt es, dass eine „demokratische Lern- und Schulkultur [...] ein wesentliches Qualitätsmerkmal einer guten Ganztagsschule“ sei. 24 Als erster Schritt für die Beteiligung von Schüler/innen wird der Klassenrat empfohlen. Die Serviceagentur „Ganztägig Lernen“ und das Projekt „Gewaltpräventionen und Demokratielernen“ bieten beide verschiedene Fortbildungen zur Förderung der Beteiligung von Schüler/innen an.25 Es zeigt sich also ein deutlicher Unterschied zwischen den vom Kultusministerium Schüler/innen
offiziell
sowie
geförderten
Lehrer/innen
Projekten
als
Politik
und des
dem,
was
Ministeriums
wahrnehmen. Zwar unterstützt beziehungsweise initiiert das Ministerium teilweise Projekte, die explizit mehr Beteiligung von Schüler/innen fördern
und
fordern,
Landesschülervertretung aktueller
politischer
sowohl fühlen
sich
Entwicklungen
die
GEW
aber
insbesondere
in
ihren
als
auch auf
die Grund
Beteiligungsrechten
eingeschränkt.
3.2
Exemplarische Analyse der Situation am Goethe-Gymnasium Kassel
Das Kasseler Goethe-Gymnasium hat etwa 1200 Schüler/innen. Es liegt im Kasseler Stadtteil Wesertor und hat einen hohen Anteil von Schüler/innen mit Migrationshintergrund. Die Schwerpunkte der Schule id=296&tx_ttnews[backPid]=38&tx_ttnews[pointer]=2&tx_ttnews[tt_news]=2329&cHash=5e9 f9218df119b0367a582460fc4640a [Stand: 30.01.2013] 24 Serviceagentur „Ganztägig Lernen“ Hessen: Schüler/innenpartizipation, URL: http://www.hessen.ganztaegig-lernen.de/node/1161 [Stand: 30. 01. 2013] 25 Vgl. Serviceagentur „Ganztägig Lernen“ Hessen: Klassenrat, URL: http://www.hessen.ganztaegig-lernen.de/Die%20Serviceagentur/Formate/%20Unterst %C3%BCtzungsangebote/klassenrat [Stand: 30. 01. 2013] 10
liegen im sportlichen und bilingualen Bereich. Geleitet wird sie seit Sommer 2009 von Herrn Ludger Becklas, welcher vorher bereits als stellvertretender Schulleiter tätig war. Im Winter letzten Jahres wurde eine Petition der SV auf einen Online-Vertretungsplan abgelehnt. Dies führte zu großer Unzufriedenheit und dem Vorwurf, dass Schulleitung und Lehrerschaft die Beteiligung von Schüler/innen verhindern wollen. 26 Tatsächlich
ist
die
Beteiligung
schulischen
Arbeitsgremien,
von
wie
Schüler/innen
Ausschüssen
oder
und
Eltern
Komitees,
in
eine
äußerst seltene Ausnahme. In jüngerer Vergangenheit gab es keine Arbeitsgruppe, abgesehen von der Feedback-AG, an der Schüler/innen oder
Eltern
beteiligt
lehrerintern.
Da
waren.
die
Die
Arbeitsgruppen
Lehrer/innen
ständigen
sind
stattdessen
Kontakt
zu
den
Schüler/innen haben, erhofft die Schulleitung sich, dass diese die Stimmungen und Meinung der Schulgemeinde wiedergeben können. Aus diesem Grunde werden die Arbeitsgruppen in der Regel nicht von Mitgliedern
der
Schulleitung,
sondern
von
von
der
Schulleitung
beauftragten Lehrer/innen geleitet.27 Der
Schulleiter,
Herr
Becklas,
versteht
sich
als
ständiger
Ansprechpartner für Schüler- und Elternvertreter, aber nicht als Initiator von gegenseitigem Austausch. Der Einfluss der Interessengruppen ist deshalb stark von der Aktivität der jeweiligen Vorsitzenden abhängig. 28 Die eher passive Rolle des Schulleiters wird von den Schüler/innen als Desinteresse interpretiert.29 Da zu diesem Gefühl des Desinteresses auch noch Missgeschicke, wie die Nicht-Einladung von SV-Vertretern zu den
Interviews
mit
der
Schulinspektion
oder
verspätete
Sitzungseinladungen kommen, besteht auf Seiten der Schülervertretung das relativ starke Gefühl einer mangelnden Wertschätzung. 30 Eine deutlich andere Einschätzung der Kooperation mit der Schulleitung äußerte dagegen der Vorsitzende des Personalrates, Herr Fohrmann, der sich in der Zusammenarbeit mit der Schulleitung ernst genommen 26 Vgl. Hessische/Niedersächsische Allgemeine: Goethe-Gymnasium gegen Online-Plan, URL: http://www.hna.de/lokales/kassel/goethe-gymnasium-gegen-online-plan-1536312.html [Stand: 30. 01. 2013] 27 Vgl. Anhang: Interview mit Herrn Becklas, S. 37 28 Vgl. ebd. S. 37 29 Vgl. Anhang: Interview mit Zora Meckbach, S. 49 30 Vgl. ebd. S. 49 11
fühlt und beispielsweise mit dem gesamten Personalrat mindestens einmal im Monat ein gemeinsames Gespräch mit dem Schulleiter führt.31 Auch die Sitzungen des Schulelternbeirats werden vom Schulleiter stets besucht.32 Der Schulleiter erachtet die Stellung der Schulkonferenz als höchstes beschlussfassendes Gremium an der Schule als falsch. Seiner Meinung nach solle diese Funktion der Gesamtkonferenz obliegen und die Schulkonferenz
lediglich
als
beratendes
Gremium
fungieren. 33
Der
Personalratsvorsitzende sieht die Schulkonferenz dagegen eher als Aufsichtsgremium, welches über ein Veto-Recht verfügen, Anträge aber nicht inhaltlich verändern können sollte.34 Eine gestaltende Funktion wünscht sich die Schülervertretung von der Schulkonferenz.
Ihrer
Meinung nach sollte diese mit mehr Kompetenzen ausgestattet werden und eine Reformierung der Sitzverteilung zu Gunsten von Eltern und Schüler/innen hin zu einer Drittelparität stattfinden. 35 Seit dem Schuljahr 2011/12 führt das Goethe-Gymnasium nach einer einjährigen Pilotphase
flächendeckende Evaluationen durch. Diese
finden auf zwei Ebenen statt. Zum einen bekommt die Lehrperson Rückmeldungen von den Schüler/innen in Bezug auf den Unterricht, aber auch bezüglich des Klimas innerhalb der Lerngruppe, zum anderen bekommt
das
Lehrerkollegium
die
Möglichkeit,
die
Arbeit
der
Schulleitung zu bewerten. Zwar ist die Sinnhaftigkeit dieser Art und Weise des Feedbacks allgemein in der Schulgemeinde anerkannt, es zeigen sich aber Probleme bei der Umsetzung. Das Feedback wird nicht von allen Lehrer/innen durchgeführt und von einem noch kleineren Teil des Kollegiums dann auch ordentlich ausgewertet.36 Dies liegt wohl unter anderem
an
der
hohen
Belastung,
der
die
Lehrer/innen
generell
ausgesetzt sind und auf Grund derer der Raum für eine intensive und nachhaltige Auswertung des Feedbacks nicht gegeben ist.37 31 32 33 34 35 36 37
Vgl. Anhang: Interview mit Herrn Fohrmann, S. 41 Vgl. Anhang: Interview mit Herrn Becklas, S. 37 Ebd. S. 38 Vgl. Anhang: Interview mit Herrn Fohrmann, S. 43 Vgl. Anhang: Interview mit Zora Meckbach, S. 48 Vgl. ebd. S. 49 Vgl. Anhang: Interview mit Herrn Fohrmann, S. 44 12
Neben der Möglichkeit zum strukturellen Feedback wandelt sich der Unterricht aber auch im Allgemeinen. Die sich verändernde Rolle des Lehrers/der Lehrerin hin zum/zur Berater/in und Moderator/in von Lernprozessen wird erkannt.38 Derzeit arbeitet das Lehrerkollegium deshalb an einer stärkeren Individualisierung des Unterrichts. Dies findet auch im Rahmen der Entwicklung des kompetenzorientierten Unterrichts statt.39 Die Klassenkonferenzen hätten laut Herrn Becklas den Charakter von Strafkonferenzen entwickelt. Dies wird sowohl von ihm als auch von Herrn Fohrmann als Problem angesehen.40 Der Personalratsvorsitzende wünscht sich eine effizientere, schnellere Möglichkeit bei aufkommenden Problemen und empfiehlt deshalb eine unmittelbare Konfliktbearbeitung durch den/die Klassenlehrer/in, der/die sich je nach eigenem Ermessen bei der Problembewältigung mit anderen Lehrer/innen beraten sollte. 41 Sowohl der Schulleiter als auch die stellvertretende Schulsprecherin legen
aber
Wert
darauf,
dass
Schüler/innen
und
Eltern
in
die
Entscheidungsfindung einer Klassenkonferenz einbezogen werden, um eine möglichst breite Sicht der Dinge zu erhalten. 42 In
der
Debatte
um
den
Online-Vertretungsplan
fühlt
sich
die
Schülervertretung von der Schulleitung allein gelassen und nicht ernst genommen.43
Dass
der
Wunsch
der
Schülerschaft
nach
einem
Online-Vertretungsplan tatsächlich so groß sei, wie es die damalige Petition
suggerierte,
wird
vom
Schulleiter
und
dem
Personalratsvorsitzenden angezweifelt. Entgegen einer in der damaligen Gesamtkonferenz getätigten Aussage hat die Schulleitung jedoch kein Interesse, weiter an diesem Thema zu arbeiten, da sich die Abneigung gegen das Projekt weiter verstärkt hat.44 Zusammenfassend
ist
eine
auffallende
Schnittmenge
bei
den
unterschiedlichen Einschätzungen der Partizipationsmöglichkeiten zu 38 39 40 41 42 43 44
Vgl. Anhang: Interview mit Herrn Becklas, S. 36 Vgl. Anhang: Interview mit Herrn Fohrmann S. 41 Vgl. Anhang: Interview mit Herrn Becklas, S. 38 Vgl. Anhang: Interview mit Herrn Fohrmann, S 43 Vgl. Anhang: Interview mit Herrn Becklas, S. 38 sowie Interview mit Zora Meckbach, S. 49 Vgl. Anhang: Interview mit Zora Meckbach, S. 50 Vgl. Anhang: Interview mit Herrn Becklas, S. 39 13
bemerken. Sowohl die stellvertretende Schulsprecherin als auch der Personalratsvorsitzende
schätzen
die
Schüler/innen
als
die
Personengruppe mit den schlechtesten Beteiligungsmöglichkeiten ein. 45 Dies spiegelt sich auch wider in der Aussage des Schulleiters, dass die höchste Entscheidungsgewalt an einer Schule nicht in den Händen der Schulkonferenz als Vertreterin der Schulgemeinde, sondern bei der Gesamtkonferenz als Gremium der Lehrer/innen liegen sollte.
3.3
Regelsituation in anderen Bundesländern
In den meisten Bundesländern existieren Schulkonferenzen, die von ihren Aufgaben und ihrer Zusammensetzung dem hessischen Modell stark ähneln. Unterschiede gibt es in der exakten Sitzverteilung sowie bei der Bezeichnung. Einzig im Land Sachsen-Anhalt wird ein vollständig anderes Konzept verwendet. Hier gibt es keine Schulkonferenz, sondern lediglich eine Gesamtkonferenz. Diese setzt sich zur einen Hälfte aus allen
Lehrer/innen
sowie
Vertretern
der
pädagogischen
Mitarbeiter/innen, zur anderen Hälfte jeweils zu einem Viertel aus Schüler/innen und zu einem weiteren Viertel aus Eltern, zusammen. Dieses
Gremium
ist
also
deutlich
größer
als
eine
gängige
Schulkonferenz. Da es die Gesamtkonferenz ersetzt, übernimmt es auch sämtliche Entscheidungsbefugnisse und hat deshalb deutlich mehr Kompetenzen als andere Schulkonferenzen.46 Während in Hessen die Eltern als Vertreter jüngerer Schüler/innen gelten
und
die
Schulkonferenz
deshalb
aus
der
Sichtweise
des
Gesetzgebers paritätisch besetzt ist, werden in anderen Bundesländern die Eltern als eigenständige Gruppe erkannt und die paritätische Besetzung der Schulkonferenz mündet in einer Drittelparität, bestehend aus Eltern, Schüler/innen und Lehrer/innen. Dies ist zum Beispiel in Berlin der Fall: Hier unterstützt aber noch eine außenstehende Person, zum Beispiel ein Wirtschaftsvertreter, die Schulkonferenz. Auch im sogenannten „Schulauschuss“ in Rheinland-Pfalz, der die Aufgaben einer
45 Vgl. Anhang: Interview mit Herrn Fohrmann, S. 43 sowie Interview mit Zora Meckbach, S. 48 46 Vgl. Schulgesetz des Landes Sachsen-Anhalt: §29, Abs. 1 14
Schulkonferenz innehat, gibt es eine Drittelparität.47 In Bayern setzt sich das
sogenannte
„Schulforum“
aus
drei
Schüler/innen,
drei
Elternvertreter/innen sowie drei Lehrer/innen, von denen eine/r die/der Schuldirektor/in ist, zusammen. Dieses Schulforum hat aber eher eine beratende Funktion.48 Besondere Rechte bei der Schulleiterbesetzung hat die Schulkonferenz in Nordrhein-Westfalen. Dort werden die Bewerbungen für die Stelle als Schulleiter/in von der Schulaufsicht geprüft. Diese schlägt jedoch daraufhin der Schulkonferenz in der Regel mindestens zwei Kandidaten für den vakanten Posten vor. Die Wahl für eine/n Bewerber/in liegt dann bei der Schulkonferenz. Der Schulträger, in der Regel die jeweilige Stadt, die Gemeinde oder der zuständige Kreis, hat aber noch ein Veto-Recht.49 Ein Beispiel für ein überaus erfolgreiches Programm, um die Mitwirkung von Schüler/innen zu stärken, ist das sächsische Projekt „Mitwirkung mit Wirkung“, welches von der deutschen Kinder- und Jugendstiftung organisiert und vom sächsischen Staatsministerium für Kultus und Sport gefördert wird. Das Programm führt Seminare an einzelnen Schulen durch und versucht die SV-Arbeit zu stärken. Es macht sich hierbei das Multiplikatorenprinzip zu Nutze und bildet immer wieder interessierte Schüler/innen zu Moderatoren aus.50 In allen Bundesländern gibt es Schüler- und Elternvertretungen auf Landesebene, die das jeweilige Kultusministerium beraten. Je nach Bundesland kann es auch mehrere Landesschülervertretungen, für verschiedene Schulformen, geben. Auf Bundesebene wird sich um eine Zusammenarbeit der Landesschülervertretungen bemüht. Aktuell gibt es aber
kein
Gremium,
welches
die
Mehrheit
der
Landesschülervertretungen vertritt.51
47 Vgl. Schulgesetz für Berlin: §77, Abs. 1 bzw. Rheinland-pfälzisches Schulgesetz: §48, Abs. 4 48 Vgl. Bayerisches Gesetz über das Erziehungs- und Unterrichtswesen: Art. 69, Abs. 2 49 Vgl. Schulgesetz für das Land Nordrhein-Westfalen: §61, Abs. 1, 2 und 4 50 Vgl. Mitwirkung mit Wirkung: Unsere Projektidee, URL: http://schuelermitwirkung.de/home/projektidee.html [Stand: 30.01.2013] 51 Vgl. Landesschülerrat Sachsen: Bundesschülerkonferenz, URL: http://lsr-sachsen.de/der-lsr/bsk/ [Stand: 30.01.2013] 15
4.
Alternative Konzepte innerschulischer Demokratie
4.1
Beispiele demokratischer Konzepte an staatlichen Schulen
4.1.1
Feedback in der Schule – Fontane-Gymnasium Rangsdorf
Die
meisten
Beispiele
von
Regelschulen
betreffen
direkt
Partizipationsmodellen das
an
staatlichen
Unterrichtsverhältnis
zwischen
Schüler/innen und Lehrer/innen. Das Fontane-Gymnasium Rangsdorf führte 2002 verschiedene Formen von Feedback ein, mit den Zielen, ein stärkeres
Interesse
der
Schüler/innen
an
schulinternen
Entscheidungsstrukturen zu bewirken, diesen Verantwortung für ihr schulisches Lernen zu übertragen, den Lehrer/innen Klarheit über gegebenenfalls benötigte Fortbildungen zu schaffen und das Schulklima insgesamt zu verbessern. Langfristig sollte sich ein 360°-Feedback durchsetzen, welches der Evaluation der gesamten Schule dient. Zu diesem
Zweck
führte
das
Fontane-Gymnasium
neben
dem
Schüler/innen-Lehrperson-Feedback auch ein Schulleitungsfeedback ein, welches von den Lehrer/innen durchgeführt wird, und installierte ein Elternfeedback, durch das die Eltern die Möglichkeit erhalten, die Qualität der Schule und der Kommunikation innerhalb der Schule zu bewerten.52 Der Erfolg dieses Modells ist prinzipiell stark von dem Problembewusstsein der Akteure innerhalb der Schulgemeinde und der daraus folgenden Motivation, diese Probleme zu benennen und zu lösen, abhängig. Das Feedback erfolgt anonym und freiwillig. Dies ist notwendig, um sowohl die Hemmschwellen auf Seiten der Schüler/innen, aber auch von Lehrer/innen abzubauen, als auch die Bereitschaft sicherzustellen, die
benannten
Schwächen
anzugehen.53
Nach
der
intensiven
Vorbereitung, zum Beispiel durch einen pädagogischen Tag, die Bildung einer
gemeinsamen
Arbeitsgemeinschaft/Steuergruppe
52 Vgl. Witt: Feedbackkultur als Strategie, S. 10 53 Vgl. ebd. S. 12 16
von
Schüler/innen, Eltern und Lehrer/innen sowie der Erstentwicklung eines Feedbackbogens wurde das Feedback testweise in der Jahrgangsstufe 7 durchgeführt.54
Im
Feedbackbögen
Regelfall
diese
von
wurde
dem/der
nach
dem
Ausfüllen
Lehrer/in gemeinsam
mit
der den
Schüler/innen ausgewertet und Zielvereinbarungen geschlossen. Sowohl Schüler/innen als auch Lehrer/innen bewerteten das Feedbackinstrument als
positiv.
Es
Schüler/innen
sei
und
Veränderungen
eine
Verbesserung
Lehrer/innen
würden
bewirkt
der
Beziehung
festzustellen werden.
Das
und
zwischen
tatsächliche
Verhältnis
zwischen
Lehrer/innen und Schüler/innen sei danach von Angst befreiter.
55
Bei der
Einführung des Schulleitungsfeedbacks wurde darauf geachtet, dass der Feedbackbogen den Schulleitungsmitgliedern vor der Durchführung der ersten
Feedbackrunde
vorgelegt
wurde,
so
dass
diese
ihn
gegebenenfalls erweitern bzw. ihrer Meinung nach irrelevante Fragen streichen konnten. Dies habe zu einer deutlich stärkeren Akzeptanz des Feedbacks bei der Schulleitung geführt. Nach einer schulleitungsinternen Auswertung gab es ein gemeinsames Gespräch zwischen Kollegium und Schulleitung,
in
dem
zukünftige
Veränderungen
besprochen
und
beschlossen wurden.56 Die Bereitschaft der Schulleitung, tatsächlich Veränderungen durchzuführen und die Offenheit gegenüber Feedback im Allgemeinen habe zu einem massiven Abbau von noch vorhandenen Widerständen
innerhalb
des
Lehrerkollegiums
geführt.57
Das
Elternfeedback, in dem die Eltern die Möglichkeit bekamen, der Schule webbasiert Rückmeldung zu geben, wurde nach umfangreicher Werbung, zum Beispiel bei Elternvertretern und Elternabenden, mit einem Rücklauf von 67% abgeschlossen58. Die Vielzahl von Angeboten, die der Schule von
den
Eltern
gemacht
wurden,
führten
zu
Einrichtung
einer
Datenbank, in der 36% der Eltern aktive Unterstützung in diversen Bereichen anbieten.59
54 55 56 57 58 59
Vgl. ebd. S. 16 Vgl. ebd. S. 24 Vgl. ebd. S. 19 Vgl. ebd. S. 23 Vgl. ebd. S. 22 Vgl. ebd. S. 26 17
4.1.2 Schule als Staat – Elly-Heuss-Knapp-Gymnasium Heilbronn Ein dem Konzept nach ganz anderes Projekt des Demokratielernens wurde
inzwischen
an
mehreren
Schulen
in
ganz
Deutschland
durchgeführt. Anders als beim Feedback als Möglichkeit zur Partizipation in der Schule handelt es sich jedoch nicht um ein Element, welches flächendeckend in den alltäglichen Unterricht integriert wird,
sondern
um eine Projekt, welches meistens in einem Zeitraum von einer Woche durchgeführt wird. „Schule als Staat“ verwandelt die Schule in einen Staat mit unterschiedlichsten Elementen in den Bereichen Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Ein Beispiel hierfür ist die Projektwoche des
Elly-Heuss-Knapp-Gymnasiums
Heilbronn,
welche
Ende
des
Schuljahres 2000 durchgeführt wurde. Im Zuge dieses Projektes werden verschiedene
Maßnahmen
getroffen,
um
Schüler/innen
Demokratie
näherzubringen. So wird beispielsweise die klassische hierarchische Struktur in der Schule aufgehoben, Lehrer/innen und Schüler/innen werden gleichberechtigte „Bürger“ der Schule. Außerdem wird das Zusammenspiel von Wirtschaft und Politik deutlich gemacht. Politische Entscheidungen wirken sich unmittelbar auf die Wirtschaft aus, welche wiederum alle Bürger betrifft, da jeder darauf angewiesen ist, für seinen
Lebensunterhalt
als
Unternehmer/in,
Angestellte/r
oder
Beamte/r aufzukommen60. Bei der Entwicklung eines Modells für „Schule als Staat“ müssen zunächst grundsätzliche Entscheidungen getroffen werden. So ist zum Beispiel zu klären, ob nach basisidemokratischen Prinzipien gehandelt und auch Fehlentwicklungen freien Lauf gelassen wird, weil bei diesem Projekt entweder der Prozess das Ziel ist, oder aber der „schulische Staat“ nach wie vor lehrerzentriert agiert.61 Zu Beginn des Projektes ist eine Verfassung zu erstellen, welche den Rahmen des Miteinanders im „Staat Schule“ bildet und Grundlage für die spätere Rechtsprechung durch die Gerichte ist. Diese Verfassung manifestiert außerdem die Rechte und Pflichten eines jeden Bürgers 60 Vgl. Geiger, Martina, Sajak, Peter, Wedel, Martin: Elevia, … Man denkt fast an Utopia!, hrsg. von: Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg. Heilbronn / Stuttgart 2001, S. 7 61 Vgl. ebd. S. 17 18
und ist damit entscheidend für die Art und Weise des Zusammenlebens im
selbst
kreierten
Staat.
Sowohl
die
Wahlen
als
auch
die
Verfassungsgebung sowie der Druck des Geldes und weiteres müssen in der Vorbereitungsphase in den Monaten vor der Durchführung des Projektes liegen. Da die vielen Kleinbetriebe das Fundament des Staates ausmachen, werden,
die
ermöglicht. große
muss
eine
umfangreiche
späteres,
Informationsarbeit
möglichst
reibungsloses
geleistet
Funktionieren
Das Projekt stieß am Elly-Heuss-Knapp-Gymnasiums auf
62
positive
Resonanz,
vereinzelt
wurde
aber
auch
Negatives
festgestellt. Es wurden viele neue Bekanntschaften geschlossen und das Gemeinschaftsgefühl
an der
Schule
wurde deutlich
gestärkt,
welches eine nachhaltige Verbesserung des Schulklimas darstellt. Die große
Rolle
der
Wirtschaft
im
„Staat
Schule“
ist
aus
zweierlei
Blickwinkeln zu sehen. Zwar wurde vielen Schüler/innen die besondere Bedeutung der Wirtschaft in einem Staat und auch im Wirken von Demokratie erst in der Projektwoche deutlich, die Erkenntnis der großen
Bedeutung
von
Geld
war
aber
für
einige
auch
eine
Enttäuschung.63 Die, oft noch nicht wahlberechtigten, Schüler/innen erleben erstmals einen Wahlkampf, in dem es um jede ihrer Stimmen geht und ihn dem sie gezwungen sind zu versuchen, zwischen der tatsächlichen
Qualität
und
den
rhetorischen
Fähigkeiten
eines
Kandidaten zu unterscheiden.64 Als Kritikpunkt taucht allerdings die Frage
der
Nachhaltigkeit
der
Erfahrung
auf,
da
sich
langfristige
Veränderungen in den Verhaltensweisen der Schüler/innen und den Entscheidungsverfahren an der Schule nur eingeschränkt feststellen lassen. Es ist aber im Laufe des Prozesses eine deutliche Steigerung der Eigenverantwortung und Wahrnehmung der Selbstbestimmung auf Seiten der Schüler/innen zu bemerken.65
4.2
Konzepte von Gewerkschaften und Interessenvertretungen
Die 62 63 64 65
Landesschülervertretung
Hessen
verfolgt
Vgl. ebd. S. 18-21 Vgl. ebd. S. 67 Vgl. ebd. S. 69 Vgl. ebd. S. 70 19
das
Konzept
eines
Schulparlaments, welches zu einer grundsätzlichen Demokratisierung der hessischen Schulen beitragen soll. Ziel dieses Schulparlamentes sei es, dass Entscheidungen in der Schule immer von den unmittelbar Betroffenen gefällt werden sollen. Sobald eine Entscheidung mehr als eine Personengruppe betrifft, müsste diese dann konsequenterweise im Schulparlament getroffen werden. Dieses setzt sich zusammen aus Vertretern der Schüler/innen (30%), der Eltern (25%), der Lehrer/innen (30%)
sowie
der
Verwaltungskräfte
(15%).
Intern
sind
alle
Gruppierungen in Räten organisiert, die eigene Entscheidungen treffen bzw.
ihre
Delegierten
in
das
Schulparlament
entsenden.
Die
Stimmverteilung hätte zur Folge, dass Schüler/innen gemeinsam mit den Lehrer/innen
zwar
eine
absolute
Mehrheit
in
Bezug
auf
die
Stimmverteilung hätten, aber keine Zwei-Drittel-Mehrheit besäßen, die notwendig für grundsätzliche Entscheidungen wäre, wie zum Beispiel die Schulordnung oder das Schulprogramm. In einem Kompetenzplan gebe es
schließlich
die
Möglichkeit,
die
Zuständigkeiten
bei
einzelnen
Entscheidungen genauer zu definieren, so dass eine Personengruppe, die von einer bestimmten Entscheidung überhaupt nicht tangiert werde, über diese auch nicht mitbestimmen dürfe. Das Schulparlament solle außerdem nach dem Willen der Landesschülervertretung die Mitglieder der Schulleitung für einen Zeitraum von acht Jahren wählen. Die SV solle durch dieses Parlament eine Entwicklung von der „Partyorganisatorin“ zu einer Organisation vollziehen, in der Schüler/innen die Möglichkeit geboten werde, ihren Willen zu artikulieren und tatsächlichen Einfluss auf die Entwicklung der Schule zu nehmen.66 Auch die Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft (GEW) Hessen hat im November 2008 ein ähnliches Papier beschlossen, in dem sie sich für
eine
„demokratisch
verfasste
Entscheidungen
„dort
gefällt
grundsätzlichen
Entscheidungen
Schule“
werden, in
wo
einer
ausspricht, sie
solchen
in
der
wirken“ 67.
Alle
demokratisch
66 LSV Hessen: Ein neues Grundsatzprogramm für die Landesschülervertretung Hessen, in Schulrundschreiben Januar 2008, hrsg. von: Landesschülervertretung Hessen, Gießen Januar 2008, S. 9 f. 67 GEW Hessen: Selbstständige Schule – Für eine „demokratisch verfasste Schule“!, URL: http://www.gew-hessen.de/index.php?id=296&tx_ttnews[tt_news]=4007&cHash=f35553639f [Stand: 30.01.2013] 20
verfassten Schule sollten in einem Gremium gefällt werden, welches aus Eltern, Lehrer/innen, Mitarbeiter/innen sowie Schülervertreter/innen bestehe. Besonderen Wert legt die GEW in ihrem Positionspapier auf die Unabhängigkeit der Schulen, die selbst entscheiden sollten, was für sie am besten sei, aber nicht in Konkurrenz zueinander stünden, sondern in einem Verhältnis der Zusammenarbeit pflegen sollten. Auffallend ist, dass beide Interessenvertretungen die Einführung der selbstständigen Schule in ihrer aktuellen Form kritisieren und als eine Entdemokratisierung Schulleiters/der
der
Schule
Schulleiterin
ansehen,
weiter
da
gestärkt
die
und
Position die
des
zusätzliche
Entscheidungsgewalt nur in Teilen in die Hand der Schulgemeinde gelegt werde.
4.3 Die
Modellschulen mit besonderen Beteiligungsformen beiden
im
Folgenden
vorgestellten
Schulen
entstammen
der
reformpädagogischen Bewegung des frühen 20. Jahrhunderts. In dieser Zeit gründeten sich viele Landerziehungsheime, welche die bisherigen Erziehungsmethoden hervorgehoben
verändern
wurde
hierbei
oder die
aufheben
wollten.
ganzheitliche
Besonders
Erziehung.
Die
Schüler/innen sollten sich im Einklang mit der Natur, frei von äußeren Zwängen entwickeln und Lehrer/innen in einem freundschaftlichen Miteinander ihrer Vorbildfunktion gerecht werden.68
4.3.1 Ein Radikalmodell - Summerhill School Die Summerhill School wurde 1921 von dem Pädagogen A. S. Neill im englischen Leiston gegründet. Die Schule zeichnet sich aus durch ihre selbstregulative, freie Erziehung. Neill ging davon aus, dass Verbrechen, Hass und Krieg sowie alles Negative auf der Welt, auf Unglücklichkeit zurückzuführen sei. Sein Ziel war es deshalb, in der Summerhill School Kinder zu glücklichen, freien Menschen zu erziehen.69 Neill betonte aber stets, dass Freiheit keine Zügellosigkeit sei. Freiheit sei vielmehr ein 68 Lietz, Hermann: Die Erziehungsgrundsätze des Deutschen Landerziehungsheims, in: Die deutsche Reformpädagogik, hrsg von: Wilhelm Flitner, München 1961, S. 74 69 Vgl. Neill, Alexander Sutherland: Theorie und Praxis der antiautoritären Erziehung, hrsg. von: Rowohlt Taschenbuch Verlag, Reinbek bei Hamburg 1969, S. 20 21
Geben und Nehmen, die Freiheit des Einen dürfe nie die Freiheit des Anderen
beschneiden.
Es
gehe
also
keineswegs
darum,
den
Schüler/innen alle Rechte, sondern vielmehr darum, Schüler/innen und Erwachsenen die gleichen Rechte einzuräumen.70 Die Regulierung, der Freiheitsrechte wird in der Summerhill School stets von der gesamten Schulgemeinde
in
der
wöchentlich
tagenden
Schulversammlung
getroffen. In dieser Schulversammlung sitzen alle an der beteiligten
Personen,
Mitarbeiter/innen,
und
Lehrer/innen, besitzen
Schüler/innen
gleichberechtigt
sowie
eine
Schule weitere
Stimme.
Die
Stimme des/der Schulleiter/in zählt also genauso viel wie die Stimme eines jeden anderen Schulmitglieds. Die Versammlungen werden geleitet von
einem
Vorsitzenden/einer
Vorsitzenden,
der/die
von
der
Schulversammlung jede Woche neu gewählt wird. Die Person, die den Vorsitz innehat, kann Schüler/innen bei ordnungsstörendem Verhalten während
der
Sitzung
mit
Geldstrafen
belegen.
Der
Erfolg
einer
Schulversammlung hänge davon ab, wie führungsstark die jeweilige vorsitzende Person ist.71 Auch der/die Schulleiter/in hat das Recht, Anträge
in
die
Schulversammlung
einzubringen,
muss
aber
auch
akzeptieren, wenn diese mehrheitlich abgelehnt werden. Neben dieser gesetzgebenden Funktion bietet die Schulversammlung aber auch ein Forum, um Probleme zu besprechen, Ankündigungen zu machen oder zum Beispiel Ausschüsse zu organisieren, die sich dann genauer mit bestimmten
Themen,
vom
Abschlussball
bis
hin
zu
sportlichen
Aktivitäten, beschäftigen.72 Außerdem wird in der Schulversammlung aber auch das Fehlverhalten einzelner
Schüler/innen
angesprochen
und
im
diskutiert.
alltäglichen Die
Gemeinschaftsleben
Schulversammlung
kann
nach
Anhörung des Schülers/der Schülerin eine Strafe beschließen. So werden beispielsweise Diebstähle oft lediglich mit dem Ersatz des gestohlenen Gutes
bestraft,
„Tyrannei“
wird
dagegen
als
nicht
akzeptables
Verbrechen gegen die Gemeinschaft gesehen. 73 Ziel der Versammlung 70 Vgl. Neill, Alexander Sutherland: Das Prinzip Summerhill: Fragen und Antworten, hrsg. von: Rowohlt Taschenbuch Verlag, Reinbek bei Hamburg 1971, S. 9 71 Vgl. Neill, Theorie und Praxis, S. 61 72 Vgl. ebd. S. 62 73 Vgl. ebd. S. 63 22
ist es aber stets, die Ursache eines Vergehens herauszufinden und diese zu beheben. Die Erfahrung ist deshalb auch, entgegen anderer Befürchtungen, dass die Bestrafungen weder besonders hart noch besonders sanft ausfallen, sondern in den meisten Fällen dem Vergehen angemessen sind.74 Dies spiegelt sich auch in der Akzeptanz der Schüler/innen bezüglich der Institution der Schulversammlung und der von ihr ausgesprochenen Bestrafungen wider. Sollte sich jedoch ein/e Schüler/in tatsächlich ungerecht behandelt fühlen, kann der Fall neu aufgerollt werden. Oft werden in der Berufungsverhandlung dann, basierend auf den weitergehenden Erläuterungen des Beschuldigten, mildere
Strafen
beschlossen,
da
das
Gefühl
einer
ungerechten
Behandlung oft auf einer tatsächlich ungerechten Behandlung beruht. 75 Freiheit in der Schule kann nach Auffassung des Summerhill Gründers Neill nur bestehen, wenn Schüler/innen ihr Zusammenleben selbst regulieren können. Allein das Vorhandensein einer übergeordneten Autorität führt bereits zu Unfreiheit der Kinder und Jugendlichen. Diesbezüglich seien die Auswirkungen eines liberalen, wohlwollenden Vorgesetzten sogar noch verheerender als die eines
autoritären, da
gegen die offene Härte des einen rebelliert werden kann, während die Unfreiheit, die durch den anderen erzeugt wird, abstrakt und schwer fassbar ist.76 Eine autoritäre Erziehung, in der die Erwachsenen den Kindern bzw. die Lehrer/innen den Schüler/innen ein Höchstmaß an Disziplin
und
Unterwerfung
abverlangen,
sei
zwar
aus
Sicht
der
Erwachsenen oft die einfachste Methode, um große Anstrengungen in der Erziehungen zu vermeiden, könne aber Kinder nie zu glücklichen Kindern werden lassen.77 Die Selbstregierung Summerhills hat aber auch einen sehr praktischen, pädagogischen Wert. Zum einen lernen die Schüler/innen
der
Summerhill
School
schon
früh
den
Wert
der
Demokratie und des Rechts auf Partizipation sowie die Fähigkeit des Argumentierens kennen, zum anderen sind aber auch die Gesetze, die von Schüler/innen für Schüler/innen gemacht werden, ganz anderer Natur als die Gesetze, die von Erwachsenen für Schüler/innen verfasst 74 75 76 77
Vgl. ebd. S. 65 f. Vgl. ebd. S. 64 f. Vgl. ebd. S. 67 Vgl. ebd. S. 67 f. 23
werden. Die Gesetze der Schüler/innen hätten einen unmittelbaren praktischen Wert und zielten auf die Regulierung alltäglicher Probleme ab, von denen sie direkt betroffen seien. Sie vernachlässigen damit abstrakte Entscheidungen, die oft nur von Erwachsenen als wichtig erachtet
würden,
tatsächlich
aber
nach
Meinung
Neills
nur
Äußerlichkeiten seien.78 Der Freiheitsgedanke der Schule führt konsequenterweise auch dazu, dass der
Besuch des Unterrichts freiwillig ist. Neill ist der Meinung,
dass Unterricht, zu dem die Schüler/innen gezwungen werden, die Schüler/innen nicht nachhaltig beim Lernen unterstützen kann. Vielmehr müsse
der
entstehen.
Wissensdurst Trotz
der
der
Schüler/innen
Freiwilligkeit
des
aus
eigenem
Unterrichts
Antrieb
besuchen
die
Schüler/innen, je älter sie werden, desto mehr, den Fachunterricht der Summerhill School und nehmen auch an den zentralen, von der Oxford Universität entwickelten Abschlussprüfungen teil und absolvieren diese meist überdurchschnittlich erfolgreich.79 Die Summerhill School ist folglich ein Plädoyer, Schüler/innen mehr Entscheidungsmöglichkeiten,
mehr
Freiheiten,
mehr
Verantwortung
einzuräumen. Oder, um es mit den Worten A. S. Neills zu sagen: „Es ist ein Trugschluß anzunehmen, Verantwortung sei eine Sache des Alters. Dieser Trugschluß legt das Leben der Jugend in die Hände schwächlicher alter
Männer,
die
wir
Staatsmänner
nennen,
aber
besser
als
1910
als
Statikmänner bezeichnen sollten.“80
4.3.2 Ein Kompromiss – Odenwaldschule Die
Odenwaldschule
Ober-Hambach
(OSO)
wurde
Landerziehungsheim im hessischen Heppenheim von Paul und Edith Geheeb gegründet und galt lange als eines der hervorragendsten reformpädagogischen Internate in Deutschland. Die Schüler/innen der Odenwaldschule bezahlen ein monatliches Schulgeld, etwa jeder Dritte wird jedoch von der Jugendhilfe finanziert. 81 Außerdem gibt es noch 78 79 80 81
Vgl. ebd. S. 70 Vgl. ebd. S. 99 Ebd. S. 156 Vgl. Anhang: Interview mit Fr. Höhmann, S. 54 24
mehrere Teil- und Vollstipendiaten an der OSO. Im Jahr 1998 erlangte die Odenwaldschule größere öffentliche Aufmerksamkeit auf Grund von Missbrauchsvorwürfen,
die
von
ehemaligen
Schüler/innen
erhoben
wurden. Eine umfangreiche Aufarbeitung begann erst im Jahr 2010 und wurde von der damaligen Schulleiterin Margarita Kaufmann initiiert. 82 Im Folgenden sollen aber nicht die Missbrauchsfälle im Vordergrund der Darstellungen
stehen,
sondern
vielmehr
die
besonderen
Beteiligungsmöglichkeiten für Schüler/innen an der Odenwaldschule. Bereits in §1, Abs. 1, der Satzung der Schülervertretung an der Odenwaldschule
ist
Selbstverantwortung demokratischen
festgehalten, und
zur
Mitwirkung
dass
politischen der
die
„Erziehung
Verantwortung
Schüler/innen
[…]
[dient]“. 83
zur einer Dieser
Grundsatz zieht sich durch das gesamte Leben an der Odenwaldschule. Das Entscheidungsgremium der Schüler/innen ist das Schülerparlament, dem drei Präsidenten vorstehen. Das Parlament entscheidet über Dinge, die ausschließlich die Schüler/innen betreffen, und finanziert sich durch einen Sozialfond, in den jede/r Schüler/in monatlich 1,50 € einzahlt. Wofür die Mittel dieses Sozialfonds verwendet werden, entscheidet das Schulparlament mit einer 2/3-Mehrheit. 84 Beispiele für eine Verwendung der Mittel sind die Kostenübernahme von Einkaufsfahrten für die Schüler/innen, der Besuch von Seminaren oder die Veranstaltung eigener Tagungen, wie dem SV-Wochenende. Das Parlament setzt sich zusammen aus zehn direkt gewählten Vertretern/innen und einem/r Vertreter/in jeder Familie85 an der Odenwaldschule. Oberstes Entscheidungsgremium an der Schule ist jedoch die allgemeine Konferenz bzw. der Trägerverein. Dieser hat zwar ein Veto-Recht, nutzt dieses
aber
Konferenz
nur setzt
in
außert
sich
seltenen
zusammen
Einzelfällen.
aus
sämtlichen
Die
allgemeine
Lehrer/innen,
82 Vgl. Odenwaldschule Ober-Hambach: Die besondere Verantwortung der Odenwaldschule, URL: http://www.odenwaldschule.de/verantwortung/die-verantwortung.html [Stand: 30.01.2013] 83 Odenwaldschule Ober-Hambach: Was aus unserer Schule wird, ist unsere gemeinsame Sache, URL: http://www.odenwaldschule.de/internat/schulgemeinde/gremien.html [Stand: 30.01.2013] 84 Vgl. Anhang: Interview mit den Parlamentariern, S. 58 85 Familie: Die Familien sind Einheiten, die sich altersgemischt aus mehreren Jungen und Mädchen zusammensetzen, meist gemeinsam in einem Haus wohnen und denen zwei Lehrer/innen (Familienoberhäupter) vorstehen. 25
pädagogischen Mitarbeiter/innen und Verwaltungskräften der Schule sowie bis zu 18 Schüler/innen, die alle gleich stimmberechtigt sind. Proportional gesehen beträgt der Anteil der Schüler/innen etwa 20% in der allgemeinen Konferenz.86 Dies entspricht in etwa dem Anteil der Schüler/innen in Schulkonferenzen von Schulen mit Oberstufe, dieser beträgt 25%. Auf Grund der Größe der Konferenz ist das Modell der Odenwaldschule jedoch eher mit der Gesamtkonferenz des Saarlandes, die in Kapitel 3.3 erläutert wurde, vergleichbar. Neben
der
Parlamentsarbeit
der
Schüler/innen
spielt
an
der
Odenwaldschule besonders die Ausschussarbeit eine wichtige Rolle, da die allermeisten schulischen Angelegenheiten, die später von der allgemeinen
Konferenz
Ausschüssen
beschlossen
besprochen
werden.
werden, In
vorher
jedem
intensiv
Ausschuss
in
sitzen
Schülervertreter, die Vorschläge einbringen können und sich oft lebhaft an den Diskussionen beteiligen. Dies führt dazu, dass die Schüler/innen in
der
Regel
allgemeinen
bereits
vor
Konferenz
der in
Diskussion den
in
der
entscheidenden
Entscheidungsfindungsprozess
eingebunden sind, diesen beeinflusst haben können und über die Sichtweisen der Lehrer/innen oder anderen Mitarbeiter/innen informiert sind. Diese Transparenz führt zu einem deutlich größeren Verständnis von
getroffenen
Entscheidungen
bei
den
Schüler/innen
der
Odenwaldschule.87 Beispiele für verschiedene Ausschüsse sind der Rechtsausschuss und der
Vertrauensausschuss.
schweren,
strafrechtlich
Der nicht
Rechtsausschuss relevanten
Fällen
wird
bei
minder
eingeschaltet.
Er
bemüht sich um die Vermittlung zwischen den Konfliktparteien und kann gemeinsam Konfliktlösung
mit
den
Familienoberhäuptern88
beschließen.
Die
Mitglieder
des
Maßnahmen
zur
Rechtsausschusses
werden von der Schülerschaft in einer Urwahl gewählt und setzen sich zusammen aus vier Lehrer/innen und vier Schüler/innen. Interessant ist 86 Vgl. Anhang: Interview mit Fr. Höhmann, S. 52 87 Vgl. Anhang: Interview mit den Parlamentariern, S. 58 88 Familienoberhäupter: Sind die Lehrer/innen, die der „Familie“ vorstehen. Seit den Missbrauchsfällen wird das Vier-Augen-Prinzip konsequent durchgeführt und es handelt sich immer um mindestens zwei Lehrer/innen. Mindestens eine der beiden Lehrpersonen wohnt in der Regel mit der Familie zusammen in einem Haus. Sie sind bei Konflikten die ersten Ansprechpartner für die Schüler/innen. 26
hierbei der einsichtsfördernde Aspekt, welcher sich zum Beispiel in der Erstellung sozialer Verträge zeigt. In diesen sozialen Verträgen schlägt der/die beschuldigte Schüler/in eine Maßnahme zur Wiedergutmachung vor, die je nach Art des Vergehens, von zusätzlichen Spül- und Aufräumdiensten über Aktivitäten mit jüngeren Schüler/innen bis zu dem Besuch einer externen Beratungsstelle reichen kann. Bei schweren oder wiederholten Vergehen oder falls sich die und
Rechtsausschuss
Konferenz,
nicht
vergleichbar
einig
mit
werden,
einer
wird
Familienoberhäupter eine
pädagogische
Klassenkonferenz
an
einer
Regelschule, einberufen. Diese kann weitere Maßnahmen, wie eine Probezeit, eine Art Bewährung mit Auflagen, beschließen oder sogar den Schulverweis bei der allgemeinen Konferenz beantragen. Neben den Mitgliedern des Rechtsausschusses, die mit jeweils einer Stimme an der pädagogischen Konferenz teilnehmen, sitzen auch die Mitglieder des Vertrauensausschusses in der pädagogischen Konferenz. Der
Vertrauensausschuss
setzt
sich
zusammen
aus
jeweils
drei
gewählten Vertreter/innen der Schülerschaft und Lehrerschaft. Er hat die Aufgabe, Streitigkeiten zu schlichten und als beratende Instanz bei der Lösung von Problemen zu fungieren. Außerdem sind sämtliche Mitglieder des Vertrauensausschusses ständige Vertrauenspersonen für die Schüler/innen, da sie zur Verschwiegenheit verpflichtet sind. Sie können außerdem die pädagogische Konferenz beraten. Die
Teekonferenz
unterrichtender Schülerschaft.
ist
eine
täglich
Lehrer/innen Hier
werden
sowie die
stattfindende der
Konferenz
aller
Konferenzdelegierten
Fehlzeiten
einzelner
der
Schüler/innen
verlesen und gegebenenfalls direkt vom Familienoberhaupt entschuldigt. Außerdem werden viele kleinere Bekanntmachungen vorgetragen. Die Anwesenheit der Schüler/innen bei jeder dieser Konferenzen führt zu einer ständigen Transparenz der Entwicklungen an der Schule. Bezogen
auf
das
Unterrichtsgeschehen
sind
die
Beteiligungsmöglichkeiten an der Odenwaldschule nicht außerordentlich ausgeprägt. Zwar gibt es viel selbstständiges Lernen, aber nicht in einem Umfang oder einer Art und Weise, die sich frappierend von der Herangehensweise
an
Regelschulen 27
unterscheiden
würde.
Bemerkenswert sind jedoch die Tertialsarbeiten, die jede/r Schüler/in der Oberstufe einmal pro Schuljahr anfertigen muss. Strukturelles Feedback wird derzeit an der Odenwaldschule eingeführt. Die Schule greift dabei auf emu zurück, ein Programm, welches zum Zwecke der Unterrichtsdiagnostik von der Universität Koblenz entwickelt wurde.89 Die
oben
aufgeführten
Aspekte
der
Schülerpartizipation
an
der
Odenwaldschule zeigen, dass ein Gegeneinander von Lehrer/innen und Schüler/innen mit klarer Frontenbildung, wie es zum Teil in Regelschulen zu
beobachten
ist,
an
der
Odenwaldschule
nicht
stattfindet.90
Schüler/innen fühlen sich mit ihren Anliegen ernst genommen und werden umfangreich in die Weiterentwicklung der Schule einbezogen. Einzige Ausnahme ist die Frage der Drogenpolitik, an der sich die Meinung bezüglich
von
Schüler/innen
des
restriktiven
und
Schulleitung
Vorgehens
der
bzw. Schule
Lehrerkollegium doch
deutlich
unterscheidet. Insgesamt ist die Odenwaldschule jedoch eine Schule, das zeigen die Ausschussarbeit, die Mitwirkungsrechte des Parlamentes und die Zufriedenheit der Schüler/innen mit ihren Beteiligungsrechten, in der alltägliche Partizipation gelebt wird.
5. 5.1 Der
Ausblick Aktuelle politische Entwicklungen hessischen
weniger
zur
Landesregierung
Förderung
der
wird
derzeit
vorgeworfen,
Partizipationsstrukturen
an
immer
hessischen
Schulen zu unternehmen beziehungsweise die Einflussmöglichkeiten von Schüler/innen sogar aktiv zu verringern. Insbesondere die Gestaltung der neu eingeführten selbstständigen Schule wird von Gewerkschaften und der Landesschülervertretung (LSV) scharf kritisiert. Nach Meinung der
GEW
werden
Entscheidungskompetenz
den
Schulleitern/innen
zugesprochen,
anstatt
immer die
mehr
vermehrte
Selbstständigkeit der Schulen in die Hände der gesamten Schulgemeinde 89 Weitere Erläuterungen: emu - Evidenzbasierte Methoden der Unterrichtsdiagnostik und -entwicklung. Wurde im Auftrag der Kultusministerkonferenz von der Universität Koblenz entwickelt (http://www.unterrichtsdiagnostik.info) 90 Vgl. Anhang: Interview mit Hrn. Fechner, S. 57 sowie vgl. Anhang: Interview mit Fr. Höhmann, S. 52 28
zu legen.91 Insgesamt zeigt sich das Bild, dass sich der Schulleiter/die Schulleiterin
nach
Auffassung
des
Hessischen
Kultusministeriums
weniger als „Erster unter Gleichen“, sondern mehr „gestaltender Entscheider“
zu verstehen habe.92 Diese Entwicklung, die mit dem
Aufbau einer Führungsakademie durch das Kultusministerium einhergeht, sieht die GEW kritisch. Bezüglich der Führungsakademie selbst fordert sie sogar die sofortige Auflösung dieser Institution, da die angebotenen Fortbildungen allen Lehrer/innen zugänglich gemacht werden sollten. 93 Es lässt sich also eine intensive Diskussion zwischen der Gewerkschaft und
dem
Kultusministerium
über
die
Rolle
des
Schulleiter/der
Schulleiterin in der Schulgemeinde und seiner/ihrer Entscheidungsgewalt feststellen. Im November 2011 kam es zu einem Konflikt zwischen dem Hessischen Kultusministerium auf der einen und dem Hauptpersonalrat, der GEW, dem Landeselternbeirat und der LSV auf der anderen Seite. Anlass hierfür waren die Pläne der damaligen Kultusministerin, Dorothea Henzler, die Entlastungsstunden für Verbindungslehrer/innen an den Schulen in das Schuldeputat zu übertragen und nicht mehr explizit auszuweisen. Dies hätte zur Folge gehabt, dass die Entlastungsstunden durch
die
gestrichen
Gesamtkonferenz
bzw.
den/die
Schulleiter/in
werden
Sehr
offensiv
warf
können.
der
hätten damalige
Landesschulsprecher, Kamyar Mansoori, der Ministerin vor, sie betreibe „Überwachung und Beschneidung der Mitbestimmungsorgane“. 94 Diese Maßnahme wurde in der Folge vom Kultusministerium aus dem Entwurf der Verordnung gestrichen. Erhalten blieb jedoch der Passus, der eine Kürzung
der
Entlastungsstunden
bei
Landesbeiräten,
91 Vgl. GEW Hessen: Titelthema: Mein Thema: Selbstständige Schule | Selbstständige Schulen brauchen Demokratie und Transparenz, URL: http://www.gew-hessen.de/index.php? id=296&tx_ttnews[tt_news]=4931&cHash=8c54fa2466558a031c49acd4d4b3a287 [Stand: 30.01.2013] 92 Nieder: Bilanzbericht der Schulinspektion, S. 19 f. 93 Vgl. GEW Hessen: Stellungnahme zum Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU und der FDP für ein Gesetz zur Reform der Organisationsstruktur der Schulverwaltung ( SchVwOrgRG) vom 21. August 2012, URL: http://www.gew-hessen.de/index.php? id=296&tx_ttnews[tt_news]=4984&cHash=15ca4b03f5ee004fe6202688892f8a1f [Stand: 30.01.2013] 94 LSV Hessen: „Mitbestimmung nur solange der Regierung die Meinung passt“, URL: http://www.lsv-hessen.de/themen/pflichtstundenverordnung/382-13-november-2011-qmitbes timmung-nur-solange-der-regierung-die-meinung-passtq [Stand: 30. Januar 2013] 29
Verbindungslehrer/innen
auf
Landesebene,
vorsieht
und
die
Kassenverwaltung der Landesschülervertretung auslagert. Henzler sah darin eine Verbesserung der Situation der Landesschülervertretung, da diese sich nun vermehrt auf inhaltliche Arbeit konzentrieren könnte. 95 Der aktuelle Landesschulsprecher Wüst verurteilte die Pläne des Kultusministeriums jedoch nach wie vor als „Blockadepolitik […] [, bei der] es die Demokratie in unserem Lande schwer haben [wird], Menschen zu finden, die gestalten und verändern wollen“. 96 Unter
der
neuen
Kultusministerin
Nicola
Beer
scheinen
allerdings
Veränderungen in Bewegung gesetzt worden sein. So beteiligte sich diese sogar an einer Aktion der LSV, in der die diese, im Zuge einer Demonstration vor dem Kultusministerium, Bildungsthesen, die auch ein Mehr an Beteiligungsmöglichkeiten in der Schule forderten, an eine symbolische Tür hämmerte.97 Ob sich allerdings langfristige Änderungen in den kritischen Beziehungen zwischen Interessenvertretungen und Kultusministerium ergeben, wird sich erst in Zukunft zeigen. Im Jahr der Landtagswahl haben auch die Oppositionsparteien im hessischen Landtag diesen Zwist um die Einflussmöglichkeiten von Interessenvertretungen im System Schule bemerkt und betonen alle in ihren Konzepten, dass sie die Beteiligungsmöglichkeiten verbessern wollen.
Konkrete
Maßnahmen
werden
aber
nicht
vorgeschlagen.
Vielmehr heißt es eher allgemein, man wolle die „demokratische Verfasstheit der Schule stärken“. Zudem solle die Schulkonferenz mit mehr Kompetenzen ausgestattet werden. 98 Lediglich „Die Linke“ spricht 95 Vgl. Hessisches Kultusministerium: Kultusministerin Dorothea Henzler weist Kritik des Landeselternbeirats zurück / „Entlastungsstunde für Verbindungslehrer wird nicht gestrichen“, URL: http://www.kultusministerium.hessen.de/irj/HKM_Internet? rid=HKM_15/HKM_Internet/nav/52e/52e07f78-a645-901b-e592-697ccf4e69f2,e25407cc-53 9f-5731-f012-f312b417c0cf,,,11111111-2222-3333-4444-100000005004%26_ic_uCon_zentr al=e25407cc-539f-5731-f012-f312b417c0cf %26overview=true.htm&uid=52e07f78-a645-901b-e592-697ccf4e69f2 [Stand: 30.01.2013] 96 LSV Hessen: Landesschülervertretung wehrt sich weiterhin gegen Angriffe auf ihre Handlungsfähigkeit, URL: http://www.lsv-hessen.de/news/pressemitteilungen/403-landesschuelervertretung-wehrt-sich -weiterhin-gegen-angriffe-auf-ihre-handlungsfaehigkeit [Stand: 30.01.2013] 97 Die Welt: Landesschülervertretung übergibt Bildungsthesen an Ministerin Beer, URL: http://www.welt.de/newsticker/news3/article106640574/Landesschuelervertretung-uebergibt -Bildungsthesen-an-Ministerin-Beer.html [Stand: 30.01.2013] 98 Bündnis 90 / Die Grünen Hessen: Ein neuer Aufbruch für Hessens Schulen, URL: http://www.gruene-hessen.de/partei/gremien-organisation/gruene-dokumente/landtagswahlp rogramm-2009/ein-neuer-aufbruch-fuer-hessens-schulen/ [Stand: 30.01.2013] 30
sich konkret dafür aus, Konferenzen in Zukunft drittelparitätisch zu gleichen Teilen mit Schüler/innen, Lehrer/innen und Eltern zu besetzen.99
5.2
Mögliche Veränderungen an Regelschulen
Eine Vielzahl der Elemente, die die Beteiligung von Personengruppen in Schulen stärken, lassen sich auch an Regelschulen implementieren. Mitbestimmungsmöglichkeiten Faktoren:
Zugang
repräsentative
zu
sind
elementar
Informationen,
abhängig
Urteilsvermögen
Interessenvertretung.100
Grundsätzlich
von
drei
sowie
eine
ist
zu
unterscheiden zwischen solchen Maßnahmen, die in den Schulalltag integriert werden sollten und solchen, die eher punktuell zu verstehen sind. Ständige Elemente sind beispielsweise der Klassenrat, die Wahl von Interessenvertretungen,
wie
Klassen-
und
Schulsprechern,
„Vertrauensgremien“, die bei Konflikten aktiv werden oder regelmäßige Feedbackinstrumente auf allen Ebenen.101 Punktuelle Maßnahmen sind dagegen unter anderem Projekte, wie zum Beispiel „Schule als Staat“ oder Zukunftswerkstätten für die eigene Schule.
5.2.1
Aufwand/Nutzen-Vergleich möglicher Neuerungen
Schulische Partizipation funktioniert grundsätzlich am besten, wenn Schüler/innen
unmittelbar
von
den
Folgen
betroffen
sind.
Der
naheliegendste Punkt ist deshalb eine von den Schüler/innen selbst bestimmte Regulierung des alltäglichen Miteinanders sowie das Lösen von Konflikten. Hier empfiehlt sich der Klassenrat, der als regulärer Bestandteil in den Stundenplan einfließen sollte. Der Arbeitsaufwand für den/die Lehrer/in ist zwar bei der Einführung des Klassenrates zunächst relativ hoch, er muss die Methode zu Beginn anleiten, grundsätzliche Verfahrensweisen
definieren
und
sich
gleichzeitig
aber
als
gleichberechtigtes Mitglied des Gremiums verstehen, nach einer Phase Vgl. SPD Hessen: Haus der Bildung. Chancen eröffnen – Perspektiven geben!, hrsg. von SPD Landtagsfraktion, Wiesbaden Juli 2007, S. 17 f. 99 Vgl. Die Linke Hessen: Bildung - Demokratische Prinzipien der Arbeit in der Gemeinschaftsschule, URL: http://www.die-linke-hessen.de/lv15/programm/programm/244-bildung?start=9 [Stand: 30.01.2013] 100 Vgl. Eikel, Demokratische Partizipation, S. 12 101 Vgl. Kap. 4.1.1: Feedback – Fontane-Gymnasium Rangsdorf 31
der Eingewöhnung kann er sich aber deutlich zurücknehmen und den Klassenrat
in
einer
begleitenden
Rolle
wahrnehmen.
Da
die
Auswirkungen der Beschlüsse des Klassenrates meist sofort sichtbar sind
ist
der
Nutzen
im
Lernprozess
demokratischer
Partizipation
immens.102 Es ist zwar festzustellen, dass der Klassenrat als Methode inzwischen
weitgehend
akzeptiert
ist,
er
jedoch
oft
nur
in
der
Unterstufe durchgeführt wird. Insbesondere aber in der Mittelstufe, in der es klassischerweise zu einer Häufung von Konflikten kommt, ist er ein Mittel der konstruktiven Konfliktlösung. Eine Vergrößerung der Schulkonferenz auf bis zu 25 Personen, dies entspricht einer Verdoppelung der Regelgröße, ist ohne weiteres durch entsprechende Anträge zu bewerkstelligen. Der Nutzen, den eine solche Maßnahme
hätte,
ist
durchaus
zu
hinterfragen.
Wenn
eine
Schulkonferenz es aber als ihre Aufgabe sieht, die Gesamtheit der Schulgemeinde
möglichst
Schlussfolgerung
repräsentativ
naheliegend,
dass
abzubilden,
mehr
ist
Vertreter/innen
die die
pluralistische Schulgemeinde auch besser abbilden können. Ausgehend von der Kritik, dass die Schulkonferenz ihrer repräsentativen Funktion nur unzureichend nachkomme, und unter Kenntnisnahme von Beispielen, in denen eine größere Anzahl von Interessenvertreter/innen in einer Konferenz zu einer größeren Zufriedenheit mit den Entscheidungen führe,
ist
die
Vergrößerung
der
Schulkonferenz
die
logische
Konsequenz.103 Dies gilt insbesondere unter Beachtung des Informationsund
Transparenzgedankens,
da
sich
Informationen,
sofern
mehr
Personen von ihnen Kenntnis haben, auch besser verbreiten. Regelmäßiges Feedback als Rückmeldeinstrument einzuführen ist mit großem
Aufwand
verbunden,
da
es
auf
Grund
der
Umkehr
der
klassischen Rollenstrukturen ein grundsätzliches Umdenken bei allen Personengruppen erfordert. Sich auf diesen Weg zu begeben, bedarf intensiver Vorbereitung, in die alle Beteiligten miteinbezogen werden müssen. Beim Einführen von Feedback in der Schule ergibt sich häufig die
Schwierigkeit,
dass
Feedback
nur
in Teilen
angenommen und
aufgearbeitet wird. Allerdings zeigen erfolgreiche Beispiele, dass gut 102 103
Vgl. Eikel, Demokratische Partizipation, S. 17 ff. Vgl. Anhang: Interview mit Fr. Höhmann, S. 51 32
durchgeführtes Feedback zu einer tatsächlichen Verbesserung der Beziehungen der beteiligten Personengruppen untereinander führen kann und nachhaltige Veränderungen angestoßen werden können.104 Das Einführen
von
Feedbackinstrumenten
ist
deshalb
für
Schulen
zu
empfehlen, welche sich selbst als „lernende Institutionen“ verstehen und in denen ein breiter Konsens herrscht, die Schule als ganzheitliches System
zu
begreifen,
welches
von
der
gesamten
Schulgemeinde
entwickelt werden sollte. Schülerfirmen, wie das Betreiben einer Cafeteria durch Schüler/innen, haben oft einen unmittelbaren Nutzen für das Schullleben, da sich diese Initiativen meist auf Grund von Unzufriedenheiten der Schüler/innen bilden und versuchen, diese mit Hilfe eigener Aktivitäten konstruktiv zu lösen. Der Aufwand, der hierbei für Lehrer/innen und Schulleitung anfällt,
kann
von
fast
keiner
Unterstützung,
einem
reinen
„Gewährenlassen“, bis zu einer umfassenden Förderung variieren und muss deshalb von Fall zu Fall angepasst werden. Grundsätzlich sind Schülerfirmen aber eine besondere, aktive Mitgestaltungsmethode für Schüler/innen und sollten als diese wahrgenommen werden. Dies gilt insbesondere auch für Schülerzeitungen, die sich von der Schulzeitung durch ihre Unabhängigkeit unterscheiden. Hier ist oft Unterstützung durch eine Lehrperson und die Schulleitung, insbesondere bei der Publikation, notwendig, doch sollte keine Einflussnahme stattfinden, sondern
vielmehr
die
kritische
Auseinandersetzung
auch
mit
der
eigenen Schule gefordert und gefördert werden. Die Folge dieser Maßnahme
ist
eine
Informationsorgan
von
Schüler/innen
für
Schüler/innen, in dem sie ihre Sichtweise darstellen und sich in der Ausübung ihrer Grundrechte, wie der Presse- und Meinungsfreiheit, erproben können.
6.
Fazit
Die Schule ist keine basisdemokratische Institution. Die hauptsächlichen Entscheidungsträger in einer Schule sind die Lehrer/innen und die Schulleitung, nicht aber die gesamte Schulgemeinde. Auf Grund ihres 104
Vgl. Witt: Feedbackkultur als Strategie, S. 23 ff. 33
jahrelangen Studiums wissen diese vielleicht auch am besten, was gut für
die
Schule
sei.
Kultusministerium repräsentativer Parlament
ist
Die
Einsetzung
beispielsweise
Demokratie.
den
Das
der eine
Volk
Ministerpräsidenten,
Schulleitung klassische
wählt
der
durch
das
Folgehandlung
das
Parlament,
das
ernennt
wiederum
die
Minister/innen und der/die Minister/in, beziehungsweise von ihm/ihr beauftragte Beamte, ernennen den/die Schulleiter/in. Dieses Beispiel soll
exemplarisch
verdeutlichen,
dass
die
Entscheidungsstrukturen
innerhalb der Schule also eine Folge demokratischer Prozesse, aber in sich nicht demokratisch aufgebaut sind. Bereits im hessischen Schulgesetz ist aber festgeschrieben, dass die Schule nicht nur die Aufgabe hat, Wissen zu vermitteln, sondern vielmehr den/die Schüler/in, den Jugendlichen, auf das Leben als mündigen
Bürger
vorbereiten
soll.
Bürger,
die
sich
aktiv
am
Gesellschaftsleben beteiligen, kann es aber nur dann geben, wenn diese den Wert und die Wirkung von Beteiligung einschätzen können. Dass diese Beteiligung insbesondere im System Schule sinnvoll ist, zeigen unter anderem die Eindrücke der Lehrer/innen und Schulleiter/innen in meinen Interviews, die alle der Meinung waren, dass sich durch die Beteiligung
von
Schüler/innen
und
Eltern
die
Qualität
von
Entscheidungen an der Schule verbessere, da sich die Vielschichtigkeit im
System
Schule
auch
in
den
Entscheidungsfindungsprozessen
widerspiegele. Wie am Beispiel der Odenwaldschule belegt, zeigen die Schüler/innen
aber
auch
eine
deutlich
größere
Zufriedenheit
und
Identifikation mit der Schule, wenn sie das Gefühl haben, diese auch gestalten zu können. Derzeit scheint es zwei gegensätzliche Entwicklungen bezüglich der Mitbestimmungsrechte von Schüler/innen im System Schule zu geben. Auf der einen Seite verkleinern sich die Einflussmöglichkeiten der Schüler/innen bei „politischen“, richtungsweisenden Entscheidungen. So werden zum Beispiel die Kompetenzen der Schulkonferenz trotz der Einführung der „selbstständigen Schule“ in Hessen nicht ausgebaut, Verbindungslehrerstunden sollten gekürzt werden, die Befugnisse der Schulleiter/innen steigen und auch die Landesschülervertretung fühlt 34
sich in ihrer Arbeit, wie oben dargelegt, behindert. Auf der anderen Seite
bekommen
die
Schüler/innen
Einflussmöglichkeiten.
Der
im
Unterricht
Unterricht
wird
immer
mehr
individualisiert,
Feedbackinstrumente für das konkrete Unterrichtsgeschehen werden eingeführt und Partizipationsmöglichkeiten wie der Klassenrat sind weitestgehend etabliert. Zwar sind letztere Entwicklungen erfreulich, dass man Schüler/innen aber nicht zutraut, auch wichtigere Entscheidungen zu beeinflussen, ist meines Erachtens bedauerlich. Der entscheidende Faktor für den Erfolg eines/einer Schülers/Schülerin ist die Zufriedenheit mit der eigenen Schule, der Wille, diese Schule zu besuchen und sich Wissen anzueignen. Zufrieden kann ein/e Schüler/in aber nur dann sein, insbesondere wenn er/sie zu einem selbstständigen Erwachsenen reifen soll, wenn er/sie sich ernst genommen fühlt und den Eindruck hat, an der Behebung von Missständen mitarbeiten und sein tägliches Umfeld, auch in der Schule, mitgestalten zu können. Noch vor dem Wunsch nach mehr direkten Einflussmöglichkeiten besteht aber der Wunsch nach Information. Schüler/innen haben das Verlangen, Vorgänge und Entscheidungen, die getroffen werden und die sie direkt betreffen, nachvollziehen zu können. Dies spiegelt sich auch in dem Erfolg der Piratenpartei, beispielsweise bei den Landtagswahlen in Berlin oder Nordrhein-Westfalen, wider, die neben der Netzpolitik vor allen Dingen
das
Thema
der
Transparenz
in
den
Mittelpunkt
ihrer
Öffentlichkeitsarbeit rückten und sich insbesondere bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen großer Beliebtheit erfreute. Am Beispiel der Odenwaldschule zeigt sich ebenfalls, dass alleine durch das Herstellen eines gut funktionierenden Informationsflusses das Verständnis von Schüler/innen auch für schwierige Entscheidungen, und damit auch ihre Zufriedenheit mit der Schule, massiv steigt. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass sich das System Schule weiter entwickeln
muss.
Wenn
die
Gesellschaft
Politikverdrossenheit
und
Extremismus begegnen will, müssen die Bürger von Anfang an in ihren, durch
den
Staat
bestimmten,
unmittelbaren
Lebensbereichen
mitbestimmen können. Auf diesen Weg ist die Schule ein wichtiger 35
Ansatzpunkt,
dass
haben
die
oben
genannten
Beispiele,
wie
die
Odenwaldschule, das Fontane-Gymnasium oder sogar die Summerhill School, die sich alle mit einer besonders aktiven Integration der Schüler/innen in Entscheidungsprozesse auszeichnen, oder der Erfolg einzelner Projekte, wie „Schule als Staat“, gezeigt. Schüler/innen müssen
Partizipationsmöglichkeiten
aufgezeigt
werden
um
ihr
Verständnis und ihre Wertschätzung der Demokratie zu stärken. Jede Schule
kann
selbst
die
Initiative
ergreifen
und
prüfen,
wo
sie
demokratische Kompetenzen fördern kann, vor allen Dingen muss aber die
Landesregierung
Maßnahmen
ergreifen,
damit
demokratische
Strukturen in der Schule nicht von dem Einsatz einzelner Personen abhängig sind, sondern als genauso wichtiges Element verstanden werden wie der tägliche Unterricht.
36
Quellen- und Literaturverzeichnis In den Fußnoten der vorliegenden Arbeit wird die Literatur jeweils bei der ersten Nennung mit Namen des Verfassers, Titel und Erscheinungsjahr genannt. Ab der zweiten Nennung erfolgt nur noch die Angabe eines Kurztitels. Der volle Titel ist dem nachstehenden Literaturverzeichnis zu entnehmen. Da viele meiner genutzten Quellen von Behörden, gemeinnützigen Vereinen oder Stiftungen herausgegeben wurden, sind einige meiner Printquellen auch in digitaler Form verfügbar. Sofern mir dies bekannt ist, ist die entsprechende Quelle auch verlinkt.
Gesetzestexte (in der jeweils aktuellen Fassung vom 22. März 2013) Hessisches Schulgesetz Schulgesetz des Landes Sachsen-Anhalt Bayerisches Gesetz über das Erziehungs- und Unterrichtswesen Rheinland-pfälzisches Schulgesetz Schulgesetz für Berlin Schulgesetz für das Land Nordrhein-Westfalen
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Kinder: Wenn Eltern und Schule gemeinsame Sache machen..., hrsg. von: Deutsche Kinder- und Jugendstiftung, Berlin 2007. URL: http://www.dkjs.de/uploads/tx_spdkjspublications/Arbeitshilfe_8.pdf Schulrundschreiben August 2012 hrsg. von: Landesschülervertretung Hessen, Gießen 2012. URL: http://www.lsv-hessen.de/materialien/category/5-schulrundschreiben? download=68:schulrundschreiben-2012-august Schulrundschreiben Januar 2008, hrsg. von: Landesschülervertretung Hessen, Gießen 2008. URL: http://www.lsv-hessen.de/materialien/category/5-schulrundschreiben? download=44:sr-jan-2008-014 SPD Hessen: Haus der Bildung. Chancen eröffnen – Perspektiven geben!, hrsg. von: SPD Landtagsfraktion, Wiesbaden 2007. URL: http://www.spd-hessen.de/db/docs/doc_27347_20101261136.pdf Witt, Katja: Feedbackkultur als Strategie demokratischer Veränderung: Fontane-Gymnasium Rangsdorf, hrsg. von: BLK-Programm „Demokratie lernen & leben“, Berlin 2006. URL: http://blk-demokratie.de/fileadmin/public/praxisbausteine/rangsdorf/ Rangsdorf_neu.pdf
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39
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LSV Hessen: Landesschülervertretung wehrt sich weiterhin gegen Angriffe auf ihre Handlungsfähigkeit, URL: http://www.lsv-hessen.de/news/pressemitteilungen/403-landesschuel ervertretung-wehrt-sich-weiterhin-gegen-angriffe-auf-ihre-handlungsf aehigkeit. LSV Hessen: „Mitbestimmung nur solange der Regierung die Meinung passt“, URL: http://www.lsv-hessen.de/themen/pflichtstundenverordnung/382-13-n ovember-2011-qmitbestimmung-nur-solange-der-regierung-die-meinung -passtq. Landesschülerrat Sachsen: Bundesschülerkonferenz, URL: http://lsr-sachsen.de/der-lsr/bsk/. Mitwirkung mit Wirkung: Unsere Projektidee, URL: http://schuelermitwirkung.de/home/projektidee.html. Odenwaldschule Ober-Hambach: Die besondere Verantwortung der Odenwaldschule, URL: http://www.odenwaldschule.de/verantwortung/die-verantwortung.html . Odenwaldschule Ober-Hambach: Was aus unserer Schule wird, ist unsere gemeinsame Sache, URL: http://www.odenwaldschule.de/internat/schulgemeinde/gremien.html. Serviceagentur „Ganztägig Lernen“ Hessen: Schüler/innenpartizipation, URL: http://www.hessen.ganztaegig-lernen.de/node/1161. Serviceagentur „Ganztägig Lernen“ Hessen: Klassenrat, URL: http://www.hessen.ganztaegig-lernen.de/Die %20Serviceagentur/Formate/%20Unterst %C3%BCtzungsangebote/klassenrat.
41
Anhang
42
Gedächtnisprotokoll: Interview mit Hr. Becklas, Schulleiter am Goethe-Gymnasium Kassel autorisiert am 27. Januar 2013 Datum, Uhrzeit: Dienstag, 13. November 2012, 16:00 Uhr – 18:20 Uhr Ort: Schulleiterbüro im Goethe-Gymnasium Kassel Inhalt: Ich eröffne das Gespräch und bedanke mich bei Hrn. Becklas, dass er sich die Zeit nimmt für dieses Interview. Die erste Frage ist die Frage nach dem Sinn und Zweck von Beteiligung in der Schule. Hr. Becklas erläutert, dass die autoritäre Schule der Vergangenheit angehöre und heute so weder umsetzbar noch gewollt sei. Er erzählt eine kleine Anekdote, die ihm ein Kollege erzählte. Er betont, dass er nicht sicher wisse, ob sie wirklich geschehen sei, denke aber, dass man davon ausgehen könne: „Eine Abiturprüfung vor etwa 40-50 Jahren: Der Direktor fordert alle Lehrer, es gab damals nur männliche an dieser Schule, auf, in die Aula zu kommen. Während er eine Ansprache hält, stehen alle Lehrer stramm. Er geht die Reihe von Lehrern ab. Am Ende bleibt er stehen und meint: „Meine Herren. So kann die Abiturprüfung heute nicht stattfinden!“ und fordert alle auf, die Aula zu verlassen. Ratlosigkeit bei den Lehrern. Nach einer halben Stunde werden wieder alle Lehrer in die Aula gerufen, der Schulleiter geht sie ab
und
verkündet
erneut,
dass
die
Abiturprüfung
heute
nicht
stattfinden wird und sämtliche Lehrer die Aula wieder verlassen sollen. Am Ende stellte sich heraus, dass ein Lehrer farbige Socken trug. Erst als er dies geändert hatte, konnte die Abiturprüfung beginnen.“ Hr. Becklas führt aus, dass dieses Beispiel exemplarisch die autoritären Strukturen der damaligen Zeit zeige. Es gab damals wohl weder die Möglichkeit noch den Willen, gegen diese zu rebellieren. Heutzutage würde man dagegen derart autoritäre und hierarchische Strukturen möglicherweise nur noch in Einrichtungen wie der Bundeswehr oder der Polizei finden. Dass die Schule nicht mehr ein derart autokratisches System ist, findet Hr. Becklas gut. Dass man ein System wie das System Schule alleine führe, sei nahezu ein Ding der Unmöglichkeit, meint Hr. 43
Becklas. Damit sich die Vielschichtigkeit im System Schule auch in der Leitung widerspiegele, müssten Entscheidungen und insbesondere die vorherigen Planungsphasen von verschiedenen Blickwinkeln, die durch Informationen und Hinweise entscheidend auf den Erfolg eines Projektes hinwirken, geprägt sein. Hierbei, so betont Hr. Becklas, sei insbesondere das Gespräch bzw. der Austausch zwischen Schulleitung und Interessenvertretungen elementar, damit man die Wirkung einzelner Entscheidungen besser abschätzen könne. Besonders Lehrer/innen seien durch ihren ständigen Kontakt mit Schüler/innen
und
durch
ihre
fachliche
Expertise
wichtige
Ansprechpartner. Da der Schulleiter selbst kaum noch unterrichte, sei er darauf angewiesen, durch den Kontakt zu Lehrer/innenn nicht die Nähe zum Schulalltag zu verlieren. Ich frage, ob die Meinungen bestimmter Interessenvertretungen stärker gewichtet werden oder ob zu bestimmten Interessenvertretungen ein intensiverer Kontakt gepflegt werden würde. Hr. Becklas verneint dies. Die Meinungen aller in der Schule beteiligten Gruppen seien gleich wichtig. Die Schulleitung sei aber die Entscheidungsträgerin in der Schule, da sie schließlich auch die Verantwortung trage. Als wichtigstes Organ nennt Hr. Becklas die Gesamtkonferenz, da die Lehrer/innen über die Zukunft einer Schule bestimmen sollten, da diese schließlich auch die längste Zeit an der Schule verbringen. Die Gesamtkonferenz, als Gesamtheit
aller
Lehrer/innen,
mache
die
Schule
aus,
nicht
der
Schulleiter alleine. Die Aufgabe des Schulleiters sei es vielmehr, bestimmte Dinge zu verstärken oder zu bremsen und die Schule auf diese
Art
und
Weise
zu
leiten.
Obwohl
die
Lehrer/innen
die
entscheidende Personengruppe in der Schule seien, seien die Blickwinkel anderer
Gruppierungen
Pluralismus,
der
sich
trotzdem in
einer
sehr
Schule
wichtig, findet,
da sich
nur
so
der
auch
in
den
Entscheidungen abbildet. Elternarbeit orientiere sich aber beispielsweise weniger an den komplexen Hintergründen bestimmter Entscheidungen, sondern an den Fakten des Moments. Auf die Frage, inwieweit es Beteiligungsmöglichkeiten für Schüler/innen auch im Unterricht gebe, antwortet Hr. Becklas, dass bereits diverse 44
Ansätze, gerade bei jüngeren Kollegen, zu erkennen seien, dass die vollständige Umsetzung aber noch deutlich länger dauern würde. Er gehe von etwa 10 Jahren aus. Man sei hier ganz am Anfang. Als er vor über 30 Jahren als Lehrer angefangen habe, sei Unterricht aber noch deutlich
lehrerzentrierter
gewesen.
In
der
Zukunft
seien
diese
lehrerzentrierten Bestandteile nur noch vereinzelt, bei bestimmten Themenblöcken, im Unterricht wiederzufinden. Generell sei die Lehrerin oder der Lehrer in Zukunft eher ein Begleiter und Berater. Dies erkenne man auch am heutigen Abitur, welches immer weniger input- und vielmehr outputorientiert sei. Die Schüler/innen müssen immer mehr eigenverantwortlich arbeiten, dies führe aber auch zu Hilflosigkeit bei einzelnen Schüler/innen. Er erkenne in Fünftklässlern jedes Jahr aufs Neue neugierige, offene Wesen. Diese Neugier gilt es in Zukunft weiter zu fördern und zu begleiten, damit jede/r Schüler/in erfolgreich durch die schwierige Zeit der Pubertät komme. Ich frage Hrn. Becklas, wie er die demokratischen Strukturen am Goethe-Gymnasium wahrnehme. Hr. Becklas persönlich nimmt ein sehr aktives Kollegium wahr. Die Gesamtkonferenzen werden zwar von der Schulleitung geleitet, viele Diskussions- und Abstimmungspunkte werden aber zuvor intensiv diskutiert, häufig auch über Bekanntmachungen vor der Konferenz. Es hätte in der Vergangenheit auch Situationen gegeben, in denen Schulleitung und Kollegium unterschiedlicher Ansichten gewesen wären und sich dann Kompromisse hätten bilden müssen. Die Schule sei deutlich weniger autokratisch als früher, ein Großteil der Arbeit finde in Ausschüssen statt. Dies führe dazu, dass die Schule von allen, nicht nur von Einzelpersonen, weiterentwickelt werde. Beispielhaft zeige sich dies auch in der Schulentwicklungsplanung. So wurde vor etwa anderthalb Jahren
beschlossen,
dass
das
Schulprogramm
einer
erneuten
Überarbeitung bedarf. Diese Aufgabe sei in die Hand von Kolleginnen und Kollegen gelegt worden, die viele Vorschläge sammelten und unter anderem an die Fachschaften zur weiteren Überarbeitung weiterleiteten. Die Arbeitsgruppe sei aber lehrerintern gewesen, Schüler/innen oder Eltern wurden nicht angesprochen und zur Mitarbeit gebeten. Die 45
Schulleitung habe diese Prozesse stets begleitet. Meistens werden Arbeitsgruppen nicht von Mitgliedern der Schulleitung geleitet, diese beauftragt aber bestimmte Lehrer/innen, die Arbeitsgruppen zu leiten. Die
Lehrer/innen
müssten
also
häufig
neben
Unterricht
und
Unterrichtsvorbereitung noch Mehrarbeit leisten, um eine gute Schule zu garantieren.
Die
Ressourcenfrage,
Schulleitung also
Entlastungsstunden
ob zur
entscheide
in
Lehrer/innenn Verfügung
diesem
für
Fall
bestimmte
gestellt
über
die
Aufgaben
werden.
Eine
Zusammenarbeit mit Schüler/innen und Eltern habe sich für diese Arbeitsgruppen aber noch nicht ergeben, sie beständen in der Regel aus Mitgliedern der Schulleitung und Lehrer/innenn. Es gebe aber die Idee, zum Beispiel die Steuergruppe der Schule wieder breiter aufzustellen. Im Allgemeinen sei die Zusammenarbeit von Schulleitung und Eltern bzw. Schüler/innen sehr personenabhängig. Sowohl bei der Elternarbeit als auch bei der SV habe es schon inaktive Zeiten gegeben, dies hänge davon ab, welche Person die jeweiligen Interessenvertretungen anführe. Die
Kooperation
habe
er
aber
stets
als
konstruktiv
empfunden.
Insbesondere bei der Elternarbeit zeige sich aber das Problem der Aktivität,
welches
vielleicht
an
fehlendem
Interesse
liege.
Die
Schulleitung nehme an allen Sitzungen des Schulelternbeirats teil und habe so auch die Möglichkeit, direkt auf Kritik zu reagieren. Auf Seiten der Eltern zeige sich ein mangelhafter Einsatz für die Schule, auf Nachfragen nach Unterstützung bei Veranstaltungen gebe es oft eine sehr geringe Resonanz. Dies hänge vielleicht auch mit dem Klientel zusammen, welches die Schule bediene. Ich frage Herrn Becklas, auf welche Art und Weise er die verschiedenen
Personengruppen an der
Schule in seine Schulleitungsaufgaben integriert. Herr Becklas erläutert, dass er einmal im Monat mit dem Personalrat ein Gespräch führe. Das Verhältnis mit dem Personalrat würde er als konstruktiv-kritisch beschreiben. Bei den Eltern gebe es Elternbriefe, diese dienen aber nur der einseitigen Information. Bei Elternsprechtagen käme es vor, dass Eltern sich auch an die Schulleitung wenden. Grundsätzlich gebe es allerdings meistens negative Rückmeldungen, da Eltern bei einem positiven Verlauf der Dinge keinen Grund für ein Gespräch sähen. 46
Ansonsten gebe es auch noch Gespräche mit dem Schulelternbeirat, aber keinen festen Rhythmus für diese, die Termine würden je nach Anliegen ausgemacht. Auch bei der SV würde man eher darauf warten, dass die SV mit bestimmten Problemen oder Fragestellungen auf die Schulleitung zukommt. Zwar gebe es auch Impulse von der Schulleitung in Richtung SV, diese müssten aber auch aufgenommen werden. Im Zuge dieser Erläuterungen spreche ich ihn auf die Schulkonferenz an. Herr
Becklas
führt
aus,
dass
er
es
für
falsch
hält,
dass
die
Schulkonferenz das höchste beschlussfähige Gremium an einer Schule sei. Die Lehrerschaft mache die Schule aus, deshalb sollten die Beschlüsse der Gesamtkonferenz auch bindend sein. Durch die geringe Größe der Schulkonferenz sitzen auch nur einzelne Vertreter in diesem Gremium, die nicht repräsentativ für die gesamte Schule stehen könnten. Es bestehe
die
Gefahr
des Missbrauchs durch
einzelne
Mitglieder, welche sich gegen die Beschlüsse der Gesamtkonferenz stellen könnten. Vielmehr solle die Schulkonferenz ein beratendes Gremium
für
die
Gesamtkonferenz
sein,
die
zwar
bei
vielen
Entscheidungen anzuhören sei, diesen aber nicht zustimmen müsste. Bei der Klassenkonferenz sei es schade, dass diese sich mehr zu einer „Strafkonferenz“ entwickelt habe und nicht mehr den Zweck der allgemeinen Beratung über die Dinge in einer Klasse erfülle. Es sei aber sehr sinnvoll, dass Eltern und Schüler/innen hier mit einbezogen würden und ihre Blickwinkel der Konferenz darstellen könnten. Wir wechseln das Thema und ich frage ihn nach den beiden Projekten aus
der
jüngsten
Vergangenheit,
durch
die
die
Beteiligung
von
Schüler/innen gefördert werden sollte bzw. durch die sie sich gezeigt hat, Feedback und der Antrag eines Online-Vertretungsplans. Zunächst geht Hr. Becklas auf Feedback ein. Dieses Projekt sei aus einem pädagogischen Tag entstanden und es habe sich eine dauerhaft aktive AG gebildet. Die Schulleitung hatte hierbei eine passive Rolle, da die AG gut funktioniere und Impulse deshalb nicht nötig seien. Die AG habe sich vielmehr immer mehr zum Selbstläufer entwickelt, dies hänge aber auch mit den engagierten Personen zusammen, aus denen sich die AG derzeit
47
zusammensetze. Die Schulleitung sei angetan von dem Projekt und unterstütze es auch so weit wie möglich. Feedback werde immer wichtiger, weil sich die Lehrerin bzw. der Lehrer der Zukunft als Berater und Begleiter verstehen soll und deshalb auf ständige Rückmeldungen angewiesen sei. Auch Feedback stehe aber erst am Anfang und müsse sich
noch
weiterentwickeln.
Ich
frage
Lehrerkollegium-Schulleitungs-Feedback.
insbesondere
Herr
Becklas
nach
dem
findet
dies
spannend. Es habe sich aber auch gezeigt, dass der Umgang mit den Ergebnissen schwierig war und er zum Beispiel seine Ergebnisse erst nur engsten Vertrauenspersonen gezeigt habe. Später habe er aber zum Beispiel zum Gespräch über seine Ergebnisse eingeladen und dabei den statistischen Teil auch öffentlich ausgelegt, den Teil des Freitextes habe er aber weiterhin vertraulich behandelt, da dort teilweise sehr persönliche Dinge zu finden waren. Die Nachhaltigkeit sehe er nur teilweise gegeben, zwar habe er versucht, einzelne Dinge später zu verändern, man sei aber schnell wieder in den Alltag übergegangen. Da die
Fragebögen
teilweise
Schulleitungsmitglieder
sehr
unpassend
unspezifisch waren,
sei
bzw. es
für
für
einzelne
die
Zukunft
wünschenswert, dass die Schulleitung stärker bei der Entwicklung der Fragebögen zum Schulleitungsfeedback einbezogen werden würde. Bei
dem
Antrag
bzw.
der
vorhergegangenen
Petition
auf
einen
Online-Vertretungsplan hatte Herr Becklas den Eindruck, dass dies durchaus von Teilen des Kollegiums forciert wurde. Auch die Petition von über 600 Unterschriften hätte wenig Aussagekraft, da viele wohl einfach unterschrieben, weil man ihnen etwas zum Unterschreiben hingehalten hätte. Trotz allem war die Ablehnung der Schulleitung inhaltlicher Natur. Es sei auch korrekt, dass das Versprechen, welches auf der Gesamtkonferenz gegeben wurde, dass man weiter an einem gemeinsamen Konzept arbeiten werde, nicht gehalten wurde. Dies hänge damit
zusammen,
dass
sich
die
ablehnende
Haltung
zu
einem
Online-Vertretungsplan noch weiter gefestigt habe und kein Verfahren gefunden wurde, das die Bedenken ausgeräumt hätte. Ich frage Herrn Becklas, welche Entwicklungen er für die Zukunft sieht oder sich wünscht. Er macht deutlich, dass die Hauptverantwortung für 48
die Schule die Schulleitung habe und auch weiterhin behalte. Er halte es deshalb
für
wichtig
und
möchte
es
auch
fortführen,
dass
schulleitungsintern, sofern es möglich ist, ein Konsensprinzip herrsche und dass bei getroffenen Entscheidungen diese Einigkeit auch nach außen
transportiert
werde.
Wichtig
ist
ihm
eine
offene
Haltung
seinerseits für Vorschläge, zum Beispiel von den Fachsprechern. Die Möglichkeiten für Beteiligung am Goethe-Gymnasium schätzt er als gut ein. Basisdemokratie sei jedoch im System Schule unmöglich, auch die Wahl von Schulleitungsmitgliedern durch die Schulgemeinde lehnt er ab, weil es sonst zur Frontenbildung und Lobbyismus kommen könnte. Daher sei es besser, die Schulleiterposition nach einer objektiven Auslese von außen zu besetzen. Der Schulleiter trägt die Verantwortung für die Schule und müsse deshalb auch stets die letzte Instanz in der schulinternen Hierarchie sein. Damit dies funktioniere, müsse sich aber auch jeder Schulleiter als Dienstleister seiner Schule verstehen und sich nie von eventuellen persönlichen Verletzungen leiten lassen. Ich bedanke mich bei Herrn Becklas für das umfangreiche Interview.
49
Gedächtnisprotokoll: Interview mit Hrn. Fohrmann, Vorsitzender des Personalrates am Goethe-Gymnasium Kassel autorisiert am 20. März 2013 Datum, Uhrzeit: Dienstag, 04. Dezember 2012, 13:30 Uhr – 14:45 Uhr Ort: Cafeteria des Goethe-Gymnasiums Kassel, Wimmelgebäude Inhalt: Ich eröffne das Gespräch und bedanke mich bei Hrn. Fohrmann, dass er sich die Zeit nimmt für dieses Interview. Die erste Frage ist die Frage nach dem Sinn und Zweck von Beteiligung in der Schule. Hr. Fohrmann ist der Überzeugung, dass durch die Beteiligung von verschiedenen Personengruppen in der Schule die Identifikation mit der Schule gestärkt wird, Entscheidungen auf eine höhere Akzeptanz treffen und die Motivation eines jeden Einzelnen, die Schule zu verbessern, steigt. In der Schule gebe es viele verschiedene Rollen und Positionen und jeder sollte sich wohl fühlen. Zwar sei Schule auf jeden Fall ein hierarchisches System, dies sei auch vollkommen in Ordnung, wichtig sei jedoch, dass es Möglichkeiten gebe, zu partizipieren, wenn man das wolle. Damit Beteiligung funktioniere, müsse aber auch der Wille zur Beteiligung gegeben sein. Damit dies der Fall ist und zum Beispiel Lehrer/innen auch die zusätzliche Pflicht und Verantwortung auf sich nehmen, müssten die äußeren Umstände den Lehrer/innen zeitliche Räume schaffe, um sich zu engagieren. In
der
schulinternen
Aufgabenverteilung
sieht
Hr.
Fohrmann
die
Schulleitung als Verwalter, auch von Missständen, die durch äußere Umstände gegeben wären, und die Schüler/innen als Produkt der Schule, welches im Zentrum stehen muss. Deshalb versuche man auch, jede/n Schüler/in so individuell wie möglich zu behandeln. Hierbei sei zum Beispiel kompetenzorientiertes Lernen ein erster Schritt. Ich frage, ob der Personalrat sich von der Schulleitung wahr- und ernst genommen
fühle.
Hr.
Fohrmann
meint,
dass
die
Schulleitung
den
Personalrat auf jeden Fall ernst nehme. Die Schulleitung arbeite konzeptorientiert,
kann
aber
nicht
jede
Einzelsituation
permanent
präsent haben. Der Personalrat sei aber dafür zuständig, dass alle die gleiche,
gerechte
Behandlung
erhalten. 50
In
den
monatlichen
gemeinsamen Sitzungen zwischen Personalrat und Schulleitung finde man aber auch bei Problemen oft kreative, gemeinsame Lösungen. Die Beteiligungsrechte des Personalrats seien auf jeden Fall gegeben. In der Zusammenarbeit
mit
der
Schulleitung
zeigen
sich
aber
auch
Veränderungen in den letzten Jahren. So hatte der alte Schulleiter, Herr Gries, den Anspruch, alles zu wissen, was in der Schule passiert. Die Schulleitung sei im Allgemeinen deutlich stärker auf seine Person als Leiter fixiert gewesen, als es derzeit der Fall ist. Herr Gries habe auch mehr Energie in die Umsetzung eigener Projekte gesteckt, Herr Becklas gebe eher denen, die gestalten wollen, Möglichkeiten zur Gestaltung, anstatt selbst Projekte zu initiieren. Herr Fohrmann zieht den Vergleich mit
aktuellen
Fußballtrainern,
die
auch
ihre
Führungskompetenzen
angepasst haben. Auch er als Vorsteher der Fachschaft Englisch verstehe sich als Teamvorsteher. Die Schulleitung reagiere aber auf Widerstand und sei bereit, Kompromisse zu finden. Man könne aber auch nicht alles ewig diskutieren und es sei verständlich, dass nicht jede Entscheidung im Konsens getroffen werde. Als Schulleiter sei man verpflichtet, in erster Linie auf die Qualität an der Schule zu achten und deshalb kann es sein, dass man auch mal unbequeme Entscheidungen treffen muss. Für
Beförderungen
habe
der
Personalrat
aber
beispielsweise
ein
Vorschlagsrecht. Die Schule muss aber von dem Schulleiter geführt werden, so wie eine Klasse
vom Klassenlehrer geführt werden sollte.
Am Beispiel einer Klasse zeige sich aber auch, dass man über einzelne Schüler/innen
einen
guten
Informationsstand
besitzen
muss.
Schüleranliegen müssen respektiert werden, man muss sich aber auch die Frage stellen, ob alle die Möglichkeit zur Beteiligung hatten oder ob das
Anliegen
eigentlich
Personalratsarbeit Entscheidungen
müsste
und
der
nur man Arbeit
von
wenigen
zwischen des
der
ausging.
In
der
Transparenz
der
Personalrates
sowie
der
Vertraulichkeit bestimmter Gespräche und Beratungen abwägen. So seien zum Beispiel Empfehlungen für Beförderungen immer vertraulich zu behandeln, da sonst nur Unstimmigkeit innerhalb des Kollegiums gefördert werde. Es sei auch klar, dass der Personalrat nicht jede 51
Entscheidung der Schulleitung teile und nachvollziehen könne, dies liege aber daran, dass der Personalrat nur eine Sichtweise der Dinge darstelle. Der Schulleiter muss dagegen das Gesamtbild vor Augen haben und nach diesem entscheiden. Ich frage Hr. Fohrmann nach der genauen Zusammensetzung des Personalrates. Er erläutert mir, dass der Personalrat derzeit aus 2 Mitgliedern
des
Philologenverbandes
und
3
Mitgliedern
der
GEW
bestehe. Diese seien per Listenwahl vom gesamten Lehrerkollegium gewählt worden. Innerhalb des Personalrates werden Entscheidungen nach dem Mehrheitsprinzip getroffen. Es sei aber nicht so, dass es zur Frontenbildung zwischen den Vertretern beider Listen käme, vielmehr sei es meistens ein vertrauliches und konstruktives Miteinander. Hr. Fohrmann geht auch davon aus, dass sich die Lehrer/innen mehrheitlich vom Personalrat gut vertreten fühlen. Es sei aber auch klar, dass man nie alle zufrieden stellen könne. Herr Fohrmann geht davon aus, dass der Personalrat ein stärkeres Gewicht als andere Personengruppen beim Schulleiter habe. Eltern seien nur zu bestimmten Zeitpunkten in der Schule und kennen so viele Hintergründe nicht. Außerdem hätte der Personalrat verglichen mit den anderen Interessenvertretungen eine ungewöhnlich hohe Legitimation. Sowohl bei Schülern/innen als auch bei Eltern sei es oft der Fall, dass die Eltern- und Schülervertreter/innen denen, die sie vertreten sollen, gar nicht bekannt seien. Es sei aber auch verständlich, dass ein Schulleiter tendenziell eher die Sichtweise und Argumentation anderer Lehrer/innen nachvollziehe, da er derselben Profession angehört und sich deshalb ihnen näher fühle. Herr Fohrmann findet es richtig, dass die Schulkonferenz das höchste Entscheidungsgremium ist, hält es aber für falsch, wenn in diesem Gremium Beschlüsse breit ausdiskutiert oder verändert werden. Er ist der
Meinung,
dass
Gesamtkonferenz
die
Schulkonferenz,
verändert
zu
anstatt
beschließen,
Beschlüsse
diese
vielmehr
der bei
Ablehnung an die Gesamtkonferenz zurücküberweisen müsste und die Veränderungen dort erst erneut beschlossen werden müssten. Es sei
52
aber
gut,
dass
ein
gemeinsames
Gremium
aller
Personengruppen
Beschlüsse nochmals absichere und so eine Art Aufsichtsfunktion innehat. Die Vorgehensweise bei der G8/G9-Debatte hält Hr. Fohrmann für gut, da es auf Grund der Anwendung der Methode „Weltcafé“ die Möglichkeit zu einer breiten Diskussion in der Gesamtkonferenz gab und auch Eltern und Schüler/innen in diese Diskussion eingebunden waren. Verändert werden müsste nach Ansicht von Herr Fohrmann aber auf jeden Fall die Klassenkonferenz. Er ist der Meinung, dass nicht alle Lehrer/innen über die Probleme einzelner Schüler/innen Bescheid wissen müssten,
die
Klassenlehrer
Verantwortung liegen,
der
Kolleg/innen
Maßnahmen
Änderung
des
dann
„Anklagebank“.
werde
Es
und
ihre
ein
dies
erfordern.
aber
viel
eher
immenser
Effektivität
konzentriert
Absprache
könnte,
Schulgesetzes vermitteln
vielmehr
nach
ergreifen
Klassenkonferenzen aufgebracht
sollte
sei
mit
Eltern
und
würde
aber
eine
Die das
derzeitigen Gefühl
Zeitaufwand
fraglich.
beim
Die
für Strafe,
einer diese die
ausgesprochen wird, sollte stets der/die Schüler/in helfen. Deshalb sei es wichtig, dass man sich mit dem Grund für sein Vergehen beschäftige und echtes Interesse an dem/r
Schüler/in zeige. Die Strafe muss
deshalb gemäß dem Schulrecht verhältnismäßig sein. Das Gleiche gelte für Zeugniskonferenzen. Oft werden hier Probleme angesprochen, die viel eher hätten geklärt werden müssten. Auch die Reaktion auf solche Probleme erfordere Zeit, ein kurzes Anheben oder Absenken einer Note aus Gründen, die man kurz vor den Sommerferien erfährt, sei keine angemessene Reaktion. Ich erläutere kurz das Modell eines Rechtsausschusses, der aus Schüler/innen und Lehrer/innen und Lehrern besteht, so wie es ihn zum Beispiel an der Odenwaldschule gibt. Hr. Fohrmann glaubt, dass diese Ausschüsse funktionieren können, aber auch
sehr
anstrengend
sind.
Oft
merke
man
auch
an
solchen
Modellschulen, dass auf Grund der intensiven Arbeit die Trennung von Schule und Privatem schwierig sei. Wir wechseln das Thema und gehen nun auf das neu initiierte Feedbackmodell am Goethe-Gymnasium ein. Herr Fohrmann glaubt, dass
53
dies engagierten Einsatz in der Umsetzung erfordere und sich noch die konkrete Frage nach dem Sinn und der Nachhaltigkeit stelle. Er betont, dass bei wichtigen Problemen anders gehandelt werden müsse und dass in diesen Fällen ein einmal jährlich stattfindendes Feedback keine Lösung darstellen könne. Vielmehr müsse dann der direkte, sofortige Kontakt gesucht werden. Auch für Feedback brauche man aber Zeit, um es sinnvoll durchzuführen. Diese Zeit sei im Schulalltag schwer zu finden. Feedback biete die Chance auf Veränderung, wenn man diese aber auch wirklich umsetzen will, erfordere es ein hohes Maß an Konzentration und Ausdauer, um nicht in alte Verhaltensmuster zurückzufallen. Zum Online-Vertretungsplan kann Hr. Fohrmann nicht viel sagen, hält es aber für fraglich, ob wirklich alle Schüler/innen hinter dem Projekt standen. Insbesondere die Petition sei nicht das Ergebnis einer breiten Diskussion, sondern eine Momentaufnahme. Als Veränderungen wünscht sich Hr. Fohrmann ein Klassenzimmerprinzip wie zum Beispiel in England. Dort habe jede/r Lehrer/in einen eigenen Raum und die Schüler/innen kommen zum/r Lehrer/in, nicht der/die Lehrer/in zum/r Schüler/in. Dies führe auch dazu, dass die Lehrperson viel mehr in der Schule arbeiten könne. Auch Ganztagsschule muss aber beendet sein, wenn die Unterrichtszeit aus ist. Die Schule solle stärker als Lernort begriffen werden und nicht das eigene Zuhause ersetzen. Im Allgemeinen wünsche er sich, dass man wieder mehr Zeit für seine Arbeit erhalte und insbesondere in der Oberstufe die Hälfte der Klausuren gestrichen werde, da Schüler/innen und Lehrer/innen derzeit gar nicht zur Ruhe kämen, sondern nur von einer Klausur zur nächsten hetzen. Die Ergebnisse der beiden Klausuren würden sich oft sehr ähneln und durch die Vielzahl an Klausuren würden diese von den Schülern/innen fast nie angemessen nachbereitet werden. Außerdem solle der kompetenzorientierte Unterricht verstärkt eingesetzt werden. Zum Abschluss berichtet Herr Fohrmann noch von seinen Erfahrungen aus England. Dort gebe es zwar auch eine Schülervertretung, dieser „student
council“
sei
aber
nicht
so
formal
eingerichtet
wie
in
Deutschland. Im Allgemeinen sei vieles in England nicht so starr 54
geregelt. Der Kontakt zu den Schülern/innen sei aber enger. Die Schulleitung habe in englischen Schulen mehr Macht. Das höchste Entscheidungsgremium an einer englischen Schule sei das „board of governors“, welches mit Lehrer/innenn und Eltern, aber zum Beispiel auch
mit
Vertretern
der
lokalen
Wirtschaft
oder
anderer
Interessenvertretungen, besetzt sei. Schülervertreter gebe es aber in diesem Gremium nicht.
55
Gedächtnisprotokoll: Interview mit Fr. Barbara Otten, Schulelternbeiratsvorsitzende am Goethe-Gymnasium Kassel autorisiert am 29. Januar 2013 Datum, Uhrzeit: 21. Dezember 2012, 17:30 Uhr – 19:00 Uhr Ort: CoffeeStore in der Kölnischen Straße Inhalt: Ich eröffne das Gespräch, bedanke mich bei Fr. Otten, dass sie Zeit gefunden hat, und umreiße meine besondere Lernleistung und den Hintergrund
dieses
Interviews.
Wir
kommen
zunächst
auf
den
grundsätzlichen Sinn und Zweck von Elternarbeit in der Schule zu sprechen. Fr. Otten stellt dar, dass zum Beispiel durch die Teilnahme an Konferenzen Transparenz gegeben sei und der Elternbeirat mehr aus dem Alltagsgeschäft der Schule erfahre. Die Schulleitung würde den Elternbeirat auch fördern. Zwar gebe es keine regelmäßigen Gespräche zwischen Elternbeirat und Schulleitung, diese nehme aber zum Beispiel an den Sitzungen des Schulelternbeirats teil. Elternbeiratsarbeit leide aber an dem oft geringen Interesse der Eltern, sich zu engagieren, was sich
Fr.
Otten
mit
dem
zusätzlichen
Zeitaufwand
erklärt,
der
insbesondere für berufstätige Eltern eine große Hürde darstelle. Bereits bei der Wahl zum Klassenelternbeirat gebe es oft wenige Kandidaten. Sie selbst beschreibt die Arbeit als interessant, aber auch zeitaufwendig. Sie habe aber das Gefühl, dass die Elternarbeit ernst genommen wird und Interventionen, zum Beispiel durch den Klassenelternbeirat bei Problemen innerhalb der Klasse, auch wirklich Veränderungen bewirken. Angesprochen
auf
die
Tätigkeitsbereiche
als
Klassenelternbeirat
beschreibt Fr .Otten, dass es Kontakt zum Klassenlehrer gebe und dass problembezogene Gespräche mit Fachlehrern in der Vergangenheit durchaus erfolgreich waren und Konsequenzen auf Grundlage dieser Gespräche
gezogen
wurden.
Auch
bei
Wandertagen
gebe
es
Bestrebungen, dass der Klassenelternbeirat unterstützend tätig werde. Die Gesamtkonferenz bewertet Fr. Otten als nützliches Gremium, um Informationen als Schulelternbeirat zu bekommen und Transparenz zu schaffen. Sie gibt der Gesamtkonferenz aber eher eine informative Funktion
und
sieht
sie
weniger
als 56
Gremium,
in
dem
der
Schulelternbeirat Entscheidungen der Schule beeinflusst. Positiv sei ihr deshalb die Diskussion um G8/G9 aufgefallen, in der auf Grund der neuen Diskussionsform (Weltcafé) aktiv nach der Meinung der Eltern gefragt wurde. Die Art und Weise, wie die Eltern in das Feedbackprojekt einbezogen wurden sei bisher einzigartig. Auch die Aktivität der Eltern, die viele Verbesserungsvorschläge gaben und eine intensive Diskussion anregten, sei außergewöhnlich. Die Eltern haben hierbei gemerkt, dass sie tatsächlichen Einfluss auf das weitere Verfahren hätten und konnten sich deshalb auch für das Projekt begeistern. Auf die Frage, ob sie glaubt, dass die Eltern aktiver würden, wenn die Schulleitung zum Beispiel Angebote gebe, in denen Eltern fachspezifisch in die Schule kämen und gemäß ihrer Profession bestimmte Angebote für die Schüler/innen zur Verfügung stellen, antwortet Fr. Otten, dass sie dies für möglich halte. Als die Schulleitung aber zum Beispiel Elternunterstützung für die Cafeteria suchte, gab es sehr wenig Rücklauf. Als Veränderungen für die Zukunft wünscht sich Fr. Otten einen besseren
Informationsfluss
und
Beteiligungsmöglichkeiten für Eltern.
57
ein
wenig
mehr
Gedächtnisprotokoll: Interview mit Zora Meckbach, stellvertretemde Schulsprecherin am Goethe-Gymnasium Kassel autorisiert am 17. Januar 2013 Datum, Uhrzeit: 23. Dezember 2012, 13:00 Uhr – 14:30 Uhr Ort: Wohnort von Zora Meckbach Inhalt: Ich eröffne das Gespräch, bedanke mich bei Zora, dass sie Zeit gefunden hat und umreiße meine besondere Lernleistung und den Hintergrund dieses Interviews. In meiner ersten Frage frage ich Zora nach dem Sinn und Zweck, den sie in der Beteiligung von verschiedenen Personengruppen in Entscheidungsprozessen in der Schule, insbesondere bezogen auf die Beteiligung von Schülern/innen, sieht. Zora meint, dass Beteiligung gerade in der Schule sehr wichtig sei, da die Schule für die Schüler/innen
gemacht
Schüler/innen
gerne
sei
zur
und
Schule
gewährleistet gehen.
Das
sein
sollte,
Verhältnis
dass
zwischen
Schülern/innen und Lehrern/innen verbessere sich außerdem, wenn diese merken,
dass
engagieren.
Schüler/innen
Grundsätzlich
bereit
beteiligen
sind,
sich
für
Schüler/innen
die
Schule
sich
gerne
zu und
möchten sich in Prozesse einbringen. Zora ist der Überzeugung, dass die Qualität von getroffenen Entscheidungen auch tatsächlich steigt, wenn Schüler/innen partizipiert haben. Auf die Frage, ob sie den Eindruck habe,
dass
die
Schulleitung
unterschiedlich
gewichte
bei
der
Einbeziehung verschiedener Personengruppen, antwortet Zora, dass sie glaubt, dass die Schulleitung die Stimme der Eltern ernster nehme als die der Schüler/innen. Dies hänge damit zusammen, dass Eltern mehr Macht haben als Schüler/innen, da sie, insbesondere bei den jüngeren Schülern/innen, Schüler/innen
zum
Beispiel
besuchen.
Im
entscheiden, Lehrerkollegium
welche sei
Schule
dagegen
die eine
Lagerbildung festzustellen, bestimmte Teile haben dabei mehr Einfluss und werden von der Schulleitung ernster genommen. Die Schüler/innen hätten aber am wenigsten Einfluss, die Eltern seien die Personengruppe mit der stärksten Stimme. Angesprochen auf die demokratischen Strukturen meint Zora, dass die Schulkonferenz als höchstes Gremium sinnvoll sei, da alle 3 Parteien 58
vertreten seien und gemeinsam an einem Tisch sitzen. Sie halte es allerdings für notwendig, dass die Schulkonferenz reformiert werde und alle Parteien mit gleichen Stimmanteilen in der Konferenz sitzen. Die Argumentation,
dass
die
Eltern
als
Repräsentanten
jüngerer
Schüler/innen, die ihren Willen noch nicht selbst artikulieren können, in der Konferenz sitzen, teilt sie nicht. Eltern hätten eigene Interessen und eigene Blickwinkel, die sich von denen der Schüler/innen unterscheiden. Die SV, also die Schüler/innen, kenne die Realität der Schüler/innen selbst am besten. Neben der Umgestaltung der Anteile sollten die Rechte
der
Beispielsweise
Schulkonferenz sollte
die
auch
noch
Entscheidung
ausgeweitet
über
die
werden.
Gestaltung
von
Wandertagen und Klassenfahrten nicht der Gesamtkonferenz, sondern der Schulkonferenz obliegen. Innerhalb der Klasse hänge es stark vom Lehrer ab, ob Schüler/innen die Möglichkeit bekommen, den Unterricht mitzugestalten und zu verändern, wenn ihnen Dinge negativ auffallen. Für Klassenkonferenzen wünscht sie sich, dass neben SV-Vertretern auch noch eine Mitschülerin bzw. ein Mitschüler als Vertrauensperson mitkommen kann. Sie habe aber keinerlei persönlichen Erfahrungen mit Klassenkonferenzen und könne deshalb auch nur eingeschränkt eine Meinung dazu abgeben. Feedback
sei
zwar
eine
gute
Methode,
um
den
Unterricht
zu
beeinflussen, werde aber nur teilweise von Lehrern durchgeführt. Auch die Auswertung sei stark lehrerabhängig, so dass es nur in Einzelfällen zu Verbesserungen kommt. Auf die Frage, ob sich die Schülervertretung von der Schulleitung bzw. der Lehrerschaft ernst genommen fühle, differenziert Zora zwischen verschiedenen Fällen. Das „Weltcafé“, welches für die Debatte zwischen G8 und G9 eingerichtet wurde, sei ein gutes Beispiel gewesen, in dem sich Schüler/innen einbringen konnten und auch wahrgenommen wurden. Auf der anderen Seite fühle man sich aber auch oft von der Schulleitung weniger ernst genommen. Viele Vorschläge würden abgelehnt werden und eine Kompromissfindung gestalte sich oft schwierig. Anders als für bestimmte Teile der Lehrerschaft sei der Einfluss auf die Schulleitung
59
sehr beschränkt. Aktiv fördere die Schulleitung der Schülervertretung nicht. Die aktive Seite
müsse
stets
die
SV
sein.
Ein
Beispiel
hierfür
sei
die
Schulinspektion, bei der sich die SV selbst ins Spiel bringen musste, damit sie wahrgenommen wurde. Es handele sich zwar hierbei nicht um Böswilligkeit auf Seiten der Schulleitung, aber um Fahrlässigkeit. Es bestehe
der
Wunsch
der
SV,
stärker
von
der
Schulleitung
wahrgenommen zu werden und als Ansprechpartner auch gesucht zu werden. Auch bei Projekten gebe es wenig Unterstützung. Oft sei diese zwar nicht notwendig, aber da auch Nachfragen fehlen, stellt sich die Frage nach dem Interesse der Schulleitung an Projekten der SV. Ich
frage
nach
ihrer
Sicht
auf
das
Projekt
des
„Online-Vertretungsplans“, wie mit diesem umgegangen worden sei, aber
auch
welche
Schlussfolgerungen
auf
Grund
dessen
gezogen
wurden. Zora macht deutlich, dass die SV hier von der Haltung der Schulleitung auf der Gesamtkonferenz enttäuscht gewesen sei, da diese sich
zunächst
gesperrt
Kompromissbereitschaft
habe gezeigt
und habe.
auch
keinen
Man
habe
Willen
zur
sich
die
Kompromissbereitschaft erkämpfen müssen, doch sei insbesondere in der Konferenz der Eindruck entstanden, dass die Schulleitung ihre Machtposition ausnutze, um die Lehrer zu beeinflussen. Nachdem am Ende der Konferenz die Schulleitung geäußert habe, dass sie weiter an einem gemeinsamen Konzept für einen Online-Vertretungsplan arbeiten werde, sei es enttäuschend gewesen, dass Anfang des Schuljahres die Reaktion des Schulleiters auf die Konstituierung einer Arbeitsgruppe, die Frage gewesen sei, ob man dieses Thema nicht „begraben“ möchte. Die SV habe sich davon aber nicht abschrecken lassen und sei nun alleine wieder aktiv geworden. Als Veränderungen für die Zukunft wünscht sich Zora einen besseren Informationsfluss und dass sich sowohl die Verbindung zwischen SV und Schulleitung, aber auch zwischen Schülern/innen und Lehrern/innen verbessert. Schön wäre außerdem, wenn die Schulleitung noch deutlich stärker
auf
die
Schüler/innen
zugeht
60
und
mehr
Interesse
und
Aufmerksamkeit zeigt.
61
Gedächtnisprotokoll: Interview mit Frau Prof. Dr. Höhmann, kommissarische Schulleiterin an der Odenwaldschule Ober-Hambach (OSO) autorisiert am 14. März 2013 Datum, Uhrzeit: 10. Dezember 2012, 19:00 Uhr – 20:30 Uhr Ort: Konferenzraum der Schulleitung der Odenwaldschule Inhalt: Ich eröffne das Gespräch und bedanke mich bei Fr. Höhmann, dass sie sich die Zeit nimmt für dieses Interview. Die erste Frage ist die Frage nach dem Sinn und Zweck von Beteiligung in der Schule. Fr. Höhmann führt
aus,
dass
in
ihrer
Erfahrung
Beteiligung
immer
als
Qualitätsverbesserung herausgestellt hat. Durch die verschiedenen Perspektiven, die man durch die Beteiligung diverser Personengruppen erhält,
seien
Entscheidungen
deutlich
differenzierter
und
dadurch
qualitativ hochwertiger. Die Besonderheiten bei der Odenwaldschule seien
die
institutionell
festgeschriebenen,
starken
Mitbestimmungsrechte von Schüler/innen. Diese sind zum Beispiel in der schulinternen Konferenzordnung festgeschrieben. An Regelschulen seien die Beteiligungsmöglichkeiten für Schüler/innen über die in den Erlassen bzw. im Schulgesetz geregelte SV-Arbeit oft vom Schulleiter abhängig, an der Odenwaldschule sei es möglich, dass die Schüler/innen großen Einfluss nehmen können. Beispielsweise sitzen in den sogenannten pädagogischen Konferenzen, die den Klassenkonferenzen in staatlichen Schulen entsprechen, als stimmberechtigte
Mitglieder
die
Mitglieder
des
Rechtsausschusses,
unter denen 4 Schüler/innen sind, und als beratende Mitglieder die Mitglieder des Vertrauensausschusses, der ebenfalls 4 Schüler/innen umfasst. In der allgemeinen Konferenz, die der Gesamtkonferenz an staatlichen Schulen entspricht, sitzen sogar bis zu 18 Schüler/innen. Diese große Zahl an Schüler/innen führe automatisch dazu, dass sich die Schüler/innen auch Gehör verschaffen und durch ihre Stimme und ihre Äußerungen Entscheidungen intensiv beeinflussen, Projekte gestalten und Initiativen einbringen können. Auch der pädagogische Tag finde zusammen
mit
Schülervertretern
statt. 62
Insgesamt
gehe
die
Schülerbeteiligung also sehr weit. Ihrer Erfahrung nach sei dies auch keine zu große Belastung oder Überforderung der Schüler/innen. Diese äußern sich in ihren Stellungnahmen in Konferenzen und Ausschüssen differenziert und wägen verschiedene Positionen ab. Dadurch dass Schüler/innen die Möglichkeit bekommen, schneller Kritik zu äußern bzw. den Prozess der Entscheidungsfindung insgesamt stärker begleiten und beeinflussen, sei die Akzeptanz der gefällten Entscheidungen bei den Schüler/innen verhältnismäßig hoch. Auf die Frage inwieweit sie in ihrer Position als Schulleiterin die Meinungen
unterschiedlicher
Interessengruppen
unterschiedlich
gewichte, antwortet Fr. Höhmann, dass zwischen Schüler/innen und Lehrer/innenn keine unterschiedliche Gewichtung stattfinde. Auf Grund der Internatssituation, seien aber die Eltern deutlich weniger in den Schulalltag integriert als an Regelschulen. Trotzdem findet mindestens einmal
im
Monat
ein
Treffen
zwischen
Schulleitung
und
Elternbeiratsvorsitzenden statt. Auch projektbezogen werden Eltern immer wieder eingeladen, um gemeinsame Projekte mit Schüler/innen und Eltern durchzuführen. Ein Beispiel sei das Plätzchenbacken in der Weihnachtszeit. Es sei aber eine Eigenschaft eines Internats, dass auch Erziehungsverantwortung der Eltern übernommen werde. Bezüglich der demokratischen
Strukturen
in
der
Odenwaldschule
erläutert
Fr.
Höhmann, dass eine sehr große Transparenz an der Odenwaldschule herrsche.
Abgesehen
von
Personalangelegenheiten,
bei
denen
Schüler/innen aus Datenschutzgründen nicht anwesend sein dürfen, abgesehen von den Mitgliedern des Rechtsausschusses, da diese über 18 sind und eine Verschwiegenheitsverpflichtung unterschrieben haben, werden
Schüler/innen
Odenwaldschule
eigentlich
unterrichtet
über
und
alle
können
Vorkommnisse Stellung
an
der
nehmen.
Die
Schüler/innen haben hier, beispielsweise in der Neubesetzung der Schulleiterposition, bewiesen.
Die
eine
sehr
Schüler/innen
ausgeprägte hatten
intuitive
Wahrnehmung
dementsprechend
bei
der
Schulleiterauswahl ebenso eine starke Stimme wie die Mitarbeiter/innen der zentralen Einrichtungen und die Lehrer/innen. Ansonsten seien die Schüler/innen eigentlich nur bei Sitzungen des therapeutischen Teams, 63
oder wenn zum Beispiel in einer Konferenz medizinische Gutachten behandelt werden, und bei den Sitzungen des Schulleitungsteams nicht beteiligt. Als Beispiele für schulweite demokratische Strukturen nennt Fr. Höhmann die allgemeine Konferenz, die aus etwa 15 Schüler/innen, 40 Lehrer/innenn und 10 nicht-pädagogischen Mitarbeiten bestehe. Ein Großteil der Projekte und Ideen werde aber in Ausschüssen vorbereitet und besprochen. Da auch in den Ausschüssen Schüler/innen beteiligt sind, führe dies zu einem ständigen konstruktiven Miteinander in der Arbeit von Schüler/innen und Lehrer/innenn auch bei Konflikten, ein unproduktives
Gegeneinander
sei
nur
bei
sehr
wenigen
Themen
festzustellen. Bezogen auf den Unterricht haben die Schüler/innen einen relativ großen Einfluss,
diesen
auch
mitzugestalten,
sie
können
Projektideen
einbringen, oder eigene Unterrichtseinheiten vorschlagen. Im Moment werde auch Feedback flächendeckend als Instrument eingeführt. Hierbei wird auf „emu“ (Evidenzbasierte Methoden der Unterrichtsdiagnostik und -entwicklung) zurückgegriffen. Im Bereich des systematischen, schulweit verbindlichen Feedbacks befinde man sich allerdings noch im Anfangsstadium. Ein Beispiel für ein besonderes Projekt, welches gemeinsam von Schüler/innen und Lehrer/innenn vorangetrieben und umgesetzt wurde, sei das Baumhaus. Hierbei ging es um einen Neubau, für den eigentlich ein Baum hätte gefällt werden müssen. Da aber weder Lehrer/innen noch Schüler/innen dies wollten, setzte man sich zusammen und der Architekt zeichnete gemeinsam mit den Schüler/innen den Grundriss eines Haus, welcher Rücksicht auf den Baum nimmt, in dem es um den Baum herumgebaut wurden ist. Tatsächlich konnte so auch dessen Fällung verhindert werden. Auch die Sporthalle wurde gemeinsam mit dem Architekten von Schüler/innen und Lehrer/innenn entwickelt. Frontenbildung gebe es nur beim Thema Alkohol und Drogen. Hierbei sei ein geschichtlicher Lernprozess bei Schulleitung und Kollegium zu beobachten,
der
die,
sich
von
der
früheren
Haltung
deutlich
unterscheidende, heutige Null-Toleranz-Haltung bzgl. Drogen erklärt.
64
Schulleitung, aber auch Lehrerkollegium hätten hierbei eine deutlich konservativere Haltung als die Schüler/innen. Bezogen auf die jeweilige „Macht“ der Personengruppen ist noch erwähnenswert,
dass
die
Schulleitung
eine
Art
aufschiebendes
Veto-Recht besitzt: Wenn die allgemeine Konferenz einen Beschluss gegen den Willen der Schulleitung fällt, kann diese ein Veto einlegen, welches dazu führt, dass sich die allgemeine Konferenz in einer erneuten Sitzung nochmal mit dem Thema beschäftigen muss. Frau
Höhmann
hält
es
für
richtig,
dass
in
Klassenkonferenzen
Schüler/innen als Mitglieder von Ausschüssen mit Regeln und Verfahren beteiligt
sind,
nämlich
durch
die
Vertreter
des
Rechts-
und
Vertrauensausschusses. Wenn Schüler/innen sich gegenseitig bestrafen sollen, kommt es oft zu übertriebener Härte. Die Rollenunterschiede, die faktisch zwischen Schüler/innen und erwachsenen Personen bestehen, sollten nicht negiert werden, vielmehr müssten die Schüler/innen in diesem Punkt Entlastung erfahren. Auch das ist ein Lernprozess, den die Odenwaldschule in den letzten Jahren durchlaufen hat. Da in einer Klassenkonferenz aber das Klassenteam, der Klassenlehrer bzw. die Klassenlehrerin, das Familienoberhaupt (die Internatswohngrupenleitung), Schul- und Internatsleitung, Vertrauens- und Rechtsausschuss sitzen, seien die verschiedenen Perspektiven gut gewahrt. Die Lehrer/innen haben, auch auf Grund des Internatslebens, eine besondere Vorbildfunktion. Die Klassenkonferenz bemühe sich aber, immer Lösungen im Interesse aller Beteiligten zu beschließen. Deshalb wird zum Beispiel bei öffentlichen Konflikten auch auf eine öffentliche Entschuldigung hingearbeitet. Als Veränderungen an der Odenwaldschule wünscht sich Fr. Höhmann eine weitere Verbesserung des Informationsflusses, wenn es zum Beispiel um Einladungen und Tagesordnungen geht. Aus diesem Grund werde auch im Moment an der Verwaltungsstruktur gearbeitet, um diese effizienter
zu
gestalten.
Außerdem
muss
die
Wertschätzung
für
demokratische Strukturen weiter reifen. Engagement, das bei einigen Beteiligten, insbesondere bestimmten Gruppen von Schüler/innen, an 65
der Schule gar nicht vorhanden sei, muss geweckt werden und man muss
akzeptieren,
dass
demokratische
Systeme
nun
einmal
anstrengender als autokratische Systeme seien. Zum Abschluss weist Fr. Höhmann auf meine Nachfrage auch darauf hin, dass in der Odenwaldschule Schüler/innen aus allen gesellschaftlichen Schichten seien. 1/3 der Schüler/innen bekäme Unterstützung von Seiten
der
Schüler/innen
Jugendhilfe,
1/3
der
Schülerschaft
seien
volljährige
und 1/3 der Schülerschaft seien Mädchen. Diese Drittel
sind natürlich nicht zusammenzuzählen. Ich bedanke mich bei Fr. Höhmann für dieses Interview.
66
Gedächtnisprotokoll: Interview mit Herrn Matthias Fechner, Vertrauenslehrer und Mitglied des Rechtsausschusses an der Odenwaldschule Ober-Hambach (OSO) autorisiert am 29. Januar 2013 Ort: Konferenzraum der Odenwaldschule Datum, Uhrzeit: 12. Dezember 2012, 11:30 Uhr – 12:45 Uhr Inhalt: Ich eröffne das Gespräch, bedanke mich bei Hrn. Fechner, dass er Zeit gefunden hat und umreiße meine besondere Lernleistung und den Hintergrund dieses Interviews. Ich erläutere, dass es vor allen Dingen darum geht, festzustellen, welche demokratischen Elemente sich von Modellschulen auf Regelschulen übertragen lassen. Hr. Fechner erläutert, dass er es für fraglich hält, inwieweit sich Institutionen wie das Schulparlament, die gut in kleinen Schulen funktionieren können, auf große Schulen mit über tausend Schüler/innen übertragen lassen. Bei solch großen Schulen bestehe, anders als bei der Odenwaldschule, nicht mehr die direkte Nähe zwischen Parlamentariern und Schüler/innen und ein sehr kleiner Teil von Schüler/innen müsste die ungleich größere Menge von Schüler/innen repräsentieren. Bei der Odenwaldschule sei es dagegen so, dass auf etwa 180 Schüler/innen 20-30 Parlamentarier kommen, also ein prozentual deutlich höherer Anteil von Schüler/innen auch im Parlament vertreten ist, als das bei Regelschulen der Fall wäre. Durch die Größe der Odenwaldschule und ihren Internatscharakter sei eine ständige Kommunikation und ein Informationsfluss gegeben, was bei staatlichen Schulen nicht der Fall wäre. Die Odenwaldschule sei eine Art eigener Staat, welcher auch mit vollkommen anderen Problemen zu kämpfen, aber auch vollkommen andere Gestaltungsmöglichkeiten habe. Ich frage nach dem Rechtsausschuss, seinen genauen Aufgaben und seinem Sinn. Herr Fechner erklärt, dass der Rechtsausschuss sich hauptsächlich mit Problemen außerhalb des Unterrichtes beschäftige, also mit Problemen, die an Regelschulen, die keine Internate sind, gar nicht in den Aufgabenbereich der Schule fallen. Der Rechtsausschuss übernehme Aufgaben, die normalerweise von der Polizei ausgeführt werden würden. Diese seien aber nicht exekutiver Natur, es gehe vielmehr um Ermittlungsarbeit. Schwere Rechtsvergehen gehen jedoch 67
direkt an den Internatsleiter, der sie nach Prüfung an die Polizei weiterleiten soll. Auch bei sexuellen Vergehen wenden sich Schüler eher an
den
Vertrauensausschuss,
außerhalb
der
Schule
oder
die
den
Internatsleiter,
Polizei.
Die
Einrichtungen
Entscheidungen
über
Sanktionen werden allerdings nicht vom Rechtsausschuss, sondern von der Klassenkonferenz getroffen. Der Rechtsausschuss stimme zwar mit ab, ist aber nicht entscheidend. Trotzdem sei er notwendig, da er eine Schnittmenge
zwischen
Schüler/innen
und
Lehrer/innenn
darstellt.
Insbesondere die Schüler/innen seien viel besser untereinander vernetzt, so dass man auf diesem Wege an Informationen und Hintergründe gelange, die einem sonst als Lehrerin bzw. Lehrer verschlossen blieben. An Regelschulen hätte ein solcher Rechtsausschuss eine deutlich schwächere Position, da seine Kompetenzen, auf Grund der geringeren Kompetenzen der Schulen im Allgemeinen, deutlich weniger weitgehend wären. Auch könnte er in seiner Arbeit bei weitem nicht so flexibel reagieren, wie das im Internat der Fall ist. Spontane Sitzungen oder die große Nähe seien nicht gegeben und würden die Arbeit deutlich erschweren. Die
Frage,
ob
es
eine
Frontenbildung
zwischen
den
einzelnen
Personengruppen an der Odenwaldschule gebe, verneint Herr Fechner deutlich. Zwar sei letztendlich der Wille der Lehrerschaft entscheidend, es sei aber nie ein Gegeneinander, sondern ein Miteinander in der Arbeit in Konferenzen. Auf die Frage, ob die Schulleitung auch Entscheidungen gegen den Willen der Schüler/innen durchsetzt, antwortet er, dass es tendenziell so sei, dass die Schulleitung oft die etwas liberale Haltung der Schüler/innen in Konferenzen teile und eher das Kollegium ein wenig strenger sei. Dies begründe sich unter anderem in dem gemeinsamen Leben in einem Internat, in dem zum Beispiel einer vorbildliche Haltung der älteren Schüler/innen erwartet werde. Auch in der allgemeinen Konferenz gebe es keine Frontenbildung. Die stärkere Möglichkeit der Partizipation
der
Schüler/innen
habe
er
stets
als
Bereicherung
empfunden. Auffallend sei hierbei, dass die Schüler/innen in den meisten Fällen sehr differenziert argumentieren und mehrere Seiten abwägen. Bezogen auf den Unterricht und die Möglichkeit der Schüler/innen, den 68
Unterrichtsverlauf zu beeinflussen, antwortet Hr. Fechner, dass er nicht davon
ausgehe,
dass
es
stärkere
Partizipationsmöglichkeiten
für
Schüler/innen gebe als an anderen Schulen. Auf die Frage, ob er denn glaube, dass es Personengruppen gebe, die sich nicht ausreichend repräsentiert oder beteiligt fühlen, erwidert Hr. Fechner, dass es problematisch sei, dass neue Schüler/innen zu Beginn oft nicht die demokratischen Strukturen an der Odenwaldschule kennen und deshalb die Gefahr bestehe, dass diese in Entscheidungsfindungsprozessen übergangen werden. Grundsätzlich sei die Bekanntheit des Parlamentes und auch des Rechtsausschusses unter den Schüler/innen aber groß. Etwas geringer sei leider die Bekanntheit des Vertrauensausschusses. Innerhalb der Odenwaldschule käme es auch nicht zu Machtkämpfen von einzelnen Gruppen, die starke Beteiligung von allen Personengruppen führe
zum
einen
zu
einem
größeren
Verständnis
von
sachlichen
Begründungen auf Schülerseite, zum anderen auch zu einer höheren Akzeptanz von solchen Entscheidungen. Ich frage ihn nach möglichen Gründen für die geringe Wahlbeteiligung der Odenwaldschüler bei den Parlamentswahlen. Er findet diese nicht überraschend und begründet sie damit, dass Schüler/innen oft nur für wenige Jahre an die Schule kommen, bei dem Beginn ihrer Schullaufbahn an der Odenwaldschule aber mit anderen Sorgen aus ihrer Vergangenheit zu kämpfen haben, wie schwierige Elternhäuser, Drogenprobleme und Ähnliches. Um sich aber aktiv zu engagieren oder auch nur für Wahlen und Möglichkeiten der Beteiligung einzusetzen, benötige man einen klaren Kopf, der nicht von anderen, schwereren Problemen abgelenkt werde. Es gebe aber trotzdem eine hohe Identifikation der Schüler/innen mit der Schule, da sie für viele auch ein vorher nicht gekannter Schutzraum werde. Auf
die
Frage,
ob
die
Schüler/innen
denn
ihr
Mehr
an
Partizipationsmöglichkeiten, ihr Mehr an Macht zu schätzen wüssten, antwortet Hr. Fechner, dass das auf jeden Fall so sei. Schüler/innen würden
außerdem
ihre
Partizipationsmöglichkeiten
sehr
effektiv
schützen. Er betont aber auch, dass keine Personengruppe an der Odenwaldschule Machtteilung
so
Schule groß,
alleinige dass
Macht
keine
habe.
Vielmehr
Personengruppe 69
sei
die
Alleingänge
durchsetzen
könnte,
sondern
immer
auf
breitere
Zustimmung
angewiesen sei. Dies gelte selbst für die Schulleitung. Auf die Frage, ob er es für richtig hält, dass in den Klassenkonferenzen die Schüler/innen zwar durch die Mitglieder des Rechtsausschusses vertreten sind, bei weitem aber nicht mit der starken Stimme, die sie in anderen Konferenzen oder Ausschüssen haben, antwortet Hr. Fechner, dass er dies für richtig hält, weil wegweisende Beschlüsse für den/die jeweilige/n Schüler/in getroffen werden. Er sieht außerdem die Gefahr einer
Überforderung
der
Schüler/innen,
wenn
diese
über
ihre
gegenseitige Zukunft entscheiden müssen. Als Veränderungen an der Schule wünscht sich Hr. Fechner eine noch stärkere
Transparenz
von
Entscheidungen
und
eine
weitere
Verbesserung des Informationsflusses. Diese sei zwar bereits sehr gut, aber noch nicht perfekt. Ich danke Herrn Fechner für das Gespräch und wünsche ihm weiterhin viel Erfolg bei der Arbeit an der Odenwaldschule.
70
Gedächtnisprotokoll: Gespräch mit diversen Vertretern des Parlaments (unter anderem den drei Präsidenten) an der Odenwaldschule Ober-Hambach (OSO) autorisiert am 21. Februar 2013 Datum, Uhrzeit: 10. Dezember 2012, 15:00 Uhr – 16:15 Uhr Ort: Konferenzraum der Odenwaldschule Inhalt: Ich eröffne das Gespräch, bedanke mich bei den Parlamentariern, dass sie sich Zeit für dieses Gespräch nehmen und umreiße meine besondere Lernleistung sowie den Hintergrund dieses Gesprächs. Im Vorfeld des gemeinsamen
Gesprächs
mit
den
Parlamentariern
hatte
ich
die
Möglichkeit, an einer Parlamentssitzung teilzunehmen, und nehme nun Bezug auf einzelne Dinge, die mir aufgefallen sind. Zunächst sind mir die Berichte aus den Ausschüssen aufgefallen und ich frage nach, was es mit diesen konkret auf sich hat. Mir wird erläutert, dass ein Großteil der parlamentarischen Arbeit in Ausschüssen stattfinde, die gemeinsam aus Lehrern/innen
und
Schülern/innen
gebildet
würden,
in
denen
Entscheidungsfindungsprozesse stattfinden und dementsprechend auch viele Diskussionen inhaltlicher Natur geführt werden. Die Vertreter für sämtliche Ausschüsse würden vom Parlament gewählt werden, wählbar sind
ausschließlich
Parlamentarier.
Finanzieren
würden
sich
die
Aktivitäten und Projekte des Parlaments durch einen Sozialfond, in den jeder Schüler monatlich 1,50 € einzahlt. Das Parlament kann aus den Geldern
dieses
Sozialfonds
dann
die
Übernahme
diverser
Kosten
beschließen, diese benötigen aber immer eine 2/3- Mehrheit. Das Parlament setzt sich zusammen aus 10 Parlamentariern, die über Listen gewählt werden, und jeweils einen Parlamentarier pro Familie. Da die Anzahl an Familien an der OSO variiere, variiere auch die Größe des Parlaments geringfügig. Es sei hierbei auffallend, dass sehr wenige Unter- und Mittelstüfler sich für Parlamentsposten bewerben und die Wahlbeteiligung im Allgemeinen eher gering sei, oft geschehen die Wahlen aber auch unter hohem Zeitdruck und sind mit relativ großen Aufwand verbunden. Auch in der Oberstufe engagiert sich nur etwa die Hälfte der Schüler, viele übernehmen aber so viel Verantwortung, dass 71
sie mehrere Posten besetzen. Die Schüler haben die Möglichkeit, beim gemeinsamen
Familienfrühstück
die
von
ihrer
Familie
entsendeten
Parlamentarier nach neuen Informationen zu fragen. Besonders wichtige Dinge werden bei den Mahlzeiten aber auch noch extra von den Präsidenten des Parlaments verkündet. Das Parlament führt außerdem Parlamentswochenenden durch, an denen inhaltlich gearbeitet wird und sich Ziele und Projekte für das kommende Schuljahr gesetzt werden. Meist werden Entscheidungen des Parlaments auch von den anderen Gremien,
wie
der
allgemeinen
Konferenz
oder
dem
Trägerverein,
mitgetragen. Die Beteiligungsrechte in der allgemeinen Konferenz sind relativ hoch. 15 Schüler sowie die drei Parlamentspräsidenten sind stimmberechtigt.
Auch
die
vom
Parlament
entwickelten
Konzepte
werden meist von der allgemeinen Konferenz positiv aufgenommen. Ein Beispiel
für
einen
Konfliktfall
sei
die
geplante
Abschaffung
des
Veto-Rechts des Parlaments gewesen. Das Parlament habe daraufhin eine Demonstration aller Schüler organisiert, die zur Folge hatte, dass die geplante Abschaffung nicht durchgeführt wurde, so dass das Schülerparlament wie die Schulleitung ein aufschiebendes Veto-Recht hat, welches die allgemeine Konferenz zwingen kann, Beschlüsse erneut zu behandeln und ggf. erneut zu fassen. In der Zusammenarbeit mit dem Elternbeirat gebe es einzelne Treffen zwischen den Präsidenten des Parlament, die aber auch bei allen Elternbeiratssitzungen anwesend sind. Es besteht außerdem aktiver Email-Kontakt. Ich spreche das Parlament auf mögliche Gründe für die geringe Wahlbeteiligung und dem geringen Interesse insbesondere jüngerer Schüler/innen am Parlament an. Diverse Gründe werden mir genannt: •
Identifikationsproblem
mit
dem
Parlament/
der
OSO
im
Allgemeinen •
„Arbeit bringt nichts“-Einstellung vieler Schüler/innen bzgl. des Parlaments
72
•
Angst vor Verantwortung
•
ein „verdrehtes Weltbild“ → Entscheidungen seien oft komplexer, als
es
von
außen
aussieht.
Kompromisse
müssen
gefunden
werden. Veränderungen brauchen Zeit, gehen nicht von heute auf morgen.
Das Parlament versucht die Probleme und Ansichten zu bekämpfen, indem
es
zum
Beispiel
Transparenz
schaffe.
Alle
Sitzungen
sind
grundsätzlich öffentlich. Die Präsidenten seien auch dem größten Teil der Schulgemeinde bekannt. Bei Unzufriedenheit gebe es außerdem die Möglichkeit
für
Misstrauensvoten.
Diese
werde
auch
gelegentlich
genutzt. Es sei aber auch eine Spaltung zwischen Externen und Internen zu beobachten, da sich Externe kaum engagieren. So gibt es zum Beispiel Sitze im Parlament, die für Externe reserviert sind und nicht besetzt wurden, da sich keine Externe finden, die diese Möglichkeit zur Partizipation nutzen wollen. Im Anschluss an das Gespräch bekomme ich noch zwei Fragebögen von einem Abiturienten der OSO überreicht, der eine Facharbeit schreibt, in der er sich mit der Fragestellung beschäftigt, ob es an der OSO ein demokratisches System gebe (befinden sich im Anhang).
Nachtrag vom 30. Januar 2013: Bei
der
Autorisierung
des
Protokolls
hat
sich
erfreulicherweise
herausgestellt, dass inzwischen wieder mehr Externe zur Mitarbeit motiviert werden konnten und die Sitze der Externen im Parlament nun besetzt sind.
73
Fotos von der Odenwaldschule
Wurden aus der Internetfassung aus Datenschutzgründen entfernt.
74
Artikel im Newsletter der Odenwaldschule über meinen Besuch:
75
Selbstständigkeitserklärung Ich erkläre hiermit, dass ich die vorliegende Arbeit selbstständig angefertigt, keine anderen als die angegebenen Hilfsmittel benutzt und die Stellen der Facharbeit, die im Wortlaut oder im wesentlichen Inhalt anderen Quellen entnommen wurden, mit genauen Quellenangaben kenntlich gemacht habe.
Ort, Datum
Erik Tuchtfeld
76