Demografischer Wandel und wirtschaftliche Entwicklung Prof. Dr. Michael Hüther Direktor, Institut der deutschen Wirtschaft Köln 28. November 2012, Berlin
DER DEMOGRAFISCHE WANDEL KONSEQUENZEN FÜR UNTERNEHMEN
KONSEQUENZEN FÜR DEN BILDUNGSSEKTOR
FÜR EINEN ANGEMESSENEN ALTERSDISKURS
Prof. Dr. Michael Hüther, 28.11.2012
1
Bevölkerungsentwicklung international in Millionen Personen Anteil Medianalter
61 -> 59 vH
13 -> 20 vH
12 -> 7 vH
9 -> 9 vH
5 -> 5 vH
26 -> 39
18 -> 27
38 -> 48
24 -> 40
35 -> 40
2000
2050
2000
1500
1000
500
0 China
Indien
Japan
Übriges Asien
Afrika
Europa Lateinamerika
USA
Quelle: Statistisches Bundesamt; Institut der deutschen Wirtschaft Köln Prof. Dr. Michael Hüther, 28.11.2012
2
Alterung und Rückgang der Bevölkerung Deutschland 90
82,0
80 68,7
64,7
Bevölkerung, in Millionen
70 60
50,4 43,4
50 Durchschnittsalter, in Jahren 40
34,4
30
34,0
20 10
16,2
Anteil der über 65-Jährigen, in %
20,4
0 1950
1960
1970
1980
1991
2008
2020
2030
2040
2050
2060
Quelle: IW Köln, Eigene Berechnungen auf Basis von StBA; Var. 1-W1 der 12. koordinierten BVB Prof. Dr. Michael Hüther, 28.11.2012
3
Geburtenraten in Ost- und Westdeutschland 3,0
Pillenknick
2,5
Honeckerbuckel
2,0 1,5
Westdeutschland
1,0
Ostdeutschland 0,5
Wendeknick
Deutschland
0,0 1955
1960
1965
Prof. Dr. Michael Hüther, 28.11.2012
1970
1975
1980
1985
1990
1995
2000
2005
4
Wanderungssaldo Zu- und Abwanderung nach und aus Deutschland, in 1.000 2.000
Zuwanderung 1.500
1.000
500
0
Wanderungssaldo -500
Abwanderung
-1.000
Quelle: Statistisches Bundesamt Prof. Dr. Michael Hüther, 28.11.2012
5
Demografische Indikatoren Deutschland, OECD bzw. EU27 = 100 Bevölkerungsentwicklu ng bis 2050 (2007=100)
D OECD/EU27
140 120
Altersbezogene Ausgaben1) (Anstieg 2010-2060, %-Punkte)
100
Geburtenrate 2008
80 60 40 20 0
Lebenserwartung Frauen 2006
Lebenserwartung Männer, 2006 1) D
Bevölkerung < 15 Jahre, 2050
Bevölkerung 65+, 2050
und EU 27. Quelle: OECD, EU-Kommission
Prof. Dr. Michael Hüther, 28.11.2012
6
Demografie und Wirtschaftswachstum gängige Hypothesen Wachstumsfaktoren Privates Sachkapital Infrastrukturkapital Technischer Fortschritt Umwelt und Ressourcen Institutionelle Rahmenbedingungen Arbeit und Humankapital Arbeitsproduktivität
Einfluss der Demografie
Begründung
+/+/+ -
Bevölkerung entspart; asset meltdown; Substitution von Arbeit durch Kapital Bedarf sinkt; Kapitalintensität steigt; Rückbau Innovationskraft nimmt ab Umwelt- und Ressourcenverbrauch sinkt Reformbereitschaft sinkt, zunehmende Status-QuoOrientierung; Wahlbeteiligung Älterer höher
Erwerbspersonenpotenzial sinkt und altert Ältere sind weniger produktiv als Jüngere
Quelle: Institut der deutschen Wirtschaft Köln Prof. Dr. Michael Hüther, 28.11.2012
7
Komponentenzerlegung des Wachstums Durchschnittliche jährliche Veränderung in Prozent* Arbeitsvolumen (H) davon
Bruttoinlandsprodukt (Y)
Arbeitsproduktivität (Y/H)
3,2 3,5 3,0
1,8 1,6 2,1
1,9 1,7 2,1 1,2 1,2 1,3
Anteil der Bevölkerung im erw erbsfähigen Bevölkerung Alter an der (B) gesamten Bevölkerung (B*/B)
Jahresarbeitsstunden je Erwerbstätigen (H/E)
Erwerbstätigenquote (E/B*)
1,4 1,9 0,9
0,0 0,2 -0,2
0,1 0,6 -0,4
0,0 0,0 0,0
1,2 1,0 1,4
1,9 2,1 1,6
0,0 -0,4 0,5
-0,4 -0,2 -0,6
0,2 -0,5 0,9
-0,1 -0,1 -0,1
0,3 0,3 0,3
2,1 2,4 1,7
-0,8 -1,2 -0,4
-0,6 -0,5 -0,6
-0,3 -1,0 0,4
-0,2 -0,2 -0,3
0,3 0,4 0,1
insgesamt
Vereinigte Staaten 1991 bis 2003 1991 bis 1997 1997 bis 2003
Europäische Union (EU-15) 1991 bis 2003 1991 bis 1997 1997 bis 2003
Deutschland 1991 bis 2003 1991 bis 1997 1997 bis 2003
* Abweichungen durch Rundungen; Quellen: Sachverständigenrat, EU, OECD Prof. Dr. Michael Hüther, 28.11.2012
8
Problem Demografischer Wandel Bevölkerung nach Qualifikation und Alter 2008, Deutschland, in Mio. Kinder unter 15
Ohne Berufsabschluss
mit Lehre/Fachschule
mit Hoch-/Fachhochschule
14 12
Lücke
10
2,4
2,1
0,1 2,2
8
1,5
1,7
8,8
6
8,4
5,8 4
7
7,9
6,5
7,2
2 2,1
1,9
1,9
1,7
25-34 Jahre
35-44 Jahre
45-54 Jahre
55-64 Jahre
0 0-4 Jahre*
5-14 Jahre
15-24 Jahre
* Stärke der Zehnjahresgruppe ergibt sich aus Verdopplung der 0-4-Jährigen Prof. Dr. Michael Hüther, 28.11.2012
Quelle: IAB; Mikrozensus, eigene Berechnungen 9
Vermuteter Zusammenhang zwischen Alter und Produktivität Produktivität
Erfahrungsleistung
physische & kognitive Leistung
0
Alter ?
Quelle: Börsch-Supan, u.a., Altern und Produktivität: Zum Stand der Forschung, MEA 2005 Prof. Dr. Michael Hüther, 28.11.2012
10
Sparquote der privaten Haushalte nach Alter des Haupteinkommensbeziehers 16 14,6 13,8
14
13,0
12 9,5
10 8
7,4
6 4
3,3
3,7 2,8
2 0 < 25
25 - 35
35 - 45
45 - 55
55 - 65
65 - 70
70 - 80
80+
Quelle: Statistisches Bundesamt; Institut der deutschen Wirtschaft Köln Prof. Dr. Michael Hüther, 28.11.2012
11
Entwicklung der altersbedingten öffentlichen Ausgaben in Deutschland 2010, in Prozent des BIP
Veränderung von 2010 bis 2060, in Prozentpunkten
Alterssicherung
10,2
2,5
Gesundheit
7,6
1,6
Pflege
1,0
1,4
Arbeitslosigkeit und Bildung
4,6
-0,4
Insgesamt
23,3
5,1
Quelle: EU-Kommission, 2009 Prof. Dr. Michael Hüther, 28.11.2012
12
Quantitative Wirkungen: fünf Beispiele Handlungsfeld
Ist-Benchmark
Ziel-Benchmark 2030
Arbeitsangebot 2030
„Zeit“: - Arbeitsmarkteintritt - Jahresarbeitszeit, 2008
- 20 Jahre - 1.430 Stunden
- 19 Jahre - 1.550 Stunden
+ 513.000 + 2.994.000
- 65 Jahre - 64 Prozent
- 67 Jahre - 66 72 Prozent
+ 1.953.000 + 1.572.000
- nicht anerkannte Abschlüsse
bessere Anerkennung
+ 300.000 – 460.000
„Köpfe“ - Rentenzugang formal - Erwerbstätigenquote Frauen „Köpfe“ - bessere Anerkennung
Effekte: Jahresarbeitszeiteffekt bei höherer Erwerbstätigkeit von Jüngeren, Älteren und Frauen; Frauen: abzüglich der Effekte von jüngeren Frauen und älteren Frauen; Frauen: Erhöhung von 64 Prozent auf 66 Prozent durch höhere Erwerbstätigkeit von Jüngeren und Älteren Prof. Dr. Michael Hüther, 28.11.2012
13
DER DEMOGRAFISCHE WANDEL KONSEQUENZEN FÜR UNTERNEHMEN
KONSEQUENZEN FÜR DEN BILDUNGSSEKTOR FÜR EINEN ANGEMESSENEN ALTERSDISKURS
Prof. Dr. Michael Hüther, 28.11.2012
14
Demografie als große Herausforderung für die Personaler Angaben in Prozent
Große Herausforderung
Mittlere Herausforderung
Niedrige Herausforderung
Besetzung von Schlüsselpositionen
49
31
15
Demografie und strategische Personalplanung
45
33
13
Attraktivität als Arbeitgeber
44
39
14
Talent-Management
31
49
14
Nachfolge-Management
26
39
29
Strategische Ausrichtung des Personalbereichs
25
37
24
Rest zu 100: keine Herausforderung oder keine Angabe. Befragung von 198 Personalverantwortlichen führender Unternehmen im deutschsprachigen Raum im Juni 2011. Quelle: Kienbaum Prof. Dr. Michael Hüther, 28.11.2012
15
Befürchtete Auswirkungen des demografischen Wandels In Prozent der befragten Unternehmen
Mitarbeiterzahl 1-9
10-19
20-199
200-999
1000+
Fachkräftemangel
37
45
56
60
65
Starke Alterung der Belegschaft
21
30
34
37
43
Steigender Weiterbildungsbedarf
20
23
29
37
32
Verlust betriebsinternen Wissens
10
12
14
18
21
Keine Auswirkungen
42
29
20
12
11
Basierend auf einer Befragung von 28.000 Unternehmen. Quelle: DIHK Prof. Dr. Michael Hüther, 28.11.2012
16
Struktureller Fachkräftebedarf Verhältnis zwischen 30- bis 35-Jährigen und 60- bis 65-Jährigen Lehre
Meister, Techniker, Fachschule
Fachhochschule
Universität
1,5 1,4 1,3 1,2 1,1 1,0 0,9 0,8 0,7 0,6 0,5 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 Quelle: eigene Berechnungen auf Basis des Statistischen Bundesamtes, Mikrozensus Prof. Dr. Michael Hüther, 28.11.2012
17
Fachkräftesicherungspolitik: Köpfe, Zeit, Produktivität „Köpfe“: Wohnbevölkerung / Erwerbsbevölkerung
„Zeit“: Arbeitsvolumen / Erwerbstätigkeit
► Geburtenraten erhöhen
► Jahresarbeitszeit erhöhen
► Arbeitsmarktzugang hier lebender Migranten verbessern
► Lebensarbeitszeit erhöhen (späterer Austritt und früherer Eintritt)
► Nettozuwanderung erhöhen
► Beschäftigungsquote n erhöhen
Prof. Dr. Michael Hüther, 28.11.2012
„Produktivität“: Bildung / Qualifikation / Innovation ► Bildungsarmut vermindern und Höherqualifizierung erleichtern ► Arbeitsorganisation und lebenslanges Lernen verbessern ► Innovationsproduktivität steigern
18
Mitverantwortung der Unternehmen Ausbildungsabbrecherquote verringern. Menschen über 55 fördern.
Frauen fördern.
Qualifizierung und Weiterbildung vorantreiben.
Prof. Dr. Michael Hüther, 28.11.2012
19
Lebenszyklusorientierte Personalpolitik Weniger Erwerbstätige und alternde Belegschaften – was tun? Unternehmen müssen sich damit auseinandersetzen ► Wie sie dem drohenden Fachkräftemangel begegnen, ► Wie sie das wissen ihrer ausscheidenden Beschäftigten besser im Unternehmen halten ► Und wie ihre alternden Belegschaften gesund, motiviert und produktiv das gesetzliche Renteneintrittsalter von 65/67 Jahren erreichen.
Quelle: Eigene Darstellung Prof. Dr. Michael Hüther, 28.11.2012
20
DER DEMOGRAFISCHE WANDEL KONSEQUENZEN FÜR UNTERNEHMEN
KONSEQUENZEN FÜR DEN BILDUNGSSEKTOR FÜR EINEN ANGEMESSENEN ALTERSDISKURS
Prof. Dr. Michael Hüther, 28.11.2012
21
Arbeitslosigkeit nach Qualifikation 25- bis 64-Jährige, in Prozent Ohne HZB und ohne Berufabschluss (ISCED 0-2) Mit HZB oder Berufsabschluss (ISCED 3 & 4) Mit Studium oder Weiterbildung (ISCED 5 & 6)
25
20
15
10
5
0 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 Quelle: OECD Prof. Dr. Michael Hüther, 28.11.2012
22
Sinkende Schulabgängerzahlen Absolventen allgemeinbildender Schulen, 2006 bis 2020, Länder, in % ST MV BB TH SN
nL
SL
NI
D
RP BW aL
BE NW HE SH BY
HB HH
0 -5 -6
-10 -15
-14 -14 -14 -14 -14 -15,8 -17 -16
-20
-12
-20 -20
-25 -30 -30
-35
Rückgang in D insgesamt: 20 %
-37
-40 -42 -42 -41
-45 -45
-40
Rückgang alte Bundesländer: 16 %
Rückgang neue Bundesländer: 37 %
-50 Quelle: KMK; IW-Berechnungen Prof. Dr. Michael Hüther, 28.11.2012
23
Bereits jetzt droht Lehrlingsmangel Unbesetzte Stellen und unversorgte Bewerber 140.000 Unbesetzte Berufsausbildungsstellen
120.000
Noch nicht vermittelte Bewerber
100.000 80.000 60.000 40.000 20.000 0 2011
2009
2007
2005
2003
2001
1999
1997
1995
1993
1991
1989
1987
1985
1983
1981
1979
1977 Quelle: BA
Prof. Dr. Michael Hüther, 28.11.2012
24
Schulische MINT-Bildung verbessern
Prof. Dr. Michael Hüther, 28.11.2012
25
Studierpotenziale beruflicher Bildung erschließen
Prof. Dr. Michael Hüther, 28.11.2012
26
Studienabsolventenzahlen steigern
Prof. Dr. Michael Hüther, 28.11.2012
27
Eine Bildungspolitik für Lebenslanges Lernen
Prof. Dr. Michael Hüther, 28.11.2012
28
DER DEMOGRAFISCHE WANDEL KONSEQUENZEN FÜR UNTERNEHMEN
KONSEQUENZEN FÜR DEN BILDUNGSSEKTOR FÜR EINEN ANGEMESSENEN ALTERSDSKURS
Prof. Dr. Michael Hüther, 28.11.2012
29
Verantwortungsdiskurs Demografie Vertrauens- und Verantwortungsperspektive mit Blick auf die Potenziale wie die Gefährdungen des Alterns. Zunehmende Heterogenität des Alters in einer Gesellschaft des immer längeren Lebens erhöht die Wahrscheinlichkeit von Grenzsituationen der Verletzlichkeit im hohen Alter. Die individuelle Perspektive des längeren Lebens fragt nach Möglichkeiten, unter Vertrauen in eigene Kräfte zu entwickeln, aufrecht zu erhalten und zu stärken. Alterung und Schrumpfung als kollektive Entwicklungen fordern das institutionelle Vertrauen heraus und fragen nach den notwendigen Vorkehrungen, dieses Vertrauen zu stabilisieren.
Prof. Dr. Michael Hüther, 28.11.2012
30
Für ein realistisches Altersbild Eine neue Kultur des Alterns entwickeln. Bildung als Recht und als Pflicht für alle Lebensalter. Negative und positive Diskriminierung aufgrund des Alters vermeiden. Zu einer neuen Sicht des Alters in der Arbeitswelt kommen. Gesundheitspolitik an eine Gesellschaft des langen Lebens anpassen. Zu einem erweiterten Verständnis von Pflege finden. Selbst- und Mitverantwortung in der Zivilgesellschaft fördern. Kulturelle Unterschiede erkennen und gestalten. Quelle: 6. Altenbericht: Eine neue Kultur des Alterns. Altersbilder in der Gesellschaft. Berlin 2010 Prof. Dr. Michael Hüther, 28.11.2012
31