DEMENZ DOSSIER 01. Altenpflege. Herausforderndes Verhalten: In schwierigen Situationen richtig handeln I

Altenpflege Vorsprung durch Wissen DOSSIER 01 DEMENZ 2014 I www.altenpflege-online.net Herausforderndes Verhalten: In schwierigen Situationen richt...
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Altenpflege Vorsprung durch Wissen

DOSSIER 01

DEMENZ 2014 I www.altenpflege-online.net

Herausforderndes Verhalten: In schwierigen Situationen richtig handeln

Editorial

DOSSIER

Demenz

Selbstbestimmt leben Was machen Sie, wenn jemand möchte, dass Sie dieses oder jenes tun sollen, obwohl Ihnen gerade der Sinn nach etwas ganz anderem steht? Dann sagen Sie es, teilen es mit, erklären sich. Selbstbestimmt zu leben ist für uns ganz selbstverständlich. Für einen an Demenz erkrankten Menschen ist es das nicht. Er legt möglicherweise ein auffälliges Verhalten an den Tag, schreit laut, wandert stundenlang ruhelos umher oder reagiert in einer aggressiven Art und Weise. Denn seine Fähigkeit, die eigenen Bedürfnisse für andere verständlich auszudrücken und selbstbestimmt handeln zu können, schwindet. Diesen Zusammenhang zu erkennen, ist der Schlüssel zum Umgang mit herausforderndem Verhalten.

Von nun an vier Mal im Jahr erhalten Sie als

Abonnent der Fachzeitschrift Altenpflege zusätzlich ein solches „Altenpflege DOSSIER“. Darin finden Sie jeweils auf 32 Seiten umfangreiche Informationen und Impulse für Ihren beruflichen Alltag. Seien Sie schon jetzt gespannt auf das zweite ­„ Altenpflege DOSSIER“, das im Januar 2015 zum Thema „Palliative Care“ erscheint und wieder Ihrer Fachzeitschrift beiliegt.

Um Sie hierbei

zu unterstützen, haben wir das erste Themenheft der neuen Reihe „Altenpflege DOSSIER“ dem Thema Demenz und insbesondere dem Schwerpunkt „Herausforderndes Verhalten“ gewidmet. Damit geben wir Ihnen ein ganzes Bündel an Informationen, Praxistipps und Arbeitshilfen an die Hand. Lesen Sie, mit Hilfe welcher Methoden Sie kritische Situationen entschärfen und in positive Bahnen lenken. Erfahren Sie, wie Sie die Motive hinter dem Verhalten von Menschen mit Demenz erkennen und deren Recht auf Selbstbestimmung stärker berücksichtigen.

Diskutieren Sie mit uns auch unter www.facebook.com/ altenpflege.vincentz

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Klaus Nolte, Redakteur der Zeitschrift Altenpflege [email protected] Tel. 05 11 / 99 10-122

Seite 8

Die Pflegewissenschaft empfiehlt die Methode der Verstehenden Diagnostik als Ausgangspunkt für pflegerische Interventionen. Seite 16

04  Magazin 08  Die Suche nach dem angenehmen Zustand Ursachen für herausforderndes Verhalten liegen oft in der Biografie begründet. 16  Erlaubt ist, was nicht schadet Für einen adäquaten Umgang mit lautem Rufen, wiederholtem Fragen oder aggressivem Verhalten eignen sich bestimmte ­Methoden und Instrumente besonders.

Foto: Werner Krüper

So schätzen Sie herausforderndes Verhalten richtig ein und entschärfen schwierige Situationen wirksam.

Foto: Werner Krüper

Inhalt

22  Das Bedürfnis zählt Sich herausfordernd zu verhalten ist oft der verzweifelte Versuch, sein Handeln selbst bestimmen zu können. 28  „Man muss hinter die Kulissen schauen“ Peter Wißmann im Gespräch darüber, wie die Selbstbestimmung Demenzkranker stärker berücksichtigt werden kann. 32  Service/Impressum/Vorschau

Gehen Sie auf die Bedürfnisse des Menschen mit Demenz ein und stärken Sie sein Recht auf Selbstbestimmung. Seite 22

Foto: Werner Krüper

Titelcover: Fotolia

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DOSSIER DEMENZ

Magazin

Info Weitere Informationen zum Hamelner Demenzdorf unter: www.toeneboenstiftung.de

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Regine Latzko ist Stiftungsvorstand der Julius Tönebön Stiftung, die im März 2014 ein Demenzdorf in Hameln eröffnet hat.

Michael Schmieder ist Leiter des Pflegeheims Sonnweid in Wetzikon, Schweiz

In einem Demenzdorf kann man den erkrankten Menschen ein weitgehend normales Leben ermöglichen.

Ein Demenzdorf gaukelt uns eine harmonische Welt vor, die es auch bei Demenz nicht gibt.

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In einem Demenzdorf sollen Demenzkranke ein möglichst langes selbstbestimmtes Leben führen können. Menschen mit Demenz altern in speziell für sie zugeschnittenen Wohnanlagen würdevoller als im Pflegeheim. Das heißt noch lange nicht, dass sie in einer Scheinwelt leben. Weder sollte im Supermarkt nur zum Schein eingekauft und mit Knöpfen bezahlt werden, noch sollte es eine PseudoBushaltestelle geben. Im Gegenteil, in einem Demenzdorf kann man den erkrankten Menschen ein weitgehend normales Leben­ermöglichen, wie sie es von früher kennen. ­Dazu gehört selbstverständlich der Einkauf im ­Supermarkt, bevor das Mittagessen zubereitet wird. Das sind ganz normale Alltagsaktivitäten, die hier viel besser trainiert werden können. Ein Demenzdorf ist keine Scheinwelt, sondern ein geschützter Lebensraum. Gerade Demenzkranke, die aufgrund des Vergessens ihren Alltag nicht mehr allein bewältigen können, fühlen sich in einem Demenzdorf sicher und willkommen. Das ist draußen nicht immer so. Die meisten Menschen verstehen Demenzkranke nicht und sind auch nicht immer freundlich zu ihnen. Wenn ein Demenzdorf so gestaltet ist, dass es den Bedürfnissen der Bewohner entspricht, ist es gelungen.

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Der Begriff Demenzdorf will die Krankheit und deren Auswirkungen schönschreiben. Gedanken an die Krankheit werden unsichtbar gemacht, den Menschen mit Demenz und ihren Angehörigen wird eine Normalität vorgespielt, die nicht vorhanden ist. Das Pflegepersonal wird zu Schauspielern, die Verkäufer oder Kellner spielen. Es wird eine Scheinwelt geschaffen, die „überschaubar und handhabbar“ bleibt. Die Menschen sollen so „betreubarer“ gemacht werden. Menschen mit Demenz glauben, was wir ihnen sagen. Es ist respektlos, etwas vorzuspielen oder zu lügen. Das Konzept heisst Beziehung, das die Realität mit den Bedürfnissen der Menschen in Einklang bringt. Eine partnerschaftliche Beziehung wird unmöglich, wenn man Täuschungen einsetzt. In unserer Gesellschaft gibt es verschiedene Normen und Werte, die im Laufe eines Lebens erlernt werden. Mit Fortschreiten der Demenzerkrankung ist es den Betroffenen immer weniger möglich, sich an diese „Normalität“ zu halten. Ihr Verhalten deklarieren wir als Herausforderung. Für Menschen mit Demenz ist es unabdingbar, dass ihre Umgebung ihr Verhalten zulässt und aushält. Ein Demenzdorf gaukelt uns eine harmonische Welt vor, die es auch bei Demenz nicht gibt und nicht geben wird.

Foto: Dominique Meierberg

Foto: Privat

Schönes Leben im Dorf?

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Fixierung durch Medik amente

Alternativen gefragt

Im Rahmen des gemeinsam mit dem Bayerischen Justizministerium erarbeiteten Modells mit dem Titel „Initiative München, Psychopharmaka in Alten- und Pflegeheimen“ sollen am Münchener Gericht künftig Verfahrenspfleger eingesetzt werden. Diese verfügen sowohl über pflegefachliches als auch juristisches Wissen. Sie können mit den Pflegeverantwortlichen, Angehörigen, rechtlichen Betreuern sowie den Ärzten in der Einrichtung auf Augenhöhe diskutieren und nach alternativen Lösungen suchen. Dadurch soll es möglich werden, bei Ruhelosigkeit, herausforderndem Verhalten oder gesteigertem Antrieb der Betroffenen auf Psychopharmaka zu verzichten. Abschließend sollen die Verfahrenspfleger eine in der Regel mit den Pflegeverantwortlichen und Angehörigen gemeinsam erarbeitete pflegefachliche Empfehlung abgeben, die die Grundlage der betreuungsrichterlichen Entscheidung bildet. „Das Amtsgericht München ist das erste Gericht, das sich dieses Problems annimmt“, so der Präsident des Amtsgerichts Gerhard Zierl gegenüber der Deutschen Presseagentur (dpa). „Wir wollen nicht physische Fesseln durch medikamentöse ersetzen.“

Das Amtsgericht ist in solchen Fragen zuständig, da es über Betreuung, aber auch über die Genehmigung von Maßnahmen wie Fixierung oder Medikamentengabe entscheidet. „Es ist mir bewusst, dass die interdisziplinäre Zusammenarbeit im Bereich der stationären Pflege bei der Fülle der Patienten und Bewohner sowie bei dem Stellenplan der Pflegekräfte eine enorme Herausforderung darstellt“, sagte Zierl weiter. Er sei jedoch zuver-

In München bekommt über die Hälfte der Bewohner von Alten- und Pflegeheimen Psychopharmaka verordnet. sichtlich, dass die neue Initiative die Lebensqualität der Heimbewohner verbessern und das gegenseitige Vertrauen fördern werde. In München bekommt nach Angaben des Amtsgerichts mit 51,3 Prozent mehr als die Hälfte der Bewohner von Alten- und Pf legeheimen Psychopharmaka mit beruhigender oder sedierender Wirkung beziehungsweise

Foto: Werner Krüper

Das Betreuungsgericht München will mit einem neuen Modell dafür sorgen, dass Pflegebedürftige weniger mit Psychopharmaka und anderen Medikamenten ruhiggestellt werden.

Nebenwirkung verordnet. Das habe eine Erhebung der Fachstelle für Qualitätssicherung in der Altenpflege im Zeitraum von Juni 2010 bis Juni 2011 ergeben, in die 51 Einrichtungen in München und 6 394 Bewohner einbezogen wurden. Der Qualitätsbericht 2011/2012 der Münchner Heimaufsicht spricht von einem bedenklichen Umgang mit Psychopharmaka. Die erhobenen Daten würden zeigen, dass zu schnell zu viele Medikamente aus der Gruppe der Psychopharmaka verabreicht werden. So hätten viele Bewohner fünf bis zehn und mehr Medikamente erhalten ohne Überprüfung von sich beeinflussenden Nebenwirkungen. Auch die Vergabezeiten seien ein problematisches Feld. Insgesamt hätten 74 Prozent der tatsächlichen Bedarfsvergaben abends (acht Prozent) und nachts (66 Prozent) stattgefunden. Die Münchner Heimaufsicht stellt in ihrem Bericht fest, dass es an einer grundlegenden Strategie fehlt, die ärztliches, betreuerisches und pflegerisches Handeln in Einklang bringt.

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Pflegebedürftige Menschen sollen weniger mit Medikamenten ruhiggestellt werden.

Info Die detaillierte Pressemitteilung des Amtsgerichts München finden Sie unter www.justiz. bayern.de/gericht/ ag/m/presse/archiv/ 2014/04404/

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