Das Problem mit der Nationalhymne: Einheitshymne vs. SED-Doktrin

Politik Marc Castillon Das Problem mit der Nationalhymne: Einheitshymne vs. SED-Doktrin Essay Castillon, Marc Humboldt Universität zu Berlin Somm...
Author: Hermann Beck
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Politik

Marc Castillon

Das Problem mit der Nationalhymne: Einheitshymne vs. SED-Doktrin

Essay

Castillon, Marc Humboldt Universität zu Berlin Sommersemester 2007

Hauptseminar „Die DDR und die nationale Frage“

Essay über

„Das Problem mit der Nationalhymne: Einheitshymne vs. SED-Doktrin“

Einleitung – Fragestellung/Problemkreis Wie im zuletzt verfassten Essay „Die Staatsflagge der DDR: Die ‚Spalterflagge’“ aufgearbeitet, brachte die anlässlich der Genfer Gipfelkonferenz 1955 durch Molotows getätigte Entäußerung im Hinblick auf die Existenz von zwei eigenständigen deutschen Staaten eine Prägung der Denke und des Handeln der DDR-Verantwortlichen mit sich. Die Umsetzung der sich herauskristallisierenden Zweistaatentheorie Walter Ulbrichts zeigte sich unter anderem, und hier aus Gründen der Abgrenzung gegenüber der Bundesrepublik Deutschland besonders symbolträchtig, in der Einführung des Hammer-und-ZirkelEmblems in die schwarz-rot-goldene Trikolore im Jahre 1959 und in den vor allem in den 1960er Jahren folgenden vielfältigen Versuchen, die Hammer-und-Zirkel-Flagge zu internationaler Geltung kommen zu lassen. Ziel war die Untermauerung des eigenen Eigenständigkeits- und Eigenstaatlichkeitsanspruches. Wie sah es nun mit einem weiteren Nationalsymbol, der Hymne der DDR aus? Ging von dieser ebenfalls eine „Spaltermentalität“ aus? Hattenhauer bringt die von Nationalsymbolen ausgehende Intention auf den Punkt und unterstreicht damit ihre Bedeutung: Nationale Symbole vermögen es, zunächst unanschauliche, die Gemeinschaft tragenden Ideen zur Anschauung zu bringen. Die Möglichkeit eines persönlichen Bekenntnisses des Bürgers und dessen Anteilnahme ist dadurch impliziert. 1 Nationale Symbole (oder auch staatliche Symbole) 2 besitzen also die „Kraft“, den Bürger „mitzunehmen“. Anders als jedoch im Falle der Nationalflagge gab es in Ost und West nach dem zweiten Weltkrieg von Anfang an zwei unterschiedliche deutsche Hymnen. Hieraus ergibt sich also im Allgemeinen kein Abgrenzungsproblem der DDR zur BRD. Das Problem mit der DDR-Nationalhymne war anders gelagert: Wie verhält es sich, wenn der Text der DDR-Hymne, z.B. „Deutschland, einig Vaterland“, nicht (mehr) den von der SED-Führung gewollten Ideen und der propagierten Politik entspricht. Honecker & Co wollten Anfang der 1970er Jahre eben nicht, dass die DDR-Bürger an dem Bedeutungsrepertoire von „Deutschland, einig Vaterland“ Anteil nehmen. Im Folgenden soll eben genau dieses Dilemma zwischen NationalhymnenWirklichkeit bzw. deren Aussagekraft und der politischen Orientierung der DDRVerantwortlichen beleuchtet werden. Ein kurzer Exkurs über die Schwierigkeiten mit der Nationalhymne in der BRD wird vorangestellt. Über einen flüchtigen Blick auf die 1

Hattenhauer, Hans: Deutsche Nationalsymbole. Geschichte und Bedeutung, München 20064, S. 7. Auf die Problematik, dass im Falle der DDR und der BRD nur eingeschränkt von Nationalsymbolen zu sprechen ist, wurde im letzten Essay (siehe dort) hingewiesen: Es ist zu unterscheiden zwischen Nationalsymbolen im eigentlichen Sinne, also Symbolen die kraft gemeinsamer Geschichte von beiden deutschen Staaten übernommen worden waren, und eben reinen Staatssymbolen.

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1

Schaffung der DDR-Nationalhymne im Jahre 1949 soll dann ausführlich das Anfang der 1970er

Jahre

auftretende

Problem

der

SED-Führung

mit

der

Nationalhymne

herausgearbeitet werden. Es wird detailliert auf den Widerspruch zwischen der Ablehnung einer Wiedervereinigung beider deutschen Staaten auf der einen Seite und dem, eine Einheit des deutschen Vaterlandes ausdrückenden Hymnentext auf der anderen Seite einzugehen sein. Zu fragen ist, wie dieser Misere seitens der DDR beigekommen wurde, immerhin musste „Deutschland, einig Vaterland“ bedrohlich auf den Eigenständigkeitsund Eigenstaatlichkeitsanspruch und damit auf das nationale Selbstverständnis der DDR(Verantwortlichen) gewirkt haben.

Exkurs – Probleme mit der Nationalhymne auch im anderen deutschen Staat Das seit 1890 allmählich zur Nationalhymne aufgestiegene Lied „Das Deutschlandslied“ bzw. „Lied der Deutschen“ wurde nach 1945 nur

in

der

Bundesrepublik

„Das Deutschlandlied“ / „Lied der Deutschen“ (in Teilen Nationalhymne der BRD) 1.)

Deutschland, Deutschland über alles, über alles in der Welt, wenn es stets zu Schutz und Trutze brüderlich zusammenhält Von der Maas bis an die Memel, von der Etsch bis an den Belt. Deutschland, Deutschland über alles, über alles in der Welt.

2.)

Deutsche Frauen, deutsche Treue, deutscher Wein und deutscher Sang sollen in der Welt behalten ihren alten schönen Klang. Und zu edler Tat begeistern unser ganzes Leben lang. Deutsche Frauen, deutsche Treue, deutscher Wein und deutscher Sang.

3.)

Einigkeit und Recht und Freiheit für das deutsche Vaterland, danach laßt uns alle streben brüderlich mit Herz und Hand. Einigkeit und Recht und Freiheit sind des Glückes Unterpfand. Blüh’ im Glanze dieses Glückes, blühe deutsches Vaterland!

Deutschland

gesungen: Die Melodie stammt von Franz Joseph Haydn aus dem Jahre 1797, die Verse stammen aus der 1841 angesetzten Feder von August Heinrich Hoffmann von Fallersleben. In der Weimarer Republik erhielt das Lied 1922 Verfassungsstatus. Nach dem Zweiten Weltkrieg

verbot

Militärregierung

der

zunächst Alliierten

die (USA,

England, Frankreich und Sowjetunion) nicht nur den Gesang nationalsozialistischer Lieder, sondern

ganz

allgemein

„deutscher

Nationalhymen“. Ab 1948, als der Widerstand der westlichen Alliierten im Zeichen ihrer

Text: A. H. Hoffmann von Fallersleben (1841) Melodie: Franz Joseph Haydn (1797)

veränderten Deutschlandpolitik nachließ, kam es in der BRD zu vielfältigen Diskussionen über die Nationalhymne. Letztendlich konnte sich Bundeskanzler Konrad Adenauer mit seinem Plädoyer für den Erhalt von Melodie und Lied des „Deutschlandliedes“ gegenüber dem Bundespräsidenten Theodor Heuss, der

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