Das Nachwort zuerst lesen!

Autor: Bringfried Schubert Herausgeber: Norbert Lakomy Das Nachwort zuerst lesen! Ja, sie sehen richtig. Diese Broschüre beginnt nicht mit einem Vo...
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Autor: Bringfried Schubert

Herausgeber: Norbert Lakomy

Das Nachwort zuerst lesen! Ja, sie sehen richtig. Diese Broschüre beginnt nicht mit einem Vorwort, sondern mit einem Nachwort. Und das muss man unbedingt zuerst lesen, um zu verstehen, warum im Jahr 2016 ein Text abgedruckt wird, der 1959 verfasst wurde. Es spiegelt ein Stück Zeitgeschichte wider, die ja in all den Jahren auch unsere Pfarrgemeinde mit beeinflusst hat. Es fällt schwer, sich in die Lage von damals zu versetzen. Umso wichtiger und interessanter ist es, das Geschriebene von vor über fünfzig Jahren so zu lesen, wie es der Sach- und Kenntnisstand des Verfassers hergab. Von der Faktenlage her würde man heute Vieles auch nicht anders schreiben. Der Inhalt dieser Festschrift zum 100-jährigen Gemeindejubiläum und auch die investierte Arbeit, Zeit und Mühe haben es verdient, ihn endlich einer größeren Leserschaft zugänglich zu machen. Danke, Bringfried Schubert ! Danke, dass Du mit dieser Festschrift einen Rückblick in die Geschichte unserer Region gewagt hast, die Entstehung und Verbreitung des christlichen Glaubens beschrieben hast und die Lebendigkeit der katholischen Pfarrgemeinde von damals geschildert hast. Was Dechant Franz Wiemer Dir im Frühjahr 1959 in Auftrag gab, was in dem Unrechtsstaat DDR an der Druckgenehmigung gescheiterte, hat nun zum 100-jährigen Jubiläum der Kirchweihe seine Vollendung gefunden.

Schuberts nun vollendete Festschrift Norbert Lakomy

Nachwort Zum „Wiedererstehen“ der Festschrift von 1959 ist ein Nachwort unerlässlich, denn es bedarf ja wohl doch einer Erklärung, warum damals die Festschrift nicht erschien und warum ich mich – zugegeben auf Drängen eines Eisleber Freundes – jetzt entschloss, die für damals geplante Schrift noch einmal Interessierten – auch dem Magdeburger Bistumsarchiv – zukommen zu lassen. Im Frühjahr 1959 bat mich Dechant Wiemer, eine Festschrift zum 100-jährigen Pfarrjubiläum der St.-Gertrudis-Gemeinde zu erarbeiten, die sich vor allem mit der Geschichte des Glaubens und der Kirche in Eisleben und im Mansfelder Land beschäftigen sollte. Auf meinen Einspruch, doch kein „echter“ Eisleber zu sein, auch kein Historiker, meinte er, ich sei ja schließlich Germanist und also mit Sicherheit dafür geeignet, und Quellen gebe es ja genug, auch das Gemeindearchiv stehe mir zur Verfügung. So machte ich mich an die Arbeit und diktierte das „Werk“ später Edith Großmann, die nicht nur eine Schreibmaschine besaß – im Gegensatz zu mir –, sondern auch noch hervorragend damit umgehen konnte. Ein großer Dank gebührt ihr auch heute noch für ihre Mühe! Das Papier war bereits beim St.-Benno-Verlag in Leipzig (ein Geschenk aus dem „Westen“), auch die als Ausschmückung gedachten Bilder lagen parat, sind aber nicht in meinem Besitz.

Im August war alles geschafft. Nun ging es zur Druckgenehmigung zum Rat des Kreises, Abt. Inneres. Was dann erfolgte, spottete jeder Beschreibung und ist heute kaum noch nachzuvollziehen. Obwohl ich CDU-Stadtverordneter und als Lehrer ebenfalls bekannt war, kam es zu unüberwindlichen Schwierigkeiten in dem „Druckgenehmigungsprozess“. Mit dem Vorwand, es bestehe kein allgemeiner Bedarf für eine derartige Schrift und sie sei beim Aufbau des Sozialismus völlig überflüssig, wurden alle Einsprüche – auch die Stasi verbot offensichtlich den Druck – „abgeschmettert“, obwohl wir über die CDU-Bezirksleitung bis hin zum CDU-Zentralvorstand in Berlin intervenierten. Selbst vier „Verschönerungen“ im damaligen politischen Sinn (Siehe die 4 Einschübe!) genügten nicht. Bestimmte Formulierungen hatte ich sowieso schon gemieden, z.B. „Vertriebene“ statt „Umsiedler“, was ja korrekter gewesen wäre. Erst viel später erfuhr ich „hinter vorgehaltener Hand“, man habe vor allem moniert, dass der Terminus „Deutsche Demokratische Republik“ nirgends gebraucht worden sei. Erst lange nach unserer Flucht aus Eisleben (1961) – als Lehrer nicht mehr tragbar (u.a. wegen der Ablehnung der Jugendweihe) –, kam ich erneut – wohl durch Dechant Wiemer, der nun auch wieder in seiner westfälischen Heimat als Pensionär lebte – an eine der Durchschriften der Arbeit, aber ich sah keine Möglichkeit, hier einen Druck in die Wege zu leiten, der erneut in der DDR verboten worden wäre. Darüber vergingen Jahrzehnte, und das ganze Vorhaben geriet fast in Vergessenheit. Nun im Besitz eines Computers, den ich „recht und schlecht“ bedienen kann, nehme ich erneut Anlauf, um wenigstens den Text vor dem Verfall zu retten, zumal das Papier immer brüchiger wird, allerdings unter Berücksichtigung der Rechtschreibreform der letzten Jahre. Im Blick auf die in Eisleben tätigen oder aus Eisleben stammenden Geistlichen habe ich allerdings entsprechende Ergänzungen bis 2011 auf den Seiten 20 bis 22 eingebaut. Zum Text noch ein Gedanke: Ich habe alles so übernommen, wie ich es damals geschrieben habe – auch mit Blick auf die mir damals zur Verfügung stehenden Quellen. Sicher würde man, würde ich heute manches anders formulieren, sprachlich wie inhaltlich, aber ich habe bewusst keine diesbezüglichen Änderungen vorgenommen, um den ursprünglichen Text wirken zu lassen. Vielleicht ist doch der eine oder andere an dieser Schrift interessiert, und so soll diese Arbeit hinausgehen. Meine Eisleber Jahre werden mir immer sehr wertvoll bleiben, zumal Verwandte und Freunde und das Leben mit der Pfarrgemeinde sie bereicherten! Stukenbrock in Westfalen, Ostern 2011

Bringfried Schubert, Diakon i.R.

Bringfried Schubert, geboren am 28.08.1932 in Liegnitz; 1945 Flucht aus Schlesien; in Eisleben 1952 Abitur; Germanistik-studium an der Uni Halle; 1955 Heirat mit Barbara Bonin in St. Gertrud-Eisleben; CDU-Stadtverordneter 1957-61; Mitglied Eisleber Kolpingsfamilie von 1955 bis 10. August 1961(!) Lehrer an der Mittelschule I (Lademann-Schule); u.a. wegen Ablehnung der Jugendweihe als Lehrer nicht mehr „tragbar“; mit Frau und 3 Kindern 1961 Flucht nach Westdeutschland; 1961-1974 Lehrer an Aussiedler-Förderschule in Stukenbrock (Westfalen), danach bis zur Pensionierung 1992 an der Hauptschule; Diakonenweihe durch Lorenz Kardinal Jäger am 16.10.1971, Diakon mit Zivilberuf bis 2005, jetzt Diakon i.R.

FESTSCHRIFT zum 100-jährigen Pfarrjubiläum der St.-Gertrudis-Gemeinde Eisleben Nachwort (2011) und Erklärung Inhaltsangabe und Vorwort Die Lutherstadt Eisleben Geschichte der Stadt Eisleben 750 Jahre Kupferschieferbergbau Das Aufblühen und Absterben des katholischen Glaubens in unserer Heimat Klöster und Heilige des Mansfelder Landes Neues Leben erblüht Die katholische Schule Die Vereine Ein Blick auf das Dekanat Weitere Arbeiter im „Weinberg des Herrn“ Treue in verworrener Zeit Die große Gemeinde Ausklang Anhang: Quellenangaben Priester und Ordensleute – Kinder unserer Gemeinde (mit Ergänzungen) Die Seelsorger der Pfarrei (mit Ergänzungen) Nachklang von heute

Vorwort Voller Freude und Dankbarkeit begeht unsere Pfarrgemeinde St. Gertrudis zu Eisleben das Fest ihres 100jährigen Bestehens. Wie viel Gnade und Segen hat Gott in diesem Saeculum uns und unseren Vätern geschenkt! Wenn wir uns am Vorabend der 1000-Jahr-Feier unserer Stadt anschicken, unser Jubelfest zu feiern, so sind wir uns dessen bewusst, dass das Wachsen und Werden der katholischen Pfarrgemeinde ein Teil unserer altehrwürdigen Stadt selbst ist, die vielen von uns alte Heimat ist und die ungezählten anderen neue Heimat wurde. Dieses bescheidene Büchlein soll unsere Gedanken hinwenden auf das Entstehen, Wachsen und das innere Leben dieser unserer katholischen Gemeinschaft. Es soll aber auch ein Bild geben vom Glauben unserer Vorväter in alter Zeit und vom Leben der Heiligen, die uns Vorbilder wurden. Die Rücksicht auf Zeit und Raum bringt es mit sich, dass so manches, was Erwähnung verdient hätte, von dem einen oder anderen vermisst wird; dennoch möge das wenige, was der Verfasser zu bringen vermochte, den Blick weiten für die Aufgaben, die vor uns allen stehen, um das Gottesreich auf Erden weiter zu festigen. Möge so dieses Büchlein freundliche Aufnahme finden bei all denen, die mit ihrem Herzen an unserer Gemeinde hängen, die bereit sind, sie auch weiterhin mit all ihren Kräften zu unterstützen. Eisleben, am Fest Mariä Aufnahme in den Himmel 1959

Bringfried Schubert

Die Lutherstadt Eisleben Fährt man von Halle kommend auf der in den Jahren 1862 bis 1865 gebauten Eisenbahnstrecke HalleKassel - viele Harzbesucher benutzen diese Linie - , so kommt man ca. 30 km hinter Halle durch den Kreis Eisleben. Der Harz, eines der schönsten deutschen Mittelgebirge, liegt in unserer unmittelbaren Nachbarschaft. Im Südosten senkt er sich allmählich zum Harzvorland. Hier wird seit vielen Jahrhunderten Bergbau betrieben; denn der Harz und sein Vorland sind reich an Bodenschätzen. Schon aus der Ferne sehen wir in diesem alten Bergbaugebiet langgestreckte oder spitze Schutthalden. Sie erheben sich zwischen Feldern, Wiesen und Gärten bis zu einer Höhe von 100 Metern. Die dunklen Halden entstanden beim Erzbergbau, die hellen beim Salzbergbau. In der Nähe der Halden stehen Fördertürme. Surrend drehen sich die Räder auf den Stahlgerüsten. Aus den hohen Schornsteinen der Hütten steigen dunkle Rauchwolken. Hier im „Lande der Pyramiden“ liegt die 1000-jährige Lutherstadt Eisleben. Sie ist teils in einem von Nordwesten nach Osten sich senkenden Tale, teils an seinen nördlichen und südlichen Abhängen erbaut. Mitten hindurch fließt die aus dem Unterharz kommende „Böse Sieben“, die in den Süßen See mündet. Dr. Martin Luther, am 10.November 1483 in Eisleben geboren und am 18.Februar 1546 am gleichen Ort gestorben, gab der Stadt ihren Namen. Im östlichen Teil des Kreises Eisleben, dessen Mittelpunkt Eisleben selbst ist, liegt der Süße See, ein Ausflugsziel für Jung und Alt. Während im Westen des Kreises die Ausläufer des Unterharzes zu finden sind, zieht sich im Süden der Hornburger Sattel mit seinen herrlichen Wäldern entlang. Dieses unser Mansfelder Land, benannt nach seinen Besitzern in alter Zeit, den Mansfelder Grafen, ist unsere Heimat mit uralter Geschichte. Geschichte der Stadt Eisleben Römische Geschichtsschreiber erzählen uns, dass um Christi Geburt die Hermunduren im Mansfelder Land und darüber hinaus wohnten. Ob noch Orte aus dieser Zeit vorhanden sind, weiß man nicht. Ein paar Jahrhunderte später wohnten im Lande der Hermunduren die Thüringer. Auf den Thüringer Herrscher Bisino deuten die Orte Bösenburg (Bisiniburg), Beesenstedt (Bisinistede) und Biesenrode (Rohdung des Bisino) hin. Welchen Namen unser Gebiet z.Zt. seiner Zugehörigkeit zum Thüringischen Königreich gehabt hat, ist uns nicht D überliefert worden. Nach der Zerstörung des Thüringer

Reiches durch die Franken und Sachsen finden wir die Namen Hosigau oder Hassengau. Gegen Ende des 6.Jahrhunderts kam dieser Gau wieder unter fränkische Herrschaft. Auch slawischer Einfluss machte sich in späteren Jahren in unserer Heimat geltend. Die am weitesten nach Westen vorgeschobene Ortschaft der Slawen scheint Gorenzen gewesen zu sein, denn gora heißt Berg. Auch die Siebenhitzen (slawisch „sjebenika“ = Galgenschlucht, vgl. die nahe „Galgenschlucht“) deuten auf slawischen Ursprung hin. Später kam dieses Gebiet an die Grafen von Mansfeld, nach denen unsere Heimat – wie oben erwähnt – benannt ist. Eine Ortschaft Eisleben ist erst um 800 n.Chr. festzustellen, obwohl nach Größlers Vermutungen die Siedlung zwischen dem 3. und 5.Jahrhundert n.Chr. als Gründung der Warnen entstanden ist. Der Name Eisleben ist als „Erbgut oder Wohnsitz des Iso“ zu deuten. Der Hof dieses Iso, der eigentliche Ausgangspunkt dieser Siedlung, könnte in der Nähe des heutigen Marktes gesucht werden. Nach vorliegenden Urkunden aus den Jahren 960 und 1045 (Originale im Landesarchiv Dresden) und ihrer Auslegung hat unsere Stadt frühestens 950, spätestens 960 die Markt-, Münz- und Zollgerechtsame als königliches Privileg erhalten und ist seitdem als Marktflecken nachweisbar. Infolgedessen feiert unsere Stadt im Jahre 1960 die 1000-jährige Wiederkehr der Verleihung dieser Gerechtsame. Im Laufe der Geschichte hat sich dann Eisleben immer mehr vergrößert und an Bedeutung zugenommen. Als ummauerte Stadt ist Eisleben erstmalig 1282 genannt. Am 10. November 1483 wurde Martin Luther in einem Hause der Langen Gasse – der heutigen Lutherstraße – geboren. Am Tage darauf, am Feste des heiligen Martin, wurde er in dem als Kapelle dienenden Erdgeschoss des Turms der heutigen St.-Petri-Pauli-Kirche getauft. Seine Jugend verlebte er im benachbarten Mansfeld, wo sein Vater ein kleines Bergwerk erworben hatte. Am 28.Januar 1546 kam Luther zum letzten Male nach Eisleben, um einen Streit der Mansfelder Grafen zu schlichten. Hier starb er am 18.Februar. Graf Albrecht VII. gründete im Jahre 1511 die Neustadt Eisleben, allerdings fand die Verschmelzung zwischen der Alt- und der Neustadt Eisleben erst im Jahre 1807 – und hier eigentlich auf Betreiben Napoleons – statt. Der Dreißigjährige Krieg schlug auch Eisleben tiefe Wunden. 1645 vernichtete ein Feuer 165 Häuser und 38

Scheunen. 1774 wurde der Erfinder der Buchdruckschnellpresse, Friedrich König, in Eisleben geboren. Auch der Theologe Johannes Agricola, ein Freund Melanchthons, wurde – 1494 – in Eisleben geboren. Ebenfalls aus unserer Heimat stammen zwei große deutsche Dichter. 1747 wurde in Molmerschwende im Harz Gottfried August Bürger geboren, und 1772 erblickte in Oberwiederstedt Friedrich von Hardenberg, der unter dem Namen Novalis in die deutsche Literatur einging, das Licht der Welt. Als bekannter Minnesänger unserer weiteren Heimat wäre noch Heinrich von Morungen zu nennen, der aus der Gegend von Sangerhausen stammt. Er ist neben Walther von der Vogelweide der größte Minnesänger des Mittelalters. Im Jahr 1815 kam das Mansfelder Land endgültig, nachdem 1780 der letzte Mansfelder Graf gestorben war, an Preußen. Das 20.Jahrundert mit seinen Wirren wirkte sich auch in unserer Heimat aus. Der zweite Weltkrieg, in dessen Gefolge viele deutsche Städte in Trümmer sanken, verschonte Eisleben, wenn auch durch den Beschuss amerikanischer Artillerie einige Häuser beschädigt wurden.

750 Jahre Kupferschieferbergbau Spricht man von Eisleben, so denkt man unwillkürlich an den Kupferschiefer-Erzbergbau, der hier seit 750 Jahren betrieben wird. Die Anfänge des Mansfelder Bergbaues werden zurück bis zum Jahr 1200 herum verlegt. Zwei zugewanderte Bergleute, Nappian und Neucke (oder Naucke), sollen nach der Sage zuerst die Bedeutung des Erzes erkannt und am Kupferberge bei Hettstedt den Bergbau eröffnet haben. Während ursprünglich die Gewinnung des Kupfers im Tagebau erfolgte, ging man bald dazu über, Schächte zu eröffnen, um im Untertagebetrieb das wertvolle Erz zu gewinnen. Heute ziehen sich die Schächte über das ganze Mansfelder Land hin, wenn auch eine Reihe von Schachtanlagen bereits still liegt. Der tiefste Schacht ist der Ernst-Thälman-Schacht mit 14 Sohlen bei einer Tiefe von ca. 1000 Meter. Nach 1945 entstanden auch in der Sangerhäuser Gegend große Schachtanlagen. Gerade für unsere katholische Gemeinde ist der Mansfelder Kuperschieferbergbau von besonderer Bedeutung, da viele Katholiken, z.B. aus Posen, Oberschlesien und der Slowakei, durch ihn hierher gezogen wurden. Das geschah vor allem nach 1860. Auch Italiener wurden beschäftigt, in erster Linie beim Abteufen der Schächte.

Das Aufblühen und Absterben des katholischen Glaubens in unserer Heimat Nachdem wir uns die Bedeutung und die geschichtliche Entwicklung unserer Heimat vor Augen führten, soll es jetzt unsere Aufgabe sein, uns der Entwicklung des christlichen Glaubens im Mansfelder Land zu widmen. Auf diesem Gebiet leistete besonders der berühmte Heimatforscher Prof. Dr. Hermann Größler Hervorragendes; er starb 1910. Ihm und seiner Forschungsarbeit hat Eisleben viel zu verdanken.

Als erster Förderer der Verbreitung christlichen Glaubens wird uns von Größler der thüringische König Irminfried genannt, der „nicht lange nach dem Jahr 500 mit Amalberg, der hochstrebenden Nichte des mächtigen ostgotischen Königs Theoderich, sich vermählte. Durch sie und ihr aus Italien mitgebrachtes Gefolge könnte also das erste Samenkorn des Christentums in unseren Hassengau gestreut worden sein, wofür im besonderen der Umstand spricht, dass ihre nach der Zerstörung des Reiches als Geisel nach Frankreich geführte und dort von König Chlothar vermählte Nichte Radegund gegen Ende ihres Lebens in ein Kloster ging, wie sie auch der katholischen Kirche bald als Heilige galt.“(Größler) Interessant ist dabei, dass die Kirche von Helfta der hl. Radegundis geweiht war. Nach dem Bericht des Bischofs Thietmar von Merseburg ließ sie – sie ist heute nicht mehr erhalten – Kaiser Otto I. innerhalb der Jahre 936-968 erbauen. Es musste ein besonderer Grund dafür vorliegen, die Kirche dieser Heiligen zu weihen, da in weiter Umgebung, ja in ganz Deutschland wohl kaum eine andere St.-Radegundis-Kirche zu finden ist. Man nimmt also nicht zu Unrecht an, dass die Heilige hier gelebt hat, wahrscheinlich im heutigen Seeburg, der damaligen Hochseeburg am Süßen See.

Besondere Verdienste um die Christianisierung des Mansfelder Landes dürfte sich ein Schüler des hl. Bonifatius erworben haben, der hl. Wigbert, obwohl es nicht ganz ausgeschlossen ist, dass der hl. Bonifatius selbst bei seiner Missionierung bis an die Grenzen unseres Gebietes herankam. An das Wirken des hl. Wigbert in den Jahren 724-732 erinnern heute noch die ihm geweihten Kirchen in Riestedt, Osterhausen und Kreisfeld. Die neuen Christengemeinden wurden dem Kloster Hersfeld unterstellt und hier eine Liste der Orte angelegt. Dieses „Hersfelder Zehntverzeichnis“ ist noch erhalten und zählt viele Dörfer auch unserer Heimat mit dem Namen auf, den sie vor tausend Jahren trugen. Als älteste Kirchen des Hassengaues werden die in Wormsleben, Osterhausen und Allstedt genannt, während Riestedt die älteste Kirche des Friesenfeldes und Wiederstedt bei Hettstedt die älteste Kirche des Schwabengaues war. Kirchlich gehörte unser Gebiet zu dem in den ersten Jahren des 9.Jahrhunderts gegründeten Bistum Halberstadt. Jahrhunderte dauerte es, bis sich das katholische Leben im Mansfeldischen zu reichster Blüte entfalten konnte. Das geschah hauptsächlich durch die Gründung von Klöstern. Es wurden in unserer Gegend nacheinander folgende Klöster gegründet: Im 9.Jahrhundert das Benediktinerinnen-Kloster in Hornburg, im 10.Jahrhundert die Benediktinerinnen-Klöster Gerbstedt und Walbeck, im 11.Jahrhundert die BenediktinerKlöster Mansfeld und Wimmelburg, 1m 12.Jahrhundert die Benediktiner-Abtei Conradsburg, das AugustinerChorherren-Hochstift Seeburg (11791211), das Cisterzienser-Kloster Sittichenbach und das Prämonstratenser-Kloster Rode (Klosterode), im 13 Jahnhundert das Augustiner-Chorherren-Kloster Hedersleben, das Cisterzienserinnen-Kloster Helfta und das Augustinerinnen-Kloster Wiederstedt, im 15. Jahrhundert das Karmeliter-Kloster Hettstedt und im 16.Jahrhundert das Augustiner-Eremiten-Kloster in Eisleben. Das zuletzt genannte Kloster wurde 1512 durch Herzog Albrecht zusammen mit der der Patronin der Bergleute, St. Anna, geweihten Kirche errichtet. 1523 war es bereits von den Mönchen verlassen. Außerdem gab es in Holzzelle ein Benediktiner- und später ein Benediktinerinnen-Kloster. Die Bedeutung der Klostergründungen in unserer Heimat kann nicht hoch genug eingeschätzt werden, ging doch von ihnen ein unermesslicher Segen aus. Deshalb soll an

anderer Stelle noch einmal auf zwei der Klöster und ihre Heiligen eingegangen werden. Der Bau von Kirchen und Kapellen in den einzelnen Ortschaften des Mansfelder Landes begann im 9.Jahrhundert und dauerte ebenfalls Jahrhunderte hindurch. Das erste Gotteshaus in Eisleben wird die Burgkapelle gewesen sein, die dem hl. Godehard geweiht war. Die älteste Kirche ist die heutige St.-Nikolai-Kirche. An ihrer Stelle stand ursprünglich eine St.-GodehardKirche (1179 urkundlich erwähnt), die dann aber nach dem Lieblingsheiligen der Friesen, die hier zur Entwässerung des Faulensees angesiedelt wurden, den Namen des hl. Nikolaus erhielt. Die Andreaskirche wird 1276 erwähnt. Die heutige Petri-Pauli-Kirche wurde 1486-1518 erbaut, der Turm jedoch, in dem Luther getauft wurde, bereits 1474. Ursprünglich stand hier eine bereits 1333 erwähnte Petrikirche. Alle diese Kirchen stammen noch aus katholischer Zeit, zum Teil sogar ihre Innenausstattung, z.B. der Klappaltar in St. Andreas. Die Reformation bereitete dem im Mittelalter so blühenden Leben der katholischen Klöster und Gemeinden ein jähes Ende. Der Bauernkrieg tat ein Übriges. Von den Klöstern des Mansfelder Landes ist das Kloster neben der St.-Annen-Kirche das einzige erhaltene Klostergebäude. Eigentliche Klöster finden wir heute nur noch in Halle und Halberstadt. Beim Ableben des katholischen Grafen Hoyer IV. im Jahre 1540 bestanden nur noch die Nonnenklöster in Walbeck, Wiederstedt, Gerbstedt und Helfta. Am längsten widerstand das Kloster Gerbstedt, das erst im Jahre 1576 säkularisiert wurde. In Eisleben ist der letzte katholische Gottesdienst in St. Andreas gehalten worden. Bis 1530 fand hier vormittags katholischer, nachmittags evangelischer Gottesdienst statt. Als letzte katholische Priester in Eisleben wirkten der Pfarrer Georg Witzel an St. Andreas (1532-1538) und Martinus Schmiedichen. Letzterer verließ 1542 Eisleben, nachdem der katholische Gottesdienst ganz verboten wurde, und ging nach Halberstadt. Nach dem Grundsatz des Augsburger Religionsfriedens „cuius regio, eius religio“ übernahm das ganze Mansfelder Land den evangelischen Glauben. Katholischer Gottesdienst wurde jedoch in allen folgenden Jahrhunderten in unserer Heimat gehalten, und zwar auf dem Schloss Mansfeld, nachdem 1627 die Mitglieder der Bornstedter Grafenlinie Wolfgang, Philipp und Bruno zum katholischen Glauben zurückkehrten. Der letzte katholische Graf, zugleich der letzte Mansfelder Graf überhaupt, starb 1780.

Klöster und Heilige des Mansfelder Landes Das blühende katholische Leben schenkte auch unserem Mansfelder Land einige Männer und Frauen, die als Heilige in der ganzen katholischen Welt verehrt werden. Ihrem Segen und ihrer Fürsprache ist es wohl zu verdanken, dass heute wieder katholisches Leben in unserer Heimat wächst. Die erste Heilige unseres Landes war, wie oben erwähnt, die hl. Radegundis, von deren Leben in unserer Heimat wir allerdings nichts mehr wissen. Den größten Teil ihres Lebens verbrachte sie ja in Frankreich. Im 10.Jahrhundert wurde der hl. Bruno von Querfurt geboren. Er missionierte als Heidenbischof riesige Gebiete des Ostens und kam so nach Ungarn, Russland und Preußen. Hier fand er 1009 den Martyrertod. Als Heilige wird auch Jutta von Sangerhausen verehrt. Sie wurde 1220 in Thüringen geboren und starb 1260. Wie schon erwähnt, waren es vor allem zwei Klöster, deren Männer und Frauen besonders segensreich in unserer Heimat wirkten. Da wäre zuerst das Cisterzienser-Kloster Sittichenbach zu erwähnen. Der Cisterzienser-Orden fasste 1141 in unserer Heimat Fuß. Auf Veranlassung des Edlen Esico von Bornstedt kamen 12 Mönche vom Mutterkloster Walkenried, die unter der Leitung ihres Abtes, des hl. Volkuin (Volquin) ein Kloster bauten. Von dem im Volksmund gewiss „Sichenbach“ gesprochenen Namen nannten die Mönche ihre Ansiedlung mit Vorliebe „Sichem“. Durch den Fleiß der Mönche wurde das sumpfige Rhonebachtal bald in eine außerordentlich fruchtbare Aue verwandelt. Vor allem war es das religiöse Leben der Mönche, das einen tiefen Eindruck auf die Bewohner unserer Heimat hinterließ. Hier war es vor allem das leuchtende Vorbild des heiligen Abtes Volkuin, der nicht nur als Heiliger, sondern auch als Wundertäter bekannt wurde. Unter seiner Leitung gelangte das Kloster bald zu hoher Blüte. Von Sittichenbach aus wurden die Klöster Lehnin, Buch und Grünhain gegründet. Von Lehnin aus wurde das berühmte Kloster Chorin errichtet, das damit auch auf Sittichenbach zurückgeht. Abt Volkuin starb im Rufe der Heiligkeit am 13.11.1172. Auch im 13.Jahrhundert lebten in diesem Kloster heiligmäßige Mönche. So ist in erster Linie Konrad von Krosigk zu nennen, der im Jahre 1208 als Bischof von Halberstadt resignierte und sich für seinen Lebensabend nach Sittichenbach begab. Nach einem heiligmäßigen

Leben starb er 1225. Sein Zeitgenosse Walther von der Vogelweide nennt ihn den „guten Klausner“. Um diese Zeit ließ sich in der Nähe des Klosters die Inkluse Hazeka nieder. Sie starb, ebenfalls nach einem besonders begnadeten Leben, 1261. Schwer litt die Abtei 1362 unter der Verwüstung durch den Grafen Gebhardt von Mansfeld, 1447 durch einen Brand und 1525 während des Bauernkrieges. 1540 wurde sie aufgehoben. Von dem festen Gottvertrauen des hl. Volkuin und seiner Liebe zu den Notleidenden soll folgende kurze Begebenheit berichten: Einst herrschte in ganz Sachsen und Thüringen eine so große Hungersnot, dass gegen 1800 Notleidende sich täglich zur Klosterpforte von Sittichenbach drängten. Als schließlich alle Vorräte erschöpft schienen, wollte der Bruder Cellarius die Hungernden abweisen. Der heilige Abt jedoch gebot: „Einst hat der Herr 5000 Menschen mit fünf Broten und zwei Fischen gespeist, sicherlich kann Er auch uns mitsamt den Bettelarmen mit dem wenigen erhalten, was wir noch haben.“ Er gab sich ganz in die Hände Gottes. Genau so geschah es bei einer späteren Hungersnot. Nur mehr für zwei oder drei Tage reichte der Vorrat. Auf Bedenken des Speisemeisters erwiderte der Abt: „Wo bleibt das Vertrauen auf Gott? Unser Glaube darf nicht ermatten. Gottes Wunder erleben auch wir.“ In der Tat lohnte Gott der Herr das Vertrauen auf wunderbare Weise (nach Josef Scholle).

Wie eine wunderbare Fügung scheint es uns, dass auf dem Boden der ehemaligen Cisterzienser-Abtei, nahe bei den früheren Klostergebäuden, heute eine 1956 geweihte katholische Kirche steht, die – wie einst das Kloster – der Gottesmutter geweiht ist. Es handelt sich um die Kirche der zu Eisleben gehörenden ursprünglichen Kuratie Osterhausen, die vor kurzem zur Pfarrvikarie erhoben wurde.

Das zweite Kloster, das den Ruhm Eislebens in die deutschen Lande trug, war das Cisterzienserinnen-Kloster Helfta. Man könnte von ihm und dem begnadeten Leben seiner Frauen unendlich viel erzählen, leider lässt der Umfang der vorliegenden Schrift nur eine kurze Skizzierung zu. Im Jahre 1229 kam es zur Gründung eines Cisterzienserinnen-Klosters in der Nähe des Mansfelder Schlosses durch den Grafen Burchard von Mansfeld und seine Gattin Elisabeth. Fünf Jahre später verlegte die Gräfin Elisabeth – nun Witwe geworden – das Kloster nach dem stilleren Rotharsdorf bei Eisleben. (Dieser Ort verschwand in den Wirren des Dreißigjährigen Krieges.) Schon 1258 verlegte man das Kloster, wahrscheinlich infolge Wassermangels, nach Helfta. Hier errang diese Niederlassung ihren weit über die Grenzen Deutschlands hinausreichenden Ruhm. Um den Gefahren der sich befehdenden geistlichen wie weltlichen Fürsten zu entgehen, wurde das Kloster 1346 nach Neuen-Helfta vor die damaligen Mauern Eislebens verlegt, um so besser dem Schutz der Stadt anvertraut zu sein. Auf dem Boden dieses Klosters steht heute unsere St.-Gertrudis-Kirche. Nach der teilweisen Zerstörung des Klosters NeuenHelfta durch den Bauernkrieg zogen die Nonnen erneut 1529 nach Alt-Helfta, 1546 jedoch wurde das Kloster säkularisiert. Das ist das äußere Schicksal dieser so bedeutsamen Klosterniederlassung. Die Blütezeit begann nach dem Tode der ersten Äbtissin Kunigunde von Halberstadt (1251). Bereits am Tage nach ihrem Tode wurde nach einem alten Bericht „aus Eingebung des Heiligen Geistes einhellig die Schwester Mechthild von Hackeborn zur Äbtissin gewählt.“ Unter ihrer Leitung haben die Klosterjungfrauen „gar gottselig gelebt, und Gott hat mit ihnen getan große Wunder.“ Diese so hervorragende Frau war selbst keine Mystikerin und ist auch nicht literarisch hervorgetreten, aber unter ihrer klugen Obhut entfaltete sich die besondere Helftaer Mystik bei drei ihrer Nonnen, bei Mechthild von Magdeburg, ihrer eigenen Schwester Mechthild von Hackeborn und bei Gertrud der Großen. Mechthild von Magdeburg wurde um 1212 geboren und ging 1230 als arme unbekannte Begine nach Magdeburg, um dort ganz für Gott zu leben. Sie wurde schon in Magdeburg stark von den Söhnen des hl. Dominikus beeindruckt, wie überhaupt die großen Mystikerinnen von Helfta neben ihren Ordensstiftern St. Benedikt von Nursia und St. Bernhard von Clairvaux besonders den hl. Dominikus sehr verehrten und sich der geistigen Betreuung durch seine Söhne anvertrauten. Im Jahre

1270 zog sie sich in das Kloster Helfta zurück, wo sie bei den frommen und hochgebildeten Nonnen liebevolle Aufnahme fand. Schon seit 1250 legte sie auf Drängen ihres Beichtvaters, des Dominikaners Heinrich von Halle, die ihr zuteil gewordenen Visionen schriftlich nieder. Nach einem an Gnade reichen Leben starb sie im Rufe der Heiligkeit um das Jahr 1285. Ihre Schrift „Das fließende Licht der Gottheit“ – zwischen 1250 und 1265 verfasst – gehört mit zum Schönsten der deutschen Mystikerinnendichtung des Mittelalters. Diese „Herzensergießungen“, deren sehnsüchtiges Ziel die Vereinigung mit Gott ist, sind in der lyrischen Sprache der hohen Minne geschrieben. Mechthild von Hackeborn, die stark von ihrer Gefährtin Mechthild von Magdeburg beeinflusst wurde, war – wie bereits erwähnt – die Schwester der berühmten Äbtissin Gertrud. Schon mit 7 Jahren trat sie in das Kloster ein. Sie mag etwa 1240 auf der Burg zu Helfta, dem Stammschloß ihrer Familie, geboren sein. Hervorstechend waren stets ihre Herzensreinheit und Liebenswürdigkeit, ihre Demut, Geduld und große Innerlichkeit. Zudem war sie eine hochbegabte Frau, die die lateinische Sprache außerordentlich gut beherrschte. Schon frühzeitig begnadete Gott diese seine reine Dienerin „mit vielen Seiner Heimlichkeiten“, d.h. sie empfing Privatoffenbarungen in Visionen. Zwei ihrer Freundinnen – eine davon war die hl. Gertrud – schrieben ihre Offenbarungen zuerst ohne ihr Wissen, später mit ihrem Einverständnis nieder, und so entstand das berühmte siebenbändige Werk „Liber spiritualis gratiae“ (Buch der geistlichen Gnaden). Die hl. Mechthild starb am 19.11.1310. Anderen Angaben nach starb sie bereits 1299, doch ist dies weniger wahrscheinlich. Die letzte, zugleich auch bedeutendste der genannten Schwestern ist die hl. Gertrud, der die Kirche nicht ohne Grund als einziger Frau den Beinamen die Große gab. Sie wurde am 6.Januar 1256 geboren. Über ihre Herkunft wissen wir nichts, nur ist uns bekannt, dass sie bereits mit fünf Jahren in das Kloster Helfta aufgenommen wurde. Gertrud zeigte sich als ein sehr ernstes und liebenswürdiges Kind, das bald große geistige Gaben verriet. Sie wurde nicht nur eine Gelehrte auf dem Gebiet der göttlichen Wissenschaften, auch die freien Künste hat sie studiert. In ungewöhnlich hohem Grade beherrschte sie das Latein, kannte die Schriften der Kirchenväter und Kirchenlehrer und war eine ausgezeichnete Kennerin der Hl. Schrift. Gegen Ende des Jahres 1280 widmete sie sich ganz der mystischen Schau Gottes. Sie begann ihr Herz ganz für den himmlischen Bräutigam zu schmücken. Christus dankte Seiner Braut durch Visionen und andere

Gnadenerweise. Ihre erste Vision hatte sie am 27,Januar 1281. Der Herr erschien ihr in der Gestalt eines Jünglings und stärkte sie in ihrem Gottvertrauen. Ihre besondere Liebe galt fortan den Schriften des hl. Augustinus und des hl. Bernhard. Viele Bücher hat sie zur Erbauung ihrer Klosterschwestern geschrieben. Bekannt geworden sind ihre „Geistlichen Übungen“, ein Gebetbuch voll Tiefe und Ausdruckskraft. 1289 beginnt sie mit der Niederschrift des zweiten Buches ihrer „Insinuationes divinae pietatis“ (Eingebungen der göttlichen Güte). Diesem Buch fügten ihre Mitschwestern außer dem ersten noch zwei Bücher nach ihren Mitteilungen und ein Buch über ihr Leben hinzu. Diese Schriften sind uns überliefert als Gertruds berühmtestes Werk „Gesandter der göttlichen Liebe“. Diesen Titel soll Christus ihr selbst in einer Vision als den von ihm gewünschten angegeben haben. Das Gertrudenbuch ist eines der schönsten und berühmtesten Werke der mystischen Literatur. „Es verrät, dass ihr hochsinniges Herz Gott, die Natur und die ganze Schöpfung mit Verständnis und Empfindungskraft umschlossen hat“ (Dr. Walter Bunke). Ein besonderes Verdienst der hl. Gertrud ist die Verehrung des Herzens Jesu, die wohl der Helftaer Mystik den Grundstein legte. Nicht umsonst ist unsere St.-Gertrudis-Kirche im Geist der Herz-Jesu-Verehrung erbaut. Ihr Bild in der St.Gertrudis-Kapelle, wie auf beigegebenem Bild zu sehen ist, zeigt sie in der Schau Christi. Dieses Bild wie unsere ganze Kirche künden das Loblied der hl. Gertrud, die sich in der ganzen katholischen Welt einer tiefen Verehrung erfreut. Die hl. Gertrud starb schließlich nach einem so gnadenreichen Leben im Jahr 1311. Die Angabe dürfte nach Größler aber auch nach Guido Hassl die richtige sein. Von anderen wird als Todesjahr 1302 angegeben, was sich auch mehr eingebürgert hat. Wenn wir uns doch mit einer für diese kleine Festschrift ungewöhnlichen Breite gerade mit dem Kloster Helfta und seinen Heiligen beschäftigt haben, so geschah das, um vor allem den seit 1945 in unserer Gemeinde weilenden Katholiken die Größe und Bedeutung dieser Klostergemeinschaft vor Augen zu führen. Auch den Alteingesessenen sei es eine Mahnung, sich dieser verpflichtenden Tradition, die auf unserer Gemeinde ruht, immer bewusst zu bleiben. Wir hoffen, dass es doch einst möglich sein wird, die Gebeine der großen Helftaer Heiligen zu finden. Bis heute wissen wir nichts über die Gräber der Helftaer Nonnen. Dort, wo einst in Helfta ihr Kloster stand, sind heute landwirtschaftliche Gebäude.

Neues Leben erblüht Wenn wir von einem Wiedererwachen des katholischen Glaubens im vorigen Jahrhundert in unserer Heimat sprechen, so geschieht das nicht unbegründet. Das bisher Gesagte zeigte deutlich, welch blühendes katholisches Leben einst in unserer Heimat anzutreffen war. Es ist nun unsere Aufgabe, den Gründen des Wiedererwachens unseres Glaubens und dem Leben der sich langsam herausbildenden katholischen Gemeinde in Eisleben nachzugehen. Aus der Freizügigkeit – basierend auf den Steinschen Reformen – ergab sich im vorigen Jahrhundert das Ansässigwerden katholischer Bürger in bis dahin rein evangelische Gegenden und umgekehrt. Beamtenversetzungen und das Entstehen neuer Garnisonsstädte förderten ebenfalls diese Entwicklung. Hinzu kommt in unserer Heimat noch das Bestehen des Kupferschieferbergbaues, der – wie oben schon einmal erwähnt – besonders nach 1860 Bergleute aus katholischen Gegenden anzog. Auch in der Landwirtschaft arbeiteten mehr und mehr Saisonarbeiter aus Ostdeutschland und Polen, die vielfach katholisch waren. Außer diesen ließen sich, vor allem in den Städten, Gewerbetreibende aus anderen Gegenden Deutschlands nieder. Hier waren es vor allem Eichsfelder, die sich in Eisleben ansiedelten. Auch der Eisenbahnbau zog katholische Arbeiter nach Eisleben, die vielfach hier blieben.

Während im Jahre 1855 in den beiden Mansfelder Kreisen (See- und Gebirgskreis) 471 Katholiken gezählt wurden, waren es 1861 bereits 815. 1864 wurden schon 1.276 gezählt, 1880 bereits 3.945, im Jahre 1890 sogar 9.476. Von da ab blieb die Zahl der Katholiken ziemlich konstant. Auch in den beiden benachbarten Kreisen Querfurt und Sangerhausen machte sich besonders seit den 60er Jahren ein stetes Anwachsen der katholischen Bevölkerung bemerkbar. Damit sah sich die katholische

Kirche vor eine ganz neue Aufgabe gestellt, nämlich all diesen verstreut lebenden Katholiken religiöse Betreuung zukommen zu lassen. So wurde bald das Verlangen groß, eigene Gemeinden zu gründen. Vor hundert Jahren gab es zwischen Nordhausen und Halle keine katholische Kirche, und nur selten wurde von anderen bereits bestehenden katholischen Gemeinden aus Gottesdienst in unserer Gegend gehalten. Wenn wir uns überlegen, dass die Gläubigen oft acht und mehr Stunden wandern mussten, um dem hl. Messopfer beiwohnen zu können, dann können wir vielleicht ungefähr einschätzen, mit welchen großen Opfern für Geistliche und Gläubige die Aufrechterhaltung des katholischen Glaubens verbunden war. Gerade für die Geistlichen war die Arbeit in der Diaspora der damaligen Zeit unerhört schwer. Wie beschwerlich und zeitraubend waren bei den schlechten Wegverhältnissen die Versehgänge, Beerdigungen und seelsorglichen Besuche in einem oft riesigen Gebiet. Dazu kam noch das Problem der Vielsprachigkeit, da sich die katholischen Gemeinden in unserer Gegend aus Deutschen, Italienern, Böhmen und Polen zusammensetzten. Manche Seelsorger haben sich deshalb die Mühe gemacht, die fremden Sprachen der zugewanderten Katholiken zu lernen. Von Vikar Pieper in Gerbstedt wissen wir, dass er am Sonntag in deutscher, italienischer und polnischer Sprache predigte. Dazu kamen noch die Schwierigkeiten, die sich aus der Notwendigkeit ergaben, den Gottesdienst in gemieteten Räumen zu halten. Gewiss, auch der Anfang nach 1945 stellte die Geistlichen vor kaum zu bewältigende Probleme, aber die Verhältnisse waren im vorigen Jahrhundert viel schwieriger, und man kann die heroischen Leistungen der damals wirkenden Geistlichen nur zutiefst bewundern. Sicher wird der Herr diesen Seinen Dienern all ihr Mühen reich vergolten haben. Seit 1814 bestand eine Pfarrgemeinde in Aschersleben. Vor dort aus konnte des Öfteren Gottesdienst in Eisleben gehalten werden. Der Gottesdienst fand in der Privatwohnung eines Italieners statt, im Hause der Koegelschen Samenhandlung neben der Mohrenapotheke. Zweimal im Jahr wurde von Erfurt aus katholischer Militärgottesdienst in Eisleben gehalten. Auch Franziskanerpatres aus Halle, die dort seit 1710 eine Niederlassung hatten, versuchten, periodisch in Eisleben Gottesdienst zu halten. Erst 1848 gelang es, einen regelmäßigen Gottesdienst von Aschersleben aus in Eisleben zu feiern. Die evangelische Kirche stellte für acht Werktage im Jahr die St.-Spiritus-Kirche zur Verfügung, ab 1855 auch an zwei Sonntagen. Am 9.Juni

1858 weilte seit der Reformation zum ersten Male ein katholischer Bischof in Eisleben. Es war der Paderborner Bekennerbischof Dr. Konrad Martin, der in St. Andreas anlässlich einer Visitationsreise das heilige Messopfer feierte und die heilige Firmung spendete. Er versprach den versammelten Katholiken, ihnen einen Geistlichen zu senden, der ständig in Eisleben wirken sollte. Die Kosten für die Gründung der Gemeinde und den Unterhalt des Geistlichen hatte der Bonifatiusverein zu Salzburg übernommen. So traf schließlich am 30. Dezember 1858 der Vikar Anton Kemper aus Bergdorf bei Dorlar ein und übernahm sein Amt als Missionspfarrer. Damit war die Gründung einer katholischen Gemeinde in Eisleben geschehen. Damals lebten in Eisleben 55, im Seekreis 500, im Gebirgskreis 60, im Kreise Querfurt 70 und im Kreis Sangerhausen 140 Katholiken. Für den Gottesdienst hatte man eine Notkapelle, ein ehemaliges Fruchtmagazin, in der Nähe der Petrikirche hergerichtet. Im gleichen Jahr wurde es möglich, von Aschersleben aus in Alsleben periodischen Gottesdienst zu halten. Auch auf Schloss Seeburg wurde katholischer Gottesdienst gefeiert, da die dort wohnende katholische Gräfin Ingenheim eigene Hausgeistliche aus der Diözese Breslau hatte. So war der Grundstein gelegt für eine geregelte geistliche Betreuung der Katholiken im großen Gebiet des heutigen Dekanats Eisleben. Es ist wohl verständlich, dass die erste Sorge des Pfarrers Kemper dem Bau eines eigenen Gotteshauses galt. Der Baugrund konnte 1863 gekauft werden, und 1864/65 wurde die Kirche gebaut. Dieses kleine Kirchlein – heute ist es die Aula der Mittelschule I – wurde von Pfarrer Kemper am 12.11.1865 eingeweiht und am 13.September 1867 nahm Bischof Dr. Konrad Martin die Konsekration vor. Wie sehr sich die Eisleber Katholiken über ihr Kirchlein freuten, kann sich wohl niemand vorstellen, war es doch für alle eine Heimat geistiger Art, die ihnen bis dahin gefehlt hatte. Am 19.April 1869 zogen neun Benediktinerinnen unter einer Priorin aus Osnabrück in Eisleben ein. 1868 hatte die Gemeinde das Klostergebäude am Klosterplatz gekauft. Wie wunderbar scheint uns die Fügung Gottes, dass die Töchter des hl. Benedikts gerade dort wohnten, wo 500 Jahre zuvor ihre Klosterschwestern des NeuenHelftaer Klosters ihr Kloster hatten. Die frommen Schwestern setzten das Werk der heiligen Frauen von Helfta, einer St. Gertrud und einer St. Mechthild, mit großem Eifer fort. Dadurch kamen auch Klostergeistliche nach Eisleben, die gleichzeitig Pfarrer Kemper in seiner Arbeit unterstützten. So waren sie z.B. Präsides der im

November 1867 gegründeten Kolpingfamilie (damals Gesellenverein genannt). Dem Kulturkampf jedoch fiel auch das Eisleber Kloster zum Opfer. Am 29.Oktober 1875 mussten die Nonnen Eisleben verlassen, und ihr letzter Geistlicher, Vikar Pieper, ging als erster Vikar nach Gerbstedt. Über die Entwicklung der anderen Gemeinden im Dekanat soll an anderer Stelle noch berichtet werden. Beim Weggang der Nonnen war es nur der Priorin Michaela gestattet, hier zu bleiben, da sie schwer krank war. Sie starb noch im gleichen Jahre und wurde auf dem alten Friedhof beigesetzt. Im Jahr 1890 konnte die katholische Gemeinde die Klostergebäude als Eigentum erwerben. Im Jahre 1881 erwarb Pfarrer Kemper das spätere Pfarrhaus in der Nikolaistraße, das heutige St.-GertrudisHeim. Ein Teil des geräumigen Gartens dieses Grundstücks, der sich bis zum Nikolai-Kirchplatz erstreckt, wurde für den Neubau einer katholischen Schule, der 1882 erfolgte, hergegeben.

Die katholische Schule An dieser Stelle sei etwas über die katholische Schule in Eisleben und über die in anderen Gemeinden des heutigen Dekanats gesagt. Schon 1854 gelang es dem damals Eisleben betreuenden Ascherslebener Pfarrer unter Überwindung großer Schwierigkeiten eine katholische Privatschule mit zunächst vier Kindern auf dem Plan zu gründen. Erster Lehrer war Karl Preising. Dass dieser Lehrer darüber hinaus – ehe überhaupt ein Geistlicher nach Eisleben zog – die Katholiken aufsuchte und sie am Sonntag zur Katechese um sich sammelte, sei ihm hoch angerechnet. Die Höchstzahl an Kindern (449) erreichte die Schule zur Jahrhundertwende. Als diese Schule nach segensreicher Tätigkeit vieler Lehrer am 11.9.1939 durch die Nationalsozialisten

aufgelöst wurde, hatte sie 162 Schüler (86 Mädchen und 76 Jungen). Besonders hervorzuheben aus der älteren Zeit seien neben dem ersten Lehrer die Lehrer Clemens Rademacher , Franz Heimbrodt, Georg Lier und August Völker sowie die Lehrerinnen Pape und Scholz, die viele Jahre in Eisleben hervorragende Arbeit leisteten. Selbst den jüngeren Gemeindemitgliedern werden die zuletzt an der Schule tätigen Lehrkräfte Alois Kullmann, Franz Urban (er starb im vorigen Jahr), Otto Kobold und Klara Klemenz noch in bester Erinnerung sein. Allen Lehrern und Lehrerinnen, die an unserer Schule unterrichteten, wollen wir für ihre segensreiche Tätigkeit an dieser Stelle besonders danken. Sie waren es, die gemeinsam mit Geistlichen und Eltern den Samen unseres Glaubens in die Herzen vieler unserer Gemeindemitglieder legten, die es darüber hinaus verstanden, die ihnen Anbefohlenen mit dem schulischen Wissen vorzüglich auszurüsten, so dass sich die katholische Volksschule in Eisleben stets eines sehr guten Rufes erfreute. Wie dankbar die Gemeinde an ihren Lehrern hing, sei nur an einem Beispiel gezeigt: Als Rektor Rademacher am 1.April 1928 nach 44-jähriger Tätigkeit als Lehrer in Eisleben aus seinem Amte schied, bereitete ihm die St.-GertrudisGemeinde im Zeichensaal der Mittelschule eine rührende Abschiedsfeier. Gerade dieser Mann hat über seine schulische Tätigkeit hinaus viel für die Gemeinde getan. Für alle seine Verdienste verlieh ihm Papst Pius XI. das Ehrenkreuz „Pro ecclesia et pontifice“. Er starb am 18.2.1945 im Alter von 82 Jahren in Eisleben. Unsere Schule wurde am 1.Oktober 1890 als öffentliche städtische Schule anerkannt. Die Schule zählte damals 260 Kinder. Die 1882 gebaute Schule am Nikolaikirchplatz reichte bald nicht mehr aus, da sie nur für vier Klassen vorgesehen war. 1893 wurde ein fünfter Klassenraum im Klostergebäude eingerichtet. Ostern 1897 mussten noch je ein Raum in der Lindenstraße und auf dem Breiten Weg gemietet werden. Das änderte sich erst, als die drei außerhalb des eigentlichen Schulgebäudes liegenden Klassen 1913 in das Gewerkschaftliche Schulgebäude in der heutigen Adolf-Barth-Straße verlegt wurden. Aber auch später mussten diese Klassen vielfach wandern. Als die Schule schließlich 1939 geschlossen wurde, was einen glatten Bruch des 1933 geschlossenen Konkordates zwischen dem Heiligen Stuhl und der Reichsregierung darstellte, nahm man voller Trauer Abschied von dieser katholischen Bildungsstätte. Auch in anderen Orten des Dekanates wurden zuerst katholische Privatschulen gegründet, die später meist

staatlich anerkannt wurden. Dann erst folgten die Anstellung eines Geistlichen und der Kirchenbau. Das war der Fall in Eisleben, Helbra, Klostermansfeld, Hettstedt (Burgörner) , Oberröblingen und Hergisdorf. In vielen Orten blieb die Schaffung einer Schule die einzige Gründung. Ortschaften, in denen sich wohl eine katholische Schule befand, aber kein Geistlicher wirkte, waren Benndorf, Leimbach, Großörner, Siersleben, Stedten und Unterrißdorf. Folgende Schulen wurden nacheinander ins Leben gerufen: Eisleben 1854, Alsleben 1861, Sangerhausen 1864, Gerbstedt 1879, Helbra 1882, Burgörner 1885, Klostermansfeld 1887, Hergisdorf 1888, Leimbach 1890, Siersleben 1891, Oberröblingen 1891, Unterrissdorf 1892, Großörner 1895, Benndorf 1895 und Stedten 1903. Alle diese Schulen fielen dem nationalsozialistischen Terror zum Opfer. Um die Bildung der katholischen Schulen machten sich nicht zuletzt die in diesen Jahren in Eisleben wirkenden Pfarrer Kemper, Schulte, Schwermer und Meintrup verdient. Die Herren festigten in besonderer Weise die Gemeinde und vollbrachten eine segensreiche Arbeit im Weinberge des Herrn. Pfarrer Kemper folgte 1885 Pfarrer Schulte im Amte. Pfarrer Kemper ging nach Büren in Westfalen, wo er später starb. Im Jahre 1890 wurde Pfarrer Schulte nach Boele in Westfalen versetzt. Ihm folgte Pfarrer Schwermer, der von Helbra kam. Dieser blieb nur zwei Jahre und ging nach Halle, um später bis zu seinem Tode 1921 als Propst in Dortmund zu wirken. Von 1892 bis 1893 wurde die verwaiste Pfarrgemeinde von Herrn Pfarrer Bona als Pfarradministrator versehen. Im Jahre 1893 wurde der neue Pfarrer, Franz Meintrup, eingeführt. Im allgemeinen war in diesen Jahren eine größere Sesshaftigkeit unter den im Mansfeldischen lebenden Katholiken vor sich gegangen. Jetzt konnte man mehr Gewicht auf die innere Festigung der Gemeinde legen. Für diese Arbeit war, wie die Pfarrchronik berichtet, gerade Pfarrer Meintrup der geeignete Mann: „Die Liebe war die Richtschnur seines Handelns. Unter seiner Leitung wuchs das religiöse Leben der Gemeinde um ein Bedeutendes.“ Unvergesslich war die große Gertrudisfeier, die 1902 anlässlich des 600.Todestages der hl. Gertrud veranstaltet wurde. Eine Mission fand ebenfalls in diesem Jahre statt. Auch um die Innenausgestaltung des Gertrudiskirchleins hat sich Pfarrer Meintrup sehr bemüht. Er wurde am 29.5.1906 durch seine Ernennung zum Dechanten des Dekanates Halle geehrt. Im Jahre 1905 erhielt Eisleben

seinen ersten Vikar (damals noch Kaplan genannt), es war Kaplan Kramer, der bis 1908 in Eisleben tätig war. Alle Vikare, vom ersten bis zum letzten, erfreuten sich wie die Pfarrer der Zuneigung ihrer Gläubigen. Mag mancher auch nur kurze Zeit in Eisleben geweilt haben, so gedenken wir doch gern ihrer segensreichen Tätigkeit. Dechant Meintrup ging 1933 als Dechant nach Störmede in Westfalen, gestorben ist er am 23.3.1933 in Delbrück. Sein Nachfolger in Eisleben wurde der bisherige Vikar von Röblingen, Josef Westermann. Ab 1.10.1908 wurden sonntags – wie heute noch – drei heilige Messen in Eisleben gefeiert. Pfarrer Westermann gründete 1908 eine marianische Jungfrauenkongregation. Auch den Jünglingsverein rief er erneut ins Leben. Die Vereine Hier sei kurz ein Wort zu den Vereinsgründungen gesagt. Der Lehrer Lier, der sich sehr ausführlich mit der Geschichte der Gemeinde beschäftigt hat, schildert die Situation wie folgt: „Wenn irgendwo, so war in den Diasporagemeinden die Gründung von katholischen Vereinen ein Gebot der Notwendigkeit, nicht deshalb, um die Katholiken von der protestantischen Bevölkerung abzuschließen, sondern um durch den geselligen Verkehr der Katholiken untereinander auch außerhalb des Gottesdienstes sie apologetisch zu schulen und in religiösen Dingen aufzuklären, um ihnen einen festen Halt zu geben, damit sie in der überwiegend protestantischen Bevölkerung unserem heiligen Glauben nicht verloren gingen.“ Hier sind zuerst die Männer- und Arbeitervereine hervorzuheben. Sie wurden Stützen der jungen Gemeinde. Der Männerverein wurde in Eisleben 1865 gegründet, die vorhin bereits erwähnte Kolpingfamilie 1867, 1890 folgte der Knappenverein. Auch Mütter- oder Marienvereine wurden ins Leben gerufen. Der Jugend nahmen sich die Jünglings- und Jungfrauenvereine an. Der 1893 gegründete Jünglingsverein löste sich wegen Raummangel bald wieder auf, konnte aber 1908 neu gegründet werden. Im gleichen Jahr folgte der oben genannte Jungfrauenverein. Der kranken und verlassenen Glaubensbrüder nahm sich der 1909 gegründete Elisabethverein an. Durch die Gründung der vielen Vereine mit besonderen Zielen und Zwecken entstand die Gefahr der Zersplitterung unter den Gemeindemitgliedern. Da bildeten die Familien- und Elternabende das Band, das die einzelnen Vereine verknüpfte. Die ganze Gemeinde fühlte sich bei solchen Veranstaltungen als eine große Familie. Unsere heutigen Männer-, Frauen- und

Jugendgruppen entsprechen nicht mehr den damaligen Vereinen, sind aber wie diese bestrebt, das Leben der Gemeinde zu fördern und den Gemeindemitgliedern religiöses Glaubensgut zu vermitteln. Sie sind heute Teile der Pfarrgemeinde selbst und wollen nichts anderes sein.

Ein Blick auf das Dekanat Im Jahre 1908 wurde unser Diasporagebiet vom Dekanat Halle losgelöst und bildete fortan das Dekanat Eisleben. Erster Dechant wurde Pfarrer Westermann. An dieser Stelle wollen wir uns einmal die Entwicklung der übrigen Gemeinden des Dekanates ansehen. Nachdem 1858/59 in Eisleben die erste katholische Gemeinde gegründet wurde, konnte von Aschersleben aus periodischer Gottesdienst in Alsleben gehalten werden. Hier kam es 1861 zur Gründung einer Missionspfarrei. Erster Geistlicher war dort Pfarrer Becker. Die Kirche wurde 1874 gebaut. Ab 1861 wurde von Eisleben aus periodischer Gottesdienst in Sangerhausen gehalten., wo 1864 die Gemeinde durch Anstellung von Pfarrer Albers entstand. Die Kirche wurde 1893 gebaut. Die Eisleber Klosterkapläne versahen ab 1871 periodischen Gottesdienst in Gerbstedt, wo 1875 mit der Anstellung des Vikars Pieper eine neue Missionsstation gegründet werden konnte. Der Kirchbau erfolgte 1906. Das bedeutende Anwachsen der Einwohnerzahl in verschiedenen Orten, namentlich in Helbra, führte 1884 zur Gründung der dortigen Gemeinde unter ihrem ersten Vikar Schwermer, dem späteren Pfarrer von Eisleben. 1885 konnte eine Notkirche gebaut werden, die neue Kirche stammt aus dem Jahr 1911. Nun wurde von Helbra aus periodischer Gottesdienst in Burgörner-Hettstedt abgehalten, wo bereits seit 1858 von Aschersleben aus die hl. Messe gefeiert wurde. Seit 1884 fand von Gerbstedt aus in Siersleben regelmäßiger Gottesdienst statt. Pfarrer Schulte führte von Eisleben aus in den Jahren 1885 bis 1890 den regelmäßigen Gottesdienst in Stedten ein. 1888 begann der regelmäßige Gottesdienst in Hergisdorf und Klostermansfeld von Helbra aus, während Burgörner von da ab von Gerbstedt aus pastoriert wurde. 1890 kam es zur Gründung der Gemeinden Klostermansfeld und Hettstedt. In Klostermansfeld wirkte zuerst Vikar Alfes, in Hettstedt Vikar Bruch. Die Kirchen wurden dort 1892/93 bzw. 1893/94 gebaut. Damit übernahm Hettstedt die Außenstation Siersleben. Leimbach wurde von 1890 ab von Klostermansfeld aus betreut. In dieser Zeit zogen viele katholische Bergleute in die Kohlengruben des südöstlichen Teiles des

Dekanates. So reichte der Gottesdienst in Stedten nicht aus, und ab 1890 wurde von Eisleben und Zappendorf aus regelmäßiger Gottesdienst in Oberröblingen gehalten. Pfarrer Schwermer baute dort 1891 eine Kirche, und 1892 wurde durch die Anstellung des Vikars Westermann (später Pfarrer und Dechant in Eisleben) die Station gegründet. Das ist das einzige Beispiel im Dekanat, wo erst die Kirche gebaut wurde und dann eine Gemeinde gegründet werden konnte. Im gleichen Jahr begann Sangerhausen mit der regelmäßigen Betreuung von Artern. Einen Geistlichen erhielt Artern 1893 in Vikar Dr. Vogt (später Pfarrer und Dechant in Eisleben). Schon 1892 war mit der Anstellung des Vikars Steffen in Hergisdorf eine Station gegründet worden. Die Kirche konnte hier 1905 gebaut werden. Von 1893 an wurde von Oberröblingen aus monatlich zweimal Gottesdienst in Querfurt gehalten. Hier kam es 1907 zur Gründung. Erster Geistlicher war Vikar Patrzek. Den Grundstein für die dortige Kirche legte Dechant Westermann am 1.11.1909. Damit war vorerst die Entwicklung des Dekanates abgeschlossen. Pfarreien gab es drei (Eisleben, Sangerhausen, seit 1900, und die Missionspfarrei Alsleben).

Zur Pfarrei Eisleben gehörten als Filialen Gerbstedt, Hettstedt, Klostermansfeld, Helbra, Hergisdorf, Oberröblingen und Querfurt. Zur Pfarrei Sangerhausen gehörte die Filiale Artern. 1911 wurde Helbra Pfarrei. 1919 wurden die übrigen Filialen zu Pfarrvikarien erhoben. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg wurden im Dekanat Eisleben verschiedene Pfarrvikarien zu neuen Pfarreien erhoben. So wurden Klostermansfeld 1949, Hettstedt 1950 und Querfurt 1953 eigene Pfarreien. Die Abpfarrung von Röblingen steht bevor. Nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden außerdem die Kuratien Hedersleben, Osterhausen, Teutschenthal, Siersleben, Mansfeld, Langeneichstädt, Blankenheim, Rossla, Wippra, Rossleben und Breitenbach. Von diesen wurden

nach vollendetem Kirchbau Langeneichstädt (1958) und Osterhausen (1959) zu Pfarrvikarien erhoben. So zählt unser Dekanat heute sechs Pfarreien, sechs Pfarrvikarien und neun Kuratien, von denen Breitenbach vakant ist. Als nach dem Krieg das Dekanat Bernburg gegründet wurde, kamen die Pfarreien Alsleben und die Filialen Könnern und Löbejün, die ursprünglich auch zum Dekanat Eisleben gehört hatten, zu Bernburg. Es bliebe noch viel zu sagen über die einzelnen Gemeinden im Dekanat, doch würde dies über den Rahmen der vorliegenden Schrift hinausgehen. Es sei nur gesagt, dass sich in unserem Dekanat gerade nach 1945 überall blühendes katholisches Leben entwickelte. Möge Gott noch weiterhin dieses unser Dekanat, seine Priester und Gläubigen segnen!

Weitere Arbeiter im „Weinberg des Herrn“ Doch nun zurück zur Geschichte der Eisleber Pfarrei. Am 13.Januar 1909 wurde der katholische Religionsunterricht in der Volkstedter Schule durch Vikar Kalkuhl aufgenommen. Inzwischen hatte sich ergeben, dass die kleine Kirche in der Nikolaistraße trotz der Gründung der neuen Gemeinden im Dekanat die Gläubigen längst nicht mehr fassen konnte. Die Kirche fasste kaum 400 Personen, Sitzplätze waren nur für 108 vorhanden. Die Gemeinde zählte dagegen 2.400 Seelen. Die Schulkinder allein füllten das Kirchlein vollständig. Die Gemeinde selbst, die sich fast nur aus Arbeitern zusammensetzte, konnte unmöglich allein die Mittel zum Neubau aufbringen. Wie konnte hier geholfen werden? 1908 begann man mit den Sammlungen für den Neubau. Viele Tausende Briefe mit einem Aufruf wurden an wohltätige Katholiken in ganz Deutschland, ja sogar in andere Länder geschickt. 1910 wurde ein Kirchenbauverein gegründet, dessen Vorsitzender Lehrer Lier wurde. In den folgenden Jahren wurde die rege Sammeltätigkeit fortgesetzt. Bis zum 1.Januar 1914 brachte der Kirchenbauverein von seinen Mitgliedern 5.626,- Mark auf, eine enorme Summe, die aber für den Kirchenbau noch lange nicht ausreichte. Ein großes Verdienst um den Neubau hat sich Dechant Westermann erworben, der mit unerhörtem Elan die Vorbereitungsarbeiten vorantrieb. Im April des Jahres 1914 konnte schließlich mit dem Abbruch der Häuser des ehemaligen Klostergeländes begonnen werden, denn hier sollte ja die neue Kirche gebaut werden. Der erste Spatenstich erfolgte am 13.Juni. Man hoffte, innerhalb eines Jahres Kirche und Pfarrhaus bauen zu können. Leider ging diese Hoffnung nicht in

Erfüllung, denn der inzwischen begonnene Erste Weltkrieg brachte unerhörte Schwierigkeiten für die Weiterführung des Baues mit sich. Am 22.September 1915 konnte das Pfarrhaus bezogen werden. Der Bau verschlang alles Geld, was die verhältnismäßig arme Gemeinde aufbringen konnte. Auch der St.-BonifatiusVerein half. Dennoch blieb der Gemeinde nichts anderes übrig, als das ehemalige Pfarrhaus und das kleine Kirchlein in der Nikolaistraße der Mansfeld AG zu verkaufen, um so die lastenden Schulden zu decken. Die Innenausstattung der neuen Kirche bestand vielfach aus Stiftungen der Vereine und einzelner wohlhabender Familien. Es ist unglaublich, welchen Opfersinn die Eisleber Katholiken aufgebracht haben, um ihrem Herrn ein neues schöneres und größeres Gotteshaus schaffen zu können. Noch heute erzählen die älteren Katholiken Eislebens von den Sorgen und Nöten, die sie um ihre Kirche litten. Wie groß deshalb die Freude war, als am 15.November 1916 die Kirche geweiht werden konnte, ist unvorstellbar. Die Konsekration nahm Weihbischof Dr. Hähling von Lanzenauer unter Beteiligung der Behörden der Stadt, des Kreises und der Mansfeld AG vor. Mit der Übertragung des Allerheiligsten aus der alten in die neue Kirche nahm die Gemeinde Abschied von ihrem alten Gotteshaus, das so vielen von ihnen eine Stätte reichsten Segens gewesen war. Später übernahm die Stadt diese Kirche, und sie ist heute noch als Aula der Mittelschule I in Gebrauch. Das ehemalige Pfarrhaus – das heutige St.Gertrudis-Heim – ging bereits 1930 wieder in Pfarreigentum über. Den Hochaltar erhielt die neue Kirche 1918. Der Kirchenbildhauer Reichmann aus Paderborn schuf das Werk. Von ihm stammen auch die 1920 aufgestellte Kanzel und der Gertrudis-Altar. Auch der Rahmen des Gertrudis-Bildes ist sein Werk. Das Bild selbst malte der Kunstmaler Ronge aus München. Im Jahre 1920 versuchte ein 19-jähriger Dieb, unser Gotteshaus zu schänden. Es gelang ihm jedoch nur, die 6 vernickelten Altarleuchter zu entwenden. Interessant ist seine Angabe – nachdem man ihn stellte –, dass ihn, als er sich an der Tabernakeltür des Hochaltars zu schaffen machte, plötzlich eine solche Angst befallen habe, dass er in Schweiß geraten sei und dann nichts mehr hätte tun können. So schützte Gott selbst auf wunderbare Weise sein Heiligtum. 1922 wurde der neue Seitenaltar der Hl. Familie eingeweiht. Auch dieser Altar wurde von Reichmann angefertigt. Im gleichen Jahr erlebte die Gemeinde eine Volksmission, die von Redemptoristen aus Heiligenstadt

gehalten wurde. Von da ab wurden die Redemptoristen ständige Missionsbetreuer unserer Gemeinde. Die 20er Jahre wurden ausgezeichnet durch eine rege Beteiligung unserer Gemeinde am kirchlichen Leben. Die Vereine entwickelten eine rege Tätigkeit, und das katholische Leben in Eisleben entwickelte sich so immer schöner. Am 19.August 1923 fand die erste Primiz seit der Reformation in Eisleben statt. Der Primiziant war der am 12.August des gleichen Jahres geweihte Priester Paul Gunkel, ein Sohn unserer Stadt und Gemeinde. Ein besonderer Höhepunkt des Jahres 1926 war das 60. Stiftungsfest des Männervereins. Die Festpredigt hielt Propst Preising von Gelsenkirchen, der Sohn des ersten katholischen Lehrers in Eisleben. Im gleichen Jahr hielt P. Edwin OFM aus Halberstadt eine Religiöse Woche. Im Jahre 1927 konnte der neue Kreuzweg geweiht werden. Auch hier zeigte die Gemeinde eine freudige Opferbereitschaft, um das benötigte Geld aufzubringen. Am 18.Oktober 1927 nahm Dechant Westermann nach zwanzigjährigem Wirken in Eisleben von seiner Gemeinde Abschied, um seinen Lebensabend in seiner Heimatstadt Werl zu beschließen. 1928 wurde er in Werl für seine Verdienste um das Reich Gottes zum Geistlichen Rat ernannt. Mit Dechant Westermann verließ ein Geistlicher Eisleben,, der von 1892 an segensreich zuerst in Oberröblingen als erster Vikar, dann ab 1907 in Eisleben selbst gewirkt hatte. Er war beseelt mit heiligem Eifer für Gott und unsere heilige Kirche. Seiner Energie und seinem Glaubenseifer hat Eisleben viel zu verdanken. Er verlangte viel von anderen, von sich selbst das meiste. Eisleben wird diesem aufrechten Priester Gottes ein bleibendes Andenken bewahren, ist er doch vor allem der Erbauer unserer schönen St.-Gertrudis-Kirche. Sein Nachfolger wurde am 13.11.1927 Dr. Franz Vogt. Am 25.Dezember erfolgte die Ernennung Dr. Vogts zum Dechanten. Damit erhielt Eisleben einen Pfarrer, der sich bald alle Herzen durch seine Liebe, Anteilnahme und Hilfsbereitschaft in allen Dingen eroberte. Bereits 1904 war er für zwei Jahre im Dekanat tätig, und zwar als erster Vikar von Artern. Er war zuletzt Pfarrer in Langensalza, wo er eine neue Kirche baute. In Zeitungen, in Bettelbriefen und auf Bettelreisen bat er um Gaben für die Diaspora, so dass er als „Bettelvogt“ verschrieen war; später wurde es sein Ehrenname. 1928 konnte die Fronleichnamsprozession zum ersten Male auf dem Alten Friedhof vollzogen werden. Im gleichen Jahr fand in Magdeburg der Deutsche Katholikentag statt. Im Anschluss daran besuchte am 9.September der damalige Nuntius Dr. Pacelli die Stätten der heiligen Gertrud.

Voller Ehrfurcht küsste er den Boden, auf dem unsere große Heilige einst gewandelt ist. Ihm ist es auch zu verdanken, dass die Gemeinde bald darauf Reliquien der heiligen Gertrud erhielt. Dieser in Deutschland so hoch verehrte Nuntius bestieg 1939 als Papst Pius XII. den Stuhl Petri. Im vorigen Jahr wurde er nach fast zwanzigjährigem segensreichen Pontifikat in die Ewigkeit berufen. Deutschland hat gerade diesem Papst viel zu verdanken. Am 1.November 1928 fand zum ersten Male der Weihegang auf dem Friedhof statt. Das Jahr 1929 brachte für Eisleben die Jubelfeier der Gründung des Klosters Helfta (1229). Aus diesem Anlass fand auch eine Mission statt. Wie begeistert die Gemeinde an diesen gnadenvollen Tagen Anteil nahm, zeigt, dass die Beteiligung von 1.600 am ersten Tage auf 3.100 am letzten Tage anstieg. 1930 konnte das zurückgekaufte St.-Gertrudis-Heim eingeweiht werden. Das Jahr 1931 brachte die Aufstellung des steinernen Sakramentshäuschens auf dem Pfarrhof. Es war nicht einfach, dieses ehemalige Sakramentshäuschen des Klosters Helfta zu bekommen, obwohl es unbeachtet auf dem Gutshofe in Helfta stand. Im November des gleichen Jahres erhielt Eisleben drei neue Glocken. Die Gemeinde Gelsenkirchen-Rotthausen schenkte uns ihre eigenen. Noch heute rufen diese drei Glocken, die der heiligen Gertrud, der heiligen Mechthild und dem heiligen Bruno geweiht sind, die Gläubigen zum Gottesdienst. Die alten Glocken kamen nach Massen in Westfalen, wo Pfarrvikar Mügge – vordem Vikar in Eisleben – eine neue Kirche gebaut hatte. Auch die Gefallenengedächtniskapelle konnte in diesem so ereignisreichen Jahr geweiht werden. Das Jahr 1932 brachte für die Gemeinde den Tod zweier verehrter Geistlicher. Am 18.März starb in Werl Dechant Westermann, und am 21.März verschied im St.Elisabeth-Krankenhaus in Halle Dechant Dr. Vogt. Die Gemeinde nahm durch eine Abordnung in Werl und in ihrer Gesamtheit in Eisleben Abschied von ihren treuen Seelenhirten. Beigesetzt wurde Dr. Vogt in seiner Heimatstadt Dingelstädt. Der Heimgang von Dr. Vogt war für die Gemeinde, die diesen liebevollen Hirten tief verehrte, ein schwerer Verlust. Seine große Sorge galt der Pflege des Kirchengesangs. Er verlangte viel von seinem Kirchenchor, aber die Sänger gingen für ihn durchs Feuer. Als Kenner der Musica sacra war er auch Bezirkspräses der Cäcilien-Vereine. Am 11.Mai traf der neue Pfarrer, der bisher in Oestrich wirkende Missionspfarrer Augustin Scheele, in Eisleben ein.

Treue in verworrener Zeit Pfarrer Scheeles Amtszeit in Eisleben war gekennzeichnet von der Schreckensherrschaft des nationalsozialistischen Regimes. Bereits 1933 musste er ohnmächtig der Auflösung der verschiedenen Vereine durch die Gestapo zusehen. Trotz der immer mehr um sich greifenden Wirren dieser Zeit konnte die Gemeinde frohen Herzens das 75-jährige Jubiläum ihrer Pfarrei feiern. Das Jahr 1934 brachte eine Eucharistische Woche, gehalten durch P. Georg von Sachsen. 1935 erfolgte der erste ernstliche Eingriff der staatlichen Organe in das Leben der Pfarrei. Pfarrhaus und Vikarie wurden von Beamten der Gestapo durchsucht.

Im Jahr 1936 erlebte Eisleben eine Volksmission durch Redemptoristenpatres. Wie viel Mut mögen diese Tage den so schwer bedrängten Katholiken geschenkt haben! Im gleichen Jahr starb Konrektor Franz Heinebrodt, der 34 Jahre an der Eisleber Schule gewirkt hatte. Daneben war er 20 Jahre Organist. Im folgenden Jahr erhielt die Kirche die kunstvoll gearbeiteten Gitter für die Kommunionbank. Ebenfalls 1937 begannen die Ausschachtungsarbeiten für die neue Vikarie neben dem Pfarrhaus. 1938 konnte sie bezogen werden. Das Jahr 1939 stürzte die Völker in einen neuen, verheerenden Krieg, in dessen Gefolge auch die katholische Gemeinde von Eisleben viele Mitglieder verlor. Auch einer ihrer Geistlichen, Vikar Franz Paroth, der von 1937 bis 1938 in Eisleben weilte, fiel im Osten. Im gleichen Jahr wurde, wie oben erwähnt, die katholische Schule für immer geschlossen. Vikar Kessels wurde als Militärgeistlicher eingezogen. Mit dem Januar 1940 setzten erneute Schikanen der Regierung ein. Auf Anordnung des „Führers“ durften an Tagen nach abendlichem Fliegeralarm keine Glocken geläutet werden. Die Pfarrbücherei wurde nur noch für rein religiöse Bücher zugelassen. Kirchliche

Veranstaltungen durften an Tagen nach nächtlichem Fliegeralarm nicht vor 10 Uhr stattfinden. Auch durften Fronleichnamsprozessionen nur noch auf kircheneigenem Boden durchgeführt werden. Alle diese Maßnahmen behinderten das Leben der Gemeinde, konnten die Gläubigen aber nicht in ihrer Treue beirren. Als besonderes Opfer des nationalsozialistischen Terrors beklagen wir den Tod des Gemeindemitglieds Ewald Kowalski, der im KZ sein Leben ließ. 1941 nahm Pfarrer Scheele von Eisleben Abschied, er ging nach Sundern, Kreis Arnsberg. Seit 1958 lebt er dort im Ruhestand. Sein Nachfolger wurde der bisherige Rektor des St.-Johannes-Hospitals in Dortmund, Franz Wiemer, der noch heute unsere Gemeinde leitet. Er wurde am 6.April durch Dechant Rössler aus Helbra eingeführt. Pfarrer Rössler war nach dem Tode Dr. Vogts Dechant des Dekanates geworden und übte sein Amt bis 1956 aus. Trotz seiner 78 Jahre versieht Ehrendechant Rössler – Erzbischof Jäger ernannte ihn zum Geistlichen Rat – noch sein Amt als Pfarrer von Helbra. Am 26. Januar 1941 war Erzbischof Dr. Caspar Klein gestorben. Am 19.Oktober fand die Bischofsweihe des neuen Erzbischofs Dr. Lorenz Jäger statt. Unser Erzbischof stammt selbst aus unserer Heimat, er wurde am 23.9.1892 in Halle geboren und empfing am 1.4.1922 – zusammen mit unserem Pfarrer – die heilige Priesterweihe . Am 11.August 1941 zogen im Pfarrhaus drei Schwestern vom hl. Vincenz aus dem Mutterhaus in Paderborn ein. Bereits am13.Oktober musste Pfarrer Wiemer vor der Gestapo in Halle erscheinen, die ihm auftrug, die Schwestern wieder zurückzuschicken. Pfarrer Wiemer weigerte sich standhaft. Am 12.1.1942 wurde er aufgefordert, den Schwestern zu gebieten, ihre „auffällige Tracht“ abzulegen. Am 29.6. musste er erneut vor der Gestapo erscheinen. Da die Schwestern sich weigerten, ihre Tracht abzulegen, mussten sie nach einjähriger segensreicher Tätigkeit Eisleben verlassen. Auf derartige Weise mischte sich das totalitäre System des „Tausendjährigen Reiches“ in die inneren Angelegenheiten der Kirche ein, ungeachtet des 1933 abgeschlossenen Konkordates. Die Gläubigen ließen sich jedoch durch nichts erschüttern. Am 1.September zogen Marienschwestern aus Schönstatt ins Pfarrhaus ein, die im kirchlichen Dienst, in Seelsorgshilfe und Krankenpflege in der Gemeinde tätig waren. Noch heute verrichten Marienschwestern in Eisleben ihren Dienst.

1943 verließ Vikar Montag Eisleben, und an seine Stelle trat Vikar Czeloth, Direktor der Hoheneckzentrale (Kreuzbund), den der Heilige Vater 1945 für seine Verdienste um den Kreuzbund zum Prälaten ernannte.

Die große Gemeinde Ende 1944 erhielt die Gemeinde zum ersten Male einen bedeutenden Zuwachs. Der verhängnisvolle Krieg, der vielen Völkern unerlässliches Elend brachte, neigte sich seinem Ende zu. Da sich die alliierten Truppen immer mehr den deutschen Grenzen näherten, wurden die Grenzbewohner nach Mitteldeutschland evakuiert. So kamen viele Rheinländer, die fast ausschließlich katholisch waren, nach Eisleben. Mit ihnen kamen Pallottinerinnen aus Gereonsweiler. Es handelte sich um die Oberin Firmata und ihre Schwestern Mauritia und Edelberta. Nach langwierigen Verhandlungen mit den staatlichen Behörden wurde es möglich, in der Berufsschule der Mansfeld AG (heutige Adolf-BarthStraße) ein Altersheim einzurichten. Die Pflege übernahmen die Pallottinerinnen. Aus Schönstatt trafen weitere Marienschwestern und aus Limburg drei weitere Pallottinerinnen ein. Zur Betreuung der evakuierten Rheinländer kam P. Mahlberg SJ als Kaplan nach Eisleben. Das Jahr 1944 bringt auch eine Ausdehnung der örtlichen Betreuung mit sich. In hochherziger Gesinnung stellten die evangelischen Geistlichen der verschiedenen Landgemeinden ihre Kirchen für den katholischen Gottesdienst zur Verfügung. Noch heute sind wir dankbaren Herzens Gast in so mancher evangelischen Kirche unseres Dekanates. So konnten von Oktober 1944 an in verschiedenen Gemeinden Gottesdienst gehallten werden. Es wurden auf diese Weise betreut: Bornstedt, Holdenstedt, Osterhausen, Einsdorf, Rothenschirmbach, Sittichenbach, Bischofrode, Wolferode, Wimmelburg, Volkstedt, Hedersleben, Dederstedt, Volkmaritz, Oberrissdorf, Unterrissdorf, Wormsleben, Helfta, Teutschenthal, Seeburg und Höhnstedt. Am 24.November 1944 traf Pfarrvikar Hugo Bleske aus dem Ermland ein. Er blieb bis 1947 und wurde dann erster Kuratus in Teutschenthal. Seit 1957 ist er Pfarrvikar in Bad Schmiedeberg im Dekanat Wittenberg. So anstrengend die Betreuung der vielen Ortschaften für die Geistlichen war, so war es doch das Bestreben der Geistlichen, all den neuen Gemeindemitgliedern in naher und weiter Umgebung der Pfarrei neue geistige Heimat zu geben. Das machte sich vor allem notwendig, als aus dem Osten der Umsiedlerstrom immer mehr zunahm.

Dankbaren Herzens gedenken die ehemaligen Umsiedler noch heute der aufopfernden Tätigkeit der Priester und Schwestern in der religiösen Betreuung.

(Hier folgt ein späterer 1.Einschub – siehe Nachwort auf S. 23!) Nun war endlich die Schreckensherrschaft vorbei, die Deutschland und viele andere Völker in unermessliches Elend gestürzt hatte. Es galt jetzt, ein neueres, besseres Deutschland aufzubauen, das aus dem Geiste der Gerechtigkeit und des Friedens heraus gestaltet werden musste. Auch die Katholiken gingen daran, mit allen Kräften den Neuaufbau zu unterstützen. Wie viel an geistigem und wirtschaftlichem Schutt musste beseitigt werden, damit die Voraussetzungen geschaffen werden konnten, dass die Kriegsgefahr endgültig gebannt wurde. Zu allen Zeiten beteten die Kirche und ihre Gläubigen um den Frieden auch auf Erden, und unsere vornehmste Aufgabe soll es auch in Zukunft sein, stets für den Frieden unter den Menschen zu wirken. Nur im Frieden kann sich die Menschheit weiter entwickeln und dem Auftrage Gottes, Nächstenliebe zu üben, erfüllen. Auch am wirtschaftlichen Aufbau unserer Republik nahmen und nehmen unsere Gemeindemitglieder teil und erhielten dafür so manche öffentliche Anerkennung. Genannt sei nur das Wirken unseres Gemeindemitgliedes Dr. Eversmann, der für seine hervorragenden Verdienste um den Mansfelder Kupferschieferbergbau den Ehrentitel „Held der Arbeit“ erhielt. Am 1.5.1945 – kaum drei Wochen nach dem Einzug der Amerikaner – konnte mit den Pallottinerinnen und ihrer tüchtigen Kindergärtnerin Schwester Mauritia ein katholischer Kindergarten für 205 Kinder eröffnet werden. Heute wird der Kindergarten von einer Marienschwester geleitet, und die ganze Gemeinde ist bemüht, uns diese Heimstätte unserer Kinder zu erhalten. In den folgenden Jahren nahm man sich auch der Schulkinder während der Ferien an. Es fanden örtliche Kindererholungen in Neckendorf statt, die z.B. 1950 von 270 Kindern besucht wurden. Anschließend führte man Müttererholungen durch. Im November 1945 gelang es, für das damalige Hilfskrankenhaus in der heutigen Mittelschule IV Graue Schwestern von der hl. Elisabeth zu gewinnen. Sie kamen

aus dem Mutterhaus in Breslau. Ihre Zahl stieg bald auf 16 Schwestern. Überaus segensreich haben sie in Eisleben gewirkt. Katholiken wie Nichtkatholiken gedenken ihrer in Liebe und Dankbarkeit. Schweren Herzens ließen wir sie am 2.Oktober 1951 von uns gehen. Die ebenfalls katholischen Chefärzte Dr. Maiß, Dr. Hoppe und Dr. Pollak sind heute noch im Kreiskrankenhaus tätig. Die Oberin der Grauen Schwestern, Sr. Dominika, starb bereits am 4.10.1951 in Eisenach. Am Fronleichnamstag 1945 konnte die Gemeinde zum ersten Male wieder durch die Eisleber Straßen zur „Wiese“ ziehen, um so den Herrn im Allerheiligsten zu ehren und Ihm zu danken für das Ende der Schreckensherrschaft. 4.000 Gläubige nahmen an der Prozession teil. Am 7.6.1945 kam aus Schlesien Pfarrer Kluck, der bis 1950 als Vikar in Eisleben tätig war. Gern denken wir an diesen liebevollen Priester, der seit 1950 Pfarrvikar in Holzweißig im Dekanat Wittenberg ist. Vom August 1945 bis April 1946 weilte Vikar Wobbe aus Ostpreußen in Eisleben. Sein Nachfolger wurde Vikar Kappenstein, der zugleich erster Kuratus der 1947 gegründeten Kuratie Osterhausen wurde. 1947 kamen die Jesuitenpatres Bollonia und Nikl, später für Pfarrer Kluck P. Zylka SJ . Durch den Zuwachs an Geistlichen war es möglich, im Jahre 1947 drei neue Kuratien zu errichten: Osterhausen, Hedersleben und Teutschenthal.

2.Einschub (siehe S.23!): Dem Entgegenkommen der staatlichen Stellen ist es zu danken, dass durch Wohnraumbeschaffung für die Geistlichen die Errichtung der Kuratien ermöglicht werden konnte. Inzwischen hat Osterhausen eine schöne neue Kirche erhalten und ist Pfarrvikarie geworden. 3.Einschub (siehe S.23!); Auch hier können wir den staatlichen Dienststellen für ihre Unterstützung danken. Bis dahin waren von Eisleben aus – wie oben erwähnt – an zwanzig Orten für fast vierzig Dörfer regelmäßig Gottessdienste und Religionsunterricht gehalten worden. Viele Opfer und Strapazen mussten die Geistlichen auf sich nehmen, um bei Kälte und Hitze, bei Sturm und Schnee – oft mit schlechten Fahrrädern – alle Gläubigen zu betreuen. An dieser Stelle sei ihnen allen, die in der schweren Nachkriegszeit unsere Hirten waren, liebevoll gedankt.

In Teutschenthal wirkt heute Kuratus Georg Kaiser, in Hedersleben Kuratus Heribert Jauer und in Osterhausen Pfarrvikar Franz Schrader. Auch eine Priesterweihe, die erste in Eisleben überhaupt, durften wir miterleben. Am 16.12.1945, dem 3.Adventssonntag, weihte Bischof Maximilian Kaller von Ermland den Vetter unseres damaligen Vikars Wobbe, Dr. Gerhard Matern aus dem Ermland, zum Priester. Es war ein wunderbares Erlebnis für unsere Gemeinde. Am 6.12.1945 wurde das Caritas-Hilfswerk gegründet. Längere Zeit beschäftigte es 160 Heimarbeiterinnen und ca. 60 in eigener Werkstatt arbeitende Frauen, um so z.T. der Arbeits-beschaffung beizusteuern, vor allem aber, um der drückenden Not der Nachkriegszeit entgegen zu wirken.

4.Einschub (siehe S.22!): Es ist verständlich, dass diese Bemühungen, die zum Wohle vieler in Angriff genommen wurden, von den staatlichen Stellen freundlich unterstützt wurden. Am 15.1.1946 starb das langjährige Kirchenvorstandsmitglied Alois Witzel. Von Kindheit an hat er die Geistlichen als Messdiener auf den Seelsorgsgängen durch das Mansfelder Land begleitet. Er war ein echter treuer Diasporakatholik. Wir erwähnen ihn für viele andere Laien, die wie er unermüdlich im Dienste der Gemeinde tätig waren. 1948 wurde die erste große Mission der Redemptoristen nach dem Krieg gefeiert. Es waren für die Gemeinde gnadenvolle Tage. Die Beteiligung (an Werktagen 3.0003.500, an Sonntagen ca. 5.000 Gläubige) zeigte, wie freudig man dieses Erlebnis aufnahm. Im Jahr zuvor feierte unser Pfarrer sein 25-jähriges Priesterjubiläum. Immer mehr entwickelte sich in den folgenden Jahren unsere Pfarrgemeinde zu einer großen Familie. Die Alteingesessenen bilden mit den ehemaligen Umsiedlern eine feste Gemeinschaft. Alle sind erfüllt von der Liebe zu unserer Kirche, zu unserer Pfarrei. Besonders erwähnt sei das feste Zusammenstehen der Männer, die nach 1945 unter ihrem Präses Pfarrer Kluck ihre Kolpingfamilie wieder aufbauten. Die in den letzten Jahren tätig gewesenen Priester sind P. Friedrich SJ, der für P. Nikl kam und Vikar Rolf Hildenhagen. Letzterer nahm sich besonders der Jugend an. Viel zu früh starb er plötzlich am 24.4.1954, erst 36 Jahre alt. Voller Trauer nahm die ganze Gemeinde Abschied von ihm. Kurze Zeit darauf starb die in der Krankenpflege tätig gewesene junge Marienschwester

Sponsa. Auch ihr bewahrt die Gemeinde ein bleibendes Andenken. Im November 1952 beging die Pfarrgemeinde den 650. Todestag der hl. Gertrud. Die aus diesem Anlass gehaltene Religiöse Woche hielt der in Eisleben bekannte und beliebte Redemptoristenpater Görlich. Am Weißen Sonntag 1953 wurde Vikar Josef Pirner zum Priester geweiht. Da seine Angehörigen in Eisleben wohnen, feierte der aus der CSR stammende Priester am 19.4.1953 in Eisleben seine Primiz. Am 11.Juni 1957 empfing Jürgen Einbeck die heilige Priesterweihe. Er ist ein Eisleber Kind und hatte erst nach 1945 durch die Gnade Gottes den Weg zur katholischen Kirche gefunden. Seine Primiz in Eisleben am 16.6.1957 (Dreifaltigkeitssonntag) war ein besonderer Höhepunkt für unsere Gemeinde. 1956 legte Dechant Rössler sein Amt als Dechant nieder, sein Nachfolger wurde Pfarrer Wiemer., der im darauffolgenden Jahre von Erzbischof Dr. Jäger durch die Ernennung zum Geistlichen Rat geehrt wurde. Zu Beginn dieses Jahres nahm die Gemeinde Abschied von ihrem Küster Clemens Witzel. Er hat mehr als 25 Jahre unserer Kirche treu gedient und verdient ein ehrendes Gedenken. Er starb am 27.Februar. Seit 1953 ist Vikar Georg Walter in Eisleben tätig. Seine besondere Liebe gilt der männlichen Jugend und vor allem den ihm anvertrauten Außenstationen, z. B. Helfta. 1954 kam Vikar Johannes Calderoni zu uns. Ihm obliegt die Seelsorge in Volkstedt. Den Kolpingbrüdern ist er ein guter Präses, der sich ganz für die Belange der Männer einsetzt. Leider verlässt er Eisleben, um als Kuratus von Hohenleipisch im Dekanat Torgau zu wirken. Ungern lassen ihn die Kolpingsöhne gehen. Ein besonderes Geschenk Gottes im Jubeljahr (1959) war für die Gemeinde die im Frühjahr stattgefundene heilige Mission. Drei Redemptoristenpatres aus Heiligenstadt ließen uns die Tage zu einem besonders gnadenvollen Erlebnis werden. Im Zusammenhang mit der Eucharistischen Abschlussfeier der heiligen Mission wurde die neue Monstranz eingeweiht. Sie ist mit künstlerischem Verständnis gestaltet und gibt so dem Sanctissimum einen würdevollen Rahmen. Am 2.August d. J. konnte unsere Gemeinde eine feierliche Glockenweihe miterleben. Im Auftrage von Weihbischof Dr. Rintelen konsekrierte Dechant Wiemer die der Königin des Friedens geweihte 4.Glocke unserer Kirche, die nun bereits ihre Stimme zum Lobe Gottes und Seiner heiligen Mutter erschallen lässt.

Zur Zeit findet eine gründliche Reparatur unseres Kirchen- und Turmdaches statt. Auch an das Innere der Kirche ist gedacht. Wir hoffen, dass zum Jubelfest unser Gotteshaus in neuem Glanze erstrahlt. Schon im Oktober 1951 fand eine Ausmalung der Kirche statt. Im Jahre 1953 konnte eine neue Heizung in der Kirche eingebaut und die Sakristei zu einem Versammlungsraum erweitert werden.

Ausklang Es gäbe noch vieles vom Leben unserer Gemeinde zu berichten. Das, was gesagt werden durfte, sollte ein Zeichen der dankbaren Erinnerung sein für ein gnadenreiches Jahrhundert Eisleber Pfarrgeschichte. Wenn wir unser Jubelfest feiern, dann wollen wir all derer gedenken, die mithalfen, dass in der Stadt der heiligen Gertrud katholisches Leben wiedererblühte. Wir wollen unsere Alten ehren, die mannhaft und stark an den Aufbau unserer Gemeinde herangingen. Ihnen war kein Opfer zu groß, damit das Gottesreich gefestigt werde. Noch heute gibt es in unserer Gemeinde verschiedene Familien, die seit Jahrzehnten zu den Stammfamilien gehören und noch immer treu zur Gemeinde stehen. Sie wurden zum Vorbild für die vielen Zugewanderten, die ihnen an Treue nicht nachstehen. Möge gerade die Jugend das Vermächtnis der Alten ehren und in ihrem Sinne das Begonnene fortführen! Wir wollen den Herrn bitten, dass er auf die Fürsprache der allerseligsten Jungfrau Maria, deren Verehrung auch in Eisleben sehr stark gepflegt wird, uns und unsere Gemeinde erhalte. Möge die heilige Gertrud ihrer Gemeinde eine treue Schützerin und Helferin sein. Mögen wir stets in ihrem Geiste handeln und immer ihre tiefe Gläubigkeit im Gebet nachzuahmen suchen. Lasst uns wie sie zu Gott beten: „Gott, du meine Liebe! Wie nahe bist Du denen, die dich suchen, wie süß, wie liebenswürdig denen, die Dich finden.

Anhang Quellenangaben: Chronik der Pfarrgemeinde Eisleben Georg Lier: „Das Wiedererstarken des kath. Glaubens in vordem rein protestantischen Gebieten mit besonderer Berücksichtigung der Verhältnisse im Mansfeldischen“ (1910) Hermann Größler: „Die Einführung des Christentums in die nordthüringischen Gaue Friesenfeld und Hassengau“ (1883) Hermann Größler: „Die Blütezeit des Klosters Helfta bei Eisleben“ (1887) Kathol. Hausbuch „Jahr des Herrn“, Jahrgänge 1958 und 1959, St.-Benno-Verlag Leipzig

Priester und Ordensleute - Kinder unserer Gemeinde Unsere Gemeinde hat im Laufe ihres Bestehens eine Reihe Männer und Frauen hervorgebracht, die sich ganz Gott widmen wollten, sei es als Priester oder als Ordensmitglieder. Sie seien hier nur kurz aufgeführt. (In Klammern die nach Abfasssung der Festschrift bekannten Namen und Daten!) Unsere Priester: Paul Gunkel * 1895, geweiht 1924, später Hagen/Westfalen Josef Pirner * 1923, geweiht 1953, später Diözese Meißen Jürgen Einbeck * 1957, geweiht 1957, später Oschersleben

(+ 21.07.1965) (+ 04.12.1991) (+ 09.12.1998)

Unsere Ordensbrüder: Albert Mitzschke Alexianerbruder + Enst Mitzschke Alexianerbruder + Unsere Ordensschwestern: Schwestern von der Göttlichen Vorsehung: Leni Hornemann + als Schwester Andrea in Gladbeck Hedwig Gosciaczek + als Schwester Adelis in Olfen Maria Herbig als Schwester Vincentis in Münster Lina Walter als Schwester Verola in Oberhausen-Osterfeld Martha Schade als Schwester Reinhardis in Münster Martha Bednarczek als Schwester Irmharda in Werne a.d.Lippe / Graue Schwestern von der hl.Elisabeth: Anna Trebbin + als Sr Ruth in Halle Maria Gast als Sr. Dominika in Magdebg.(jetzt Halle) Gretel Jeschke + als Sr. Gertrudis in Magdeburg Hildegard Stahlhut als Sr. Irene in Halle

Eintritt 1933 Eintritt 1952 Eintritt 1953 Eintritt 1955

In weitere Orden und Kongregationen traten ein: Elisabeth Lier als Sr. Gertrudis in Duderstadt /Ursulinen Maria Eckardt als Sr. Theogina in München / Niederbronner Herz-Jesu-Schw. Elisabeth Roetta als Sr. Sabina in Wetzlar / Arme Dienstmägde Elisabeth Schade als Sr. Camilla in Bergheim/Erft / Franziskanerinnen Gertrud Strecker als Sr. Gregoris in Thuine / Franziskanerinnen

Elisabeth Völker Kotzur Ilse Matuszewski Gertrud Schading

als Sr. Maria Theresia in Heiligenstadt / Schulschwesten als Sr. Mercedes als Sr. Heribalda in Geseke (jetzt Thülen) / Vincentinerin als Sr. Helena in Grafschaft / Borromäerinnen)

Als Postulantin der Vincentinerinnen: Kunigunde Gast in Paderborn (jetzt Sr.Hedwig im St.-Vincenz-Krankenhaus Paderborn) In das Säkularinstitut der Schönstätter Mariensschwestern traten ein: Elsbeth Büßgen als Schwester Ricarda in Friedrichroda Eintritt 1947 Anni Rachfahl als Schwester Anstrud in Berlin Eintritt 1948 Renata Loebe als Schwester Martraude in Magdeburg Eintritt 1950 Cäcilie Kohl als Schwester Regine in Friedrichroda Eintritt 1951 Auf das Priestertum bereiten sich vor: Siegfried Wachowiak in Paderborn (* 1928 / PW 1961 / + 11.07.2006) Ludwig Stegl in Erfurt (* 1935 / PW 1963) Bertram Gast in Erfurt (* 1939 / PW 1964) Nachtrag: weitere Weihen nach 1959: Hans-Joachim Marchio * 1943 / Priesterweihe 1968 Robert Denzel * 1945 / Priesterweihe 1973 Diethard Schaffenberg * 1953 / Priesterweihe 1981 Bringfried Schubert Norbert Malina

Diakonenweihe 1971 in Paderborn (bis 1961 in Eisleben) Ständiger Diakon in Stukenbrock/Westf.) Diakonenweihe 1997 in Magdeburg Ständiger Diakon in der St.-Gertrud-Gemeinde Eisleben

Die Seelsorger der Pfarrei: Ortspfarrer: Anton Kemper Friedrich Schulte Christian Schwermer Heinrich Bona Franz Meintrup Josef Westermann

1858-1885 + 1885-1890 + 1890-1892 /+ 1921 1892-1893 /+ 1938 1893-1907 /+ 1933 1907-1927 /+ 1932

(in Klammern nach 1959 bekannte Daten)

Dr. Franz Vogt 1927-1932/+ 1932 Augustin Scheele 1932-1941/+ (1964) Franz Wiemer 1941(-1964/+ 1990) (Franz Hübner 1964-1982/+ 2006) (Dieter Tautz 1982-2009/+ 2009) (Michael Schwenke seit 2009 )

Kapläne des Benediktinerinnen-Klosters: Dr. Wilhelm Woker Anton von Hüllen Friedrich Leop.Graf Korff-Schmiesing-Kerssenbrock Johannes Pieper

1869-1870 1870-1872 1872-1873 1873-1875

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Vikare: Karl Kramer Theodor Kalkuhl Ewald Schäfer Josef Kreutzer August Sommer Konrad Finke Heinrich Inkmann August Mügge Alfred Gramsch Friedrich Steinrücke Eduard Farwer Theodor Flor Werner Fuhlrott(Kooper.) Karl Wessels Wilhelm Widekind Franz Paroth

1905-08 (+1956) 1908-09 (+1942) 1909-12 (+1965) 1912-14 (+1930) 1914-16 (+1966) 1916-19 (+1959) 1919-21 (+1963) 1921-26 (+1965) 1926-27 (+1949) 1927 (+1969) 1928-30 (+1971) 1930-32 (+1969) 1932 (+1977) 1932-36 (+1972) 1936-37 (+1961) 1937-38 (gef.1944)

Kuratie Hedersleben: Walter Lassmann 1947-50 (+1986) Josef Pfeil 1950-54 (+1976) Heribert Jauer 1954(-61/+2001)

Johannes Kessels 1938-39 (+1984) Heinz Montag 1940-43 (+1963) Msgr.Heinrich Czeloth 1943-45 (+1958) Hugo Bleske 1944-47 (+1987) P.Hans Mahlberg SJ 1944-45 (+2001) Erwin Wobbe 1945-46 (+1992) Johannes Kluck 1945-50 (+1984) Otto Kappenstein 1946-48 (+1971) P.Erich Bollonia SJ 1947-52 (+1966) P.Rudolf Nikl SJ 1947-51 (+1990) P.Wilhelm Zylka SJ 1950-52 (+1990) P.Heinz Friedrich SJ 1951-52 (+1976) Rudolf Hildenhagen 1952-54 (+1954) Georg Walter 1953(-61/+1996) Johannes Calderoni 1954-59 (+1970) Egon Kiefer 1959(-60/+2006)

(Winfried Schreiber 1961-66) (Paul Gonschorek 1966-80/+2009)

Kuratie Osterhausen (seit 1959 Pfarrvikarie): Otto Kappenstein 1948-50 (+1971) (Raimund Broeske Heinrich Herzberg 1950-57 (+2008) (Dieter Tautz Dr. Franz Schrader 1957(-70/+2007) Eisleber Vikare nach 1959: Wolfgang Berard 1960-62 / +2011 Otto Hammer 1961-65 / +1990 Egbert Brock 1962-66 Harald Feix 1965-66 Bernhard Müller 1966-68 / +1996 Wolfgang Stehr 1966-68 / +1996 Walter Appel 1968-71 / +1994 Winfried Schreiber 1968-74 Ulrich Berger 1972-74 / +1999 Gerhard Oppelt 1974-80 +++

1970-73/+2010) 1973-82/+2009) s.o.

Siegfried Kowohl 1980-82 Christian Grubert 1982-86 Michael Schelenz 1986-89 Thomas Kriesel 1989-92 Christoph Kunz 1992-95 Andreas Lorenz 1995-00 Thomas Fichtner 2000-03 Joachim Uttich 2003-06 Bernd Schacht(Koop.)2006-09 +++

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Hier endet die Festschrift von Bringfried Schubert. Am Inhalt wurde nichts verändert. Sie wurde so abgedruckt, wie er sie 1959 geschrieben und 2011 ergänzt hat.

Nachklang aus der Gegenwart von Norbert Lakomy Es sind nun 57 Jahre vergangen, seit dem Bringfried Schubert diese Festschrift verfasste. Als er im Spätsommer 1959 beim Rat des Kreises um die Druckerlaubnis kämpfte, erblickte im Hause Schubert ein Töchterchen das Licht dieser Welt. Wenige Tage nach ihr wurde ich geboren. So könnte ich quasi nahtlos die Geschichte weitererzählen. Aber das wäre wohl etwas übertrieben. Dennoch habe ich ein halbes Jahrhundert in dieser Pfarrei und Kirche miterlebt und auch mitgestaltet. Das ermöglicht durchaus, einiges zu Papier zu bringen. Nun werde ich nicht im Stile eines Archivars oder Historikers die Sache beleuchten und auch nicht wie ein Germanist und Deutschlehrer schreiben. Ich werde die Ereignisse schildern und beschreiben, wie ich sie wahrgenommen und erlebt habe. Das ist subjektiv, aber deshalb nicht falsch. Dechant Franz Wiemer war Pfarrer von St. Gertrud als wir (die Tochter von B. Schubert und ich) getauft wurden. Ob an diesem Tag die Festschrift auch Gesprächsthema war, ist nicht bekannt. Im katholischen Kindergarten, der letztes Jahr sein 70jähriges Jubiläum feierte, erlebte ich die Schönstädter Marienschwestern, die unseren Jahrgang auch im Religionsunterricht und zur Erstkommunion begleiteten. Ende 1964 kam Pfarrer Franz Hübner nach Eisleben. In Rom war von Papst Johannes XXIII. das II. Vatikanische Konzil einberufen worden. Aggiornamento – Erneuerung war ein Begriff, der diese Zeit prägte. Es wurde angestrebt, Möglichkeiten zu suchen, dogmatische Sätze zu aktualisieren und zwar im Sinne ihrer Orientierung, aber auf das Verständnis des gegenwärtigen Zeitalters hin. Dass es möglich und notwendig sei, erläuterte der Papst in seiner Eröffnungsansprache damals: „…das eine sei das ewige Dogma, die bleibende Wahrheit, ein anderes sei die Ausdrucksweise der jeweiligen Zeit“. Diese Erneuerung und Veränderung beschränkte sich nicht nur auf Theologie und Liturgie, sondern damit im Zusammenhang auch auf die scheinbaren Äußerlichkeiten. Für Messtexte und Gebete wurden nun „lebendige Sprache“ verwendet. In unserem Fall Deutsch. Bei meinen ersten Einsätzen als Ministrant genügte es schon beim Stufengebet (Confiteor) an der richtigen Stelle sich mit der Faust an die Brust zu schlagen und „…mea Culpa, mea Culpa…“ zu sagen.

In der Sakristei, vor Messbeginn, sollte man auf den Priesterruf: „Adjutorium nostrum in nomine Domini“ wenigstens mit „ Qui fecit caelum et terram“ antworten. Mehr Latein war schon nicht mehr nötig. Noch deutlicher fielen die Veränderungen am und im Kirchengebäude auf. Der Priester zelebrierte fortan die heilige Messe mit dem Gesicht zum Volk. Das geht am Hochaltar nicht. Also musste ein neuer Altar-Standort gefunden werden. Der Hochaltar wurde abgebaut. Ein neuer kam in die Mitte des Altarraumes. Die Fenster wurden ausgewechselt. Statt Heiligenfiguren auf Glas, waren nun bunte kleine Glasscheiben zu sehen, die nicht auf den ersten Blick das Thema „Creatio ex nihil“ (Erschaffung der Welt aus dem Nichts) vermuten ließen. Das rechte Fenster im Querschiff, was die Wundmale darstellt, wurde nicht nur hinter vorgehaltener Hand als „Krebsfenster“ betitelt. Zugegeben, eine gewisse Ähnlichkeit mit den roten Schalentierchen ist nicht zu leugnen. Es hat einige Diskussionen und Auseinandersetzungen bezogen auf die Umgestaltung der Kirche gegeben. Pfarrer Hübner hatte es aber gut geleitet und begleitet. Das Kirchengebäude bekam außen einen neuen Putz. Im Inneren kamen neue Bänke, eine neue Kanzel (nun auf der anderen Seite), ein neues Taufbecken sowie neue Beichtstühle, eine neue Marienstatue und ein sehr großes Metallkreuz über dem Altar – das alles war in der Kirche neu, als Bischof Johannes Braun im November 1971 den neuen Altar konsekrierte und Kirche neu weihte. Da war ich als Zeuge dabei. Denn der Bischof spendete mir in diesem Gottesdienst auch das Sakrament der Firmung. Schuberts Tochter war nun nicht mehr dabei. Für ihre Familie war mit Blick auf das Jahr 1961 die Flucht in den anderen Teil Deutschlands der einzige Ausweg. Im Frühjahr 1982 ging Pfarrer Hübner nach Halle in den Ruhestand. Dieter Tautz wurde als neuer Pfarrer für St. Gertrud Eisleben ernannt. Seinen bisherigen Wirkungskreis durfte er aber behalten. So kam quasi auch die Pfarrvikarie Osterhausen-Sittichenbach dazu. Wenn man so will, war das der erste Vorbote der Gemeindeverbünde. Dazu später mehr. Tautz gehörte zu jener Priestergeneration, die den Schwung des II. Vatikanischen Konzils aufnahmen und die Dekrete und Beschlüsse ins Leben der Gemeinden

übersetzten. Pastorale und ökumenische Erneuerung – so lautete der Konzilsauftrag. Und das fand nun auch verstärkt in der Lutherstadt Eisleben statt. Das Tempo der konfessionellen Annäherung war manchem Gemeindemitglied zu rasant. Bei den evangelischen Mitbrüdern allerdings, von denen es in Eisleben damals einige gab, fand die Sache Gehör und sie wurden gute Mitstreiter im Sinne der Ökumene. Die ökumenische Osternacht sei hier exemplarisch genannt. Als in den frühen 90er Jahren während der Umbauphase der St. Gertrud-Kirche die katholische Gemeinde ihre Osternacht in St. Andreas feierte, waren die „Hausherren“, also die evangelischen Christen, mit eingeladen. Gern schauten sie der katholischen Liturgie in der evangelischen Kirche zu. Als dann St. Gertrud fertig renoviert worden war, lud man als Geste der Dankbarkeit und Gastfreundschaft wieder zur gemeinsamen Osternacht. Nun schaute aber keiner mehr zu. Man feierte gemeinsam, was gemeinsam möglich war. Vom Osterfeuer mit Kerze, über das Exsultet, den vielen Lesungen, Chorgesang, Predigt, Taufwasserweihe, in manchen Jahren auch mit Taufen, das Fürbitten-Gebet bis - ja bis zur Gabenbereitung. Ab dann wurde Trennung deutlich. Nacheinander wurden die Wandlungsworte gesprochen, nacheinander wurde Abendmahl und Kommunion ausgeteilt. Aber es war eine gemeinsame Feier der Freude der Auferstehung Christi. Nach dem Gottesdienst setzte sich das Feiern (ab 1995 dann im Gemeindehaus) fort. Ähnlich, nur das diesmal die Katholiken nach St. Annen gingen, wurde der Pfingstmontag gemeinsam begangen. An dieser Form wurde es bis 2009 festgehalten. Bis 1989 waren die Aktivitäten der Gemeinde geprägt von dem, was in der „sozialistischen Gesellschaft“ der 70er und 80er Jahre möglich war. Vieles fand nur im „innerkirchlichen Raum“ statt. Dennoch war man offen für alle. Man brauchte nicht erst die Akteneinsicht, um zu wissen, dass es da Stasi-Überwachung gab. Gleichwohl bot die Kirche den Freiraum zur Meinungsbildung und Diskussion über die „realexistierenden-sozialistischen“ Gegebenheiten. Auch wenn Eisleben kein Leipzig war, so gab es Gesprächskreise, Friedensgebete, Kerzendemos und Runde Tische. Übrigens, es lohnt sich gerade heutzutage einmal darüber nachzudenken, warum der Ruf „Keine Gewalt“ tatsächlich funktionierte. Für mich war es ein Geschenk Gottes, eine friedliche Revolution miterleben zu dürfen.

Mit der Wende stand man aber auch vor der Aufgabe, Neues zu gestalten. Nicht nur Bananen, Reisefreiheit und die D-Mark, sondern ein neues Miteinander im geeinten Deutschland, im Haus Europa, das war das Ziel, was der „Wind der Veränderung“ für uns Deutsche und für Osteuropa brachte. Beim Neuaufbau insbesondere der gesellschaftlichen Strukturen sollten und wollten sich Christen nun aktiv einbringen. Der erste freigewählte Bürgermeister Peter Pfützner (1990-2006) und der Stadtratsvorsitzender Günther Rösel seinen stellvertretend für viele andere genannt, die aus christlicher Überzeugung sich engagierten, sich einmischten und Verantwortung übernahmen. Rückhalt und Unterstützung gab es (zumindest anfänglich) von den Gemeinden Soziale Einrichtungen konnten nun auch in christlicher Trägerschaft betrieben werden. Ein städtisches Altenpflegeheim, das Heilig-Geist-Stift, übernahm die evangelische Kirche (Diakonie-Verein). Die katholische Pfarrei gründete eine Caritas-Sozialstation. Beide Einrichtungen wurden von Kuratorien inhaltlich begleitet. Diese waren in ökumenischer Parität besetzt. Bald merkte man aber, dass der gute Wille das Eine ist, die marktwirtschaftliche Realität einer Wettbewerbsgesellschaft das Andere. Nach circa zehn Jahren wurden die Einrichtungen an professionelle Trägergesellschaften übergeben. Das „Geist-Stift“ an die Kanzler von Pfau´sche Stiftung. Die Sozialstation an die Caritas-Trägergesellschaft Magdeburg (ctm). Während man sich über die deutsche Einheit freute; als zusammenwuchs, was zusammen gehörte, just in diese Phase fielen Diskussionen der Trennung. Magdeburg sollte ein eigenes Bistum werden. Schnell wurde aber klar, dass es nicht um Trennung geht, sondern um das Wahrnehmen einer Realität. Es war ein Reagieren auf die Besonderheiten, die es nun einmal im Ostteil des Erzbistums Paderborn gab. Im Oktober 1994 wurde das Bistum Magdeburg durch Papst Johannes-Paul II. gegründet. Leo Nowak wurde erster Bischof des neuen Bistums. In partnerschaftlicher Verbundenheit stehen heute noch die Bistümer zusammen. Die Diözese Magdeburg gehört zur Kirchenprovinz Paderborn. Da wundert es nicht, dass der Architekt für unser Gemeindehaus, Herr Hendger, aus Bad Lippspringe kam. Schon Ende der 80er Jahre gab es Planungen für einen solchen Bau.

Die Wende beschleunigte einiges und nährte Hoffnungen bezogen auf Status und Nutzbarkeit eines solchen Objektes. Derzeit wird das Haus durch die Caritas-Sozialstation und Beratungsstelle sowie durch Gemeinde- und Privatveranstaltungen genutzt. Am 15. November 1992 wurde der Grundstein gelegt. Die feierliche Einweihung fand am 24. Juli 1994 mit Gottesdienst und einem Gemeindefest statt. Tags darauf wurde Pfarrer Tautz 60 Jahre alt. Nicht nur das Gemeindehaus wurde gebaut, sondern auch die Kirche wurde nochmals umfassend renoviert. Wir erleben das Erscheinungsbild noch heute. Die Dächer vom Turm und Kirchenschiff bekamen eine Kupferabdeckung. Wo, wenn nicht im Mansfelder Land, ist dies das passende Material. Kupfer wurde auch verwendet für das Ambo und den Tabernakel. Und es sollten zur Altarraumgestaltung noch Kupferstelen hinzukommen. Gedacht als Kerzenleuchter mit Glasplatten. Unter dem Thema „Communio Sanctorum“ sollten Persönlichkeiten dargestellt werden, die als Vertreter von Epochen und Phasen der Glaubens- und Kirchengeschichte zu verstehen sind. Thematische Schwerpunkte waren beispielsweise: Vom Alten zum Neuen Bund; Von den Anfängen der Kirche; Die Bistumspatrone; Heilige Frauen und Männer unserer Region aber auch Menschen, die sich für soziale Gerechtigkeit einsetzten; Wegbereiter der Ökumene, Märtyrer der Menschenrechte und Zeugen des Evangeliums. Von der Idee sehr gut. Vom Inhalt her war es für manche, die mitdiskutierten, sehr schwere Kost. Denn es waren nicht nur Namen aus dem römischen Heiligenkalender. Da tauchte Luther und Müntzer auf, Dietrich Bonhoefer sowie die südamerikanischen Befreiungstheologen Romero und Camera. Und Mutter Teresa lebte noch. Communio Sanctorum führte zumindest zu einer intensiven thematischen Auseinandersetzung in der Gemeinde. Die Kunstkommission in Magdeburg wurde eingeschaltet und neben dem Inhalt beriet man auch die künstlerische Umsetzung. Zu der kam es dann aber nicht. Gründe mögen die damals nicht ausgeräumten Unstimmigkeiten gewesen sein; ganz sicher aber auch die Kosten. In einer anderen Form, nämlich als Glasfenstergestaltung, ist „Commuion Sanctorum“ im „Raum der Stille“ im Caritas-Pflegezentrum St. Mechthild in Helfta zu sehen. (siehe Foto nebenan)

Scherzhaft wird behauptet, dass die Katholiken schon immer gut und gern gefeiert haben. Dem will ich nicht widersprechen. Im Gegenteil. Ich vertraute dieser Behauptung, als ich im November 1994 darum warb, mit einem Tanzabend im neuen Gemeindehaus die „Närrische Zeit“ einzuläuten. Bei dem einen Abend ist es nicht geblieben. Am 11.11.2016 wird dies zum 23. Mal so sein. Es geht also auf die 100 zu. Wir sind zwar nicht im Rheinland, aber aus der Pfarrgemeinde heraus wurde 1996 der 1. Eisleber Carnevalsverein „De Lotterstädter“ e.V. gegründet. Bevor ich jetzt als Gründungsmitglied und erster Vereinsvorsitzender ins Schwärmen gerate und närrisch-lustige oder vereinsrechtlich-ernste Geschichten erzähle, blende ich lieber aus. Aber nicht ohne den Hinweis, dass zu allen Zeiten Geselligkeit praktiziert wurde. Ob Männerverein oder Kolping, ob Frauengruppen oder Jugend, das Gemeindeleben wurde auch dadurch mit getragen. In den Zeiten, die ich miterlebt habe, war es bis zur Wende staatlicherseits nicht erwünscht bis nicht gestattet, dass solche Veranstaltungen öffentlich wahrgenommen wurden. Es galt: Die Christen können in ihren Kirchen beten, mehr nicht. Unter dem „Deckmantel“ der damaligen CDU-Blockpartei, die als Veranstalter herhielt, konnte die Gemeinde dann auch in öffentliche Sälen Faschingsabende feiern.

Gertrud die Große und die deutsche Frauenmystik rückten für viele hier im Lande in den Focus, als man mit der Revitalisierung des Klosters Helfta begann. Ein interessantes und in gewisser Weise einzigartiges Geschehen, was dort aus Ruinen erstanden ist. Wie das geschah, wer daran alles beteiligt war, all das ist in vielen Schriften und Büchern nachzulesen.

Im August 1999 kamen Äbtissin Assumpta und weitere Schwestern nach Helfta. Zisterziensisches Leben kehrte in das Kloster ein. Am 21. November wurde die wiedererrichtete Klosterkirche konsekriert. Die Bautätigkeiten auf dem Gelände gingen aber weiter. Exerzitien- und Gästehaus; Hotel und Restaurant kamen hinzu. Aus dem Schafstall wurde ein großer Konzertsaal mit Bühne. Neben den monastischen und kulturellen Aspekten sah das Gesamtkonzept für das Kloster Helfta auch eine caritative Komponente vor.

Ein Pflegeheim wurde durch die Caritas-Trägergesellschaft Magdeburg (ctm) gebaut. Dem 2002 eingeweihten Haus folgte 2013 ein Erweiterungsbau, so dass heute 77 Menschen betreut und gepflegt werden können. Hier kommen Menschen mit Kirche in Berührung, ob als Mitarbeiter, Pflegebedürftiger oder Angehöriger. Kirche lebt auch an anderen Orten über die Pfarrei hinaus. Das ist ein Satz aus den Zukunftsbildern 2019 des Bistums Magdeburg. Bevor die Zukunftsbilder auf bekanntem blauen Plakat erschienen, gab es ab 2000 das „Pastorale Zukunftsgespräch“ (PZG). Das war eine neue Erfahrung. In einem ergebnisoffenen Prozess mit handlungsleitenden Prinzipien sollten im Dialog, im Stile eines Projektes, Konzepte erarbeitet werden. Es ging darum, in der Realität einer sich gewandelten Gesellschaft unsere Identität als Christen zu finden. Missionarische Kirche sein in unserer Diasporasituation - wie kann das gehen? Nach Analyse und Themenfindung wurden in Arbeitsgruppen und mehreren Bistumsversammlungen Papiere erarbeitet, die von Bischof Leo Nowak im Februar 2004 als Dekrete in Kraft gesetzt wurden. Sr. Gerburga Schmitz und Kurt Funker nahmen u.a. aus unserer Pfarrei an den Versammlungen teil.

Mit dem PZG wollte man nicht nur den Aufbruch wagen sondern auch den Aufbruch gestalten. Strukturen und Zuständigkeiten sollten und mussten angepasst werden. Über den Weg von Gemeindeverbünden wurden neue Pfarreien gegründet. Zur Bistumswallfahrt 2005 gab Bischof Gerhard Feige den Start. In Pastoralvereinbarungen sollten die zum Verbund gehörenden Pfarrgemeinden, Pfarrvikarien und Kuratien zunächst ihr Verhältnis zum Gesamtverbund beschreiben. Ziele sollten formuliert werden. Allerdings mit dem Blick auf die möglichen personellen und finanziellen Ressourcen. Allen voran galt es die Grundvollzüge kirchlichen Lebens (Martyria, Liturgia, Diakonia, Ökumene) neu zu gestalten, um dem missionarischen Auftrag gerecht werden zu können. So saßen die Kirchenvorstände und Pfarrgemeinderäte von Eisleben, Sittichenbach, Hedersleben und Hergisdorf zusammen und erarbeiteten diese Vereinbarung. Es war nicht immer leicht und einfach. Jeder sah zwar die Notwendigkeit von Veränderungen ein, aber eben nicht bei sich und seiner Gemeinde. Im Juni 2009 wurde sie unterzeichnet und dem Bischof übergeben. Ab 28.11.2010 entstand aus dem Gemeindeverbund die „neue“ Pfarrei St. Gertrud, so sagt es die Urkunde. Pfarrer Tautz, nun im Ruhestand, zog in eine Wohnung ins Kloster Helfta. Er starb dort am 03.12.2009. Am 12.09.2009 wurde Pfarrer Michael Schwenke in sein Amt eingeführt. Für die Pfarrei war nun nur noch eine Priesterstelle vorgesehen. Ergänzend dazu allerdings eine Diakon- und eine Gemeindereferenten-Stelle. Die Dynamik der gesellschaftlichen Veränderungen, die demografischen Entwicklungen, die Charismen und Talente sowie das Engagement der heutigen Akteure in der Gemeinde mögen wohl Gründe sein, dass die Gestaltung des Aufbruchs, anders verläuft, als es im PZG und der Pastoralvereinbarung beabsichtigt war. Gleichwohl gilt auch für uns:

Wir sind Gottes Zeugen hier und heute. Als schöpferische Minderheit setzen wir in ökumenischem Geist seinen Auftrag um. Wir genügen uns dabei nicht selbst, sondern geben missionarisch allen Menschen Anteil an der Hoffnung, die uns in Jesus Christus geschenkt ist. Einladend, offen und dialogbereit gehen wir in die Zukunft. (Zukunftsbilder Bistum Magdeburg 2019)

Diese Kirche wurde erbaut auf dem Standort des ehemaligen Klosters der Benediktinerinnen (1869-1875). Vor mehr als 500 Jahren war hier das CisterzienserinnenKloster „Neuen Helfta“. Die erste katholische Kirche seit der Reformation wurde 1865 in der Nikolaistraße eingeweiht und bis 1916 genutzt. Die wachsende Zahl der Katholiken machte ein größeres Kirchengebäude erforderlich. Seit 1908 wurde deutschlandweit um finanzielle Unterstützung (Bittbriefe) durch den Kirchenbauverein und Dechant Westermann geworben. Erster Spatenstich war am 13. Juni 1914. Der I. Weltkrieg brachte große Schwierigkeiten für die Weiterführung des Baues mit sich. Dennoch konnte Ende 1915 das Pfarrhaus bezogen werden. Das neue Gotteshaus wurde am 15. November 1916 durch Weihbischof Hähling von Lanzenauer konsekriert. Eine tiefgreifende Umgestaltung im Sinne des II. Vatikanischen Konzils fand in den Jahren 1968 bis 1971 statt. In den Jahren 1991-1993 wurde der Innenraum umgestaltet, die Fassade renoviert und das Dach saniert. Zeitgleich wurde das nebenstehen Gemeindehaus gebaut. Einweihung war 1994.

Wir danken allen, die das Erscheinen diese Festschrift unterstütz haben.        

Sparkasse Mansfeld-Südharz Stadtwerke der Lutherstadt Eisleben Wohnungsbaugesellschaft der Lutherstadt Eisleben Caritas- Pflegezentrum St. Mechthild, Lutherstadt Eisleben 1. Eisleber Carnevalsverein „De Lotterstädter“ e.V. Kolpingsfamilie Eisleben e.V. CDU-Fraktion im Stadtrat der Lutherstadt Eisleben ProConnect Lutherstadt Eisleben

Impressum: Herausgeber: Norbert Lakomy, Nußbreite 7, 06295 Lutherstadt Eisleben, Quellen: „Festschrift zum 100-jährigen Pfarrjubiläum der St. Gertrudis-Gemeinde Eisleben“ Bringfried Schubert „Um Gottes und der Menschen Willen“ Dokumentation zum PZG; Benno-Verlag; Konzilstexte „Vatikanum secundum“ Fotos: Gabriele Lakomy, Norbert Lakomy, Rainer Gerlach (Luftbilder) ProConnect Druckerei: Gemeindebrief-Druckerei, Martin-Luther-Weg 1, 29393 Groß Oesingen Ausgabe September 2016, Auflage 350 Exemplar